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DIPLOMA PRIVATE STAATLICH ANERKANNTE HOCHSCHULE University of Applied Sciences Wirth Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung Studienheft Nr. 879 2. Auflage 06/2019 Leseprobe

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DIPLOMAPRIVATE STAATLICH ANERKANNTE HOCHSCHULE

U n i v e r s i t y o f A p p l i e d S c i e n c e s

Wirth

Systemische Beratung und

lösungsorientierte Gesprächsführung

Studienheft Nr. 879

2. Auflage 06/2019

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Verfasser

Prof. Dr. phil. Jan V. Wirth (Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge (FH), NLP-Practitio-

ner (DVNLP), freiberuflicher Praxis- und Teamberater)

Studiengangsleitung „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit“ (M.A.) an der DIPLOMA Hoch-schule

© By DIPLOMA Private Hochschulgesellschaft mbHDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Syste-me verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 3 Studienheft Nr. 879

Hinweise zur Arbeit mit diesem Studienheft Der Inhalt dieses Studienheftes unterscheidet sich von einem Lehrbuch, da er speziell für das Selbststudium aufgearbeitet ist. In der Regel beginnt die Bearbeitung mit einer Information über den Inhalt des Lehrstoffes. Diese Auskunft gibt Ihnen das Inhaltsverzeichnis. Beim Erschließen neuer Inhalte finden Sie meist Begriffe, die Ihnen bisher unbekannt sind. Die wichtigsten Fachbegriffe werden Ihnen übersichtlich in einem dem Inhaltsverzeichnis nach-gestellten Glossar erläutert. Den einzelnen Kapiteln sind Lernziele vorangestellt. Sie dienen als Orientierungshilfe und er-möglichen Ihnen die Überprüfung Ihrer Lernerfolge. Setzen Sie sich aktiv mit dem Text aus-einander, indem Sie sich Wichtiges mit farbigen Stiften kennzeichnen. Betrachten Sie dieses Studienheft nicht als “schönes Buch”, das nicht verändert werden darf. Es ist ein Arbeitsheft, mit und in dem Sie arbeiten sollen. Zur besseren Orientierung haben wir Merksätze bzw. besonders wichtige Aussagen durch Fettdruck und/oder Einzug hervorgehoben. Lassen Sie sich nicht beunruhigen, wenn Sie Sachverhalte finden, die zunächst noch unver-ständlich für Sie sind. Diese Probleme sind bei der ersten Begegnung mit neuem Stoff ganz normal. Nach jedem größeren Lernabschnitt haben wir Übungsaufgaben eingearbeitet, die mit „SK = Selbstkontrolle“ gekennzeichnet sind. Sie sollen der Vertiefung und Festigung der Lerninhalte dienen. Versuchen Sie, die ersten Aufgaben zu lösen und die Fragen zu beantworten. Dabei werden Sie teilweise feststellen, dass das dazu erforderliche Wissen nach dem ersten Durchar-beiten des Lehrstoffes noch nicht vorhanden ist. Gehen Sie diesen Inhalten noch einmal nach, d. h. durchsuchen Sie die Seiten gezielt nach den erforderlichen Informationen. Bereits während der Bearbeitung einer Frage sollten Sie die eigene Antwort schriftlich festhal-ten. Erst nach der vollständigen Beantwortung vergleichen Sie Ihre Lösung mit dem am Ende des Studienheftes angegebenen Lösungsangebot. Stellen Sie dabei fest, dass Ihre eigene Antwort unvollständig oder falsch ist, müssen Sie sich nochmals um die Aufgabe bemühen. Versuchen Sie, jedes behandelte Thema vollständig zu verstehen. Es bringt nichts, Wissenslücken durch Umblättern zu beseitigen. In vielen Stu-dienfächern baut der spätere Stoff auf vorhergehendem auf. Kleine Lücken in den Grundlagen verursachen deshalb große Lücken in den Anwendungen. Zudem enthält jedes Studienheft Literaturhinweise. Sie sollten diese Hinweise als ergänzende und vertiefende Literatur bei Bedarf zur Auseinandersetzung mit der jeweiligen Thematik be-trachten. Finden Sie auch nach intensivem Durcharbeiten keine zufriedenstellenden Antworten auf Ihre Fragen, geben Sie nicht auf. Wenden Sie sich in diesen Fällen schriftlich oder fern-mündlich an uns. Wir stehen Ihnen mit Ratschlägen und fachlicher Anleitung gern zur Seite. Wenn Sie ohne Zeitdruck studieren, sind Ihre Erfolge größer. Lassen Sie sich also nicht unter Zeitdruck setzen. Pausen sind wichtig für Ihren Lernfortschritt. Kein Mensch ist in der Lage,

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 4 Studienheft Nr. 879

stundenlang ohne Pause konzentriert zu arbeiten. Machen Sie also Pausen: Es kann eine kurze Pause mit einer Tasse Kaffee sein, eventuell aber auch ein Spaziergang an der frischen Luft, sodass Sie wieder etwas Abstand zu den Studienthemen gewinnen können. Abschließend noch ein formaler Hinweis: Sofern in diesem Studienheft bei Professionsbezeich-nungen und/oder Adressierungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form Verwendung findet (z. B. „Rezipienten“), sind dennoch alle sozialen Ge-schlechter, wenn kontextuell nicht anders gekennzeichnet, gemeint. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Bearbeitung dieses Studienheftes. Ihre DIPLOMA Private Hochschulgesellschaft mbH

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 5 Studienheft Nr. 879

Inhaltsverzeichnis Seite

Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................. 7

Tabellenverzeichnis ...................................................................................................................... 8

Glossar ......................................................................................................................................... 9

1 Einleitung ........................................................................................................................... 10

2 Systemisches (soziales) Arbeiten - eine Übersicht für Soziale Arbeit ...................................... 12

2.1 Vom Objektivismus über den Subjektivismus zum Konstruktivismus ............................ 12

2.2 Konsequenzen für eine systemische Forschung ........................................................... 13

2.3 Systemisches Arbeiten – einige Bausteine ................................................................... 13

2.4 Zum Unterschied zwischen systemisch und nicht-systemisch ....................................... 16

2.5 Systemische Soziale Arbeit ......................................................................................... 16

2.6 Bezugsproblem der Sozialen Arbeit ............................................................................. 18

2.7 Systemisches Handlungsmodell für die Gesprächsführung ........................................... 18

2.8 Systemische Perspektive auf Beratung und Gesprächsführung..................................... 20

2.9 Systemtherapeutische Modelle im Überblick .............................................................. 22

3 Transdisziplinäre Grundlagen der systemischen Perspektive ................................................ 24

3.1 Zur Kybernetik erster und zweiter Ordnung ................................................................ 24

3.2 Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit .............................................................................. 25

3.3 Unterschiede, die Unterschiede machen ..................................................................... 27

3.4 Das Konzept der Autopoiesis ...................................................................................... 28

4 Entwicklungsskizzen des systemischen Ansatzes .................................................................. 30

4.1 Das Kommunikationsmodell des Mental-Research-Institute ........................................ 32

4.2 Strukturelle Familientherapie (Minuchin) .................................................................... 36

4.3 Entwicklungsorientierte Familientherapie (Satir) ......................................................... 42 4.3.1 Die fünf Freiheiten des Menschen ................................................................................................ 45 4.3.2 Die Familienskulptur ..................................................................................................................... 46

4.4 Strategische Familientherapie (Erickson, Haley, Watzlawick) ....................................... 47

4.5 Mailänder Modell (Team um Palazzoli) ....................................................................... 49 4.5.1 Hypothesenbildung ....................................................................................................................... 49 4.5.2 Zirkularität ..................................................................................................................................... 50 4.5.3 Neutralität ..................................................................................................................................... 51

4.6 Das Milwaukee-Modell: lösungsorientierte Beratung und Gesprächsführung (de Shazer, Berg) 51

4.7 Narrative Modelle (Hoffmann, White, Epston) ............................................................ 54

4.8 Schulenübergreifende Übersicht über systemische Interventionsmethoden ................ 56

5 Systemische Beratung und Gesprächsführung ..................................................................... 59

5.1 Übersicht über die systemischen Interventionsmethoden innerhalb einer Beratungsbeziehung ............................................................................................................... 59

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 6 Studienheft Nr. 879

5.2 Beziehungsaufbau ...................................................................................................... 60

5.3 Über-/Verweisungskontext und Klärung des Anliegens ............................................... 60

5.4 Problembearbeitung und Lösungsebenen finden ......................................................... 63

5.5 Wirkungen und Fragetypen systemischen Fragens ...................................................... 65

5.6 Zirkuläre Fragen als Interventionsform ....................................................................... 66

5.7 Fragetechniken und Frageformen des Zirkulären Fragens ............................................ 68

5.8 Weitere Fragetechniken ............................................................................................. 70 5.8.1 Unterschiede erfragen .................................................................................................................. 70 5.8.2 Unterschiede zwischen Beschreiben, Erklären und Bewerten ...................................................... 70 5.8.3 Verflüssigung von Eigenschaften .................................................................................................. 70 5.8.4 Opfer-Täter als wechselseitige Bedingtheit .................................................................................. 70 5.8.5 Einführen der zeitlichen Dimension .............................................................................................. 70 5.8.6 Klärung von Wertfragen ................................................................................................................ 71 5.8.7 Mythen, Geschichten und Theorien .............................................................................................. 71 5.8.8 Subsysteme und Koalitionen ......................................................................................................... 71 5.8.9 Einführung der Außenperspektive in Dyaden ............................................................................... 71 5.8.10 Einführen von Rangfolgen ........................................................................................................ 71 5.8.11 Qualitative und quantitative Differenzierungen ...................................................................... 71 5.8.12 Übereinstimmungen und nicht Übereinstimmungen .............................................................. 71 5.8.13 Miteinander verknüpfte Veränderungen ................................................................................. 71 5.8.14 Der Nutzen des gegenwärtigen Zustandes ............................................................................... 71 5.8.15 Hypothetische Fragen (als-ob) ................................................................................................. 72 5.8.16 Verschlimmerungsfragen ......................................................................................................... 72 5.8.17 Beziehungen erfragen .............................................................................................................. 72

5.9 Umdeuten .................................................................................................................. 72

6 Lösungsorientierte Beratung und Gesprächsführung ........................................................... 77

6.1 Das lösungsorientierte Beratungskonzept (de Shazer, Berg et. al.) ............................... 77

6.2 Die Suche nach Lösungen – das Handwerkszeug .......................................................... 80 6.2.1 Lösungstendenzen......................................................................................................................... 81 6.2.2 Ausnahmen ................................................................................................................................... 82 6.2.3 Die Wunderfrage (als hypothetische Lösung) ............................................................................... 83 6.2.4 Universallösungen ......................................................................................................................... 84 6.2.5 Weitere hilfreiche Elemente zum Einstreuen in Gespräche (Schmitz 2016) ................................. 84 6.2.6 Das Arbeiten mit dem leeren Stuhl ............................................................................................... 85

7 Zusammenfassung und Entwicklungsaufgaben für Sie ......................................................... 87

8 Selbstevaluation (Vorlage von Widulle 2011) ...................................................................... 88

Lösung der Übungsaufgaben LÖ ......................................................................................... 89

Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 92

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 77 Studienheft Nr. 879

6 Lösungsorientierte Beratung und Gesprächsführung

Dieser Abschnitt befasst sich mit einem der jüngeren Modelle von Beratung, Gesprächsführung und Therapie. Durch den Vergleich der Grundlagen und des Handwerkszeugs dieses Modells mit mehr prob-lemorientierten Herangehensweise werden Sie in psychosozialen Beratungssituationen ein größeres Spektrum an Aktion- und Reaktionsweisen nutzen können. Lernziele: Mit diesem Abschnitt sind Sie in der Lage

die derzeitigen Probleme der Adressat*innen und Klient*innen besser und mehr als noch nicht optimale Lösungen für eine Lebenssituation oder eine Entwicklung zu würdigen wissen,

den Beratungsprozess in verschiedene Phasen einzuteilen und mit Blick auf die Beratungsnot-wendigkeiten flexibel und angemessen durchzuführen,

den Faktor Zeit für Entwicklungs- und Lösungsdynamiken besser einzuschätzen.

6.1 Das lösungsorientierte Beratungskonzept (de Shazer, Berg et. al.)

In der psychosozialen Beratung wird allgemein zu viel über Probleme gesprochen. Doch die Nutzerin und der Klient machen bereits das Beste, was sie derzeit tun können. Sie leiden nicht freiwillig.

Merke: Probleme sind Herausforderungen, die jeder Mensch auf seine persönliche Art zu bewältigen sucht.

Die lösungsorientierte Gesprächsführung hat zahlreiche Wurzeln, von denen sich insbesondere vier als fruchtbar erwiesen haben:

(Abbildung 35: Vier Wurzeln der lösungsorientierten Beratung und Gesprächsführung, Quelle: eigene Darstellung)

Lösungsorientierte Beratung und Therapie

Die Sprach-philosophie

Wittgensteins

der soziale Konstruktio-nismus von

Gergen

die kommunikations-theoretische Arbeit

des Mental Research Institutes von Watzlawick,

Weakland, Fish, Haley, Jackson und Satir

das hypnotherapeutische

Arbeitsmodell von Milton Erickson

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 78 Studienheft Nr. 879

Merke: Im Mittelpunkt der psychosozialen Beratung stehen nicht Probleme, Störungen oder Symptome, sondern angestrebte Entwicklungsrichtungen (vgl. folgende Ab-bildung aus Widulle 2011, S. 110).

Probleme und Anliegen werden durch die lösungsorientierte Gesprächsführung und Beratung nicht als verbundene, sondern zwei verschiedene Dinge bzw. Phänomene betrachtet. Gearbeitet wird mit dem Anliegen, die die Klient*innen mitbringen. Eine Haltung von Expert*innen, die bei den Nutzer*innen und Klient*innen noch weitere tiefer oder dahinter liegende Probleme, womöglich aus der frühen Kind-heit, verbietet sich. Anliegen verweisen auf Lösungen. Lösungen verweisen auf Veränderungen, die zwangsläufig, ob un-beabsichtigt oder beabsichtigt, bewusst oder unbewusst, beobachtet oder unbeobachtet vor sich gehen. Entwicklung passiert, sie lässt sich nicht aufhalten, sondern sie wird übersehen, ignoriert oder nicht mehr geglaubt.

(Abbildung 36: Kognitionstheoretischer und systemischer Problembegriff, Quelle: Widulle 2011, S. 110)

Merke: Die beraterische Hauptaufgabe besteht in der Befähigung des Klienten, sein „Problem“ in neuer Weise als Lösung und von den bereits gefundenen und noch auffindbaren Möglichkeiten her wahrzunehmen.

Für die Hilfe und Beratung von Nutzer*innen und Klient*innen ist es sinnvoll, sich den Faktor Zeit ins Gedächtnis zu rufen. Lösungsorientierte Beratung und Gesprächsführung will kurzzeitorientierte Bera-tung sein. Psychosoziale Beratung etwa verbraucht Zeit, viel Zeit, wenn sie sich thematisch im Kreis dreht, wenn sie sich zu viel mit der Vergangenheit beschäftigt, wenn sie sich zu viel mit unlösbaren Problemen beschäftigt, wenn sie sich zu viel mit Themen beschäftigt, die andere besser bearbeiten kön-nen. Drei Grundregeln leiten die lösungsorientierte Gesprächsführung und Beratung:

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 79 Studienheft Nr. 879

(Abbildung 37: 3 Grundregeln der lösungs-orientierten Beratung, Quelle: Berg 1992; 2010, S. 30)

Obwohl dieser Cartoon die hier sehr kurze Dauer der Kompaktberatung übertreibt, hilft er doch, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Zeit bei der Beratung zu lenken:

(Abbildung 38: Lösungsorientierte Beratung ist KURZZEIT-Beratung, Quelle: Ertelt und Schulz 2015, S. 238)

Grundregeln der lösungs-

orientierten Beratung

Nichts reparieren, was nicht kaputt ist.

Mehr von dem tun, was klappt.

Aufhören mit dem, was mehrfach nicht geklappt

hat: Etwas anderes versuchen!

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 80 Studienheft Nr. 879

Beratungen seien lösungsorientiert, wenn der größte Teil der Beratungszeit folgende Gesprächsschwer-punkte habe (Schmitz 2009, S. 20):

die angestrebte Entwicklungsrichtung der Klientin, die ersten kleinen Schritte, die getan sind, das, was sich im Leben der Klientin verändern wird, wenn es weiter in die angestrebte Richtung

geht, den Grad der Zuversicht, den die Klientin und bedeutsame Andere haben, der gute Umgang mit ähnlichen Situationen in der Vergangenheit, Modelle und Vorbilder der Klientin, der nächste kleine Schritt, der richtige Zeitpunkt, das Gute am bisherigen „Schlechten“.

Merke: Grundannahme: Kein Mensch handelt aus Bosheit destruktiv. Jeder macht von sich aus gesehen das Bestmögliche, er handelt so, weil er im Moment nicht anders handeln kann, weil ihm nichts Besseres einfällt. Jedes Verhalten ist immer ein Lö-sungsversuch, manchmal mit negativen Auswirkungen (Baeschlin und Baeschlin 2008, S. 16).

6.2 Die Suche nach Lösungen – das Handwerkszeug

Für den Prozess des lösungsorientierten Vorgehens stellen sich nach Bamberger folgende Leitfragen (1999, S. 26):

Wie kann der Zugang zu den Kompetenzen und Ressourcen überhaupt gelingen? Wie sieht eine synergetische Nutzung dieser Potentiale im Sinne einer Problemlösung aus? Wie lässt sich das, was dann gelöst ist, als dauerhafte Verhaltensänderung sichern?

Bamberger empfiehlt ein Modell von Handlungsphasen in der folgenden Reihenfolge auf der Zeitachse:

(Abbildung 39: Handlungsphasen-Modell, Quelle: eigene Darstellung, nach Bamberger 1999, S. 26)

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 81 Studienheft Nr. 879

In der ersten Gesprächs-Sitzung, in der die ersten drei Phasen integriert sind, geht es, so Bamberger (1999, S. 27) im Detail um folende Themen:

Sich-Kennenlernen, erste Orientierung, Problemverstehen, Exploration von Ausnahmen, hypothetischen Lösungen und sonstigen Veränderungspotentia-

len, Reflexion einer geeigneten Intervention („Nachdenkpause“) Kommunikation des Lösungsvorschlags.

Die zweite Gesprächssitzung und alle weiteren beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit „evaluativen“ Fragen (ebda.):

Was hat sich verändert? Wie ist es besser geworden? Wer hat darauf wie reagiert? Welche Veränderungsschritte werden als nächste folgen? Sind Modifikationen des Lösungsvorschlags notwendig? Kann die Beratung beendet werden?

Unterschiede, Entwicklungsrichtungen und Lösungstendenzen lassen sich in der lösungsorientierten Beratung mithilfe bestimmter Schlüsselfragen herausarbeiten (Bamberger 1999, S. 44):

„Was hat sich seit der Anmeldung zur Beratung und dem heutigen ersten Gespräch vielleicht schon verändert?“ (Lösungstendenzen)

„Gibt es auch Zeiten, in denen das Problem weniger stark oder vielleicht sogar überhaupt nicht auftritt?“ (Ausnahmen)

„Was wäre im Verhalten des Klienten anders, wenn durch ein Wunder das Problem plötzlich gelöst wäre?“ (Hypothetische Lösungen)

„Gibt es auch irgendwelche positiven Aspekte dadurch, dass dieses Problem existiert?“ (Um-deutungen, siehe Reframing)

„Gibt es etwas, irgendetwas, das bezüglich des relevanten Interaktionsmusters anders gemacht werden könnte?“ (Universallösung)

Wenn Klient*innen die psychosoziale Beratung aufsuchen, haben sie bereits einige Schritte unternom-men, um sich von den Problemen oder Störungen zu befreien. Die Suche nach Lösung Richtungen be-ginnt deshalb mit der Lenkung der Aufmerksamkeit darauf, wie es zu diesen Schritten und dieser Ent-scheidung gekommen ist. Auch zwischen der Terminfindung und dem Beratungsgespräch liegt oft eine gewisse Zeit, in der sich nach den Grundannahmen der lösungsorientierte Beratung und Gesprächsfüh-rung schon Veränderungen ergeben haben (können) bzw. diese bereits suggeriert werden können: Beispiel: Von Milton Erickson wird berichtet, dass dieser diese Veränderungsmöglichkeit schon vor der eigentli-chen Beratung geradezu suggeriert hat - und zwar mit dem Appell an den Klienten, den vereinbarten Termin unbedingt wahrzunehmen, auch wenn sich in der Zwischenzeit schon Ansätze für eine Lösung abzeichnen sollten. Tatsache ist, dass Klienten häufig schon von Veränderungen vor der Beratung be-richten, wenn sie danach gefragt und zu entsprechenden Suchprozessen angeregt werden (aus Eberling und Hargens 1996).

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 82 Studienheft Nr. 879

„Tatsache ist, daß Klienten häufig schon von Veränderungen vor der Beratung berichten, wenn sie danach gefragt und zu entsprechenden Suchprozessen angeregt werden.“ (Bam-berger 1999; S. 45)

Beispiel (für Lösungsrichtung eruieren mittels Skalierungsfrage; nach Berg und Miller 2004, S. 101): B/T: „Sagen wir, 10 steht dafür, wie Sie Ihr Leben gerne hätten, wenn Sie das Problem, das Sie herge-bracht hat, gelöst haben, und 1 steht dafür, wie schlimm alles war, als Sie zum Telefonhörer griffen, um die Sitzung hier zu verabreden, wo liegt dann Ihrer Meinung nach heute das Problem zwischen 1 und 10?“ Klient: „Ich würde sagen, es ist bei 3.“ Therapeut: „Was haben Sie gemacht, um in der kurzen Zeit von 1 auf 3 hochzukommen?“ Klient: „Ich mußte es tun. Mein Leben war ein einziges Chaos. Mein Mann und ich hatten ein langes Gespräch.“ Therapeut: „Ist das ungewöhnlich für Sie, solch ein langes Gespräch zu haben?“ Klient: „Seit Jahren das erste Mal.“ Therapeut: „Was haben Sie sonst noch gemacht, um von 1 auf 3 hochzukommen?“

Merke: Niemand verhält sich zu allen Zeiten (an verschiedenen Orten) in der gleichen Weise.

Leute, die dauerhaft betroffen sind von Problemen und Leiden, neigen dazu, diese und ihre vermeintli-chen Ursachen als zunehmend real existent wahrzunehmen. Aussagen oder Botschaften wie „Ich bin ein Versager.“, „Das ist doch alles sinnlos.“, „Es war mit mir noch nie anders.“ sind vielen Berater*in-nen bekannt. Jedoch sind diese Phänomene wie andere Phänomene immer an bestimmte Kontexte, Be-dingungen und Umstände geknüpft, die sich ändern bzw. unterscheiden lassen. Beispiel: B/T: „Gab es jemals eine Zeit, zu der Sie Selbstsicherheit hatten?“ K: „Nein.“ B/T: „Sie wollen mir erzählen, daß Sie sich niemals in Ihrem ganzen Leben selbst vertraut haben?“ K: „Richtig.“ B/T: „Nicht bei einer einzigen Gelegenheit?“ K: „Nein.“ B/T: „Sind Sie sicher?“ K: „Ja, absolut!“ (nach Bandler, z.n. O'Connor und Seymour 2010, S. 162f). Beispiele für Fragen der Berater*innen nach Ausnahmen (Bamberger 1999, 47): „Was ist der Unterschied zwischen den Situationen, in denen das Problem stärker von Ihnen Besitz ergreift, und solchen, in denen Sie es schwächer erleben?“ „Wer, außer Ihnen, hat am meisten Einfluß darauf, ob das Problem nun stärker oder schwächer ist?“ „Zu wieviel Prozent schätzen Sie sich gegenwärtig als psychisch krank ein - und zu wieviel Prozent als gesund?“ „Was ist der Unterschied zwischen den Situationen, in denen das Problem stärker von Ihnen Besitz ergreift, und solchen, in denen Sie es schwächer erleben?“

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 83 Studienheft Nr. 879

„Wer, außer Ihnen, hat am meisten Einfluß darauf, ob das Problem nun stärker oder schwächer ist?“ „Zu wieviel Prozent schätzen Sie sich gegenwärtig als psychisch krank ein - und zu wieviel Prozent als gesund?“ „Als Sie sich zuletzt besser gefühlt haben, was wäre mir da in Ihrem Verhalten als erstes aufgefallen?“ „Gibt es Zeiten, wo schon ein klein wenig von dem geschieht, was Sie sich als Ziel vorgenommen ha-ben? Woran kann ein Außenstehender dies erkennen?“ „Bei solchen Problemen erlebe ich häufig, daß sich die Dinge rasch verschlechtern. Bei Ihnen sehe ich das nicht. Wie schaffen Sie das, was machen Sie anders als die anderen „Als Sie sich zuletzt besser gefühlt haben, was wäre mir da in Ihrem Verhalten als erstes aufgefallen?“ „Gibt es Zeiten, wo schon ein klein wenig von dem geschieht, was Sie sich als Ziel vorgenommen ha-ben? Woran kann ein Außenstehender dies erkennen?“ „Bei solchen Problemen erlebe ich häufig, daß sich die Dinge rasch verschlechtern. Bei Ihnen sehe ich das nicht. Wie schaffen Sie das, was machen Sie anders als die anderen?“

Wenn Veränderungen nicht beobachtbar oder beschreibbar sind, greifen wir zu einer der bekanntesten Interventionen der lösungsorientierten Beratung, der Wunderfrage als Form der hypothetischen Lösung. Hypothetische Lösungen sind Lösungen in der Zukunft, gewissermaßen der Sonderfall einer Ausnahme, die noch nicht passiert ist. Beispiel für eine Wunderfrage (Baeschlin und Baeschlin 2008, S. 25): „Stell dir vor, du gehst heute Abend zu Bett und während du schläfst geschieht ein Wunder. Das Prob-lem, das dich heute zu mir gebracht hat, ist gelöst. Weil du aber geschlafen hast, weißt du nicht, dass dieses Wunder geschehen ist, aber du merkst es irgendwann. Woran würdest du nach dem Erwachen zuerst merken, dass dieses Wunder geschehen ist?” Phasenabfolge der Wunderfrage (nach de Shazer u. Dolan, z.n. nach Hahn 2012f.):

Einleitung: Hinweis, jetzt komme eine schwierige, ungewöhnliche Frage, die etwas Imagination erfordert (Vorwegnahme von Einwänden; Anreiz, sich auf Imagination einzustellen,

Einbetten in den Alltag – etwa zu Hause, am Abend, beim Einschlafen …: »Stellen Sie sich vor …«

Suggestion eines Wunders, das sich unbemerkt vom Klienten, während er schläft, vollzieht: »In der Nacht dann, während sie schlafen, geschieht ein Wunder. Das Wunder bewirkt, dass die Probleme, derentwegen Sie heute hier sind, weg sind wie durch einen Fingerschnipp.« (Der Ressourcenzugang soll auf intuitiver Ebene, jenseits der einschränkenden alltäglichen Glauben-systeme, freigelegt werden).

Übersetzung in sinnliche Erfahrung im interaktionellen Kontext: »Woran werden Sie, Ihre Frau, Ihre Kinder dann am nächsten Morgen, wenn Sie aufwachen, merken, dass das Wunder gesche-hen ist«? (Lösungsphysiologie: Klienten atmen ruhiger, der Blick ist defokussiert, die Stim-mung verändert sich zum Positiven.) Wenn der Therapeut abwartet und mehrfach nachfragt – »Was noch…?« »Was noch …?« – wird über konkrete interaktionelle Details des Lösungserle-bens im Alltag berichtet, die für den weiteren Therapieprozess sehr hilfreich sind.

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 84 Studienheft Nr. 879

Ausweiten und Festigen der Erfahrung, Stabilisierung der neuen neuronalen Lösungsmuster-Verknüpfungen: Verwendet werden insbesondere zirkuläre, lösungsorientierte Anschlussfra-gen, Zirkuläres Fragen, Was das allererste Anzeichen nach dem Aufwachen ist, wer am ehesten das Wunder bemerkt (Wechsel der Zeitform von der hypothetischen, futurischen Möglichkeits-form in die konstatierende – indikativische – Präsensform), wer dann was anders macht, welche Auswirkungen das Wunder auf den Tag hat, die Woche, das ganze Leben (damit werden die Vorteile der Lösung erkennbar, aber auch die Preise, die gezahlt werden müssen beim Erreichen der Lösung), danach Schwenk des Fragefokus in Richtung schon vorhandener Ausnahmen vom Problem und Skalieren der gegenwärtigen Situation mit der 10 (= Tag nach dem Wunder),

„Die Wunderfrage kann als gelungenes Lehrbeispiel dafür angesehen werden, wel-che Wirkkraft die Kombination hypnotherapeutischer ericksonscher Ansätze der Lö-sungs- und Ressourcenorientierung mit systemisch-konstruktivistisch en Ansätzen der modernen systemischen Theorie und Praxis entfalten kann.“(ebd.)

Merke: Die Wunderfrage dient dazu, eine neue Wirklichkeit zu konstruieren. Es entstehen Vorstellungen und Visionen, die bedingt durch die Last der Probleme noch bzw. nicht mehr sichtbar sind.

Im Anschluss an die Wunderfrage stellen wir meist eine Skala-Frage: Beispiel für eine Skalafrage nach der Wunderfrage: „Stell dir eine Skala von 0–10 vor. Wenn 10 dafürsteht, wie es wäre, wenn das Problem vollständig gelöst ist und 0 für das Gegenteil, wo befindest du dich jetzt auf dieser Skala.” Oder in Bezug zum Wunder: „Auf einer Skala von 0–10 steht die 10 für das Wunder und 0 steht für das Gegenteil. Wo stehst du jetzt auf dieser Skala?” – Nehmen wir an, der Gesprächspartner antworte mit 4, sodann könnten wir fragen und damit zugleich wertschätzen, wie es gelungen ist, „auf die Stufe vier zu gelangen?“

Bamberger bemerkt, dass wir, wenn alles nichts hilft, noch zur Universallösung greifen können (1999, S. 78):

„Was auch immer die Ursache eines Problems sein mag, seine Fortdauer hat etwas mit dem Kontext zu tun, in dem es auftritt, und hängt mit der subjektiven Überzeugung des Klienten zusammen, daß er das ihm zur Verfügung stehende Verhaltensrepertoire zur Lösung des Problems ausgeschöpft habe. Insofern muß die Intervention darauf abzielen, dem Klienten zu helfen, irgendeine Veränderung in diesen Kontext einzubringen - sei es bezüglich der si-tuativen Bedingungen, des Problemverhaltens selber und/oder der Interpretation der rele-vanten Aspekte.“

Merke: „Wiederhole nicht, was nicht funktioniert. Mach‘ etwas anderes!“ (Berg, z.n. Kleve 1999; 2007, S. 234).

1. Was ist dein nächster Schritt? 2. Wer kann dir dabei helfen? 3. Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 85 Studienheft Nr. 879

1. Wer kennt dich gut? 2. Was würde diese Person dir raten? 3. Was davon könntest du annehmen?

1. Welche Umstände haben dir geholfen? 2. Welche Person hat dir geholfen? 3. In welcher Situation ist es besser?

1. Wie würde dein Umfeld/deine Freundin/deine Familie reagieren, wenn es besser wird? 2. Wer traut dir am ehesten eine Verbesserung zu? 3. Was sieht diese Person bei dir?

1. Wenn du an meiner Stelle wärest, was würdest du selbst für einen Rat geben? 2. Wie könnte man das doch kleiner oder leichter machen? 3. Was davon würdest du befolgen und was nicht?

Mithilfe dieser Methode kann in einer psychosozialen Beratung eine wesentliche, jedoch nicht unmit-telbar anwesende Person mithilfe eines leeren Stuhles in das Gespräch „hereingeholt“ werden kann. Das wesentliche Moment dieser Methode ist die nähere Beleuchtung der Beziehung zu dieser Person. Sie wird kombiniert mit dem zirkulären Fragen und bietet sich an, wenn das einfache zirkuläre Fragen nicht intensiv genug ist, um die Beziehung in einer pragmatischen und lösungsorientierten Weise zu beleuch-ten.

Merke: Das Arbeiten mit dem leeren Stuhl verbindet den konstruktivistischen Aspekt der systemischen Beratung und Therapie mit der hypnotherapeutisch intensivsten Form des zirkulären Fragens.

B/T fragt: „Wenn dein Vater jetzt hier sitzen würde, wie würde er die Frage beantworten?“ „Wenn Ihr Mann hier gewesen wäre, hätte er noch etwas Anderes erzählt?“ „Wenn ich gleich deine Mutter frage, wie es dir geht, was, denkst du, wird sie mir sagen?“ Diese Technik lässt sich auch anwenden, wenn der Beratungsprozess ins Stocken gerät: „Wenn wir einen neutralen Beobachter bei unserem Gespräch dabeihätten und ich ihn nun fragen würde, was jeder von uns mehr tun müsste, um bei der Lösungssuche wirklich gut voranzukommen, was würde er jetzt wohl mir und was wohl Ihnen empfehlen?“ „Ich würde Sie gerne zu einem gedanklichen Spiel einladen, das mir helfen könnte, etwas besser zu verstehen: Stellen Sie sich vor, wir würden jetzt die Sitzplätze tauschen - Sie wären der Berater, und ich hätte Sie aufgesucht. Was müsste ich dann anders machen, um für einen Außenstehenden wirklich als 'der Klient' erkannt zu werden? Und was würden Sie selber tun, damit man Sie als 'den Berater' ansieht?“

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 86 Studienheft Nr. 879

Übungsaufgaben zur Selbstkontrolle SK

18. Frage: Weshalb sollte eine psychosoziale Beratung eher kürzer als länger sein?

19. Frage: Beurteilen Sie die Grundannahme, dass kein Mensch aus Bosheit destruktiv handelt.

20. Frage: Erläutern Sie die Abbildung 35 mit eigenen Worten.

21. Frage: Welche Anforderungen hat die gelungene Anwendung der Wunderfrage an die Kli-

ent*innen?

22. Frage: Beurteilen Sie die Universallösung „wiederhole nicht, was nicht funktioniert“ nach fach-

lichen Gesichtspunkten.

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Systemische Beratung und lösungsorientierte Gesprächsführung

i. d. F. v. 14.06.2019 Seite 91 Studienheft Nr. 879

wie steht deine Familie dazu? - Hypothetische Fragen: Angenommen, es läge ganz in deiner Hand, was würdest du sofort ändern können? - Paradoxe Fragen: was könntest du tun, um die Situation deines Selbststudiums zu verschlimmern? - „Verrückte“ Fragen: welche Rückmel-dung würde dir dein Arbeitsplatz zu Hause geben, wenn er sprechen könnte, wie du dein Selbst-studium betreibst?

16. „Angenommen, die Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern soll sich weiter verschlim-mern, was könnten Sie als einzelnes Teammitglied tun?“

17. Wer geizig ist, ist oft auch sparsam, hat für Notzeiten vorgesorgt, liegt seinen Freunden nicht auf der Tasche, hat vielleicht viel zu vererben.

18. Vor dem Hintergrund, dass Klient*innen bereits seit längerer Zeit intensiv an der Problembe-hebung oder Problemlösung interessiert sind bzw. arbeiten, mit einiger Sicherheit einen bereits längeren Leidensweg hinter sich haben, dürfte es von erheblicher Bedeutung sein, wie schnell sich ein deutliches Gefühl der Verbesserung der Situation bzw. der Selbstwirksamkeit herstellt. Als gesichert gilt das Wissen, dass Leute einige Zeit lang versuchen, ihre Probleme selbst zu lösen und Entwicklungen selber positiv zu gestalten. Insofern kann gesagt werden, dass der Schritt sich an Fremde, Expertinnen, Beraterinnen zu wenden nur ein weiterer, allerdings sehr wichtiger Schritt in der Geschichte des Leidensverlaufes ist.

19. Rousseau bereits sagte in „Emil oder über die Erziehung“, dass Bosheit (von Kindern) die Folge von Schwäche wäre. Vielleicht würden wir heute sagen, dass Bosheit die Folge einer bestimm-ten Sicht auf die Situation oder auf die soziale Wirklichkeit, also eine Konstruktion, ist. Das Wort Bosheit findet heute keine wissenschaftliche Verwendung mehr. – Die „Grundannahme“ dürfte in den allermeisten Fällen sicherlich zu treffen, allerdings dürfte es doch hinreichend Ausnahmen geben, sodass diese Grundannahme als veränderbare Arbeitsbasis beschrieben wer-den kann. Selbstverständlich hinge eine solche Interpretation an dem Einsatz anderer Theorien auf das Verhalten von Menschen, etwa der Psychoanalyse, in der bekanntlich der Aggressions-trieb eine wesentliche psychodynamische Triebkraft darstellt. Als anwendungsorientierte Bera-ter*innen fragen wir uns nicht zuerst, ob diese Annahme stimmt (das wäre eine wissenschaftli-che Frage, die auch wichtig ist, aber an anderer Stelle), sondern wir fragen uns, wie brauchbar ist eine solche Arbeitshaltung in der psychosozialen Beratung. Vielleicht finden auch Sie, dass diese Arbeitshaltung in der Arbeit mit und für Menschen und deren Familien sehr passend ist.

20. Diese Grafik verdeutlicht, dass in der lösungsorientierten Beratung und Gesprächsführung am Anfang der Arbeitsbeziehung und Kooperation die Fokussierung auf Ressourcen (alle Mittel, die zur Lösung eines Problems oder zum Erreichen eines Zieles verfügbar sind) zu stehen hat, sodann werden gemeinsam mit den Klient*innen oder stellvertretend für diese Lösungen kon-struiert und entwickelt und in der dritten Phase die Umsetzung, Wirkung und Effekte der unter-nommenen Veränderungen ausgewertet und reflektiert.

21. Die Anforderungen an die Klient*innen im Einsatz der Wunderfrage sind die Fähigkeit, sich etwas (das Verschwinden des Problems) in der Zukunft so konkret wie möglich vorzustellen. Dazu tritt die Fähigkeit, sich überraschen zu lassen und zu öffnen für ungewöhnliche Gespräche. Möglicherweise setzen diese Anforderungen eine normal binnendifferenzierte kognitive Struk-tur des psychischen Systems der Klientin bzw. des Klienten voraus. Diese Universallösung ist wahrscheinlich der methodische Ausweg, wenn etwas bereits häufig in einer bestimmten Weise erfolglos versucht wurde. Für die soziale Arbeit lässt sich als Bei-spiel die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Personen heranziehen, die zum x-tem Male eine Form der Beschäftigungsförderung in Anspruch nehmen. Auch in der Kinder- und Jugend-hilfe lassen sich immer wieder Familien finden, die sich seit vielen Jahren im Hilfesystem be-wegen. Hier erfordert es die professionelle Fachlichkeit, sich gemeinsam mit den Beteiligten zu fragen, was nicht funktioniert hat, um genau das nicht wieder zu tun.

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