Summerschool 2013 Quito Thema 02: Menschen + Kultur · La „Capilla del Hombre“ Mit dem Bau der...

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Summerschool 2013 _ Quito Quito im September 2013 _ Hochschule Ostwestfalen Lippe _ FB 1 + 9 In einer Ecke seines Grundstückes mit Blick über Quito hat Guayasamín noch zu Lebzeiten einen Baum gepflanzt. Seinem Wunsch gemäß wurde unter dem „Árbol de la Vita“ seine Asche in einem Tongefäß beigesetzt. La „Capilla del Hombre“ Mit dem Bau der „Capilla del Hombre“ – der Kapelle der Menschen - in Quito verwirklicht Oswaldo Guayasamín seinen Lebenstraum. Er möchte damit keine weitere Kir- che zu Ehren einer Gottheit schaffen, sondern einen Ort, der der Menschheit selbst gewidmet ist. Die „Capilla del Hombre“ ist ein dreistöckiges, 2500 m² großes Bauwerk. Die Idee für dieses beeindruckende Gebäude hatte Oswaldo Guayasamín 1985. Drei Jahre später erhält er die finanzielle Unterstützung durch die UNESCO. Doch weitere sieben Jahre vergehen bis der Bau beginnt. Der erste Bauabschnitt wird 2002 beendet. Ein Museum mit einer Fläche von 2500 m² ist entstanden. In einem weiteren Bauabschnitt soll Raum geschaffen werden, die Privatsammlung von Guayasamín in die bestehende zu integrieren. Bislang trennt ein Bauzaun, der mit Drucken seiner Gemälde und Zitaten abgehängt wurde, den zukünftigen Baubereich ab. Guayasamín betrachtet die „Capilla“ als eine Widmung für die Völker Südamerikas. Neben Guayasamíns Werk finden sich hier auch ein künstlerisch gestalteter Überblick über ein Jahrtausend lateinamerikanischer Geschichte und Kultur. Der Baustil des Gebäudes erinnert mit seinen großen, grauen Quadern an die Bauweise der Tempelanlagen der indigenen Bevölkerung, wie den Inka. Im Innern wollte er die Wände auf allen drei Stockwerken mit der Geschichte der unterdrückten Völker des Kontinents bemalen und die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Unabhängigkeitsbestrebungen der südamerikanischen Völker verewigen. Seine Arbeiten erinnern nicht nur an das Leiden und die Unterdrückung der Folter- und Kriegsopfer. Sie zeigen auch die Lateinamerikanische Identität und die positiven Aspekte menschlicher Natur. Da er vor der Vollendung stirbt, entschließt sich die daraufhin gegründete Stiftung, die Skizzen des Künstlers so gut wie möglich zu nutzen. Die fertigen Skizzen wurden an die Wände projiziert, während der Sohn Guayasamíns, Cristóbal, das für die Kuppel bestimmte Kunstwerk, von der Skizze seines Vaters auf das Mauerwerk der Kuppel überträgt. Die Zeichnungen bleiben skizzenhaft unvollendet. In Räumen der „Capilla del Hombre“ findet man deshalb viele großflächige Gemälde und Skulpturen unter anderem Werke aus den schon erwähnten drei Schaffenszyklen. Aktuell zeigt die „Capilla del Hombre“ neben den Werken von Guayasamín auch andere lateinamerikanische und europäische Künstler, eine umfassende Sammlung archäologischen Funden der präinkaischen Kulturen Ecuadors und Sakralkunst aus der Kolonialzeit. Bei der Eröffnungsfeier wird im Erdgeschoss die „llama eterna“, die ewige Flamme, zum Gedenken an die Menschenrechte entzündet. Im Hintergrund auf einem Wandgemälde bezwingt der südamerikanische Kondor, der den spanischen Stier und manifestiert das Ende der Kolonialzeit. „Por los niños que cogió la muerte jugando, por los hombres que desfallecieron trabajando, por los pobres que fracasaron amando, pintaré con grito de metralla, con potencia de rayo y con furia de batalla“ - Für die Kinder, die beim Spielen sterben, für die Männer die bei der Arbeit ermatten, für die Armen die in der Lie- be gescheitert sind, will ich zeichnen (...) mit der Macht des Blitzes und der Wut des Kampfes. (Guayasamín) Thema 02: Menschen + Kultur Der Maler Guyasamin „Mi pintura es para herir, para arañar y golpear en el co- razón de la gente. Para mostrar lo que el Hombre hace contra el Hombre“ - Meine Malerei will in die Herzen der Menschen, will verletzen, kratzen und schlagen. Sie soll zeigen, was Menschen Menschen antun. (Guayasamín) Oswaldo Guayasamín, der 1919 in Quito geboren wurde und 1999 in Baltimore stirbt, engagiert sich Zeit seines Lebens für sein Land, seinen Kontinent und die von Unterdrückung und Ungerechtigkeit betroffene – vor allem indigene - Bevölkerung, der er selbst entstammt. Seine Reise durch viele Länder Südamerikas zwischen 1945 und 1947 inspiriert ihn zum ersten Bilderzyklus Huacayñán (Quechua: Der Weg der Tränen), der Elend und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung thematisiert. Wichtige Bilderzyklen 1946 bis 1952 Huacayñán (Der Weg der Tränen) 1960 bis 1992 La Edad de la Ira (Das Zeitalter des Zorns) 1988 bis 1999 Mientras vivo siempre te recuerdo (Solange ich lebe, erinnere ich mich an dich) und La Edad de la Ternura (Das Zeitalter der Zärtlichkeit) Kühe und Kondor Ein kurzer Abschnitt aus einem Reisetagebuch von Christopher Isherwood beschreibt Guayasamín so: „Wir haben auch Guayasamín besucht. Er ist Ende zwanzig und von einer unordentlichen, gutgläubig-kindlichen Erscheinung. Die Sorte Mensch, mit der man sich auf der Bearbeiter: Katrin Herber, B. Sc. + Prof. Dr. Angelika Wolf auf dem Platz vor der „Capillla del Hombre“ vor der „Capilla del Hombre“ Aquarellporträts Minenarbeiter auf der Suche nach Licht von dem Wohnhaus Guayasamíns hat man einen wunderbaren Blick über Quito „llama eterna“, die ewige Flamme Mutter mit unterernährtem Kind, gewidmet den Müttern der Welt „Ich weinte, weil ich keine Schuhe hatte, bis ich ein Kind sah, das keine Füße hatte“ „el Árbol de la Vida“, der Baum des Lebens ein Zitat am Bauzaun gesellschaftlichen Problemen und Themen der Indios befasst. Ihre politische Philosophie liefert eine ästhetische Ausdrucksweise für jene, die keine Inspiration mehr im Idiom des katholischen Christentums finden können. Die Qual der Massen ersetzt die Qual von Christus. Die Bauernmutter nimmt den Platz der Jungfrau und des Kindes ein. Gott der Vater hat – in einem von Riveras eigenen Wandgemälden – seinen zentralen Platz für die Gestalt von Karl Marx freigemacht.“ ISHERWOOD, CHRISTOPHER 2013: Kondor und Kühe; erstmals erschienen 1949, München (168-169) Stelle anfreundet, mit oder ohne Hilfe der spanischen Sprache. Sein großes Ausdrucksvolles Gesicht und seine Augen sind gleichzeitig fröhlich und tragisch. (...) Ich finde, Guayasamíns beste Arbeiten sind bisher seine Portraits und kleinen Aquarelle und Zeichnungen. Seine Wandgemälde sind in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung zu bewusst und zu sehr an Orozco angelehnt. Orozco und Rivera sind sowieso die „natürlichen“ ausländischen Einflüsse für jeden südamerikanischen Maler, der sich mit

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Summerschool 2013 _ Quito

Quito im September 2013 _ Hochschule Ostwestfalen Lippe _ FB 1 + 9

In einer Ecke seines Grundstückes mit Blick über Quito hat Guayasamín noch zu Lebzeiten einen Baum gepflanzt. Seinem Wunsch gemäß wurde unter dem „Árbol de la Vita“ seine Asche in einem Tongefäß beigesetzt.

La „Capilla del Hombre“

Mit dem Bau der „Capilla del Hombre“ – der Kapelle der Menschen - in Quito verwirklicht Oswaldo Guayasamín seinen Lebenstraum. Er möchte damit keine weitere Kir-che zu Ehren einer Gottheit schaffen, sondern einen Ort, der der Menschheit selbst gewidmet ist.Die „Capilla del Hombre“ ist ein dreistöckiges, 2500 m² großes Bauwerk. Die Idee für dieses beeindruckende Gebäude hatte Oswaldo Guayasamín 1985. Drei Jahre später erhält er die finanzielle Unterstützung durch die UNESCO. Doch weitere sieben Jahre vergehen bis der Bau beginnt. Der erste Bauabschnitt wird 2002 beendet. Ein Museum mit einer Fläche von 2500 m² ist entstanden. In einem weiteren Bauabschnitt soll Raum geschaffen

werden, die Privatsammlung von Guayasamín in die bestehende zu integrieren. Bislang trennt ein Bauzaun, der mit Drucken seiner Gemälde und Zitaten abgehängt wurde, den zukünftigen Baubereich ab.Guayasamín betrachtet die „Capilla“ als eine Widmung für die Völker Südamerikas. Neben Guayasamíns Werk finden sich hier auch ein künstlerisch gestalteter Überblick über ein Jahrtausend lateinamerikanischer Geschichte und Kultur. Der Baustil des Gebäudes erinnert mit seinen großen, grauen Quadern an die Bauweise der Tempelanlagen der indigenen Bevölkerung, wie den Inka. Im Innern wollte er die Wände auf allen drei Stockwerken mit der Geschichte der unterdrückten Völker des Kontinents bemalen und die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Unabhängigkeitsbestrebungen der

südamerikanischen Völker verewigen. Seine Arbeiten erinnern nicht nur an das Leiden und die Unterdrückung der Folter- und Kriegsopfer. Sie zeigen auch die Lateinamerikanische Identität und die positiven Aspekte menschlicher Natur. Da er vor der Vollendung stirbt, entschließt sich die daraufhin gegründete Stiftung, die Skizzen des Künstlers so gut wie möglich zu nutzen. Die fertigen Skizzen wurden an die Wände projiziert, während der Sohn Guayasamíns, Cristóbal, das für die Kuppel bestimmte Kunstwerk, von der Skizze seines Vaters auf das Mauerwerk der Kuppel überträgt. Die Zeichnungen bleiben skizzenhaft unvollendet.In Räumen der „Capilla del Hombre“ findet man deshalb viele großflächige Gemälde und Skulpturen unter anderem Werke aus den schon erwähnten drei Schaffenszyklen. Aktuell zeigt die „Capilla del Hombre“ neben den Werken von Guayasamín auch andere lateinamerikanische und europäische Künstler, eine umfassende Sammlung archäologischen Funden der präinkaischen Kulturen

Ecuadors und Sakralkunst aus der Kolonialzeit.Bei der Eröffnungsfeier wird im Erdgeschoss die „llama eterna“, die ewige Flamme, zum Gedenken an die Menschenrechte entzündet. Im Hintergrund auf einem Wandgemälde bezwingt der südamerikanische Kondor, der den spanischen Stier und manifestiert das Ende der Kolonialzeit.„Por los niños que cogió la muerte jugando, por los hombres que desfallecieron trabajando, por los pobres que fracasaron amando, pintaré con grito de metralla, con potencia de rayo y con furia de batalla“ - Für die Kinder, die beim Spielen sterben, für die Männer die bei der Arbeit ermatten, für die Armen die in der Lie-be gescheitert sind, will ich zeichnen (...) mit der Macht des Blitzes und der Wut des Kampfes. (Guayasamín)

Thema 02: Menschen + Kultur

Der Maler Guyasamin

„Mi pintura es para herir, para arañar y golpear en el co-razón de la gente.Para mostrar lo que el Hombre hace contra el Hombre“ - Meine Malerei will in die Herzen der Menschen, will verletzen, kratzen und schlagen. Sie soll zeigen, was Menschen Menschen antun. (Guayasamín)

Oswaldo Guayasamín, der 1919 in Quito geboren wurde und 1999 in Baltimore stirbt, engagiert sich Zeit seines Lebens für sein Land, seinen Kontinent und die von Unterdrückung und Ungerechtigkeit betroffene – vor allem indigene - Bevölkerung, der er selbst entstammt.Seine Reise durch viele Länder Südamerikas zwischen 1945 und 1947 inspiriert ihn zum ersten Bilderzyklus Huacayñán (Quechua: Der Weg der Tränen), der Elend und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung thematisiert.

Wichtige Bilderzyklen

1946 bis 1952 Huacayñán (Der Weg der Tränen)

1960 bis 1992La Edad de la Ira (Das Zeitalter des Zorns)

1988 bis 1999Mientras vivo siempre te recuerdo (Solange ich lebe, erinnere ich mich an dich) und La Edad de la Ternura (Das Zeitalter der Zärtlichkeit)

Kühe und Kondor

Ein kurzer Abschnitt aus einem Reisetagebuch von Christopher Isherwood beschreibt Guayasamín so:

„Wir haben auch Guayasamín besucht. Er ist Ende zwanzig und von einer unordentlichen, gutgläubig-kindlichen Erscheinung. Die Sorte Mensch, mit der man sich auf der

Bearbeiter: Katrin Herber, B. Sc. + Prof. Dr. Angelika Wolf

auf dem Platz vor der „Capillla del Hombre“

vor der „Capilla del Hombre“

Aquarellporträts

Minenarbeiter auf der Suche nach Licht

von dem Wohnhaus Guayasamíns hat man einen wunderbaren Blick über Quito „llama eterna“, die ewige Flamme

Mutter mit unterernährtem Kind, gewidmet den Müttern der Welt

„Ich weinte, weil ich keine Schuhe hatte, bis ich ein Kind sah, das keine Füße hatte“

„el Árbol de la Vida“, der Baum des Lebens

ein Zitat am Bauzaun

gesellschaftlichen Problemen und Themen der Indios befasst. Ihre politische Philosophie liefert eine ästhetische Ausdrucksweise für jene, die keine Inspiration mehr im Idiom des katholischen Christentums finden können. Die Qual der Massen ersetzt die Qual von Christus. Die Bauernmutter nimmt den Platz der Jungfrau und des Kindes ein. Gott der Vater hat – in einem von Riveras eigenen Wandgemälden – seinen zentralen Platz für die Gestalt von Karl Marx freigemacht.“

ISHERWOOD, CHRISTOPHER 2013: Kondor und Kühe; erstmals erschienen 1949, München (168-169)

Stelle anfreundet, mit oder ohne Hilfe der spanischen Sprache. Sein großes Ausdrucksvolles Gesicht und seine Augen sind gleichzeitig fröhlich und tragisch. (...)Ich finde, Guayasamíns beste Arbeiten sind bisher seine Portraits und kleinen Aquarelle und Zeichnungen. Seine Wandgemälde sind in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung zu bewusst und zu sehr an Orozco angelehnt. Orozco und Rivera sind sowieso die „natürlichen“ ausländischen Einflüsse für jeden südamerikanischen Maler, der sich mit