Swing That Music – auf den Spuren von Jazz und Blues · j Jazz-Blues-Kunst-Reise durch die ......

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Burgdorf 3. Jahrgang Ausgabe Nr. 30 Dienstag, 11. August 2009 «D’REGION» Seite 3 j Jazz-Blues-Kunst-Reise durch die USA Jazzfan bin ich seit den 1960er-Jahren: Meine allererste Platte war von den Dixieland-Kings, als Gymnasiast hörte ich Konzerte mit amerikanischen Stars wie Thelonious Monk, Erroll Garner oder Earl Hines. Und seit fünfzehn Jah- ren spiele ich Gitarre in der Old Man River Jazzband. Einmal nach New Orleans fahren, den Geburtsort des Jazz sehn – überhaupt eine Jazzreise durch die USA: Das wollte ich schon lange. Starten sollte das Pro- jekt mit dem Jazz & Heritage Festival in New Orleans. Hans Kaufmann, Posau- nist unserer Band und ebenfalls gros- ser Jazzfan, liess sich von meiner Idee begeistern – und miteinander erlebten wir die wohl verrücktesten drei Wochen unseres Lebens: Zwei Pensionierte auf Jazz-Spurensuche, jeden Morgen um halb neun auf der Piste. Und meist erst um Mitternacht im Bett. Strike Up The Band Elf Bühnen hat das Jazz & Heritage Festival, unzählige Verpflegungs- und Getränkestände, Kunstbuden und Ver- kaufsläden, CD-Shops und Spielplätze, Infostände und Reihen von Toilettenbo- Werner Eichenberger (links) und Hans Kaufmann am Old Man River in New Orleans, der Geburtsstätte ihrer Musik. Bilder: zvg Swing That Music – auf den Spuren von Jazz und Blues Die Burgdorfer Hans Kaufmann und Werner Eichenberger waren kürzlich drei Wochen unterwegs in den USA Jazz & Heritage Festival New Orleans: Die Memorial-Band «Remembering the Miles Davis classic Kind of Blue». St. Nick’s Jazz Pub in Harlem: The Melvin Vines Kortet – hier lebt der Jazz, jeden Tag! Audio-Tour zu Frank Lloyd Wrights Häuern in Oak Park: Da schlägt des Architekten Herz höher. Mitternacht am Times Square: New York, the city that never sleeps. xen. Zehntausende tummeln sich fried- lich auf dem riesigen Areal: Jung und Alt, «Black, Brown and Beige», Dünne und Dicke… soooo dicke, dass sie zu zweit drei Stühle brauchen. Viele haben Feldsessel dabei oder markieren mit Decken ein paar Square-Yards als ihr Terrain. Es duftet nach Soul-Food und Curry, nach Popcorn, Fisch und Chips, nach Hamburger und heissem Fett – und von überall her erklingt Musik. Auf den Open-Air-Bühnen und in den Zelten wechseln zwischen 11 und 19 Uhr die Bands im Stundentakt! Auf einer Bühne gibts die ganz grossen Acts, Dr. John oder Los Lobos, Emmylou Harris oder Bon Jovi, in einer anderen Ecke Country, Rock, Cajun und Zydeco, auf dem Congo Square klingts afrika- nisch, im einen Jazz-Tent ertönt moder- ner Jazz, im anderen traditioneller, es gibt ein Blues-Tent, ein Gospel-Zelt, es herrscht buntes Treiben von «Mardi Gras Indians» und Marching Bands – es ist schlicht unglaublich! Pendeln zwi- schen den Bühnen ist unumgänglich. Am liebsten hören wir modernen Jazz – schätzen aber auch die traditionellen Bands: die «Last Straws», eine Formati- on älterer Herren in Strohhüten, «Louis Ford and his Dixieland Flairs» – oder die «Preservation Hall Jazzband». Das Programm im modernen Jazz ist gewaltig: Wir erleben an den drei Tagen phantastische Konzerte! Unter anderen mit dem Posaunisten Delfeayo Marsa- lis und seinem Bruder Jason, mit den «Newport Allstars» des Pianisten George Wein, mit dem Trio von Ellis Marsa- lis, dem Vater von Winton, Branford, Delfeayo und Jason – oder das Konzert zum 50-Jahr-Jubiläum von Miles Davis’ «Kind of Blue», der wohl berühmtesten Jazzplatte: Am Schlagzeug Billy Cobb, der einzige noch lebende Musiker der damaligen Aufnahme-Session, mit dabei fünf Stars des aktuellen Jazz. Die Band spielt alle Titel der Platte, von «Freddie Freeloader» über «So What» hin zu «All Blues». Umwerfend! Old Man River Das Stadtzentrum – von Hurrikan Katri- na verschont – ist lebendig und pulsie- rend wie eh. Im French Quarter stehen die typischen Häuser mit den schmiede- eisernen Balkonen, auf den Strassen überall Bands unterschiedlicher Stilrich- tungen. Und dann der Mississippi und die Fahrt mit der Natchez, einem der wenigen erhaltenen Dampfboote mit mächtigem Schaufelrad: Hey! Wir sind am Old Man River – der unserer Band den Namen gegeben hat! «Dass ich das noch erleben darf», meint Hans… ein wirklich emotio- naler Moment. Sweet Home Chicago Chicago ist die Stadt der Wolkenkratzer. Wir beide, vor allem Hans als Architekt, geniessen die Architecture Cruise: Die spannende Schiffstour führt über den Chicago River, vorbei an unzähligen markanten Wolkenkratzern. Nächstes Highlight: Oak Park, wo Frank Lloyd Wright, der grosse, stilbildende Architekt, in den 1910er-Jahren wohnte und arbeitete – und wo einige seiner Häuser noch heute stehen. Wir machen eine «Self Guided Tour» durchs Quar- tier, ausgerüstet mit Plan, MP3-Play- er und Kopfhörer: Faszinierend, die Häuser von FLW in natura zu sehen, Häuser, denen wir schon auf Plänen, Skizzen und Fotos begegnet sind. Louvre Paris, Art Gallery London, Pina- kothek München… gut und recht! Aber das Art Institute of Chicago schlägt sie um Längen: Die Sammlung ist unglaublich vielfältig – eine solche Fülle berühmter Bilder von Monet, Seurat, van Gogh, Vallotton, Cézanne, Toulouse- Lautrec, Turner haben wir noch nie gesehen! Chicago ist natürlich auch die Stadt des Blues – so gehören für mich Blues zum Programm. Hans liebts auch klassisch und besucht ein Konzert des Chicago Symphony Orchestra. Beim Nachtessen komme ich mit Aryst, dem Kellner, ins Gespräch: Als ich Rosa’s Blues Lounge erwähne, beginnt er zu strahlen. Er spielt Blues Harp, ist eigentlich Grafiker, hat für den Club den Schriftzug gestal- tet und jobbt bloss zwischenzeitlich im Hotel. Er ruft den Besitzer des Clubs an – und ich werde auf die Guest List gesetzt. Mit einem «Hi, I’m Werner from Switzerland, Aryst’s friend» komme ich gratis in den traditionsreichen Blues- Club… ich glaub es nicht! Take The A-Train  Am ersten Tag in New York landen wir spätabends in einer Bar. Unsere «komische» Sprache fällt der Barmaid auf: Nach einem «Hey, where are you from?» erzählen wir von unserer Jazz- reise – und erhalten einen heissen Tipp: St. Nick’s Jazz Pub in Harlem, Nicholas Avenue, Höhe 149. Street. Also fahren wir am nächsten Abend für ein Konzert nach Harlem – und zwar mit der Linie A der Untergrundbahn: «Take The A-Train», wie der Titel von Duke Ellington. St. Nick’s entspricht so ziemlich allen Klischees, die man von einem Jazz-Club in Harlem hat: viel Volk, laute Musik ab CD, der Barkeeper gross und dick, alles etwas schmudde- lig... Wir kommen mit zwei schwarzen Ladys ins Gespräch – und als ich ihnen das Bild vom A-Train auf der Kame- ra zeige, gibts Applaus. Bald beginnt ein groovendes Konzert mit dem Mel- vin Vines Kortet, ergänzt durch den spontanen Auftritt einer Sängerin. Die Stimmung ist umwerfend, improvisiert, lebendig: alles, was Jazz ausmacht. Lullaby Of Birdland Der Höhepunkt: Wir haben einen Premi- um-Table im wohl berühmtesten Jazz- club der Welt, im Blue Note, reserviert, geniessen ein perfektes Jambalaya und hören ein Konzert der Brüder Heath, Jimmy am Saxofon, Albert «Tootie» an den Drums. Die beiden älteren Herren (82 und 78) legen mit ihrem Quartet ein wunderbares Set hin. Hans meint: «Das isch no Musig, wo me versteit!» Just A Closer Walk With Thee Am letzten Tag wollen wir in der First Abyssinian Baptist Church eine Gos- pel-Messe besuchen. Als wir in Har- lem ankommen, steht da bereits eine Menschenschlange von mehr als einem Block! Ein älterer Schwarzer erklärt, dass die Leute «behind the corner most likely» nicht mehr zum 9-Uhr-Gottes- dienst eingelassen würden. Also warten wir auf die 11-Uhr-Messe, was Hans zur Bemerkung veranlasst: «Auso, fürne Predig bini miner Läbtig no nie drei Stunde agstange!» Im Parterre der Kirche die schwarzen Kirchgänger, alle herausgeputzt und in schönsten Sonntagskleidern: die Damen mit prachtvollen Hüten, die Herren mit Anzug und Krawatte. Vorne in violet- ten, langen Gewändern der Chor – auf der Empore viele Besucher. Fast genau so, wie wir es uns vorgestellt haben, läuft der Gottesdienst ab: Die Gemein- de nimmt lautstark und rege Anteil an den Mitteilungen über Krankheiten der Brothers and Sisters, über Todes- fälle und erfolgreiche Uni-Abschlüsse. Dann hält die Pfarrerin Reverend Violet L. Dease eine glühende Predigt. Die Gemeindeglieder rufen «Oh, yeah, my Lord» und «Amen», sie applaudieren, der Chor singt kraftvollen Gospel und eindrückliche Hymnen, die Gemeinde klatscht und macht mit. Ein wunder- barer Abschluss unseres USA-Abenteu- ers. They Can’t Take That Away From Me  Es scheint ja vielleicht nicht ganz ein- fach, wenn zwei ältere Herren drei Wochen lang Tag für Tag und von morgens früh bis abends spät so «nahe aufeinander» sind. Aber unsere glei- chen Interessen und die «Weisheit» des Alters, unsere sich ideal ergänzenden Stärken, Toleranz und Humor, gegen- seitiger Respekt und Verständnis haben diese wirklich einmalige Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen. Thank you, Hans! WernerEichenberger Jazz-Blues-Kunst-Reise  29. April bis 18. Mai 2009 New Orleans: 3 Tage Jazz & Heritage Festival, Stadtbesichtigung, River-Boat- Fahrt auf dem Mississippi, Bourbon Street, French Quarter, Louis Armstrong Park. Memphis: Graceland (Elvis Presley), Mississippi-Cruise, Beale Street; W.C. Handy Park. Chicago: Stadtbesichtigung, Millennium Park; Architecture Cruise Chicago River; Oak Park: Frank Lloyd Wright Studio; Mu- seum of Contemporary Art, Art Institute; Jazzkonzerte in Andy’s Live Jazz, Konzert Chicago Symphony Orchestra, Blues-Kon- zerte in Rosa’s Blues Lounge und Buddy Guy’s Legends. New York: Stadtbesichtigungen mit Times Square, Financial District, Ground Zero, Empire State Building, Grand Central Sta- tion, Greenwich Village, New York Times, Hotel Pennsylvania, Madison Square Gar- den, Central Park; Museum of Modern Art, Guggenheim Museum, Neue Galerie; Rush Hour Concert New York Symphonic; Jazz- Konzerte St. Nick’s, Lincoln Center, Blue Note, Birdland; Gospel-Mass First Abyssi- nian Baptist Church.

Transcript of Swing That Music – auf den Spuren von Jazz und Blues · j Jazz-Blues-Kunst-Reise durch die ......

Burgdorf3. Jahrgang Ausgabe Nr. 30 Dienstag, 11. August 2009 «D’REGION» Seite 3

j  Jazz-Blues-Kunst-Reise durch die USA

Jazzfan bin ich seit den 1960er-Jahren: Meine allererste Platte war von den Dixieland-Kings, als Gymnasiast hörte ich Konzerte mit amerikanischen Stars wie Thelonious Monk, Erroll Garner oder Earl Hines. Und seit fünfzehn Jah-ren spiele ich Gitarre in der Old Man River Jazzband. Einmal nach New Orleans fahren, den Geburtsort des Jazz sehn – überhaupt eine Jazzreise durch die USA: Das wollte ich schon lange. Starten sollte das Pro-jekt mit dem Jazz & Heritage Festival in New Orleans. Hans Kaufmann, Posau-nist unserer Band und ebenfalls gros-ser Jazzfan, liess sich von meiner Idee begeistern – und miteinander erlebten wir die wohl verrücktesten drei Wochen unseres Lebens: Zwei Pensionierte auf Jazz-Spurensuche, jeden Morgen um halb neun auf der Piste. Und meist erst um Mitternacht im Bett.

Strike Up The BandElf Bühnen hat das Jazz & Heritage Festival, unzählige Verpflegungs- und Getränkestände, Kunstbuden und Ver-kaufsläden, CD-Shops und Spielplätze, Infostände und Reihen von Toilettenbo-

Werner Eichenberger (links) und Hans Kaufmann am Old Man River in New Orleans, der Geburtsstätte ihrer Musik. Bilder: zvg

Swing That Music – auf den Spuren von Jazz und BluesDie Burgdorfer Hans Kaufmann und Werner Eichenberger waren kürzlich drei Wochen unterwegs in den USA

Jazz & Heritage Festival New Orleans: Die Memorial-Band «Remembering the Miles Davis classic Kind of Blue».

St. Nick’s Jazz Pub in Harlem: The Melvin Vines Kortet – hier lebt der Jazz, jeden Tag!

Audio-Tour zu Frank Lloyd Wrights Häuern in Oak Park: Da schlägt des Architekten Herz höher.

Mitternacht am Times Square: New York, the city that never sleeps.

xen. Zehntausende tummeln sich fried-lich auf dem riesigen Areal: Jung und Alt, «Black, Brown and Beige», Dünne und Dicke… soooo dicke, dass sie zu zweit drei Stühle brauchen. Viele haben Feldsessel dabei oder markieren mit Decken ein paar Square-Yards als ihr Terrain. Es duftet nach Soul-Food und Curry, nach Popcorn, Fisch und Chips, nach Hamburger und heissem Fett – und von überall her erklingt Musik. Auf den Open-Air-Bühnen und in den Zelten wechseln zwischen 11 und 19 Uhr die Bands im Stundentakt! Auf einer Bühne gibts die ganz grossen Acts, Dr. John oder Los Lobos, Emmylou Harris oder Bon Jovi, in einer anderen Ecke Country, Rock, Cajun und Zydeco, auf dem Congo Square klingts afrika-nisch, im einen Jazz-Tent ertönt moder-ner Jazz, im anderen traditioneller, es

gibt ein Blues-Tent, ein Gospel-Zelt, es herrscht buntes Treiben von «Mardi Gras Indians» und Marching Bands – es ist schlicht unglaublich! Pendeln zwi-schen den Bühnen ist unumgänglich.Am liebsten hören wir modernen Jazz – schätzen aber auch die traditionellen Bands: die «Last Straws», eine Formati-on älterer Herren in Strohhüten, «Louis Ford and his Dixieland Flairs» – oder die «Preservation Hall Jazzband». Das Programm im modernen Jazz ist gewaltig: Wir erleben an den drei Tagen phantastische Konzerte! Unter anderen mit dem Posaunisten Delfeayo Marsa-lis und seinem Bruder Jason, mit den «Newport Allstars» des Pianisten George Wein, mit dem Trio von Ellis Marsa-lis, dem Vater von Winton, Branford, Delfeayo und Jason – oder das Konzert zum 50-Jahr-Jubiläum von Miles Davis’ «Kind of Blue», der wohl berühmtesten Jazzplatte: Am Schlagzeug Billy Cobb, der einzige noch lebende Musiker der damaligen Aufnahme-Session, mit dabei fünf Stars des aktuellen Jazz. Die Band spielt alle Titel der Platte, von «Freddie Freeloader» über «So What» hin zu «All Blues». Umwerfend!

Old Man RiverDas Stadtzentrum – von Hurrikan Katri-na verschont – ist lebendig und pulsie-rend wie eh. Im French Quarter stehen die typischen Häuser mit den schmiede- eisernen Balkonen, auf den Strassen

überall Bands unterschiedlicher Stilrich-tungen. Und dann der Mississippi und die Fahrt mit der Natchez, einem der wenigen erhaltenen Dampfboote mit mächtigem Schaufelrad: Hey! Wir sind am Old Man

River – der unserer Band den Namen gegeben hat! «Dass ich das noch erleben darf», meint Hans… ein wirklich emotio- naler Moment.

Sweet Home ChicagoChicago ist die Stadt der Wolkenkratzer. Wir beide, vor allem Hans als Architekt, geniessen die Architecture Cruise: Die spannende Schiffstour führt über den Chicago River, vorbei an unzähligen markanten Wolkenkratzern. Nächstes Highlight: Oak Park, wo Frank Lloyd Wright, der grosse, stilbildende Architekt, in den 1910er-Jahren wohnte und arbeitete – und wo einige seiner Häuser noch heute stehen. Wir machen eine «Self Guided Tour» durchs Quar-tier, ausgerüstet mit Plan, MP3-Play- er und Kopfhörer: Faszinierend, die Häuser von FLW in natura zu sehen, Häuser, denen wir schon auf Plänen, Skizzen und Fotos begegnet sind.Louvre Paris, Art Gallery London, Pina-kothek München… gut und recht! Aber das Art Institute of Chicago schlägt sie um Längen: Die Sammlung ist unglaublich vielfältig – eine solche Fülle berühmter Bilder von Monet, Seurat, van Gogh, Vallotton, Cézanne, Toulouse-

Lautrec, Turner haben wir noch nie gesehen! Chicago ist natürlich auch die Stadt des Blues – so gehören für mich Blues zum Programm. Hans liebts auch klassisch und besucht ein Konzert des Chicago Symphony Orchestra. Beim Nachtessen komme ich mit Aryst, dem Kellner, ins Gespräch: Als ich Rosa’s Blues Lounge erwähne, beginnt er zu strahlen. Er spielt Blues Harp, ist eigentlich Grafiker, hat für den Club den Schriftzug gestal-tet und jobbt bloss zwischenzeitlich im Hotel. Er ruft den Besitzer des Clubs an – und ich werde auf die Guest List gesetzt. Mit einem «Hi, I’m Werner from Switzerland, Aryst’s friend» komme ich gratis in den traditionsreichen Blues-Club… ich glaub es nicht!

Take The A-Train Am ersten Tag in New York landen wir spätabends in einer Bar. Unsere «komische» Sprache fällt der Barmaid auf: Nach einem «Hey, where are you from?» erzählen wir von unserer Jazz-reise – und erhalten einen heissen Tipp: St. Nick’s Jazz Pub in Harlem, Nicholas Avenue, Höhe 149. Street.Also fahren wir am nächsten Abend für ein Konzert nach Harlem – und zwar mit der Linie A der Untergrundbahn: «Take The A-Train», wie der Titel von Duke Ellington. St. Nick’s entspricht so ziemlich allen Klischees, die man von einem Jazz-Club in Harlem hat: viel Volk, laute Musik ab CD, der Barkeeper gross und dick, alles etwas schmudde-lig... Wir kommen mit zwei schwarzen Ladys ins Gespräch – und als ich ihnen das Bild vom A-Train auf der Kame-

ra zeige, gibts Applaus. Bald beginnt ein groovendes Konzert mit dem Mel-vin Vines Kortet, ergänzt durch den spontanen Auftritt einer Sängerin. Die Stimmung ist umwerfend, improvisiert, lebendig: alles, was Jazz ausmacht.

Lullaby Of BirdlandDer Höhepunkt: Wir haben einen Premi-um-Table im wohl berühmtesten Jazz-club der Welt, im Blue Note, reserviert, geniessen ein perfektes Jambalaya und hören ein Konzert der Brüder Heath, Jimmy am Saxofon, Albert «Tootie» an den Drums. Die beiden älteren Herren (82 und 78) legen mit ihrem Quartet ein wunderbares Set hin. Hans meint: «Das isch no Musig, wo me versteit!»

Just A Closer Walk With TheeAm letzten Tag wollen wir in der First Abyssinian Baptist Church eine Gos-pel-Messe besuchen. Als wir in Har-lem ankommen, steht da bereits eine Menschenschlange von mehr als einem Block! Ein älterer Schwarzer erklärt, dass die Leute «behind the corner most likely» nicht mehr zum 9-Uhr-Gottes-dienst eingelassen würden. Also warten wir auf die 11-Uhr-Messe, was Hans

zur Bemerkung veranlasst: «Auso, fürne Predig bini miner Läbtig no nie drei Stunde agstange!» Im Parterre der Kirche die schwarzen Kirchgänger, alle herausgeputzt und in schönsten Sonntagskleidern: die Damen mit prachtvollen Hüten, die Herren mit Anzug und Krawatte. Vorne in violet-ten, langen Gewändern der Chor – auf der Empore viele Besucher. Fast genau so, wie wir es uns vorgestellt haben,

läuft der Gottesdienst ab: Die Gemein-de nimmt lautstark und rege Anteil an den Mitteilungen über Krankheiten der Brothers and Sisters, über Todes-fälle und erfolgreiche Uni-Abschlüsse. Dann hält die Pfarrerin Reverend Violet L. Dease eine glühende Predigt. Die Gemeindeglieder rufen «Oh, yeah, my Lord» und «Amen», sie applaudieren, der Chor singt kraftvollen Gospel und eindrückliche Hymnen, die Gemeinde klatscht und macht mit. Ein wunder-barer Abschluss unseres USA-Abenteu-ers.

They Can’t Take That Away From Me Es scheint ja vielleicht nicht ganz ein-fach, wenn zwei ältere Herren drei Wochen lang Tag für Tag und von morgens früh bis abends spät so «nahe aufeinander» sind. Aber unsere glei-chen Interessen und die «Weisheit» des Alters, unsere sich ideal ergänzenden Stärken, Toleranz und Humor, gegen-seitiger Respekt und Verständnis haben diese wirklich einmalige Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen. Thank you, Hans!� Werner�Eichenberger

Jazz-Blues-Kunst-Reise 29. April bis 18. Mai 2009New Orleans: 3 Tage Jazz & Heritage Festival, Stadtbesichtigung, River-Boat-Fahrt auf dem Mississippi, Bourbon Street, French Quarter, Louis Armstrong Park. Memphis: Graceland (Elvis Presley), Mississippi-Cruise, Beale Street; W.C. Handy Park.Chicago: Stadtbesichtigung, Millennium Park; Architecture Cruise Chicago River; Oak Park: Frank Lloyd Wright Studio; Mu-seum of Contemporary Art, Art Institute; Jazzkonzerte in Andy’s Live Jazz, Konzert Chicago Symphony Orchestra, Blues-Kon-zerte in Rosa’s Blues Lounge und Buddy Guy’s Legends.New York: Stadtbesichtigungen mit Times Square, Financial District, Ground Zero, Empire State Building, Grand Central Sta-tion, Greenwich Village, New York Times, Hotel Pennsylvania, Madison Square Gar-den, Central Park; Museum of Modern Art, Guggenheim Museum, Neue Galerie; Rush Hour Concert New York Symphonic; Jazz-Konzerte St. Nick’s, Lincoln Center, Blue Note, Birdland; Gospel-Mass First Abyssi-nian Baptist Church.