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  • 8/14/2019 Ttern helfen? Wen kmmerts? Wer kmmert sich? Tterarbeit zwischen Politik der Missachtung und Behandlungsanspruch ein politisch-philosophischer D

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    Tt ern helfen? Wen kmmert s? Wer kmmert sich?

    Tterarbeit zwischen Politik der Missachtungund Behandlungsanspruch

    ein politisch-philosophischer Diskurs *

    Dr. Ulrich Kobb

    Ob ich des Rechtes MauerDie hohe oder krummer TuschungErsteig und so mich selbstUmschreibend, hinausMich lebe, darberHab ich zweideutig einGemth, genau es zu sagen.

    Hlderlin1

    In der Einladung zu diesem Vortrag zum Thema wurde eine sozialpsychologischeund wie mir in den Vorgesprchen mit den Veranstaltern deutlich wurde eine auch politisch-philosophische Thematisierung und Reflektion erbeten. Als Grundsatzreferat soll inhaltlich demzu-folge auf die praktischen Widersprche und die dahinter verborgene Ambivalenz im Umgang mitTterarbeit abgestellt werden ein Zwiespalt, der die Dichtotomien von versus

    , von versus , von versus aufgreift. Mit die-ser Polarisierung befinden wir uns allerdings in einer Verstrickung, die sich als Dilemma jederHandlung und Behandlung erweist, der in irgendeiner Weise sowohl Anteile der Hilfe wie desZwangs oder der Kontrolle eigen sind. Dieses Entweder-Oder suggeriert scheinbare Alternativen

    beispielsweise oder es erzwingt eine Parteinah-me die sich allerdings als unter Umstnden ethisch-moralisch wenig zufrie-denstellende oder praktisch unbrauchbare Wahl entpuppt. Polarisierungund Formulierung eines Dilemmas behindern das Denken und fixieren ge-radezu hypnotisch auf die Auseinandersetzung mit diesen scheinbaren Al-ternativen. Wenn also dem Denken Fesseln angelegt werden, dann musses systemisch betrachtet darum gehen, sich zu entfesseln2, konventio-nelle Wahrnehmungs- und Denkmuster aufzubrechen und die kognitiv-affektiven Interferenzen als mit erworbenen Sinneinsprengseln durchsetz-ten offenen Horizonten zu nutzen.3 (Der Herstellung dieser [ap]perzepti-ven und kognitiven Interferenz dienen unter anderem die in den Text einge-

    streuten, Rabelais zugeschrieben Bilddarstellungen4

    , Exkurse wie Enzens-bergers Hommage Gdel ...)

    Sie merken schon: Es geht um die Kunst des Umwegs. Vielen von Ihnen drfte der Name HarryHoudini ein Begriff sein: Houdini war in der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts ein international be-kannter und kreativer Illusionist, Zauber- und Entfesselungsknstler, sprich, ein Meister der Ent-fesselung aus unmglich erscheinenden Verstrickungssituationen. Seine Kunst war, seine Fertig-keit bestand darin, a) den Atem anzuhalten und b) hchst beweglich zu sein.

    Benutzen wir also Houdini als Modell dafr, das Entweder-Oder nicht reflexhaft-unreflektiert zu be-antworten, sondern inne zu halten, um ein bewegliches Bewusstsein zu erlangen und zu versu-chen, das ethische Dilemma diskursiv zu durchdenken. Diskursives Denken beinhaltet von

    = Durchlaufen, Punkt fr Punkt durchgehend, abgeleitet einen politisch-philosophischen* Vortrag. Fachkongress Methoden und Konzepte in der Arbeitmit Ttern huslicher Gewalt, Oldenburg, 05.-06.12.2001.

    Ttern helfen?

    Missachtung Be- achtung Verachtung Achtung chtung Hochachtung

    chtung oder Achtung Zwang oder Hilfe - und

    dis-

    currere

    Grenzen setzen Verantwortlich machen Vernderung ermglichen

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    Gang zu wagen: Einen Gedankengang, der das bearbeitet, was Realitt genannt wird, indem ersie hutet und ihre Kriterien auer Kraft setzt5, sprich, der die Ansprche von political correct-ness zurckweist, sich von diesen frei gemacht hat.Ich will also versuchen, dieses Spannungsverhltnis vonund , von und , an einigen sagen wir Dollpunkten etwas konkreter fassen zu knnen. Da es kein voraus-setzungsloses Denken gibt, wird sich dieser Versuch, die Vorausset-

    zungen des eigenen Denkens und Handelns einzuholen, auf eineReihe von , von theoretischen Meisterdenkern,sttzen.6

    Die Thematik des Umgangs mit den Ttern, ihrer Behandlung, bein-haltet immer ein Verhltnis von Praxis und Ethik. Wenn soziales Han-deln von einem Zweck bestimmt wird, wenn der Zweck das Ma einerVernunft ist, dann wird schnell ignoriert, dass soziales und politischesHandeln im Umgang mit den Infragestellungen durch soziale Devianznur allzu leicht zur Spielflche von Affekten wird und damit einemPrinzip der Vernunft zu folgen hat, das nichts anderes ist als die ver-nnftige bereinkunft der Brger. Anders ausgedrckt: An der Art, wie

    sie mit ihren Aussenseitern umgeht, erweist sich der Reifegrad einerGesellschaft ...7

    Denn es gilt, unsere Kategorien von Opfer und Tter zu hinterfra-gen, ohne die Verantwortlichkeit der Misshandler zu negieren. Dies-bezglich pldiert Spoden8 fr eine konstruktive Konfusion, die esdurchzuarbeiten gelte und die gesttzt auf neuere Untersuchungen dabei helfen solle, das Schema und ins Wanken zu bringen. In derTat umfasst der Begriff ja lediglich Formen physischer, sexueller, psychischer,sozialer und emotionaler Gewalt ohne dass Tter und Opfer benannt werden. Dies verlangt unsab, die jeweilige Analyse des Geschlechterverhltnisses in jedem Einzelfall neu zu leisten, dennimmerhin seien so gelegentlich versuchte Differenzierungen nach dem gegenwrtigen Stand

    der Forschung angeblich bis zu einem Drittel (!?) der Misshandler weiblich. Dass derartige (Tatsa-chen?-)Feststellungen nunmehr zu so einseitig-diffamierenden berschriften wie

    oder fhrt und beispielsweise sodiffamierende Etikettierungen wie oder

    gebiert, ist nichts anderes, als die Fortsetzung polarisieren-den Geschlechterkampfes, sprich eines rein strategischen mnnlichen -Diskurses. Doch wenn

    den jeweiligen Diskurs bestimmen, dann geht es nicht um tatschlicheAuseinandersetzung, sondern um eine Logik des 13. Dasheit, es geht um eine Form der Entfremdung, bei das Subjekt von seinermenschlichen Natur so auch von anderen Menschen dergestalt ent-fremdet ist, dass er mit sich nur durch die von ihm geschaffenen DingeKontakt hat. Innerhalb der so versteinerten Beziehungsverhltnisse geht esum Besitz- und Warenverhltnisse, sprich, um den Anderen als verfgba-res Objekt, als Ware, um ihn als Tauschwert und um meinen Mehrwert.

    Wenn die scheinbar rationale Vernunft zu einer affektiven Gre wird, dann verlangt die Praxis so-zialen Handelns so Lipowatz14 eine Ethik der sachlichen Verantwortung, eineEthik der Gesinnung, sie verlangt nur eine Ethik des Begehrens". Wenn der Ort des sozialen Han-delns, also auch der Ort der Tterarbeit, als ein phantasmatischer Schauplatz zu verstehen ist,dann wird dort der Wunsch nach einer effektiven Einflussnahme auf den Tter sei er nun vonRache- und Vergeltungsgefhlen gespeist oder mit Vernunftgrnden unterfttert an diesem Ortkeineswegs erfllt, sondern als Begehren nur artikuliert, das heit, dort nur realisiert und insze-

    niert. Damit wird evident, warum und wie sehr soziales Handeln einer Ethik respektive eines ethi-schen Gesetzes bedarf, warum der Begriff des Gesetzes unmittelbar mit dem des Begehrens ver-bunden und wie das begehrende Subjekt an dieses Gesetz gebunden ist.15

    Theodor W. AdornoErnst BlochNorbert EliasHans Magnus EnzensbergerSigmund Freud

    Erich FrommAndr GlucksmannKurt GdelGeorg Wilhelm

    Friedrich HegelFriedrich HlderlinMax HorkheimerFranz KafkaImmanuel KantPierre KlossowskiJacques LacanRonald D. LaingThanos LipowatzJean-Franois LyotardHerbert MarcuseAvishai Margalit

    Karl MarxMaurice Merleau-PontyAlexander MitscherlichFranois RabelaisDonatien-Alphonse-

    Franois de SadeJean-Paul SartreSlavoj iek

    MissachtungBeachtung chtung Achtung

    matres penseurs

    Tter = Mann Opfer = Frauhusliche Gewalt

    Husliche Ge-walt ist weiblich9 Wer schlug zuerst, der Mann oder die Frau?10

    Familienterroristinnen11 Staats-feminismus12

    Recht haben Recht bekommen Recht behal-ten

    Haben oder Sein

    weder noch

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    Wie ist dies zu verstehen? Klassisch findet sich die Ethik des Begehrens bei Kant als ethischesGesetz im sogenannten formuliert, doch gibt es historisch fast zeitgleichbei de Sade die Herausarbeitung eines konsequenten Prinzips oder universellen Rechts auf Frei-heit als spiegelverkehrte oder Anti-Ethik zu Kant.

    Zunchst zum kategorischen Imperativ:Der Begriff des Gesetzes gibt

    bereits an, dass Kant das ethische Subjekt primr als Rechtssubjekt denkt. Das heisst, als eindermaen verrechtlichtes und in extremer Weise so auf politische Gesetze und juristische Kodifi-zierungen reduziertes Subjekt, dass individualethische Normen nicht nicht mehr als gleichbe-rechtigt begriffen und realisiert werden knnen. Da das allgemeine Gesetz bei Kant aber so extrem

    abstrakt bleibt, entsteht so Lipowatz17 ein Paradoxon: Identifiziert sichdas Subjekt mit dem Gesetz, dann verpasst es mit Sicherheit das Objekt desBegehrens; verleugnet es aber das Gesetz, dann vergisst es sich selbst undwird zum bloen Nichts. Anders formuliert beinhaltet dies folgenden in-trapsychischen Konflikt:

    Richte ich mich nach dem Gesetz, verpasse ich mich, indem ich meinBegehren ignoriere und ich selbst zu kurz komme.Lebe ich aber mein Begehren, vergesse ich mich und gerate ich in Ge-

    wissenskonflikte.Das Gesetz tritt dem Subjekts sozusagen als Stimme aus dem gegen-ber, als abstrakte Maxime einer reinen praktischen Vernunft beziehungs-

    weise eines Willens. Gerade da das Subjekt dieses Gesetz kein konkretes Objekt hat, weil es realnicht erfahrbar ist, erscheint uns der kategorische Imperativ Kants meist so lebensfern-abstrakt.

    De Sade hingegen formuliert eine durchaus anschauliche ethische Philosophie. Bei ihm werden inkonsequenter Fortfhrung cartesianischen Denkens alle Normen und Werte bis hin zum Wesens-begriff des Menschen einer ausschlielich szientistischen Vernunft unterworfen und damit verwor-fen. Was dieser aufklrerischen Vernunft brigbleibt, ist u.a. ein Verstndnis des Menschen als einDing unter anderen Dingen ohne Vorrang, ohne Spezifitt 18. De Sade schreibt, zwar habe mankein Anrecht auf Eigentum am Anderen, doch habe man sicher das Recht, ihn zu geniessen"

    und ein unbestreitbares Recht [...], diesen Genuss zu erzwingen" . De Sades Maxime lautet zu-sammengefasst:

    Dieses Gesetz ist ein Beziehungsmodell, dessen Anti-Ethik jede Gegen- und Wech-selseitigkeit schlechthin ausschliet und dessen Asymmetrie in Polarisierung zu Kants morali-schem Gesetz ausschlielich egozentrisch und frei nach dem Anderen zu trachten scheint. In je-dem Fall stellt es sich als allgemeines Phantasma einer nicht-umkehrbaren Beziehung dar, in demdas unbewusste Verhltnis des Subjekts zu (s)einem Objekt inszeniert wird, an dem sich das Ver-hltnis von Begehren und Genieen veranschaulichen lsst. Doch, muss man einwenden, geradedas von de Sade als frei postulierte Subjekt droht unfrei zu werden, wenn der Andere zum bloenInstrument des Genieens, mithin zum Fetisch, wird und wenn sich das Subjekt zum Mittel seineseigenen Zwecks verobjektiviert.21

    Sie werden diese Thematisierung von de Sade als Philosoph befremdlich, vielleicht auch anstigfinden, und doch hat das eben skizzierte Modell einer spiegelverkehrten Ethik des Begehrens hier wie wird gleich sehen werden seinen Sinn. Wenn wir nach den ethisch-moralischen Maximendes Handelns fragen, werden wir als Mitglieder einer christlich geprgtenKultur unweigerlich auf das alttestamentarische Gebot der Nchstenliebestoen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann jedoch zu nchst her-aus, dass es sich bei dem

    im 3. Mose, Kap. 19, Vers 18, um ein biblisches Sozialgesetz han-delt, mit dessen Formulierung und Anwendung damals gerade fr diesozial Gefhrdeten am Rande der Grofamilie, fr die Witwen und Waisen,

    fr die Sklaven und Fremden ein geschrftes Rechtsbewusstsein entwickeltwerden sollte. Historisch bezieht sich dieses Gebot auf die Mitglieder dereigenen Familie, des eigenen Stamms als den Nchsten erst in sptererAuslegung durch die institutionalisierte Kirchenlehre wird uns abverlangt,

    kategorischen Imperativ

    Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zu-gleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten knnte."16

    off

    19

    Ich habe das unbestreitbare Recht, deinen Krper zu genieen, und ich habedas Recht, diesen Genuss zu erzwingen, wenn er mir, aus welchem Grunde auch immer, verwei-gert wird20.

    Du sollst deinen Nchsten lieben wie dichselbst

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    unterschiedslos jeden Nchsten wie uns selbst zu lieben.

    Genau dagegen aber wendet Freud ein, dieses Kulturideal sei nicht nur unmenschlich, weil uner-fllbar es sei darber hinaus Ausdruck der konstitutionellen Aggressionsneigung des Menschen.Nachdem er zunchst errtert, er wrde nicht widersprechen, wenn das Gebot hiee:

    , macht Freud an dem fr ihn noch unfassbareren Ge-bot darauf aufmerksam, dass beides paradoxerweise dasselbe ist. Er

    schreibt: Eben darum, weil der Nchste nicht liebenswert und eher dein Feind ist, sollst du ihn lie-ben wie dich selbst. Denn der Mensch sei grundstzlich kein sanftes, liebesbedrftiges, sondernein Wesen mit einem mchtigen Anteil von Aggressionsneigung. Infolgedessen sei ihm derNchste nicht nur mglicher Helfer und Sexualobjekt, sondern auch eine Versuchung, seine Ag-gression an ihm zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Entschdigung auszuntzen, ihn ohne sei-ne Einwilligung sexuell zu gebrauchen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demti-gen, ihm Schmerzen zu bereiten, zu martern und zu tten. 22

    , bringt Sartre dies auf den Punkt. Lacan fhrt diesen Gedankenweiter und schreibt: Ich weiche davor zurck, meinen Nchsten wie mich selbst zu lieben, weil andiesem Horizont etwas ist, das an ich weiss nicht was fr einer unertrglichen Grausamkeitpartizipiert. In diesem Sinne kann die Nchstenliebe der grausamste Weg sein.23 (Dass, wie der

    Volksmund unter Bezugnahme auf Descartes persifliert, sich jeder selbst der Nchste ist, erhlt soein vllig neue Perspektive.) Der Nchste, das ist in einer Arbeit von Klossowski24 ausgerechnet deSade, dessen Phantasma sich wie Lacan anmerkt den Sttzpfeilern der christlichen Ethik ein-gliedert. Allerdings, fgt er hinzu, wrde de Sade es von sich weisen, mein Nchster zu sein.

    Doch auch einen anderen Punkt hebt Lacan nachdrcklich hervor: ist ein Gebot, das dies fr den Anderen ohne Ansehen der Person fordert. Das

    heisst, man liebt den Nchsten nicht, weil er ... sondern weil er der Nchste ist. Damit aber wirddieser Nchste entindividualisiert, soll er um eines Prinzips Willen geliebt werden und nicht umseiner selbst. Just hier trifft sich die ethische Konzeption von de Sade mit der des christlichen Ge-bots: Indem ich den anderen auf irgendeinen Nchsten reduziere, wird er zum anonymen Ob- jekt der Nchstenliebe, wird er zum Fetisch, zum Phantasma25. Und diese Praxis ist fraglos per-

    vers, indem der Andere wie in der sexuellen Perversion dadurch charakterisiert ist, dass ernicht Individuum ist sondern Objekt des Genieens, dass er einem Zweck des Begehrens dientund dass dieses Begehren sei es sexualaggressiv oder scheinbar selbstlos-hilfreich meinerBefriedigung dient. Wenn Lacan ausfhrt, dies sei letztlich ein Fall von Nekrophilie 26, dann przi-siert iek dies hinsichtlich der Intoleranz als Gewaltmoment der Liebe und fhrt aus, ohne Rck-sicht auf Unterschiede lieben zu wollen bzw. zu sollen, hiee Tote zu lieben, da nur im Tod alleDifferenzen aufgehoben sind.

    Mein Egoismus, schreibt Lacan, befriedigt sich sehr wohl an einem bestimmten Altruismus, [...]der sich auf die Ebene des Ntzlichen stellt, denn: Was ich will, das ist das Wohl der anderennach dem Bild des meinen, weil und obwohl der Nchste all die Bsartigkeit hat, von derFreud sagt, dass sie keine andere sei als die, vor der ich bei mir selbst zurckweiche 27. Wenn al-so der Mensch das hchste Wesen fr den Menschen ist, dann endet diese Religionskritik in ei-nem kategorischen Imperativ anderer Art, nmlich alle Verhltnisse umzuwerfen, in denen derMensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verchtliches Wesen ist soMarx28 in durchaus aktueller Argumentation.

    Was bedeutet all das konkret, wenn dies nicht nur ein Sozialkundereferatmit Bibelzitaten sein soll? Nun, wenn wir uns dem asozialen, dem gewaltt-tigen und auch sonst mitunter zunchst wenig sympathischen Tter zuwen-den und uns gleichzeitig abverlangen, sich in diesen wohlwollend-empa-thisch einzufhlen, dann darf dies nicht das Selbstmissverstndnis prinzipi-ell therapeutisch geforderter Nchstenliebe erfllen, sondern es muss ein

    individuelles Sich-Abarbeiten am Widerspruch im Anderen leisten. Das vonFreud verworfene Gebot unterschiedsloser Menschenliebe kontaminiert Be-ratung, Pdagogik und Therapie jedoch allzu leicht, sodass dies in Para-phrase Adornos zur Menschenverachtung gerieten: Gerade deshalb eigne

    Liebe dei-nen Nchsten wie dein Nchster dich liebt

    Liebe deine Feinde

    Die Hlle, das sind die anderen

    Du sollst deinen Nchsten lie-ben wie dich selbst

    er

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    sich unterschiedslose Nchstenliebe nur allzu gut fr diese Psy-Branchen. Damit stellt sozialesHandeln als im weitesten Sinne helfende Ttigkeit zugleich immer auch die Frage nach den Ge-waltaspekten des jeweiligen konkreten Tuns, und dies gilt fraglos erst recht fr die Arbeit mit T-tern.

    Die sozialen Bewegungen der 60er und 70er Jahre haben diesen Anspruch des Nur-gut-Seins je-des therapeutischen Helfens kritisch hinterfragt und zerstrt. Denn: Nur sanft sein, heit noch

    nicht gut sein, konstatiert Bloch

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    . Und er fhrt fort, diese Form des Gutseins sei die vonSchwchlingen, da diese es nur im billigen, schlechten Sinn des Wortes nmlich allzu leicht seien.

    Doch der gesellschaftliche Auftrag an die Experten des Sozialen ist, Strung zu beseitigen. Zu wassonst sollte Gesellschaft Psychologen, Sozialarbeiter und Pdagogen bentigen, wenn nicht frdie selbstverursachten Hsslichkeiten und ... tja, deren mglichst rckstands- und makelloseEntsorgung30 oder Korrektur? Wenngleich wir wissen, dass man Strung nicht sofort und Delin-quenz nicht ausschlielich beseitigen kann, sondern zunchst als Ausdruck realer Konflikte akzep-tieren muss, steht dem die gesellschaftliche Erwartung entgegen, die Strung, die Gewaltpraxis soschnell und unauffllig wie mglich und heisst dies im Jargon der Mana-ger des Sozialen zu beseitigen, zu unterdrcken: Wenn nicht mit direkter Gewalt oder unmittel-

    barem Zwang, so doch in Form von Abschiebung, Ausgrenzung, Verdrngung, Projektion, Unge-schehenmachen. Das heisst, dieselben kranken Problemlsungsmechanismen, die wir intrapsy-chisch beim Einzelnen, die wir als Interaktionsmuster in der Familie oder in gesellschaftlichenGruppen und Systemen kennen, werden als Erwartungen an die sozialen Helfer, an Tterthera-peuten, herangetragen und von ihnen hufig praktiziert. Mit dieser Skizze wird deutlich, dassweder das Subjekt des Klienten noch das des Therapeuten in den ffentlichen Diskursen eine Rol-le spielen, sondern dass beide ausschlielich Objekt sozialpolitischer oder prventionsstrategi-scher berlegungen sind. Andererseits aber ist ein einseitiges Insistieren auf der repressivenFunktion der Justiz- und Sozialsysteme nicht nur verdrielich, sondern auch irrefhrend. Jeder vonuns weiss, dass sie auch Hilfe sind.31

    Wenn hier die Gesellschaft als Auftraggeber angesprochen wird, so stellt sich die Frage, welche

    Erwartungen im Kontext von Tterarbeit an Gesellschaft zu richten sind. Generell fordert Marga-lit32 eine Politik der Wrde, das heisst, dass die gesellschaftlichen Institutionen die Selbstach-tung der Menschen nicht verletzen, was da gerade sie nicht ausserhalb des Gesetzes stehen insbesondere auch auf Tter zutreffen msste, was auch die Zgelung krperlicher oder psychi-scher Grausamkeit betrifft, der ja auch eine Art Achtungsbezeugung inhrent sei. In diesemSinne unterscheidet er eine anstndige Gesellschaft von der sonst propagierten gerechten oderzivilisierten Gesellschaft:

    In einer zivilisierten Gesellschaft demtigen die Menschen einander nicht.In einer gerechten Gesellschaft sind zwar die Menschenrechte formal garantiert, doch ist De-mtigung keineswegs ausgeschlossen.In einer anstndigen Gesellschaft handelt es sich um eine Gesellschaft, die nicht nur gerechtund hinsichtlich der Anwendung krperlicher oder psychischer Gewalt gezgelt ist, sondern inder auch die Institutionen den Menschen nicht demtigen.

    Eine anstndige Gesellschaft stellt demzufolge so etwas wie ein Ideal dar, in dem der Einzelnesich aus der von Kant als selbstverschuldet bezeichneten Unmndigkeit33 befreien muss: EinIdeal, das nur durch eine kritische Theorie, durch eine Kritik der unter dem Druck der herrschen-den Verhltnisse zustanden gekommenen sozialen Urteile seien dies nun ffentliche Meinungen,sogenannte Entscheidungszwnge oder vermeintlicher Handlungsdruck verwirklicht werdenkann.

    Achtung des Anderen ist dabei eine Basis fr die Gleichbehandlung von Menschen. Wenn es alsoum kompromisslose chtung, um Null Toleranz huslicher und sexueller Gewalt geht, so muss und darf sich dies zwangslufig nur auf sein Handeln, auf seine Einstellung, seine Taten usw.

    beziehen. Aus was aber ist diese Achtung abzuleiten, wenn dem Bezug auf das Menschseinschlechthin, auf seinen Wert als Mensch, eine hnliche Problematik innewohnt wie der vorgenann-ten Reduzierung des Subjekts auf den Nchsten. Denn ... wendet Kant ein: Die Achtung vor denMenschen auf den Wert des Menschen zu grnden, bestimme unmittelbar dessen Gebrauchs- und

    effizient konomisch

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    Tauschwert34 und lasse den Einen gegebenenfalls mehr wert, sprich: achtenswerter, erscheinenals den Anderen. Hier weist uns Margalit einen Weg:

    Die Eigenschaft, die ich als Begrndung fr die Achtung vor dem Menschen vorschlagen mchte,beruht auf seiner Fhigkeit, dem eigenen Leben zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine vllig neueDeutung zu geben und es dadurch radikal zu ndern. Dies schliet die Fhigkeit ein, seine Sndenzu bereuen und zwar dem weltlichen Sinngehalt des Begriffs nach, was soviel heisst wie: vom

    Bsen abzulassen. [...] Noch die belsten Verbrecher verdienen Achtung allein aufgrund der Mg-lichkeit, dass sie ihr vergangenes Leben radikal in Frage stellen und den Rest ihres Lebens aufwrdige Weise verbringen knnten. [...] Achtung ist dem Menschen nicht dafr zu zollen, in wel-chem Grad er sein Leben tatschlich zu ndern vermag, sondern allein fr die Mglichkeit derVernderung. Achtung bedeutet daher auch, niemals jemanden aufzugeben, da alle Menschen f-hig sind, ihrem Leben eine entscheidende Wendung zum Besseren zu geben.35

    Nach wie vor wird die Mehrheit der Tter huslicher Gewalt geschont, geschtzt und kaum zurVerantwortung gezogen. Anders formuliert, lsst sich offensichtlich eher eine Hilfe fr Opfer eta-blieren, als dass sich die Mythen ber gewaltttige Partner auflsen lassen. Das Abschieben insPrivate, das so genannte mangelnde ffentliche Interesse, verhindert konsequentes Einschreitenebenso wie eine ganze Phalanx von Banalisierung, Rationalisierung, Leugnung und Schuldzuwei-

    sung. Dass man Frauen nicht prgelt bei Kindern ist das schon etwas anders wird mitunter da-durch wieder aufgehoben, dass den Opfern nach dem Verursacherprinzip eine Mitschuld zuge-schrieben wird: Einerseits erklrt dies die mnnliche Grenzberschreitung, andererseits macht esauch Parteinahmen gegen den gewaltttigen Mann obsolet. Im familiren Nahraum in der eige-nen Verwandtschaft, im Freundeskreis wird husliche Gewalt entgegen sonst weit verbreiteterberzeugungen mit anderen Mastbe bewertet, wird Verstndnis fr den Tter entwickelt, wer-den Konfrontation und Sanktionen vermieden.

    beinhaltet in dem Fall, husliche Gewalt durch Medienkampagnen zu chten,geltendes Recht auszuschpfen und durch gesetzgeberische Manahmen wie das Gewaltschutz-gesetz besseren Schutz zu erreichen. beinhaltet, dass Toleranz zwar einerseitshinreichende Bedingung fr eine anstndige Gesellschaft sein mag, dass sie andererseits aber als

    einzige Bedingung nicht ausreicht, da sie der Gleichgltigkeit entspringen kann. Was bei dieserpropagandistischen chtung mitunter problematisch wird, ist die Dmonisierung des Tters, ist dieReduktion des prgelnden, des missbrauchenden, des gewaltttigen Mannes auf eben diese Ver-haltensweisen. Indem Verhalten quasi zur Persnlichkeitseigenschaft gerinnt, zudem zur schein-bar einzigen Eigenschaft, fixieren Medien, Politik und ffentliche Meinung diese asozialen Seiten.Denn die Stereotypisierung zum Tter nimmt dem Tter zunchst die Chance, sich berhaupt alseinen zuknftig Anderen antizipieren zu knnen: Medien und Politik operieren mit einem Tterbild,das nicht nur Typus ist, sondern zweifellos auch das stndig Abgespaltene im Anderen, sprich, derTter huslicher Gewalt als Anti-Selbst der rechtschaffenen Recht Schaffenden, als erstarrte Ne-gatividentitt, die sie mit ihm gemeinsam haben.36

    Wir brauchen auch als Rahmen fr Tterarbeit die Konsequenz des Gewaltschutzgesetzes und

    der Strafe. Skandalisierung jedoch behindert Integration und konstruktive Tterarbeit. Denn: D-monisierung stellt, wie Margalit37 anmerkt, eine Demtigung des Subjekts als Ausschluss aus dermenschlichen Gemeinschaft dar, sodass eine anstndige Gesellschaft ihre Institutionen nicht zurDmonisierung ihrer Mitglieder benutzen drfe, denn dies bedeute, so weiter Margalit, dass mansich so verhlt, die betreffende Person ein Tier oder ein Gegenstand wre, oder dass mansie als Untermenschen behandelt.

    Diesbezglich verweist Bllinger38 am aktuellen Bei-spiel neuer repressiverer Strafrechtsvorgaben derEU auf deren moralische Kolonisierung durch dieUSA und fhrt fort: Hinzu kommt erschwerend dieunertrgliche Besitzergreifung durch populistischePolitiker. So, zum Beispiel, wenn Kanzler SchrderPdophile und Kindesmrder in einen Topf wirft und bornierter geht es nicht mehr unter ausdrckli-cher Entwertung wissenschaftlicher Aufklrung um-

    Grenzen setzen

    Null Toleranz

    als ob

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    standslos das Wegsperren aller fordert. Nicht nur, dass derart lsungsorientiertes Agitprop in ei-nem dichotomen Entweder-Oder gefangen ist39, dass hier differenzierende Problemsicht und gebo-tene Sachbezogenheit durch emotionalisierende Skandalisierung und publikumswirksame Dmo-nisierung40 ersetzt wird: Mit derartige (Auf-)Forderungen wird zugleich der fr erfolgreiche Tterar-beit als ebenso reflektiert wie verlsslich wie konsequent erforderliche Strafrahmen in Frage ge-stellt und jedwede zukunftsweisende Tterarbeit manifest behindert, um nicht zusagen, torpediert.

    heit fr die Gruppe der Sexualstraftter ja auch, dass fr dieses Klientel einePflicht zur Behandlung eingefhrt wurde. Dies verwirklicht einen Aspekt des Umgangs mit denTtern, der gerade auch im Sinne der Opfer sein muss: Neben der Tatsache, dass es sich um dieVorbeugung weiterer Taten, um Deliktprvention handelt, ist dies auch fr die Wiedereingliederungdes Tters in die Gesellschaft und damit gerade auch in Familien wesentlich. Zugleich aber istvorab klarzustellen, dass Straftaten zwar, wie sich 1905 der Strafrechtsreformer von Liszt41 aus-drckte, eine sozial-pathologische Erscheinung" der Gesellschaft sein mgen, dass Gewalttaten jedoch kein Symptom einer irgendwie zu behandelnden sozialen Krankheit sind, sondern als so-zial abweichendes, andere schdigendes Verhalten zunchst einmal normal42, kriminell und zuchten. Das bedeutet auch, dass das A-Soziale der Delinquenz nicht generell auf etwas Pathologi-sches reduziert werden darf, denn diese Pathologisierung entwertet nicht nur den Krankheitsbe-griff43, sondern sie banalisiert auch die husliche oder sexuelle Gewalt und profanisiert den Um-

    gang mit ihr. Wenn es ber die Ttern dann heitoder , dannhat dieses Erklrungsmuster die Qualitt der Bauernregeln ber das Wetter. Und: Derartige My-then folgen dem weit verbreiteten Hydraulik- und Staudamm-Modell mnnlicher Sexualitt, das ei-ne mechanistische Abfolge von

    TriebTrieb

    TriebTrieb

    postuliert. Derartig primitiv-naive (maskuline) Sexualittsmodelle und die ihnen innewohnendenVergewaltigungsmythen tragen nicht nur zur Rechtfertigung und Banalisierung sexueller Gewaltbei und halten ein Gewalt begnstigendes Klima aufrecht, sondern sie leisten auch der sekund-

    ren Viktimisierung der Opfer Vorschub. Wenn zudem Frauen opferfeindliche Mythen akzeptieren,dient dies in erster Linie der Abwehr eigener ngste: Ihnen kann nichts passieren, sie sind quasiunverwundbar, glauben sie, denn: so eine sind sie ja nicht.

    Auch wenn es sich also nicht um Krankheit handelt, ist es erforderlich und sinnvoll, Beratungs-und Behandlungsangebote zu machen und jenseits niedrigschwelliger Angebote gegebenenfallsauch unfreiwillig-verpflichtende Behandlungen einzufhren: Erreicht werden Tter, die sonst niedie Schwelle einer Beratungsstelle oder psychologischen Praxis berschritten htten. Dabei wirdes darauf ankommen, mit dem Tter eine therapeutische Beziehung, ein tragfhiges therapeuti-sches Arbeitsbndnis zu entwickeln. Die Vorstellungen ber eine Behandlung der Tter bleibengemeinhin eher vage. Vielmehr mobilisiert das Thema Affekte und es entsteht eine latent aggres-siviertes Klima. Tenor ist, ob sich dies denn berhaupt lohne, ob diese Behandlungen nicht ohne-hin sinn- und zwecklos seien bis hin zur Forderung, in der Therapie msse dem Tter mal deutlichund ohne Schonung vor Augen gefhrt werden, was Sache ist die Behandlung als Psycho-keule sozusagen. Nun sind Ttertherapeuten in der Tat keine netten Menschen weder fr dieTter noch fr die interessierte ffentlichkeit. Und doch benutzen Behandler ihr therapeutischesHandlungswissen weder zur verstndnisvoll-einfhlsamen Entschuldigung der Tat noch als gesell-schaftliches Disziplinierungs- oder Racheinstrument. Dabei ist Tterarbeit als solche hchst un-spektakulr: Sie ist Arbeit quasi Fall-fr-Fall und insofern sehr individuell. Und: Tterarbeit futauf der Reflektiertheit und Unabhngigkeit der Behandler. Dies bedeutet,

    dass jede spektakelhafte Mediendiskussion therapeutisch kontraproduktiv ist ,dass Behandler vor Einflussnahmen durch Politik, Medien und sonstiger ffentlichkeit ge-schtzt werden mssen,

    dass Ttertherapeuten ihrerseits aber auch differenzierter und verstndlicher ber ihre Be-ratungs- und Behandlungsarbeit Auskunft geben so llten.44

    Grenzen setzen

    , Vergewaltiger sind geistesgestrt, so wasmacht kein normaler Mann!" Diese Mnner knnen ihre Sexualitt nicht kontrollieren!"

    strkedruck

    staudurchbruch

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    ist immer auch Bestandteil jedweder Tterarbeit. Problematisch ist hierbei,dass ber Interpretation und Deutung hinaus keine therapeutische Tradition der Konfrontation, dersich gegenberstellenden Grenzsetzung existiert, weil klassische Psychotherapie davon ausgeht,dass der Klient willens und in der Lage ist, prinzipiell ehrlich zu kommunizieren. Psychotherapiewie Tterarbeit arbeiten vorwiegend im Sprechen, im Erinnern, in Frage-Antwort-Suchprozessenohne fertige Lsung, mit individuell dosierten Konfrontationen, in spezifischen zum Teil emotionaldichten, intimen Beziehungen mit Aspekten des Haltens und Aushaltens, des also,

    wie des Annehmens und Integrierens, sprich, des von Affekten und Phantasien. Wasund als Rahmenbedingung von Behandlung beinhaltet, wird von Becker45 alsPrinzip psychoanalytischer Sozialarbeit wie folgt beschrieben:

    Der Rahmen verkrpert das Gesetz, insbesondere das Inzesttabu.Das Gesetz versichert und vergewissert klare Regeln, den sozialen Ort, die zeitliche Formati-on, das Geld, dass so etwas entstehen kann wie ein Raum, in dem die Personen, die sich inihm treffen, wachsen knnen: emotional und geistig.Das Setting bietet basalen Halt, ber den wir uns unsere Gegenber vergewissern knnen,nicht aus der Welt zu fallen, Unendliches zu spren und zu phantasieren und doch immer wie-der bei Endlichkeit anzukommen.Halt und Grenze des Rahmens vergewissern immer wieder neu die Todesgewissheit im Leben.

    Der Rahmen sichert ein Verhltnis von Kohrenz, Differenz, Nhe und Distanz. Als virtuellerRaum trgt er per se zur Ermigung von Angst und Schuld bei.Der Rahmen verkrpert in seiner Stabilitt und Unverrckbarkeit etwas von einer frhen unver-rckbar immer prsenten Mutter.Die Grenzen und die Dif ferenz im Rahmen verkrpern als trennende Erlebnismglichkeit einenAbstand zur omniprsenten Mutter: Es geht hier um die vterliche Instanz.Der Rahmen kann attackiert und deformiert werden und doch auch immer wieder neu herstell-bar sein.Ein Rahmen, der attackiert, aber nicht vernichtet werden kann, erschliet den Zugang zu er-barmungsloser Liebe, bei der das Objekt zerstrt und zwar immer wieder zerstrt werden kann,ohne vernichtet zu werden. Damit ermglicht der Rahmen Perspektiven des berlebens, diegenossen und einverleibt werden knnen. Sie bilden, wenn Introjektion mglich ist, die ent-scheidenden Voraussetzungen fr gekonntes Lieben und Hassen.Der Rahmen kann attackiert, zerschlagen und zerfetzt werden; oft kann er erst wieder und ins-besondere neu zusammengesetzt Voraussetzung sein fr Annherungen an vollkommenesDasein im Sinne von gengend gutem Leben.Der Rahmen ist ein Container, nicht nur fr Unbewusstes, im Sinne von verdrngtem Bewusst-sein, sondern auch fr Unbewusstes im Sinne von noch nicht und noch nie Bewusstem. Er istein Container fr alle last but not least polymorph perverse Sexualitt.Der Rahmen ist ein Teil des Krpers des psychoanalytischen Sozialarbeiters und harmonisiertunbelebte und belebte Objekte im therapeutischen Raum.Die Attacken auf den Rahmen ermglichen es, fehlende Harmonisierungen zwischen unbeleb-ten und belebten Objekten zu transformieren in etwas Neues, das zunchst einmal nur ber

    den Rahmen als Container herstellbar ist.Die Setzung eines Rahmens ermglicht Deutungen der bertragungen; die Deutung ist eineAuslegung des Rahmens, die eine Transzendierung vorbereitet: ohne Setzung des Rahmenskeine Auslegung, ohne Auslegung keine Transzendierung.

    Dies bedeutet, dass die Auseinandersetzung mit dem Ttern aber auch beinhaltet, dessen Versu-che, den Anderen kontrollieren, dominieren oder manipulieren zu wollen, entsprechend kompetent,strukturiert und beharrlich zu beantworten, ohne dass die Behandlung in das Entweder-Oder einesMachtkampfes, in eine argumentative Pingpong-Interaktion oder hnlich Monologisierendes abglei-tet.

    geht ber dieses Setzen von Grenzen hinaus, denn diese ziehen zwar

    zur juristischen Verantwortung, implizieren jedoch mitnichten bereits eine bernahme von Ver-antwortung. Und sptestens hier setzt eine therapeutisch-beraterische Tterarbeit ein: Im Strafver-fahren kann sich der zur Verantwortung gezogene Tter leicht als Objekt eines ihm bergestlp-ten Geschehens definieren in der beraterisch-therapeutischen Arbeit jedoch muss er sich als

    Setzen von Grenzen

    holding

    containingholding containing

    Verantwortlich machen

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    Subjekt zu sich, zu seinen Einstellungen, zu seinen Handlungsweisen verhalten, sprich: subjektivVerantwortung bernehmen. Fr diesen Prozess braucht es einen Rahmen, der eine intensiveAuseinandersetzung mit seiner Person, seinen Handlungsweisen und deren Ursachen ermglicht.Es braucht ein Gegenber, der den Einzelnen nicht nur als Tter sondern als ganze Persnlich-keit wahrnimmt, ihn achtet und der bereit ist, mit ihm eine Arbeitsbeziehung einzugehen. Und erbraucht ein Gegenber, der ihn mit seinen Taten und deren Folgen nachdrcklich konfrontiert, derdezidiert die ffentliche chtung huslicher Gewalt vertritt und die Strategien der externalisieren-

    den Schuldzuweisung, der Rationalisierung, der Verleugnung und verharmlosenden Umdeutungaufdeckt.

    All dies kann ein Strafverfahren nicht leisten. Fatalerweise steht die juristische Gestndniskulturmit allen Spielregeln des Leugnens, des Einrumens eines geringen Teils der Taten, der Beschul-digung und Verleumdung des Opfers, sprich, der Externalisierung und Verkehrung ins Gegen-teil, dem therapeutisch erforderlichen Erinnern und Durcharbeiten entgegen. Denn Durcharbeitenbedeutet

    eine detaillierte Rekonstruktion der Tat(en),eine Reaktivierung der im Vorfeld und whrend der Tat(en) erlebten Affekte und Phantasien,eine Auseinandersetzung mit aggressiven Affekten und Phantasien, mit gewaltttigen bis mr-derischen Impulsen,

    eine Verarbeitung und Modifikation abgewehrter (abgespaltener) Affektivitt und Handlungs-disposition,eine Korrektur von Wahrnehmungsverzerrungen,ein rekonstruktives Verstehen der affektiven Logik, des Sinns der Tat(en),eine Bearbeitung von Scham und Schuld bzw. der Abwehr von Scham- und Schuldgefhlen,ein Verstndnis der eigenen devianten Anteile,ein Hinterfragen expliziter wie impliziter Frauen- und Mnnerbilder,eine Verantwortungsbernahme als selbstbewusstes aktiv entscheidendes und handelndes Subjekt eigenen Tuns gegenber dem sich als passiv erlebenden Objekt rollenhaft ablaufen-der, ihm passierender Delinquenz.

    Damit ist der Prozess der Deliktverarbeitung zwar ein sprachlich vermittelter Erinnerungs- und

    Durcharbeitungsprozess und dient er auf dieser Ebene der kognitiven Integration, also der Ratio-nalisierung von Affekten, doch ist er wesentlich ein Imaginierungs- und Erinnerungsprozess sinnli-cher Erfahrung. Dass strategisches Denken und argumentatives Handeln etwas anderes sind alsintrospektive Selbstkritik und reflexives Sprechen, liegt auf der Hand.

    Um noch einmal auf den Nexus von Gestndnis und Anamnese zurckzukommen: In seinerAnalyse der Mikrophysik der Macht zeigt Foucault, dass der abendlndische Mensch durch einenkulturimmanenten Zwang zur Wahrheit" sei dies in der kirchlichen Beichte, im gerichtsprozes-sualen Gestndnis oder in der therapeutisch erfragten Anamnese zum Gestndnistier" gewor-den ist:

    Die Wirkungen des Gestndnisses sind weit getreut: in der Jusiz, in der Medizin, in der Pdago-

    gik, in den Familien- wie in den Liebesbeziehungen, im Alltagsleben wie in den feierlichen Ritengesteht man seine Verbrechen, gesteht man seine Snden, gesteht man seine Gedanken und Be-gehren, gesteht man seine Vergangenheit und Trume, gesteht man seine Kindheit, gesteht manseine Krankheiten und Leiden; mit grter Genauigkeit bemht man sich zu sagen, was zu sagenam schwersten ist; man gesteht in der ffentlichkeit und im Privaten, seinen Eltern, seinen Erzie-hern, seinm Arzt und denen, die man liebt; man macht sich selbst mit Lust und Schmerz Gestnd-nisse, die vor niemand anders mglich wren, und daraus macht man dann Bcher. Man gesteht oder man wird zum Gestndnos gezwungen. Wenn das Gestndnis nicht spontan oder von ir-gendeinem inneren Impuls diktiert ist, wird es erpresst; man sprt es in der Seele auf oder ent-reisst es dem Krper.46

    Strukturell entspricht dieser inhaltliche Kontext von dem von

    Margalit47

    skizzierten Beziehungsdreick, das den Zusammenhang vonherstellt und garantiert. Foucault arbeitet heraus, erst durch diese Gestndniskultur seidie Subjektivierung der Menschen, das heisst, ihre Konstituierung als Untertanen / Subjekte" ver-wirklicht worden48. Denn das Wort beinhaltet als ei-

    Beichte Gestndnis Anamnese

    Erinnerung Anteilnahme Ethik

    Subjekt sub-jectum = als Unter-worfenes

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    nen zweifachen Sinn: Nmlich, so weiter Foucault, vermittels Kontrolle und Abhngigkeit jeman-dem unterworfen sein und durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis seiner eigenen Identitt ver-haftet sein. Beide Bedeutungen unterstellen eine Form von Macht, die einen unterwirft und zu je-mandes Subjekt macht"49. Lakonisch co-mentiert Kafka: Das Wort sein bedeutet im Deutschenbeides: Dasein und Ihmgehren 50. Wesentlich bleibt, dass es eben nicht um ein passiv-objekthaftes Unterworfenwerden gehen darf, sondern in der Tterarbeit um eine aktive Selbstun-terwerfung, um eine eigenverantwortliche Aneignung von sich selbst Grenzen setzenden Eigen-

    schaften geht, um Autonomie entwickeln zu knnen.ist demzufolge ein wesentlicher Schritt in

    Richtung Vernderung. Und: Das Herausarbeiten von Verantwortungstellt wie oben ersichtlich keinen zu Beginn eines strukturierten Be-handlungsprogramms abzuhakenden einzelnen Punkt dar. Vielmehrzieht sich dieses Arbeiten wie ein roter Faden durch den gesamten bera-terisch-therapeutischen Prozess, da es um eine nachhaltige Einstellungs-und Verhaltensnderung gehen muss. Was aber charakterisiert unsereBeziehung zum Anderen? Dieser ist, knnte man verkrzt sagen, immerauch ein phantasmatischer Anderer. Er wird zwangslufig zum Trger un-serer unbewussten Phantasie ber Aspekte unseres eigenen Selbst.

    iek formuliert, als Ziel und im Ergebnis msse es folglich darum gehen,so weit als mglich Verletzungen des phantasmatischen Raums des Anderen zu vermeiden, soweit als mglich das des Anderen [zu] respektieren"51. Mit dieser Haltung derAchtung geht es also darum, den in jeder Beziehung und erst recht in der therapeutischen Be-ziehung enthaltenen Raum der Macht gut, das heisst, im Sinne einer Nichtbeherrschung zuverwalten. Was iek fordert, ist eine Ethik individueller Freiheit, eine Handlungs- und Behand-lungsethik, die Verantwortung fr den Anderen einschliet und als Kultur des Ich die Beziehungenvon Subjekt zu Subjekt aufwertet und intensiviert.

    Zwischenmenschliche Verhltnisse bergen grundstzlich eine Spannung in sich. Intersubjektivittist wie Sartre52 herausgearbeitet hat immer als Wechselbeziehung von Anerkennungsanspr-chen und deren andauernder Missachtung gekennzeichnet. Es sind Wechselbeziehungen, die He-

    gel als Dialektik, sprich, als gegenseitige Anerkennung von Herrn und Knecht 53 herausgearbeitethat und ber die Sartre schreibt: Selbst die demtigendste Ordnung muss in Wirklichkeit vonMensch zu Mensch gegeben sein. [...] Um einen Menschen wie einen Hund zu behandeln, mussman ihn zuerst als Menschen anerkannt haben.54 Und gerade daher rhrt unsere Ambivalenz, un-sere affektive Polarisierung in der Beratung und Behandlung von Ttern. Das geheime Unbeha-gen des Herrn so wiederum Sartre rhre daher, dass er stndig gezwungen ist, die mensch-liche Realitt des Knechts in Rechnung zu stellen und ihm gleichzeitig den Status zu verweigern,der ihn als gleichberechtigt-menschliches Wesen definiert.55

    heit fr den Tter,Fhigkeiten zu gewaltloser Konfliktlsung zu entwickeln,Techniken der Impulskontrolle einzuben,sich Stressbewltigungsstrategien aneignen,Verhaltensmuster wahrzunehmen, zu erkennen und zu verndern,Glaubensstze und berzeugungen, die gewaltttiges Verhalten frdern, zu hinterfragen,soziale und kommunikative Kompetenz wie Empathiefhigkeit, Frsorglichkeit und Zuh-renknnen zu erarbeiten.

    Und: Vernderung braucht Zeit, braucht als Vernderungsprozess Zeit, weil er auf einer Beziehungbasiert, von dieser abhngt, die ihrerseits nur allmhlich zu entwickeln ist, mithin Zeit bentigt. Dasbedeutet, dass die Vorstellung einer instrumentell einzusetzenden Behandlung, einer per Weisungin 6 oder 10 Stunden einzubenden Verantwortungsbernahme und Gewaltfreiheit in den meistenFllen nicht nur eine sozialtechnologische Fiktion ist, sondern in seiner Pauschalisierung und feh-lenden Indikationsstellung auch zutiefst verachtend. Man mag dieser Position entgegenhalten, da

    reine Verhaltenstrainings symptomspezifischer, krzer und scheinbar effektiver zu sein scheinen,doch mu den Behandlungsstrategen der Ttertherapie entgegengehalten werden, da derartigeVerhaltenstrainings nur in einem eher geringen Teil der Tter effizient sind, dass es also einersorgfltigen Indikationsstellung ber die Angabe Sexualstraftter oder prgelnder Ehemann

    Verantwortungsbernahme

    partikulre Absolute

    Vernderung ermglichen

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    hinaus bedarf. Erst bei der Auswahl zwischen unterschiedlichen Manahmen der Tterbehandlungund deren ergnzende Kombination (zum Beispiel psychotherapeutisch fundierte Kurse, sozialthe-rapeutische Trainings, Beratung) knnen diese sinnvoll eingesetzt werden. Bei Pauschalangebo-ten von Verhaltenstrainings, wie sie den (politischen) Strategen des Sozialen zum Teil vorschwe-ben, wird programmatisch nur das vollzogen wird, was Bruder56 als Verengung emanzipatorischerTheorie(bildung) zu sozialtechnischen Vorstellungen kritisiert. So schreibt Vanhoeck, Therapeutenseien eben keine , sprich, keine sozialen Bullen, und er fordert selbstkritisch:

    , Schadensbeschrnkung, ist zwar eine wichtige und vie lleicht die wichtigsteZielsetzung, doch wir mssen unseren Klienten mehr zu bieten haben, als sie nur zu lehren, wiesie sich zu benehmen haben 57. Denn die Fixierung auf Verhaltensvorgaben und -kontrollen bein-haltet eine Tendenz bzw. Gefahr, den Tter im Sinne des Schemas einer reinen Anpassungsre-sozialisierung [...] zu einem reinen Funktionsobjekt der Gesellschaft [zu] degradieren und ihm da-mit den Weg zur eigenen Selbstfindung und Selbstverantwortlichkeit als Voraussetzung aller wirk-lichen Resozialisierung [zu] versperren: aus dem Ordnungsstrer wrde die Ordnungsmarionet-te.58

    Anders formuliert muss es darum gehen, die beratende wie therapeutische Arbeit mit Ttern soauszugestalten, dass es diese aus der Achtung durch den Behandler sowohl Selbstachtung alsauch Verantwortungsbernahme im Sinne einer Achtung der Integritt Anderer entwickeln

    knnen und dies nicht nur auf innere Habachthaltungen beschrnken. In der Tat gibt es schon imBereich der geforderten Kooperation einen schmalen Grad zwischen therapeutischer Complian-ce, assimilatorisch-akkomodierender Anpassung und formaler Unterwerfung59. Fr Beratung /Behandlung beinhaltet dies die Zielsetzung einer Autonomiebildung bei unseren Klienten / Patien-ten, sich wie Freud es formuliert so oder anders entscheiden zu knnen. Oder, um es altmodi-scher mit Marx60 zu formulieren: Der Mensch ist als Individuum nur frei, sprich, verantwortlich undautonom, wenn er seine Individualitt als ein totaler Mensch in jedem seiner menschlichen Ver-hltnisse zur Welt, Sehn, Hren, Riechen, Schmecken, Fhlen, Denken, Anschauen, Empfinden,Wollen, Ttigsein, Lieben besttigt, das heisst, wenn er nicht nur frei etwas, sondern auch frei

    etwas ist.61

    Gerade deshalb ist soziales Handeln hinsichtlich seiner ethischen Prmissen zu konkretisieren und

    hinsichtlich seiner Verantwortungsbernahmen daraufhin zu befragen, wie sich Behandler selbstim Rahmen dieser institutionell-instrumentellen Praxis definieren und situieren knnen und womitsie ihr eingreifendes Handeln als gegebenenfalls engagierte Sorge fr das Subjekt legitimieren.Und dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie wie beispielsweise Ttertherapeuten in ei-nem Zwangskontext arbeiten und hierbei den sowohl theoretisch-praxisrelevanten als auch kon-kret-praktischen Anspruch haben, den Anderen einerseits in seinem So-sein zu respektieren undzu achten, ihn andererseits aber zugleich mit seinen devianten, unsozialen, vielleicht selbst- oderfremdgefhrlichen Eigenschaften zu konfrontieren62. Mithin bedarf es wenn man denn einerseitsein Gegner von Gewalt und Zwang ist, andererseits in Grenzsituationen, Grenzbereichen arbeitet bedarf es der Angabe, wie eine solche Verantwortung nicht nur im Kontext von Entsorgungs-, Ver-sorgungs- und Frsorgekonzepten gedacht werden kann, sondern wie sie darber hinaus fr einepdagogische, sozialarbeiterische, psychologische oder psychotherapeutische Praxis als Antwort,als in der Antwort enthaltene Verantwortung, nicht vermieden oder schngeredet, sondern ethischbegrndet werden kann. 63

    Nach wie vor wird der Umgang mit Ttern stark im Kontext von polizeilichen Manahmen und juri-stischen Sanktionen gesehen. Politische und juristische Diskurse setzen auf Grenzen, sind auf ihreWeise auch geeignet, den Tter juristisch zur Verantwortung zu ziehen, haben jedoch kein tat-schliches Interesse daran, ihm Vernderung zu ermglichen. Und selbst wenn Politiker wie dieFamilienministerin Bergmann auf Hilfe statt Strafe setzen, dann auch nur, weil Kinder, die in derFamilie Gewalt erfahren haben, spter selbst eher zu Gewaltttigkeiten neigen, sprich, aus delikt-prventiven Grnden.

    , fragen Bent-heim und Ehrchen64 nach und fordern ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung ein. Bezeichnen-derweise hat selbst die Beteuerung, eine Abwertung der Gewalterfahrungen von Jungen [sei] zu

    social cops

    Harm reduction

    vonzu

    Wieso belsst man es nicht dabei, auch Jungen als Opfer von Gewalt an-zuerkennen? Wieso werden verletzte Jungen unmittelbar als sptere Schlger benannt? Wiesomssen Jungen erst als gefhrlich erscheinen, bevor man ihre Schmerzen sieht?

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    keiner Zeit intendiert gewesen, sozialtechnologisch-instrumentelle Aspekte, wenn weiterhin her-vorgehoben wird, es gehe darum, die Spirale der Gewalt [zu] durchbrechen 65 (sic!).

    Gerade eine Vernderung der Tter muss Anliegen einer Tterarbeit sein, die fr einen wirksamenund nachhaltigen Schutz der Opfer eintritt. Paradoxerweise scheint es jedoch im politischen Raumeher zu Desinteresse, wenn nicht gar Aversion, gegenber Tterarbeit zu kommen. Dies hat si-cherlich damit zu tun, dass Behandler mit der Justiz zwar kooperieren wollen und mssen, sich

    andererseits aber weder vereinnahmen lassen wollen noch drfen Behandler sind eben keine...

    Entsprechend schmal ist gegebenenfalls der Grad von Achtung und Missachtung, von Interesseund Desinteresse, im Verhltnis politischer und juristischer Instanzen zu beratend-therapeutischenInstitutionen. Denn wer berhaupt ist denn der Auftraggeber von Tterarbeit? Reprsentiert derTherapeut den Staat oder eine bestimmte therapeutische Schule und ihre Dogmen oder erhlt erdas Honorar von ein dritten Partei, so ist die [therapeutische] Partnerschaftsbeziehung schwerwie-genden Eingriffen von aussen ausgesetzt, schreibt Goldberg66. Das heit, gerade wenn diskursi-ver Widerstreit durch Strategisierung des Diskurses substituiert zu werden droht, fordert dies eineselbstbewusste, unbeirrt therapeutische Haltung des Behandlers67: Angesichts der Versuche undVersuchung, von aussen auf therapeutische Inhalte Einfluss zu nehmen, erscheint die Betonung

    fachlicher Standards wesentlich, gibt es doch von unterschiedlich interessierten Seiten her denkonomisch, institutionell oder anders motivierten Versuch, Trainingsprogramme fr Tter zu for-cieren. Dies ist auch ein Reflex auf eine Tendenz zum undifferenzierten Umgang mit Ttern hus-licher oder anderer zum Beispiel sexueller Gewalt: Angesichts des serialisierenden und totali-sierenden Schlagworts68 vom , angesichts der ebenso emotionalisierenden wiestigmatisierenden Charakterisierung als wird verkannt, dass es individuelle Un-terschiede gibt, die therapeutische Unterschiede machen.

    Es gilt, Ttern zu helfen. Aber genau dies ist es, was uns allen so schwer fllt:Spoden kommentiert

    hierzu: Wer sich dennoch Ttern zuwendet, ihnen zuhrt und mit ihnen arbeitet erfhrt schnell,dass die Tter niemals nur Tter sind, sondern Menschen wie Sie und ich; er erkennt, dass diese

    Menschen viele Fhigkeiten haben, liebenswrdig sein knnen, verzweifelt sind und fast aus-nahmslos eine Biographie mit einer eigenen Viktimisierung haben. Wer sich der Geschichte dieserMnner nicht aussetzt und in ihnen nicht mehr als nur den Tter sieht, der wird niemals die Ambi-valenz verstehen, die misshandelte Frauen dazu bringt, wieder zu ihren Partnern zurckzukehren.Durch das Kennenlernen der Tter, erkennen wir uns selbst. Wir mssen erfahren, dass die hn-lichkeiten einer kollektiven Sozialisation besonders bei uns Mnnern die Unterschiede ber-wiegen.69

    Auch das bringt Erfordernisse der Distanzierung mit sich und erschwert Identifikation. Entspre-chend gro ist die Gefahr, dass dann in Identifikation mit dem Opfer gegenaggressive Einstel-lungen die Tterarbeit bestimmen, was mitunter durch die aggressive bertragung des Klienten alsAusdruck seiner subjektiven Gewissheit der grundstzlichen Feindseligkeit des Behandlers gefr-dert wird. Bestimmen jedoch gegenaggressive Elemente die Behandlung, dann werde sie diesetorpedieren, wie sich am Beispiel einiger entsprechend wenig erfolgreicher Behandlungspro-gramme in den USA ersehen lsst. Der Versuch, das unter Umstnden aggressive Gegenagierendes ebenso uneingestanden hilflosen wie gewaltttig grenzberschreitenden wie latent hoffendenTters nur mit den Zwangsmitteln institutioneller oder therapeutischer Gewalt herbeifhren zu wol-len, wird nicht zur Entngstigung und Verinnerlichung von Beziehungsmustern fhren, sondern zurUmstlpung in sich unterwerfende Anpassung als destruktivem Gehorsam, zur Herausbildung au-toritrer Persnlichkeitsstrukturen, wie dies in den USA beispielhaft in sogenannten Bootcampsim wahrsten Sinn des Wortes durchexerziert wird.70

    Entgegengesetzt gibt es auf dem anderen Pol die Gefahr, sich vorschnell mit dem Opfer im Tter

    zu identifizieren, zu frh oder ausschlielich dessen persnliche Opfererfahrung in den Vorder-grund des beraterisch-therapeutischen Prozesses zu rcken und die Auseinandersetzung mit derTat und der eigenen Verantwortung zu vernachlssigen. Die Arbeit mit den Ttern braucht beides:Konfrontation und Empathie, Identifikation und Distanzierung. Und auch unser gesellschaftlicher

    social cops

    SexualstraftterKinderschnder

    Hilfe fr Tter? ...Opfer haben unsere Hilfe verdient! ... doch Tter? ... Tter gehren bestraft!

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    Umgang mit Ttern braucht dieses anstrengende Oszillieren zwischen Konfrontation und Empa-thie, zwischen Identifikation und Distanzierung.

    Festzuhalten bleibt: Tterarbeit, die Arbeit mit Ttern huslicher Gewalt ist ein wichtiger Beitragzum Opferschutz, denn nur durch eine intensive Arbeit mit dem Tter kann eine Wiederholung ge-waltttigen Handelns in der weiteren Zukunft vorgebeugt werden. Dabei darf jedoch nicht verkanntwerden, dass Therapie kein Allheilmittel ist und dass der politisch zweifellos strategische und

    keineswegs als individuelle Hilfe konzipierte Behandlungsanspruch nicht verhindert, dass Tterin krisenhaften Momenten ihres Lebens mitunter wie eben andere Menschen auch auf Verhal-tens- und Handlungsoptionen der Ausbung von Gewalt zurckgreifen. Einen anderen Menschenals Menschen zu behandeln heit [...] auch, seine Entscheidungsfreiheit anzuerkennen 71. Wennzuvor Tterbehandlung als Opferschutz charakterisiert wurde, stellt sich die ffentlichkeit die Fra-ge nach der (wissenschaftlichen) berprfbarkeit des Erfolgs von Behandlungsmanahmen: Ge-rade hier jedoch sind Vorsicht und Bescheidenheit geboten, da Behandlung als spezifischer undindividueller Kommunikationsprozess zwar qualitativer Prozessforschung zugnglich ist, sie sich jedoch der Wissenschaftsfiktion empirisch-quantifizierender Prognose- und Ergebnisforschungweitgehend entzieht und insofern sich nur indirekt anhand von Statistiken schlussfolgern lsst,welches Ergebnis die Behandlung von Ttern haben kann.72

    Das Problem ist, dass von Tterarbeit geradezu ultimativ erwartet wird, diese mge gewaltttigeEinstellungen und Handlungen ab sofort unterbinden. Doch diese Prmisse setzt Behandler undTter unter einen unrealistischen Erwartungsdruck, ignoriert die Prozesshaftigkeit des Lebens undverfhrt mitunter zu keineswegs therapeutisch zu nennenden Versuchen, Erfolg reaktiv herbeizu-fhren. Und um das Thema fortzusetzen: Wer eigentlich kmmert sich umdie Behandler der rckflligen Tter? Wie verarbeiten diese ihr vermeintliches Scheitern? Wie ge-hen diese damit um, dass mitunter gegen sie staatsanwaltlich ermittelt wird?

    Den Tter mit seinen problematischen, verantwortungslosen, grenzberschreitenden, gewalttti-gen, eben auch fiesen Eigenschaften einerseits zu konfrontieren, andererseits aber ihn eben gera-de auch zu achten, seine ja ebenfalls existierenden sympathischen Seiten zu entdecken zu su-chen, bringt Ttertherapeuten nicht nur in ein Dilemma von Identifikation und Distanzierung dies

    birgt auch Probleme der beruflichen Identitt und der persnlichen Infragestellung in sich, dennsowohl die eigenen Berufskollegen wie auch Familienangehrige oder Freunde und Bekannte ten-dieren mitunter dazu, sich auf die eine oder andere Art und Weise zu distanzieren, infragestellendbis ablehnend zu reagieren.

    Insofern bedarf es einer psychohygienischen Selbstsorge des Behandlers inder Tterarbeit, einer Selbstsorge wie sie Foucault73 als Ethiken des Selbstherausgearbeitet hat: Mit dieser Konzeption vertritt Foucault neben der

    und der auch eine dritte Richtung derim Sinne eines Wahrheitsregimes. Die drei Sorgerichtun-

    gen hngen insofern miteinander zusammen, als man, um sich selbst lenkenzu knnen, einen Anderen bentigt, der einem als Bezugspunkt im Auen dieWahrheit sagt.

    Denn: Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Alltagspraxis ziehen zu wollen, das ist sieheMnchhausen das Hebezeug der Lgner ... und, wie Enzensberger74 anmerkt, auch der Refor-misten.

    Hommage Gdel

    Mnchhausens Theorem, Pferd, Sumpf und Schop,ist bezaubernd, aber vergiss nicht:Mnchhausen war ein Lgner.

    Gdels Theorem wirkt auf den ersten Blicketwas unscheinbar, doch bedenk:

    Gdel hat recht.In jedem gengend reichhaltigen Systemlassen sich Stze formulieren,die innerhalb des Systemsweder beweis- noch widerlegbar sind,

    Wer kmmert sich?

    Sorge-um-Sich Sorge-um-die-Anderen Sor- ge-um-die-Wahrheit

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    es sei denn das Systemwre selber inkonsistent.

    Du kannst deine eigene Sprachein deiner eigenen Sprache beschreiben:aber nicht ganz.Du kannst dein eignes Gehirnmit deinem eignen Gehirn erforschen:aber nicht ganz.Usw.

    Um sich zu rechtfertigenmuss jedes denkbare Systemsich transzendieren,d.h. zerstren.

    Gengend reichhaltig oder nicht:Widerspruchsfreiheitist eine Mangelerscheinungoder ein Widerspruch.

    (Gewissheit = Inkonsistenz.)

    Jeder denkbare Reiter,also auch Mnchhausen,also auch du bist ein Subsystem

    eines gengend reichhaltigen Sumpfes.Und ein Subsystem dieses Subsystemsist der eigene Schopf,dieses Hebezeugfr Reformisten und Lgner.

    In jedem reihhaltigen System,also auch in diesem Sumpf hier,lassen sich Stze formulieren,die innerhalb des Systemsweder beweis- noch widerlegbar sind.

    Diese Stze nimm in die Handund zieh!

    Diesen Mut zur Wahrheit, dieses Wahr-Sagen konzeptualisiert Foucault als Haltung, bei der sichdas Erkenntnissubjekt keineswegs selbstabsichert, sondern in der es sich in eine aktive Auseinan-dersetzung mit einer Wahrheit begibt, zu der ein Zugang nur unter der Bedingung beziehungswei-se um den Preis der eigenen Vernderung mglich ist. Man kann Andere nicht gut regieren, mankann seine Privilegien nicht in politisches, rationales Handeln fr Andere transformieren, wennman sich nicht um sich selbst kmmert"75. Indem sich das Subjekt durch Selbstzuwendung einWissen ber sich selbst verschafft, verpflichtet ihn dieses reziprok, die ber andere verfgbareMacht nicht zu missbrauchen, sprich, diese Macht ohne Herrschaftseffekte zu deren Wohl auszu-ben.

    Diese Konzeption ist allerdings solange ein Problem, als wir als konkrete Individuen die entfrem-denden Machtstrukturen, denen wir als Subjekte unterworfen sind, andererseits selbst mit schaffen

    oder aufrecht erhalten ... Autonomie und Entfremdung sind also korrelative, sprich, in wechselseiti-ger Beziehung stehende Eigenschaften, ganz so wie Verstndigungsarbeit und Streit Grundstruk-turen sozialen Handelns sind. Das hrt sich theoretisch vielleicht ganz gut an, doch werden Sienun vielleicht nach dem praktischen Nhrwert fragen. Sie knnen sich vorstellen, dass mir das Dik-tat der mglichst unmittelbaren Praxisrelevanz von Theorie aus der Universitt zur Genge be-kannt ist. Doch diesem Anspruch hlt Adorno76 entgegen, Erkenntnis werde versperrt, wenn dasDenken auf einen Zweck ausgerichtet oder diesem unterworfen werde. Denn die These der Einheitvon Theorie und Praxis beinhalte ein spezifisches pervertierendes Moment, wenn jedwede Theo-rie im Hinblick auf Praxis zensiert werde. Das Falsche des heute gebten Primats von Praxis,setzt er fort, werde gerade daran deutlich, dass die generell eingeforderte Diskussion durch Tak-tik, durch taktierende, sprich, strategisch-zweckrationale Argumentation vollend zunichte ge-macht werde.77

    Nun, bildlich gesprochen verhalten sich Theorie und Praxis zueinander wie diebeiden Seiten eines sogenannten Mbiusstreifens, eines endlos geflochtenenBandes78. Und diesbezglich habe ich mich der Einladung, einen politisch-

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    philosophischen Gang zu unternehmen, aber auch einer Forderung Adornos entsprechend ent-schieden, auf der Seite der Theorie zu bleiben, diese konsequent (weiter) zu fhren, denn sonstwird so erneut Adorno die Praxis falsch. Dabei sei das praktische Handeln natrlich nicht alsAnhngsel, als bloes Jenseits des Denkens aufzufassen, sekundiert Horkheimer, sondern esspielt in die Theorie berall hinein und ist von ihr gar nicht abzulsen. 79

    Machen wir uns hinsichtlich der Praxis nichts vor: Jede Sozial- und Tterarbeit

    muss wie Mitscherlich

    80

    zur Jugendarbeit ausfhrt in sich selbst einedialektische Funktion erfllen: sie muss in die Gesellschaft einben und gegensie immunisieren, wo diese zwingen will, Stereotypen des Denkens undHandelns zu folgen statt kritischer Einsicht. Andernfalls wird Behandlung oderErziehung zur Dressur, zur Durchsetzung eines autoritren Nein mitsadomasochistisch strukturiertem Beziehungsmuster, dessen undialektischeingefrorenes Entweder-Oder den Charakter von Dominanz und Unterwerfung Hegel wrde sagen, von Herr- und Knechtschaft inne hat und einenZwiespalt von Strafangst und Strafzwang aufklaffen lsst. In gerade dieserinneren Spannung wird ein aggressives Moment des Begehrens erkennbar,das auf den anderen Seite Angst erzeugt. Zwang hat wir sehen diesausgeprgt bei Zwangskranken mit Angstabwehr, mit der Ritualisierung der

    Abwehr der Angst vor der eigenen Affektivitt, vor der Wucht des eigenen aggressiven Begehrensund den damit verbundenen, auf den Anderen gerichteten Phantasien zu tun. Wie wir ebenfalls anden Zwangshandlungen ersehen knnen, tendieren diese zur Ausweitung auf das gesamte Den-ken und Handeln sowie gleichzeitig zur Einengung desselben Denkens und Handelns. Die Ineffek-tivitt dieser Form der Konfliktbewltigung fhrt ebenso logisch wie paradox zu einem unkon-trollierten Immer-Mehr dieser starren Regeln, dieses rigiden Verhaltenskodex, dieser sich selbst und schlielich auch Andere kontrollierenden Zwangsmechanismen.

    Worum geht es, wenn zuvor von Selbstzwang die Rede war? Geborgt habe ich diesen Begriff vonElias, der mit ihm den historischen Prozess der Herausbildung von Zivilisation, dieses Wandels derAffekt- und Kontrollstrukturen des Menschen, speziell der Selbstdisziplinierung durch Triebverzichtcharakterisiert. Mehr Individualismus bedeutet, dass die psychische Selbstkontrollapparatur so

    Elias81 differenzierter, allseitiger und stabiler, dass das Vernunftprinzip fest verankert wird unddass das Leben in der modernen Gesellschaft einen hohen Preis hat den der dauernden undandauernd zu bearbeitenden Unterdrckung des Lustprinzips. Verborgen bleibt der selbstnormie-rende Zwang lediglich, weil an seine Stelle oft genug eine Auennormierung tritt, ein den Anderendurch Konkurrenz, Auseinandersetzung, Verpflichtung auferlegter Zwang zum richtigen Leben,wie er sich institutionell alltglich beispielsweise in der Sozial-, Sexual-, Erziehungs-, Lebens-, Be-rufs- und Verbraucherberatung dokumentiert.

    Wenn wir unseren Klienten mehr zu bieten haben mssen, als sie nur zubelehren, wie sie sich verhalten sollen, dann fordert dies mehr als rational-zweckrationale, kollektive Verhaltensregulierungen, dann setzt dies Be-handler in Widerspruch zu den brokratischen Regelungen einer verwalte-ten Welt (Adorno), deren Organisation sozialen Handelns zur Verdingli-chung der sozialen Beziehungen tendiert. Anders ausgedrckt, haben sichdie sozialen Tabus der Triebunterdrckung, hat sich der kollektive Zwangzum Selbstzwang verselbstndigt und sich als generelle funktionale Ratio-nalitt als das, was vernnftig ist durchgesetzt. Dem gesellschaftlichenDruck dieser zwar scheinbar rationalen, andererseits aber eben affektiv un-terlegten und insofern zwielichtigen Verhltnisse wird sich das Denken nichtdurch einfache Negation, nicht durch Ignorieren, Verneinung oder Verkehrung ins Gegenteil, ent-ziehen oder widersetzen knnen: Was dafr bentigt wird, wre ein konkret erfahrbarer Bezugs-punkt, eine Referenz, die unter Umstnden zunchst einmal Selbstreferenz ist. Doch Vorsicht! Da-zu kommentiert Adorno, wer sich einbilde, er sei, als Produkt dieser Gesellschaft, von der brger-

    lichen Klte frei, heg[e] Illusionen wie ber die Welt so ber sich selbst ...

    82

    . Fraglos sind auch wirTheoretiker der Praxis zum Beispiel die sozialen Techniker des Negativen83, sprich, Sozialarbei-ter, Pdagogen, Psychologen, ich persnlich ... selbst Teil des Machtsystems. Und unsere illu-sionre Vorstellung, wir seien Agenten des Bewusstseins und Akteure des Diskurses, gehrt zu

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    diesem System. Folglich bleibt, so wiederum Foucault, nur brig, sich dort kritisch mit den poli-tisch-institutionellen so auch sozialen, frsorgerischen, psychotherapeutischen Machtspielenund Zwangsmechanismen auseinanderzusetzen, wo der Einzelne selbst gleichzeitig deren Objektund Instrument ist. Wenn das juristische Recht als Gesetz, Verbot und Institution und wenn stra-tegische Diskurse lediglich als Modelle zur Analyse von Machtverhltnissen wie Missachtungsbe-ziehungen zur Verfgung stehen, dann msse Politik anders als politisch gemacht werden84.Und dies bedeute, Selbstverstndlichkeiten und Allgemeingltigkeiten zu zerstren, indem Theorie

    als Werkzeugkiste", als Instrument zur Erarbeitung einer situations- und problemadquaten Logikgenutzt wird, die den Zwngen, Trgheitsmomenten, Schwachstellen und Widersprchen des ak-tuellen berufs-, gesundheits- oder gesellschaftpolitischen Feldes Rechnung trgt85. Insofern knpftFoucault an Kants Philosophie der Aufklrung an, der danach fragt, wer das Individuum in einemprzisen Moment der Geschichte ist, sprich, wer wir in der Gegenwart sind.

    Das klingt zunchst provokant, doch es entfesselt das Denken. Angesichts einer gesamtgesell-schaftlichen Renaissance des Zwangs ist die aktuelle Situation wohl eine des , und nurin Anerkennung dieser Realitt kann in Referenz an Marcuse die individuelle Erfahrung dieVerdinglichung aufheben, in der die jeweiligen menschlichen Beziehungen erstarrt oder versteinertsind. Ein Dialog der wechselseitigen Achtung lsst sich nicht erzwingen. Es lsst sich aber eineethische Haltung einnehmen, die mitunter bereits darin besteht, sich nicht von der hsslichen Seite

    der Praxis zu distanzieren. Wir knnen, schreibt Pleyer, in sauberen Therapiezimmern mit sch-ner Technik sitzenbleiben und uns hinter Einwegspiegeln verschanzen, anstatt mit unserem Fami-lienbrett in verdreckte Sozialwohnungen zu gehen, wo Fernseher ganztgig das Geschrei vernach-lssigter Kinder berbrllen. Hinzu kommen

    unser Hantieren mit therapeutischen Techniken zur Sicherung der Schutzzone unseres Ex-pertentums,unser psychosozialer Jargon, unsere gestelzten Fachausdrcke als Sicherheitsgurte gegendie Wirkung emotionaler Auffahrunflle und wenn wir nur routiniert genug sind natrlich die Delegation des Handelns an Andere mitsamt der Alibibegrndung dieserEntverantwortung.86

    Fr die Tterarbeit bedeutet dies, dass fr eine konstruktive Auseinandersetzung mit Ttern hus-

    licher Gewalteine Kooperation mit der Justiz, nicht aber Vereinnahmung durch oder Anbiederung an siebentigt wird,dass Beratungsstellen geschaffen und finanziert! werden mssen, die auf das Problemspezialisiert sind und intensiv mit Ttern arbeiten,dass die Diskussion ber fr unterschiedliche Ttergruppen geeignete Behandlungskonzeptefortgesetzt werden muss,dass eine Beforschung des Beratungs- und Behandlungsprozesses mit Ttern indiziert, ande-rerseits aber nur sinnvoll ist, wenn sie den subjektiven Faktor Tter ernst nimmt und expliziteinbezieht,dass eine Evaluation der Tterarbeit innerhalb verschiedener Anstze unternommen werden

    muss, hiervon aber nicht die grundstzliche Akzeptanz oder Untersttzung von Beratung undBehandlung abhngig gemacht werden darf,dass weiterhin ein Bedarf fr Angebote an Selbstmelder besteht, die sich angesichts konse-quenterer Strafverfolgung im Vorfeld von Strafanzeige und vor Verurteilung melden, unddass dafr ein politischer statt populistischer Wille erforderlich ist, der bereit ist, Projekte derTterarbeit nicht nur einzurichten, sondern auch lngerfristig finanziell abzusichern.

    Mit diesem Ergebnis bleibt dieser Diskurs ein philosophischer Gang, der noch keinen Weg kennt,der aber seiner Verantwortung nachzukommen sucht, einen reflexiven, aufrechten Gang zu gehen,also ein Schreiten ohne berschreiten der intersubjektiven Grenzen zu verwirklichen, ein Abschrei-ten der Grenzen zum Anderen, das heit auch, sich einerseits ohne Rckschritt in eine individuali-sierende, unpolitische Praxis selbst abzugrenzen, andererseits auf den Gegenber einzugehen,

    gegebenenfalls einzuschreiten, also auf den Anderen zuzugehen ohne seine und meine! Be-drfnisse zu bergehen, damit aber Zweifel und Zwiespalt nicht entgehen zu knnen. Das heisst,nur allmhlich, geduldig und selbstreflexiv lsst sich der philosophische Gang entwickeln: Dassman dabei ertragen muss, nicht oder nicht in berechenbarer Weise voranzuschreiten, dass man

    huis clos

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    wieder von vorn anfangen muss, luft so Lyotard87 den herrschenden Werten zuwider, dieVorausschau, Entwicklung, Zielgerichtetheit, Effizienz, Geschwindigkeit, vertragsgeme Ausfh-rung, Genuss fordern. Dabei werden Berater wie Behandler zu einem sowohl moralischen alsauch politischen Zeugen:

    zu einem historischen Zeugen, der mit moralischer Entschlossenheit88 in der ersten Personerzhlt,wie zu einem paradigmatischen Zeugen, der Wahrheit rekonstruiert, sie sowohl fr das Opfer

    bezeugt als auch rekonstruierend fr den Tter herstellt, indem er auch aus der Perspektiveder dritten Person erzhlen kann.89

    Wenn dieser Zeugenschaft eine Hoffnung innewohnt, dann wohl die von Bloch als renegatenhaftbezeichnete Hoffnung auf eine prinzipiell bessere, sprich, utopisch-friedliche Zukunft, die keines-wegs ohne Spannung sein drfte, wenn die bisherigen, die blo Widersprchein ihm aufgehoben sind90.

    Ob der Berater / Behandler jedoch berhaupt ein nach vorn blickendes We-sen sein kann, obgleich sein Zeugnis sich auf die Vergangenheit bezieht,bleibt fr Margalit91 ungeklrt: Denn dieser mit dem familiren Sodom und Go-morra huslicher Gewalt konfrontierte Zeuge trgt Zge von Lots Weib, das alsparadigmatisch rckwrts gewandte Gestalt zwar einerseits aus dem Bsen

    errettet wird, andererseits den Blick zurck (im Zorn?) nicht unterlassen kann(darf?92) und angesichts der Wahrheit entsprechend erstarrt. Doch: Nicht zu-rck sehen, das bedeutet, keine Rcksicht (sic!) zu nehmen, keine erinnernde = innere Rckbin-dung zu haben. Aufgegeben wird dem Berater und Behandler also, an der Schwelle zur Wahrheitjanuskpfig93 nach vorn wie rckwrts zu blicken.

    birgt das Risiko in sich, angesichts der Ungeheuerlichkeiten der Taten un-serer Klienten / Patienten innerlich kristallin zu erstarren, kognitiv unbeweglich und emotionalunlebendig zu werden ... oder aber in berengagiert-unreflektierten Eklektizismus, in selbstver-gessenen Pragmatismus, sprich, ins therapeutische Gegenagieren zu verfallen.

    bedarf folglich der psychohygienischen Selbstsorge des Sich-um-sich-selbst-Kmmerns, um den Beschdigungen durch die Konfrontation mit dem Tter und seinenTaten vorzubeugen und zurckblicken zu knnen ohne zu erstarren. Denn: Seine Autoritt be-zieht der Ttertherapeut aus einer als Redlichkeit zu charakterisierenden Unabhngigkeit, die so oder so mit einer Kompromisslosigkeit gegenber sich selbst94 zu tun hat.

    Gerade weil es darum geht, als ethisches Subjekt in seinem Begehrennicht nachzugeben, verdient eine Landkarte, worauf das Land Utopiafehlt, [...] nicht einmal den Blick und kommt es mit Bloch95 darauf an, oh-ne Illusionen das Hoffen zu lernen. Zwar, schrnkt er ein, knne Hoffnungenttuscht werden, doch werde fundierte Hoffnung [...] durch Schadendurchaus nicht klug. Die Arbeit dieses Affekts erfordere, sich praktischzu engagieren, dies umso mehr, als konkretes Hoffen bei Rckschlgennicht aufgibt, sondern weiterhin vllig auf das bisher Verneinte setzt. Dazu

    konstatiert Kafka: Der wahre Weg geht ber ein Seil ber ein Seil, dasknapp ber dem Boden gespannt und mehr dazu bestimmt sei, stolpernzu machen, als begangen zu werden96, denn was wir Weg nennen, istZgern.97

    1 Hlderlin, F. 1805: Das Unendliche [Pindar-Kommentar VII]. In: Hlderlin, F. (Hrsg. D.E. Sattler): Smtliche Werke. Kri-

    tische Textausgabe, Bd. 15: Pindar. Luchterhand, Darmstadt (1988) 294-2952 Boeckhorst, F. 1996: Die Logik des Umwegs: ber die Kunst der Entfesselung in der Therapie. In: Zeitschrift fr syste-

    mische Therapie, 14 (1996) 2, 172-1773 Merleau-Ponty, M. 1946: Le primat de la perception et ses consquences philosophiques. Cynara, Grenoble (1989)

    1614 E.T. (Hrsg.) 1869: Supplement aux uvres de maistre Franois Rabelais Les songes drolatiques de Pantagruel,

    suite de 120 gravures sur bois. Tross, Paris5 Lyotard, J.-F. 1984: Der philosophische Gang. In: Lyotard, J.-F. (Hrsg.): Grabmal des Intellektuellen. Bhlau, Graz

    Wien (1985) 446 Glucksmann, A. 1987: Die Meisterdenker. Ullstein, Frankfurt a.M. Berlin7 Rasch, W. 1984: Vorwort. In: Fster, M. (Hrsg.): Jrgen Bartsch. Nachruf auf eine Bestie. Dokumente Bilder Inter-

    views. Torso, Essen (1984) 16

    antagonistischen

    Sich zu kmmern

    Sich zu kmmern

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    8 Spoden, Chr. 2001: Arbeit mit Ttern huslicher Gewalt: Grenzen setzen verantwortlich machen- Vernderung er-

    mglichen. Vortrag. Landesprventionstag des Ministeriums des Innern und fr Sport des Landes Rheinland-Pfalz,Ludwigshafen, 24.9.2001

    9 Hoffmann, A. 2001: Husliche Gewalt ist weiblich. Web-Publ: http://www.kern-home.de/deutsch/KERN @HOME.htm10 Mller, J. 2000: Forscher streiten ber husliche Gewalt: Wer schlug zuerst Mann oder Frau? Web-Publ:

    http://home.t-online.de/home/Joachim.Mueller-1/extdoc/Usa_h1.htm11 Pizzey, E. 2000: Gewalt von Frauen. Wen-Publ: http://www.vev.ch/lit/pizzey.htm12 Balzer, E. & Heitmann, M. 2000: Von der Frauenbewegung zur feminisierten Gesellschaft. In: Novo, 45 (2000) Web-

    Publ: http://www.novo-magazin.de/45/novo4512.htm13 Fromm, E. 1998: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. DTV, Mnchen14 Lipowatz, Th. 1993: Ethik und politischer Diskurs. In: Fragmente, 42/43 (1993) 3315 Kobb, U. 1998(a): Zwischen Kant und de Sade: Die Ethik des Begehrens als politische Haltung. In: Ebrecht, A. &

    Wll, A. (Hrsg.): Psychoanalyse, Politik und Moral. Diskord, Tbingen (1998) 22316 Kant, I. 1788: Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung der Metaphysik der Sitten. Werkausgabe, Bd. VII. Frankfurt

    a.M. (1990) 3617 Lipowatz, Th. 1989: Technik des Genusses oder Ethik des Begehrens? Kant mit Sade, zwei Zeugen der franzsischen

    Revolution. In: ragmente, 31 (1989) 11018 Duncker, H. 1999: Gewalt zwischen Intimpartnern. Lebe, Aggressivitt, Trung. Pabst, Lengerich (1999) 2619 Sade, D.-A.F. de 1796: Franzosen! noch eine Anstrengung, wenn ihr Republikaner sein wollt! In: Sade, D.-A.-F. de

    (Hrsg.): Die Philosophie im Boudoir oder Die lasterhaften Lehrmeister. Werke, Bd. 5. Knemann, Kln (1995) 30220 Lacan, J. 1963: Kant mit Sade. In: Lacan, J. (Hrsg.): Schriften II. Walter, Olten (1975) 138-13921 Lem, St. 1981: Sade und die Spieltheorie. In: Lem, St. (Hrsg.): Sade und die Spieltheorie. Essays, Bd. 1. Suhrkamp,

    Frankfurt a.M. (1986) 11522 Freud, S. 1930: Das Unbehagen in der Kultur. In: Freud, S. (Hrsg.): Werke aus den Jahren 1925-1931. GesammelteWerke, Bd. XIV. Fischer, Frankfurt a.M. (1999) 470-471

    23 Lacan, J. 1960: Der Genuss der berschreitung. In: Lacan, J. (Hrsg.): Die Ethik der Psychoanalyse. Das Seminar,Buch VII. Quadriga, Weinheim Berlin (1986) 235

    24 Klossowski, P. 1967: Sade mein Nchster. Passagen, Wien (1996) 71-16825 Lacan, J. (1963) a.a.O., 151-15226 Lacan, J. (1963) a.a.O., 15227 Lacan, J. (1960) a.a.O., 226-22728 Marx, K. 1843: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: Marx-Engels-Werke, Bd. I. Dietz, Berlin

    (1970) 38529 Bloch, E. 1967: Widerstand und Friede. In: Bloch, E. (Hrsg.): Politische Messungen, Pestzeit, Vormrz. Suhrkamp,

    Frankfurt a.M. (1970) 43330 Pleyer, K.H. 1996: Schne Dialoge in hsslichen Spiele? berlegungen zum Zwang als Rahmen fr Therapie. In: Zeit-

    schrift fr systemische Therapie, 14 (1996) 3, 186-19631 Kobb, U. 1998(b): Seel-Sorge oder Die Praktiken des Selbst. Eine ethische Foucaultiade. In: Psychologie & Gesell-

    schaftskritik, 22 (1998) 4, 7-832 Margalit, A. 1999: Politik der Wrde. ber Achtung und Verachtung. Fischer, Frankfurt a.M. (1999) 733 Kant, I. 1784: Beantwortung der Frage. Was ist Aufklrung? In: Kant, I. (Hrsg. J. Zehbe): Was ist Aufklrung?: Aufst-

    ze zur Geschichte und Philosophie. Vandenhoeck & Ruprecht, Gttingen (1994) 55-6134 Margalit, A. (1999) a.a.O., 8935 Margalit, A. (1999) a.a.O., 9236 Kobb, U. 1996: Psychiatrie als Stundenhotel oder Das forensische Subjekt als Zeitwaise. Autodaf zur Fragmentie-

    rung, Stigmatisierung, Serialisierung im Maregelvollzug. In: Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, 3 (1996) 1,130132

    37 Margalit, A. (1999) a.a.O., 11538 Bllinger, L. 2001: Die EU-Kommission und die Sexualmoral. In: Kriminologisches Journal, 33 (2001) 4, 24539 Exklusiv-Interview Schrder fordert volle Hrte des Gesetzes - Hchststrafe fr Kinderschnder. In: Bild am Sonntag

    (08.07.2001), Web-Publ: http://www.bams.de40

    im Original: Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, dass erwachsene Mnner, die sich an kleinen Mdchenvergehen, nicht therapierbar sind. Deswegen kann es da nur eine Lsung geben: Wegschlieen - und zwar fr immer"(Schrder 2001).

    41 Liszt, F. von 1898: Das Verbrechen als sozial-pathologische Erscheinung. (Zitiert nach Ostendorf, H. 1984: Franz vonLiszt als Kriminalpolitiker. in: Kriminalsoziologische Bibliografie, 11 [1984] 42, 1-35)

    42 Khn, K. 1992: Der normale Verbrecher. In: Khn, K. (Hrsg.): Psychoanalyse und Verbrechen. Grundlagen einer psy-choanalytischen Kriminologie. Wiesbaden (1992) 119-122

    43 Kobb, U. 2001(a): Psychopathieforschung: Neue Einseitigkeit oder Update der forensischen Psychotherapie? Kriti-scher berblick ber Stand und Rezeption biologisch-psychiatrischer Forschung (Teil II). In: Forensische Psychiatrieund Psychotherapie, 8 (2001) 2, 92-168

    44 Kobb, U. 1999: Zur politischen Ethik forensischer Psychotherapie. In: Forensische Psychiatrie undPsychotherapie, 6 (1999) 1, 119-132

    45 Becker, St. 1996: Setting, Rahmen und therapeutisches Milieu der psychoanalytischen Sozialarbeit. In: Becker, St.(Hrsg.): Setting, Rahmen, therapeutisches Milieu in der psychoanalytischen Sozialarbeit. Psychosozial, Giessen

    (1996) 16-1746 Foucault, M. 1986: Sexualitt und Wahrheit, Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Suhrkamp, Frankfurt a.M. (1986) 7647 Margalit, A. 2000: Ethik der Erinnerung. Max Horkheimer Vorlesungen. Fischer, Frankfurt a.M. (2000) 1848 Foucault, M. (1986) a.a.O., 7849 Foucault, M. & Seitter, W. 1996: Das Spektrum der Genealogie. Philo, Bodenheim (1996) 21

    Bad vibrations -

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    50 Kafka, F. 1918: Betrachtungen ber Snde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg. In: Brod, M. (Hrsg.): Franz Kafka.

    Gesammelte Werke: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande und andere Prosa aus dem Nachlass. Suhrkamp,Frankfurt a.M. (1996) 33, Aph. 46

    51 iek, S. 1992. Mehr-genieen. Lacan in der Populrkultur. In: Wo Es War, 1 (1992) 8552 Olschanski, R. 1997: Phnomeologie der Miachtung. Studien zum Intersubjektivittsdenken Jean-Paul Sartres. Syn-

    dikat, Bodenheim53 Kojve, A. 1958: Zusammenfassender Kommentar zu den ersten sechs Kapiteln der Phnomenologie des Geistes.In: Fulda, H.F. &Henrich, D, (hrsg.): Materialien zu Hegels Phnomenologie des Geistes. Suhrkamp, Frankfurt a.M.

    (1973) 133-18854 Sartre, J.-P. 1967: Kritik der dialektischen Vernunft, Bd. 1. Rowohlt, Reinbek (1967) 11755 Sartre, J.-P. (1967) a.a.O., 11756 Bruder, K.-J. 1982: Psychologie ohne Bewusstsein. Die Geburt der behavioristischen Sozialtechnologie. Suhrkamp,

    Frankfurt a.M.57 Vanhoeck, K. 1999: Nach Dutroux: Die therapeutische Situation in Belgien. In: Forensische Psychiatrie und Psycho-

    therapie, 6 (1999) 1, 17058 Korff, W. 1985: Wie kann der Mensch glcken? Perspektiven der Ethik. Piper, Mnchen (1985) 23159 Kobb, U. 2001(b): Kooperation: Compliance Anpassung Unterwerfung? Zur Dialektik von Verhaltensattribution

    und -erwartung: Ergebnisse einer empirischen Felduntersuchung. In: Kriminologisches Journal, 33 (2001) 4, 266-28860 Marx, K. 1844: konomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. In: Marx-Engels-Werke, Erg.-Bd. I.

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    rensische Psychiatrie und Psychotherapie, 5 (1998) 1, 139-16163 Kobb, U. 1997: oder das Gesetz des Handelns. Behandlungsethik zwischen palaverndem Anspruchund zynischer Wirklichkeit. In: Psychologie & Gesellschaftskritik, 21 (1997) 2, 103-120Kobb, U. 1998(d): Apolitische Praxis - politische Apraxie? Be-Handlungsethik zwischen palaverndem Anspruch undzynischer Wirklichkeit. In: Zeitschrift fr Politische Psychologie, 6 (1998) 1/2, 41-55

    64 Bentheim, A. & Ehrchen, S. 2000: Offener Brief an Frau Dr. Christine Bergmann zur Kampagne "Mehr Respekt vorKindern", Bundesministerium fr Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Web-Publ:http://people.freenet.de/mensstudies/info-offener-brief.htmAmendt, G. 2001: Offener Brief an die Bundesministerin Frau Dr. Bergmann zu der landesweiten Plakatkampagne"Mehr Respekt vor Kindern". Web-Publ: http://www.gabnet.com/mw/amendt-bergmann.htm

    65 Bergmann, Ch. 2001: Antwort auf Bentheim, A. & Ehrchen, S. (2000) a.a.O. Web-Publ: http://www.switchboard-online.de/sonan.htm

    66 Goldberg, C. 1980: Ethische Fragen in der therapeutischen Praxis. In: Goldberg, C. (Hrsg.): Gleichheit in der Psycho-therapie? Theorie und Praxis therapeutischer Beziehung. Pfeiffer, Mnchen (1980) 28

    67 Kobb, U. (1999) a.a.O., 12868 Serialisierung und Totalisierung beinhalten im Sinne Sartres die Konstituierung entindividualisierter Subjekte als

    Phantasieobjekt mit seriellen Verhaltensweisen, seriellen Gefhlen, seriellen Gedanken, die das einzelne Subjekt ne-giert und von ihm als eine negative Struktur erfahren wird (Laing, R.D. 1964: Kritik der dialektischen Vernunft. Teil1: Von der individuellen Praxis zum Praktisch-Inerten. In: Cooper, D.G. & Laing, R.D. [Hrsg.]: Vernunft und Gewalt.drei Kommentare zu Sartres Philosophie 1950-1960. Suhrkamp, Frankfurt a.M. [1973] 101-114).

    69 Spoden, Chr. (2001) a.a.O.70 Lohmer, M. & wernz, C. 1995: Probleme der narzisstischen Balance in therapeutischen Institutionen. In. Forensische

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    M.C. Eschers Holzschnitt Mbiusstreifen I ist entnommen aus: Hofstadter, D.R. (1992) a.a.O., 34 Abb. 10; M.C.Eschers Holzschnitt Mbiusstreifen II ist entnommen aus: Hofstadter, D.R. (1992) a.a.O., 296 Abb. 54

    79 Adorno, Th. (1967) zitiert nach Kraushaar, W. (1998) a.a.O., 26580 Mitscherlich, A. 1983: Die dialektische Funktion, die Erziehung erfllen sollte. In: Haase, H. (Hrsg.): Alexander Mit-

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    Suhrkamp, Frankfurt a.M.82 Adorno, Th. (1967) zitiert nach Kraushaar, W. (1998) a.a.O., 64183 Lourau, R. 1975: Arbeiter des Negativen, vereinigt euch! In: Basaglia, F. 6 Basaglia-Ongaro (Hrsg.): Befriedungs-

    verbrechen. ber die Dienstbarkeit der Intellektuellen. EVA, Frankfurt a.M. (1980) 97-116

    noli me tangere

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    20/20

    Kobb: Tter behandeln? - 20 -

    84 Foucault,M. 1977(a): Nein zum Knig Sex. In: Foucault, M. (Hrsg.): Dispositive der Macht. ber Sexualitt, Wissen

    und Wahrheit. Merve, Berlin (1978) 19485 Foucault, m. 1977(b): Mchte und Stretegien. in: Foucault, M. (1978) a.a.O., 21686 Pleyer, K.H.