Südtirol Vernatsch

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Vernatsch ist einfach lecker, nicht nur zu Speck. WEINWELTEN von Maus und Bassler, unterhaltsame Texte und künstlerische Fotos

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südtirol im st. magdalener und kalterer see vernatsch r

vernatsch im st. magdalener und kalterer see

Lokalmatador

er ist keiner dieser opulenten großen weine. aber das will der südtiroler vernatsch ja auch gar nicht sein. er zeigt den wein­fans lieber, dass sich unkompliziertes trinkvergnügen und hohe qualität nicht ausschließen. Der Weg zum Vernatsch geht hoch hinauf, mit der Seil-bahn auf das Vigiljoch. Dort liegt das Vigilius Mountain Resort wie ein großer Baumstamm auf dem Bergrücken oberhalb des Städtchens Lana. Der Stararchitekt Matteo Thun hat das Öko-Luxushotel aus Holz, Lehm und Glas so gestaltet, dass die Grenze zwischen Natur und Archi-tektur fließend ist. Hier oben liegen einem nicht nur die Weingärten des Meraner Talkessels zu Füßen, man blickt auch auf die des Etschtals bis hin zu den Dolomiten. Ein wunderschöner und passender Rahmen für den Vernatsch Cup, bei dem alljährlich Weinspezialisten und Fachjournalisten als Jury die zehn besten Weine aus der Rebsorte Vernatsch küren. In der klaren, frischen Bergluft auf 1.500 Metern Höhe schmeckt man den ohnehin schon deutlichen Unterschied zwischen den einzelnen Weinen noch deutlicher heraus. Den Unterschied, den die Böden und Mikroklimata der jeweiligen Anbaugebiete verursa-chen. Und auch den Unterschied, den die Weine durch die individuelle Handschrift ihrer Erzeuger erhalten.

Der eine hat eine hellrote Farbe, so manchem Rot-weinfan fast schon zu hell. Der andere leuchtet in strah-lendem Kirsch- oder kräftigem Rubinrot. Und dann gibt es auch welche mit granatroten Nuancen. Mal duftet der Vernatsch nach roten Beeren, Blüten und Mandeln, mal nach Kirschen, Himbeeren und Brombeeren, bei einigen kommen noch Anklänge von Veilchen oder Nelken hinzu. Es sind filigrane Tröpfchen dabei, aber auch vollmundige, elegante ebenso wie deftige. Viele sind sehr fruchtig, haben eine milde Säure, fließen eher samtig die Kehle herunter. Manche kommen mit springlebendiger Frische daher. Dann gibt es welche mit dezenten, geschmeidigen Gerbstoffen oder mit ausgeprägter Saftigkeit, einige sogar mit leichter Würze. Und der klassische bittere Nachge-schmack, der an Mandeln erinnern, ist mal mehr, mal

weniger ausgeprägt und wird auch schon mal von ausge-prägten Kirschnoten begleitet.

In puncto Qualität ist der Level der Weine insgesamt sehr hoch, manche bewegen sich sogar in erstaunlichen Höhen. Darüber hinaus sind sie süffig, verführerisch süffig. Und sie sind von jener Leichtigkeit, die unbeschwerten und unkomplizierten Genuss erlaubt. So einen Wein wünscht man sich nach einer Wanderung durchs Gebirge, oben auf der Panoramaterrasse einer Almhütte, und dazu ein Jausenbrettl mit würzig-mildem Tiroler Speck. Den kann man sich aber auch gut zu einem Carpaccio von der Bergforelle vorstellen. Oder an der Bar, als Begleiter zum berauschenden Gespräch. Von dem trinkt man auch gerne das eine oder andere Glas mehr.

„Diese Vielseitigkeit ist eine der oft unterschätzten Qualitäten des Vernatsch“, so Ulrich Ladurner, Besitzer des Vigilius Mountain Resorts und immer schon bekennender Liebhaber des Vernatsch. Um die Qualität dieses klassi-schen Südtiroler Weins zu fördern, rief er im Jahr 2004 den Vernatsch Cup ins Leben, was von nicht wenigen Süd-tirolern mit einem milden Lächeln quittiert wurde. Das ist nun auch nicht sehr verwunderlich. Denn was unter dem Namen Vernatsch verkauft wurde, war über Jahrzehnte nicht gerade von berauschender Qualität, ein eher dünnes und höchst durchschnittliches, im besten Falle einigerma-ßen süffiges Tröpfchen. Das trank man gegen den Durst, und / oder um sich zu preiswert berauschen: jedenfalls die Südtirol-Touristen, an die man Vernatsch in der Doppel-literflasche verramschte. Bis zu 90 Prozent der gesamten Jahresproduktion gingen aber fassweise in die Schweiz, wo man ihn als Allerweltswein in Kneipen verscherbelte oder als Verschnittwein verarbeitete. Die Südtiroler selber griffen, wenn sie die Lust auf einen Rotwein überkam, lieber zu edleren Tropfen aus der Toskana oder anderen italienischen Regionen. Mit anderen Worten: Das Image des Vernatsch war im Keller, und mit zunehmendem Qualitätsbewusstsein seitens der Verbraucher rutschte dann nach und nach auch die Nachfrage in den Keller. Das war Ende der siebziger Jahre.

Heute spitzen die Weinkenner die Öhrchen, wenn von Vernatsch die Rede ist. Denn es hat sich viel

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