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Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos messen Auszug aus atp-Sonderheft 6/2006 Systeme und Lösungen zur berührungslosen Temperaturmessung HEITRONICS Infrarot Messtechnik GmbH Kreuzberger Ring 40 D-65205 Wiesbaden Tel.: ++49 (611) 97393-0 Fax: ++49 (611) 97393-26 eMail: [email protected] Internet: www.heitronics.com

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Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos messen Auszug aus atp-Sonderheft 6/2006

Systeme und Lösungen zur berührungslosen Temperaturmessung

HEITRONICS Infrarot Messtechnik GmbH Kreuzberger Ring 40 D-65205 Wiesbaden Tel.: ++49 (611) 97393-0 Fax: ++49 (611) 97393-26 eMail: [email protected] Internet: www.heitronics.com

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Strahlungsthermometrie –Temperaturen berührungslos messen Jörg Hollandt, Jürgen Hartmann und Berndt Gutschwager, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, und Ortwin Struß, HEITRONICS Infrarot Messtechnik GmbH

Die Temperatur gehört zu den am meisten erfassten Messgrößen, da sie physikalische, chemische und bio-

logische Prozesse entscheidend beeinflusst. Um industrielle Verfahren bewerten, optimieren, wiederholen

und vergleichen zu können, müssen Temperaturen genügend genau und weltweit einheitlich gemessen

werden. Dies geschieht mit Hilfe der Festlegungen und Vorschriften der Internationalen Temperaturskala.

Die berührungslose Messung von Oberflächentemperaturen mit Strahlungsthermometern ist heute pro-

blemlos über einen Temperaturbereich von –100 °C bis zu 3000 °C möglich. Die strahlungsthermometrische

Temperaturmessung bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber berührenden Methoden. Strahlungsthermo-

meter reagieren sehr schnell und die Messung wird nicht durch Wärmezu- oder -ableitung beeinflusst.

Objekte die sich schnell bewegen, unter elektrischer Spannung stehen oder schnelle Temperaturänderungen

erfahren können so gemessen werden. Strahlungsthermometrie wird folglich zunehmend zur Überwachung

und Steuerung thermischer Prozesse, zur Instandhaltung und in der Gebäudetechnik eingesetzt.

Der vorliegende Beitrag soll über die Grundlagen der strahlungsthermometrischen Temperaturmessung

sowie über den Aufbau und gängige Typen von Strahlungsthermometern informieren. Es wird erläutert wie

über die Internationale Temperaturskala und die Kalibrierung von Strahlungsthermometern eine genaue

und weltweit einheitliche Temperaturmessung gewährleistet wird. Der in der praktischen Temperaturmes-

sung wichtige Emissionsgrad von Oberflächen und einige Beispiele zur industriellen Anwendung von Strah-

lungsthermometern werden dargestellt.

Temperaturmessung / Strahlungsthermometrie / Internationale Temperaturskala / Emissionsgrad

Radiation thermometry – non-contact temperature measurements

The temperature is one of the measurands most frequently determined, as it decisively influences physical,

chemical and biological processes. To be able to evaluate, optimize, repeat and compare industrial procedu-

res, temperatures must be measured with sufficient accuracy and worldwide uniformity. This is done with

the aid of the regulations and instructions of the International Temperature Scale. Today, non-contact

measurements of surface temperatures can be performed without problems with radiation thermometers

over a temperature range from –100 °C up to 3000 °C. Compared to contacting measurements, radiation-

thermometric temperature measurement offers a series of advantages. Radiation thermometers react very

fast and the measurement is not influenced by heat supply or dissipation. This allows objects to be measured

which move very fast, are energized or may experience fast temperature changes. Consequently, radiation

thermometry is increasingly used for the monitoring and control of thermal processes, for maintenance and

in building services engineering.

The present contribution shall inform of the fundamentals of radiation-thermometric temperature measu-

rement as well as of the construction and popular types of radiation thermometers. It will be explained how

exact and worldwide uniform temperature measurement is guaranteed via the International Temperature

Scale and the calibration of radiation thermometers. The emissivity of surfaces which is important in practi-

cal temperature measurements and some examples of industrial applications of radiation thermometers

will be described.

Temperature measurements / Radiation thermometry / International Temperature Scale / Emissivity

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1. Einleitung

Die Temperatur als die wichtigste thermodynamische Zu -

standsgröße ist für den Ablauf von physikalischen, chemi-

schen und biologischen Prozessen von entscheidender

Bedeutung. Sie bestimmt unter anderem die Geschwindig-

keit von chemischen Reaktionen, die Reproduktionsrate von

lebenden Zellen, den Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschi-

nen und die Emission von thermischer Strahlung.

Da praktisch alle in Industrie und Forschung relevanten

Größen eine Funktion der Temperatur sind, lassen sie sich

nur vergleichen, wenn sie bei bekannter Temperatur be -

stimmt werden. Dies macht die Temperatur, neben der Zeit,

zu der am meisten gemessenen physikalischen Größe.

Aufgrund der großen Bedeutung der Temperatur für die

Prozessüberwachung und –steuerung ergibt sich infolge

von weltweit vernetzten Produktionsprozessen die Notwen-

digkeit einer möglichst einfachen aber genauen und ein-

heitlichen Temperaturbestimmung. Dies wird durch die Fest-

legungen und Messvorschriften der Internationalen Tempe-

raturskala gemäß ihrer Vereinbarung im Jahre 1990 (ITS-90)

[1] gewährleistet.

Strahlungsmessgeräte, mit denen die mittlere Tempera-

tur eines durch die optische Anordnung festgelegten Mess-

feldes bestimmt wird, heißen Strahlungsthermometer. Sie

erlauben eine berührungslose, schnelle und rückwirkungs-

arme Oberflächentemperaturmessung, die mit kleiner Unsi-

cherheit auf die Internationale Temperaturskala zurückge-

führt werden kann.

Unter der Vielzahl von existierenden Temperaturmessver-

fahren hat die Strahlungsthermometrie damit ein einzigarti-

ges Potenzial. Sie erlaubt unter anderem eine Temperatur-

messung an

� schnell bewegten Objekten,

� sehr kleinen Objekten,

� Objekten mit kleiner Wärmekapazität und/oder geringer

Wärmeleitfähigkeit,

� Objekten mit schneller Temperaturänderung,

� Objekten, bei denen räumliche Temperaturverteilungen

erfasst werden sollen,

� Objekten mit sehr hohen Temperaturen.

Im Folgenden werden die Grundlagen der strahlungs-

thermometrischen Temperaturmessung vorgestellt. Es wer-

den der Aufbau und die wesentlichen Spezifikationen von

Strahlungsthermometern erläutert. Die Kalibrierung von

Strahlungsthermometern, das heißt ihre Rückführung auf

die Internationale Temperaturskala, und die Bestimmung

des für die Strahlungsthermometrie wichtigen Emissions-

grads von Oberflächen wird dargestellt. Abschließend ver-

deutlichen einige Beispiele für die industrielle Anwendung

der Strahlungsthermometrie die Breite der Einsatzmöglich-

keiten von Strahlungsthermometern.

2. Grundlagen der Strahlungsthermometrie

Bei Temperaturen oberhalb von – 273,15 °C (0 K), dem abso-

luten Temperatur-Nullpunkt, strahlt jeder Körper elektromag-

netische Strahlung ab. Diese Strahlung wird Temperatur-

oder Wärmestrahlung genannt. Die Intensität und spektrale

Verteilung der Wärmestrahlung steht in einem direkten

Zusammenhang mit der Temperatur und dem Emissions-

grad der Oberfläche des Körpers. Der Emissionsgrad ε ist

eine material- und temperaturabhängige Oberflächeneigen-

schaft und stets gleich dem Absorptionsgrad α der Oberflä-

che (Kirchhoff’sches Gesetz). Von grundlegender Bedeutung

für die Strahlungsthermometrie ist, dass für einen Körper,

der alle auftreffende Strahlung vollständig absorbiert – ein

so genannter Schwarzer Körper – das emittierte Strahlungs-

spektrum nur noch von seiner Temperatur und nicht mehr

von seinem Material und seiner Form abhängt. Ein Schwar-

zer Körper besitzt einen Absorptions- und Emissionsgrad

von 1 und seine Wärmestrahlung wird durch das Planck’sche

Strahlungsgesetz beschrieben. Dieses Gesetz beschreibt die

Abhängigkeit der emittierten Strahlungsleistung pro Fläche

und Wellenlänge λ in ein Raumwinkelelement, die so

genannte spektrale Strahldichte Lλ,S [W/(m3sr)], von der

absoluten Temperatur T [K] des Körpers gemäß

L�,S (�, T) = �n

c2�

1

5��

exp (c2/

1

n�T) – 1� . (1)

Hier bezeichnen c1 = 2hc2 und c2 = hc/k die erste und

zweite Strahlungskonstante mit dem Planck’schen Wirkungs-

quantum h, der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c und der

Boltzmann-Konstante k.

Die grafische Darstellung des Planck’schen Strahlungsge-

setzes in Bild 1 zeigt die stark überproportionale Zunahme

der abgestrahlten Gesamtenergie mit steigender Tempera-

tur. Den funktionalen Zusammenhang zwischen der abge-

a)0,0E+00

2,0E+12

4,0E+12

6,0E+12

8,0E+12

1,0E+13

1,2E+13

1,4E+13

0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5

Wellenlänge (μm)

3,0 3,5 4,0 4,5 4,5

b)1,0E-03

1,0E-01

1,0E+01

1,0E+03

1,0E+05

1,0E+07

1,0E+09

1,0E+11

1,0E+13

273,16 K500 K1000 K1500 K2000 K2500 K

3000 K3500 K4000 K4500 K5000 K

Str

ah

ldic

hte

(W

/m3sr

)S

tra

hld

ich

te (

W/m

3sr

)

0,1 1 10 100

Wellenlänge (μm)

Bild 1: Das Planck’sche Strahlungsgesetz in a) linearer und b) doppelt-

logarithmischer Darstellung.

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strahlten Gesamtenergie pro Fläche M und der absoluten

Temperatur beschreibt das Stefan-Boltzmann Gesetz

M = σT4 (2)

mit der Stefan-Boltzmann-Konstante σ = 5,670400(40) ·

10–8 W · m–2 · K–4.

Bei Raumtemperatur liegt das Maximum der abgestrahl-

ten Wärmestrahlung bei etwa 10 μm im fernen Infrarot. Die

Verschiebung der Wellenlänge des Maximums der emittier-

ten Strahlung mit der Temperatur beschreibt das Wien’sche

Verschiebungsgesetz

λmaxT = 2897,7686(51) μm · K. (3)

Gl. (1)–(3) bilden die Grundlage der Strahlungsthermome-

trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper.

Reale Körper strahlen Wärmestrahlung immer schlechter ab

als Schwarze Körper, besitzen daher einen Emissions- und

Absorptionsgrad kleiner als 1. Der spektrale Emissionsgrad

eines realen Körpers ist eine Funktion der Wellenlänge, der

Temperatur und des Beobachtungswinkels θ. Damit kann

die spektrale Strahldichte Lλ,real eines realen Körpers beschrie-

ben werden durch

L�,real (�, T, �) = � (�, T, �) · L�,S (�, T) =

�n

c2�

1

5��

exp

(c

(

2

/

,

n

T

, �

T

)

) – 1� . (4)

Für die berührungslose Temperaturmessung eines Kör-

pers ist somit die Messung seiner abgestrahlten Strahlungs-

leistung in einem vorgegebenen Spektralbereich mittels

eines Strahlungsthermometers und die Kenntnis des Emissi-

onsgrads seiner Oberfläche notwendig.

Kurze Darstellungen zu den Grundlagen und Anwendun-

gen der Strahlungsthermometrie finden sich z. B. in [2–4].

3. Strahlungsthermometer

Der prinzipielle Aufbau eines Strahlungsthermometers ist in

Bild 2 dargestellt. Eine Optik bildet das Messobjekt mittels

der Wärmestrahlung auf die Gesichtsfeldblende vor dem

Detektor ab. Die Aperturblende und die Gesichtsfeldblende

definieren den Raumwinkel und die Fläche (Messfeld) der

vom Detektor nachgewiesenen Strah-

lung. Bei den meisten Strahlungsther-

mometern wird ein Spektralfilter zur

Eingrenzung des Wellenlängenberei-

ches der auf den Detektor treffenden

Strahlung verwendet. Dieser Spektral-

filter wird oft unmittelbar vor dem

Detektor angeordnet oder ist als Fens-

ter in das Detektorgehäuse integriert.

Bei hochwertigen Strahlungsthermo-

metern werden der Detektor und

manchmal auch zusätzlich der Spekt-

ralfilter temperiert. Interne Referenz-

strahlungsquellen oder nur die Mes-

sung und Verarbeitung der internen

Temperatur des Detektors oder der

optischen Komponenten sorgen im Allgemeinen für eine

stabile Anzeige von Messwerten der Strahlungstemperatur

innerhalb eines weiten Eigentemperaturbereichs des Strah-

lungsthermometers.

Die Leistungsfähigkeit eines Strahlungsthermometers

wird wesentlich von der Güte seiner Optik und der Empfind-

lichkeit seines Strahlungsempfängers bestimmt. Hochwer-

tige Strahlungsthermometer arbeiten mit einem festen

Fokus, der dem empfohlenen Messabstand entspricht oder

mit variablem Fokus zur Anpassung an den Messabstand.

Aus der abstandsabhängigen Einstellung des Fokus resul-

tiert ein Messfeld, in dem die mittlere Strahlungstemperatur

des Messobjektes ermittelt wird. Bei einer Erhöhung des

Messabstandes wird das Messfeld größer. Genaue Messun-

gen der Strahlungstemperatur sollten mit abbildenden opti-

schen Systemen erfolgen. Diese können aus Linsen, Spie-

geln, Faseroptiken oder deren Kombination bestehen. In

Abhängigkeit vom Spektralbereich, in dem das Strahlungs-

thermometer arbeitet, kommen für die häufig verwendeten

Linsensysteme nicht nur optisches Glas, sondern auch im

Infraroten transparente Materialien wie z. B. Silizium, Germa-

nium oder Zinkselenid zum Einsatz. Bei preiswerten Strah-

lungsthermometern werden auch optische Komponenten

aus Kunststoff eingesetzt. Die Ausrichtung von Strahlungs-

thermometern und die Kennzeichnung des Messfeldes erfol-

gen mit Hilfe von Pilotlasern, Durchsichtvisieren oder inte-

grierten Kamerasystemen im sichtbaren Spektralbereich.

Für die Messung von Strahlungstemperaturen im Bereich

von etwa 250 °C bis über 3000 °C werden vielfach Photo-

empfänger auf der Basis von Silizium oder InGaAs in Verbin-

dung mit Glasoptiken verwendet, wobei mit Siliziumemp-

fängern von etwa 500 °C aufwärts gemessen werden kann.

Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-

säulen oder pyroelektrische Detektoren Anwendung bei der

Messung niedriger Strahlungstemperaturen bis hinab zu

– 100 °C. Auch aufwändig gekühlte, sehr empfindliche Halb-

leiterdetektoren können bei der Messung niedriger Strah-

lungstemperaturen in hochwertigen Geräten verwendet

werden.

Strahlungsthermometer arbeiten meist in begrenzten

Spektralbereichen. Diese Bereiche sind im Allgemeinen den

Transmissionseigenschaften der Atmosphäre angepasst. Es

existieren spektrale „Fensterbereiche“ der Atmosphäre, in

Messobjekt

Atmosphäre

Linse Pilot-Laser

Gesichtsfeldblende

Spektralfilter

Detektor

Messfeld Fokussierung Aperturblende temperiertes

Detektorgehäuse

Strahlungsthermometer

Bild 2: Schematischer Aufbau eines Strahlungsthermometers.

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denen die Intensität der Wärmestrahlung nur wenig beein-

flusst wird. Für die Messung hoher Strahlungstemperaturen

ab ca. 250 °C aufwärts eignet sich der Bereich von 0,9 μm bis

1,7 μm. Strahlungstemperaturen oberhalb von – 20 °C kön-

nen in einem atmosphärischen Fenster von 2,5 μm bis 5 μm

gemessen werden. Für die Messung sehr niedriger Strah-

lungstemperaturen, aber oft auch für die Messung von

Strahlungstemperaturen in der Nähe der üblichen Tempera-

turstrahlung der Umgebung, wird der Spektralbereich von

8 μm bis 14 μm genutzt. Diesen Spektralbereich verwenden

zumeist auch einfache, vielseitig einsetzbare Strahlungsther-

mometer. Bei der Anwendung von Strahlungsthermometern

ist ab einem Abstand zum Messobjekt von etwa 10 Metern

zu beachten, dass die Intensität der nachgewiesenen Wär-

mestrahlung und damit die gemessene Strahlungstempera-

tur durch die Absorption bzw. Emission der Atmosphäre

eine Veränderung erfahren kann. Staub und eine unge-

wöhnlich hohe Luftfeuchtigkeit beeinflussen insbesondere

bei größeren Messentfernungen die Anzeige der Strahlungs-

temperatur. Hochwertige Strahlungsthermometer erlauben

meist eine von der Entfernung abhängige Korrektur des

Messwertes.

Einen großen Einfluss auf die Messung der Strahlungs-

temperatur hat der Wert des Emissionsgrades der Oberflä-

che eines Messobjektes. Er ist stets kleiner als Eins und grö-

ßer als Null und sollte bekannt sein. Bei einem kleinen

Emissionsgrad ist im Allgemeinen die Unsicherheit der Mes-

sung relativ groß, da dann auch die Wärmestrahlung von

Objekten der Umgebung am Messobjekt reflektiert wird.

Dies ist zum Beispiel bei blanken Metalloberflächen der Fall.

Hingegen ist die Messung der Strahlungstemperatur an Bau-

stoffen wie Stein, Beton oder Keramik meist gut durchführ-

bar, da diese Stoffe hohe Emissionsgrade in der Nähe von 1

aufweisen. Einstellungen bekannter Emissionsgrade und der

Umgebungstemperatur sind an hochwertigen Strahlungs-

thermometern im Allgemeinen möglich, so dass die Anzeige

der Strahlungsthermometer den Oberflächentemperaturen

der Messobjekte entspricht.

Man unterscheidet nach dem spektralen Empfindlich-

keitsbereich verschiedene Typen von Strahlungsthermome-

tern:

� Spektralstrahlungsthermometer arbeiten in einem engen

Spektralbereich mit einer typischen Bandbreite von unter

20 nm. Sie sind für hochwertige Messungen mit geringer

Unsicherheit, meist im Labor, geeignet. Sie lassen sich im

Allgemeinen sehr gut mathematisch modellieren und

können mit geringen Unsicherheiten kalibriert werden.

Da die auf den Empfänger fallende Strahlungsleistung

gering ist, müssen hier besonders empfindliche Strah-

lungsempfänger eingesetzt werden. Mit Spektralstrah-

lungsthermometern ist bei Wahl geeigneter Spektralbe-

reiche auch die Messung der Strahlungstemperatur in der

Tiefe eines Objektes z. B. bei Glas oder Kunststoff mög-

lich.

� Viele Strahlungsthermometer sind Bandstrahlungsther-

mometer. Die Bandbreite des Spektralfilters ist bei ihnen

wesentlich größer als beim Spektralstrahlungsthermome-

ter. Sie nutzen oft den gesamten Spektralbereich eines

atmosphärischen Fensters aus. Ihre größere Bandbreite

führt zu einer höheren Strahlungsleistung auf dem Emp-

fänger was meist eine sehr gute Temperaturauflösung der

Messwerte bei einem geringeren Einfluss von atmosphä-

rischen Störungen im Vergleich zu Gesamtstrahlungsther-

mometern ermöglicht. Die mit Bandstrahlungsthermo-

metern erzielbaren Messunsicherheiten können deshalb

gering gehalten werden.

� Gesamtstrahlungsthermometer arbeiten meist ohne spekt-

rale Filter und erfassen annähernd das ganze Spektrum

der Wärmestrahlung des Messobjektes. Die auf den Detek-

tor treffende Strahlungsleistung ist aufgrund der hohen

Bandbreite groß. Die Anwendung und Kalibrierung von

Gesamtstrahlungsthermometern mit geringer Messunsi-

cherheit kann aber nur bei konstanten atmosphärischen

Bedingungen, unter Schutzgas oder im Vakuum erfolgen.

Bei Beachtung dieser Einsatzbedingungen sind genaue

Temperaturmessungen auch mit Gesamtstrahlungsther-

mometern möglich.

� Weniger häufig in der Anwendung sind Verhältnisstrah-

lungsthermometer. Sie arbeiten in zwei oder mehreren

meist schmalen und nahe beieinander liegenden Spekt-

ralbereichen. Durch die Verhältnisbildung der Strahldich-

ten in den verschiedenen Spektralbereichen wird die

Strahlungstemperatur des Messobjektes ermittelt. Die

genaue Kenntnis des absoluten Emissionsgrades der

Oberfläche des Messobjektes ist hier nicht notwendig,

aber der Emissionsgrad muss innerhalb der verwendeten

Spektralbereiche exakt gleiche Werte aufweisen oder das

Emissionsgradverhältnis muss bekannt sein. Wellenlän-

genunabhängige Einflüsse wie Messfeldgröße, Messent-

fernung, Transmission der Atmosphäre oder Öffnungs-

winkel der Optik werden durch die Verhältnisbildung

kompensiert.

Moderne Strahlungsthermometer arbeiten mit digitalen

Signalprozessoren zur Signalverarbeitung und Parameter-

einstellung. Daraus resultiert eine präzise und stabile Arbeits-

weise bei Temperaturauflösungen bis in den Millikelvin-

Bereich. Üblich sind adressierbare Schnittstellen zur Signalü-

bertragung und zur Steuerung der Geräte.

Für extreme Einsatzbedingungen in Industrieanlagen

werden von den Herstellern der Strahlungsthermometer

meist temperierbare Schutzgehäuse mit einem geeigneten

Fenster angeboten.

Die Tabellen 1 bis 3 zeigen eine Zusammenstellung über

typische Temperatur- und Spektralbereiche, der verwende-

ten Strahlungsempfänger sowie die typischen Anwendun-

gen von handelsüblichen Strahlungsthermometern.

Eine Übersicht über die Eigenschaften von Strahlungs-

thermometern als Hilfe für die anwendungsgerechte Aus-

wahl gibt die VDI/VDE Richtlinie 3511 Blatt 4.

Wesentliche weitere Spezifikationen für die Charakterisie-

rung von Strahlungs-thermometern sind neben dem Mess-

temperatur- und Spektralbereich z. B. die Messunsicherheit,

die Temperaturauflösung, Reproduzierbarkeit, Langzeitsta-

bilität, Einstellzeit und Erfassungszeit. Die Definitionen die-

ser Spezifikationen und entsprechende Testmethoden zu

ihrer Bestimmung finden sich in den VDI/VDE Richtlinien

3511 Blatt 4.1 bis 4.3.

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4. Kalibrierung von Strahlungsthermometern

Primärthermometer, wie zum Beispiel das Gasthermometer,

erlauben die Messung thermodynamischer Temperaturen

auf der Grundlage fundamentaler physikalischer Gesetze.

Solche Thermometer können mit sehr kleiner Unsicherheit

arbeiten und müssen nicht kalibriert werden. Für praktische

Anwendungen, wie zur Überwachung und Steuerung von

Produktionsprozessen, sind Primärthermometer jedoch

ungeeignet, weil ihr Betrieb zu schwierig und aufwändig ist.

Deshalb hat man mit der Internationalen Temperaturskala

ein System von Messgeräten und -verfahren vorgeschrieben,

Tabelle 1: Spektral- und Bandstrahlungsthermometer.

Wellenlänge1/μm 1

(0,7 – 1,1)

1,6

(1,45 – 1,8)

3 – 5

(2 – 5)

2,4

(2,0 – 2,8)

3,9 5

(4,8 – 5,6)

7,5 – 8,2

Temperatur-

bereich2,3 /°C

450 – 3000 250 – 2500 0 – 2500 50 – 2500 75 – 2500 100 – 2500 0 – 2500

Einstellzeiten ab4 /

ms

1 1 1,5 1,5 5 5 5

Verwendete

Detektortypen5

Si InGaAs, Ge PbSe, Pyro, TP PbS, Pyro, TP Pyro, TP Pyro, TP Pyro

Typische

Anwendungen

Metalle,

Glasschmelze,

Keramik,

Halbleiter

Metalle,

Keramik,

Halbleiter

Metalle,

Keramik,

Heißkleber

Metalle,

Metallschmelze,

Buntmetalle,

Glasschmelze,

Keramik,

Graphit

Glas,

durch Flammen

Glasoberfläche Glasoberfläche,

Keramiken

Tabelle 2: Spektral- und Bandstrahlungsthermometer (Fortsetzung Tabelle 1).

Wellenlänge1/μm 3,43 6,8 7,95 / 8,05 8 – 10 8 – 14 9,5 – 11,5 4,3 / 4,5

Temperatur-

bereich2,3 /°C

75 – 300 40 – 400 0 – 400 0 – 1000 – 100 – 1000 – 50 – 500 300 – 2500

Einstellzeiten ab4 /

ms

50 30 30 5 5 5 5

Verwendete

Detektortypen5

PbSe, Pyro Pyro Pyro, TP Pyro, TP Pyro, TP Pyro Pyro

Typische

Anwendungen

Kunststoff-

folien, Glas,

Halbleiter

(Wafer)

Kunststofffolien Kunststofffolien Kunststoffe,

Nichtmetalle,

Keramiken

Organische

Materialien,

Lacke, Gummi,

Öle

Meteorologi-

sche Messun-

gen, Umwelt,

große Distan-

zen

Heiße Gase,

Abgase in Müll-

verbennungs-

anlagen,

Flammen

Tabelle 3: Verhältnisstrahlungsthermometer.

Wellenlängen6/μm 1

(0,85 / 1,1)

1

(0,95 / 1,05)

1 / 1,5 1,5

(1,4 / 1,75)

2

Temperaturbereich7,8 /°C 600 – 3000 600 – 3000 500 – 3000 300 – 2000 200 – 1400

Einstellzeiten ab9 /ms 1 10 2 20 50

Verwendete Detektortypen10 Si / Si Si / Si Si / Ge, Si / InGaAs InGaAs Pyro, TP

Typische Anwendungen11 Metalle, Metallschmelzen, Graphit, Glasschmelzen

Erläuterungen zu den Tabellen 1–3

1 Angegeben ist die Zentralwellenlänge und typische spektrale Gren-

zen in Klammern.

2 Angegeben ist der insgesamt angebotene Temperaturbereich. Ein-

zelne Strahlungsthermometer haben in der Regel einen geringeren

Messtemperaturbereich.

3 Die untere Temperaturgrenze ist abhängig von der verwendeten

Optik (Messfeldgröße) und der Einstellzeit.

4 Angegeben ist die kürzest mögliche Einstellzeit. Im unteren Tempe-

raturbereich sind für eine gute Temperaturauflösung meist längere

Einstellzeiten nötig.

5 Si = Silizium, Ge = Germanium, InGaAs = Indium-Gallium-Arsenid,

PbS = Bleisulfid, PbSe = Bleiselenid, Pyro = pyroelektrische Detekto-

ren, TP = Thermopile/Thermosäule

6 Angegeben ist die Zentralwellenlänge und typische spektrale Gren-

zen in Klammern.

7 Angegeben ist der insgesamt angebotene Temperaturbereich. Ein-

zelne Strahlungsthermometer haben in der Regel einen geringeren

Messtemperaturbereich.

8 Die untere Temperaturgrenze ist abhängig von der verwendeten

Optik (Messfeldgröße) und der Einstellzeit.

9 Angegeben ist die kürzest mögliche Einstellzeit. Im unteren Tem-

peraturbereich sind für eine gute Temperaturauflösung meist länge-

re Einstellzeiten nötig.

10 Si = Silizium, Ge = Germanium, InGaAs = Indium-Galliumarsenid, PbS

= Bleisulfid, PbSe = Bleiselenid, Pyro = pyroelektrische Detektoren,

TP = Thermopile/Thermosäule

11 Bei Temperaturen unter 300 °C kommt es bei kurzwelligen Verhält-

nisstrahlungsthermometern zu einer erhöhten „Lichtempfindlich-

keit“ (Störungen durch Sonnenlicht und künstliche Beleuchtung).

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das eine praktische und weltweit einheitliche Temperatur-

messung gewährleistet, die eine sehr genaue Annäherung

an die thermodynamische Temperatur darstellt. Die 1989

vom Internationalen Komitee für Maß und Gewicht (CIPM)

verabschiedete und seit dem 1. Januar 1990 gültige Interna-

tionale Temperaturskala ITS-90 erstreckt sich von – 272,5 °C

(0,65 K) bis zu den höchsten Temperaturen, die praktisch mit

Hilfe des Planck’schen Strahlungsgesetzes messbar sind. Sie

basiert auf 17 gut reproduzierbaren thermodynamischen

Gleichgewichtszuständen (z. B. Metall-Erstarrungspunkten),

denen als definierenden Fixpunkten Temperaturwerte zuge-

schrieben werden (Bild 3). In der ITS-90 sind für die Tempera-

turmessung in einzelnen Temperaturbereichen verschiedene

Messinstrumente (Interpolationsinstrumente) und ihre Kali-

brierung an und zwischen den Fixpunkt-Temperaturen vor-

geschrieben. Im Temperaturbereich von – 259,35 °C (13,8 K)

bis 961,78 °C (1234,93 K) dienen Platinwiderstandsthermo-

meter besonderer Bauart als Interpolationsinstrumente. Im

Bereich oberhalb des Silbererstarrungspunktes (961,78 °C)

werden Temperaturen gemäß der ITS-90 direkt mit dem

Spektralstrahlungsthermometer gemessen, indem die spekt-

rale Strahldichte des Strahlers, dessen Temperatur zu mes-

sen ist, mit der spektralen Strahldichte eines Schwarzen

Körpers bekannter Temperatur verglichen wird.

Im praktischen Einsatz werden Strahlungsthermometer

als Sekundärthermometer verwendet, die gegen einen

Schwarzen Strahler bekannter Temperatur kalibriert werden

müssen. Die Kalibrierung von Strahlungsthermometern, das

heißt die Rückführung der Temperaturmessung mit einem

Strahlungsthermometer auf die ITS-90, ist mit kleiner Unsi-

cherheit möglich und erlaubt so weltweit vergleichbare,

reproduzierbare Temperaturmessungen mit einer Unsicher-

heit bei der industriellen Anwendung von deutlich unter 1 °C

im Temperaturbereich von – 60 °C bis 1000 °C. Für höhere

Temperaturen bis 3000 °C liegen die erreichbaren Unsicher-

heiten mit kommerziellen Strahlungsthermometern bei

unter 2 °C. Diese Unsicherheiten berücksichtigen jedoch

noch nicht einen möglichen zusätzlichen Unsicherheitsbei-

trag in der Temperaturmessung aufgrund mangelnder

Kenntnis des Emissionsgrads (siehe Abschnitt 5).

Zur Darstellung und Weitergabe der Temperaturskala mit

strahlungs-thermometrischen Methoden werden in der Phy-

sikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) für die Kalibrie-

rung von Strahlungsthermometern so genannte Hohlraum-

strahler über einen Temperaturbereich von – 173 °C bis

3000 °C betrieben (Tabelle 4) [4], die die Wärmestrahlung

eines Schwarzen Körpers in sehr guter Näherung realisieren.

In einem abgeschlossenen, isothermen Hohlraum bildet sich

ideale Schwarze Strahlung gemäß dem Planck’schen Strah-

lungsgesetz (Gl. (1)). Diese Strahlung kann man nutzen, wenn

man in die Hohlraumwand eine kleine Öffnung einbringt.

Die Abweichung der aus dieser Öffnung emittierten Strah-

lung von der Strahlung eines idealen Schwarzen Körpers ist

sehr klein, wenn die Öffnung im Verhältnis zur inneren Ober-

fläche des Hohlraums klein bleibt. Mit modernen Hohlraum-

strahlern lassen sich Emissionsgrade sehr nahe bei 1 errei-

chen (siehe Tabelle 4). Damit kann Temperaturstrahlung mit

bekannter spektraler Verteilung definiert für die Kalibrierung

von Strahlungsthermometern, Thermografiekameras und

Temperaturstrahlern zur Verfügung gestellt werden. Eine

praktische Darstellung der Kalibrierverfahren von Strah-

lungsthermometern mit Hilfe von Hohlraumstrahlern findet

sich in der VDI/VDE-Richtlinie 3511 Blatt 4.4.

1084, 62 Cu1064,18 Au

961,78 Ag

660,323 Al

t (°C)T (K)

419,527 Zn

231,928 Sn

156,5985 In

29,7646 Schmelzpunkt Ga0,01 Tripelpunkt H

2O (T

TPW)

1357,771337,33

1234,93

933,473

692,677

505,078

429,7485

302,9146273,16

Pla

tin

wid

ers

tan

dst

he

rmo

me

ter

Sp

ek

tra

l-S

tra

hlu

ng

sth

erm

om

ete

rb

asi

ere

nd

au

f d

em

Pla

nk

´sch

en

Str

ah

lun

gsg

ese

tz

Inte

rpo

lie

ren

de

Me

ssin

stru

me

nte

Bild 3: Der Schmelzpunkt des Galliums und die Erstarrungspunkte von

Metallen als definierende Fixpunkte der Internationalen Temperatur-

skala oberhalb von 0,01 °C.

Tabelle 4: Hohlraumstrahler der PTB für Kalibrierungen im Bereich von – 173 °C bis 3000 °C.

Hohlraumstrahler Temperatur-

bereich / °C

Hohlraummaterial Hohlraumlänge /

mm

Hohlraumdurch-

messer / mm

Wandemissions-

grad

Hohlraum-

emissionsgrad

(Unsicherheit k = 1)

LN2-Strahler – 173 – 170 Kupfer 250 40 0,96 0,9997 ± 0,0001

NH3-Strahler – 60 – 50 Stahl 525 60 0,965 0,999 90 ± 0.000 06

H2O-Strahler 50 – 270 Titan 420 60 0,88 0,999 80 ± 0.000 15

Cs-Strahler 270 – 650 Inconel 600 368 41 0,75 0,999 60 ± 0.000 17

Na-Strahler 500 – 962 Inconel 600 368 41 0,75 0,999 60 ± 0.000 17

Graphit-Strahler 1000 – 3000 Graphit 200 37 0,86 0,999 ± 0,001

Page 9: Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos … · trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper. ... Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-

9

In Bild 4 wird ein Messplatz der PTB für die Kalibrierung

von Strahlungs-thermometern im Bereich von – 60 °C bis

962 °C dargestellt [4,5]. An diesem Messplatz werden hoch-

wertige Transfer-Strahlungsthermometer mit einer Unsi-

cherheit von unter 0,2 °C kalibriert, die zur Weitergabe der

Temperaturskala an Hersteller und Anwender von Strah-

lungsthermometern dienen.

5. Emissionsgrad

Die Kalibrierung eines Strahlungsthermometers am Hohl-

raumstrahler als nahezu idealen Schwarzen Strahler liefert

seine Kennlinie zur Umrechung des Signals in die entspre-

chende Temperatur. Bei der Anwendung des Strahlungsther-

mometers am Messobjekt muss zusätzlich der Emissions-

grad der beobachteten Oberfläche bekannt sein. Nur bei

bekanntem Emissionsgrad kann aus der gemessenen Strahl-

dichte auf die wahre Temperatur des Messobjekts geschlos-

sen werden (siehe Gl. (4)).

Eine Berechnung des Emissionsgrades aus den chemi-

schen und physikalischen Materialeigenschaften ist nur für

einige Sonderfälle bei gerichtet reflektierenden Metallober-

flächen möglich. Bei der in der Praxis vorherrschenden diffu-

sen Reflexion ist man auf Literaturwerte, Angaben von Strah-

lungsthermometerherstellern oder auf eine Messung des

Emissionsgrades angewiesen. Zu vielen technisch relevan-

ten Materialien finden sich Emissionsgradwerte in Büchern,

Tabellenwerken und Datenbanken. Neuerdings können

diese Werte zusammen mit relevanten Normen und Dienst-

leistungen besonders schnell und komfortabel über das

Internetportal des virtuellen Institutes für thermische Metro-

logie, evitherm (www.evitherm.org) gesucht werden. Auch

für durchsichtige Stoffe wie Glas, Quarz, Wasser, Kunststoff-

folien sowie für heiße Gase und Flammen existieren charak-

teristische Wellenlängenbereiche, in denen der Absorptions-

und Emissionsgrad groß ist, so dass mit spektral angepassten

Strahlungsthermometern eine berührungslose Temperatur-

messung möglich ist.

Zur Verwendung von Literaturwerten ist einschränkend zu

sagen, dass der Emissionsgrad eines Materials nicht nur von

der Temperatur, Wellenlänge und Abstrahlrichtung, sondern

auch von der Form und Beschaffenheit der Oberfläche (z. B.

Verschmutzung, Oxidation, Rauhigkeit und Struktur) abhängt.

Daher ist es für eine genaue Temperaturmessung notwendig,

den Emissionsgrad der tatsächlich beobachteten oder einer

identischen Oberfläche zu bestimmen. Es existiert eine Viel-

zahl von Methoden zur Emissionsgradbestimmung. Einige

praktische Verfahren, mit denen unter Zuhilfenahme des

verwendeten Strahlungsthermometers für die industrielle

Anwendung oft ausreichend genaue Emissionsgrade von

unbekannten Materialien ermittelt werden können, sind in

der VDI/VDE-Richtlinie 3511 Blatt 4 dargestellt.

Zur genauen Messung des Emissionsgrads einer Oberflä-

che (z. B. von Referenzmaterialien) vergleicht man dagegen

die von dieser Oberfläche abgestrahlte Wärmestrahlung mit

der eines Hohlraumstrahlers gleicher Temperatur als Funk-

tion der Wellenlänge und des Abstrahlwinkels (gerichteter

spektraler Emissionsgrad) mit Hilfe eines Infrarot-Spektro-

meters. Entscheidend für die erreichbare Messgenauigkeit

ist die genaue Bestimmung der Temperatur der Oberfläche,

deren Emissionsgrad gemessen werden soll. Für eine Mes-

sung des Emissionsgrads mit einer Unsicherheit von 1 % und

besser muss erheblicher messtechnischer Aufwand getrie-

ben werden.

Einen experimentellen Aufbau der PTB zur spektral aufge-

lösten Messung des gerichteten Emissionsgrads zeigt sche-

matisch Bild 5. Der Messplatz bietet die Möglichkeit den

spektralen gerichteten Emissionsgrad von 2,5 μm bis 50 μm

über einen Abstrahlwinkel von +/– 70° zur Probennormalen

in einem Temperaturbereich von 80 °C bis 400 °C zu messen.

6. Beispiele für industrielle Anwendungen

Wie in Abschnitt 1 dargestellt, hat die Strahlungsthermome-

trie einige wesentliche Vorteile bei der Temperaturmessung.

Betrachtet man die verschiedensten Messsensoren und

-verfahren, die zur Temperaturmessung verwendet werden,

wie Thermoelemente, Widerstandsthermometer oder Schmelz-

kegel, so entspricht die von diesen Sensoren gemessene

Ammoniak

Wärmerohrstrahler

–60 °C to 50 °C

Wasser

Wärmerohrstrahler

50 °C to 270 °C

Caesium

Wärmerohrstrahler

270 °C to 650 °C

Natrium

Wärmerohrstrahler

500 °C to 962 °C

Strahlungsthermometer

oder Thermografiekamera

SPRT SPRT SPRT SPRT

3000 mm 60

0 m

m

y

x

Bild 4: Kalibriermessplatz der PTB im Bereich von – 60 °C bis 962 °C. Die

Temperatur der einzelnen Wärmerohr-Hohlraumstrahler wird gemäß

der ITS-90 mit Standard-Platinwiderstandsthermometern (SPRT)

gemessen.

Thermostat

25 °C

Thermostat

25 °CDeuterated

Triglycerine

Sulfate (DTGS)-

Empfänger Off-axis

Parabolspiegel

FT-IR Spektrometer2,5 μμm bis 51 μm

ProbeElektrische

Heizung

Probenhalter

80 °C bis 400 °C

temperierte

Probenkammer

(25 °C)

Pt 25

Ölthermostat Pt 25 3M-Velvet

(black)

ε∩ = 0,93

ε > 0,9999

80 °C bis 250 °C

Hohlraumstrahler

Ve

rsch

ieb

eti

sch

ø 34 mm

±70°

Bild 5: Schematische Darstellung des experimentellen Aufbaus zur

Messung des spektralen gerichteten Emissionsgrads in der PTB. Die zu

messende Probe und ein Hohlraumstrahler bekannter Temperatur

können wahlweise vor die Eingangsoptik eines Infrarot-Spektrome-

ters gebracht werden. Durch den Vergleich der gemessenen Wärme-

strahlungsspektren ergibt sich bei bekannter Oberflächentemperatur

der Probe der spektrale Emissionsgrad. Temperatur und Abstrahlwin-

kel der Probe können variiert werden.

Page 10: Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos … · trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper. ... Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-

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Temperatur ihrer eigenen Temperatur. Die Sensoren müssen

die Messobjekttemperatur annehmen, damit diese ange-

zeigt werden kann. Hierbei wird dem Messobjekt Energie

entzogen oder zugeführt, das heißt es ändert seine Tempe-

ratur. Es bleibt dem Anwender überlassen sicherzustellen,

dass die Sensortemperatur der Messobjekttemperatur ent-

spricht.

Bei der berührungslosen Temperaturmessung mit Strah-

lungsthermometern, Line-Scannern und Thermographiegerä-

ten misst der Sensor hingegen einen Teil der vom Messobjekt

ausgesandten Strahlung, der Sensor muss nicht die Objekt-

temperatur annehmen und das Messobjekt wird im Allgemei-

nen nicht beeinflusst. Die Messmethode ist direkt, damit

schnell und kann bei kleinen Objekten genauso angewendet

werden wie zur Temperaturmessung an großen Flächen.

Die Anwendung der Messgeräte ist in der Regel einfach.

Es muss beachtet werden, dass es sich um optische Messsys-

teme handelt, die mit Linsen oder Spiegeln als Objektive

ausgestattet sind. Diese müssen vor Verschmutzungen

geschützt werden und der Zwischenraum zwischen Messge-

rät und Messobjekt muss frei sein.

Wie die Tabellen 1 bis 3 zeigen, existieren eine große

Anzahl von „Standard“-Spektral- und Temperaturmessberei-

chen, die für spezifische Messobjekteigenschaften und Pro-

zesstemperaturen bestimmt sind. Ein Messinstrument, das

den Temperaturbereich von –100 °C bis 4000 °C abdecken

kann, wäre wünschenswert und ist sogar realisierbar, hat

aber bei vielen Anwendungen deutliche Nachteile gegenü-

ber einem Spezialinstrument, welches für die jeweilige Mess-

aufgabe optimiert ist.

Drei Grundregeln für den Anwender sollen hier genannt

werden, wenn ein Strahlungsthermometer oder Linescanner

eingesetzt wird:

� Der Spektralbereich sollte so kurzwellig wie möglich ge -

wählt werden, um die gewünschte niedrigste Temperatur

noch messen zu können. Der Einfluss von Störungen,

Driften und der Emissionsgradunsicherheit ist umso ge -

ringer je kurzwelliger gemessen wird. (Ausnahme: Bei der

Messung in einen Ofen sollte möglichst langwellig gemes-

sen werden.)

� Der Spektralbereich sollte so gewählt werden, dass das

Messobjekt in diesem Spektralbereich einen möglichst

hohen Emissionsgrad aufweist. Dies reduziert den Ein-

fluss der am Messobjekt reflektierten Umgebungsstrah-

lung.

� Der Zusammenhang der „Korrespondierenden Vier“ muss

beachtet werden. Bei einem strahlungsthermometrischen

Messgerät beeinflussen sich Messtemperatur, Messfeld-

größe, Einstellzeit und Temperaturauflösung gegenseitig.

Es gilt dabei: Je höher die Messtemperatur, je größer das

Messfeld und je länger die Einstellzeit ist, desto besser,

das heißt kleiner, ist die Temperaturauflösung. Anderer-

seits kann bei einer geforderten Temperaturauflösung

umso schneller gemessen werden, je höher die Tempera-

tur und je größer das Messfeld ist. Diese Zusammenhänge

sind jedoch nicht linear und der absolute Wert hängt

zusätzlich noch von der spektralen Empfindlichkeit des

Messinstrumentes ab. Genaue Spezifikationen sind von

den Herstellern der Messinstrumente zu erhalten.

Beispiel Automobil

Die Einsatzmöglichkeiten der Strahlungsthermometrie sind

sehr umfangreich. Am Beispiel des Automobils, seines Zube-

hörs und seiner Umgebung werden einige Anwendungen

der berührungslosen Temperaturmessung mit Strahlungs-

thermometern, Linescannern, Linekameras und Thermogra-

fiekameras vorgestellt (Bild 6). Die vorgestellten Messsys-

teme werden bei der laufenden Produktion und bei For-

schungs- und Entwicklungsarbeiten eingesetzt.

Die Straße

Asphaltherstellung und Verarbeitung

Verkehrsflächenbefestigungen sind so zu bauen, dass sie

nicht nur wirtschaftlich herzustellen sind sondern sich leicht

warten lassen und einen geringen Erhaltungsaufwand erfor-

dern. Das heißt die Straßen sollen verkehrssicher, dauerhaft

mit geringen Nebenkosten und im Interesse der Ökologie

mit gewässerverträglichen Baustoffen hergestellt werden.

Der vielschichtige Aufbau einer Fahrbahn reicht von den

Asphalttragschichten bis zu den Deckschichten, an die ver-

schiedene Forderungen gestellt sind. Man unterscheidet

Asphaltbeton und Gussasphalt, womit sich unterschiedliche

Griffigkeiten und Eigenschaften der Fahrbahndecke erge-

ben. Der Asphalt wird in beiden Fällen warm aufgebracht,

soll aber in der Verarbeitung auch bei 0 °C Außentemperatur

noch gut zu verarbeiten, das heißt zu verdichten sein. Idea-

lerweise wird der Asphalt „heiß auf heiß“ aufgebracht [6].

Der Walzasphalt wird in der Regel vom Mischer abgeholt

und in wärmeisolierten Behältern zum Verarbeitungsort gefah-

ren. Bei der Mischung beträgt die zulässige Temperatur maxi-

mal 190 °C, bei Gussasphalt-Estrich sind Temperaturen von

220 °C bis 250 °C zweckmäßig und zugelassen. Temperaturen

werden sowohl im Mischer als auch auf der Transportrutsche

oder Schnecke vom Mischer in das Trans port fahr zeug gemes-

sen. Die Beladung des Fahrzeugs erfolgt in der Regel aus dem

Mischer direkt in die darunter befindliche Befüllöffnung des

Gussasphalttransportfahrzeugs.

Bild 6: Darstellung einiger Anwendungen der berührungslosen Tem-

peraturmessung bei der Entwicklung, Herstellung und Verarbeitung

von Teilen rund ums Automobil.

Page 11: Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos … · trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper. ... Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-

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Bei der Einbringung des Asphalts auf die Straße unter-

scheidet man grundsätzlich zwischen Walzasphalt und Guss-

asphalt. Walzasphalt muss nach dem Einbau vom Fertiger

noch durch Walzen verdichtet werden. Beim Verdichten ist

sicherzustellen, dass die Temperatur noch mindestens 125 °C

beträgt. Der Verdichtungsvorgang sollte bei spätestens 90 °C

bis 100 °C abgeschlossen sein. Beim Gussasphalt ist keine

zusätzliche Verdichtung erforderlich, da dieser bereits ver-

dichtet aufgebracht wird. Eine Heizung hält durch kontrol-

lierte und regelbare Wärmezufuhr das Gemisch auf der Ver-

arbeitungstemperatur von 200 °C bis 240 °C.

Die Temperaturen werden sowohl im Mischer als auch im

Auslauf des Mischers gemessen. Die Messtemperaturen sind,

wie oben angegeben, abhängig von der Art des Verfahrens

(Walzasphalt/Gussasphalt). Beim Walzasphalt muss zusätz-

lich mit Verdichtern (Walzen) die Fahrbahn verdichtet wer-

den. Um die Bearbeitungstemperatur von 90 °C nicht zu

unterschreiten, wird im Verdichter von oben auf die Fahr-

bahn gemessen. Beide Messstellen erfordern Schutzrohre

zum Schutz der Optik der Messgeräte. Zusätzlich tritt im

Verdichter eine merkliche Vibrationsbelastung auf, die durch

entsprechende Befestigungen berücksichtigt wird.

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Strahlungsthermometer mit fol-

genden Eigenschaften:

� Messtemperatur 0 °C – 300 °C

� Umgebungstemperatur – 20 °C – 60 °C

� Einstellzeitzeit 1 s

� Spektralbereich langwellig (8 μm, 8 μm – 14 μm)

Fahrbahntemperaturmessung im Winter

Wenn im Winter die Fahrbahnen von Eis und Schnee geräumt

werden müssen, wird hierzu auch Split oder Tausalz verwen-

det. Insbesondere die Verwendung von Tausalz soll aus

Umwelt- und Kostengründen sparsam erfolgen. Moderne

Winterdienstsysteme bringen nur so viel Salz auf, wie auf

Grund der Temperatur erforderlich ist. Die Temperatur der

Fahrbahn mit Eis- oder Schneeschicht wird hierzu berüh-

rungslos an der Vorderseite des Fahrzeuges gemessen. Aus

der Messtemperatur wird die Menge an Streugut berechnet,

die anschließend mit dem Streuer am Ende des Fahrzeugs

aufgestreut wird.

Um die gemessene Fahrbahnoberflächentemperatur sinn-

voll nutzen zu können, müssen die Messergebnisse des Strah-

lungsthermometers sehr genau und schnell verfügbar sein,

da sich das Messgerät zusammen mit dem Fahrzeug ständig

bewegt. Gefordert sind deshalb Strahlungsthermometer mit

kurzer Ansprechzeit, hoher Langzeitstabilität und einer sehr

hohen Temperaturauflösung. Die Installation der Strahlungs-

thermometer am Fahrzeug erfordert außerdem eine hohe

Stabilität gegen Umgebungstemperaturänderungen, insbe-

sondere bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts. Ein

hoher Schutz gegen Spritzwasser und Salz gehört ebenso zu

den Anforderungen an das Messgerät wie die durch das Fahr-

zeug und die Fahrbahn verursachten Vibrationen. Es kommen

Geräte zum Einsatz, bei denen die Optiken durch Schutzrohre

gegen Umwelteinflüsse und Spritzwasser geschützt sind.

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Strahlungsthermometer mit fol-

genden Eigenschaften:

� Messtemperatur – 25 °C – 50 °C

� Umgebungstemperature – 25 °C – 50 °C

� Einstellzeit > 50 ms

� Temperaturauflösung 0,2 °C

� Schutzart IP68

� Spektralbereiche ab 8 μm

Fahrzeugteile

Laserschweißen von Metallen und Kunststoffen

Im Automobilbau werden immer mehr Teile durch Laser-

schweißen miteinander verbunden. Dies sind sowohl Metall-

teile der Karosserie und Anbauteile als auch Kunststoffteile,

z. B. Karosserieteile, Abdeckgläser der Rückfahrscheinwerfer

oder auch der Frontscheinwerfer. Die Temperaturen an der

jeweiligen Schweißstelle müssen gemessen werden, um

damit Anlagen zu steuern und zu regeln.

Metallschweißen

Bei Metallschweißanlagen werden bevorzugt kurzwellige

Strahlungsthermometer und Linescanner/Linekameras ein-

gesetzt. Sowohl Spektralstrahlungsthermometer als auch

Quotientenstrahlungsthermometer kommen zum Einsatz.

Vorteilhaft ist der Einsatz von Lichtwellenleitern mit Vorsatz-

optik. Bei diesen Anwendungen muss die Wellenlänge des

Lasers ausgeblendet werden. Zum Einsatz kommen kurzwel-

lige Messsysteme mit Spektralbereichen von 1 μm – 2,2 μm

mit den entsprechenden Ausblendfiltern für die jeweilige

Laserwellenlänge. Der Messtemperaturbereich liegt bei

250 °C bis 2000 °C je nach Anwendung. Die Umgebungstem-

peraturen liegen der Regel zwischen 0 °C und 70 °C. Die

Einstellzeit beträgt ≥ 2 ms (Bild 7).

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Messsysteme mit folgenden

Eigenschaften:

� Messtemperatur 250 °C – 2000 °C

� Umgebungstemperaturen 10 °C – 70 °C

� Einstellzeit ≥ 2 ms

� Spektralbereiche 1 – 2,2 μm

Bild 7: Laserschweißgeräte können dank des fein fokussierten Laser-

strahls selbst komplizierte Formen und Werkstücke schweißen.

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Kunststoffschweißen

Beim Kunststoffschweißen werden längerwellige Laser ver-

wendet (häufig CO2-Laser), die Messtemperaturen sind ins-

gesamt niedriger. Typischerweise wird mit langwelligen

Strahlungsthermometern ab 5 μm gemessen. Die Messtem-

peraturen liegen im Bereich bis 600 °C. Es wird mit Spektral-

strahlungsthermometern kurzer Einstellzeit (≥ 5 ms) gemes-

sen, die Umgebungstemperaturen betragen bis 70 °C.

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Strahlungsthermometer und

Linescanner/Linekameras mit folgenden Eigenschaften:

� Messtemperatur 50 °C – 600 °C

� Umgebungstemperaturen 10 °C – 70 °C

� Einstellzeit ≥ 5 ms

� Spektralbereiche ≥ 5 μm

Automobil-Innenbereich

Glasherstellung

Produktion von Flachglas

Die Produktion von Floatglas ist zurzeit die weltweit ange-

wandte Methode, um Flachgläser für Scheiben und Spiegel

aller Art herzustellen. Das erstmals 1959 von Alastair Pilking-

ton angewendete Verfahren diente ursprünglich der einfa-

cheren Herstellung von Spiegelglas. Bei diesem Verfahren

wird eine endlose Bahn aus flüssigem dünnen Glas auf ein

Bett aus flüssigem Zinn gegossen (das Float). An den Grenz-

flächen entstehen durch die Oberflächenspannungen Flä-

chen sehr hoher Planheit.

Bild 9 zeigt die einzelnen Prozessstationen und die Pro-

zesstemperaturen.

Messung von Temperaturprofilen

Soll z. B. die Temperatur einer Floatglasscheibe am Auslauf

des Float überwacht werden, bietet sich hierzu ein scannen-

des System an. Dabei wird die Temperatur in einer Linie quer

zur Transportrichtung gemessen. Der Messwinkel zur Ober-

fläche ändert sich hierbei von 0° (senkrecht zur Oberfläche)

direkt unter dem Messgerät bis zu einem maximalen Winkel

zur Senkrechten. Dieser Winkel sollte 30° nicht überschrei-

ten, da bei flacheren Winkeln die Reflexion an der Oberflä-

che zunimmt. In der Literatur wird dieser Grenzwinkel bis zu

45° angegeben. Dies kann aufgrund eigener Beobachtun-

gen nicht bestätigt werden [7; 8].

Schnelle Messungen bei allen Prozessen

Die Ansprechzeit der Strahlungsthermometer ist schnell

(≥ 1 ms). Dies ist besonders in der verarbeitenden Industrie

wichtig. In der Lampenproduktion beispielsweise wird mit

Takten von bis zu 2 Hz gearbeitet. Die Verweilzeit an der

Messstelle beträgt jedoch nur 50 ms bis 100 ms, entspre-

chend schnell müssen die Geräte messen. Der Messwert

wird im Messgerät selbst (z. B. Maximalwertspeicher des

Strahlungsthermometers) oder im nachgeschalteten An -

zeige- und Auswertegerät registriert und zur Anzeige

gebracht.

Produktion von Lampen

Ein weiteres Beispiel ist die Herstellung von Halogenlampen.

Das Lampenglas wird dabei von rotierenden Brennern

erwärmt. Konstruktionsbedingt rotieren die Brenner mit 8 Hz

durch den optischen Weg zwischen Lampenkolben und

Strahlungsthermometer. Innerhalb von 10 s wird der Glas-

kolben von Raumtemperatur auf ca. 2000 °C erwärmt. Die

Geschwindigkeit dieses Vorgangs erfordert deshalb eine

schnelle Ansprechzeit der Strahlungsthermometer. In dieser

Applikation ist der dabei verwendete Spektralbereich von

5 μm so gewählt, dass die Brennerflammen das Messergeb-

nis nicht verfälschen. Temperaturbereiche ab 0 °C sind mit

dem Spektralbereich 8 μm zu messen.

Herstellung von Spiegeln

Aus bereits vorgefertigtem Flachglas werden in mehreren

Stufen Spiegel hergestellt. Dabei unterscheidet man zwei

Methoden: eine Methode, bei der zunächst komplette Spie-

gelplatten hergestellt werden, die anschließend auf Maß

und Form geschnitten werden, oder geschnittene Formen,

die anschließend mit den entsprechenden Be schich tungen

versehen werden.

Bei der Produktion wird die Temperatur der Gläser von

einer Seite gemessen, während von der zweiten Seite die

Beschichtungen erfolgen. In einem ersten Schritt wird das

Metall aufgedampft, dies geschieht in Vakuumanlagen. Hierzu

ist es erforderlich, Messgeräte mit Vakuumobjektiven oder

Vakuumfenstern mit Normalobjektivgeräten einzusetzen. Im

anschließenden Prozess wird das so vorbereitete Material mit

zwei Lackschichten versehen. Diese haben die Aufgabe, eine

Korrosion und Ablösung zu verhindern. Um dieses zu gewähr-

leisten, muss der Spiegel mit einem Temperatur-Zeitprofil pro-

zessiert und der Decklack vollständig ausgehärtet werden.

Bild 8: Darstellung einiger Anwendungen der berührungslosen Tem-

peraturmessung bei der Herstellung und Verarbeitung von Innen-

raumteilen im Automobil.

Page 13: Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos … · trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper. ... Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-

13

Temperaturmessung bei Schutzlacktrocknung

Hierbei wird durch eine Öffnung des Ofens von oben gemes-

sen. Die Beheizung erfolgt mit Hellstrahlern. Die Messsys-

teme müssen so angeordnet werden, dass zwischen den

Hellstrahlern hindurch gemessen wird und dass diese über

Reflexion am Messort nicht mit gemessen werden.

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Strahlungsthermometer mit fol-

genden Eigenschaften:

� Messobjekttemperaturen 120 °C und 220 °C

� Ofenwandtemperatur 200 °C – 300 °C

� Umgebungstemperatur bis 60 °C

� Einstellzeit 1 s

� Spektralbereiche ≥ 7 μm

Es sind keine Schutz- und Kühlvorrichtungen nötig, ein

Schutzrohr für die Optik ist zweckmäßig.

Härten von Metallteilen

Besonders beanspruchte Metallteile in Maschinen und Anla-

gen werden aus Stahl hergestellt, wobei die Stahlteile nach

der Herstellung gehärtet werden. Je nach gewünschter

Durchhärtung wird entweder ein Einsatzhärten, was ein

nachfolgendes Anlassen bedingt, oder ein Randschichthär-

ten durchgeführt. Dabei wandelt sich die äußere Schicht des

Metalls um und wird sehr verschleißfest. Hierzu zählen z.B.

im Automobil die Kurbelwelle, die Nockenwelle, Ventile,

Pleuel sowie die Zahnräder von Getrieben.

Die Härtung erfolgt durch Erwärmung auf 900 °C bis

950 °C. Die Erwärmung erfolgt sowohl induktiv als auch mit

Brennern. Neuere Anlagen erwärmen die Metallteile mit

Lasern. Anschließend werden die Metallteile mit der Ab -

schreckbrause abgeschreckt und gekühlt. Bei diesem Vor-

gang entsteht Spritzwasser aus Dampf und Partikeln. Beim

Einsatz ist ein Schutzfenster zweckmäßig, um spritzende

Teile und Dämpfe von den Objektiven fernzuhalten.

Zum Einsatz kommen vorwiegend kurzwellige Strah-

lungsthermometer im Bereich 1 μm, sowohl als Spektral-

strahlungsthermometer als auch als Verhältnisstrahlungs-

thermometer. Die Messtemperaturen liegen bis 1000 °C, die

Messung erfolgt schnell mit Einstellzeiten ab 1 ms.

Beim Einsatz von Induktionsheizungsanlagen ist auf ent-

sprechende Schutzgehäuse und Abschirmungen zu achten,

damit die Strahlungsthermometerelektronik nicht beein-

trächtigt wird. Vorteilhaft ist der Einsatz von Lichtleitoptiken

mit oder ohne Objektivvorsatz.

Beim Einsatz von Flammen ist darauf zu achten, dass die

Messung außerhalb der Flammzone erfolgt. Beim Einsatz

von Lasern zur Aufheizung muss durch entsprechende Filter

Produktion

s-Schritt

Mischung

des

Rohmaterials

Glas-

schmelze/

Ofen

Zinn-Bad

Float

Beschichtung

Coating

Kühltunnel

Annealin

Lehr

Platten-

Zuschnitt

Vorgang Das Roh-

material, im

Prinzip Sand,

Soda, Kalk

und Dolomit

wird ge-

mischt

Im Ofen wird

das Material

bei ca.

1500 °C

geschmolzen.

Das flüssige

Glas fließt im

Ofen langsam

abwärts.

Dieser Prozess

dauert einige

Stunden.

Am Ausgang

des Ofens

fließt das Glas

auf ein Bett

aus flüssigem

Zinn. Hierbei

entsteht ein

sehr ebenes

Glasband. Das

Glas (und

Zinn) kühlt

sich im Float

von 1100 °C

auf 600 °C ab.

Metalloxid

Beschich-

tungen ver-

edeln das

Glas bei

600 °C

Im Kühltunnel

genannt Lehr,

wird das Glas

gezielt abge-

kühlt (tempe-

riert), um

Spannung im

Glas

abzubauen.

Anschließend

werden die

Platten auf

das Handels-

maß 6,00 x

3,21 m ge-

schnitten.

Temperatur-

messung

Keine Glasvolumen

Ofengewölbe

Glas-

Oberfläche

Glas-

Oberfläche

Glas-

Oberfläche

Keine

Temperaturen 1450–1550 °C 1100 °C >

600 °C

600 °C 600 °C >

200 °C

< 50 °C

1 2 3 4 5 6

Bild 9: Prozess-

stationen und

Temperaturen bei

der Floatglas-

Herstellung.

Page 14: Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos … · trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper. ... Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-

14

die Wellenlänge des Lasers ausgeblendet werden. Solche

Strahlungsthermometer sind kommerziell verfügbar.

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Strahlungsthermometer mit fol-

genden Eigenschaften:

� Messobjekttemperaturen 600 °C und 1000 °C

� Umgebungstemperatur bis 60 °C

� Einstellzeit 1 ms

� Spektralbereiche 0,9 μm

Schutzgehäuse und -fenster für die Optik sind zweckmä-

ßig. Vorteilhaft ist der Einsatz von Lichtleitoptiken mit oder

ohne Objektivvorsatz.

Decklacktrockner für Automobilkarosserie

Nach der Lackierung der Fahrzeugkarosse (Bild 10) wird

diese im Trocknungstunnel getrocknet. Hierzu werden die

Fahrzeuge durch einen Infrarottrockner transportiert. Zur

Messung der Decklacktemperatur wird am Auslauf des Infra-

rottrockners die Temperatur mit Strahlungsthermometern

gemessen. Die Geräte werden außerhalb der Trocknungska-

bine montiert und messen durch einen Zugangsbereich in

den Trocknungsraum.

Um Störung durch die Infrarotstrahler zu verhindern, wer-

den die Geräte so ausgerichtet, dass die Infrarotstrahler

nicht über Reflexion an der Karosse mit gemessen werden.

Zweckmäßigerweise sind solche Geräte mit einem Laser-

pointer ausgerüstet, der die Messstellen anzeigt. Die Karosse

wird rechts und links sowie von der Decke aus gemessen.

Rechte und linke Messung erfassen die Kotflügel und Türen,

während die Messung von oben Haube, Dach und Koffer-

raumdeckel vermisst.

Messsysteme

Zur Anwendung kommen Strahlungsthermometer mit fol-

genden Eigenschaften:

� Messtemperatur 40 °C – 80 °C

� Umgebungstemperatur bis 60 °C

� Einstellzeit 300 ms

� Spektralbereiche 8 μm oder 8 μm – 14 μm

Danksagung

Die Autoren danken Beate Prußeit und Carola Laloi für ihre wertvolle

Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts.

Literatur

[1] Preston-Thomas, H.: Metrologia 27, 3–10 (1990).

[2] VDI/VDE–Richtlinie 3511 Blatt 4, Beuth Verlag (1995).

[3] Bernhard, F. (Hrsg.): Praktische Temperaturmessung, Springer-Verlag

(2004).

[4] Hollandt, J., Friedrich, R., Gutschwager, B., Taubert, D., Hartmann,J.:

High-accuracy radiation thermometry at the National Metrology

Institute of Germany, the PTB, High Temperatures – High Pressures

35/36, 379-415 (2005).

[5] Fischer, J.: Strahlungsthermometrische Darstellung und Weitergabe

der ITS-90, VDI Berichte 1379, 165–172 (1998).

[6] Asphalt und Bitumenberatung, Mühlheim, (2006)

[7] Struß, O.: Pyrometrische Messung an Gläsern und Keramiken, VDI

61919,Technik der Messung hoher Temperaturen (2005)

[8] Struß, O., Vietze, H.-P., Staniewicz, C.: Interne Projektberichte der HEIT-

RONICS Infrarot Messtechnik GmbH (1999–2006)

Bild 10: Egal ob von

Hand oder Roboter

lackiert, anschlie-

ßend wird der Deck-

lack im Trockenofen

getrocknet.

Dr. Jörg Hollandt (44) ist Leiter der Arbeitsgruppe

„Temperaturstrahlung“ der Physikalisch-Technischen

Bundesanstalt (PTB) und leitet den GMA-Fachaus-

schuss 2.51 „Angewandte Strahlungsthermomet-

rie“.

Adresse: Physikalisch-Technische Bundesanstalt,

Abbestr. 2–12, 10587 Berlin, Deutschland, Tel. +49

30 3481 7369, Fax -7510, E-Mail: joerg.hollandt@

ptb.de

Dr. Jürgen Hartmann (39) ist Leiter der Arbeits-

gruppe „Hochtemperaturstrahlungsthermomtrie“

der PTB.

Adresse: siehe oben, Tel. +49 30 3481 7451, Fax

-7510, E-Mail: [email protected]

Dipl.-Ing. Berndt Gutschwager (52) ist verantwortlich

für die Niedertemperaturstrahlungsthermometrie

in der Arbeitsgruppe „Temperaturstrahlung“ der

PTB.

Adresse: siehe oben, Tel. +49 30 3481 7323, Fax

-7510, E-Mail: [email protected]

Ortwin Struß (53) ist Geschäftsführer der HEITRO-

NICS Infrarot Messtechnik GmbH und unter ande-

rem verantwortlich für die Applikationstechnik und

Projektierung.

Adresse: HEITRONICS Infrarot Messtechnik GmbH,

Kreuzberger Ring 40, 65203 Wiesbaden, Deusch-

land, Tel. + 49 611-97393-0, Fax -26, E-Mail: ortwin.

[email protected]

Page 15: Strahlungsthermometrie – Temperaturen berührungslos … · trie. Sie gelten jedoch nur für den idealen Schwarzen Körper. ... Hingegen finden meist thermische Empfänger wie Thermo-
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