t. aße ogen. S. Lindner eck Da kam ein Monster · PDF fileJANUAR 2018 TZ-SPEZIAL –...

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SONNABEND / SONNTAG, 20./21. JANUAR 2018 | 15 TZ-SPEZIAL – ORKAN FRIEDERIKE Da kam ein Monster Orkantief über Nordsachsen – der Deutsche Wetterdienst über „Friederike“ Landkreis verzeichnete über 300 Einsätze Gestern war der Rapitzweg lange Zeit gesperrt – die Feuewehr war im Einsatz, ästete Bäume aus. Foto: TZ/Th. Manthey Die Preisanzeige samt Logo der Aral-Tankstelle in der Warschauer Straße wurde ebenfalls arg in Mitleidenschaft gezogen. Foto: TZ/S. Lindner „Keine Personenschäden“ TORGAU. Polizeire- vierchef Andreas Starke zählte bis zum gestrigen Morgen zehn Ein- sätze zur Gefah- renabwehr, die sei- ne Beamte allein fünf Mal im Schil- dauer Bereich ha- ben aktiv werden lassen. Darüberhi- naus hatte es am Donnerstag nach 16 Uhr auch noch einen Unfall auf der B 87/Abzweig B183 gege- ben. In Großtreben war zudem eine 90-jährige Frau bei Überqueren der Orts- durchfahrt gestürztund musste medizi- nisch versorgt werden. In Dommitzsch sei eine Hausfassade am Markt auf ein Auto gestürzt. So hoch die materiellen Schäden mögli- cherweise auch seien, Starke atmete auf, dass bis gestern Mittag keine Personen zu Schaden gekommen waren. cw Andreas Starke Chaos auf dem Friedhof Ein Viertel aller Bäume waren entwurzelt oder abgeknickt TORGAU. Auch der Torgauer Friedhof wurde von Orkantief Friederike nicht ver - schont. Zahlreiche Bäume waren entwur - zelt wurden und begruben Wege und Gräber unter sich. Circa 30 der 120 dort stehenden Bäume hatte der Sturm in Mitleidenschaft gezo- gen und umgeworfen. Größtenteils Bir - ken und Fichten hatte es erwischt, aus gutem Grund, wie der Leiter des Fried- hof-Außenbereichs, Peter Bischof, erklärt: „Diese Baumarten sind minderwertige Gehölze. Das heißt, sie sind nicht so wie- derstandsfähig wie zum Beispiel Linden, die hier gar nichts abbekommen haben. Die Fichte ist ein so genannter Flachwurz- ler und die Birke hat sehr dünnes Holz, das leicht abbricht.“ Solche Bäume hät- ten im Normalfall auf einem Friedhof auch gar nichts zu suchen, so Bischof. In der DDR habe man jedoch die Fichten- äste zum Kranzbinden gebraucht. „Und die Birken waren die einzigen Bäume, die damals verfügbar waren, also haben wir die dann dazu gepflanzt. Alles Teil unse- res alten Friedhofskonzeptes.“ In Zukunft soll das jedoch anders werden, die Birken und Fichten sollen nach und nach neuen Linden weichen. „Wir wollen versuchen, das Holz der umgewehten Bäume zu verschachern, um das Geld dann in neue Linden zu investieren.“ Platz wäre mittlerweile genug. So fehlen nicht nur die 30 Bäume, die Friederike auf dem Gewissen hat. Auch Sturm Herwart, welcher Ende Oktober über Torgau hin- wegfegte entwurzelte rund 20 Bäume auf dem Friedhofsgelände. Wie lange die Aufräumarbeiten auf dem Friedhof noch andauern, konnte Peter Bi- schof noch nicht genau sagen. „Nur so viel: Nach Herwart haben wir ungefähr drei Wochen gebraucht.“ Zwar bleibt bis dahin der Friedhof nicht geschlossen, bis nächste Woche wird allerdings dringend von der Begehung des Torgauer Friedhofs abgeraten. Sämtliche geplanten Bestat- tungen finden jedoch wie gehabt statt, darauf haben die Sturmschäden keine Auswirkungen. nl Komplettes Dach abgedeckt In der Lassallestraße regnete es am Donnerstag Styropor Entwurzelt oder abgeknickt - eines dieser beiden Schicksale erlitten 30 Bäume auf dem Torgauer Friedhof. Der Überblick über den Friedhof zeigt: es waren größtenteils nur Birken und Fichten, die von Friederike umgekippt wurden. Foto: TZ/ Leukhardt Im Belgeraner Döhner am Weg zur Fähre hatte Friederike auch gewütet. Foto: K. Otto Weck In der Lasallestraße machten sich die WBG-Arbeiter gestern Früh, die Trümmer des Dachs wegzuräumen. Foto: TZ/ Leukhardt TORGAU. Ein besonders großes Unglück, zumindest im Verhältnis zu den restli- chen Schäden im Raum Torgau, passier - te in der Lassallestraße, direkt neben dem Sitz der Torgauer Wohnstätten GmbH. Hier hatte es das komplette Dach des Gebäudes abgedeckt und mitsamt den Isolierungsplatten heruntergeweht. Die Trümmer begruben den Stellplatz der Mülltonnen mitsamt der Über- dachung unter sich. Am nächsten Mor- gen machten sich direkt Arbeiter der Wohnstätten und Dachdecker des P&D-Dachservices daran, die undichten Stellen des Daches zu flicken, notdürftig zu isolieren und die Trümmer von der Grünfläche zu räumen. „Zwar nimmt erst am kommenden Diens- tag ein Gutachter den ganzen Schaden unter die Lupe, aber ich denke wir kön- nen mit ungefähr 60 000 bis 80 000 Euro Sachschaden rechnen,“ sagte Geschäfts- führer Andreas Huth. „Wir müssen die Dämmung komplett neu errichten, an- schließend können wir uns dann an den Aufbau machen. Im Moment ist jedoch nur wichtig, dass alles wieder dicht ist und niemand verletzt wurde. Unsere Mieter müssen sich auf jetzt auf jeden Fall keine Sorgen machen.“ nl MOCKREHNA. Die Kameraden der Mockrehnaer Feuerwehr waren von 16 bis 20 Uhr im Einsatz. Allerdings funktionierte die Alarmierung durch die Leitstelle nicht. Kein Funk- kontakt, kein Telefonkontakt. Die zwei Abfahrten B 87 Richtung Gräfendorf wurden von der Feuerwehr als nicht befahrbar gekennzeichnet, es war zu gefährlich, da laufend Bäu- me umstürzten. Insgesamt 15 Kameraden waren im Einsatz. Foto: Privat Mockrehna war mit 15 Kameraden unterwegs TORGAU. Mit voller Wucht trifft das Orkantief „Friederike“ Donnerstagnachmittag den Land- kreis – und zwar flächendeckend. Dabei fängt al- les harmlos an. Nieselregen in den Vormittags- stunden, gegen Mittag lugt in Torgau sogar die Sonne hervor . Eine trügerische Stille liegt in der Luft, während sich im Internet die Sturmwarnun- gen häufen. Was wird da kommen? Kurz nach 14 Uhr: dunkle Wolken am Horizont. Es weht ein kräftiges Lüftchen. Aber von Unwetter keine Spur. In den Straßen herrscht Alltag, Normalität. Viele Leute sind mit Fahrrad unterwegs, Spaziergänger mit Einkaufstaschen. Indes bahnt sich das Orkan- tief weiter seinen Weg, zieht in einem breiten Streifen von West gen Ost. Etwa 150 Kilometer breit. Ein Monster. Es hat bereits 13 Uhr den Harz erreicht, drängt vom südlichen Sachsen-Anhalt und Thüringen weiter in den Leipziger Raum. Ei- genartig: die Temperatur klettert von 3 Grad auf 9 Grad. Es ist ungewöhnlich mild. Die ersten Sturmböen haben indessen den Flughafen Leip- zig erreicht. 15.30 Uhr: Jetzt wird es auch in Torgau ungemüt- lich. „Friederike“ ist da und tobt. Es kracht und scheppert, man hört ständig das Signal der Ein- satzfahrzeuge. Mit deutlich über 120 km/h fegen immer wieder Orkanböen durch die Straßen, die- se Werte registriert Oschatz. An der Messstelle in Schkeuditz sind es sogar 133 km/h, schildert Tho- mas Hain, Meteorologe beim Deutschen Wetter- dienst in Leipzig, das Szenario. Das sind extreme Werte, die die Stürme vom letzten Jahr locker top- pen. Vergleichbar mit Kyrill, der auf den Tag ge- nau am 18. Januar 2007 Deutschland heimsucht. Es ist dunkel geworden. Wer kann, bleibt zuhau- se. Vielerorts ist der Strom ausgefallen. Die Schä- den hier und dort mehren sich. Angstvoll blickt so mancher aus dem Fenster. Gut drei Stunden bleibt die Situation gespenstisch. Der Orkan will und will nicht abziehen. Es herrscht Windstärke 11 bis 12. Erst gegen 20 Uhr entspannt sich die Lage, der Sturm nimmt ab, die Böen werden schwächer. Das Unheil zieht in den Dresdener Raum ab. „Ein sol- ches Sturmtief ist zu dieser Jahreszeit nicht unge- wöhnlich, wie die Vergangenheit gezeigt hat“, sagt Thomas Hain. Rekordwerte konnte „Friede- rike“ trotzdem nicht knacken. Die liegen bei- spielsweise laut Wetterdienst bei 133 km/h Wind- geschwindigkeit – gemessen am 3. Januar 1976 in Schkeuditz bzw. 140 km/h registriert am 24. No- vember 1984 in Oschatz. nw TORGAU. Ein Einsatzprotokoll gab es ges- tern aus dem Landratsamt nicht. Unmög- lich. Dafür war es einfach zu viel. Flä- chendeckend hatten in ganz Nordsach- sen ab 16 Uhr fast alle Feuerwehren voll zu tun, um die Folgen des Orkans zu be- seitigen. Die Leitstelle Leipzig löste allein 300 Einsätze aus. Weil der Kontakt zeit- weise unterbrochen war, machten die Wehren teilweise auf eigene Faust wei- ter. Wie in Dommitzsch, wo man über ein eigenständiges Alarmsystem verfügt. „15 Uhr sind wir ausgerückt und haben da- nach neun Einsätze im öffentlichen Be- reich abgearbeitet“, so Wehrleiter Bernd Schlobach. Hauptsächlich umgestürzte Bäume und kaputte Dachziegel mussten beseitigt werden. Mit 31 Kameraden stand hier eine schlagkräftige Truppe zur Verfügung. Das dauerte bis 20.30 Uhr. Am nächsten Morgen 9 Uhr ging es wei- ter. Vor allem auf dem Grundstück der Vandemoortele GmbH wurden massive Schäden registriert. Mit der Drehleiter musste eine Ammoniakleitung freige- räumt werden, erklärte Schlobach. Außer- dem hatte es von einem alten Trakt ein Dach abgedeckt. Überall im Landkreis war die Situation ähnlich prekär. „Dass die Feuerwehren so flächendeckend im Einsatz waren, hat alles getoppt. Im letzten Jahr erfolgten die Alarmierungen mehr punktuell, zum Bei- spiel in der Region Oschatz oder im Raum Döbrichau“, so Landkreis-Sprecher Peter Stracke. Glücklicherweise gab es keine Verletzten in Folge des Sturms. Übrigens, waren auch die Mitarbeiter der Straßen- meisterei in voller Stärke an den Brenn- punkten. Noch gestern Vormittag gab es zahlreiche Straßensperrungen z.B. zwi- schen Döbrichau-Rehfeld, Wörblitz-Dah- lenberg, Dahlen-Lausa, B 183 Neusor- ge-Kötten sowie Kreisstraße Gräfendorf und Stern Klitzschen-Süptitz. Am Don- nerstag waren die Arbeiter noch bis um 1 Uhr in der Früh unterwegs und küm- merten sich um die blockierten Straßen, kaputten Leitplanken, umgestürzten Ver- kehrsschilder und um alle anderen Schä- den im Straßenbereich. Wie Stracke außerdem berichtete, hat der Sitz des Landratsamtes, Schloss Harten- fels, so einiges abbekommen. Nachdem die Schäden von Sturm Herwart, welcher dem Schloss Ende Oktober zugesetzt hat- te, größtenteils behoben wurden, zog Friederike nun das Dach wieder in Mit- leidenschaft. Sowohl vom Flügel D als auch vom Flügel A verabschiedeten sich zahlreiche Dachziegel und stürzten auf den Schlosshof. Insgesamt 12 Quadratme- ter Dachfläche wurden abgedeckt. Und auch Die Wetterfahne oben auf dem Hausmannsturm hat einen ordentlichen Knick bekommen. nw/nl Versicherungen im Dauerstress BELGERN. Die Ver - sicherungen der Region erlebten gestern einen hei- ßen Tag. Überall gingen Schadens- meldungen ein. So beispielsweise auch in Belgern. Allianz Hauptver- tretung Schröter und Reuschel GbR, Nicole Reu- schel: „Schon am Donnerstag 16 Uhr ka- men die ersten Anrufe. Ab Freitag früh 8 Uhr klingelten die Telefone bei uns rich- tig heiß. Zum Teil kamen die Kunden auch selbst vorbei: An Dächern, Zäunen, Bäumen, Autos: Der Sturm hat sehr viele Schäden verursacht. Viel mehr als im letz- ten Oktober. Durch einige Straßen in Belgern muss regelrecht eine Windhose durchgefegt sein – es hat Dachziegel ge- regnet. Wir sind zu dritt bei der Schadens- aufnahme. Das wahre Ausmaß werden wir wohl erst in einigen Tagen kennen“, erklärte sie. nw Nicole Reuschel Wieder Chaos im Glacis TORGAU. Erneut hat es das Torgauer Gla- cis schwer erwischt. Zahlreiche Baumrie- sen wurden entwurzelt. Foto: TZ/N. Wendt

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SONNABEND / SONNTAG, 20./21. JANUAR 2018 | 15TZ-SPEZIAL – ORKAN FRIEDERIKE

Da kam ein Monster Orkantief über Nordsachsen – der Deutsche Wetterdienst über „Friederike“

Landkreis verzeichnete über 300 Einsätze

Gestern war der Rapitzweg lange Zeit gesperrt – die Feuewehr war im Einsatz, ästete Bäume aus. Foto: TZ/Th. Manthey

Die Preisanzeige samt Logo der Aral-Tankstelle in der Warschauer Straße

wurde ebenfalls arg in Mitleidenschaft gezogen. Foto: TZ/S. Lindner

„Keine Personenschäden“

TORGAU. Polizeire-vierchef Andreas Starke zählte bis zum gestrigen Morgen zehn Ein-sätze zur Gefah-renabwehr, die sei-ne Beamte allein fünf Mal im Schil-dauer Bereich ha-ben aktiv werden lassen. Darüberhi-naus hatte es am Donnerstag nach 16 Uhr auch noch einen Unfall auf der B 87/Abzweig B183 gege-ben. In Großtreben war zudem eine 90-jährige Frau bei Überqueren der Orts-durchfahrt gestürztund musste medizi-nisch versorgt werden. In Dommitzsch sei eine Hausfassade am Markt auf ein Auto gestürzt. So hoch die materiellen Schäden mögli-cherweise auch seien, Starke atmete auf, dass bis gestern Mittag keine Personen zu Schaden gekommen waren. cw

Andreas Starke

Chaos auf dem FriedhofEin Viertel aller Bäume waren entwurzelt oder abgeknickt

TORGAU. Auch der Torgauer Friedhof wurde von Orkantief Friederike nicht ver-schont. Zahlreiche Bäume waren entwur-zelt wurden und begruben Wege und Gräber unter sich.Circa 30 der 120 dort stehenden Bäume hatte der Sturm in Mitleidenschaft gezo-gen und umgeworfen. Größtenteils Bir-ken und Fichten hatte es erwischt, aus gutem Grund, wie der Leiter des Fried-hof-Außenbereichs, Peter Bischof, erklärt: „Diese Baumarten sind minderwertige Gehölze. Das heißt, sie sind nicht so wie-derstandsfähig wie zum Beispiel Linden, die hier gar nichts abbekommen haben. Die Fichte ist ein so genannter Flachwurz-ler und die Birke hat sehr dünnes Holz, das leicht abbricht.“ Solche Bäume hät-ten im Normalfall auf einem Friedhof auch gar nichts zu suchen, so Bischof. In der DDR habe man jedoch die Fichten- äste zum Kranzbinden gebraucht. „Und die Birken waren die einzigen Bäume, die damals verfügbar waren, also haben wir die dann dazu gepflanzt. Alles Teil unse-res alten Friedhofskonzeptes.“ In Zukunft soll das jedoch anders werden, die Birken und Fichten sollen nach und nach neuen Linden weichen. „Wir wollen versuchen, das Holz der umgewehten Bäume zu verschachern, um das Geld dann in neue Linden zu investieren.“ Platz wäre mittlerweile genug. So fehlen nicht nur die 30 Bäume, die Friederike auf dem Gewissen hat. Auch Sturm Herwart, welcher Ende Oktober über Torgau hin-wegfegte entwurzelte rund 20 Bäume auf dem Friedhofsgelände.Wie lange die Aufräumarbeiten auf dem Friedhof noch andauern, konnte Peter Bi-schof noch nicht genau sagen. „Nur so viel: Nach Herwart haben wir ungefähr drei Wochen gebraucht.“ Zwar bleibt bis dahin der Friedhof nicht geschlossen, bis nächste Woche wird allerdings dringend von der Begehung des Torgauer Friedhofs abgeraten. Sämtliche geplanten Bestat-tungen finden jedoch wie gehabt statt, darauf haben die Sturmschäden keine Auswirkungen. nl

Komplettes Dach abgedecktIn der Lassallestraße regnete es am Donnerstag Styropor

Entwurzelt oder abgeknickt - eines dieser beiden Schicksale erlitten 30 Bäume auf dem Torgauer Friedhof.

Der Überblick über den Friedhof zeigt: es waren größtenteils nur Birken und Fichten, die von Friederike umgekippt wurden. Foto: TZ/ Leukhardt

Im Belgeraner Döhner am Weg zur Fähre hatte Friederike auch gewütet. Foto: K. Otto Weck

In der Lasallestraße machten sich die WBG-Arbeiter gestern Früh, die Trümmer des Dachs wegzuräumen. Foto: TZ/ Leukhardt

TORGAU. Ein besonders großes Unglück, zumindest im Verhältnis zu den restli-chen Schäden im Raum Torgau, passier-te in der Lassallestraße, direkt neben dem Sitz der Torgauer Wohnstätten GmbH. Hier hatte es das komplette Dach des Gebäudes abgedeckt und mitsamt den Isolierungsplatten heruntergeweht. Die Trümmer begruben den Stellplatz der Mülltonnen mitsamt der Über-dachung unter sich. Am nächsten Mor-gen machten sich direkt Arbeiter der Wohnstätten und Dachdecker des P&D-Dachservices daran, die undichten Stellen des Daches zu flicken, notdürftig

zu isolieren und die Trümmer von der Grünfläche zu räumen. „Zwar nimmt erst am kommenden Diens-tag ein Gutachter den ganzen Schaden unter die Lupe, aber ich denke wir kön-nen mit ungefähr 60 000 bis 80 000 Euro Sachschaden rechnen,“ sagte Geschäfts-führer Andreas Huth. „Wir müssen die Dämmung komplett neu errichten, an-schließend können wir uns dann an den Aufbau machen. Im Moment ist jedoch nur wichtig, dass alles wieder dicht ist und niemand verletzt wurde. Unsere Mieter müssen sich auf jetzt auf jeden Fall keine Sorgen machen.“ nl

MOCKREHNA. Die Kameraden der Mockrehnaer Feuerwehr waren von 16 bis 20 Uhr im Einsatz. Allerdings funktionierte die Alarmierung durch die Leitstelle nicht. Kein Funk-kontakt, kein Telefonkontakt. Die zwei Abfahrten B 87 Richtung Gräfendorf wurden von der Feuerwehr als nicht befahrbar gekennzeichnet, es war zu gefährlich, da laufend Bäu-me umstürzten. Insgesamt 15 Kameraden waren im Einsatz. Foto: Privat

Mockrehna war mit 15 Kameraden unterwegs

TORGAU. Mit voller Wucht trifft das Orkantief „Friederike“ Donnerstagnachmittag den Land-kreis – und zwar flächendeckend. Dabei fängt al-les harmlos an. Nieselregen in den Vormittags-stunden, gegen Mittag lugt in Torgau sogar die Sonne hervor . Eine trügerische Stille liegt in der Luft, während sich im Internet die Sturmwarnun-gen häufen. Was wird da kommen? Kurz nach 14 Uhr: dunkle Wolken am Horizont. Es weht ein kräftiges Lüftchen. Aber von Unwetter keine Spur. In den Straßen herrscht Alltag, Normalität. Viele Leute sind mit Fahrrad unterwegs, Spaziergänger mit Einkaufstaschen. Indes bahnt sich das Orkan-tief weiter seinen Weg, zieht in einem breiten Streifen von West gen Ost. Etwa 150 Kilometer breit. Ein Monster. Es hat bereits 13 Uhr den Harz erreicht, drängt vom südlichen Sachsen-Anhalt

und Thüringen weiter in den Leipziger Raum. Ei-genartig: die Temperatur klettert von 3 Grad auf 9 Grad. Es ist ungewöhnlich mild. Die ersten Sturmböen haben indessen den Flughafen Leip-zig erreicht. 15.30 Uhr: Jetzt wird es auch in Torgau ungemüt-lich. „Friederike“ ist da und tobt. Es kracht und scheppert, man hört ständig das Signal der Ein-satzfahrzeuge. Mit deutlich über 120 km/h fegen immer wieder Orkanböen durch die Straßen, die-se Werte registriert Oschatz. An der Messstelle in Schkeuditz sind es sogar 133 km/h, schildert Tho-mas Hain, Meteorologe beim Deutschen Wetter-dienst in Leipzig, das Szenario. Das sind extreme Werte, die die Stürme vom letzten Jahr locker top-pen. Vergleichbar mit Kyrill, der auf den Tag ge-nau am 18. Januar 2007 Deutschland heimsucht.

Es ist dunkel geworden. Wer kann, bleibt zuhau-se. Vielerorts ist der Strom ausgefallen. Die Schä-den hier und dort mehren sich. Angstvoll blickt so mancher aus dem Fenster. Gut drei Stunden bleibt die Situation gespenstisch. Der Orkan will und will nicht abziehen. Es herrscht Windstärke 11 bis 12. Erst gegen 20 Uhr entspannt sich die Lage, der Sturm nimmt ab, die Böen werden schwächer. Das Unheil zieht in den Dresdener Raum ab. „Ein sol-ches Sturmtief ist zu dieser Jahreszeit nicht unge-wöhnlich, wie die Vergangenheit gezeigt hat“, sagt Thomas Hain. Rekordwerte konnte „Friede-rike“ trotzdem nicht knacken. Die liegen bei-spielsweise laut Wetterdienst bei 133 km/h Wind-geschwindigkeit – gemessen am 3. Januar 1976 in Schkeuditz bzw. 140 km/h registriert am 24. No-vember 1984 in Oschatz. nw

TORGAU. Ein Einsatzprotokoll gab es ges-tern aus dem Landratsamt nicht. Unmög-lich. Dafür war es einfach zu viel. Flä-chendeckend hatten in ganz Nordsach-sen ab 16 Uhr fast alle Feuerwehren voll zu tun, um die Folgen des Orkans zu be-seitigen. Die Leitstelle Leipzig löste allein 300 Einsätze aus. Weil der Kontakt zeit-weise unterbrochen war, machten die Wehren teilweise auf eigene Faust wei-ter. Wie in Dommitzsch, wo man über ein eigenständiges Alarmsystem verfügt. „15 Uhr sind wir ausgerückt und haben da-nach neun Einsätze im öffentlichen Be-reich abgearbeitet“, so Wehrleiter Bernd Schlobach. Hauptsächlich umgestürzte Bäume und kaputte Dachziegel mussten beseitigt werden. Mit 31 Kameraden stand hier eine schlagkräftige Truppe zur Verfügung. Das dauerte bis 20.30 Uhr. Am nächsten Morgen 9 Uhr ging es wei-ter. Vor allem auf dem Grundstück der

Vandemoortele GmbH wurden massive Schäden registriert. Mit der Drehleiter musste eine Ammoniakleitung freige-räumt werden, erklärte Schlobach. Außer-dem hatte es von einem alten Trakt ein Dach abgedeckt. Überall im Landkreis war die Situation ähnlich prekär. „Dass die Feuerwehren so flächendeckend im Einsatz waren, hat alles getoppt. Im letzten Jahr erfolgten die Alarmierungen mehr punktuell, zum Bei-spiel in der Region Oschatz oder im Raum Döbrichau“, so Landkreis-Sprecher Peter Stracke. Glücklicherweise gab es keine Verletzten in Folge des Sturms. Übrigens, waren auch die Mitarbeiter der Straßen-meisterei in voller Stärke an den Brenn-punkten. Noch gestern Vormittag gab es zahlreiche Straßensperrungen z.B. zwi-schen Döbrichau-Rehfeld, Wörblitz-Dah-lenberg, Dahlen-Lausa, B 183 Neusor-ge-Kötten sowie Kreisstraße Gräfendorf

und Stern Klitzschen-Süptitz. Am Don-nerstag waren die Arbeiter noch bis um 1 Uhr in der Früh unterwegs und küm-merten sich um die blockierten Straßen, kaputten Leitplanken, umgestürzten Ver-kehrsschilder und um alle anderen Schä-den im Straßenbereich. Wie Stracke außerdem berichtete, hat der Sitz des Landratsamtes, Schloss Harten-fels, so einiges abbekommen. Nachdem die Schäden von Sturm Herwart, welcher dem Schloss Ende Oktober zugesetzt hat-te, größtenteils behoben wurden, zog Friederike nun das Dach wieder in Mit-leidenschaft. Sowohl vom Flügel D als auch vom Flügel A verabschiedeten sich zahlreiche Dachziegel und stürzten auf den Schlosshof. Insgesamt 12 Quadratme-ter Dachfläche wurden abgedeckt. Und auch Die Wetterfahne oben auf dem Hausmannsturm hat einen ordentlichen Knick bekommen. nw/nl

Versicherungen im Dauerstress

BELGERN. Die Ver-sicherungen der Region erlebten gestern einen hei-ßen Tag. Überall gingen Schadens-meldungen ein. So be i sp ie l sweise auch in Belgern. Allianz Hauptver-tretung Schröter und Reuschel GbR, Nicole Reu-schel: „Schon am Donnerstag 16 Uhr ka-men die ersten Anrufe. Ab Freitag früh 8 Uhr klingelten die Telefone bei uns rich-tig heiß. Zum Teil kamen die Kunden auch selbst vorbei: An Dächern, Zäunen, Bäumen, Autos: Der Sturm hat sehr viele Schäden verursacht. Viel mehr als im letz-ten Oktober. Durch einige Straßen in Belgern muss regelrecht eine Windhose durchgefegt sein – es hat Dachziegel ge-regnet. Wir sind zu dritt bei der Schadens-aufnahme. Das wahre Ausmaß werden wir wohl erst in einigen Tagen kennen“, erklärte sie. nw

Nicole Reuschel

Wieder Chaos im Glacis

TORGAU. Erneut hat es das Torgauer Gla-cis schwer erwischt. Zahlreiche Baumrie-sen wurden entwurzelt. Foto: TZ/N. Wendt