Strafgericht Basel Scientology-Wucher-Urteil Juni 1987
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STRAFGERICHT BASEL-STADT (Dreiergericht)
URTEIL vom 10. Juni 1987
IN SACHEN
1. (Angeklagte x) geboren 1956, verheiratetet Hausfrau ...
2. (Angeklagte y) geboren 1954, ... verheiratet, Sachbearbeiterin
durch Anklage der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 27. November 1986 dem
Strafgericht zur Beurteilung berwiesen wegen fortgesetzten Wuchers, evtl. fortgesetzten
Betrugs.
Sachverhalt Der Anklageschrift liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
I. Die Angeklagte x war vom Dezember 1983 bis Mrz 1984 Prsidentin der Basler "Scientology-
Kirche", einer - nach eigener Darstellung - "religisen" Gemeinschaft, die aufgrund der Lehren ihres
Begrnders L. Ron Hubbard "einem Individuum bei der Erlangung der Freiheit als geistiges Wesen
helfen will". In dieser Eigenschaft war sie fr smtliche Belange der Kirche, insbesondere auch fr
das Finanzwesen verantwortlich.
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 2
Die Angeklagte y war - bevor sie ab April l984 von x das Amt der Prsidentin bernahm -
Mitarbeiterin und Vorstandsmitglied der "Scientology-Kirche".
II.
(Der Geschdigte) (geb. 1957, ----------) leidet als Folge eines 1976 erlittenen Verkehrsunfalls -
nach Schdeltrauma - an einem Psychoorganischen Syndrom und ist in seiner Denk- und
Handlungsfhigkeit in erheblichem Masse eingeschrnkt. Als Entschdigung fr die
Unfallfolgen hatte er eine Versicherungsleistung in Hhe von Fr. 100.000.- erhalten, die in Form
von Obligationen auf der Gewerbebank Mnnedorf/ZH angelegt wurden.
Im September 1983 kam (der Geschdigte), der damals in Sch. wohnte und im
Arbeitszentrum fr Behinderte in Str. beschftigt wurde, in Basel erstmals mit der
"Scientology-Kirche" in Kontakt. Nachdem er von einem Werber auf der Strasse zu .einem
"Persnlichkeitst" eingeladen worden war und sich anschliessend diesem Test in einem Lokal der
"Scientology-Kirche" unterzogen hatte, wurde ihm bedeutet, dass er sich in sehr schlechter
Verfassung befinde und unbedingt das Hubbard-Buch "Dianetik", welches ihm denn auch fr Fr.
45.- verkauft wurde, lesen msse.
Am 31. Dezember 1983 folgte (der Geschdigte) einer schriftlichen Einladung der "Scientology-
Kirche" zum Besuch einer Veranstaltung im Restaurant Seegarten in M., wo er unter anderem mit
den Angeklagten x und y zusammentraf. Von den beiden Angeklagten dazu aufgefordert, fand er
sich hierauf am Neujahrstag 1984 an der Gundeldingerstrasse 432, dem damaligen Sitz der
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"Scientology-Kirche Basel" ein. Die Angeklagte y, die ihn empfing, berredete ihn bei dieser
Gelegenheit zum Kauf des Kurses "Erfolg durch Kommunikation" fr Fr. 110.-- und eines
entsprechenden Buches fr Fr. 43.30, worauf (der Geschdigte) noch am selben Tag einen Teil des
Kurses sowie - angeblich wegen Versagens und nach Bezahlung von weiteren Fr. 95.-- - sogleich
auch den Kurs
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 3
"Auf und Ab im Leben" absolvieren und schliesslich noch das "Auf und Ab Buch" fr Fr. 54.70
erwerben musste.
III.
Fortgesetzter Wucher, evtl. fortgesetzter Betrug
Nachdem die Angeklagten x und y von (dem Geschdigten) erfahren hatten, dass er ber
Vermgen verfgt, versprachen sie ihm anlsslich eines folgenden Besuchs Anfang Januar
1984 in Basel, dass er seine geistigen und krperlichen Fhigkeiten durch Absolvierung
weiterer, von der "Scientology-Kirche" angebotener Kurse entscheidend verbessern und
dadurch die Mglichkeit erlangen knne, eine gute Arbeitsstelle zu erhalten.
1. Unter vorstzlicher Ausbeutung seiner Geistes- und Charakterschwche und durch die
arglistige Vorspiegelung,. er knne durch die Methoden der Dianetik und Scientology einen
grossen Teil seiner Invaliditt verlieren, veranlassten die Angeklagten x und y (den
Geschdigten) zunchst in unrechtmssiger Bereicherungsabsicht dazu, am 3. Januar 1984
zum voraus Fr.3.704.40 fr einen sog. "Reinigungs-Rundown" zu bezahlen.
Dabei waren sie sich bewusst, dass die Hhe dieser Vermgensleistung mit der erbrachten Leistung
- lediglich bestehend in der Berechtigung, die kircheneigene Sauna an der Gundeldingerstrasse
whrend rund zwei bis drei Wochen zu besuchen, wobei jeweils Vitaminprparate u.a. einzunehmen
waren - in einem offenbaren, krassen Missverhltnis stand und entgegen ihren Zusicherungen auch
nicht geeignet war, eine nennenswerte Besserung der krperlichen und geistigen Gesundheit zu
bewirken.
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 4
2. Wenige Tage spter erffneten die beiden Angeklagten (dem Geschdigten) in Basel, dass er
fr die erfolgreiche Behandlung seiner Leiden weitere Kurse bentige, fr die er gesamthaft
Fr.59.000.-- bezahlen msse.
Obschon (der Geschdigte) versuchte, sich gegen dieses Ansinnen zu wehren, gelang es den
Angeklagten x und y, ihn unter erneuter Ausntzung seiner Urteilsschwche und durch Tuschung
ber die - wie sie wussten, kaum vorhandenen, indessen arglistig vorgespiegelten -
Heilungschancen dazu zu berreden, seine Obligationen fr ein Bankdarlehen in entsprechender
Hhe zu verpfnden.
Am 11. Januar 1984 fuhr die Angeklagte y ihrem Personenwagen nach Str., holte (den
Geschdigten) an seinem Arbeitsort im Arbeitszentrum fr Behinderte ab und fhrte ihn zur
Filiale der Allgemeine Aargauischen Ersparniskasse nach Z., wo die beiden vom
Bankprokuristen ... empfangen wurden. In Befolgung der ihm von der Angeklagten y
vorgngig erteilten Instruktionen bat (der Geschdigte) hierauf um Gewhrung eines Kredits
von Fr. 59.000.-, der ihm - gegen Hinterlegung von Obligationen - grundstzlich zugesichert
wurde.
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Am 13. Januar 1984 suchte die Angeklagte y (den Geschdigten) erneut in Str. auf, liess ihn
ein vorbereitetes Schreiben unterzeichnen, mit welchem um direkte Ueberweisung des
Betrages von Fr. 59.000.-- auf das Konto der "Scientology-Kirche" bei der Volksbank in Basel
ersucht wurde, und schickte ihn damit zur Bank nach Z. Nach Erledigung der Formalitten
nahm diese die gewnschte Ueberweisung schliesslich am 19. Januar 1984 vor.
Gemss den von der Angeklagten x fr (den Geschdigten) - ohne
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 5
dessen Mitwirkung und ohne nhere Erluterungen - ausgestellten Quittungen war der bezahlte
Betrag fr folgende "Leistungen" bestimmt:
Quittung Nr.
13691 12 "Intensive" und 1 "Sun-Rundown"
Fr.
45.290,30
Quittung Nr.
13692 "HQS"-Kurs und "Solo 1"- Kurs Fr. 4.747,15
Quittung Nr.
13693
1 Mark VI E-Meter" sowie div. Fachbcher ber
Scientology und Dianetik Fr. 6.730,50
Quittung Nr.
13694
div. Kursunterlagen und Tonbandkassetten mit Vortrgen
von L. Ron Hubbard Fr. 1.401,50
Quittung Nr.
13695 "Anzahlung" fr Bcher Fr. 830.55
Total
Fr. 59.000.--
Diese zwecks unrechtmssiger Bereicherung der "Scientology-Kirche" von (dem
Geschdigten) geforderte und in Ausbeutung seiner geistigen Unterlegenheit bzw. durch
arglistige Irrefhrung auch erlangte Vermgensleistung stand ebenfalls in einem
offensichtlichen Missverhltnis zu den versprochenen Leistungen. So wurden ihm u.a. ein "E-
Meter", welches einen Materialwert von hchstens Fr. 200.--aufweist, fr Fr. 7.786.-- (abz.
20% Rabatt) und 12 "Intensive", bestehend in je 12 Stunden "Auditing" (Verhr durch einen
Scientologen) fr Fr. 46.665.-- (abz. 5% wegen Vorauszahlung) in Rechnung gestellt. Im
brigen wren auch diese "Kurse" und "Lehrmittel" in keiner Weise geeignet gewesen, (dem
Geschdigten) zu der ihm von den Angeklagten vorgegaukelten entscheidenden Verbesserung
seines Gesundheitszustandes zu verheIfen.
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 6
IV.
Im Wissen, dass (der Geschdigte) ber weitere Fr. 41.000.-- verfgen konnte, und in der
Absicht, auch den Rest seines Vermgens der "Scientology-Kirche" nutzbar zu machen,
beauftragte x kurze Zeit spter das Sektenmitglied R.F., ihn zu einer erneuten
Kreditaufnahme in Hhe von Fr. 4l.000.-- zu berreden. Diesen Betrag sollte (der
Geschdigte) einem anderen Mitglied (J.B.) als Darlehen fr die Bezahlung von Kursen der
"Scientology-Kirche" zur Verfgung stellen.
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Anfang Februar 1984 suchten F. und B. denn auch (den Geschdigten) in Str. auf, um ber die
geplante Darlehensgewhrung zu verhandeln. Das Geschft kam in der Folge jedoch nicht zustande,
weil Arbeitgeber und Eltern (des Geschdigten) davon erfuhren und rechtzeitig eine Kontosperre
sowie die Errichtung einer Beiratschaft ber (den Geschdigten) veranlassen konnten.
In der Folge brach (der Geschdigte) seine Beziehungen zur "Scientology-Kirche" ab.
V. Gemss Vereinbarung vom 23.7.86 zwischen dem gesetzlichen Vertreter (des Geschdigten) und
der "Scientology-Kirche Basel" sind dem Geschdigten am 29.7.86 Fr. 62.000.-- zurckbezahlt
worden.
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 7
VI. Die Angeklagten x und y sind auf freiem Fuss belassen worden.
Erwgungen
I. Tatschliches und Rechtliches
Der Sachverhalt, wie ihn die Anklageschrift schildert, wird in objektiver Hinsicht von den
beiden Angeklagten nicht in Abrede gestellt, sodass dieser als usserer Rahmen feststeht.
Vehement bestritten wird indessen von beiden Angeklagten die subjektive Seite des
Geschehens, d.h. beide behaupten aus ihrer Sicht sei (der Geschdigte) nie geistig behindert
aufgefallen und von einem Missverhltnis zwischen Leistung und Gegenleistung knne keine
Rede sein, htten sie selbst doch fr Leistungen der Scientology Kirche ganz erhebliche
finanzielle Aufwendungen erbracht, die sie fr angemessen erachten (vgl. hiezu Aussagen der
Angeklagten HV Prot. S. 6 - 21 und 36 - 40 sowie die Aussagen im Ermittlungsverfahren).
Aufgrund dieser Ausgangslage stellt sich primr die Frage, ob die beiden Angeklagten den
effektiven Zustand (des Geschdigte) erkennen konnten und mussten. Hiezu ist festzuhalten,
dass der in der Anklage geschilderte Gesundheitszustand (des Geschdigten) durch objektive
Beweismittel klar erstellt ist. Im Vordergrund stehen hiebei die diversen Arztberichte (vgl.
Akten S. 40, 41-2, 44-5, 46), welche bei (dem Geschdigten) infolge eines Unfalles eine schwere
Hirnschdigung i.S. eines psychoorganischen Syndroms diagnostizieren. Charakteristisch fr
dieses Leiden sind Gedchtnis- und Denkstrungen (vgl. hiezu Bleuler S. 186). Wie den
Arztberichten ferner zu entnehmen ist, ussert sich der psychische Zustand (des
Geschdigten) im weiteren auch darin, dass er eine mangelnde Realittsbezogenheit und
Vergesslichkeit aufweist, d.h. dass er eine eingeschrnkte geistige
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 8
Gesundheit aufweist, welche es denn auch ntig machte, dass er unter Beiratschaft gestellt
wurde. Wie den rztlichen Gutachten zu entnehmen ist, weist (der Geschdigte) eine 75%-ige
Invaliditt auf, was in der Praxis die Maximalstufe ist und somit einer hundertprozentigen
Invaliditt gleichkommt. Aufgrund dieser Gegebenheiten wurde (der Geschdigte) denn auch
im Arbeitszentrum fr Behinderte in Str. aufgenommen, wo er fr die Ausbung leichtester
Arbeiten bei einem Stundenlohn von Fr. 3.27 angelernt wurde.
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Dass der objektiv eingeschrnkte Geisteszustand (des Geschdigten) nur allzu leicht
erkennbar ist, ergibt sich zum einen aus den Beobachtungen des Bankbeamten Z. (Akten S.
67-8), welcher anlsslich einer zweiten Vorsprache wegen einer Kreditaufnahme die Eltern
(des Geschdigten) informierte, was denn zur Beiratschaft fhrte. Es ist in diesem
Zusammenhang ferner auf die Angaben der Scientology-Mitglieder B. (Akten S. 98-100), F.
(S. 93-7) und K. (S. 106-8) zu verweisen, welche allesamt besttigen, dass ihnen die
Behinderung aufgefallen sei.
(Der Geschdigte) wurde in der heutigen Hauptverhandlung als Zeuge einvernommen (vgl.
Aussagen HV Prot S. 21-36). Anlsslich dieser eingehenden Befragung konnte sich das
Gericht selbst ein Bild ber ihn machen, wobei unumwunden zuzugestehen ist, dass fr jeden
Laien vom ersten Augenblick an erkennbar war, dass es sich bei (dem Geschdigten) um
einen geistig erheblich eingeschrnkten Mann handelt. Allein schon die Art des Ausdrucks
(des Geschdigten) sowie seine unverkennbare extreme Langsamkeit im Agieren und
Explizieren lsst keinen Zweifel aufkommen, dass es sich um einen schwerwiegend
behinderten Menschen handelt. Es wird in diesem Zusammenhang auf das Protokoll der
Hauptverhandlung (Akten S. 21-36, inkl. Vermerke) hingewiesen. Die vom Gericht
festgestellten Symptome sind derart augenfllig, dass gesagt werden muss, dass dies den
beiden Angeklagten bei der Kontaktnahme mit (dem Geschdigten) nicht entgehen konnte.
Beide Angeklagten haben sich in der heutigen Hauptverhandlung auf den Standpunkt gestellt,
sie seien heute ber den Zustand (des Geschdigten) erschrocken, derselbe habe sich
offenkundig verschlechtert (vgl. HV Prot. S. 29). Zu diesem Einwand, der als ausserordentlich
unbehelflich und geradezu taktlos qualifiziert werden muss,
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 9
sei lediglich angefhrt, dass sich der objektive Zustand (des Geschdigten) innert der
vergangenen drei Jahre doch insofern verbessern liess, als er heute extern beschftigt werden
kann und - wenn auch in geringem Ausmass - ein besseres Gehalt erzielen kann. Es kann
zusammenfassend festgestellt werden, dass sich der psychische Zustand (des Geschdigten)
mit Sicherheit gegenber der interessierenden Zeitphase eher verbessert als verschlechtert
hat.
Der von den beiden Angeklagten vorgebrachte Einwand, (der Geschdigte) habe in einem
durch die Scientology-Kirche durchgefhrten Intelligenztest mit 100 Punkten abgeschlossen,
woraus fr sie klar ersichtlich gewesen sei, dass er geistig gesund sei (vgl. HV Prot. S. 15/16),
kann nicht gehrt werden. Der Fragebogen dieses sogenannten IQ-Tests ist auf einem derart
primitiven Niveau gehalten - und hat im brigen mit anerkannten IQ-Tests nicht das
Geringste gemeinsam - sodass festgestellt werden muss, dass diese Art von Fragen selbst von
den Schwchsten bewltig werden kann und keinerlei Aussagekraft aufweist.
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die bei (dem Geschdigten) vorhandene
erhebliche Einschrnkung der geistigen Fhigkeiten derart unverkennbar ist, dass diese den
beiden Angeklagten nicht verborgen bleiben konnte. Trotz dieser Erkenntnis verkauften die
beiden Angeklagten (dem Geschdigten) die in der Anklage erwhnten Saunabesuche,
Bcher, diverse Kurse etc. im Gesamtbetrag von Fr. 59.000,-- indem sie ihm laut
glaubwrdigen Aussagen (des Geschdigte) eine Verbesserung seiner geistigen Fhigkeiten,
resp. eine bessere Arbeitsstelle in Aussicht stellten (vgl. Zeugenaussagen (des Geschdigten)
HV Prot. S. 21-36). Unbestritten ist, dass die Angeklagte x das "Programm" fr (den
Geschdigten) im Betrage von Fr. 59.000. -- zusammenstellte und dafr besorgt war, dass das
Geld umgehend auf das Konto der Scientology-Kirche einbezahlt wurde. Allein schon die
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Tatsache, dass (der Geschdigte) derart schnell dazu bewogen werden konnte, den Grossteil
seines Vermgens hinzugeben, zeigt mit Deutlichkeit, wie es um seine Urteilsfhigkeit
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 10
bestellt war. In knapp vierzehn Tagen liess er insgesamt Fr. 62.000.-- der Kirche zukommen,
von welcher er kaum etwas wusste, wobei aufgrund seiner Aussagen ganz eindeutig feststeht,
dass er keine Spenden an die Kirche leisten wollte, sondern Hilfe, die ihm eine bessere Arbeit
ermgliche, erwartete.
Es stellt sich nunmehr die Frage, ob die Angeklagten durch ihr Vorgehen die geistige
Unterlegenheit ihres Opfers ausgebeutet haben und ein offenbares Missverhltnis zwischen
Leistung und Gegenleistung bestanden hat, wie dies vom Wuchertatbestand gefordert wird.
Wenngleich in den Unterlagen der Scientology-Kirche das Wort "Preis" zugunsten von
"Spende" vermieden wird, so steht doch fest, dass die angebotenen Leistungen feste Preise
aufweisen und diese gegen Vorauszahlung verkauft werden. Das heisst somit, dass Preis und
Leistung objektiv zu vergleichen sind, wobei der effektiv bentigte Aufwand zu bewerten ist.
Dass mit diesen Geldern der Fortbestand und die Ausbreitung der Organisation finanziert
werden muss, wie dies von den Angeklagten geltend gemacht wird, kann nicht relevant sein.
Das einzige, was (der Geschdigte) fr sein Geld wollte, war Heilung von seiner Krankheit
und eine bessere Arbeit, das war zweifellos auch das einzige, was er von der Scientology-Lehre
verstanden hat. Es muss in diesem Zusammenhang auch auf das Schreiben der Scientology-
Kirche an den Beirat (des Geschdigten) verwiesen werden, in welchem festgehalten wurde,
"dass die Mglichkeit bestehe, dass (der Geschdigte) einen Grossteil seiner Invaliditat
verlieren wrde und wieder zu seinem vollen geistigen Potential kommen knne" (vgl. Akten
S. 49d). Samtliche Erklrungen, die (der Geschdigte) unterzeichnen musste, womit er
besttigen musste, dass er die ihm berlassenen Unterlagen bis hin zum Buch "Dianetik"
verstanden habe, sind als reine Alibibung zu werten. Dass er von alledem nichts verstehen
konnte, zeigt die Tatsache, dass das Literaturniveau (des Geschdigten) bei Comics-Heftli und
Horrorgeschichten (vgl. hiezu Vermerk HV Prot. S. 28) anzusiedeln ist.
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 11
Als erste Leistung wurde (dem Geschdigten) am 3.1.1984 ein "Reinigungs-Rundown" zum
Preis von Fr. 3.704,40 von den Angeklagten verkauft. Bei diesem Reinigungs-Rundown
handelt es sich um eine Sauna-Kur, anlsslich welcher Vitamintabletten abgegeben wurden.
Bei einem Leistungs-/Preisvergleich muss festgehalten werden, dass die Bentzung einer
Sauna durchschnittlich zwischen Fr. 10.-- und Fr. 20.-- kostet, bezglich der Vitamintabletten
knnen bestenfalls einige Franken werden. Da die ganze Leistung darin bestand, das (der
Geschdigte) fr Geld whrend zwei bis drei Wochen tglich die Sauna bentzen durfte, muss
gesagt werden, dass diese Leistung bei Annahme eines Preises von Fr. 20,-- pro saunabesuch
einen Maximalwert von Fr. 400.-- hatte. Der Einwand seitens der Angeklagten, diese
Dienstleistung sei infolge eines bedeutenden Aufwandes sehr teuer, kann nicht akzeptiert
werden, handelt es sich hiebei doch nur um den klglichen Versuch, dem Ganzen einen
medizinisch-therapeutischen Anstrich zu geben, was neben den Tatsachen vorbeigeht. Wie
den Saunarapporten (vgl. Sep. Beilage I) zweifelsfrei entnommen werden kann, bestand das
ganze Unterfangen in einer banalen Schwitzkur, welche (dem Geschdigten) ausser Hitze-
und Durstgefhl nichts brachte. Dass es sich beim Preis dieses Reinigungs-Rundowns um ein
-
krasses Missverhltnis zwischen Leistung und Gegenleistung handelt, braucht bei diesen
Zahlen kaum mehr nher ausgefhrt zu werden.
Vollends fllt das Preis-/Leistungsverhltnis bei dem (dem Geschdigten) verkauften
"package" zu Fr. 59.000.-- aus dem Rahmen. Vorweg sind hiebei sog. 12 Intensive inkl. 1
Sun-Rundown anzufhren, die mit der stolzen Summe von Fr. 45.290.30 veranschlagt
wurden. Bei genauer Betrachtungsweise handelt es sich hiebei um 12 Auditing (Fragestunden
durch einen Scientology-Kirchenanhnger) a 12 Stunden, welche durch meist sehr junge
Leute, die keinerlei anerkannte Ausbildung genossen haben, durchgefhrt werden. Berechnet
man den Preis pro Stunde, so ist dieser mit rund Fr. 315.-- einzusetzen, als Vergleich sei der
Stundenansatz eines diplomierten Psychiaters angefhrt, der gemss Arzttarif Fr. 150.--
betrgt. Dass diese Art von Seelenstunden preislich jenseits von gut und bse liegen, kann
kaum
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 12
augenflliger prsentiert werden. Es sei lediglich noch am Rande erwhnt, dass der Umstand,
dass dem schwachbegabten (Geschdigten) kurzerhand rund 150 Stunden Gesprche auf
einen Schlag verkauft wurden, wo man bereits wusste, dass er bei seinen Fhigkeiten und
zudem mit vllig unqualifizierten Leuten, nie das Geringste begreifen werde, schlicht als
unverschmt zu bezeichnen ist. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf die sog. Auditing-
Rapporte in der Separatbeilage I hingewiesen, welche aus unleserlichen Blttern bestehen. Als
weitere Leistung wurde (dem Geschdigten) ein "HQS" Kurs - sowie ein "Solo 1 Kurs" zum
Preis von Fr. 4.747,15 verkauft. Obgleich beide Angeklagte seit Jahren Mitglieder der
Scientology-Lehre sind und selbst Kurse absolvieren bis hin zu "clear", haben beide diese
(dem Geschdigten) verkauften Kurse noch nicht absolviert, da sie laut eigenen Aussagen
diese Stufe noch nicht erreicht haben (vgl. HV Prot. S. 40). Diese Kurse wurden ihm verkauft,
da sie laut Aussagen der Angeklagten y "im package gnstiger waren", obschon er diese erst
nach Erreichen der Stufe "clear" htte absolvieren knnen (vgl. Einlage S. 142). Dass bei
diesem Verkauf der Preis in keinem Verhltnis zur Leistung stand, liegt derart schonungslos
auf der Hand, dass es kaum noch Ausfhrungen bedarf. Es darf bei allem nicht bersehen
werden, dass (der Geschdigte) bei den wenigen bereits in Anspruch genommenen Leistungen
stets mit dem Schlaf zu kmpfen hatte, da er nicht zu verstehen vermochte, was man mit ihm
machte. In dieser Situation wurden ihm Kurse fr die nahe, weitere und weiteste Zukunft
verkauft, ohne dass man im Geringsten annehmen durfte, er werde sie je in Anspruch nehmen
knnen. Auch die Tatsache, dass dem psychisch kranken Menschen Kurse, die nicht einmal
die beiden gesunden Angeklagten nach jahrelanger Zugehrigkeit zur fraglichen Organisation
haben in Anspruch nehmen knnen, nach lediglich zwei Wochen im Sinne einer
"Sonderaktion" verkauft wurden, machen die Taktik der beiden Angeklagten mehr als
deutlich. Analog verhlt es sich mit den brigen Dienstleistungen; so sei das "E-Meter'" zum
Preis von Fr. 6.730,50 genannt, welches seelische Vorgnge in staubfreien Rumen erfassen
soll. Abgesehen von der Tatsache, dass dieses Gert laut Bericht des Instituts fr
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 13
Physik der Universitt Basel einen Materialwert von Fr. 100.-- bis Fr. 200.-- aufweist, soll es
laut Merkblatt der Scientology Lehre (vgl. Akten S. 142) erst nach dem Zustand "clear"
Verwendung finden, von welchem (der Geschdigte) weit entfernt war. Abgerundet wird das
-
Bild dann noch durch Kursunterlagen im Betrage von Fr. 1.401,50 und insbesondere durch
den letzten Posten auf der Rechnung "Anzahlung fr Bcher" im Betrage von Fr. 830.55.
Gerade diese letzte Position zeigt mit der wnschenswertesten Deutlichkeit, dass bis auf den
Rappen genau kalkuliert wurde, um (den Geschdigten) um Fr. 59.000,--auf einen Schlag zu
erleichtern. Diese Machenschaften sind rechtlich als Ausbeuten im Sinne des Gesetzes zu
qualifizieren. Es liegt geradezu bilderbuchhaft auf der Hand, dass die beiden Angeklagten die
geistige Unterlegenheit (des Geschdigten) ausgebeutet haben, um eine Vermgensleistung fr
die Scientology-Kirche zu erlangen, welche sie unter normalen Umstnden nie erhalten
htten. An dieser Feststellung kann auch der Glaube der beiden Angeklagten an die
Scientology-Kirche nichts ndern, ebenso wenig die Rckerstattungserklrung, welche nach
rund 2 1/2-jhrigen, intensiven Bemhungen seitens des Beirats (des Geschdigten) zu einer
Schadensdeckung fhren konnte.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass beide Angeklagten die Inferioritt (des
Geschdigten), welche derart augenfllig ist, erkennen mussten und konnten und diese in
krassester Weise ausgebeutet haben. Es kann demzufolge kein Zweifel mehr bestehen, dass
auch der subjektive Tatbestand erfllt ist; beide Angeklagten sind im Sinne der Anklage des
fortgesetzen Wuchers schuldig zu sprechen.
II. Strafzumessung
Das Verschulden beider Angeklagten muss als schwer bezeichnet werden. Der Deliktsbetrag
von rund Fr. 62.000,-- muss als ausserordentlich hoch bezeichnet werden, dies vor allem im
Verhltnis zum Gesamtvermgen (des Geschdigten). Beide Angeklagten gingen zielstrebig,
hartnckig und planmssig vor, um innert krzester Zeit an das Geld (des Geschdigten) zu
gelangen. Dieses
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 14
Gewinnstreben mutet insofern ausserordentlich abstossend an, als auch den beiden
Angeklagten bewusst sein musste, wie sehr der stark behinderte Mensch auf seine
Versicherungsleistung angewiesen ist. Ihr Vorgehen kann nicht anders als skrupellos
bezeichnet werden. Das Gewinnstreben und die Missachtung jeglicher moralischer
Schranken, welche die Angeklagten an den Tag gelegt haben, ist usserst verwerflich. Die
Tatsache, dass es bei den beiden Angeklagten um langjhrige Mitglieder der Scientology-
Kirche handelt, welche mglicherweise durch die Praktiken dieser Institution bereits
abgestumpft sind, mag allenfalls auch ihre Einsichtslosigkeit in das krasse Unrecht ihres Tuns
erklren. Die Behauptung seitens der Angeklagten, dass sie selbst bereits hohe Betrge an die
Organisation geleistet htten, vermag die zur Beurteilung vorliegende Sache keineswegs zu
beschnigen. Was die Angeklagten selbst investiert haben, ist hier ohne Belang, handelt es sich
bei den beiden doch um gesunde, junge Frauen, die Eigenverantwortung tragen.
In leicht gemildertem Licht vermag das Verschulden zu erscheinen, wenn man bedenkt, dass
die Angeklagten primr im Interesse der Glaubensgemeinschaft handelten, wobei trotzallem
nicht bersehen werden kann, dass auch ein eigener, wenn auch eher bescheidener Vorteil fr
sie damit verbunden war, da ihre Bezahlung vom Umsatz abhngig war.
Zugunsten beider Angeklagten kann ihre Vorstrafenlosigkeit angefhrt werden (vgl.
Vorstrafenbericht Akten S. 3, 14), sowie der Umstand, dass sie beide einen ungetrbten Leumund
aufweisen.
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Nicht zugute gehalten werden kann den Angeklagten die Schadensdeckung, welche lange Zeit
auf sich warten liess und einzig unter dem Druck des Strafverfahrens zustande kam.
Wenngleich die unter Ziff. IV der Anklage aufgefhrten Umstnde keinen Anklagepunkt darstellen,
so kann nicht verhehlt werden, dass die Intention, (den Geschdigten) auch noch um seine letzten
Fr. 41.000,-- zu erleichtern, ebenfalls von x ausging und sie zumindest leumundsmssig belastet.
Strafgericht Basel Urteil vom 10.6.87 Seite 15
In Abwgung aller vorgenannten Umstnde erscheint eine Differenzierung des Strafmasses
bezglich der beiden Angeklagten insofern angezeigt, als die Angeklagte x als
Hauptverantwortliche fr die finanziellen Belange strker belastet ist. Die vom Staatsanwalt
beantragten Strafen von 8 Monaten Gefngnis fr x und 6 Monaten fr y hlt das Gericht in
Anbetracht des krassen Verschuldens in casu als weit unter der Grenze des Vertretbaren.
Allein der Umstand, dass die Angeklagten primr fr die Organisation handelten und weniger fr
ihr eigenes pekunires Interesse, erlaubt es noch, die Strafen auf 12 Monate Gefngnis fr x und 11
Monate Gefngnis fr y anzusetzen.
Beiden Angeklagten kann aufgrund ihrer Vorstrafenlosigkeit und wegen einer gnstigen Prognose
der bedingte Strafvollzug unter Auferlegung der minimalen Probezeit von 2 Jahren zugebilligt
werden.
Mit der Freiheitsstrafe kann eine Busse verbunden werden, welche fr x auf Fr. 1.000,-- und fr y
auf Fr. 900.-- bemessen wird.
III. Nebenpunkte Die Separatbeilage I Scientology-Akten ber (den Geschdigten) sind, da sie zur Begehung
deliktischer Handlungen beigetragen haben, in Anwendung von Art. 58 Abs. 1 StGB einzuziehen.
Das beschlagnahmte E-Meter und 6 pillenfrmige Prparate werden der Scientology-Kirche
zurckgegeben.
Demgemss hat das STRAFDREIERGERICHT erkannt:
x
und
y
werden des fortgesetzten Wuchers schuldig erklrt und verurteilt
1. x zu 12 Monaten Gefngnis, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von 2
Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 1.000,-- im Nichteinbringungsfalle umwandelbar in Haft, in
Anwendung der Artikel 157 Ziffer 1 und 41 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches.
2. y zu 11 Monaten Gefngnis, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von 2
Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 900, --, im Nichteinbringungsfalle umwandelbar in Haft, in
Anwendung der Artikel 157 Ziffer 1 und 41 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches.
-
Die Separatbeilage I Scientology-Akten ber (den Geschdigten) werden in Anwendung von Artikel
58 Absatz 1 des Strafgesetzbuches eingezogen.
Das beschlagnahmte E-Meter und 6 pillenfrmige Prparate werden der Scientology-Kirche
zurckgegeben.
Die Beurteilten tragen je die sie persnlich betreffenden Kosten, von den allgemeinen Kosten trgt
jede die Hlfte sowie Urteilsgebhren von je Fr. 1.500,--.
773/1986
Ku/Rn/mb
Quelle: http://www.ingo-heinemann.de/basel87.htm
http://www.ingo-heinemann.de/basel87.htm