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Sumava Im Südwesten Tschechiens, unmittelbar an der Grenze zu Deutschland, liegt der Böhmerwald, der „Bruder“ des Bayerischen Waldes. Die Tschechen nennen das Gebiet S ˇ umava – das „Rauschen der Bäume“ – und haben die urtümliche Natur- und Kulturlandschaft zum Nationalpark erklärt. Texr und Fotos: Berndt Fischer Nationalpark – das große Rauschen ˇ

Transcript of Sum av a ˇ Nationalpark - berndtfischer.de · Sum av a Im Südwesten Tschechiens, unmittelbar an...

Sumava

Im Südwesten Tschechiens, unmittelbar ander Grenze zu Deutschland, liegt der Böhmerwald, der „Bruder“ des BayerischenWaldes. Die Tschechen nennen das GebietSumava – das „Rauschen der Bäume“ – und haben die urtümliche Natur- und Kulturlandschaft zum Nationalpark erklärt.Texr und Fotos: Berndt Fischer

Nationalpark

– das große Rauschen

ˇ

Moldau. Viele Orte bieten die für Böhmenübliche Mischung aus Altem und oft häss-lichem Neuem aus kommunistischer Zeit:Barockkirche neben Plattenbau, Böhmer-waldhaus mit Walmdach und Kunststoff-verkleidung, liebevolle Neubauten im traditionellen Böhmerwald-Stil neben denverfallenden Hallen der Kolchosen ...

weitgehend verschont geblieben ist. Zwi-schen Philippsreut und Eisenstein gibt esauf einer Strecke von mehr als 50 Kilo -metern zwischen dem Nationalpark Bayeri-scher Wald und dem Nationalpark Sumavakeine Straßenverbindung, dafür aber un-zählige wunderschöne Wanderwege und ei-nige Grenzübergänge ausschließlich fürFußgänger und Radfahrer. Hier hat das La-bel Ökotourismus tatsächlich Berech tigung.

Die Reise geht weiter durch hügeligeKultur landschaft. In den Wiesen stehenRehe. Anhalten wäre angesichts des Ver-kehrs zu riskant, was offen sichtlich auch dieTiere wissen. In Horní Vltavice, einemehemaligen Rastplatz am Goldenen Steig,überspannt eine Beton brücke die Warme

Krumme Zaunpfähle, bucklige Gelände-profile und mächtige Alleebäume längs derStraße vervollständigen die Idylle. Die Reise in die Vergangenheit währt aufder Hauptstraße aber nicht lange. Der ersteOrt nach der Grenze, Strázny� – das ehe-malige Kuschwarda – offenbart ein Stückneuer, postsozialistischer Realität. Nebender riesengroßen Agip-Tankstelle beginntder Straßenstrich, und die Hälfte des Ortesbesteht aus neonerleuchteten Bordellen.Verkaufsstände mit Legionen von Garten -zwergen säumen die Straße, vietnamesischeHändler bieten Zigaretten und Billig -kleidung an. Hinter Strázny� reißen Baumaschinen dieLandschaft für den Neubau der Straße nachWinterberg auf. Es geht leider auch nichtmehr anders, der Verkehr hat gewaltig zugenommen. Abgesehen von dieser Trasseist der Naturraum hier aber erfreulich unzerschnitten: Durch die politische Spal-tung Europas ist der Böhmerwald von Auto -bahnen gänzlich und von Schnellstraßen

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m Kalten Krieg endete hier die Welt.Der Eiserne Vorhang trennte die aufSichtweite gelegenen Dörfer Bayerisch

und Böhmisch Eisenstein so einschneidend,dass selbst das Hinüberschauen an klarenTagen etwas Anrüchiges oder Gefährlichesan sich hatte. Drüben wohnte der Feind,Ergebnis einer schlimmen Geschichte vonKrieg, Okkupa tion, Vertreibung und gegen -seitiger Hetzpropaganda. Über frühereStraßen und Bahn linien war buchstäblichGras gewachsen. Als in den 70er-Jahren ein paar Luchse dieGrenze überwanden und vom tschecho-slowakischen Böhmerwald nach Bayernkamen, war es nicht nur die alte Blindheiteiniger Jäger, die zum Abschuss der Katzenführte. Unterschwellig spielte wohl aucheine Rolle, dass die Tiere von „drüben“ kamen, aus dieser Nicht-Welt.Heute steht man wie selbstverständlicham Grenzübergang Eisenstein oder Phi-lippsreut und lässt die Fragen der bayeri-schen Grenzer über sich ergehen: „Was ma-chen Sie denn drüben?“ Ungewöhnlichfür das vereinte Europa, zu dem auch die

Tschechische Republik heute gehört. EinRest an Misstrauen ist bei den Grenzernwohl geblieben, und sei es nur wegen derkilometerlangen Schlange rückreisender„Tanktouristen“. Wenn man aus Bayern in den Böhmerwaldeinreist, dann ändern sich Farbe und Formder Landschaft innerhalb weniger Meter.Unmittelbar hinter dem Zollgebäude vonPhilippsreut breiten sich Urwiesen aus –von keinem Weg erschlossen, dafür abervon mäandrierenden Bächen durchzogen.Vereinzelt stehen Birken und Fichten in die-sen Wiesenauen. Die vorherrschende Farbeist braun, während die Wiesen vor derGrenze – kurzgeschoren und flurbereinigt –im leuchtenden Grasgrün der Düngemittel -hersteller strahlen.Es ist ein alter Typ von Landschaft, der hierüberlebt hat, mit extensiv genutzten Feucht-, Nass- und Moorwiesen. Trocke-nere Standorte erinnern an steinige Heide-flächen. Wer nach Böhmen in den Natio-nalpark Sumava reist, reist auch in dieVergangenheit. Vor nicht allzu langer Zeitgab es solche Wiesen auch in Bayern.

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Flüsse durchziehen das ge-samte Gebiet des National-

parks. Sie sorgen dafür, dassdie Wiesen und Auen einenprächtigen Anblick bieten.

In den sauberen Bächen ist auch der Fischotter noch

heimisch (re. S. oben).

Neben einigen Gletscherseen beherbergt der Sumava NPauch den größten Moorsee Böhmens. Er liegt im HochmoorChalupská slat in der Nähe von Borová Lada.

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Friede zwischen Böhmen tschechischerund deutscher Sprache währte nicht lange.Was mit den Hussiten-Kriegen begann,fand in den Vertreibungen nach dem zweiten Weltkrieg seinen traurigen Schluss -punkt. Große Teile des Böhmerwalds wur-den entvölkert. Von den zahlreichen deut-schen Dörfern blieb kaum etwas übrig, siewurden dem Erdboden gleichgemacht. Im ehemaligen Gsenget, wo vor ein paarJahren ein Grenzübergang für Fußgängerund Radfahrer geschaffen wurde, sind dieFundamente der ehemaligen Bauernhäusernoch zu erahnen. Geblieben sind die dasDorf umgebenden Wiesen mit ihren Gren -zen aus Steinwällen und Baum reihen. Solche und ähnliche Wüstungen mit ver-bliebener jahrhundertealter Kulturland-schaft finden sich immer wieder mitten imBöhmerwald. Das unterscheidet den Sumava ganz wesentlich vom Nationalpark Bayerischer

Monopol im Salzhandel erlangt, an denprächtigen Fassaden des Marktplatzes abzulesen. Erst ab dem 14. Jahrhundert kam im Böh-merwald ein anderes Gewerbe auf, dasdas Bild der Landschaft und die Geschickeder Region entscheidend prägen sollte:die Glasmacherei. Das Holz der Wälderwurde für die Energiegewinnung und – zusammen mit Quarzsand – als Pottaschefür die Herstellung von Glas genutzt. Dereinst fast undurchdringliche Wald lichtetesich zusehends. An seine Stelle trat vieler-orts eine Kulturlandschaft mit Wiesen,Weiden und Forsten, zahlreiche Dörferentstanden.Das florierende Glasgewerbe lockte Siedleran, die vorwiegend aus dem deutschenSprachraum kamen. Zusammen mit denheimischen Tschechen und den zahl reichenJuden stellten sie so etwas wie eine frühemultikulturelle Gesellschaft dar. Doch der

Millio nen Jahren infolge der Auffaltungder Alpen gegenüber dem Donau -schwemm land herausgehoben. Dabei gerietdie böhmische Scholle gleichsam in Schief-lage, weswegen sich die höchsten Gipfel,Arber und Rachel, heute auf bayerischerSeite befinden und der tschechischeBöhmer wald eher das Bild einer Hochflächeabgibt, die sanft nach Osten in das böhmi-sche Becken abfällt. Dieser „Nordwald“ – so der Name des Gebiets, bevor sich ab dem 19. Jahrhundertder Begriff Böhmerwald durchsetzte – bildete im Mittelalter so etwas wie einenatürliche Grenze: leicht zu verteidigen,kaum besiedelt und nur schwer passierbar.Der bekannteste Weg durch den Wald warder Goldene Steig, ein verzweigtes Wege-system von Passau nach Prachatitz in Süd-böhmen. Den Transport von Salz, Goldund anderen wertvollen Gütern leisteten sogenannte Säumer, Bauern, die am Gol -denen Steig siedelten und mit bis zu 1.200Saumtieren pro Woche die Güter durch denUrwald bewegten. Noch heute ist der eins -tige Reichtum von Prachatitz, durch das

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Aber es gibt auch vorbildliche Ausnahmen:In Dobrá (Guthausen) im Moldautal reihensich alte Bauernhäuser mit flachem Sattel-dach über drei Kilometer entlang einersanften Anhöhe über der Moldau auf. Siewurden als Chatas, Wochen endhäuser, behutsam renoviert und stehen heute unterDenkmalschutz. Ganz ohne Jodlerstil wieim Bayerischen Wald und eingebettet in diegroßartige Wiesenlandschaft des Parks.

Eine wenig auffällige Ausschilderung weistden Weg ins Herz des Sumava: ab von derHauptstraße nach Zelezná Ruda (BöhmischEisenstein) über Borová Lada, Kvilda,Modrava, Srní und Prásily zurück in dieZeit „vor der Moderne“. Wiesen, Weiden,Moore, einzeln stehen de Ahorngigantenund bewaldete Bergkuppen prägen dasBild. Auffällig sind die vielen Bäche undFlüsse. Vom Torf der Moorböden in einemBernsteinton gefärbt, schlängeln sie sichdurch die alte Landschaft. Bis aus der Moldau der von Bedrich Sme-tana in Musik übersetzte Charakter-FlussBöhmens geworden ist, hat die WarmeMoldau zahlreiche Nebenflüsse aufgesam-melt: die Kleine Moldau, die GrasigeMoldau, die Kalte Moldau und so manchenPotok, wie Bach auf Tschechisch heißt. DieVltava (Moldau), umrankt von Geschichtenund Legenden, ist das Nationalsymbol derTschechen. Auf ihr wurde das über denGoldenen Steig herangebrachte Salz nach

Prag verfrachtet, in ihrem Wasser der hei ligeNepomuk ertränkt und aus ihrem Lehmder Golem geformt. Die Moldau ist aber nicht der einzige Fluss,der den Nationalpark durchströmt. Auf ihrer Reise vom Gebirge ins böhmischeBecken umtosen die reißenden BergflüsseVydra und Kremelna mächtige Granit-blöcke, die sich ihnen wehrhaft in denWeg stellen. Beide Flüsse haben in Jahr -tausen den tiefe Täler in eine ansonsteneher sanfte Landschaft gegraben. Das Gurgeln und Plätschern, das Tosen undRauschen des Wassers ist das vorherr-schende Klangbild des Nationalparks, obschon das lautmalerische Wort Sumava eigentlich für das Rauschen des Waldessteht. Wir sind also im Land der rau-schenden Bäume und Bäche.Den Wert des Böhmerwaldes wissen dieTschechen durchaus zu schätzen. Die -meisten scheinen recht naturverbunden,allerdings in einem eher auf geselligesNatur erlebnis bezogenen Sinne. Hobby- Ornithologen mit Fernglas sind im Sumavaselten anzutreffen, dafür umso mehr Moun -tainbiker oder Vodáci (Kanuten), die abendsam Lagerfeuer hocken, die nassen Kla-motten trocknen und zur Gitarre greifen.Oder geduldig an der Moldau sitzen undauf das Anbeißen der Forellen warten.

Der Böhmerwald in seiner heutigen Formist das Ergebnis einer langen natur- undkulturgeschichtlichen Entwicklung. Erd-geschichtlich über 500 Millionen Jahre alt,wurde das Grenzgebirge vor etwa sechzig

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Auch im Winter ist der Nationalpark ein außerge-

wöhnliches Erlebnis. Der Fluss Vydra rauscht in

seinem felsigen Bett dampfend der Mündung in

die Moldau entgegen

Vögel wie der Sperlingskauzfinden in den urwüchsigen

Wäldern des Sumava idealeLebensbedingungen.

Alte Kulturlandschaften prägen die Teile des Nationalparks, die früher vom Menschen besiedelt und bewirtschaftet waren.

Arten vielfalt, als vielmehr die Bestands-größe auch seltener Tierarten, die das Gebiet faunistisch so wertvoll macht. Nir -gend wo leben mehr freie Luchse, nirgend-wo im mitteleuropäischen Bergland sindFischotter alltäglicher als an den Flüssen desSumava. Der Wirt in der Ein-Tisch-Mini-KneipeLovecká Krcˇma bei Kvilda erzählt, dassihm drei Fischotter fast täglich die Forellenaus dem Zuchtteich stibitzt hätten. Bis er

Wachtelkönig, Feldschwirl und Kuckuck.Nicht umsonst gilt der Böhmerwald mitseinen vielen Mooren und Feuchtwiesen alsein Eldorado für Nebelstimmungen.

Mit einer großen Artenvielfalt kann der Su-mava Nationalpark eigentlich nicht glänzen. Extreme klimatische Bedingungenmit hohen Niederschlagswerten, strengenWintern und einer kurzen Vegetations -periode sowie die kalkarme Gesteins -unterlage bieten nicht die geeignete Grund-lage für eine besonders vielseitige Tier-und Pflanzenwelt. Die vorkommenden Spezialisten jedochkönnen als Kostbarkeiten gelten. So etwaverschiedene alpine Pflanzenarten wie derUngarische Enzian, der Weiße Germer,der Frühlings-Krokus oder die Himmels-leiter.Bei den Tieren waren es vor allem die Abgelegenheit und jahrzehntelange Nicht-beachtung, die den Böhmerwald zu einembesonderen Refugium für europäischeWildtiere machten. Es ist weniger die

Wald, der zu 99 rozent aus Wald besteht.Die wertvolle Kulturlandschaft im Um-feld des Parks wurde dort mit Siedlungenund Straßen rigoros verbaut. Die totenDörfer auf tschechischer Seite zeigen, wie esvor nur einer Generation auch im Bayer-wald ausgesehen hat.

Die Wüstung Knízecí Pláne (Fürstenhut)umgibt ein wahres Mosaik aus Natur- undKulturlandschaftsräumen: früher extensivlandwirtschaftlich genutzte Flächen, Wie-sen- und Weide gesellschaften mit Ahornenund Ebereschen, die der Landschaft einpark artiges Gepräge geben, dazwischen

wald-Bauernhäuser, inklusive Holzschin-deln. Zahlreiche tschechische Mountain -biker kommen tagsüber heraufgeradelt;die Rast mit Gulasch, böhmischen Knödelnund Gambrinus ist dabei obligatorisch.Um 17 Uhr leert sich das Wirtshaus, dasWirtsehepaar fährt mit dem alten Skodahinunter nach Borová Lada (Ferchenhaid).Ansonsten darf niemand die Straße mitdem Auto befahren, und Frau Erhartova,die Wirtin, mosert über den Nationalparkmit seinen Restriktionen ...Wer will, kann übernachten. Frühaufsteherwerden nicht selten belohnt mit einer un-beschreiblichen Morgenstimmung im Moor.Zarte Nebelschwaden hängen zwischenden Birken, neben dem Sumava-Rauschenist nur das Rufen einiger Vögel zu hören:

Hochmoore, auf trockeneren StandortenBorstgraswiesen und natürlich: Fichten-wald. Das vielseitige Nebeneinander machtdie Hochfläche so wertvoll, dass sie imRahmen des Nationalparks den Rang derKernzone eins einnimmt. Es bedarf eines gezielten Naturschutz -managements, um diesen Lebensraum vonMenschenhand so zu erhalten. Die ein -malige Mahd im Spätsommer oder dieBeweidung durch Schafe und Hochland-rinder stellt sozusagen den Urzustand dertraditionellen Kulturlandschaft wieder her.Ohne diese Art der Bewirtschaftung würdeder Wald das Gebiet zurückerobern. Radwanderwege führen zum einzigen Hausvon Knízecí Pláne, einer Gaststätte, wiedererrichtet im traditionellen Stil der Böhmer -

Der Wechsel zwischen Wäldern, Wiesen und Feuchtgebietenschafft eine für Europa einzigartige Landschaft. Seltene Artenwie das Birkhuhn wissen das zu schätzen.

Im frühen Licht des Tages sorgt der Nebel für eine regelrecht mystische

Stimmung.

Schafe im Einsatz für den Landschaftsschutz sind im Sumava nicht

ungewöhnlich.

wachsenen landschaftlichen Vielfalt, damitaber auch bei der Dominanz der Fichtebleiben. Im Bayerischen Wald könnte hin-gegen, nachdem die dem Borkenkäfer anheim gefallenen Areale sich wieder erholthaben, ein neuer natürlicherer Waldtypheranwachsen. Beide Nationalparks zusammen sind undbleiben jedenfalls das, wofür sie sprich-wörtlich gehalten werden: das grüne DachMitteleuropas.

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einen mit Hilfe von Hund und Kescher gefangen und mit dem Auto woandershinverfrachtet habe. Fischerlatein? DemHirschbraten mit Vogelbeeren und denLiwan zen mit Blaubeeren zum Nachtischtut die Geschichte keinen Abbruch. Die Frage, ob es im Park ein Rudel Wölfegibt oder nicht, wird widersprüchlich be-antwortet. Ein Ranger vor Ort antwortetbegeistert ja, die Biologin Zdenka Krenováim Amt spielt das Ganze herunter. Nein,der Wolf komme nicht mehr vor. Für dieThese, dass die Raubtiere mit dem mär-chenhaft schlechten Ruf doch noch durchden Sumava streifen, spricht die Tatsache,dass 2004 auf bayerischer Seite ein Wolfauf tauchte – und prompt erlegt wurde. In

am Lipno-Stausee im Süden des Sumavastammte. Auch die letzten niederbayerischen Birk-hühner balzen unmittelbar an der Grenzeund kommen wohl aus tschechischen Beständen. Eher in den Kammlagen desBöhmerwalds balzen die Auerhähne, aufderen Anwesenheit entsprechende Schilderder Parkverwaltung hinweisen mit demausdrücklichen Wegeverbot oder -gebotzur Zeit der Balz. Angesichts der Tierfülle beim tschechi-schen Nachbarn könnte man durchaus dieThese wagen, dass der NationalparkBayerischer Wald und sein Umland amTropf des Tierreichtums von Sumava hängen.

Bayern hat man diesbezüglich scheinbarnicht viel dazu gelernt, was auch daran ablesbar ist, dass vor nicht allzu langer Zeitder erste Elch in Bayern abgeschossenwurde, der offensichtlich aus den Sümpfen

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Der Winter ist auf dem grünen Dach Europas sehridyllisch: weiß gepuderte

Wälder, kniehoher Schnee in den Tälern und abgele -gene Häuser im Böhmer -

wald-Stil, die wohlige Wärme versprechen.

Luchse haben im Sumava

Nationalpark eines ihrer letzten Rückzugsgebiete in Europa gefunden.

In dem mittelalterlichen Städtchen Cesky� Krumlov laden gemütliche Gaststättenzum Einkehren ein.

Bernd Fischer fotografiert seit 30 Jahren Tiere, Landschaften,Städte und Menschen. Im Nationalpark Sumava ist der Bayer ein regelmäßiger Besucher und damit mittlerweile einechter Kenner der Region. www.berndtfischer.com

Mit dem Böhmer- und dem BayerischenWald treffen Tschechiens größter undDeutsch lands ältester Nationalpark un -mittel bar aufeinander – und mit ihnenzwei sehr unterschiedliche Naturschutz-konzepte. Im Sumava Nationalpark spieltneben dem Schutz von Urlandschafts -bestandteilen wie den wertvollen Hoch -mooren, Urwald resten und Eiszeitreliktenwie den Karseen auch die Erhaltung derKulturlandschaft eine wesentliche Rolle.Zudem hat hier die Bekämpfung desBorken käfers Priorität, während auf Bayeri-scher Seite der Wald sich weitgehend selbstüberlassen ist. Dementsprechend dürfte es in Tschechienbei einer Bewahrung der historisch ge-

REISEINFOS SUMAVA NPInformationszentrum Idina Pila,das von Záton aus zu erreichen ist.Einen Besuch wert sind auch diefünf Gletscherseen des National-parks, die einzigen ihrer Arte inTschechien. Sie sind von Moränen -wällen umgeben und liegen jeweilszu Füßen der höchsten Erhebungendes Böhmerwalds. Innerhalb desNationalparks sind das der Laka-See, der kleinste und höchstgele-gene des Sumava, der Prásilské-See, (Stubenbacher See) und derPlesné- See (Plöcksteiner See). Einguter Ausgangspunkt für Wande-rungen zum Laka- und Prásilské-Seeist die Ortschaft Prásily (Stuben-bach). Von hier aus sind auch die beidendazu gehörigen Berge Plesná(Lackenberg, 1.336 m) und Poled-ník (Mittagsberg, 1.315 m) zu er-reichen. Auf dem Poledník, derdirekt an der Grenze zu Deutsch-land liegt, steht ein ehemals mili -tärisch genutzter Betonturm, derheute als Aussichtsturm dient undeinen weiten Ausblick über denBayerischen und Böhmer wald er-möglicht. Zum Plesné-See führenverschiedene Wander- und Rad-wege von Nova Pec aus. Über demSee erhebt sich unweit der Grenzezu Österreich der höchste Berg desSumava, der Plechy (Plöckstein,1.378 m). Auf einer Plattform überdem See steht zudem ein Denkmalfür den berühmten Böhmerwald-Dichter Adalbert Stifter, der imunweit gelegenen Horní Planá ge-boren wurde. Von der Plattformaus hat man eine schöne Aussichtauf den Plesné-See, das Böhmer-wald-Vorgebirge sowie auf das Ge-biet des Lipno-Stausees.Außerhalb des Nationalparks, imLandschaftsschutzgebiet, liegender Cerné- und Certovo-See (Schwarz-er und Teufelssee). Der Cerné-See istder größte und tiefste See des Su-mava. Beide Seen sind von dich-tem Wald umgeben und von Ze-lezná Ruda aus (Böhmisch Eisen-stein) gut zu erreichen.

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Nordsee mündet, sondern auchden Reschbach, dessen Wasserüber die Donau schließlich insSchwarze Meer fließt. Durch dasMoor verläuft somit eine konti-nentale Wasserscheide.Von kulturhistorischer Bedeutungist der Schwarzenberger Schwemm - kanal. Als im 18. Jahrhundert dasHolz in Wien zur Mangelware wur-de, entschloss man sich, im Böh-merwald einen Schwemmkanal fürHolzstämme zu bauen, der dieMoldau mit der Donau verband.Die immensen Holzvorräte im Böh-merwald waren bis dahin unange-tastet geblieben, da es keine Wegezum Abtransport gab. Ab 1791 warder rund 40 Kilometer lange Kanalin Betrieb, unzählige Holzstämmetrieben bis 1916 über ihn in die Do-nau. Heute können Sumava -Rei-sende seinem Verlauf auf Rad-und Wanderwegen folgen.Obwohl heute sekundäre Fichten-wälder weite Teile des Böhmerwal-des prägen, sind doch einigePrimärwälder erhalten geblie ben.Das bedeutendste Urwald-Gebietliegt in der Umgebung des BergesBoubí n im Landschaftsschutz -gebiet. Rund um das Kerngebiet des Berg-misch- und Bergfichtenwaldes führtein 3,8 Kilometer langer Lehrpfad,der am Boubín-See beginnt. Aufdem Berg gibt es seit Anfang 2005einen Aussichtsturm. Ein guterStartpunkt für Ausflüge in die Um-gebung des Boubín ist das

Bayerischer Wald bieten. Für Radtouristen attraktiv sind zudem die Zugverbindungen zwi-schen verschiedenen Orten imSüdteil des Parks: die Räder in denZug packen, zum Ausgangspunktder Tour fahren und dann mitdem Rad zurück – oder umge-kehrt. Nostalgiker können in denSommermonaten auch mitDampf- oder Dieselzügen von derStation Nové Údolí/Haidmühle ander deutsch-tschechischen Grenzein den Nationalpark fahren.

SehenswertesEin Highlight ist mit Sicherheitdie Vydra-Schlucht. Bereits seit1962 steht das wildromantischeFlussgebiet bei Srní unter Natur-schutz. Die starke Strömung bildetStromschnellen und hat die Ufer-felsen zu interessanten Formatio-nen ausgewaschen. Blockmeeremit Kiefernbewuchs säumen denFlusslauf. Zwischen Anty gl undCenkova Pila erschließt ein sieben Ki-lometer langer Lehrpfad dieSchlucht und erläutert die Ent -stehung sowie die einzigartigeFlora und Fauna des Tales.In einem Moorgebiet sechs Kilo-meter südlich des Ortes Kvilda ent-springt die Warme Moldau. Eineingefasster Brunnen markiert dieQuelle, die erst seit der Grenzöff-nung wieder über einen Wanderwegzugänglich ist. Interessant ist, dassdas Moor nicht nur die Moldauspeist, die über die Elbe in die

Zusammen mit dem BayerischenWald bildet der Böhmerwald –tschechisch: Sumava – die größtezusammenhängende Waldland-schaft Mitteleuropas, das „GrüneDach Europas“. Hochplateaus undabgerundete Bergkuppen bestim-men die Landschaft im Süd westender Tschechischen Republik, ge-prägt durch ein Mosaik unter-schiedlichster Lebensräume: Berg-wälder, Hochmoore, Talauen undGletscherseen. Charakteristisch für den Böhmer-wald sind neben diesen weit -gehend ungestörten Naturräumenaber auch Spuren einer Jahrhun-derte alten Besiedlung, die derGegend mit kleinen Dörfern, auf-gelassenen Höfen, Wiesen undWeiden einen besonderen Charmeverleiht.Während des Kalten Krieges warder Böhmerwald zu weiten TeilenSperrgebiet und blieb daher un-berührt erhalten. Nachdem dieUNESCO den Sumava 1990 zumBio sphärenreservat erklärt hatte,wurden 1991 690.030 Hektar die-

ses urtümlichen Gebiets als Suma vaNationalpark unter Schutz gestellt.Weitere rund eine Million Hektarschließen sich als Landschafts-schutzgebiet an den Park an.

Im Park unterwegsDer Sumava Nationalpark und dasangrenzende Landschaftsschutz-gebiet sind mit Wander- und Rad-wegen gut erschlossen. Ganze1.500 Kilometer markierter Pfadeführen durch Wald-, Moor- undWiesenwildnis und alte Kultur-landschaften. An besonders inter-essanten oder bedeutenden Stelleninformieren Lehrpfade über lokaleBesonderheiten.Verschiedene Flussabschnitte wur-den zudem für Kanuten freigege-ben. Im Winter erschließen zahl-reiche Loipen das Gebiet.Viele der Gemeinden im Natio-nalpark haben Informations zentreneingerichtet (siehe Kasten), dieRatschläge zu Sehenswertem inder Gegend und den besten We-gen dorthin erteilen.Wer zum Ausgangspunkt einerWanderung nicht mit dem Autofahren will, kann in den Sommer-monaten die „Grünen Busse“ nut-zen, die innerhalb des National-parks und zu den angrenzendenGemeinden verkehren und auchAnschluss zum Nationalpark

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REISETIPPAnreiseDank seiner grenznahen Lage istder Sumava Nationalpark von Bayern aus per Auto oder Zug bequem zu erreichen. Von Mün-chen geht es über die A92, vonNürnberg über die A3 bis Deggen-dorf, von da aus weiter über Re-gen, Zwiesel und Bayerisch Eisen -stein zum Grenzübergang ZeleznáRuda. Oder auf der A3 bis Hen-gersberg und dann über Schönbergund Freyung zum GrenzübergangPhilippsreut. Mit dem Zug gelangt man inknapp 3,5 Stunden von Münchenüber Plattling nach Zelezná Ruda.

Beste ReisezeitReisen in den Böhmerwald sindzu jeder Jahreszeit möglich undempfehlenswert. Im Winter locktdie hohe Schneesicherheit.

UnterkünfteIn den meisten Gemeinden imund um den Nationalpark gibt esÜbernachtungsmöglichkeiten in Ho-tels oder Pensionen. Als Aus-gangspunkte besonders geeignetsind Zelezná Ruda, Susice, Kasper-ske Hory, Stachy, Vimperk, Le-nora, Volary und Nova Pec. AuchHorní Planá am Lipno-Stausee unddas reizvolle mittelalter liche Städt-chen Cesky Krumlov, etwas außer-halb des Parks gelegen, kommenals Basis in Frage.

InformationszentrenZentrales Informationsbüro 1. máje 260385 01 VimperkTel. +420 388 450111www.npsumava.cz

Kvilda InfozentrumTel. +420 388 [email protected]

Stozec Infozentrum Tel. +420 388 [email protected]

Der Nationalpark Sumavaist zu jeder Jahreszeit einen

Besuch wert.

Svinná Lada Infozentrum Tel. +420 388 [email protected]

Rokyta Infozentrum Tel. +420 376 [email protected]

Kasperské Hory InfozentrumTel. +420 376 [email protected]

Alzbetí n Infozentrum (gemeinsa-mes Infozentrum von Sumava NPund NP Bayerischer Wald)Tel. +420 376 [email protected]

Ceské Zleby InfozentrumTel. +420 388 335209

Idina Pila InfozentrumTel. +420 388 436216

FremdenverkehrsamtCzechTourism – Vertretung BerlinFriedrichstr. 20610969 BerlinTel./Fax 030 [email protected]

CzechTourism – Vertretung MünchenLerchenfeldstr. 2080583 MünchenTel. o89 54885914Fax 089 [email protected]

Webtippwww.npsumava.cz:offizielle Home -page des Nationalparkswww.moldau.ch: sehr informativund nett gestaltete private Home -page zum Böhmer- und Bayeri-schen Wald.www.tschechische-gebirge.com:Tipps zu Sehenswertem, Wande-rungen und Übernachtungen.

LiteraturSüdböhmen, Böhmerwald vonMichael Bussmann, Gabriele Trö-ger, Michael Müller Verlag, 2005,ISBN 3-89953-222-8, 15,90 €.

Rother Wanderführer Böhmerwaldvon Rosemarie & Nikolaus Poll-mann, Bergverlag Rother, 2003,ISBN 3-7633-4011-4, 11,90 €.

Sven ZellnerBayerischer Wald112 Seiten, 120 Abbildungen,5 KartenGebunden 21,5 x 28 cmISBN 3-924044-57-0€ 24,50 / sFr 42,90