Strafrechtliches Kurzgutachten · 2013. 9. 27. · Insolvenzverfahrens über das Vermögen der...

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Strafrechtliches Kurzgutachten In Sachen Medienholding AG

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  • Strafrechtliches Kurzgutachten

    In Sachen Medienholding AG

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    Sachverhalt:

    Gegenstand des vorliegenden Kurzgutachtens ist die Frage, ob gegenüber den Geschäftsführern der Verlagsleitungs GmbH im Hinblick darauf der Ver-dacht strafbarer Handlungen besteht, dass sie den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Suhrkamp Verlags GmbH & Co. KG vom 27.05.2013 unterzeichnet und dessen Einreichung veranlasst haben.

    Das weitere Verhalten der Geschäftsführung vor oder nach Stellung des In-solvenzantrages vom 27.05.2013 sowie das Verhalten im Zusammenhang mit dem Insel-Verlag soll gesondert geprüft werden.

    Der Aktenvermerk stützt sich insbesondere auf die folgenden Unterlagen, die uns per E-mail übersandt wurden:

    - die Antragsschrift vom 27.05.2013 - die Anlagen 1, 2, 3 (nicht leserlich), 5 und 6 zur Antragsschrift - Beschlüsse des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27.05.2013 (Az: 36s

    IN 2196/13) zur Bestellung von Herrn Prof. Rattunde als Sachverstän-diger sowie zur Bestellung von Herrn Prof. Rattunde als Sachwalter (§ 270 b InsO)

    - Schriftsatz RAe Leo und Kollegen vom 31.05.2013 (ohne Anlagen) - Schriftsatz RAe Leo und Kollegen vom 11.06.2013 (mit Anlagen) - Schriftsatz RAe Happ Luther an AG Charlottenburg vom 03.06.2013

    (Besetzung des Gläubigerausschusses). - Rangrücktrittsvereinbarung vom 18.06.2013 - Schriftsatz RAe Leo u. Koll. vom 08.07.2013 (Vorlage der Rangrück-

    trittsvereinbarung)- Schriftsatz RAe Happ Luther an Prof. Rattunde vom 22.07.2013 (Vor-

    lage des Gerichtsbeschlusses des LG Frankfurt vom 22.07.2013). - Schriftsatz RAe Happ Luther an AG Charlottenburg vom 22.07.2013

    (Vorlage Aufsatz Dr. Fölsing) - Zwischenbericht Prof. Rattunde vom 08.07.2013.

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    In den Schriftsätzen gegenüber dem AG Charlottenburg ist bereits dargelegt, aus welchen Gründen der Insolvenzantrag vom 27.05.2013 zivilrechtlich als „rechtsmissbräuchlich“ zu werten ist. Nachfolgend wird untersucht, ob sich hieraus der Verdacht strafbaren Verhaltens ergibt.

    Dies könnte zum einen deshalb der Fall sein, weil der Antrag auf unzutreffen-de Angaben gestützt ist. Es könnte aber auch deshalb der Fall sein, weil der Antrag unter Missachtung gesellschaftsvertraglicher Pflichten voreilig gestellt wurde.

    I. Mögliche Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 InsO

    In Betracht kommt eine Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 InsO. Danach macht sich u.a. strafbar, wer einen Eröffnungsantrag „nicht richtig“ stellt.

    1. Zum Inhalt des Tatbestandes

    Nach der früheren Gesetzeslage machte sich strafbar, wer trotz Insolvenzan-tragspflicht keinen Antrag stellte oder die gesetzlichen Fristen für die Antrag-stellung nicht einhielt. Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MOMIG) vom 23.10.2008 (BGBl. I, 2026 f.) wurde der Straftatbestand jedoch erweitert, ohne dass sich aus der Begründung klar ergäbe, welcher kriminalpolitische Zweck hiermit verfolgt wurde (vgl. BT-DrS 16/6140, S. 56: „Die bisherigen strafrechtlichen Vorschriften werden hier zusammengefasst und auf den Fall der Ersatzan-tragspflicht durch Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglieder erstreckt.“). Unter Strafe steht es jetzt auch, wenn ein Antrag „nicht richtig“ gestellt wird (vgl. hierzu Otte in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Aufl., München 2011, Rn. 122 zu § 15a InsO).

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    2. Vortäuschen eines Insolvenzgrundes

    Es liegt nahe, dass mit der neuen Tatbestandsalternative insbesondere die Fälle erfasst werden sollten, in denen zwar eine Verpflichtung zur Stellung des Antrages bestand, durch den Verpflichteten sodann auch ein Antrag gestellt wurde, dieser aber nicht in allen Punkten zutreffende (oder vollständige) An-gaben enthielt. Hierfür spricht insbesondere die sprachliche Fassung des Ge-setzestextes, wonach derjenige mit Freiheitsstrafe bedroht wird, der „entgegen Abs. 1 Satz 1 . . . einen Eröffnungsantrag“ nicht oder nicht richtig stellt. Durch die Ergänzung des Gesetzestextes würde dann insbesondere verhindert, dass bei missbräuchlichen „Firmenbestattungen“ durch Einreichung eines lücken-haften oder teilweise unzutreffenden Antrages versucht wird, der Strafbarkeit zu entgehen.

    Danach würde es dem Tatbestand des § 15a Abs. 4 InsO aber nicht unmittel-bar unterfallen, wenn an sich keine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantra-ges besteht, weil ein Insolvenzgrund fehlt, in der Antragsschrift der angebliche Insolvenzgrund aber „vorgespiegelt“ wird. Der Antrag wäre in diesem Fall nicht „entgegen § 15a Abs. 1“ gestellt.

    In der bislang von uns ausgewerteten Kommentarliteratur wird diese Fallkons-tellation nicht ausdrücklich behandelt. Dort wird darauf verwiesen, dass ein unrichtiger Antrag vorliegt, wenn der Antrag unzulässig ist oder unvollständige oder unwahre Angaben enthält (vgl. Schmerbach in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 7. Aufl. 2013, Rn. 35 zu § 15a InsO; Klöhn, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2013, Rn. 133 zu § 15a InsO). In der Literatur wird teilweise angenommen, ein Antrag sei nur dann „nicht rich-tig“, wenn er nicht den Mindestanforderungen an einen zulässigen Antrag ge-nüge (vgl. Schmerbach, aaO, Rn. 35a zu § 15a InsO).

    Im Hinblick auf den im Gesetzestext enthaltenen Verweis auf Abs. 1 S. 1 dürf-ten aber die besseren Gründe dafür sprechen, dass der Fall des fehlenden, in

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    der Antragsschrift aber „vorgespiegelten“ Insolvenzgrundes nicht unter § 15a Abs. 4 InsO fällt.

    Dementsprechend entfällt eine Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 InsO hier jeden-falls dann, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung weder eine Zahlungsfähig-keit, noch eine Überschuldung vorlag. War kein Insolvenzgrund gegeben, dann bestand keine Verpflichtung, einen Antrag nach Abs. 1 Satz 1 zu stellen, so dass dann der Anwendungsbereich des § 15a Abs. 4 InsO nicht eröffnet ist.

    Würde die Antragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO hingegen bejaht, dann könn-ten etwaige Falschangaben im Antrag vom 27.05.2013 den Tatbestand des § 15 a Abs. 4 InsO erfüllen.

    II. Mögliche Strafbarkeit nach § 283 StGB (Betrügerischer Bankrott)

    Eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 StGB kann sich aus dem Insolvenzantrag vom 27.05.2103 schon deshalb nicht ergeben, weil § 283 Abs. 1 StGB nur das Verhalten bei Überschuldung oder drohender oder eingetretener Zahlungsun-fähigkeit, also das Verhalten bei bereits eingetretener Krise, umfasst. Nach dem Vorbringen der Medienholding AG lag am 27.05.2013 aber gerade keiner der im Tatbestand genannten Insolvenzgründe vor.

    Nach § 283 Abs. 2 StGB macht sich strafbar, wer durch eine der in § 283 Abs. 1 StGB benannten Bankrotthandlungen seine Überschuldung oder Zah-lungsunfähigkeit herbeiführt. Die Bankrotthandlungen müssen danach kausal für den Eintritt der Krise sein (Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 31 zu § 283 StGB).

    Nach § 283 Abs. 6 StGB ist die Tat nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Diese objektive Bedingung der Strafbarkeit ist eingetreten, nachdem am 06.08.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Suhrkamp Verlags GmbH & Co. KG eröffnet wurde.

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    1. Mögliche Strafbarkeit nach § 283 Abs. 2 i.V.m. § 283 1 Nr. 4 StGB

    Nach § 283 Abs. 2 i.V.m. § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich strafbar, wer „Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt“.

    In Betracht käme dies hier, wenn man in den Passagen des Insolvenzantra-ges und der beigefügten Ausarbeitungen, die sich auf das landgerichtliche Urteil vom 20.03.2013 beziehen, eine Täuschung über die Absicht der Medi-enholding AG sehen könnte, aus diesem Urteil zu vollstrecken. Zum einen wird im Insolvenzantrag aber gerade nicht konkret behauptet, dass die Absicht der Vollstreckung bestand. Zum anderen läge in einer bloßen Täuschung über Absichten eines Gläubigers wohl noch kein Vortäuschen eines Rechts.

    2. Mögliche Strafbarkeit nach § 283 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 8 StGB

    Nach § 283 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 8 macht sich strafbar, wer in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widerspre-chenden Weise seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert und hierdurch seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

    Eine Verschleierung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann vorliegen, wenn der Schuldner seine Vermögensverhältnisse unrichtig darstellt.

    Schon weil die Strafbarkeit nach § 283 Abs. 2 StGB aber voraussetzt, dass gerade durch die Bankrotthandlung die Krise herbeigeführt wurde, ist es je-denfalls zweifelhaft, ob eine verschleiernde Darstellung der Vermögensver-hältnisse im Insolvenzantrag vom 27.05.2013 hier überhaupt geeignet ist, den Tatbestand zu erfüllen. Nach dem Vorbringen der Medienholding AG bestand zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages gerade keine Überschuldung und auch keine Zahlungsunfähigkeit

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    Die weiteren Verhaltensweisen der Suhrkamp-Verlagsleitungs GmbH nach der Stellung des Insolvenzantrages sind nicht Gegenstand dieses Aktenver-merks.

    III. Mögliche Strafbarkeit nach § 266 StGB

    In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue.

    Die Mitglieder der Geschäftsführung der Suhrkamp-Verlagsleitungs GmbH haben eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der KG und gegenüber den Kommanditisten (vgl. BGH Beschl.v.23.02.2012, 1 StR 586/11, Rn. 14 m.w.N.).

    1. Mögliche Pflichtverletzung durch unnötige und vorzeitige Antragstellung

    Diese Vermögensbetreuungspflicht könnten sie dadurch verletzt haben, dass sie bei tatsächlich nicht bestehendem Insolvenzgrund den Insolvenzantrag pflichtwidrig trotz bestehender Möglichkeiten zur Fortführung des Unterneh-mens gestellt und darin in einzelnen Punkten unrichtige Angaben gemacht haben.

    a) Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 23.06.2010 (BVerfGE 126, 170) darauf hingewiesen, dass die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ein komplexes normatives Tatbestandsmerkmal ist. Die Frage, in welchem Um-fang die strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht von außerstrafrechtlichen Vorschriften abhängt, ist umstritten (vgl. hierzu ausführlich LK-Schünemann, 12. Aufl., Rn. 93 ff. zu § 266 StGB).

    Für die hier gegebene Fallkonstellation kann aber kein Zweifel daran beste-hen, dass sich die Bestimmung der Pflichten der Geschäftsführer der Suhr-kamp-Verlagsleitungs GmbH maßgeblich am Gesellschaftsrecht zu orientieren hat.

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    Aus ihrer Rolle als Geschäftsführer der Komplementär GmbH dürfte abzulei-ten sein, dass sie bei ihrem Handeln auch die Pflichten zu beachten haben, die die Komplementär GmbH innerhalb der GmbH & Co. KG hat.

    b) Für die Bestimmung der Pflichtenstellung der Geschäftsführung ist daher eine nähere Prüfung der zivil-, gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Rechtslage von Bedeutung, die im Rahmen des vorliegenden Vermerks nicht umfassend geleistet werden kann. Zu berücksichtigen wären dabei jedenfalls die folgen-den Aspekte:

    Für das Recht der Personengesellschaften ist anerkannt, dass die Gesell-schafter eine Insolvenz nicht voreilig herbeiführen dürfen.

    Sie trifft die Pflicht (zur Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht vgl. Schlitt, in Sudhoff, GmbH & Co.KG, 2005, § 25 Rn. 2 m.w.Nachw.), sich gegenüber der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern loyal und unei-gennützig zu verhalten, sowie alles Erforderliche zu tun, um den gemeinsa-men Zweck zu verwirklichen. Sie haben alles zu unterlassen, was die Verwirk-lichung des gemeinsamen Zwecks gefährden könnte (Schlitt, in Sudhoff, GmbH & Co. KG, 2005, § 25 Rn. 1).

    Ein Gesellschafter darf daher die Gesellschaft nicht durch die rücksichtslose Verfolgung eigener Belange schädigen, sondern muss bei der Ausübung sei-ner Mitgliedschaftsrechte Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter nehmen (vgl. z.B. Michalski, NZG 1998, 460; Schlitt, aaO., Rn. 1). Diese Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Ge-sellschaft und den anderen Gesellschaftern wird nur durch die Wahrnehmung eigener berechtigter Rechte der Gesellschafter begrenzt (Hopt, Baum-bach/Hopt, HGB, 2012, § 109 Rn. 23).

    So verbietet es die Treuepflicht dem Gesellschafter Mitgliedschaftsrechte aus-zuüben, wenn damit eine Schädigung der Gesellschaft oder der Mitgesell-schafter verbunden wäre (Schlitt, aaO., Rn. 7). Dies ist insbesondere der Fall

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    bei sog. uneigennützigen Rechten des Gesellschafters, da ihm diese Rechte nicht im eigenen Interesse gewährt sind, sondern zur Förderung des gemein-samem Zwecks. Daher darf der Gesellschafter bei Wahrnehmung seiner Ge-schäftsführungsbefugnisse das Ziel der gemeinsamen Zweckverfolgung nicht außer Acht lassen (Schlitt, aaO., Rn. 25).

    Die Komplementär-GmbH hat daher in der GmbH & Co. KG die Geschäftsfüh-rungsfunktionen ausschließlich im Interesse der KG auszuüben.

    Bei der Ausübung eigennütziger Interessen kommt die Treuepflicht dagegen nur eingeschränkt zum Tragen. Dennoch darf auch bei der Geltendmachung dieser Rechte die Gesellschaft nicht geschädigt werden. So kann beispiels-weise die Geltendmachung des Gewinnanspruchs in der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft aufgrund der Treuepflicht eingeschränkt werden, wie auch das Kündigungsrecht des Gesellschafters.

    Der Gesellschafter muss immer das schonendste Mittel gegenüber der Ge-sellschaft wählen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) und darf sich nicht will-kürlich verhalten.

    Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verbietet es – nach einer älteren, aber immer noch zitierten Entscheidung des BGH - dann nicht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzustreben, wenn die Lage der Gesellschaft aussichts-los und die schnelle Liquidierung allen nützlich ist (BGH, Urteil vom 20.03.1968 - VIII ZR 127/67, BB 1968, 850; Hopt, Baumbach/Hopt, HGB, 2012, § 109 Rn. 24).

    Muss der Gesellschafter aber grundsätzlich das schonendste Mittel gegen-über der Gesellschaft wählen, dann folgt daraus auch, dass er nur dann, wenn die Lage der Gesellschaft aussichtslos ist, das Insolvenzverfahren anstreben darf. Grundsätzlich muss der Gesellschafter stets an der Sanierung der Ge-sellschaft mitwirken (Hopt, aaO., Rn. 27).

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    Der BGH ging in seiner Entscheidung vom 29.11.2007 (NJW 2008, 1380 = NZI 2008, 182) sogar so weit, die Treuepflicht eines Gläubigers gegenüber der Gesellschaft als Schuldner zu bejahen, und den Antrag des Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückzuweisen, weil er im konkreten Fall rechtmissbräuchlich war. Der Eröffnungsantrag müsse die gemeinschaftliche und anteilige Befriedigung aller Gläubiger im Blick haben und dürfe keinen Rachefeldzug gegenüber dem Schuldner darstellen. Der Missbrauch beginne beim nutzlosen Anrufen des Insolvenzgerichts (vgl. näher Zipperer, NZI 2010, 281 ff.).

    c) Aus den Regelungen der Insolvenzordnung ergibt sich die gegenläufige Pflicht der Organmitglieder einer GmbH & Co. KG, einen „Eröffnungsantrag“ zu stel-len, wenn ein Insolvenzgrund besteht (§ 15a Abs. 1 InsO). Entscheidend ist dabei, dass die Insolvenzantragspflicht nach der derzeit geltenden Regelung nicht alleine dadurch ausgelöst wird, dass die Gesellschaft überschuldet ist. Die rein betriebswirtschaftliche Überschuldung ist nach der derzeitigen Rege-lung nicht entscheidend, solange eine positive Fortbestandsprognose gestellt werden kann.

    Damit aber treffen sich die Grundsätze der älteren BGH-Rechtsprechung und der geltende insolvenzrechtliche Gesetzestext. War es nach der Rechtspre-chung schon früher nur dann zulässig, das Insolvenzverfahren anzustreben, wenn die Lage wirklich „aussichtslos“ war, so könnte man dies als den Fall einer wirklich eindeutig negativen Fortbestandsprognose ansehen.

    Jedenfalls dürfte sich aus der Pflicht, das schonendste Mittel gegenüber der Gesellschaft zu wählen, aber ableiten lassen, dass es gesellschaftsrechtswid-rig ist, die Fortbestandsprognose voreilig und auf nicht hinreichend gesicherter Tatsachengrundlage zu verneinen.

    d) Hieraus folgt insgesamt, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung nur dann die Insolvenz der Gesellschaft anstreben und einen Eröffnungsantrag beim Insol-venzgericht stellen dürfen, wenn die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft

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    aussichtlos ist und eine Sanierung nicht erfolgversprechend. Namentlich ge-nügt es den dargelegten Anforderungen (insbesondere der Pflicht, das für die Gesellschaft schonendste Mittel zu wählen) nicht, das Insolvenzverfahren schon dann anzustreben, wenn bei drohender Überschuldung oder bestehen-den Zahlungsschwierigkeiten die erkennbare Bereitschaft der Gesellschafter besteht, der Gesellschaft weitere Mittel zuzuführen oder die Geltendmachung von Forderungen gegen die Gesellschaft jedenfalls zurückzustellen.

    e) Es liegt danach nahe, in der Stellung des Insolvenzantrages vom 27.05.2013 eine Verletzung der so definierten Vermögenstreuungspflicht zu sehen. Hierfür sprechen insbesondere auch die folgenden Umstände:

    aa) Der Insolvenzantrag vom 27.05.2013 stützt sich zentral darauf, dass nach dem Schriftwechsel zwischen der Verlagsleitung und Herrn Leo vom 16.05./24.05.2013 die Verlagsleitung

    „zu der Einschätzung gelangt [ist], dass es nicht mehr hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Gesellschafter bereit sind, im erforder-lichen Maße an der Sanierung der Schuldnerin mitzuwirken und entsprechende Sanierungsbeiträge zu leisten..

    Der Verweis auf die „Einschätzung“ der Verlagsleitung wirkt an dieser Stelle gekünstelt und interessegeleitet. Der Inhalt des vorangegangenen Schrift-wechsels jedenfalls rechtfertigt die geschilderte „Einschätzung“ nicht.

    Es bedürfte danach näherer Prüfung, inwieweit insbesondere die im Schrei-ben des Verlags vom 16.05.2013 aufgestellten Forderungen an die Gesell-schafter einen rechtlich zulässigen und wirtschaftlich sinnvollen Gehalt hatten. Eine nähere Analyse des Schreibens vom 16.05.2013 könnte ergeben, dass namentlich die in dem Schreiben erhobenen Forderungen zur Abwendung der im Schreiben geschilderten Krisensituationen zum Teil nicht geeignet und in wesentlichen Punkten nicht erforderlich waren. Dies legt jedenfalls nahe, dass durch das Schreiben gezielt möglichst weitgehende und im Ergebnis unerfüll-

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    bare Forderungen aufgestellt wurden, um eine ablehnende Reaktion zu pro-vozieren, auf die sich dann die beschriebene „Einschätzung“ der Verlagslei-tung stützen konnte. Zu berücksichtigen sind insoweit folgende Aspekte:

    - Es besteht ein Missverhältnis zwischen den geforderten Maßnahmen und den hierfür genannten Gründen:

    - Es wird nicht klargestellt, welches Verhältnis zwischen den im Schrei-ben unter a) genannten Alternativen i) und ii) und der unter b) erhobe-nen Forderung bestehen soll. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass es erforderlich war, sowohl die Erklärung nach a).i) abzugeben, dass die Forderung gestundet wird, als auch die Erklärung nach b), dass auf die Vollstreckung verzichtet wird. Es liegt vielmehr nahe, dass es ausreichte, die Erklärung nach b) abzugeben; dies bedürfte näherer Prüfung.

    - Es wäre näher zu prüfen, ob – wie unter a)i) ausgeführt - zur Abwen-dung der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine Stundung der Forde-rungen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft erforderlich war. Die durch das Schreiben der Verlagsleitung geforderte Stundung hätte dem zu diesem Zeitpunkt in der Berufungsinstanz anhängigen Verfah-ren, mit dem die Auszahlung der Gewinne für die Jahre 2010 und 2011 begehrt wurde, die Grundlage entzogen. Dort hätte auf Klageabwei-sung erkannt werden müssen. Es wäre zu prüfen, ob es zur Abwen-dung der Zahlungsunfähigkeit ausreichte, die Erklärung abzugeben, dass aus dem Urteil vom 20.03.2013 nicht vollstreckt wird.

    - Es ist auch zweifelhaft, ob es erforderlich war, eine Erklärung über den Rangrücktritt nach § 39 Abs. 2 InsO abzugeben. Zwar war der Rang-rücktritt geeignet, einer rechnerischen Überschuldung entgegenzuwir-ken. Die bloß rechnerische Überschuldung war nach der derzeit gel-tenden Fassung des § 19 InsO aber ohnehin kein Umstand, der eine

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    Insolvenzantragspflicht auslösen konnte, solange eine positive Fortbe-standsprognose gerechtfertigt war.

    - Wurde aber eine Erklärung nach b) abgegeben und hierdurch verhin-dert, dass eine negative Fortbestandsprognose abgegeben werden konnte, die auf die drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt war, dann ist jedenfalls zweifelhaft, ob es daneben noch erforderlich war, den Rangrücktritt nach § 39 Abs. 2 InsO zu erklären.

    Diese Umstände können im Rahmen des vorliegenden Kurzgutachtens keiner abschließenden zivil- und insolvenzrechtlichen Bewertung unterzogen werden.

    Ergäbe eine solche Bewertung, dass durch das Schreiben vom 16.05.2013 überzogene Forderungen aufgestellt wurden, so spräche dies dafür, dass da-mit das Ziel verfolgt wurde, eine zumindest teilweise Zurückweisung der For-derungen zu provozieren, damit darauf die „Einschätzung“ gestützt werden kann, dass die Gesellschafter nicht bereit seien, „im erforderlichen Maße“ an der Sanierung mitzuwirken.

    bb) Die wiedergegebene „Einschätzung“ steht auch nicht damit im Einklang, dass in dem Antwortschreiben vom 24.05.2013 sowohl die Bereitschaft zu einem Verzicht auf die Zwangsvollstreckung als auch die Bereitschaft zu einer weite-ren Stärkung der Liquidität (Gesellschafterdarlehen) erklärt wurde. Wenn Leis-tungen der Medienholding von der Bedingung abhängig gemacht wurden, dass ein Sanierungsplan vorgelegt wird, dann kann kein Zweifel daran beste-hen, dass es in dieser Situation das „schonendste Mittel“ für die Gesellschaft gewesen wäre, auf diese Bedingung einzugehen und einen Sanierungsplan aufzustellen, weil dann mit weiteren Leistungen der Medienholding AG zu rechnen war.

    cc) Die Verlagsleitung und – ihr folgend die Andersch AG - haben sodann die Fortbestandsprognose u.a. deshalb verneint, weil sie trotz bis dahin fehlender Sicherheitsleistung unterstellt haben, dass sich die Forderung aus dem Urteil

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    des Landgerichts Frankfurt vom 20.03.2013 (Az. 3-13 O 119/12) im Juni 2013 liquiditätswirksam auswirken wird.

    Der vorliegende Insolvenzantrag vom 27.05.2013 enthält auf den Seiten 3 bis 4 eine Darstellung der wirtschaftlichen Situation. Die wirtschaftlich wesent-liche Aussage ist danach, dass keine positive Fortführungsprognose besteht. Hierzu wird auf die als Anlage 1 zum Antrag vorgelegte Liquiditätsplanung für den Zeitraum 2013/2014 verwiesen. Hieraus wird abgeleitet, ab Juni 2013 bis einschließlich November 2013 bestehe eine Unterdeckung von bis zu 2,865 Millionen. Der Schuldnerin drohe damit die Zahlungsunfähigkeit.

    Durch die Bezugnahme in der Antragsschrift auf die Anlage können die in der Anlage enthaltenen Angaben als Bestandteil des Antrages gewertet werden.

    Die für die drohende Unterdeckung maßgeblichen Ansätze werden in der An-tragsschrift erläutert. Danach beziehen sich diese u.a. auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 20.03.2013, durch das der Klage der Medienhol-dung AG stattgegeben wurde.

    Der Vortrag zur Bedeutung dieser Forderung für die Insolvenzgründe enthält nur schwer vereinbare Ausführungen.

    Im Insolvenzantrag wird einerseits dargelegt, dass die Forderung „derzeit nicht als fällige Forderung im Rahmen der Zahlungsfähigkeitsprüfung zu berück-sichtigen“ sei (Insolvenzantrag vom 27.05.2013, S. 7).

    In der Ausarbeitung der Andersch AG (Überschuldungsstatus zum 31.März 2013, Stand 25. Mai 2013, die dem Insolvenzantrag beigefügt war (dort S. 6, Überschrift „Fortbestehensprognose“) wurde die erstinstanzlich festgestellte Forderung der Medienholding AG in Höhe von 2,3 Mio. Euro hingegen „im Juni 2013 als liquiditätswirksam unterstellt“.

    Das wäre nur dann widerspruchsfrei, wenn zu erwarten wäre, dass bis zum Juni 2013 bis dahin nicht bestehende Umstände eintreten, die dafür sorgen,

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    dass die Forderung tatsächlich „liquiditätswirksam“ wird. Was genau diese Änderung bewirken soll, ergibt sich aus dem Antrag nicht.

    Es fehlt insgesamt an einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die in den Ausführungen der Andersch AG enthaltene „Unterstellung“, die Forderung werde im Juni 2013 liquiditätswirksam. Es liegen eine Reihe von Umständen vor, die gerade gegen die Berechtigung dieser Unterstellung sprechen.

    - Gemäß § 709 ZPO war eine Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil nur nach Sicherheitsleistung zulässig. Wie sich aus der dem In-solvenzantrag beigefügten eidesstattlichen Versicherung ergibt, war eine Sicherheit i.S:v. § 709 ZPO nicht erbracht. Weder im Insolvenzan-trag noch in der Ausarbeitung der Andersch AG werden konkrete An-haltspunkte dafür aufgezeigt, dass dies unmittelbar bevorstand.

    - Durch die Eintragung der Sicherungshypothek auf dem Grundstück in der Klettenbergstraße war eine wirtschaftliche Absicherung der Klage-forderung erreicht. Es wird kein Grund aufgezeigt, der dafür sprach, dass die Medienholding daneben die mit Kosten für die Sicherheitsleis-tung verbundene Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil be-treiben wollte. Eine solche Vollstreckung wäre mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO behaftet gewesen. Im Insolvenzantrag und den beigefügten Unterlagen wird kein Grund aufgezeigt, der dafür sprach, dass die Medienholding ein solches Risi-ko eingehen würde.

    - Die Andersch AG stützt sich bei ihrer Bewertung der Forderung aus dem Urteil vom 20.03.2013 u.a. auf ein Gutachten der Rechtsanwälte Gleiss Lutz, aus dem sich die Prognose ergeben soll, dass das Urteil ohnehin in der Berufungsinstanz aufgehoben werde. Gerade wenn dies die Ansicht der Rechtsanwälte war, bestand umso mehr Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, warum die Medienholding

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    gleichwohl das Risiko der Vollstreckung und eines Schadensersatzan-spruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO in Kauf nehmen sollte.

    - Gegen die „Unterstellung“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, dass die Forderung im Juni 2013 liquiditätswirksam werde, könnte es auch sprechen, wenn eine Bezahlung der Forderung nur bei mehrfacher Pflichtverletzung der Beteiligten möglich gewesen wäre:

    Hätte die Bezahlung der Forderung – wie die Ausführungen im Insol-venzantrag und der beigefügten Ausarbeitung nahelegen – zur Zah-lungsunfähigkeit geführt, dann wäre vor der Auszahlung durch die Ver-lagsleitung zu prüfen gewesen, ob die Auszahlung im Hinblick auf § 130a Abs. 1 S. 3 HGB verweigert werden muss oder ob ein Antrag nach § 718 ZPO gestellt wird.

    Liquiditätswirksam konnte die Klageforderung zudem nur dann wer-den, wenn die Medienholding AG trotz der Gefahr des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit die Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil betrieben hätte. Eine solche Vollstreckung hätte aber möglicherweise der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Medienholding widerspro-chen. Wäre dies zutreffend, dann würde sich die Unterstellung der „Li-quiditätswirksamkeit“ auf die nicht näher begründete Annahme stützen, die Beteiligten seien zu Pflichtverletzungen bereit gewesen.

    Insgesamt bleibt danach festzuhalten: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterstellt die Liquiditätswirksamkeit der Forderung, obwohl

    - keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Vollstre-ckung aus dem landgerichtlichen Urteil tatsächlich beabsichtigt war,

    - kein hinreichender wirtschaftlicher Anlass für die Einleitung der Voll-streckung bestand, nachdem die Sicherungshypothek eingetragen war.

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    dd) Die negative Fortbestehensprognose stützt sich maßgeblich auf die mit dem Insolvenzantrag vorgelegte Liquiditätsplanung. Deren wirtschaftlich wesentli-ches Element ist die drohende Liquiditätswirksamkeit der Klageforderung.

    Soweit die Liquiditätsplanung darüber hinaus einen negativen Saldo aufweist, wurde bereits im Schriftsatz der Rechtsanwälte Leo und Kollegen an das AG Charlottenburg vom 11.06.2013 dargelegt, aus welchen Gründen dies unzu-treffend ist.

    Wie dort ausgeführt ist, ist nicht ersichtlich, warum der zusätzliche Bedarf an Geldmitteln, wenn er denn überhaupt zu erwarten war, nicht durch Kreditmittel oder die im Schreiben der Rechtsanwälte Leo und Kollegen vom 24.05.2013 angebotenen sonstigen Leistungen zur Stärkung der Liquidität der Gesell-schaft (wie z.B. nach Vorlage eines Sanierungsplans die Gewährung von Ge-sellschafterdarlehen) abgedeckt werden konnte. Der Pflicht, das für die Ge-sellschaftsinteressen schonendste Mittel zu wählen, hätte es entsprochen, zunächst zu klären, ob auf diesem Wege die Liquidität der Gesellschaft ge-stärkt werden konnte, bevor auf den vermeintlichen Liquiditätsmangel eine negative Fortbestandsprognose gestützt und sodann ein Insolvenzantrag ge-stellt wird.

    f) Bestand aber nach dem Schriftwechsel vom 16.05./24.05.2013 schon bei Vorlage eines Sanierungsplans die Möglichkeit, einen ausdrücklichen Verzicht auf die Vollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil zu erreichen, bestan-den daneben weitere Möglichkeiten, der Gesellschaft Kapital zuzuführen und bestanden zudem keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es auf Grund des Urteils des LG Frankfurt vom 20.03.2013 zu einer Zahlung des Betrages von 2,3 Mio. Euro aus dem Vermögen der Gesellschaft kommen würde, dann würde dies insgesamt dafür sprechen, dass der Antrag vom 27.05.2013 unter Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten und damit letzt-lich voreilig gestellt wurde. Es entspricht nicht dem Gebot, bei Entscheidungen der Gesellschafter das für die Gesellschaft schonendste Mittel zu wählen, wenn unter diesen Umständen ein Insolvenzantrag eingereicht wurde.

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    g) Sobald auf Grund einer umfassenden Prüfung der insolvenz- und gesell-schaftsrechtlichen Vorfragen feststeht, dass durch die voreilige Antragstellung die zivilrechtlichen Pflichten der Geschäftsleitung verletzt wurden, bedürfte näherer Prüfung, ob hierin zugleich auch eine Verletzung der Vermögensbe-treuungspflicht zu sehen ist. Zu beachten ist hierbei, dass nach der Recht-sprechung des BVerfG und der Strafgerichte nicht jedwede Verletzung zivil-rechtlicher Pflichten zugleich auch als tatbestandsmäßige Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht i.S.v. § 266 StGB angesehen werden kann (vgl. zur Frage, ob eine „gravierende“ Pflichtverletzung vorliegen muss z.B. Fi-scher, 60. Aufl., Rn. 61/61a zu § 266 StGB m.w.N.).

    2. Vermögensnachteil

    Der Tatbestand des § 266 StGB setzt ferner voraus, dass ein Vermögens-nachteil eingetreten ist.

    An die Feststellung des Tatbestandsmerkmals sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besondere Anforderungen zu stellen (BVer-fGE 126, 170; BVerfGE 130, 1.)

    Für die hier vorliegende Fallkonstellation sind darüberhinaus die Besonderhei-ten der Schadensfeststellung bei Personengesellschaften zu beachten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Rahmen des § 266 StGB eine Schädi-gung des Gesamthandsvermögens einer Kommanditgesellschaft nur insoweit bedeutsam, als sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt. So-weit ein Gesellschafter mit bestimmten Maßnahmen einverstanden war, schließt dieses Einverständnis die Annahme eines tatbestandsmäßigen Scha-dens aus (vgl. BGH NJW 2011, 3733, 3735; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 113 zu § 266 StGB m.w.N.; BGH Beschl.v.23.03.2012, 1 StR 586/11).

    Danach wäre bei der Berechnung eines Untreueschadens zu berücksichtigen, dass davon auszugehen ist, dass der Mehrheitsgesellschafter mit den ge-troffenen Maßnahmen (einschließlich des Insolvenzantrages vom 27.05.2013)

  • 19

    einverstanden war. Die Schadensberechnung hätte sich deshalb an den An-teilsverhältnissen zu orientieren.

    Dass sich bereits durch die Antragstellung der wirtschaftliche Wert der Kom-manditanteile an der Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG vermindert hat, dürfte als offenkundig anzusehen sein.

    3. Subjektive Tatseite

    Nach § 266 StGB ist nur vorsätzliches Verhalten strafbar (§ 15 StGB).

    Nach h.M. ist bei § 266 StGB ein vorsätzliches Verhalten nur dann gegeben, wenn der Vermögensbetreuungspflichtige jeweils in dem Bewusstsein handel-te, er verletze seine Pflichten. Der Vorsatz muss sich auf die Pflichtwidrigkeit der getroffenen Maßnahme erstrecken (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 172 ff. zu § 266 StGB). Welche Anforderungen insoweit im Einzelnen gelten, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten (vgl. Fischer StGB, 60. Aufl., Rn. 173 zu § 266 StGB). Vielfach wird es als ausreichend angesehen, wenn der Beschul-digte die notwendige Tatsachenkenntnis hat (so etwa LK-Schünemann, Rn. 153 zu § 266 StGB). Danach soll es nicht erforderlich sein, dass er aus den Tatsachen den Rückschluss auf die Pflichtwidrigkeit der von ihm getroffenen Maßnahme zieht. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich (vgl. BGH NStZ 2006, 214, 217; BGHSt 54, 148).

    Gegen das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit kann es sprechen, wenn der Vermögensbetreuungspflichtige zuvor rechtlichen Rat eingeholt hat und ihm durch einen hierfür kompetenten Berater bestätigt wurde, dass in der Maß-nahme keine Pflichtverletzung liegt.

    In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für andere Tatbestände anerkannt, dass derjenige, der sich bei seinem Handeln an einem anwaltli-chen Rat orientiert, regelmäßig jedenfalls in einem vermeidbaren Verbotsirr-tum handelt. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat vor kurzem noch-mals bestätigt, dass ein schriftliches Gutachten eines sachkundigen Rechts-

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    anwalts zu einer Rechtsfrage grundsätzlich geeignet ist, einen unvermeidba-ren Verbotsirrtum zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 11.10.2012, 1 StR 213/10, Rn. 74 – zugänglich über die Webseite des BGH: www.bundesgerichtshof.de). Der 3 . Strafsenat des BGH hat in einem Urteil vom 04.04.2013 (BGH 3 StR 521/12) vergleichbare Prinzipien zugrundege-legt.

    Ähnliche Maßstäbe wären wohl hier auch im Rahmen des § 266 StGB heran-zuziehen. Dass die Mitglieder der Geschäftsleitung Kenntnis von den maß-geblichen Tatsachen hatten, erscheint kaum zweifelhaft. Ob sie im Hinblick auf die Mitwirkung von Beratern davon ausgehen durften, dass ihr Verhalten nicht pflichtwidrig war, bedürfte nochmals einer Analyse an Hand der Einzel-heiten der hier maßgeblichen Vorgänge aus dem April/Mai 2013.

    IV. Mögliche Strafbarkeit nach § 263 StGB (Betrug)

    Eine Strafbarkeit wegen Betruges käme in Betracht, wenn in dem Vorbringen im Antrag vom 27.05.2013 eine Täuschung des Insolvenzgerichts über Tatsa-chen enthalten wäre.

    1. Zur Fortbestehensprognose

    Für die insolvenzrechtliche Beurteilung nach § 19 Abs. 2 InsO in der derzeit geltenden Fassung ist die Fortbestandsprognose von zentraler Bedeutung. Das macht auch die Antragsschrift vom 27.05.2013 deutlich. Nur weil die Fortbestandsprognose verneint wurde, kam es zur Aufstellung einer Über-schuldungsbilanz.

    Für die Fortbestandsprognose sind hier zwei Elemente wesentlich, zum einen die Zahlen über die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben, zum anderen die Erwartung, dass ab Juni 2013 mit einer zusätzlichen Belastung der Liquidi-tät durch die Bezahlung der Forderung der Medienholding zu rechnen sei.

  • 21

    a) Angaben zu den zu erwartenden Einnahmen

    Dass der Insolvenzantrag in Bezug auf die Fortführungsprognose eine Täu-schung über Tatsachen enthält, ließe sich begründen, wenn nachweisbar wä-re, dass die Zahlen über die zu erwartenden Einnahmen unrichtig sind. Das stößt schon deshalb auf prinzipielle Schwierigkeiten, weil die Zahlen insoweit eine Prognose enthalten.

    Allein der Umstand, dass zu einem früheren Zeitpunkt eine andere Prognose abgegeben wurde, belegt noch nicht ohne weiteres, dass die dem Antrag vom 27.05.2013 zu Grunde liegende Prognose zu diesem Zeitpunkt nicht zutraf.

    b) Angaben zum Verzicht auf die Vollstreckung und zur Stundung

    Eine Täuschung über Tatsachen würde vorliegen, wenn der Antrag falsche Angaben zu der Frage enthielte, ob die Forderung der Medienholding AG ge-stundet war oder ob die Medienholding auf eine Vollstreckung der Forderung aus dem Urteil verzichtet hat. Im Insolvenzantrag vom 27.05.2013 (S. 4) wird dargelegt, die Schuldnerin habe mit Schreiben vom 16.05.2013 ihre Gesell-schafter über die aktuelle Lage informiert und konkret erforderliche Maßnah-men benannt, die eine positive Fortführungsprognose sicherstellen würden. Dazu gehörte die Stundung etwaiger Entnahmeansprüche der Gesellschafter gegen die Schuldnerin bis zum Ablauf des Jahres 2014 und, soweit zur Ver-meidung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich, auch darüber hin-aus und alternativ eine Erklärung der Gesellschafter, mit diesen Forderungen in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO zurückzutreten sowie die Erklärungen der Kommanditistin Medienholding AG, aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des LG Frankfurt vom 20.03.2013 und einem etwaigen Urteil des OLG Frank-furt bis zum Ablauf des Jahres 2014 nicht zu vollstrecken, solange die im Ur-teil betroffenen Forderungen gestundet sind oder dem Rangrücktritt unterlie-

  • 22

    gen. Im Insolvenzantrag wird vorgetragen, die Gesellschafter seien gebeten worden, entsprechende Erklärungen bis zum 23.05. (Fristverlängerung: 26.05.2013) abzugeben. Die Gesellschafter hätten solche Erklärungen aber bislang nicht abgegeben.

    Diese Erklärung ist aber schon deshalb nicht unrichtig, weil im Schriftsatz der Rechtsanwälte Leo und Kollegen vom 24.05.2013 lediglich die Bereitschaft zu einem Verzicht auf die Vollstreckung, nicht aber der Verzicht selbst erklärt wurde. Das ergibt sich aus der folgenden Passage:

    „Im Hinblick auf die anstehenden Gespräche über eine Beteili-gung eines Dritten an der Verlagsgruppe ist die Medienholding AG bereit, bis auf weiteres und nach Vorlage eines schlüssigen Sanie-rungsplans – den die Medienholding seit langem angemahnt hat- endgültig auf die vorläufige Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2013 zu verzichten. Ein Verzicht auf die bereits eingeleitete Sicherungsvollstreckung ist damit nicht verbunden, dies beeinträchtigt jedoch die Liquidität der Gesellschaft nicht.“

    bb) Prognose der Geschäftsleitung

    Soweit im Insolvenzantrag ausgeführt wird, angesichts der fehlenden Erfüllung der im Schreiben des Verlages vom 16.05.2013 aufgestellten Forderungen, sei die Geschäftsführung „zu der Einschätzung gelangt, dass es nicht mehr hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Gesellschafter bereit sind, im erfor-derlichen Maße an der Sanierung der Schuldnerin mitzuwirken und entspre-chende Sanierungsbeiträge zu leisten“, ist dies zwar wenig überzeugend. Es ist jedoch bereits fraglich, worin genau der Tatsachenkern der Äußerung be-steht. Dies bedürfte näherer Auslegung. Zu prüfen wäre sodann, ob der Nachweis geführt werden kann, dass die Darstellung in Bezug auf diesen Tat-sachenkern unzutreffend war.

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    c) Angaben über die drohende Liquiditätsbelastung

    Dass der Insolvenzantrag in Bezug auf die Fortführungsprognose unrichtig ist, ließe sich begründen, wenn nachweisbar wäre, dass die Angaben über die zu erwartende Belastung der Liquidität durch die Forderung der Medienholding „unrichtig“ waren.

    Insoweit wird im Antrag aber offen gelegt, dass es sich um eine Annahme, bzw. eine Unterstellung handelte. So wird – wie dargelegt – auf Seite 6 des Gutachtens der Andersch AG darauf verwiesen, die durch das LG Frankfurt titulierte Forderung werde i.H.v. 2,3 Mio Euro „im Juni 2013 als liquiditätswirk-sam unterstellt“. Danach wird durch den Antragsinhalt jedenfalls nicht über Tatsachen getäuscht. Ob die Unterstellung berechtigt ist oder nicht, kann durch das Insolvenzgericht auf Grund des Antrags geprüft werden.

    2. Einzelne Positionen der Überschuldungsbilanz

    Sollen nach § 19 InsO die Vermögenswerte und die Forderungen gegenüber-gestellt werden, dann bedarf es hierzu einer eigenständigen, an insolvenz-rechtlichen Kriterien orientierten Bewertung. Vorschriften über einzuhaltende Bewertungsregeln bestehen – soweit ersichtlich - nicht. In der Kommentarlite-ratur wird grundsätzlich die Heranziehung der Liquidationswerte als zutref-fend angesehen (vgl. Schmerbach in FK-InsO, 7. Aufl., Rn. 19 ff. zu § 19 In-sO). Dass dabei erhebliche Bewertungsspielräume bestehen, ist selbstver-ständlich.

    Die Frage, ob auf der Grundlage einer Bewertung an Hand des Zerschla-gungswertes die dem Insolvenzantrag vom 27.05.2013 zu Grunde liegenden Bewertungen sich innerhalb des zulässigen Spielraums bewegten, kann hier nicht im Einzelnen geprüft werden. Selbst wenn aber der Spielraum über-schritten wäre, wäre konkret zu prüfen, ob hierdurch über „Tatsachen“ ge-täuscht wurde. Hiergegen spricht es schon, wenn die der Bewertung zu Grun-

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    de liegenden Schritte im Insolvenzantrag, bzw. den beigefügten Gutachten offengelegt werden.

    Der vorliegende Antrag vom 27.05.2013 enthält eine eigene Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse, des wirtschaftlichen Hintergrundes der Schuldnerin sowie Angaben über die frühere Bilanzsumme, die Umsatzerlöse und die Zahl der Arbeitnehmer. Wir haben diese Angaben nicht überprüft und gehen davon aus, dass diese Angaben zutreffend sind.

    3. Erstrebte Bereicherung

    Eine Strafbarkeit nach § 263 StGB würde ferner voraussetzen, dass durch eine etwaige Täuschung ein Irrtum erregt, eine irrtumsbedingte Verfügung getroffen wurde und dass hierdurch ein Vermögensschaden eingetreten ist. Von der näheren Prüfung dieser Tatbestandsmerkmale wird hier einstweilen abgesehen.

    Weitere Strafbarkeitsvoraussetzung wäre, dass die Tat auf die Erlangung ei-nes rechtswidrigen Vermögensvorteils für den Täuschenden oder einen Drit-ten gerichtet war und dass dieser zugleich die „Kehrseite“ des eingetretenen Schadens bildete (“Stoffgleichheit“ des erstrebten Vermögensvorteils; vgl. hierzu Fischer, StGB, Rn. 187 zu § 263 StGB). Läge der Schaden im Wertver-lust der Kommanditanteile, so ist nicht ersichtlich, welcher „stoffgleiche“ Ver-mögensvorteil bei den drei Mitgliedern der Geschäftsführung oder einer der beteiligten Gesellschaften dem entsprechen könnte.

    Nach allem bleibt die abschließende Klärung der Frage, ob in Bezug auf den Inhalt des Insolvenzantrages vom 27.05.2013 Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten bestehen, einem späteren Verfahrensstadium vorbehalten.

    Frankfurt/Main.14.08.2013, P