Tagungsband Entwurf Internetfassung

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Alexander Trunk, Susanne Rieckhof (Hrsg.) Schneller, höher, weiter! Aktuelle Themen des Sportrechts im östlichen Europa Beiträge zur Tagung der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Kiel, 20. - 22. September 2012 Vorläufige Fassung des Tagungsbandes, die vollständige Fassung mit weiteren Beiträgen erscheint demnächst im EUL- Verlag, Lohmar – Köln, 2014

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Alexander Trunk, Susanne Rieckhof (Hrsg.)

Schneller, höher, weiter! Aktuelle Themen des Sportrechts im östlichen

Europa

Beiträge zur Tagung der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde,

Kiel, 20. - 22. September 2012

Vorläufige Fassung des Tagungsbandes, die vollständige Fassung mit weiteren Beiträgen erscheint demnächst im EUL-

Verlag, Lohmar – Köln, 2014

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Inhalt

Heinz Jacobsen, Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Sportverbandes.....................3Keynote speech...................................................................................................................3

Prof. Dr. Birgit Friedl, Vize-Präsidentin Universität Kiel......................................................6Grußwort.............................................................................................................................6

Prof. Dr. Rudolf Meyer-Pritzl, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel.....................................................................................................................10

Grußwort...........................................................................................................................10Dr. Dirk Bahrenfuss in Vertretung des Staatssekretärs des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europaangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer.................................................................................................................................12

Grußwort...........................................................................................................................12Prof. Dr. Martin Nolte, Deutsche Sporthochschule Köln.....................................................16

Citius, altius, fortius!.........................................................................................................16Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität Kiel........................................................................31

Sportrecht in Staaten des östlichen Europa.......................................................................31Prof. Dr. Lado Chanturia, Univ. Tbilissi..............................................................................47

Zu Besonderheiten der Kodifizierung des Sportrechts in den Staaten der GUS..............47Angelika Chlebowska, Universität Poznan...........................................................................52

Grundstrukturen des Sportrechts in Polen........................................................................52RA Dmitriy Ivanusa, Kiew...................................................................................................60

Rchtliche Anforderungen an sportliche Großereignisse...................................................60Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität Kiel........................................................................63

Rechtlicher und organisatorischer Rahmen der Olympischen Spiele in Sochi.................63RiLG Dr. Cornelia Wölk, Hamburg.....................................................................................64

Verletzungen beim Sport – ein Vergleich des russischen mit dem deutschen Haftungsrecht....................................................................................................................64

RA Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M. (Leuven), Düsseldorf...............................................87Die Olympischen Spiele in London vor der „Ad-Hoc-division“ des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs (CAS).......................................................................................87

RA Alexander Bazykin, Diplomatische Akademie Moskau................................................94Sport arbitration in Russia: theory and practice, prospects for future development.........94

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Heinz Jacobsen, Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Sportverbandes

Keynote speech

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung, die wir als Landessportverband Schleswig-Holstein gerne

angenommen haben.

Ich darf Ihnen die besten Wünsche für Ihre Veranstaltung auch von unserem Präsidenten,

Herrn Dr. Ekkehard Wienholtz, ausrichten. Er ist heute leider verhindert.

„Schneller, höher, weiter!“ - dieses Motto Ihrer Veranstaltung beschreibt schon eine Wirkung,

die nicht nur dem Sport, sondern auch im übertragenen Sinne dem Sportrecht oder dem Recht

im Sport anhaftet.

Die vergangenen 15 bis 20 Jahre zeigen, dass das Sportrecht in seiner Entwicklung ebenfalls

an „Geschwindigkeit“ zugenommen hat. Für den Sport in Schleswig-Holstein trifft dies vor

allem auf die Folgen der rechtlichen Ausgestaltung des Glücksspielwesens zu, die nicht nur

die Politik landes- und bundesweit, sondern auch den Sport seit Jahren immens beschäftigen.

Da die Sportförderung des Landes in Schleswig-Holstein direkt von der

Glücksspielgesetzgebung abhängig ist, haben wir uns als Sport in den letzten Jahren vermehrt

mit eigenen substantiellen rechtlichen Beiträgen in die Diskussion um die Zukunft des

Glücksspiels eingebracht.

Ihnen ist sicherlich bekannt, dass Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr hierbei einen

eigenständigen Weg außerhalb des bestehenden Glücksspielstaatsvertrages der übrigen

Länder gegangen ist.

Dass die seit knapp 100 Tagen im Amt befindliche neue Landesregierung diesen Weg wieder

verlassen wird, bedeutet für den Sport einen erneuten intensiven Handlungsbedarf für die

nächsten Monate. Mittlerweile sind wir wieder an entsprechenden parlamentarischen

Anhörungsverfahren beteiligt.

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Allein dieses Beispiel zeigt, dass Rechtsfragen im und um den Sport mittlerweile auch für

einen Landessportverband eine immense Bedeutung haben. Und auch in anderen

Themenfeldern haben Rechtsfragen direkte Auswirkungen auf den Sport.

Im gesellschaftlichen Bereich sind dies beispielsweise die Gesundheitsvorsorge, die

berufliche Bildung, Rechtsfragen zur Förderung des Ehrenamtes, zur sozialen Eingliederung

und zur Chancengleichheit, zur Gewaltprävention oder auch bei der Dopingproblematik u. a.

Im wirtschaftlichen Bereich steht die erwähnte staatliche Förderung des Sports im

Mittelpunkt, die auf Zweckbindung beruht und daher immer in einem Wechselspiel mit der

rechtlich anerkannten Autonomie des Sports steht.

Auch die Eigenfinanzierung des Sports mit den Aspekten Marketing oder Sponsoring, die

steuerrechtliche Begünstigung des Sports und der aktuell interessante Sportwettenmarkt in

Deutschland sind stark von rechtlichen Fragestellungen bestimmt.

Im Bereich der Organisation des Sports selbst ist es die Einbindung von sportverbandlichen

Regeln in das staatliche Recht als auch umgekehrt die Beeinflussung staatlichen Rechts durch

sportverbandliche Regeln.

Auch die Verhinderung krimineller Aktivitäten wie Geldwäsche, Korruption oder den Handel

mit Dopingmitteln sind rechtliche Themen, die auf den Sport einwirken. Das Sportrecht ist

somit durch einen großen Facettenreichtum geprägt. Es macht zudem auch nicht an Landes-

oder Staatsgrenzen halt.

In der Konsequenz hat Ihre Veranstaltung in diesem Jahr den Schwerpunkt des Sportrechts im

östlichen Europa. Der Bereich Mittel- und Osteuropa, der Kaukasus und Zentralasien sind

somit im Zentrum des Interesses. Auf den ersten Blick wirkt dieser Themenschwerpunkt in

seiner Bedeutung weit weg.

Auf den zweiten Blick dokumentiert er aber gerade, dass der Sport insbesondere mit seinen

Großveranstaltungen weltumspannend und der osteuropäische Raum somit auch ein nicht

unbedeutender Teil des Ganzen ist. Dies zeigte in diesem Jahr die Fußball-

Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. In 2014 werden es die Olympischen

Winterspiele in Sochi sein, die weltweit im Fokus stehen werden.

Ein Blick auf das Veranstaltungsprogramm der nächsten beiden Tage zeigt, dass die

Veranstaltung geprägt sein wird von interessanten und informativen Diskussionen,

Gesprächen und weiteren Netzwerkbildung, die der Sache nur förderlich sein können.

Dass der Sport in Schleswig-Holstein im Übrigen nicht nur von der Sache her eng mit

Rechtsfragen verbunden ist, sondern dass es auch enge personelle Beziehungen gibt, lässt sich

an einer nicht unwichtigen Personalie auch Ihrer Veranstaltung ablesen.

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Morgen wird Professor Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule Köln eine

Einführung in das Thema Sportrecht geben. Ich erlaube mir, Professor Nolte hier explizit zu

erwähnen, da wir uns aus dem organisierten Sport gut kennen. Professor Nolte war einige

Jahre Mitglied im Vorstand des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, bevor ihn sein

Weg nach Köln führte.

Ich wünsche Ihnen nun eine erfolgreiche Veranstaltung, einen ergebnisreichen fachlichen

Dialog zwischen den Ostrechts- und Sportrechtsvertretern, eine effektive Netzwerkarbeit und

freue mich heute Abend auf informative Gespräche.

Vielen Dank!

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Prof. Dr. Birgit Friedl, Vize-Präsidentin Universität Kiel

Grußwort

Sehr geehrter Herr Dekan, sehr geehrter Herr Dr. Bahrenfuss, sehr geehrter Herr Trunk, sehr

geehrte Damen und Herren,

zur Tagung der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde zum

Thema: „Schneller, höher, weiter! Aktuelle Themen des Sportrechts im östlichen Europa“

möchte ich Sie hier an der Christian-Albrechts-Universität herzlich begrüßen. Wie ich dem

Tagungsprogramm entnehmen konnte, nehmen an dieser Tagung Wissenschaftler aus Polen,

Kroatien, Österreich, Georgien und der Ukraine als Referenten teil. Sie möchte ich hier in

Kiel besonders begrüßen.

Lassen Sie mich Ihnen zunächst einen knappen Eindruck von der Christian-Albrechts-

Universität zu Kiel vermitteln. Die Christian-Albrechts-Universität ist die Landesuniversität

Schleswig-Holsteins. Sie ist eine Volluniversität, die in acht Fakultäten gegliedert ist. Das

Institut für Osteuropäisches Recht, das diese Tagung organisiert hat, ist neben sieben weiteren

Einrichtungen an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät beheimatet. Die Christian-Albrechts-

Universität hat etwa 24.000 Studierende, die in etwa 160 Studiengängen eingeschrieben sind

und von 418 Professorinnen und Professoren unterrichtet werden, und sie bringt gegenwärtig

in jedem Jahr über 3.000 Absolventen hervor. Die Zahl der Studienanfänger ist in den letzten

Jahren kontinuierlich gestiegen. Wir erwarten deshalb, dass im Studienjahr 2013 die

Studierendenzahlen die Marke 25.000 erreichen wird.

Die Universität Kiel stellt sich mit Spitzenforschung den großen Herausforderungen unserer

Zeit: Klimawandel, Umweltnutzung, Gesundheit und gesellschaftliche

Transformationsprozesse. Um die Forschung auf diesen Gebieten gezielt vorantreiben und

den Nachwuchs exzellent ausbilden zu können, setzt die Universität Kiel stark auf

Interdisziplinarität und hat sich selbst vier interdisziplinäre Forschungsschwerpunkte gegeben.

Diese sind:

– die Meeres- und Geowissenschaften

– die angewandten Lebenswissenschaften

– die Nanowissenschaften und Oberflächenforschung und

– Gesellschaft, Umwelt, Kultur im Wandel

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An der Universität Kiel gibt es zwei Exzellenzcluster und eine Graduiertenschule, die sich aus

den Forschungsschwerpunkten heraus entwickelt haben. Der Standort an der Ostsee ist

sicherlich ein Grund dafür, warum die Geo- und Meereswissenschaften einen Forschungs-

schwerpunkt der Universität bilden. Gemeinsam mit GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für

Ozeanforschung, hat die Universität Kiel das Exzellenzcluster "Future Ozean" etabliert, das

Forscher aus den Naturwissenschaften, der Medizin, den Wirtschaftswissenschaften und auch

den Rechtswissenschaften zusammenbringt.

Der Schwerpunkt "Angewandte Lebenswissenschaften" vereint das komplexe Zusammenspiel

von Agrar- und Ernährungswissenschaft, Biologie und Medizin zur Erforschung der

molekularen Diversität sowie der Interaktion von Genom und Umwelt in den Systemen

Pflanze, Tier und Mensch. In diesem Schwerpunkt ist der zweite Exzellenzcluster

"Inflamation at Interfaces" verankert, an dem auch die Universität Lübeck beteiligt ist.

Aus dem Forschungsschwerpunkt Gesellschaft, Umwelt, Kultur im Wandel hat sich die

Graduiertenschule “Human Development in Landscapes” entwickelt. In dieser

Graduiertenschule wird durch interdisziplinäre Forschung nach einem umfassenden

Verständnis der Mensch-Umwelt-Beziehungen gestrebt. In ihr arbeiten Geistes- und

Naturwissenschaftler eng zusammen.

Alle drei Exzellenzprojekte sind am 15. Juni dieses Jahres um weitere fünf Jahre verlängert

worden. Für eine mittelgroße deutsche Universität ist das eine große Leistung, auf die wir

sehr stolz sind.

Die Wissenschaftler des Forschungsschwerpunktes Nanowissenschaften und

Oberflächenforschung beschäftigen sich mit neuen Materialsystemen für eine kontinuierliche

Überwachung und Behandlung kritischer Gesundheitszustände des Menschen. An dieser

Forschungsfrage arbeiten Materialwissenschaftler, Physiker, Chemiker, Bioniker,

Elektrotechniker, Informatiker und Wissenschaftler aus verschiedenen medizinischen Fächern

intensiv zusammen. Mit ihrem Antrag im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der

Länder sind die Wissenschaftler dieses Schwerpunktes nur knapp gescheitert.

Die Nachhaltigkeit des Konzepts der Forschungsschwerpunkte speist sich aus der

hervorragenden Einzelforschung in den Fakultäten. Aus der Freiheit der Wissenschaften

erwächst das Innovationspotential, das die ständige Erneuerung der CAU und ihrer

Forschungsschwerpunkte trägt. Der Erfolg dieser Einzelforschung an den Fakultäten zeigt

sich in den zehn Sonderforschungsbereichen dieser Universität.

Während der letzten Jahre hat die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel das

Drittmittelaufkommen verdoppelt und sehr viele neue Stellen geschaffen. Dadurch ist die

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Christian-Albrechts-Universität zu Kiel qualitativ und quantitativ gewachsen. Sie hat neue

Aufgaben in Lehre, Forschung, Service und Management übernommen und ihre Infrastruktur

erheblich ausgebaut. Dieses Wachstum der Universität ist seit zehn Jahren ohne eine reale

Erhöhung der Landesfinanzierung mit gravierenden Konsequenzen für die finanziellen

Rahmenbedingungen bewältigt worden. Eine Studie des Finanzministeriums hat eine

Unterfinanzierung der Hochschulen in Schleswig-Holstein gegenüber den anderen

norddeutschen Hochschulen in einem Umfang von 35 Millionen Euro offengelegt. Das

Ausmaß dieser Unterfinanzierung wird durch den folgenden Vergleich mehr als deutlich:

2010 erhielt die Christian-Albrechts-Universität mit ihren damals 23.500 Studierenden 153

Millionen Euro vom Land und generierte damit rund 100 Millionen Euro Drittmittel. Eine

Universität in Niedersachsen mit 11.000 Studierenden und 35 Millionen Euro Drittmitteln

erhielt in diesem Zeitraum einen Landeszuschuss von 145 Millionen Euro, bei der Hälfte der

Leistung also nur 8 Millionen Euro weniger als die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Sie beschäftigen sich heute und morgen unter anderem mit den rechtlichen Anforderungen an

sportliche Großereignisse. Kiel ist sicherlich ein sehr guter Standort für eine Tagung zu

diesem Thema, war Kiel doch 1972 Austragungsort der olympischen Segelwettbewerbe. Eine

Besichtigung des ehemaligen Olympiazentrums Schilksee mit einem Schiffsausflug auf die

Kieler Förde steht ja auch auf Ihrem Besuchsprogramm. Seit 130 Jahren ist die Kieler Woche

das bedeutendste Sportereignis in Kiel und das größte seiner Art weltweit. Jedes Jahr gehen

Ende Juni bis zu 6.000 Seglerinnen und Segler aus über 50 Nationen mit rund 2.000 Booten

auf den Regattabahnen der Innen- und Außenförde an den Start. Kieler-Woche-Sieger werden

in 16 Nationalen und Internationalen Bootsklassen sowie in den zehn Olympischen Klassen

ermittelt. Auch wenn die Kieler Woche mit ihren rund drei Millionen Besuchern zugleich das

größte Sommerfest Nordeuropas ist, bildet das Segeln seit jeher das Herz der gesamten

Veranstaltung. Für Weltmeister und Olympiasieger ist die Kieler Woche längst zur

Pflichtveranstaltung geworden.

Ich hoffe, dass ihr Aufenthalt hier in Kiel nicht nur ihren Erwartungen als Wissenschaftler

gerecht wird, sondern dass Sie auch die Gelegenheit finden, die Stadt und ihre Umgebung

näher kennenzulernen. Die Förde und ihre Strände prägen Kiel und seine Umgebung.

Wussten Sie, dass Kiel die einzige Stadt der Welt ist, in der sie innerhalb von 20 Minuten zu

den Stränden Brasiliens und Kaliforniens reisen können? (Brasilien und Kalifornien in

Schleswig-Holstein.) Der Hafen, die großen Fähren nach Oslo und Göteborg, die über 100

Passagierschiffe, die in jedem Jahr von Kiel aus zu Kreuzfahrten auf der Ostsee aufbrechen,

und die überall sichtbaren Kräne der Werften sind typisch für Kiel. Ich würde mich freuen,

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wenn Sie auch etwas von dem maritimen Flair Kiels aufnehmen, von dem ich als Süddeutsche

immer noch regelmäßig begeistert bin.

Lassen Sie mich zum Ende noch einmal zu dieser Veranstaltung zurückkommen. Ich danke

Herrn Trunk und seinen Mitarbeitern für die Ausrichtung dieser Veranstaltung. Ich wünsche

den Organisatoren einen erfolgreichen Verlauf der Tagung und unseren Gästen anregende

Vorträge und spannende Diskussionen rund um die rechtlichen Fragen des Sports.

Vielen Dank.

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Prof. Dr. Rudolf Meyer-Pritzl, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel

Grußwort

Sehr geehrte Frau Kollegin Friedl,

sehr geehrter Herr Dr. Bahrenfuss,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

Als Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät möchte ich Sie sehr herzlich begrüßen! Mit

dem Sportrecht haben Sie sich ein überaus interessantes und aktuelles Thema ausgesucht. Als

Rechtshistoriker und Erbrechtsspezialist bin ich wahrscheinlich nicht unbedingt dazu

prädestiniert, mich zum Sportrecht zu äußern. Ich ziehe es daher vor, kurz auf die

Tagungsorte Ihrer Veranstaltung einzugehen, und werde dabei besonders die Bezüge

zwischen Sport und Recht in den Blick nehmen.

Morgen wird die Tagung im Internationalen Begegnungszentrum der Christian-Albrechts-

Universität an der Kiellinie 5 stattfinden. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die

„Seeburg“, die vor etwa hundert Jahren als Haus für die Studenten errichtet worden ist. Der

damalige Rektor Erich Schaeder (1861-1936) hob in seiner Ansprache zur Feier der

Grundsteinlegung für das Studentenhaus Seeburg am 14. Mai 1909 die Bedeutung des Sports

hervor:

„… Wollen wir eine pflicht- und verantwortungsbewusste, arbeitsfrohe und arbeitstüchtige

Studentenschaft, dann ist unerlässliche Voraussetzung dafür eine Stählung der körperlichen

Energie. Mit ihr geht nun einmal die geistige Hand in Hand. Die Feinde dieses körperlichen

Kraftmaßes sind für den deutschen Studenten die … übertriebenen Trinksitten und die

sittliche Laxheit im engeren Sinne des Wortes – beide, wie jeder Kenner studentischen

Lebens weiß, nur zu oft unmittelbar zusammenhängend. Eine Hafenstadt und Großstadt wie

Kiel tritt in diesen Beziehungen mit einer Fülle von Versuchungen an den jungen Mann jeder

Lebensstellung, speziell auch an den Studenten heran. Demgegenüber kann neben anderen

Dingen, von denen an dieser Stelle nicht zu reden ist, ein angemessen betriebener Sport

bewahrend, ausschließend und im rechten Sinne belebend eingreifen. …“

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In dem Gebäude, in dem wir uns heute befinden, in der sogenannten „Villa 78“, wurde der

Sport wahrscheinlich weniger intensiv betrieben. Es wurde, ebenfalls 1909, für den Physiker

Conrad Dieterici (1858-1929) errichtet. Bevor es in ein Veranstaltungszentrum umgewandelt

wurde, diente es einige Zeit als Gästehaus der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Ein

Bezug zu Sport und Recht lässt sich jedoch über die Straße, an dem das Haus steht, herstellen:

Der Niemannsweg ist nach August Christian Heinrich Niemann (1761-1832) benannt worden,

der zunächst Rechtswissenschaften studiert hatte und sich später als Forstwissenschaftler

betätigte. In Kiel gründete er eine Forstlehranstalt, an deren Standort sich heute noch ein

bekanntes Restaurant mit dem Namen „Forstbaumschule“ befindet. Zwischen Wäldern und

Sport lassen sich nun etliche Verbindungen herstellen. So formulierte der Deutsche

Olympische Sportbund 2011 in zwölf Thesen „Neue Perspektiven für Sport im Wald“. Darin

heißt es u.a. „Sport im Wald wird immer wichtiger“ und „Sport im Wald hat Rechte und

Pflichten“. Damit sind wir wieder beim Sportrecht, dem Gegenstand Ihrer Zusammenkunft,

angelangt.

Die Beziehungen der Stadt Kiel, die mit dem Slogan „Kiel Sailing City“ für sich wirbt, und

der Christian-Albrechts-Universität, die den offiziellen Titel „Partnerhochschule des

Spitzensports“ trägt, zum Sport, vor allem zu den maritimen Disziplinen, sind sehr vielfältig

und intensiv. So ist der Standort für eine sportrechtliche Tagung gut gewählt. Ich wünsche

Ihnen einen ertragreichen Austausch und hoffe, dass Sie schnell zu höheren und weiteren

Erkenntnissen im Bereich des Sportrechts gelangen werden!

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Dr. Dirk Bahrenfuss in Vertretung des Staatssekretärs des Ministeriums für Justiz, Kultur und Europaangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer

Grußwort

Sehr geehrter Prof. Trunk,

Sehr geehrte Gäste aus unseren osteuropäischen Nachbarländern,

meine Damen und Herren,

Sport erhält Gesundheit,

Sport vermittelt Erlebnis,

Sport fördert Gemeinschaft,

Sport vermittelt Spannung,

Sport ist Spiel,

Sport bedeutet Wettkampf,

Sport verspricht Geschäft.

Der Sport besitzt viele Gesichter. Und obwohl es beim Sport nach dem Ursprung dieses

Wortes eigentlich nur um Zerstreuung geht,1 kommen wir im Sport ohne das Recht nicht aus.

Ich freue mich sehr, dass Sie, Herr Prof. Trunk, sich dieses Themas in Ihrer diesjährigen

Fachtagung angenommen haben. Die Tagesordnung verspricht hierbei spannende Themen

sowohl in Grundsatzfragen des Sportrechts wie auch zu den Herausforderungen von

sportlichen Großereignissen.

Und ich begrüße es sehr, dass es gelungen ist, viele hochkarätige Referenten insbesondere aus

Russland und Polen für die heutige Veranstaltung zu gewinnen. Sie werden uns einen

interessanten Blick über den Tellerrand gewähren, der angesichts der Verflechtungen des

Sports über alle Ländergrenzen hinweg immer wichtiger wird.

Wie aktuell viele der Themen, die hier auf der Tagesordnung stehen, sind, zeigt uns ein Blick

in die Tageszeitungen.

1 Das Wort selbst wurde im 19. Jahrhundert vom englischen sport entlehnt, welches wiederum über das Französische auf das lateinische disportare (,sich zerstreuen‘) zurückgeht.

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Beim Start der Fußballbundesliga wurden wir tagtäglich mit Nachrichten über spektakuläre

Transfers von Spitzenfußballern versorgt. Allein der wochenlange Streit um Javi Martínez,

der zwischenzeitlich für 40 Mio. € von Athletico Bilbao zu Bayern München gewechselt ist,

zeigt das schwierige Spannungsverhältnis von Vertragsrecht sowie nationalen und

internationalen Statuten, aber auch von Verbänden, Vereinen, Spielern und Spielerberatern.

Vergessen wir dabei nicht, dass es um Menschen geht, wenn auch die Spielerverkäufe

manchmal wie moderner Sklavenhandel anmuten.

Ebenso stellt sich die Frage, wo die Grenzen liegen. Junge Fußballer werden immer früher aus

ihrem persönlichen Umfeld gerissen, um an der Fußballschule irgendeines Vereins ihre

Träume von einer Profikarriere erreichen zu können. Die deutschen Proficlubs haben jetzt als

freiwillige Selbstverpflichtung Regeln für den Vereinswechsel von Talenten aufgestellt, in

denen die Ausbildungsentschädigungen für abgebende Vereine enthalten sind. Aber reichen

nationale Regeln überhaupt noch aus?

Das Beispiel eines neun Jahre alten Jungen aus Irland, der jüngst vom FC Barcelona

angeworben wurde, zeigt, dass in diesem Geschäft vor Ländergrenzen und Altersgruppen

nicht halt gemacht wird.

Ist dies für die Entwicklung von Kindern gut? Müssen nicht ihre sozialen Bedürfnisse bei

solchen Wechseln stärker berücksichtigt werden? Hier gibt es eine Vielzahl von offenen

Fragen, auf die auch das Recht uns zukünftig Antworten geben muss.

Der wirtschaftliche Druck im Sport ist für den einzelnen Sportler besonders hoch, da sein

sportlicher Erfolg seinen Marktwert bestimmt. Gerade in Sportarten, die anders als der

Fußball nur bei Großereignissen das mediale Interesse finden, wird meist nur der Sportler

wahrgenommen, der ganz oben auf dem Treppchen steht: „The winner takes it all.“

Um dieses Ziel zu erreichen, greifen einige Sportler zu unerlaubten Hilfsmitteln. Aktuelle

Beispiele sind die Dopingfälle bei der Olympiade in London oder die jahrelange Doping-

Diskussion um den Sieger der Tour de France Lance Armstrong wie auch um viele andere

Radprofis aus unterschiedlichsten Rennställen.

Die Verbände beschwören hier stets die „Selbstheilungskräfte des Sports“ und verweisen auf

ihre Kontrollen und langjährige Sperren von erwischten Dopingsündern. Aber reicht dies aus?

Wenn bei Olympia die Medaillenplätze an ehemalige Dopingsünder vergeben werden, fragt

sich der Zuschauer zwangsläufig, ob es diesmal sauber und fair zugegangen ist. Der

wirtschaftliche Schaden durch Dopingfälle ist immens, wie z.B. das abnehmende TV-

Zuschauer- und Leserinteresse an der Berichterstattung über die Tour de France gezeigt hat,

nachdem die Manipulationen im Radsport bekannt geworden waren.

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Was ist ferner mit den Medizinern, die den Sportler bei ihren Manipulationen helfen? Die vor

kurzem erfolgte Einstellung des Strafverfahrens gegen zwei Mannschaftsärzte des Team

Telekom, denen die Dopingversorgung bekannter Radprofis vorgeworfen wurde, hat gezeigt,

wie schwierig es ist, diesem Treiben mit den Mitteln des Strafrechts beizukommen. Dies wird

der Diskussion über ein Anti-Doping-Gesetz neue Nahrung geben.

Die Selbstheilungskräfte des Sports sind besonders gefordert, um Ausschreitungen

gewaltbereiter Fans in den Griff zu bekommen. In und vor den Fußballstadien kochen die

Emotionen bestimmter Fangruppen hoch und entladen sich regelmäßig auch in

Gewaltexzessen. Nicht jeder Fußballfan ist aber gleich ein Gewalttäter. Während bei

Hooligans gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Gruppen im Vordergrund stehen,

zu denen man sich regelmäßig sogar verabredet, gibt es viele fanatische Anhänger in der

sogenannten „Ultra“-Bewegung, bei denen der Sport und die Unterstützung des eigenen

Vereins im Vordergrund steht.

Leider ist der Übergang fließend. Während einige Ultra-Gruppen Gewalt ablehnen, sind

andere auch bereit, ihre Faninteressen durch Schlägereien und Krawalle mit gegnerischen

Fangruppen durchzusetzen. Für letztere hat sich bereits der Begriff „Hooltra“ geprägt.

Die Innenminister der Länder haben auf ihrer Konferenz Ende Mai diesen Jahres einen

umfangreichen Maßnahmenkatalog aufgestellt, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Im Mittelpunkt stehen hierbei die Vereine und Verbände, die u.a. zu einer besseren

Qualifizierung der Ordnungskräfte, einer Intensivierung der Einlasskontrollen und einer

konsequenteren Durchsetzung von Stadionverboten aufgefordert werden.

Gefordert wird auch die Personalisierung von Eintrittskarten, wie dies bei verschiedenen

sportlichen Großereignissen bereits geschehen ist. Die Innenministerkonferenz will besonders

die Vereine in die Pflicht nehmen. Sie sollen die Fanbetreuung verbessern, aber auch härter

gegen gewaltbereite Fans vorgehen und diese auch finanziell in die Haftung nehmen.

Hier treffen alle Bereiche des Rechts aufeinander: öffentliche Gefahrenabwehr zur

Verhinderung von Ausschreitungen, Ordnungswidrigkeitenrecht beim Abbrennen von

Pyrotechnik, Strafrecht bei Gewalttaten, Zivilrecht bei Haftung und Vertragsstrafen.

Ob man auf diese Weise die Probleme in den Griff bekommen wird, erscheint fraglich.

Gerade die Diskussion um den Einsatz von Pyrotechnik in Fußballstadien zeigt, dass das harte

Vorgehen mit Stadionverboten und hohen Geldstrafen nach Abbruch der Gespräche zwischen

DFB, DFL und Fangruppierungen eher eine Trotzreaktion der Fans bewirkt. Auch die

gewaltbereiten Anhänger werden durch das kompromisslosere Vorgehen der Polizeikräfte nur

verdrängt und suchen sich in unterklassigen Ligen ein neues Betätigungsfeld.

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Dass es auch Alternativen gibt, haben einige Vereine in Zusammenarbeit mit der örtlichen

Polizei bei Projekten mit einer vorbildlichen Betreuung von auswärtigen Fangruppen bereits

gezeigt. Hier gibt es viele Anknüpfungspunkte für weitere Diskussionen über den besten Weg

und die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Ich wollte Sie mit meiner Aufzählung von Problembereichen nun nicht erschrecken. Aber wie

man sieht, kommt der Sport ohne das Recht nicht aus. Die Themen Ihrer Tagesordnung

zeigen, wie vielfältig das Sportrecht sich aufstellen muss, und wie wenig es sich von

nationalen Grenzen beeinflussen lässt.

Einer der großen Vorzüge des Sports ist, dass er Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres

sozialen Status und ihrer Nationalität zusammenbringt. Sport fördert Teamgeist. Sport

vermittelt Erfolgserlebnisse und die Freude daran, er hilft, auch Niederlagen gemeinsam zu

ertragen. Sport führt in die Grenzbereiche individuellen Leistungsvermögens eines jeden von

uns. Sportlicher Wettkampf verbindet uns international. Sport hilft im wahrsten und tiefsten

Sinne, Grenzen zu überwinden. Daher muss der Sport auch in der Lage sein, notfalls Grenzen

aufzuzeigen, wenn die für uns alle verbindlichen Spielregeln im Sinnes eines fair play beim

grenzenlosen Sport nicht überall gleichermaßen befolgt oder akzeptiert werden.

Hier setzt das Sportrecht an. Ich wünsche Ihnen interessante Vorträge, einen großen

gemeinsamen Erkenntnisgewinn und viele neue Kontakte unter Kollegen und Freunden mit

gleicher Zielsetzung im Sinne des Sports.

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Prof. Dr. Martin Nolte, Deutsche Sporthochschule Köln

Citius, altius, fortius! ein Beitrag zu Ursprung, Kennzeichen und Herausforderungen des heutigen Sportrechts2

I. Prolog

Citius, altius, fortius! So lautete die Devise des französischen Dominikanerpaters Henri

Didon, die er den Mitgliedern seines Schulsportvereins auf den Weg zu einem Sportfest in

Arcueil nahe Paris am 7. März 1891 mitgab. Der damalige Wettkampfleiter verinnerlichte den

Leitspruch, sein Name war Pierre de Frédy, Baron de Coubertin. Nach seinem Studium der

Philologie, Kunst und Rechtswissenschaft an der Sorbonne trat Coubertin die für ihn

vorgeschlagene Offizierskarriere nicht an, sondern unternahm Studienreisen in die USA sowie

nach Kanada und England. Dort prägten ihn die pädagogischen Vorstellungen des Theologen

Thomas Arnold3 mit der Folge, dass Coubertin neue Wege in der Erziehung suchte. Diese

fand er in sportlicher Ausbildung. Denn Sport – so die Überzeugung von Coubertin – könne

den ganzen Menschen in der Einheit von Körper, Geist und Seele4 erfassen und formen.5

Darüber hinaus sah Coubertin im Sport die Chance, nationale Egoismen zu überwinden, zu

Frieden sowie internationaler Verständigung beizutragen und gesellschaftliche Grenzen zu

überwinden. Vor diesem Hintergrund erdachte er die Olympischen Spiele der Neuzeit.

An die launigen Worte des Paters Didon erinnerte Coubertin dann anlässlich seiner Tischrede

auf der Schlusssitzung des Gründungskongresses zum Internationalen Olympischen Komitee

im Jahre 1894. Offiziell zum ersten Mal während der Olympischen Sommerspiele 1924 in 2 Erweiterte Schriftfassung eines Vortrags, den der Verf. auf einer Tagung der Fachgruppe Recht der

Deutschen Gesellschaft Osteuropa zu aktuellen Themen des Sportrechts im östlichen Europa vom 20. bis 22. September 2012 in Kiel unter der Devise „Schneller, höher, weiter!“ gehalten hat und der in dem entsprechenden Tagungsband in der vorliegenden Fassung publiziert wird. Herzlich gedankt sei Frau Dipl. jur. Nadine Stöbel für die Quellenarbeit sowie akribische Durchsicht des Manuskripts einschließlich dessen Formatierung.

3 Thomas Arnold wurde am 13. Juni 1795 in Cowes auf der Isle of Wight geboren und starb am 12. Juni 1842 in Oxford. Er war ein englischer Theologe und Pädagoge, der eine für das kirchliche Leben und das Erziehungswesen in England in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zentrale Stellung einnahm. International bekannt wurden Arnold und seine Erziehungsprinzipien mit dem Ideal des „christlichen Gentleman“.

4 Zu dieser umfassenden Zusammensetzung menschlicher Existenz: Altes Testament, 1. Thessalonicher – Kapitel 5, 23: „Gott des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz samt Seele und Leib müsse bewahrt werden unsträflich auf die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi“.

5 In diese Richtung weist der heutige Olympismus. Er versteht sich als Lebensphilosophie, zu deren grundlegenden Prinzipien nach Punkt 1. S. 1 der Präambel der IOC-Charta es gehört, in ausgewogener Ganzheit die Eigenschaften von Körper, Wille und Geist miteinander zu vereinen und zu überhöhen.

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Paris zitiert, fand das Motto erst 25 Jahre später – im Jahre 1949 – Eingang in die Charta des

Olympischen Komitees [IOC-Charta]. Hier umschreibt der lateinische Komparativ „citius,

altius, fortius“6 das Streben der Olympischen Bewegung sowie den Wettbewerb

einschließlich des Siegeswillens und fungiert damit in gewisser Weise als Gegenpol zum

„Dabei sein ist alles“ – einem ungeschriebenen Grundsatz, der ebenfalls Coubertin

zugeschrieben wird und das Ereignis der Olympischen Spiele selbst als Fest des Sports in den

Vordergrund rückt.7

Der pädagogische Mehrwert, den Coubertin einst in sportlicher Erziehung auch für die

Entwicklung des Geistes sowie der Seele sah, ist unbestritten. Demgemäß erstreckt sich der

schulsportliche Erziehungsauftrag des Art. 7 Abs. 1 GG nicht nur auf die Bildung im Sinne

der geistigen Entwicklung des Kindes, sondern erfasst den gesamten Bereich der Erziehung,

zu dem auch der Schulsport zentrale Beiträge leistet.8 Auf dieser Erkenntnis dürfte die

bündige These von EKKEHARD WIENHOLTZ beruhen, die dieser in seiner zwölfjährigen

Funktion als Präsident des Landessportverbandes Schleswig-Holstein zwischen 2001 und

2013 tunlichst pflegte: „Sport macht schlau!“9 Nicht allein deshalb sei ihm zu Ehren der

nachfolgende Beitrag zu Ursprung, Kennzeichen und Herausforderungen des heutigen

Sportrechts aus Anlass seiner Verabschiedung am 22. August 2013 zugedacht.

II. Vom Ursprung der Regeln zu [zwischen-]staatlichen Rechtsnormen

Der olympische Wahlspruch des „citius, altius, fortius“, den Dominikanerpater Didon einst

erfand, findet sich heute in Regel 10 der IOC-Charta. Die IOC-Charta bildet die Spitze der

selbst gesetzten Sportregeln privater Sportorganisationen, denen sich Sportbeteiligte durch

rechtsgeschäftlichen Willen freiwillig unterwerfen. Der Ursprung dieser Regelwerke reicht in

6 In der wörtlichen Übersetzung „schneller, höher, stärker“, im deutschen Sprachgebrauch jedoch oft mit „schneller, höher, weiter“ übersetzt.

7 Der Spruch „Dabei sein ist alles“ geht zurück auf eine Bemerkung von Coubertin, der Bischof Ethelbert Talbort [Widlund, Ethelbert Talbot, His Life and Place in the Olympic History, p. 7] zum Streit zwischen britischen und amerikanischen Sprintern über den Sieg im 400-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen in London im Jahre 1908 wie folgt zitierte: „The important thing in the Olympic Games is not winning but taking part, for the essential thing in life is not conquering but fighting well.“

8 Vgl. hierzu im Einzelnen unter Bezugnahme auf den Lehrplan Grundschule des Schleswig-Holsteinischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (S. 173 f.) sowie den Lehrplan Sport für die Sekundarstufe I der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen – Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule (S. 16 ff.) aus dem Schuljahr 1997/1998 Nolte, Staats- und Europarecht, in: Adolphsen/Nolte u.a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2012, S. 9 (21 ff.).

9 So bspw. im Rahmen des sportpolitischen Symposiums in Kiel im Jahre 2012 mit der voranstellenden Ausführung, dass Bewegungsförderung für junge Menschen die Entwicklung von Intelligenz unterstütze; ähnlich auch im Rahmen eines Kooperationsprojektes „Schule & Verein“ am 2. Januar 2013 an der Grundschule im schleswig-holsteinischen Schellhorn nahe Kiel, dort verbunden mit dem Hinweis, dass der Bildungserfolg nur gesteigert werden könne, wenn der Sport mehr als bisher als Bildungsfaktor in den Schulen anerkannt werde.

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18

die Frühgeschichte der Menschheit von etwa 7000 bis 4000 v.Chr. zurück. Dies belegen

„stumme Quellen“ wie Artefakte, Knochenformungen, Felszeichnungen, Keramik- und

Vasenmalereien sowie Höhlenzeichnungen. Aus ihnen geht hervor, dass Menschen in der

Frühgeschichte verschiedene Spiele bzw. Sportdisziplinen pflegten. Daraus könne der

ziemlich sichere Schluss gezogen werden, dass zumindest ein Grundgefüge von Regeln bei

den Spielen bestanden haben müsse.10 Zwar wurden jene frühen Regeln nicht von

institutionalisierten Sportorganisationen erlassen, sondern stammten von menschlichen

Assoziationen zu sozialen Einheiten. Doch dürften sie ihrem Gegenstand nach mit heutigen

Spiel- und Sportregeln zumindest insofern vergleichbar sein, als sie das Ziel und deren Ablauf

sportlicher Betätigung beschreiben.

Das staatliche Recht kam erst relativ spät, und zwar vornehmlich in der zweiten Hälfte des

20. Jahrhunderts, auf den Sport.11 Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Sport galt lange

Zeit als reines Freizeitvergnügen, als Zeitvertreib nach getaner Arbeit sowie Erholung zur

Wiedererlangung verlorener Kräfte. Mit dem Sport und seinen Regeln befasste sich die

Rechtswissenschaft lange Zeit nicht. Denn sie vertritt einen monistischen Rechtsbegriff und

nimmt im Grundsatz nur solche Normen in den Blick, die vom Staat bzw. den

Staatengemeinschaften herrühren. Nichtstaatliche Ordnungen, selbst wenn sie wie das

Kirchenrecht zu einer justizähnlichen Institutionalisierung eines Sanktionsapparats gefunden

hatten, liegen im Normalfall außerhalb ihres Blickfeldes.12 Deshalb wurde Sport in Ansehung

seiner Regeln auch oft als „rechtsfreier Raum“13 bezeichnet.

Soziologen und Ethnologen ist dieses enge Normverständnis fremd. Sie vertreten einen

pluralistischen Rechtsbegriff. Danach werden seit jeher eine Vielzahl von Rechtsquellen und

Rechtsschichten sowie alle Normen als Recht akzeptiert, für deren Einhaltung besonders dazu

bestellte Personen verantwortlich sind.14 Dies trifft insbesondere auf den Lebensbereich Sport

10 Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, Stuttgart 2011, S. 62.11 Während Sportwissenschaftler eher zu der These neigen, die Juristen hätten den Sport für sich entdeckt und

würden diesen vereinnahmen (pars pro toto Digel, Zur Verrechtlichung des Sports, in: Justizministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Sport und Recht. Tagungsbericht über das Triberger Symposium des Justizministeriums Baden-Württemberg am 9. und 10. November 2000, Stuttgart 2001), sind Rechtswissenschaftler tendenziell der Ansicht, der Sport sei auf die Juristen gekommen (beispielsweise Steiner, in seinem Beitrag zur Doping-Problematik auf einer Sondertagung des Konstanzer Arbeitskreises für Sportrecht am 29.02.2000 in Köln, Doping aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum: Aktuelle rechtliche und medizinische Aspekte, Sonderband Recht und Sport, Stuttgart 2000, S. 125).

12 Röhl, Allgemeine Rechtslehre, Köln 1994.13 Kummer, Spielregel und Rechtsregel, Bern 1973.14 Von Mutius/Nolte, Sportrecht, in: Haag/Strauß (Hrsg.), Theoriefelder der Sportwissenschaft, 2. Aufl.,

Schorndorf 2003, S. 201 (202).

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19

zu.15 Denn dieser besitzt geschriebene Sport- und Spielregeln und überträgt deren

Durchsetzung bestellten Schiedsrichtern sowie Sportorganisationen mit institutionalisierten

Verbands- und Schiedsgerichten.

Die Ver“recht“lichung des Sports – im wahrsten Sinne des Wortes nach Maßstäben

staatlichen Rechts – ist eine Entwicklung, die in Deutschland vor allem in den 70er Jahren an

Fahrt aufnahm. Hierzu beigetragen hatte die flankierende Kommerzialisierung,

Professionalisierung sowie Mediatisierung des Sportgeschehens.16 Sport trat vermehrt aus

dem Schatten des privaten Raums in den öffentlichen Bereich hinein und wurde so zum

Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten und Gesetzgebung.17 Als besonders einschneidend

erwies sich der erste Bundesliga-Skandal Anfang der 70er Jahre:18 Spielabsprachen und

Bestechungen im professionellen Fußball führten dazu, dass Spieler, Trainer sowie

Vereinsfunktionäre teilweise lebenslang für die Ausübung sportlicher Ämter gesperrt wurden,

Arbeitsgerichte fristlose Kündigungen bestochener Spieler bestätigten und Strafgerichte eine

Reihe von Spielern teilweise wegen Meineids verurteilten.19 Nur wenige Jahre später häuften

sich umweltrechtliche Konflikte: Erst verurteilte das Oberlandesgericht Hamm20 die Stadt

Gelsenkirchen im Jahre 1976 dazu, die im Parkstadion installierte Lautsprecheranlage so zu

betreiben, dass die dadurch verursachten Geräusche auf das Nachbargrundstück einen

Immissionswert von 55 dB [B] tagsüber nicht überschritten. Danach gab der

Bundesgerichtshof in seinem berühmten Tennisplatzurteil21 einem Sportverein auf, das

Tennisspiel auf einer ihm von der Stadt überlassenen Tennisanlage gänzlich zu unterlassen. In

den 90er Jahren kam das Verfassungsrecht auf den Sport: Mal ging es hierbei um die 15 Zu Sport als rechtsbedeutsamer Lebensbereich in Deutschland Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich

Sport, Kiel 2004, S. 14 ff.16 Vgl. hierzu Jaeger/Stier (Hrsg.), Sport und Kommerz: Neuere ökonomische Entwicklungen im Sport,

insbesondere im Fußball, Chur 2000; Preuß, Bedeutung des Verkaufs von Fernsehrechten für die Finanzierung sportlicher Megaevents, in: Horch (Hrsg.), Professionalisierung im Sportmanagement. Beiträge des 1. Kölner Sport-ökonomie-Kongresses, Aachen 1999, S. 258 ff.; Schellhaaß, Die mediale Verwertung von Sportveranstaltungen, in: ders. (Hrsg.), Sportveranstaltungen zwischen Liga- und Medieninteressen. Jahrestagung des Arbeitskreises „Sportökonomie“ am 14. und 15. April 2000 in Köln, Schorndorf 2000, S. 7 ff.

17 So beispielsweise der Hochschulsport, dessen Förderung nach § 2 Abs. 4 Satz 2 des Hochschulrahmengesetzes a.F. im Jahre 1976 erstmals ausdrücklich normiert und zur verpflichtenden Aufgabe aller Hochschulen erklärt wurde, nachdem die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in ihrem Aktionsprogramm für den Schulsport im Jahre 1972 gewisse politische Zielstellungen formuliert hatte; vgl. hierzu sowie zur weiteren rechtsnormativen Entwicklung Nolte, Hochschulsport – Einrichtungen für alle und für Leistungssportler, in: Erichsen u.a. (Hrsg.), Lebensraum Hochschule – Grundfragen einer sozial definierten Bildungspolitik, Festschrift anlässlich des 70. Geburtstages von Professor Dr. Albert von Mutius, Siegburg 2012, S. 255 (258 ff.).

18 Vgl. detailliert Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, Stuttgart 2012, S. 459.19 Dies hatte etwa zur Folge, dass man den FC Schalke 04, dem der wegen Meineids verurteilte Spieler

angehörte, auch „FC Meineid“ schimpfte; hierzu Hilpert, Die Geschichte des Sportrechts, Stuttgart 2012, S. 459.

20 OLG Hamm, Urteil vom 06.12.1976, Az.: 5 U 166/75.21 BGH, NJW 1983, S. 751 f.

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unzulässige Länge von Dopingsperren, als das Oberlandesgericht München meinte, dass eine

dreijährige Sperre bei einer Sprinterin wegen ihres erstmaligen Dopingvergehens nicht mit

ihrer Berufsfreiheit zu vereinbaren sei;22 mal standen sportbezogene Staatszielbestimmungen

im Focus, die in Landesverfassungen verankert wurden mit der Folge, dass die Förderung und

der Schutz des Sports zunehmend Eingang in die Rechtsprechung fanden.23 So bedeutsam der

Sport für die Gesellschaft auch sein mag,24 so erstaunlich ist der Befund, dass das

Grundgesetz den Sport nach wie vor mit keinem Wort erwähnt. Dies mag zwar der im

Allgemeinen nicht unberechtigten Befürchtung geschuldet sein, dass Staatsziele zu einer

generellen Politisierung und/oder Finalisierung der Verfassung beitragen und damit eine

Einschränkung des gesetzgeberischen Ermessens bewirken können.25 Für den speziellen

Lebensbereich des Sports ist diese Sorge vor allem nach den Erfahrungen mit den

landesverfassungsrechtlichen Staatszielen allerdings unberechtigt. Deshalb ist seine

Verankerung im Grundgesetz wirklich an der Zeit.26

So stellte auch der Europäische Gerichtshof bereits in den 70er Jahren klar, dass

Europarecht auf Sport zumindest insofern Anwendung finde, als dieser Teil des

Wirtschaftslebens im Sinne des [damaligen] Art. 2 EGV sei.27 Diese These wiederholte das

Gericht in späteren Entscheidungen formelhaft, ohne dass dies zu größerer Empörung beim

organisierten Sport geführt hätte. Erst Mitte der 90er Jahre wurde die europarechtliche

22 OLG München, SpuRt 1996, S. 133 ff.; vgl. hierzu auch den DLV-RA, SpuRt 1996, S. 66 ff.; Vorinstanz LG München, SpuRt 1995, 161 ff.; dezidiert Lenz, Die Verfassungsmäßigkeit von Anti-Doping-Bestimmun-gen, Frankfurt a.M. u.a. 2000, S. 91 ff.

23 Zu dieser Entwicklung sowie zu den Textfassungen und ihrem Verständnis vgl. Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport – Ein Beitrag zur normativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft –, Kiel 2004, S. 217 ff.; zu staatszielrelevanten Entscheidungen auf Länderebene ders., Staats- und Europarecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schorndorf, 1. Aufl. 2009, S. 15 ff.

24 So betont namentlich Wienholtz, dass der Sport in der modernen Gesellschaft zu einem Element der Lebensqualität geworden sei, woraus sich auch die Forderung „Sport für alle“ ergebe, Rede im Rahmen der Feierstunde des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, 2001; auf dieser Linie bewegt sich im Übrigen auch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in ihrem Programm aus dem Jahre 1989 [Grundsatzprogramm, beschlossen vom Programm-Parteitag der SPD am 20. Dezember 1989 in Berlin, u.a. geändert auf dem Parteitag in Leipzig am 17. April 1998], indem nicht nur auf die „Lebensqualität“ sondern zusätzlich auf die „Lebensfreude“ abgestellt und der aus der Arbeitersportbewegung entlehnte Grundsatz „Sport für alle“ in den Vordergrund gerückt wird; hierzu Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 55 f.

25 Pars pro toto, insbesondere mit Blick auf Arbeit, Kultur und Umwelt als Gegenstände verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen im Speziellen Wienholtz, AöR 109 (1984), S. 532 (553), sowie im Allgemeinen zum Verhältnis von normativer Verfassung und Gesetzgebung seine gleichlautende Dissertation aus dem Jahre 1968.

26 Diese Forderung findet sich wörtlich unter anderem in der „Lübecker Erklärung“ unter „Perspektiven für die Politik“ der Konferenz der Landessportbünde am 18./19. April 2008 unter ihrem Vorsitzenden Wienholtz; zu den verfassungsrechtlichen Dimensionen des Sports, insbesondere zur Aufnahme des Sports im Grundgesetz, im Übrigen vgl. auch Nolte, Sport in guter Verfassung – auch ein Verfassungsgut?, in: Hoyer/Hattenhauer/ Meyer-Pritzl/Schubert (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Jörn Eckert, Baden-Baden, 1. Aufl. 2008, S. 605 ff.

27 EuGH, Slg. 1974, 1405, 1418 (Walrave); Slg. 1976, 1333, 1341, Rn. 20 (Dona).

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Überwölbung des Sportgeschehens zunehmend kritisch gesehen. Gegenstand der damaligen

Streitigkeiten waren sportverbandliche Ausländerklauseln, mit denen die Zahl der in einem

Spiel einsetzbaren Unionsbürger beschränkt wurde, sowie Transferregeln, wonach der

Wechsel eines Sportlers von seinem bisherigen Verein zu einem neuen Verein bzw. dessen

Neubeschäftigung von der Zahlung einer sog. „Transferentschädigung“ bzw. „Ausbildungs-

und Weiterbildungsentschädigung“ des aufnehmenden Vereins an den abgebenden Verein

abhängig war. Beide Regeln erklärte der Gerichtshof mit Blick auf die

Arbeitnehmerfreizügigkeit für unanwendbar28 und gab mit dieser Entscheidung einer Klage

von Jean Marc Bosman statt, dem es weniger gelang, als Fußballspieler des belgischen FC

Liege auf sich aufmerksam zu machen, denn als Kläger vor dem Europäischen Gerichtshof,

der das damalige Transfersystem im europäischen Fußballsport zum Einsturz brachte.

Das Ende der Autonomie des Sports war damit gleichwohl nicht eingeläutet. Zwar konnte

sich dieser Eindruck durch die spätere Meca-Medina-Entscheidung des Europäischen

Gerichtshofs aus dem Jahre 2006 erhärten. Denn das Gericht meinte in umständlicher

Formulierung, dass der bloße Umstand, dass eine Regelung rein sportlichen Charakters sei,

nicht dazu führe, dass derjenige, der die dieser Regelung unterliegende sportliche Tätigkeit

ausübe, oder die Institution, die diese Regelung erlassen habe, nicht in den Geltungsbereich

des EG-Vertrages [konkret: des Wettbewerbsrechts] falle.29 Dieses Urteil hatte aber letztlich

nur zur Konsequenz, dass die selbst gesetzten Regeln relativ uneingeschränkt am Europarecht

gemessen wurden. Die Autonomie des Sports blieb hierdurch jedoch im Kern unangetastet –

auch wenn der Sport lange Zeit nicht im primären Europarecht vorkam.30 Letzteres änderte

sich dann durch den Vertrag von Lissabon [ursprünglich auch EU-Grundlagenvertrag bzw. -

Re-formvertrag genannt], der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. In diesem verständigten sich

die damals 27 Mitgliedstaaten auf ein Staatsgemeinschaftsziel zugunsten des Sports gemäß

Art. 165 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV], um ihre bis

dahin betriebene mosaikförmige Sportpolitik auf kompetenziell sicherere Beine zu stellen.

Inzident bekräftigten sie hierbei die Autonomie des Sports: So wurde zwar die Union zur

Förderung der europäischen Dimension des Sports ermächtigt, allerdings nur unter der

28 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (Bosman).29 EuGH, Rs. C-519/04, Slg. 2006, I-6991 Rn. 27 (Meca-Medina und Majcen); hierzu weiterführend

Heermann, Wettbewerbsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, Schorndorf, 1. Aufl. 2009, S. 49 (57 ff.).

30 Zur frühen Berücksichtigung der Autonomie im Europarecht vgl. Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Ein Beitrag zur normativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft, Kiel 2004, S. 289 (291 f.); zu Elementen und Eckwerten einer Europäischen Verfassungsordnung im Allgemeinen bereits Wienholtz, Vortrag im Landeshaus Schleswig-Holstein am 21. Januar 2003, veröffentlicht in: Parlamentarische Gesellschaft Schleswig-Holstein, 2003.

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Voraussetzung, dass die besonderen Merkmale des Sports, dessen auf freiwilligem

Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Ziele

berücksichtigt werden.31 Die mit der Verankerung eines solchen Zieles verbundenen

Wertungen und Wirkungen sind bekannt. Sie verlaufen parallel zu den Staatszielen des

nationalen Verfassungsrechts: Einerseits wird die Regelgebung des Sports in Einzelfällen

begrenzt, andererseits wahren [zwischen-]staatliche Funktionsträger die Autonomie des

Sports und machen dessen Förderung und Schutz zu einem [zwischen-]staatlichen Ziel mit

verfassungsrechtlicher Dignität.

III. Zum Zweisäulensystem des heutigen Sportrechts

Die Regeln des organisierten Sports gehören zu seinen typusprägenden Merkmalen. Ihre

Vielfalt ist beeindruckend und reicht von den Regelwerken nationaler Vereine und Verbände

bis zu den Vorschriften europäischer sowie internationaler Sportorganisationen. Während

etwa nationale Regularien im deutschen Fußballsport aus Benutzungsordnungen für

Sportanlagen, Satzungen der Regional- und Landesverbände sowie der Rechts- und

Verfahrensordnung des Deutschen Fußball-Bundes bestehen, speisen sich die europäischen

bzw. internationalen Regelwerke aus den zahlreichen Statuten, Richtlinien sowie Ordnungen

der Union of European Football Associations [UEFA] sowie der Fédération Internationale de

Football Association [FIFA].

Zwischen den verschiedenen Regulierungsebenen bestehen gegenstromförmige

Wechselwirkungen. Diese werden durch das sog. Einplatzprinzip abgesichert, wonach pro

Kreis, Bezirk, Land, Region, Staat oder Kontinent grundsätzlich nur ein autorisierter Fach-

bzw. Dachverband besteht.32 Daraus folgt ein pyramidales Sportverbandswesen, innerhalb

dessen zahlreiche Regeln übergeordneter Organisationen, insbesondere solche über die

sportliche Betätigung im engeren Sinne [d.h. über Ziel und Ablauf des Sports], für die

nachgeordneten Ebenen bindend sind. Andere Vorschriften übergeordneter Organisationen

formulieren demgegenüber lediglich Rahmenvorgaben und eröffnen signifikante

Regelungsspielräume für nachgeordnete Instanzen, deren Vertreter dafür Sorge tragen, dass

31 Eine vergleichbare Entwicklung sportbezogener Staats(-gemeinschafts-)ziele vollzog sich seit Anfang der 90er Jahre auf der Ebene der deutschen Landesverfassungen, insbesondere in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung, die wesentlich unverkrampfter mit neuen Staatszielen umzugehen vermochten als die alten Bundesländern; vgl. zur Entwicklung Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 217 ff.

32 Vgl. zum Einplatzprinzip Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 42 ff.; Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl., München 2007, S. 12 ff.; Rössner/Adolphsen, Einführung: Der Sport im Recht, in: Adolphsen/Nolte u.a. (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, Stuttgart 2012, Rn. 10.

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regionale bzw. nationale Vorstellungen in das übergeordnete, insbesondere europäische sowie

internationale Regelwerk, einfließen.

Die Gesamtheit aller selbst gesetzten Regelwerke des Sports gilt hierbei als erste Säule des

heutigen Sportrechts, die auch lex sportiva genannt wird. Sie ist Ausdruck bürgerlicher

Freiheit. Denn der organisierte Sport ist ein wichtiges Subsystem der gesamten [Zivil-]Gesell-

schaft. Als gesellschaftlicher Teilbereich hat er seine Angelegenheiten zunächst

eigenverantwortlich zu regeln. Dahinter steht der Gedanke des Subsidiaritätsgrundsatzes.33

Dieser proklamiert einen grundsätzlichen Nachrang staatlicher gegenüber gesellschaftlicher

Aufgabenwahrnehmung und errichtet damit eine [sozialethische] „Funktionssperre“34 für

staatliches Tätigwerden. Der Eigenverantwortung des organisierten Sports gegenüber

[zwischen-]staatlicher Aufgabenwahrnehmung entspricht es schließlich, dass die

Regelgebung des organisierten Sports durch die Vereinigungsfreiheit verfassungs-, europa-

sowie internationalrechtlich verbürgt ist. Sie verleiht Sportorganisationen das Recht zur

Steuerung, Lenkung und Lösung ihrer Angelegenheiten durch Satzungen, Statuten und

Richtlinien über sporttechnische Regeln, sportethische Grundsätze sowie zu Organisation und

Verfahren.35 Diese Grundsätze sind allen populären Forderungen nach staatlicher Regulierung

– etwa nach einem „knüppelharten“ Anti-Doping-Gesetz – entgegenzuhalten.

33 Verankert wurde dieser Grundsatz im Jahre 1931 in der päpstlichen Sozialenzyklika „Quadragesimo Anno“; vgl. hierzu Ross, Die Sozialenzykliken der Päpste als Grundlage der Sozialverkündung der Kirchen, in: Unterberg (Hrsg.), Kurze Einführung in die katholische Soziallehre, Freiburg 2010, S. 15 ff.; Wieshuber, Die Leitidee der Subsidiarität im europäischen Einigungswerk, Eine Untersuchung aus sozialethischer Perspektive, Münster 2009, S. 31 ff.; allgemein zum Subsidiaritätsprinzip Callies, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl., Baden-Baden 1999; zu den Wurzeln des Subsidiaritätsprinzips in der abendländischen Staats- und Gesellschaftsphilosophie, der liberalen Staatstheorie und der neuscholastischen Naturrechtslehre Schliesky, Der Beitrag des Subsidiaritätsprinzips gemäß Art. 5 Abs. 2 EGV zur Legitimation supranationaler Herrschaftsgewalt, in: Schliesky/Schürmann (Hrsg.), Rechtsprobleme der Verzahnung von Herrschaftsgewalt im Mehrebenensystem, Köln u.a. 2001, S. 23 (36); Molsberger, Das Subsidiaritätsprinzip im Prozess europäischer Konstitutionalisierung, Berlin 2009, S. 14 ff.

34 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl., Berlin 2001, S. 30.35 Vgl. beispielsweise zur Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen der Vereinigungsfreiheit Steiner, Staat, Sport und

Verfassung, DÖV 1983, S. 179 f.; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts, Berlin 2005, S. 5 (23).

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Denn das [zwischen-]staatliche Recht ist lediglich eine Sekundärordnung des Sports. Dessen

Geltung beruht auf der allgemeinen Erkenntnis, dass weder der nationale Sport ein Staat im

Staate ist noch die europäischen und internationalen Sportorganisationen eigenständige

Völkerrechtssubjekte neben den anerkannten Staaten dieser Welt sind.36 Deshalb bewegt sich

das System des organisierten Sports im Rahmen des [zwischen-]staatlichen Rechts und leitet

seine Legitimität von den Staaten sowie den Staatengemeinschaften ab. Deren Rechtsnormen

schützen nicht nur sportliche Betätigungen im engeren Sinne, sondern auch die Regelgebung

der Sportorganisationen. Die Gesamtheit aller sportrelevanten Rechtsnormen von Staaten[-ge-

meinschaften] bildet schließlich die zweite Säule des heutigen Sportrechts. Sie wird als lex

extra sportiva verstanden und erfasst etwa Strafrechtsnormen, die gefährliche

Körperverletzungen im Sport verbieten, zivilrechtliche Vorschriften zu Mindestanforderungen

an die Gründung und Betätigung eingetragener Vereine sowie umweltrechtliche

Bestimmungen über den Sport in der freien Natur.37 Hinzu treten arzneimittelrechtliche

Normen zur Verhinderung von Doping, steuerrechtliche Vergünstigungen für ehrenamtliche

Tätigkeiten sowie baurechtliche Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb von

Sportanlagen. Schließlich normieren sämtliche Landesverfassungen – mit Ausnahme der

Freien und Hansestadt Hamburg – sportbezogene Staatsziele und erklären die Förderung, den

Schutz und die Pflege des Sports zur öffentlichen Aufgabe.38

Die grenzüberschreitende Bedeutung des Sports mit seinen spezifischen Phänomenen,

Ansprüchen und Problemen befördert nicht zuletzt eine zunehmende Europäisierung und

Internationalisierung des Sport(recht)s. Zahlreiche gesellschaftliche Aspekte [Doping,

Gewalt, Betrug], wirtschaftliche Dimensionen [Vermarktung, Beihilfe] sowie

organisatorische Herausforderungen des Sports [Pyramidalsystem, Monopolstellung] gehen

über Staatsgrenzen hinweg und verlangen globale Steuerung. Die Europäisierung des

Sportrechts ist hierbei signifikant und lässt sich erkennen an der wachsenden Zahl von

36 Vgl. Baare-Schmidt, Der Status des internationalen Olympischen Komitees im Völkerrecht, München 1983, S. 72; Rittberger/Boekle, Das Internationale Olympische Komitee – eine Weltregierung des Sports?, FW 71 (1996), S. 158; Wax, Internationales Sportrecht, Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts, Berlin 2009, S. 153 ff. Speziell zur World Anti-Doping Agency (WADA) vgl. Latty, La lex sportiva, Recherche sur le droit international, Boston 2007, S. 624.

37 Vgl. zum multipolaren Konflikt von Sport in der freien Natur Nolte, Die Erholungsfunktion des Waldes – Einfachgesetzliche Rechtsansprüche des Erholungssuchenden und ihre Grenzen unter besonderer Berücksichtigung des Straßen- und Wegerechts, des Forst- und Waldrechts und des Naturschutzrechts, 2. Aufl., Kiel 1999.

38 Zu deren Auslegung und Verständnis vgl. bereits Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 217 ff. m.w.N.

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Judikaten des Europäischen Gerichtshofs zum Sport. Diese betrafen anfangs lediglich

Grundfreiheiten, später dann auch kartell- und beihilferechtliche Vorschriften sowie in

jüngster Zeit das neue Staatsgemeinschaftsziel zugunsten des Sports.39 Hinzu treten

schließlich völkerrechtliche Abkommen zum Sport, etwa zum Schutz des Olympischen

Symbols,40 zur Bekämpfung der Zuschauerausschreitungen bei Sportveranstaltungen41 oder

zum Kampf gegen Doping im Sport.42

Die wechselseitigen Rechtswirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen des [zwischen-]

staatlichen Sportrechts sind mit denen sportverbandlicher Regeln vergleichbar: Auf der einen

Seite formulieren europäische und internationale Vorschriften zwingende Vorgaben für

nationale Gesetzgeber oder eröffnen diesen mehr oder weniger große Regelungsspielräume.

Auf der anderen Seite speisen sich europäische und internationale Rechtsnormen aus den

Überzeugungen, Erfahrungen und Erkenntnissen verschiedener Mitglieds- bzw.

Vertragsstaaten.

IV. Typusprägende Wechselwirkungen zwischen Regeln und Rechtsnormen

Zu den typusprägenden Merkmalen des Sportrechts gehört jedoch nicht allein der Umstand,

dass diese Disziplin auf privat gesetzten Regeln des Sports und sportrelevanten Normen des

[zwischen-]staatlichen Rechts beruht. Die beiden Säulen sind vielmehr in vielfältiger Weise

aufeinander bezogen bzw. miteinander verstrebt. Diese Wechselwirkungen sind das

eigentliche Kennzeichen von Sportrecht, deren generelle Auslotung Wissen schafft.43

So sei daran erinnert, dass der Erlass von Sport- und Spielregeln Ausdruck [zwischen-]staat-

lich verliehener Regelungsautonomie ist. Diese Regelungsautonomie besteht nicht originär

für Sportorganisationen. Sie leitet sich vielmehr ab aus den Rechtsordnungen einzelner

Staaten bzw. Staatengemeinschaften. Dabei geht es im Kern um die Vereinigungsfreiheit bzw.

Vereinsautonomie. Diese besteht gleichwohl nicht grenzenlos. Sie wird vielmehr ihrerseits

39 EuGH, Rs. C-325/08, Slg. 2010, I-2177 (Olympique Lyonnais); EuGH, Rs. C-403/08 u.a., ABl EU 2011, Nr. C 347 (Murphy).

40 Vertrag über den Schutz des Olympischen Symbols, angenommen am 26.09.1981 in Nairobi [http://www.wipo.int/treaties/en/ip/nairobi]; hierzu Tams, Olympische Spiele – Herausforderungen und Fragen aus Sicht des internationalen Rechts, in: Höfling/Horst/Nolte (Hrsg.), Olympische Spiele, Tübingen 2013, S. 59 (67 f.).

41 “European Convention on Spectator Violence and Misbehaviour at Sports Events and in particular at Football Matches” des Europarats vom 19.08.1985 – International Legal Materials Vol. 24 (1985), S. 1566 ff.

42 UNESCO-Konvention gegen Doping im Sport, angenommen am 19.10.2005, in Kraft seit 01.02.2007 [deutscher Text unter http://www.unesco.de/1074.html]; hierzu dezidiert Schmidt, Internationale Dopingbekämpfung, Stuttgart 2009, S. 73 ff.

43 Vgl. bereits Nolte, Was ist und zu welchem Ziel studiert man Sportrecht?, in: Nolte/Hilpert (Hrsg.), Was ist Sportrecht?, Schriftfassung der Antrittsvorlesung zur Professur für Sportrecht an der Universität Kiel vom 14. April 2010, Kiel 2010, S. 1 (8).

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eingegrenzt durch [zwischen-]staatliches Recht. Auf der Ebene des Grundgesetzes ergeben

sich die Grenzen aus kollidierendem Verfassungsrecht durch Grundrechte Dritter bzw.

anderen Positionen mit Verfassungsrang. Das zeigt sich an zahlreichen Beispielen des

organisierten Sports:

Zu den größten Herausforderungen zählt etwa die Bekämpfung von Doping. Sport- und

Spielregeln definieren deshalb die verbotenen Verhaltensweisen, normieren Beweisregeln und

Sanktionen und enthalten Verfahren zur Feststellung von Dopingverstößen und deren

Überprüfung vor Verbands- und Schiedsgerichten. Sämtliche dieser Regelungen sind

Ausfluss von Vereinigungsfreiheit. Deren Grenzen werden erreicht bei persönlichen Anti-

Doping-Meldepflichten von Athleten und ihrem Recht auf informationelle

Selbstbestimmung,44 bei der Länge sportverbandlicher Dopingsperren mit Blick auf Berufs-

und Handlungsfreiheit45 oder bei der Ausgestaltung von Organisation und Verfahren nach

grundrechtsgleichen Verbürgungen wie fair play sowie dem Recht auf Anhörung und

Begründung. Vergleichbare Grenzen aufgrund von Individualverbürgungen existieren bei

wirtschaftsrelevanten Sport- und Spielregeln etwa bei Ausländer- und Transferklauseln,46 der

zentralen Vermarktung von Fernsehrechten47 oder der so genannten 50+1-Regel, die eine

Mehrheitsbeteiligung der Muttervereine an den ausgegliederten Profiabteilungen deutscher

Fußballclubs verlangt und damit Mehrheitsbeteiligungen ausländischer Investoren

verhindert.48 Auch hier kommt es zu signifikanten Grenzziehungen aufgrund kollidierender

Interessen etwa an Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. der Verhinderung von Kartellen zur

Realisierung von Grundfreiheiten.

Die Intensität der Grenzziehungen, mit der [zwischen-]staatliches Recht auf

sportverbandliche Regeln wirkt, ist gleichwohl nicht starr. Sie variiert vielmehr von Fall zu

Fall und ist insbesondere davon abhängig, ob und inwieweit die betreffende Spiel- oder

44 Erinnert sei an die aktuelle Diskussion über die Vereinbarkeit der Ein-Stunden-Regel für Athleten des höchsten Testpools mit den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes, in denen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einfachgesetzlich konkretisiert wird; hierzu Nolte, Causa Sport 2010, S. 309 ff.

45 OLG München , SpuRt 1996, S. 133.46 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (Bosman).47 Hierzu Danckert, Fernsehrechte im deutschen Fußball: Grundlagen, Chancen und Grenzen ihrer

Vermarktung aus kartellrechtlicher Sicht, Kiel 2009; Hess/Jury-Fischer, Medienkartellrecht, AfP 2009, S. 35 ff.; Stopper, Spielmanipulation: Das Bundeskartellamt kennt das richtige Ergebnis der TV-Zentralvermarktung, SpuRt 2008, S. 177 ff.

48 Näher hierzu Klees, Die so genannte 50+1-Regel im deutschen Profifußball im Lichte des europäischen Wettbewerbsrechts, EuZW 2008, S. 391 ff.; Lammert, Mehrheitliche Kontrolle im deutschen Profi-Fußball – Der Fall Hoffenheim, SpuRt 2008, S. 137 ff.; Quart, „50+1“-Regelung – Wie geht es im Profifußball weiter? Dringender Regelungsbedarf/Lösungswege, WRP 2010, S. 85 ff.; Verse, Die „50+1“-Regel zwischen Verbandsautonomie und Wettbewerbsfreiheit, Causa Sport 2010, S. 28 ff.; Schäfer, Die Vereinbarkeit der „50+1“-Regel mit dem Europarecht, 1. Aufl., Baden-Baden 2012.

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27

Sportregel eher die sportliche Betätigung im eigentlichen, engeren Sinne betrifft und daher im

Zentrum des weitgehend autonom bestimmten Sportbetriebs liegt, oder über diesen

Regelungsgegenstand hinausgeht und auf andere Freiheitsverbürgungen reflektiert. Zum

Zentrum der Sport- und Spielregeln gehören etwa diejenigen Vorschriften, die das Ziel und

den Ablauf einer sportlichen Betätigung bestimmen. Aus diesem Bereich hält sich das

[zwischen-]staatliche Recht weitgehend heraus: Denn schließlich verlangt der Schutz der

Menschenwürde weder, dass ein Fußballspiel kürzer als 90 Minuten dauern muss, noch

erfordern Diskriminierungsverbote die Aufgabe der Geschlechtertrennung im Boxen. Anders

verhält es sich hingegen mit Sport- und Spielregeln im weiteren Sinne, die über den Kreis der

eigentlichen sportlichen Betätigung hinausragen und beispielsweise Teilnahmebedingungen

für Vereine an professionellen Ligawettbewerben festlegen oder Vermarkungsaktivitäten

regeln. Hier verlassen die betreffenden Regeln die engere Sphäre der Vereinigungsfreiheit mit

der Folge, dass [zwischen-]staatliches Recht eine größere Grenzziehung entfaltet als dies bei

sportverbandlichen Regeln im engeren Sinne der Fall ist. Die Grenzen zwischen Sport- und

Spielregeln im engeren sowie im weiteren Sinne sind ihrerseits auch nicht starr, sondern

fließend. Das Ergebnis kann deshalb nur in eine Faustformel münden. Diese lautet: Je mehr

eine betreffende Sport- und Spielregel auf die eigentliche Sportausübung bezogen ist, desto

stärker ist die Regelungsautonomie zugunsten der Sportorganisationen und desto weniger

kommt es zu Korrekturen durch kollidierendes [zwischen-]staatliches Recht. Umgekehrt

gesprochen: Je weiter eine betreffende Sport- und Spielregel über die eigentliche

Sportausübung hinausragt, desto schwächer wird die Regelungsautonomie und umso stärker

wirken Grenzziehungen durch [zwischen-]staatliches Recht. Die Maßstäbe, an denen die

betreffenden Sport- und Spielregeln an [zwischen-]staatlichen Rechtsnormen gemessen

werden, dürften hierbei von einer bloßen Plausibilitäts- bzw. Evidenzkontrolle bei Sport- und

Spielregeln im engeren Sinne bis hin zu einer Überprüfung nach den Kriterien der

Verhältnismäßigkeit bei Sport- und Spielregeln im weiteren Sinne reichen.

Aus umgekehrter Blickrichtung betrachtet bewegen sich Sport- und Spielregeln jedoch nicht

nur in Grenzen des [zwischen-]staatlichen Rechts. Sie beeinflussen vielmehr auch dessen

Anwendung und Normierung. Auch dieses Phänomen ist ein wesentliches Kennzeichen des

heutigen Sportrechts. So führt etwa die Beachtung von [rechtswirksamen] Spiel- und

Sportregeln dazu, dass sportbedingte Verletzungen weder zivil- noch strafrechtliche

Haftungsfolgen für den Schädiger auslösen: Trifft der Boxer seinen Gegner mit einem

regelgerechten Schlag am Kopf, so beschädigt er zwar dessen Gesundheit. Diese

Gesundheitsschädigung führt aber weder zu strafrechtlicher Verurteilung noch zu

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28

zivilrechtlichem Schadensersatz. Denn die Einhaltung von Spiel- und Sportregeln bewirkt

einen Haftungsausschluss – wie immer man auch diesen konstruieren mag.49 Selbst bei

Schädigungen infolge leicht fahrlässig begangener Regelüberschreitung wird ein

Haftungsausschluss bejaht, da ein anderes Ergebnis mit den Besonderheiten des Sports

unvereinbar wäre. Die Grenze zur Unsportlichkeit ist erst dann überschritten, wenn die

Gesundheitsschädigung grob fahrlässig bzw. vorsätzlich begangen wird, wie etwa bei einem

gezielten Schlag mit dem Eishockeyschläger gegen den Kopf des Gegners oder einem Biss

des Boxers in das Ohr seines Gegners.50 Hier kommt es im Regelfall zu Haftungsfolgen nach

staatlichem Recht. Deren Beurteilung obliegt zwar freier richterlicher Beweisführung.

Allerdings kommt auch hier den Sport- und Spielregeln eine wichtige Orientierungsfunktion

zu. Denn schließlich bestimmen sie die spezifischen Sorgfaltsmaßstäbe im Sport und

beantworten damit zugleich, in welchem Umfang der Schädiger die „im Verkehr

erforderliche Sorgfalt“ überschritten hat.

Die Wirkungen sportverbandlicher Regeln auf [zwischen-]staatliches Recht gehen ferner über

dessen Auslegung bzw. Anwendung hinaus. Sportverbandliche Regeln initiieren auch

[zwischen-]staatliches Recht in einer vergleichbaren Weise, wie [zwischen-]staatliches Recht

die Konzeption sportverbandlicher Regeln [etwa Verfahrensbestimmungen] beeinflusst. Dies

zeigt sich etwa bei der Bekämpfung des Dopings und dem Schutz olympischer Symbole. So

beschloss die Generalversammlung der UNESCO im Jahre 2003, die internationale

Zusammenarbeit bei der Dopingbekämpfung durch Abschluss eines völkerrechtlichen

Vertrages zu fördern und zu koordinieren. Entscheidenden Einfluss auf die Konvention zur

Verhinderung und zur Bekämpfung von Doping im Sport im Jahre 2005 hatte der World Anti-

Doping Code der Welt-Anti-Doping-Agentur, mithin einer privatrechtlichen Stiftung nach

Schweizer Recht.51 Dies ergibt sich nicht nur aus den verschiedenen vorbereitenden

Dokumenten zur UNESCO-Konvention, sondern auch aus wörtlichen Bezugnahmen des

49 Hierzu werden verschiedene Auffassungen [rechtfertigende Einwilligung, sozialadäquates oder schuldloses Verhalten u.a.] auch innerhalb der verschiedenen Disziplinen des Zivil- und Strafrechts vertreten, die jedoch allesamt zum vergleichbaren Ergebnis [keine Haftung] führen dürften; vgl. zum Zivilrecht Vieweg, Haftungsrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 1. Aufl., Schorndorf 2009, S. 121 (insbes. S. 128 ff.); zum Strafrecht Wolters/Schmitz, Strafrecht, in: Nolte/Horst (Hrsg.), Handbuch Sportrecht, 1. Aufl., Schorndorf 2009, S. 247 (insbes. S. 251 ff.).

50 So etwa am 12. Juni 1998 in Las Vegas, als Mike Tyson kein anderes (regelgerechtes) Mittel gegen den damals amtierenden WBA-Weltmeister Evander Holyfield fand, als ihm kurzerhand ein Stück des Ohres abzubeißen.

51 Hierzu Haas/Prokop, Aktuelle Entwicklungen in der Dopingbekämpfung, SpuRt 2000, S. 5 ff; Kern, Internationale Dopingbekämpfung – Der World Anti-Doping Code der World Anti-Doping Agency, Hamburg 2007, S. 153 ff.; Latty, La lex sportiva, Recherche sur le droit transnational, Boston 2007, S. 384 ff.; Müller-Platz, Neue Entwicklungen in der Dopingbekämpfung, in: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Jahrbuch 2003, S. 116 ff.

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29

Übereinkommens auf den Code,52 insbesondere der Inkorporation seiner Grundsätze – eine

Entwicklung, die in anderen Bereichen als „Privatisierung des Völkerrechts“53 beschrieben

wird. Der Beitritt Deutschlands zur UNESCO-Konvention induzierte schließlich

Novellierungen im nationalen Arzneimittelrecht, insbesondere dessen Erweiterung etwa um

das Verbot des Besitzes nicht geringer Mengen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im

Sport, das Gebot von Warnhinweisen auf Arzneimittelverpackungen [„Die Einnahme dieses

Arzneimittels kann zu einer positiven Dopingprobe führen.“] sowie Strafschärfungen bei

banden- oder gewerbsmäßigem Handel mit Arzneimitteln zu Dopingzwecken oder dessen

Abgabe an Minderjährige.54 Vergleichbares zeigt sich am Schutz olympischer Symbole sowie

Embleme. Deren Festlegung und Inhaberschaft erfolgte zunächst durch die Charta des

Internationalen Olympischen Komitees, mithin der Satzung eines nichtstaatlichen Vereins

gemäß Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Zu deren Durchsetzung

insbesondere zum Schutz gegenüber [sportfremden] Dritten bedurfte es staatlicher bzw.

zwischenstaatlicher Mithilfe. Diesen Schutz fand das IOC auf internationaler Ebene durch den

Vertrag von Nairobi im Jahre 198155 und auf nationaler Ebene durch das spezielle

Olympiaschutzgesetz.56 Das internationale Abkommen und das Olympiaschutzgesetz sichern

damit private Regelgebung ab, indem sie die Anliegen des IOC zu einer öffentlichen

Angelegenheit von völkerrechtlicher bzw. nationaler Bedeutung machen. Weiter kann der

Einfluss privater Regelgebung auf [zwischen-]staatliches bzw. zwischenstaatliches Recht

kaum gehen.

52 Vgl. hierzu dezidiert Schmidt, Internationale Dopingbekämpfung, Stuttgart 2009, S. 73 ff., 87 f.53 Vgl. hierzu mit unterschiedlichen Akzentuierungen dieses Phänomens Ghérari/Szurek (éd.), L’émergence de

la société civile internationale, Vers la privatisation du droit internationale?, 2003; vgl. auch Krieger, Der privatisierte Krieg – Private Militärunternehmen im bewaffneten Konflikt, AVR 44 (2006), S. 160; Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, S. 905 ff.; Rau, der US-amerikanische Alien Tort Claims Act, IPRax 2000, S. 560; Kees, Privatisierung im Völkerrecht, Zur Verantwortlichkeit der Staaten bei der Privatisierung von Staatsaufgaben, Berlin 2008, S. 30.

54 Vgl. hierzu die § 6a Abs. 2a S. 1 AMG i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG nach Artikel 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport, BGBl. 2007 I, 2510; weiterführend Reissinger, Staatliche Verantwortung zur Bekämpfung des Dopings, 1. Aufl., Baden-Baden 2010; Hauptmann/Rübenstahl, Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer Doping-Besitzstrafbarkeit de lege ferenda – insbesondere gemessen am „Cannabis-Urteil“ des BVerfG, HRRS 2007, S. 143 ff.; Jahn, Die Strafbarkeit des Besitzes nicht geringer Mengen von Dopingmitteln, Ein Lehrstück zum Verhältnis von Rechtsgut und Tatbestandsstruktur, GA 2007, S. 579 ff.; Kargl, Begründungsprobleme des Dopingstrafrechts, NStZ 2007, S. 489 ff.; König, Dopingbekämpfung mit strafrechtlichen Mitteln, JA 2007, S. 573 ff.; Kudlich, An den Grenzen des Strafrechts, JA 2007, S. 90 ff.

55 Vertrag über den Schutz des Olympischen Symbols, angenommen am 26. September 1981 in Nairobi; hierzu Tams, Olympische Spiele – Herausforderungen und Fragen aus Sicht des internationalen Rechts, in: Höfling/Horst/Nolte (Hrsg.), Olympische Spiele, Tübingen 2013, S. 59 (67 f.).

56 Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen vom 31.03.2005 (BGBl. I, 479).

Page 30: Tagungsband Entwurf Internetfassung

30

V. Epilog

Die Herausforderung des heutigen Sportrechts besteht in der zeitgemäßen und angemessenen

Ausbalancierung sportverbandlicher Regeln mit sportrelevanten Normen des

[zwischen-]staatlichen Rechts. Zünglein an der Waage ist stets die Vereinigungsfreiheit. Sie

bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich die private Regelgebung von Sportorganisationen

entfaltet und durch kollidierende Rechtsgüter begrenzt wird. Die Aufgabe von Forschung und

Lehre im Bereich Sportrecht besteht darin, die hinter den Regeln und Rechtsnormen

stehenden Interessen auf einem möglichst hohen Niveau zu verwirklichen, ohne dass ein

Belang a priori zurückzutreten hat. Dies erfordert manchmal einen gedanklichen Spagat bzw.

eine einzelfallbezogene Gewichtung und Abwägung nach den Maßstäben praktischer

Konkordanz. So oder so ähnlich würde es vermutlich der promovierte Jurist EKKEHARD

WIENHOLTZ ausdrücken – dessen Stimme als Präsident des Landessportverbandes Schleswig-

Holstein a.D. einfühlsam und nachhaltig im selben Atemzug hinzufügen würde „(…) und

vergesst bei alledem die Vereine nicht!“57

57 Zwischenzeitlich geflügelte Mahnung etwa im Rahmen seiner Tischrede anlässlich der Antrittsvorlesung des Verf. zur Professur für Sportrecht an der Christian-Albrechts-Universität am 14. April 2010 im Kieler Yacht Club.

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31

Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität Kiel

Sportrecht in Staaten des östlichen Europa– eine Annäherung aus rechtsvergleichender Sicht

Einführung

Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs war der gesellschaftliche Lebensbereich des Sports im

östlichen Europa durch die politisch-gesellschaftlichen Strukturen des Sozialismus geprägt:

die nahezu monopolartige Funktion des Staates für die Organisation des Sports, die Betonung

des Leistungssports, die weit gehende Zurückdrängung ökonomischer Ausprägungen des

Sports, aber auch die Förderung von Massensport.58 Im internationalen Sportgeschehen war

das sozialistische Lager durch außerordentliche Erfolge bekannt, die zum Teil auf ein

ausgeklügeltes Selektions- und Fördersystem, zum Teil aber auch auf Praktiken

zurückzuführen waren, die jedenfalls aus heutiger Sicht mit der Menschenwürde der Sportler

unvereinbar waren.59 Seit 1989/1990 haben sich in der Großregion Osteuropa – Mittel- und

Südosteuropa sowie die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion60 – die politischen und

wirtschaftlichen Verhältnisse völlig geändert, und auch das Rechtssystem wurde vollständig

umgestaltet.61

Die Ostrechtsforschung konzentriert sich meist auf klassische Felder des öffentlichen Rechts,

des Zivil- oder des Strafrechts. Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports ist aber so hoch

und die internationale Entwicklung des Sportrechts so dynamisch, dass im Rahmen dieser

Tagung der Blick auf die Querschnittsmaterie des Sportrechts gerichtet werden sollte. Auch

heute spielt Osteuropa als Veranstaltungsort für internationale Sportereignisse (beispielsweise

die Olympischen Winterspiele 2014 in Sochi62) oder als Herkunftsregion internationaler 58 Vgl. Alekseev, Sportivnoe pravo Rossii (2005), S. 47 ff; s.a. Riordan, Totalitarianism and sport in Russia,

Int. Rev. on Sport & Violence 6/2012, S. 54 – 69, http://www.irsv.org/index.php?option=com_content&view=article&id=138%3Atotalitarianism-and-sport-in-russia&catid=64%3Anumero-6-sport-et-totalitarisme&lang=fr .

59 Hilpert Die Geschichte des Sportrechts (2012), S. 229 ff ; s. ferner http://de.wikipedia.org/wiki/Sport_in_der_DDR#Dopingproblematik.

60 Geographisch liegen mehrere dieser Staaten in Asien. Aus juristischer Sicht ist es aber gerechtfertigt, sie weiterhin der Kategorie des „Osteuropäischen Rechts“ zuzuordnen, da sie eng mit den Rechtsordnungen anderer postsowjetischer Staaten, insbesondere Russlands, verwandt sind. Aus demselben Grund kann auch das Recht der Mongolei diesem Rechtskreis zugerechnet werden.

61 Zu den Auswirkungen des Zerfalls der Sowjetunion und Jugoslawiens auf sportliche Großereignisse der 1990er Jahre s. Nafziger, in: ders./Ross (ed.), Handbook on International Sports Law (2011) S. 8 f.

62 S. http://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Winterspiele_2014.

Page 32: Tagungsband Entwurf Internetfassung

32

Spitzensportler eine herausragende Rolle, und die neuen ökonomischen Verhältnisse in

Osteuropa machen sich auch im Westen im Bereich des Sports bemerkbar – bis hin zum

Erwerb des englischen Fußballklubs Chelsea durch den russischen Oligarchen Roman

Abramovich63 oder zum Sponsoringvertrag des russischen Erdgasgiganten GAZPROM mit

dem deutschen Fußballklub Schalke 04.64 Osteuropa-Bezug haben auch mehrere grundlegende

Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs zum Sportrecht, z.B. das Urteil des EuGH

vom 8.5.2003 in der Rechtssache Maroš Kolpak65 und das Urteil vom 12.4.2005 in der

Rechtssache Igor Simutenkov.66

Interesse verdient aus rechtsvergleichender Sicht insbesondere die Frage, ob die Staaten der

Region Osteuropa im Bereich des Sportrechts auch heute noch Gemeinsamkeiten aufweisen,

wie diese Gemeinsamkeiten gegebenenfalls bestimmt sind und ob sich daraus möglicherweise

Anregungen für die internationale Diskussion ergeben. Interessant ist daneben natürlich auch,

ob und wie sich das Sportrecht in der Region Osteuropa gegebenenfalls zwischen Ländern

oder Ländergruppen ausdifferenziert hat und ob einige dieser Rechtsordnungen

möglicherweise als besonders innovativ hervortreten.

Der nachfolgende Beitrag soll einen ersten Zugang zur rechtsvergleichenden Betrachtung des

Sportrechts in Osteuropa vermitteln. Er beschränkt sich auf einige grundlegende oder

beispielhaft ausgewählte Aspekte. In die Betrachtung werden folgende sieben Länder

einbezogen: aus Mittelosteuropa Polen, Estland und Litauen, aus Südosteuropa Kroatien, aus

den Nachfolgestaaten der UdSSR Russland, Kasachstan und die Ukraine.67 Im Einzelfall

werden auch andere Länder betrachtet, etwa Lettland, Slowenien, Tschechien und Ungarn.

Rechtsgrundlagen des Sportrechts im östlichen Europa (Regelungsmodelle)

63 S. http://www.welt.de/sport/fussball/internationale-ligen/article117546375/Wie-Abramowitsch-den-Fussball-revolutionierte.html.

64 S. http://www.deutschlandfunk.de/gazproms-flamme-waermt-den-fussball.1346.de.html?dram:article_id=222799; https://www.gazprom-germania.de/engagement/sport/fc-schalke-04.html.

65 Rs. C-438/00, EuGHE 2003, I-04135, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62000J0438:EN:NOT.66Rs. C-265/03, EuGHE 2005, I-2579, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=60299&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1.

67 Insgesamt kann man dem Raum Osteuropa heute 30 Staaten zurechnen, die durch den gemeinsamen historischen Hintergrund des sozialistischen Systems verbunden sind (d.h. ohne Griechenland und die Türkei).

Page 33: Tagungsband Entwurf Internetfassung

33

In nahezu allen 30 Staaten der juristischen Region Osteuropa – mit der alleinigen Ausnahme

von Tschechien68 – bestehen allgemeine Sportgesetze. Dies ist jedenfalls für den

postsowjetischen Raum auf den ersten Blick überraschend, denn in der Sowjetunion gab es

kein formelles Rahmengesetz über den Sport. Vielmehr war der Sport im Wesentlichen durch

untergesetzliche Vorschriften reguliert.69 Allerdings wurden in den letzten Jahren des

Bestehens der Sowjetunion (Zeitphase der Perestrojka) Arbeiten über ein sowjetisches

Sportgesetz aufgenommen.70 Diese gelangten aber wegen des Zerfalls der UdSSR Ende 1991

nicht mehr zum Abschluss. Die Russische Föderation erließ jedoch ihrerseits am 27.4.1993

ein Rahmengesetz über den Sport, die so genannten „Grundlagen der Gesetzgebung der

Russischen Föderation über die Körperkultur und den Sport“71, die zum Ausgangspunkt der

neueren Sportgesetzgebung Russlands wurden und noch heute auch die Sportgesetzgebung

anderer postsowjetischer Staaten prägen. Neben den allgemeinen Sportgesetzen stehen

typischerweise spezielle Regelungen in anderen Gesetzen oder untergesetzlichen Rechtsakten.

Auf internationaler Ebene sind die meisten Staaten Osteuropas auch Vertragsstaaten

sportrechtlicher Konventionen oder haben ihre Unterstützung für bestimmte Regelwerke oder

Prozesse im Bereich von internationalem sportrechtlichen „soft law“ erklärt. Auch privaten

Regelwerken und ihrer Anwendungspraxis (sog. lex sportiva)72 kommt in Osteuropa heute

erhebliche Bedeutung zu.

1. International (mit Sonderfall GUS) und EU

Spezielle völkerrechtliche Abkommen auf dem Gebiet des Sportrechts sind derzeit noch

selten. Größere Bedeutung haben nur die UN-Konvention gegen Doping im Sport vom

19.10.200573, die Anti-Doping Konvention des Europarates vom 16.11.198974 sowie die

Konvention des Europarates über Gewalt und Fehlverhalten von Zuschauern bei

68 Man wird dies – mit gebotener Zurückhaltung - wohl als Ausdruck einer gegenüber Regulierungen des Sports bewusst zurückhaltenden Position des tschechischen Gesetzgebers interpretieren dürfen. In der Slowakei wurden demgegenüber sogar zwei Sportgesetze breiteren Zuschnitts erlassen, ein etwas allgemeiner angelegtes Gesetz über Körperkultur vom 3.10.1997 und ein Gesetz über die Organisation und die Förderung des Sports vom 2.7.2008.

69 S. hierzu Alekseev, Sportivnoe pravo Rossii (2005), S. 43 ff.70 Vgl. Solov’ev, Sportivnyj kodeks Rossii: byt‘ ili ne byt‘? http://www.sportvia.ru/46-sportivnyj-kodeks-

rossii-byt-ili-ne-byt-a-esli-da.html m.w.Nw.71 Im Internet zugänglich unter http://lib.sportedu.ru/GetText.idc?TxtID=1556.72 S. Nafziger, in: ders./Ross (ed.), Handbook on International Sports Law (2011) S. 14 f.; Sieckmann,

Introduction to International and European Sports Law (2011), S. 8 f.73 Im Internet zugänglich unter http://portal.unesco.org/en/ev.php-

URL_ID=31037&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html. Ergänzend s. die Aktivitäten der World Anti-Doping Agentur WADA, einer privatrechtlichen NGO mit Sitz in der Schweiz, an deren Tätigkeit auch Staaten beteiligt sind (darunter z.B. Russland), http://www.wada-ama.org/. In Russland wurde eine entsprechende nationale Agentur RUSADA gegründet, s. http://www.rusada.ru/en.

74 Im Internet zugänglich unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/Source/CONV_2009_135_EN.pdf, ergänzende Informationen unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/doping/convention_en.asp.

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34

Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen vom 19.8.1985.75 Die UN-

Dopingkonvention ist von nahezu allen Staaten der Region Osteuropa im weiten Sinn

(einschließlich aller Nachfolgestaaten der UdSSR) ratifiziert worden,76 und nahezu das

gleiche Bild zeigt sich (mit Ausnahme der nicht Europa im geographischen Sinne

zuzurechnenden Staaten Zentralasiens) bei den beiden Sportkonventionen des Europarates. 16

Staaten des geographischen Osteuropa haben sich dem Enlarged Partial Agreement on

Sport (EPAS)77 des Europarats angeschlossen, einer Initiative, in deren Rahmen unter

anderem verschiedene Dokumente europäischen soft laws im Bereich des Sports

verabschiedet wurden.78

Die Europäische Union, der seit dem Jahr 2004 zehn Staaten Mittel- und Südosteuropas

angehören,79 verfügt seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags im Jahr 2009 zwar über

eine spezielle Kompetenznorm für den Bereich des Sports (Art. 165 AEUV), hat bis zum

jetzigen Zeitpunkt aber noch keine Rechtsvorschriften zum Sportrecht im engeren Sinn

erlassen.80

Ein interessantes Beispiel subregionaler Rechtsvereinheitlichung auch für den Bereich des

Sports sind die Aktivitäten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), dem nach dem

Zerfall der Sowjetunion von der Mehrzahl ihrer Nachfolgestaaten81 gebildeten lockeren

Staatenbund. Die Interparlamentarische Versammlung der GUS hat seit dem Jahr 1996

mehrere Modellgesetze auf dem Gebiet des Sportrechts ausgearbeitet.82 ein Modellgesetz über

Körpererziehung und Sport (1996), ein Modellgesetz über den Kinder- und Jugendsport

(2001), ein Modellgesetz über nationale Sportarten (2002), ein Modellgesetz über den

studentischen Sport (2003), ein Modellgesetz über den Status des Sportlers einer Mannschaft

(2004), ein Modellgesetz über den Berufssport (2007) sowie ein Modellgesetz über die

sportliche Vorbereitung (2012).83

75 Im Internet zugänglich unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/Source/CONV_2009_120_EN.pdf, ergänzende Informationen unter http://www.coe.int/t/dg4/sport/Violence/default_en.asp.

76 Es fehlt nur die Ratifikation durch Kosovo.77 S. dazu http://www.coe.int/t/dg4/epas/about/Factsheet_en.asp78 Z.B. die Europäische Sportcharta und den revidierten Kodex für Sportethik,

s. http://www.coe.int/t/dg4/epas/resources/Recommendations_en.asp. Im Rahmen von EPAS wird derzeit auch eine Europarats-Konvention gegen die Manipulierung von Sportwettbewerben vorbereitet, s. http://www.coe.int/t/dghl/standardsetting/pc-oc/PCOC_documents/Documents%202013/EPAS%20Draft%20convention.pdf.

79 Seit 2004: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Ungarn. Seit 2007: Bulgarien und Rumänien. Seit 2013: Kroatien.

80 Siehe hierzu die Informationen auf der Webseite der Sport Unit innerhalb der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission, http://ec.europa.de/sport/.

81 Ohne die Staaten des Baltikums.82 Die Texte sind zugänglich auf der Webseite der Interparlamentarischen Versammlung der GUS, unter

http://www.iacis.ru/activities/documents/modelnye_kodeksy_i_zakony/.83 Zu den Rechtsvereinheitlichungsaktivitäten der GUS auf dem Gebiet des Sportrechts siehe den Beitrag von

Schramm (in diesem Band).

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35

Die Abkehr von der etatistischen Tradition der Regulierung des Sports in der sozialistischen

Epoche hat in Osteuropa den Spielraum für eine privatrechtlich fundierte lex sportiva auch auf

der Ebene internationaler Sportbeziehungen erweitert. Die auf privatrechtlicher Grundlage

organisierte Olympische Bewegung wird auch in Osteuropa als Modellbeispiel und Kern der

internationalen lex sportiva angesehen.84 Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass

osteuropäische Staaten bzw. ihre Sportorganisationen auch schon zu sozialistischer Zeit

Mitglied von Europäischen und Weltverbänden im Bereich des Sports waren85 und sich auch

an der Olympischen Bewegung aktiv beteiligten.

2. Nationale Ebene

Wie bereits angesprochen, bestehen in fast allen Staaten Osteuropas allgemeine

Sportgesetze.86 Dies bedeutet allerdings nicht, dass diese auch inhaltlich im Wesentlichen

übereinstimmen. Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die Grundstrukturen

allgemeiner Sportgesetze in der Region Osteuropa gegeben werden, wobei eine Auswahl nach

charakteristischen Ländern bzw. Ländergruppen getroffen wurde: Betrachtet werden einige

Länder Mittel- bzw. Nordosteuropas (Polen, Estland, Litauen), Südosteuropas (Kroatien,

Slowenien) sowie des postsowjetischen Raums (Russland, Kasachstan, Ukraine).

a) Allgemeine Sportgesetze und deren Grundstruktur

An erster Stelle soll das Sportgesetz Russlands vorgestellt werden, da Russland als

Sportnation und aufgrund seiner Vorbildfunktion für viele andere postsowjetische Staaten

eine Sonderstellung einnimmt. Das geltende allgemeine Sportgesetz Russlands trägt die

Bezeichnung „Föderales Gesetz über die Körperkultur und den Sport in der Russischen

Föderation“ und wurde am 4.12.2007 erlassen.87 Das Gesetz trat an die Stelle eines

gleichnamigen Gesetzes aus dem Jahr 199988, das seinerseits an die Stelle der Grundlagen der

Gesetzgebung der Russischen Föderation über die Körperkultur und den Sport aus dem Jahr

1993 getreten war. Die Diktion und der Inhalt zahlreicher Einzelvorschriften der

Vorgängerregelungen wirken auch im geltenden Gesetz von 2007 fort, wenn auch die Struktur

und der Inhalt des Gesetzes in verschiedener Hinsicht weiterentwickelt wurden. Das russische

Sportgesetz 2007 umfasst 43 zum Teil sehr umfangreiche Artikel, die auf acht Kapitel verteilt

sind. Kapitel 1 enthält allgemeine Bestimmungen, insbesondere Regelungen zum Gegenstand 84 S. Alekseev , Mezhdunarodnoe sportivnoe pravo (2008), S. 259 f.85 Z.B. in der UEFA und der FIFA.86 Zusammenstellung mit Fundstellen im Internet in der Anlage zu diesem Beitrag.87 Zuletzt geändert durch Gesetz Nr. 198-ФЗ vom 23.7.2013 (Einfügung von Bestimmungen zur Bekämpfung

von Spielabsprachen im Sport), SZ RF vom 29.7.2013, Nr. 30 (Часть I), Pos. 4031.88 Gesetz vom 29.4.1999, SZ RF 1999, Nr.18 Pos. 2206.

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36

des Gesetzes, einen Definitionskatalog, eine Aufstellung grundlegender Prinzipien des

russischen Sportrechts, grundlegende Aussagen über die Rechtsquellen des russischen

Sportrechts und die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Föderation, Subjekten der

Föderation und den Kommunen im Bereich des Sports sowie schließlich allgemeine Aussagen

über die an sportrechtlichen Beziehungen beteiligten Individuen, Organisationen und

öffentlichen Institutionen. Kapitel 2 regelt unter der Überschrift „Die Organisation der

Tätigkeit im Bereich von Körperkultur und Sport“ grundlegende Aspekte der Rechtsstellung

von Sportrechtssubjekten. Der Begriff ist weit gefasst und reicht vom Olympischen Komitee

Russlands über allrussische oder regionale Sportverbände bis zu Sportklubs und zu den

Rechten und Pflichten einzelner Sportler. Auch grundlegende Vorschriften zur Durchführung

von Sportveranstaltungen und zur Bekämpfung von Doping finden sich in diesem Kapitel.

Kapitel 3 trifft einige verwaltungstechnische Aussagen über Körperkultur und Sport in

bestimmten gesellschaftlichen Teilbereichen - im Ausbildungssystem, zu militärischen

Zwecken, am Wohn- oder Arbeitsort oder zum Behindertensport. Kapitel 4 und 5 befassen

sich mit dem Sportlernachwuchs Russlands und Aspekten des Leistungssports. Kapitel 6

definiert “Objekte des Sports“ und trifft Grundaussagen zur Finanzierung des Sports sowie zu

Versicherungsfragen. Kapitel 7 regelt einige Aspekte internationaler Sportbeziehungen, und

Kapitel 8 enthält Schlussbestimmungen. Insgesamt wird durch das Gesetz ein breiter Kreis

sportrechtlicher Themen angesprochen. Die Systematik des Gesetzes ist aber zum Teil wenig

durchsichtig. Das Gesetz wird über weite Teile durch generelle Aufgabenbeschreibungen

geprägt, zwischen die konkrete Rechte und Pflichten eingestellt sind. Dabei verweist das

Gesetz häufig auf anderweitige Gesetzgebung, zum Beispiel auf das Gesellschafts-, Arbeits-

oder Steuerrecht. Die teilweise Unübersichtlichkeit und Lückenhaftigkeit des Gesetzes ist

auch in der russischen Fachliteratur auf Kritik gestoßen. Einige Stimmen sprechen sich für

den Erlass eines Sportgesetzbuchs aus, das stärker normativ geprägt sein soll.89

Neben dem föderalen Sportgesetz Russlands bestehen zum Teil auch auf regionaler Ebene

allgemeine Sportgesetze, zum Beispiel das Gesetz der Stadt Moskau über Körperkultur und

Sport aus dem Jahr 200990. Diese Gesetze enthalten allerdings weniger normative als

organisatorische und finanzielle Aussagen.

Die allgemeinen Sportgesetze Kasachstans (von 1999) und der Ukraine (von 1993) tragen

die gleiche Bezeichnung (Gesetz über Körperkultur und Sport) wie das russische Gesetz, dem

89 So insbesondere Solov’ev, Sportivnyj kodeks Rossii: byt‘ ili ne byt‘? http://www.sportvia.ru/46-sportivnyj-kodeks-rossii-byt-ili-ne-byt-a-esli-da.html; s.a. ders., http://www.sportvia.ru/200-koncepciya-sportivnogo-kodeksa.html sowie http://www.sportvia.ru/416-rossiyskiy-i-zarubezhnyy-opyt-sistematizacii-zakonodatelstva-o-sporte.html.

90 Im Internet zugänglich unter http://www.garant.ru/products/ipo/prime/doc/292311/.

Page 37: Tagungsband Entwurf Internetfassung

37

bzw. dessen Vorgängerregelungen von 1993 und 1999 sie auch inhaltlich sehr nahe stehen.

Beide Gesetze wurden im Laufe der Jahre allerdings mehrfach novelliert, so dass sie

keineswegs als bloße Kopie der russischen Regelungen bezeichnet werden können.

Geradezu wie ein Gegenmodell zu dem ausführlichen, nahezu alle denkbaren Aspekte des

Sportrechts in irgendeiner Weise berührenden russischen Sportgesetz wirkt das auch

terminologisch knapp als solches bezeichnete Sportgesetz Estlands vom 6.4.200591. Das

estnische Gesetz umfasst 33 Artikel, die auf fünf Kapitel verteilt sind. Das Gesetz ist im

Vergleich zu der russischen Regelung geradezu lakonisch kurz. Da es auf weitläufige

Absichtserklärungen und Organisationsregelungen verzichtet, wirkt es komprimiert, aber

zugleich lückenhaft. Ähnlich wie das russische Gesetz beginnt es mit einem Allgemeinen Teil

(Kapitel 1). Dieser enthält in der Art eines Konvoluts zahlreiche, zum Teil nur locker

verknüpfte, allgemeine und speziellere Einzelregelungen – zum Gegenstand des Gesetzes,

zum Sport als Aufgabe sowohl des Staates, der Bezirke, der Kommunen als auch der

Sportorganisationen, eine Aufzählung der Arten von Sportorganisationen, Anforderungen an

Trainer, die Regelung über eine staatliche Sportdatenbank, Finanzregelungen, das

Dopingverbot und einiges weitere. Sehr ausführlich wird in Kapitel 2 die Unterstützung für

estnische Olympiasieger geregelt. Kapitel 4 und 5 befassen sich mit der Organisation von

Sportveranstaltungen, und Kapitel 6 enthält einige Ausführungsbestimmungen.

Das slowenische Sportgesetz von 199892, das kroatische Sportgesetz von 200593 und das

polnische Sportgesetz 201094 stehen dem russischen Sportgesetz von 2007 im Hinblick auf

Vollständigkeit thematischer Regelungen näher, sind aber normativ-konkreter formuliert. Das

slowenische und das kroatische Gesetz enthalten zugleich eine wesentlich größere Zahl von

Einzelvorschriften (im Fall des kroatischen Gesetzes 102 Artikel im Vergleich zu den 43

Artikeln des russischen Gesetzes). Alle drei Gesetze beginnen – wie das russische – mit einem

Allgemeinen Teil, der aber im slowenischen, kroatischen und polnischen Gesetz

unterschiedlich gestaltet ist. Im polnischen Gesetz beschränkt sich der Allgemeine Teil auf die

Beschreibung des Gegenstands des Gesetzes und die Definition des Sports. Das slowenische

Gesetz beschreibt im Allgemeinen Teil den Sport als Gegenstand öffentlichen Interesses

sowie die damit verbundenen öffentlichen Aufgaben. Im kroatischen Gesetz besteht der

Allgemeine Teil aus einem einzigen Artikel (Art. 1), der in kompakter Form den Gegenstand

des Gesetzes, das öffentliche Interesse am Sport, den Wertungsgrundsatz der gleichen

91 Im Internet zugänglich unter http://www.legaltext.ee/en/andmebaas/ava.asp?m=022 (auf Englisch)92 Im Internet zugänglich unter http://www.uradni-list.si/1/objava.jsp?urlid=199822&stevilka=92993 Im Internet zugänglich unter http://www.zakon.hr/z/300/Zakon-o-sportu94 Im Internet zugänglich unter http://prawo.legeo.pl/prawo/ustawa-z-dnia-25-czerwca-2010-r-o-sporcie/

Page 38: Tagungsband Entwurf Internetfassung

38

Zugänglichkeit des Sports für jedermann und die Aufgaben des Staates im Bereich des Sports

zusammenfasst. Alle drei Gesetze enthalten darüber hinaus Vorschriften über die

Sportorganisationen und die staatliche Aufsicht, über die Finanzierung des Sports, über die

Olympische Bewegung, über die Bekämpfung von Doping sowie sportrechtliche

Strafbestimmungen (besonders ausführlich im polnischen Gesetz). Spezifika des

slowenischen und des kroatischen Gesetzes sind Regelungen über ein nationales

Sportprogramm, und beide Gesetze befassen sich auch besonders ausführlich mit

Strukturfragen von Sportorganisationen und den Rechten und Pflichten von Sportbeteiligten.

Vergleicht man die verschiedenen allgemeinen Sportgesetze, so fällt auf, dass die meisten

unter ihnen – mit Ausnahme des estnischen Gesetzes – ein sehr breites Spektrum

sportrechtlicher Themenstellungen behandeln. Systematisch gemeinsam haben sie einen

Allgemeinen Teil des Sportrechts, der aber inhaltlich unterschiedlich gefüllt ist. In der Regel

finden sich darin Aussagen über den Gegenstand des Sportrechts, die Definition des Sports

sowie das Ziel und die Instrumente staatlicher Regulierung im Bereich des Sports. Einige

Gesetze enthalten darüber hinaus einen weitergehenden Katalog sportrelevanter Definitionen

und eine Aufstellung von Prinzipien des Sportrechts. Auch Zuständigkeitsregelungen für das

Sportrecht und Grundaussagen über die Sportbeteiligten sind häufig in den Allgemeinen Teil

eingestellt. Die in den Sportgesetzen geregelten Themenbereiche sind recht unterschiedlich.

Besonders häufig finden sich Regelungen über Sportorganisationen sowie über die

Rechtsstellung von Berufssportlern und anderen Funktionsträgern des Sports, zum Beispiel

Trainern und Schiedsrichtern. Ein weiterer, häufiger vorkommender Themenkreis betrifft die

Initiierung des Sports, insbesondere durch den Staat. Nicht selten sind in den Gesetzen auch

sportrechtliche Vertragsbeziehungen geregelt, insbesondere Verträge des Sportlers mit dem

Verein. Auch die Thematik des Dopings wird häufiger regulativ angesprochen. Ein weiteres,

allerdings meist nur selektiv geregeltes Themenfeld ist die Durchführung von Sport-

veranstaltungen, insbesondere auch damit verbundene verwaltungsrechtliche Pflichten. Einige

Sportgesetze enthalten auch Regelungen zum Sportstrafrecht. Schließlich finden sich auch in

vielen allgemeinen Sportgesetzen Regelungen über Internationales Sportrecht, insbesondere

in Bezug auf die Olympische Bewegung. Auffallend ist, dass die Sportgesetze kaum zwischen

einzelnen Sportarten differenzieren. Immerhin wird gelegentlich zwischen Breitensport (bzw.

„Körperkultur“) und Leistungssport unterschieden.

b) Weitere sportrechtliche Regelungen

Page 39: Tagungsband Entwurf Internetfassung

39

Neben den soeben genannten allgemeinen Sportgesetzen bestehen in den Ländern Osteuropas

zahlreiche weitere gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des

Sportrechts. Die Verfassungen mehrerer Staaten treffen Grundaussagen zum Sportrecht,

insbesondere in der Form von Staatszielbestimmungen (so z.B. Art. 41 II russ. Verfassung

von 1993, Art. 53 lit. Verfassung von 1992, Abschnitt Freiheit und Verantwortung, Art. 49 V

rumän. Verfassung von 1991 i.d.F. von 2003 („Sport Jugendlicher“), Art. 49 IV Verf. Ukraine

von 1996 i.d.F. von 2004, Abschnitt Freiheit und Verantwortung Art. XX Abs. 2 der ungar.

Verfassung von 2011)95. Daneben können sportrechtliche Vorgänge auch in den

Anwendungsbereich anderer verfassungsrechtlicher Vorschriften fallen, zum Beispiel unter

die Vereinigungsfreiheit, den Gleichheitssatz oder den Eigentumsschutz.

Auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts kann man zwischen Spezialgesetzen zu

bestimmten sportlichen Themenfeldern, sportrechtlichen Regelungen in allgemeinen

Gesetzen und der Anwendung allgemeiner, nicht sportspezifischer Bestimmungen auf

sportrechtliche Fragestellungen unterscheiden. Es ist nicht überraschend, dass sich auch in

Osteuropa Beispiele aller drei Kategorien finden. So bestehen etwa in Russland

Sondergesetze zur Durchführung der Olympischen Winterspiele 2014 in Sochi.96 Besondere

Regelungen zu Arbeitsverträgen von Berufssportlern und Trainern finden sich in Russland im

Arbeitsgesetzbuch (Kapitel 54.1. russ. ArbGB von 2001 i.d.F. von 2008), einzelne

Vorschriften zum Sportstrafrecht im russischen Strafgesetzbuch (Art. 184 russ. StGB von

1996, Bestechung im Sport; eine spezielle strafrechtliche Vorschrift gegen Doping fehlt

jedoch bislang).97 Zur Beantwortung sportrechtlicher Fragestellungen müssen häufig, wie

auch in anderen rechtlichen Querschnittsmaterien, verschiedene gesetzliche Regelungen

nebeneinander angewandt und gegebenenfalls aufeinander abgestimmt werden.

I. Zum Regelungsgegenstand des Sportrechts

Der Regelungsgegenstand des Sportrechts wird in den osteuropäischen Sportgesetzen zwar im

Kern übereinstimmend, aber im Detail durchaus unterschiedlich bestimmt. Die Sportgesetze

95 Z.T. wird das Sportrecht auch in verfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften angesprochen, z.B. in Art. 72 f russ. Verf. (gemeinsame Kompetenz der Föderation und der Föderationssubjekte).

96 Eine Zusammenstellung von Normativakten auf dem Gebiet des Sports findet sich auf der Webseite des russischen Sportministeriums, http://www.minsport.gov.ru/documents/.

97 S. aber die Sanktionierung von Doping im russischen Ordnungswidrigkeitenrecht gemäß Art. 6.18 des Gesetzbuchs über administrative Rechtsverletzungen, http://www.consultant.ru/popular/koap/13_7.html#p1538. Allgemein zur Bekämpfung von Doping nach russischem Recht s. insbesondere die von RUSADA ausgearbeiteten und vom russischen Sportministerium verabschiedeten Nationalen Anti-Doping-Regeln vom 13.4.2011, im Internet zugänglich unter http://www.rusada.ru/sites/default/files/content/files/Documents/Russian%20ADR.pdf.

Page 40: Tagungsband Entwurf Internetfassung

40

der postsowjetischen98 Staaten unterscheiden zwischen „Körperkultur“99 und „Sport“,

während die Sportgesetze der übrigen osteuropäischen Staaten sich meist allein auf „Sport“

beziehen. Allerdings wird der Begriff des Sports in diesen Gesetzen – wenn überhaupt100 –

häufig sehr breit definiert, so dass er weit gehend mit dem Anwendungsbereich der

Sportgesetze des postsowjetischen Raums übereinstimmt.101 Demgegenüber wird der Begriff

des Sports in den Sportgesetzen des postsowjetischen Raums vergleichsweise eng definiert,

indem er mit dem Merkmal von Wettkämpfen verbunden wird.102 Dieser Unterschied kann

dazu führen, dass der Anwendungsbereich von Vorschriften über den „Sport“ im

postsowjetischen Raum enger ist als bei entsprechenden Vorschriften der Sportgesetze

anderer osteuropäischer Subregionen.

Inhaltliche Grundmodelle: interventionistisch oder liberal?In rechtsvergleichenden Untersuchungen zum Sportrecht wird häufig danach unterschieden,

ob eine Rechtsordnung eher „interventionistisch“ oder eher „liberal“ strukturiert ist.103

Indikatoren dieser Unterscheidung sollen unter anderem sein, welche Gestaltungsmacht der

Staat auf dem Gebiet des Sports für sich in Anspruch nimmt, welchen Grad an Autonomie er

den Sportverbänden zubilligt oder nach welchen Regeln die Finanzierung des Sports

erfolgt.104 Eine andere Unterscheidung richtet sich darauf, ob die staatliche Sportpolitik und

das Sportrecht zentral oder dezentral angelegt sind.

Nach diesen Maßstäben folgen die Sportgesetze der meisten osteuropäischen Staaten (mit

Einschränkungen insbesondere für Estland und Tschechien) wohl eher dem Grundgedanken

einer interventionistischen Sportpolitik. Zwar wird die Autonomie des Sports bzw. der

Sportverbände heute auch in den meisten Sportgesetzen Osteuropas ausdrücklich oder

implizit statuiert.105 Gleichzeitig wird aber überall eine staatliche Sportpolitik im Gesetz

anerkannt und mit verschiedenen Instrumenten ausgestattet. Ein besonders ausgeprägtes

98 Ebenso auch das litauische Sportgesetz 1995.99 Dieser Begriff ist weiter als der in der englischen Übersetzung dieser Gesetze meist verwendete Ausdruck

der „physical education“ (wörtl. körperliche Erziehung). Dagegen bezieht sich der Titel des bulgarischen Sportgesetzes vom 9.7.1996 ausdrücklich auf körperliche „Erziehung“ (und Sport).

100 Keine Definition des Sports enthalten beispielsweise die Sportgesetze von Estland, Georgien, Kroatien, Polen, Slowenien.

101 S. beispielsweise Art. 1 Ziff. 10 des lettischen Sportgesetzes von 2002: „all types of individual or organised activities in order to maintain and improve physical and mental health, as well as to achieve success in sports competitions“.

102 S. beispielsweise Art. 2 Ziff. 12 des russischen Sportgesetzes von 2007:„eine Sphäre sozial-kultureller Tätigkeit als Inbegriff der Sportarten, welche sich in Form von Wettbewerben und besonderer Vorbereitung des Menschen hierauf darstellt“.

103 Beleg Chaker, Study on national sports legislation in Europe (1999), S. 13.104 Vgl. Chaker, Study on national sports legislation in Europe (1999), S. 32 – 35.105 S. etwa Art. 3 Pkt.2 russ. SportG 2007 oder das mit „Selbstregulierung in der Sphäre von Körperkultur und

Sport“ überschriebene Kapitel V des ukrainischen Sportgesetzes von 1993.

Page 41: Tagungsband Entwurf Internetfassung

41

Beispiel sind die nationalen Sportpläne in Kroatien und Slowenien, aber auch im

postsowjetischen Raum wird staatlichen Entwicklungsplänen im Bereich des Sports,

insbesondere des Leistungssports, weiterhin erhebliche Bedeutung zugesprochen.106

Dementsprechend ausführlich sind auch die Vorschriften der meisten Sportgesetze über die

staatliche Finanzierung des Sports.

In den meisten Staaten ist die Sportpolitik im Kern zentralistisch gestaltet, auch wenn

Sportorganisationen und staatliche Regionalstrukturen und Kommunen bereits auf lokaler

Ebene einsetzen. Eine Sonderrolle nimmt hier die Russische Föderation ein, die ein

Nebeneinander regionaler und zentraler Gesetzgebung und Administrativzuständigkeiten

vorsieht, allerdings mit deutlich prägender Rolle der Zentrale.

Einzelne Themenbereiche (Auswahl)Im Folgenden sollen illustrativ einige besonders interessant erscheinende Einzelregelungen

kurz vorgestellt werden.

1. Prinzipien des Sportrechts: Das russische und ähnlich auch das kasachische und das

ukrainische Sportgesetz enthalten ausführliche Kataloge sogenannter Prinzipien des

Sportrechts. Genannt werden beispielsweise das Zusammenspiel staatlicher

Regulierung und autonomer Regelung des Sports, das Ziel der Förderung des Sports in

verschiedenen Feldern und in möglichst ununterbrochener Weise, das Verbot von

Diskriminierungen, der freie Zugang zum Sport sowie der Schutz der Gesundheit bei

der Sportausübung (vgl. Art. 3 russ. SportG, Art. 2 kas. SportG). Das litauische

Sportgesetz fügt als weitere Prinzipien den Schutz der Zuschauer von

Sportereignissen, die Unzulässigkeit von Doping, das Gebot von Fair Play sowie das

Gebot der Objektivität der Bewertung sportliche Wettkämpfe hinzu (Art. 3 lit.

SportG). Das kroatische Sportgesetz beschränkt sich insoweit auf eine kurze Regelung

zu den Prinzipien der Freiheit des Zugangs zum Sport und des Verbots von

Diskriminierungen (Art. 1 III kroat. SportG).

2. Sportvertrag: Besonders ausführlich und offenbar zwingend sind die Regelungen des

litauischen Sportgesetzes über den notwendigen Inhalt von Verträgen von Berufssportlern

mit Sportorganisationen (Art. 35 – 37 lit. SportG). Eine ähnliche Regelung findet sich in 106 S. etwa in Russland das Institut des Föderalen Zielprogramms (auch im Bereich des Sports); z.Zt. läuft noch

das Föderale Zielprogramm „Entwicklung der Körperkultur und des Sports in der Russischen Föderation in den Jahren 2006 – 2015“, vgl. http://www.minsport.gov.ru/activities/federal-programs/. Ergänzend erlässt beispielsweise das russische Sportministerium regelmäßig Arbeitspläne, die auch im Internet veröffentlicht werden (z.Zt. der Arbeitsplan für die Jahre 2013 – 2018, http://www.minsport.gov.ru/activities/plan2018/) und erstattet regelmäßig Berichte über seine Tätigkeit, s. http://www.minsport.gov.ru/activities/reports/.

Page 42: Tagungsband Entwurf Internetfassung

42

Art. 23-2 des ukrainischen Sportgesetzes. Bemerkenswert ist auch die Bestimmung des

Art. 37 lit. SportG über das Recht des Sportlers, seine Sportorganisation zu wechseln. Die

entsprechende russische Vorschrift (Art. 348-12 russ. ArbGB) ist enger gefasst und lässt

sowohl einschränkende Regelungen seitens allrussischer Sportverbände als auch

vertragliche Vereinbarungen über Entschädigungszahlungen durch den Sportler an seinen

Verein zu.107 Die Vorschriften über den Sportvertrag werden in vielen Sportgesetzen

durch gesetzliche Rechte und Pflichten von Sportlern ergänzt, die je nach Zusammenhang

wohl auch im Rahmen vertraglicher Beziehungen greifen können.

3. Sportorganisationen: Besonders eingehende Sondervorschriften über Sportvereine und

Sportverbände und ihr Zusammenwirken mit den staatlichen Behörden enthält das

kroatische Sportgesetz, aber auch nahezu alle Sportgesetze der osteuropäischen Staaten

widmen sich diesem Themenkreis recht ausführlich.

4. Sportveranstaltungen: Besonders detailliert sind die Regelungen über die

Anforderungen an eine verwaltungsrechtliche Genehmigung von Sportveranstaltungen in

Art. 20 des estnischen Sportgesetzes. Der slowenische Gesetzgeber richtet sein

Augenmerk dagegen vor allem auf die (zivil- oder öffentlichrechtlichen?) Verpflichtungen

von Sportveranstaltern bei Durchführung der Veranstaltung (Art. 46 ff. slowen. SportG).

5. Anti-Doping: Besonders ausführlich ist die Regelung der Art. 43 – 45 poln. SportG über

die Bekämpfung von Doping, die durch eine Strafvorschrift in Art. 50 poln. SportG

ergänzt wird.

6. Streitbeilegung: Nicht außer Acht gelassen werden sollten schließlich die in einigen

Sportgesetzen oder Begleitregelungen enthaltenen Vorschriften zur Streitbeilegung. Zum

Teil wird dabei allerdings nur auf die allgemeinen Regelungen des Zivilprozessrechts

verwiesen (so Art. 51 lit. SportG), zum Teil werden aber auch alternative Formen der

Streitbeilegung wie Mediation oder Schiedsgerichtsbarkeit nahe gelegt.108

107 S. hierzu (am Beispiel einer entsprechenden Regelung des Russischen Fußballbundes) Zajtsev, Das neue Reglement der RFB über den Status und Wechsel (Transfer) von Fußballspielern, 5. Internationale Wiss.-Prakt. Konferenz „Sportrecht: Perspektiven der Entwicklung“ (russ.) (2011), S. 70 ff, im Internet zugänglich unter http://sportscrime.ru/file/literature/sbornik_materialov_konferentsii_5.pdf.

108 Aus russischer Sicht s. hierzu beispielsweise Bazykin, Der institutionelle Mechanismus zur Lösung von Sportstreitigkeiten (russ.), http://rudocs.exdat.com/docs/index-335056.html, s.a. Schachraj, International Arbitration for Sport (2011). Bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation wurde im Jahr 2003 eine spezielle Schiedsinstitution für Sportstreitigkeiten eingerichtet, s. http://tpprf-arb.ru/en/sa.

Page 43: Tagungsband Entwurf Internetfassung

43

II. Zusammenfassung und Ausblick

Dieser erste und kurze Überblick über das Sportrecht in den Staaten Osteuropas hat

deutlich werden lassen, dass in allen Staaten mit Ausnahme von Tschechien ein Bedarf

nach einer Rechtssicherheit fordernden allgemeinen Regelung auf dem Gebiet des

Sportrechts bejaht wird. Die Differenzierungslinien innerhalb der Sportrechte Osteuropas

zwischen den postsowjetischen Staaten und den Staaten Mittel- und Südosteuropas waren

nicht ganz unerwartet. Interessant ist die erkennbare inhaltliche Verwandtschaft des

litauischen Sportgesetzes mit den Regelungen der postsowjetischen Staaten.

Bemerkenswert ist ferner die besondere Ausgeformtheit der Sportgesetze von Slowenien,

Kroatien sowie von Polen. Jedes Sportgesetz dieser drei Staaten trägt jedoch seine eigene

Handschrift. Insgesamt hat sich in Osteuropa eine mittlerweile beachtliche

„Materialsammlung“ gesetzlicher Regelungen zum Sportrecht entwickelt, die mittelfristig

möglicherweise Anregungen für eine bessere Systematisierung und Ausgestaltung von

Einzelregelungen des Sportrechts auch außerhalb der Region Osteuropa geben könnten.

Anhang: Allgemeine Sportgesetze osteuropäischer (i.w.S.) Staaten im Internet

Vorbemerkung: Die Quellenangaben beruhen auf dem Stand vom 15.1.2014. Für die

Sportgesetze postsowjetischer Staaten wurde der Textnachweis einer im Internet verfügbaren

russischen Übersetzung gegeben. Eine englische Übersetzung der Texte dieser Staaten ist auf

der Webseite http://cis-legislation.com/index.fwx erhältlich. Bei den übrigen Staaten wurde,

soweit auffindbar, eine im Internet verfügbare Quelle für eine englische Übersetzung

angegeben. Fehlt die Angabe einer Übersetzungssprache, verweisen die Quellenangaben auf

den Gesetzestext in der Amtssprache des betreffenden Landes. Nahezu alle zitierten Gesetze

wurden nach ihrem Erlass z.T. mehrfach geändert. Die Zitate beziehen sich auf die geänderte

Fassung.

Albanien, Gesetz über den Sport vom 21.4.2005: LIGJ Nr.9376, PËR SPORTIN http://www.kqk.gov.al/sites/default/files/publikime/ligji_nr.9376_date_21.04.2005-_per_sportin.pdf

Armenien, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 26.6.2001http://www.parliament.am/legislation.php?sel=show&ID=2032&lang=rus (auf Russisch)

Aserbaidschan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 30.6.2009 http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=28914 (auf Russisch)

Page 44: Tagungsband Entwurf Internetfassung

44

Belarus, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 18.6.1993, http://pravo.by/main.aspx?guid=3871&p2=2/402 (auf Russisch)

Bosnien u. Herzegowina, Gesetz über den Sport vom 25.2.2008: Zakon o sportu u Bosni i Hercegovini http://www.ada.gov.ba/stariweb/images/stories/pdf_dokumenti/zakon_o_sportu_u_bih.pdf

Bulgarien, Gesetz über körperliche Erziehung und den Sport vom 9.7.1996: ЗАКОН за физическото възпитание и спортаhttp://www.lex.bg/bg/laws/ldoc/2133881857

Estland, Sportgesetz (Sport Act) vom 6.4.2005http://www.legaltext.ee/en/andmebaas/ava.asp?m=022 (auf Englisch)

Georgien, Gesetz über den Sport vom 20.9.1996http://msy.gov.ge/files/Ministry/kanonebi/kanoni/kanoni_sportis_Sesaxeb.pdf

Kasachstan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 2.12.1999http://online.zakon.kz/Document/?doc_id=1015814

Kirgistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 21.1.2000http://www.kenesh.kg/Articles/1741-Zakon_KR_O_fizicheskoj_kulture_i_sporte.aspx (auf Russisch)

Kosovo: G über den Sport Nr.2003/24http://www.mkrs-ks.org/repository/docs/Ligji_Nr._203-24_per_Sportin.pdf

Kroatien, Gesetz über den Sport vom 9.6.2006http://www.zakon.hr/z/300/Zakon-o-sportu

Lettland, Sportgesetz vom 24.10.2002http://izm.izm.gov.lv/upload_file/en/laws/Sports_Law.pdf (auf Englisch)

Litauen, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 20.12.1995 http://www3.lrs.lt/pls/inter3/dokpaieska.showdoc_e?p_id=40173&p_tr2=2 (auf Englisch)

Makedonien, Gesetz vom 7.5.2002, Закон за спортот http://www.justice.gov.mk/documents/%C7%E0%EA%EE%ED%20%E7%E0%20%F1%EF%EE%F0%F2%EE%F2.pdf oder http://www.pravo.org.mk/documentDetail.php?id=635

Moldau, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 25.3.1999http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=3348 (auf Russisch)

Mongolei: Sportgesetz vom 10. (od.31.)12.2003 http://www.legalinfo.mn/law/details/113

Montenegro, 20.7.2011, Zakon o sportu, Službeni list Crne Gore, broj 36/2011http://www.sluzbenilist.me/PravniAktDetalji.aspx?tag={46E6348B-491C-465C-B686-E3058DD19571}

Page 45: Tagungsband Entwurf Internetfassung

45

Polen, Gesetz über den Sport vom 25.6.2010, Ustawa o sporciehttp://prawo.legeo.pl/prawo/ustawa-z-dnia-25-czerwca-2010-r-o-sporcie/

Rumänien, Gesetz Nr.69/2000 über Körpererziehung und Sport vom 9.5. 2000 http://www.dreptonline.ro/legislatie/legea_sportului.php

Russland, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 4.12.2007http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_149065/ oder http://base.garant.ru/12157560/

Serbien, Sportgesetz vom 4.4.2011: Закон о спортуhttp://www.fsb.org.rs/sites/default/files/pravilnici_zakon_o_sportu.pdf

Slowakei, Gesetz Nr.288/1997 über Körperkultur vom 3.10.1997http://www.zakonypreludi.sk/zz/1997-288, sowie Gesetz Nr.300/2008 über die Organisation und die Förderung des Sports vom 2.7.2008 , http://www.zakonypreludi.sk/zz/2008-300

Slowenien, Gesetz über den Sport vom 4.3.1998, zakon o športuhttp://www.uradni-list.si/1/objava.jsp?urlid=199822&stevilka=929

Tadschikistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 5.3.2007http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=16603 (auf Russisch)

Tschechien : kein allgemeines Sportgesetz, aber z.B. Gesetz über die Sportförderung vom 28.2.2001http://www.msmt.cz/sport/zakon-o-podpore-sportu?lang=1

Turkmenistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 7.7.2001http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=3179 (auf Russisch)

Ukraine, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 24.12.1993http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=16981 (auf Russisch)

Ungarn, Sportgesetz Nr.I/ 2004http://net.jogtar.hu/jr/gen/hjegy_doc.cgi?docid=A0400001.TV

Usbekistan, Gesetz über die Körperkultur und den Sport vom 14.1.1992http://base.spinform.ru/show_doc.fwx?rgn=841.

Page 46: Tagungsband Entwurf Internetfassung

46

Prof. Dr. Lado Chanturia, Univ. TbilissiZu Besonderheiten der Kodifizierung des Sportrechts in den Staaten der GUS

Zur Kodifizierung des Sportrechts

Obwohl der Sport im gesellschaftlichen Leben eine herausragende Rolle spielt und

Gegenstand zahlreicher gesetzlicher Regelungen sowohl national als auch international

ist, wurde das Sportrecht in Deutschland nicht kodifiziert. Es gibt kein einheitliches

Sportgesetzbuch, in dem alle sportrechtlichen Fragen geregelt wären. Das wird durch die

sportspezifische Verflechtung von internem (verbandsspezifischem) und staatlichem

Sportrecht erklärt.109

Die Situation des Sportrechts sieht in den Staaten der GUS110 anders aus: Alle elf

Mitgliedstaaten der GUS haben das Sportrecht in Form von Sondergesetzen über

Körperkultur und Sport kodifiziert. Armenien, Aserbaidschan, Belarus (Weißrussland),

Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Ukraine und Usbekistan

verfügen über einzelne Sportgesetze. Auch Georgien, das seit 2008 nicht mehr der GUS

angehört, hat seit 1996 ein Sportgesetz. Mit 43 Artikeln ist das Gesetz der russischen

Föderation über Körperkultur und Sport vom 4. Dezember 2007 das umfassendste Gesetz

auf diesem Gebiet.

Die genaue Lektüre der genannten Sportgesetze dokumentiert eine gängige

Besonderheit der postsowjetischen Kodifikation. Es handelt sich nicht um die inhaltliche

Neugestaltung der sportrelevanten Vorschriften, sondern vielmehr um die

Zusammenführung von allgemeinen Begriffsbestimmungen und die Beschreibung der

gewünschten Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Körperkultur und

Sporttätigkeit. Andererseits hinterlassen die Gesetze den Eindruck einer eklektischen

Kompilation von programmatischen Bestimmungen, die rechtssystematisch zu

verschiedenen Rechtsgebieten gehören, wie etwa Vorschriften zum Verbandsrecht oder

zum Arbeitsrecht.

109 Frank Fechner, Johannes Arnhold (Hrsg.), Sportrecht. Vorschriftensammlung, Mohr Siebeck, 2012, Vorwort.

110 Die Gemeinschaft der unabhängigen Staaten (GUS) wurde gleich nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 von elf der ehemaligen Republiken der Sowjetunion gegründet, die bis heute Mitglieder dieser Gemeinschaft sind: Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Ukraine. Turkmenistan und Usbekistan haben Beobachterstatus in der GUS.

Page 47: Tagungsband Entwurf Internetfassung

47

Legaldefinition des Sports

An zahlreichen Stellen verwendet das deutsche Recht den Begriff des "Sports",

ohne ihn zu definieren (z.B. in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BauGB oder § 2 Abs. 1 Nr. 13

ROG). Dies wird damit erklärt, dass die Sportwissenschaft selbst über keine

abschließende, allgemein anerkannte Sportdefinition verfügt. In der Literatur gehören zu

den konstitutiven Elementen des Sportbegriffs folgende: körperliche bzw. motorische

Aktivität, Regeln, Leistung bzw. Wettkampf, Organisation, Spielhaftigkeit und eine

ethische Komponente (Fairness, Chancengleichheit und die Achtung des Gegners).111

Im Gegensatz dazu unternehmen sämtliche Sportgesetze der GUS-Staaten den

Versuch, sowohl den Sport als auch die Körperkultur zu definieren und sie in Form einer

Legaldefinition festzulegen. Ob dieser Versuch dem Gesetzgeber gelungen ist, lässt sich

bezweifeln. Einige Beispiele mögen diesen Zweifel bestätigen. Z.B. wird die Körperkultur

als „Gesamtheit geistiger und materieller Werte definiert, die für die körperliche

Entfaltung der Menschen und für ein gesundes Leben von der Gesellschaft geschaffen und

angewendet werden“ (Art. 2 a des armenischen Sportgesetzes).

Sport wird als Teil der Körperkultur bezeichnet, der sich historisch als Prozess der

Wettbewerbstätigkeit der Menschen und der körperlichen Übungen entwickelt hat

(Art. 2 g des armenischen Sportgesetzes).

Das Sportgesetz von Aserbaidschan definiert Körperkultur als „untrennbaren Teil

der allgemeinen Kultur der Gesellschaft, deren Ziel die körperliche und intellektuelle

Entwicklung des Menschen durch körperliche Übungen darstellt“ (Art. 1.0.1.). Der Sport

wird als Bestandteil der Körperkultur verstanden.

Ähnlich werden die Körperkultur und der Sport nahezu in allen Sportgesetzen

bestimmt, ohne konkrete Rechtsfolgen mit diesen Definitionen zu knüpfen und die

praktische Relevanz dieser Herangehensweise zu belegen.

Trotz dieses allgemeinen definitorischen Ansatzes, der in allen Sportgesetzen der

GUS-Staaten zu finden ist, sollte der Sportbegriff grundsätzlich aus dem jeweiligen

konkreten gesetzlichen Zusammenhang heraus erschlossen werden.

Als erstes fällt die Vielfalt und die Bandbreite der in den Sportgesetzen

angesprochenen Rechtsgebiete und Problematik auf. Die Gesetze enthalten

Bestimmungen nahezu aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, in denen Sport

und Körperkultur Begleiterscheinungen sein könnten, wie etwa Jugenderziehung und

111 Vgl. dazu: http://sportrecht.org/cms/front_content.php?idcat=37&idart=55

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48

Sport, Bildung und Weiterbildung, z.B. von Sportlehrern (Art. 28 des kasachischen

Sportgesetzes), den Zuständigkeiten der Staatsorgane, dem Bau von Sportanlagen, bei

Finanzierung und Steuerfragen usw. In einigen Ländern, wie etwa in Turkmenistan, wird

der Bau von Sportanlagen ausschließlich vom Staat finanziert (Art. 12 des Sportgesetzes).

Die unbestimmten und nicht selten programmatischen lehrbuchartigen

Definitionen der Sportgesetze dokumentieren die im Allgemeinen und der

Fachöffentlichkeit gut bekannten Probleme der postsowjetischen Gesetzgebungstechnik.

Statt detaillierter Regelungen von konkreten Sachverhalten verweisen die

Gesetzesvorschriften in der Regel auf andere, zum größten Teil namentlich nicht genannte

Gesetzgebung. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen.

Bei der Regelung der Privatisierung der Sportanlagen und Einrichtungen wird auf

die Gesetzgebung zur Privatisierung verwiesen, obwohl in den meisten GUS-Ländern die

Privatisierung der staatseigenen Sport- und Heileinrichtungen nicht erlaubt ist (wie etwa

in Russland (Art. 37 (9) des Sportgesetzes) oder in Kirgisistan (Art. 36 des Sportgesetzes).

Auch die Gründung der Sportverbände wird der abstrakten Gesetzgebung über die

kommerziellen und nicht kommerziellen juristischen Personen überlassen (wie etwa

Art. 10 des russischen Sportgesetzes).

Ähnlich werden die Voraussetzungen und die Durchführung der staatlichen

Anerkennung einzelner Sportarten und deren Registrierung zum Gegenstand von

Regierungsverordnungen erklärt (wie etwa Art. 21 des russischen Sportgesetzes). In

einigen Staaten ist die Einrichtung eines öffentlichen Registers von Sportarten

vorgesehen, gleichwohl wird aber auf die noch zu verabschiedenden

Regierungsverordnung verwiesen (Art. 21 des russischen Sportgesetzes).

Gleiches gilt für die Regelung des Dopingverbots. Zum Beispiel beschränkt sich

Artikel 26 des russischen Sportgesetzes, wo das Dopingverbot festgelegt wird, auf die

Beschreibung der Antidopingmaßnahmen, verweist aber zur Regelung all dieser Fragen

auf die noch zu erarbeitende Verordnung der Regierung. Das Sportgesetz von

Weißrussland ist etwas präziser und verweist zusätzlich auf den Internationalen

Antidopingkodex des Internationalen Olympischen Komitees (Art. 34 des Sportgesetzes

von Weißrussland).

Die Bestimmungen über den Vertrag (Kontrakt) auf die Sporttätigkeit verweisen

ausschließlich auf das Arbeitsrecht und die Vorschriften der Arbeitsgesetzgebung über

den Arbeitsvertrag (etwa Art. 28 des kirgisischen Sportgesetzes). Ausnahmsweise wird

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49

die Frage des Wechsels eines Sportlers zu einem anderen Verein angedeutet, aber auch

hier wird auf die Sondergesetzgebung verwiesen (Art. 18 des armenischen Sportgesetzes).

Diese Beispiele belegen, dass trotz der Verabschiedung einzelner Sportgesetze diese

wenig hinsichtlich der praktischen Anwendung Vorschriften enthalten und die konkreten

sportrechtsrelevanten Fragen weiterhin auf von einzelgesetzliche Regelungen angewiesen

sind.

Verbandsrechtliche Fragstellungen des Sports

Aus der Vielzahl der sportrechtsrelevanten Fragen, die ihren Niederschlag in den

Sportgesetzen finden, soll hier nur auf die verbandsrechtlichen Aspekte des Sportrechts

kurz eingegangen werden.

In einigen Gesetzen wird das Recht auf die Gründung von Sportverbänden als Teil des

Grundrechts der Vereinigungsfreiheit verstanden. Für die Ausübung der Sporttätigkeit

wird allen das Recht zur Gründung sowohl kommerzieller als auch nicht kommerzieller

juristischer Personen eingeräumt.

Für die Bezeichnung der Sportvereinigung führen die Gesetze den Sammelbegriff

des „Sportclubs“ ein. Die Gründung dieser Sportclubs erfolgt nach allgemeinen Regeln

über die Gründung und Tätigkeit juristischer Personen, sowohl kommerzieller als auch

nicht kommerzieller, staatlicher oder juristischer Personen Privatrechts.

Trotz dieser allgemeinen Feststellung des Grundsatzes der freien Vereinsgründung

schweigen die Gesetze über die Grenzen der Privatautonomie. Sie bestimmen kaum

zwingende vereinsspezifische sowie sporttypische Vorschriften, wie etwa über die

Mitgliedschaft, über Rechte und Pflichten, die Mitgliederversammlung, die

Geschäftsführung und Vertretung usw., was nicht zuletzt zu einer weiten Auslegung der

Satzungsautonomie führen kann.

Eine Besonderheit des Sportverbandsrechts stellt das sogenannte Ein-

Verbandsprinzip von nationalen allgemeinstaatlichen Sportverbänden dar: Für jede

Sportart darf nur ein allgemeinstaatlicher, republikanischer oder Bundesverband bestehen,

der im Namen des Staates international auftreten darf (Art. 24 (2) des kasachischen

Sportgesetzes). Dies ist Ausdruck der international geltenden Richtlinien für

Sportorganisationen, wonach die internationalen Sportverbände für jede Sportart pro Staat

nur einen nationalen Sportverband anerkennen.

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50

Zusätzlich zu dem allgemeinen und üblicherweise einheitlichen Register der

juristischen Personen wird in einigen Staaten ein öffentliches Register von

Sportverbänden eingeführt (Art. 17 des russischen Sportgesetzes). Die Eintragung ins

Register setzt eine Akkreditierung des Sportverbandes voraus, deren Bedingungen von der

Regierung noch festzulegen sind. Die Liste der Sportvereinsmitglieder unterliegt der

Publizitätspflicht und soll für die Öffentlichkeit zugänglich sein, aber nicht die Angaben

der Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane. Unter dem Gesichtspunkt der

internationalen Corporate Governance Diskussion ist diese Regelung schwer

nachvollziehbar. In einem Sportverband, der üblicherweise tausende Mitglieder hat,

müssten die Angaben der Geschäftsführung und Vertretung offen gelegt werden und nicht

die Angaben der einzelnen Mitglieder.

Zusammenfassend sind zwei Tendenzen festzustellen. Einerseits sind die Bestrebungen

aller GUS-Staaten hervorzuheben, für die Entwicklung des Sports gesetzliche

Rahmenbedingungen zu schaffen, was auch von namhaften Vertretern des Sports in

diesen Ländern begrüßt wird. Andererseits sind gesetzestechnische und

rechtssystematische Lücken festzustellen, die dem Erreichen der erklärten politischen

Ziele im Wege stehen.

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51

Angelika Chlebowska, Universität PoznanGrundstrukturen des Sportrechts in Polen

Gemäß Art. 68 Abs. 5 der polnischen Verfassung vom 2.04.1997112 „unterstützt die

öffentliche Gewalt die Entwicklung der sportlichen Betätigung, insbesondere im Fall von

Kindern und Jugend“.113 Diese Vorschrift wurde in den Teil des Grundgesetzes unter dem

Titel „Die ökonomischen, sozialen und kulturellen Freiheiten und Rechte“ aufgenommen.

Daraus folgt, dass der Staat in den Sport, der in die Sphäre der Bürgerfreiheit gehört,

grundsätzlich nicht eingreifen sollte. Der Staat soll nur zu den erwünschten Verhaltensweisen

anregen, die Tätigkeit der Rechtssubjekte, die mit dem Sport verbunden sind, unterstützen und

für die öffentliche Sicherheit sorgen. Aus diesem Grund haben zur Sicherstellung einer

grӧßeren Autonomie des Sports Ende 2007 die legislativen Arbeiten an dem neuen

normativen Akt in Polen begonnen, der die anachronistischen Gesetze vom 18.01.1996 über

die Körperkultur114 und vom 29.07.2005 über den qualifizierten Sport115 ersetzen sollte.

Das neue Gesetz über den Sport wurde vom Sejm116 am 25.06.2010117 verabschiedet

und ist am 16.10.2010 in Kraft getreten. In Art. 2 des Gesetzes erscheint die Definition des

Sports, die auf den Leistungen des Europarats und der Europäischen Kommission („Das

Weißbuch Sport”) beruht. Laut dieser Definition „bedeutet Sport alle Formen der

körperlichen Aktivität, die dank der gelegentlichen oder organisierten Teilnahme einen

Einfluss auf die Entwicklung oder die Verbesserung der körperlichen und psychischen

Kondition, auf die Entwicklung sozialer Beziehungen oder auf das Erreichen von

Sportergebnissen auf allen Stufen haben“. Dank der Einführung der einheitlichen Definition

des „Sports“ hat der Gesetzgeber auf die früher bestehende Einteilung des Sports in den

„Profisport“ und den „Amateursport“ verzichtet. Früher wurde der gesetzliche Begriff des

„qualifizierten Sports“ mit dem „Profisport“ gleichgesetzt. Die Rechtsprechung hat damals

angenommen, dass die finanzielle Unterstützung des qualifizierten Sports durch die Einheiten

der territorialen Selbstverwaltung (Gemeinde, Kreis, Woiwodschaft) keine Erfüllung der

112 Verfassung der Republik Polen (Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej) vom 2.04.1997, GBl. 1997 Nr. 78, Pos. 483 m. Ä.

113 Übersetzung der Verfassung der Republik Polen ins Deutsche abrufbar unter: http://www.sejm.gov.pl/prawo/konst/niemiecki/kon1.htm

114 Gesetz über die Körperkultur (ustawa o kulturze fizycznej) vom 18.01.1996, GBl. 1996 Nr. 25, Pos. 113 m. Ä.

115 Gesetz über den qualifizierten Sport (ustawa o sporcie kwalifikowanym) vom 29.07.2005, GBl. 2005 Nr. 155, Pos. 1298 m. Ä.

116 Erste Kammer des polnischen Parlaments.117 Gesetz über den Sport (ustawa o sporcie) vom 25.06.2010, GBl. 2010 Nr. 127, Pos. 857 m. Ä.

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eigenen Aufgaben dieser Einheiten sei, weil eine solche Unterstützung in keinem

Zusammenhang mit der Befriedigung der Bedürfnisse der örtlichen Gemeinschaft stehe.118

Der wichtige Kern des neuen Gesetzes über den Sport sind die Bestimmungen, die die

Regeln des Funktionierens der sich mit der Sporttätigkeit beschäftigenden Rechtssubjekte

betreffen. Gemäß den geltenden Vorschriften sind das heutzutage:

- die Sportklubs,

- die Sportverbände (gewöhnlich als Woiwodschaftsverbände oder Bezirksverbände

bezeichnet)

und

- die polnischen Sportverbände (insgesamt 70).

Gemäß Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über den Sport müssen Sportklubs, die auf dem

Gebiet der Republik Polen tätig sind, eine Rechtspersönlichkeit besitzen. Daraus folgt, dass

die Möglichkeit des Funktionierens eines Sportklubs als natürliche Person, die der

Unternehmer im Verständnis der Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juli 2004119 über die

Freiheit der Wirtschaftstätigkeit war, nicht mehr in Frage kommt. Dies war zulässig aufgrund

des früher geltenden Gesetzes über die Körperkultur.

Die Rechtsformen der Sportklubs, die in Polen am häufigsten erscheinen, sind:

- der Verein,

- die Aktiengesellschaft und

- die Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Am Rande bemerkt lohnt es sich, darauf aufmerksam zu machen, dass man im neuen

Gesetz Lösungen für die Schülersportklubs und eine vereinfachte Form ihrer Registrierung

bestehen lassen hat. Diese Lösungen betreffen auch die anderen Sportklubs, die in der Form

eines Vereins handeln und deren Satzungen keine Wirtschaftstätigkeit vorsehen. Diese Klubs

werden nicht im polnischen Nationalen Gerichtsregister, das durch ein ordentliches Gericht

geführt wird, sondern im Verzeichnis, das vom entsprechenden Landrat geführt wird,

eingetragen.

Gemäß Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes über den Sport dürfen die Sportklubs ab einer

118 Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts in Gliwice von 1.07.2006, Az. I SA/GI 927/06 und Urteil des Woiwoschaftsverwaltungsgerichts in Rzeszów vom 19.06.2006 , Az. I SA/Rz 400/06.

119 Gesetz über die Freiheit der Wirtschaftstätigkeit (ustawa o swobodzie działalności gospodarczej) vom 2.07.2004, GBl. 2004 Nr. 173, Pos. 1807.

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Anzahl von drei Sportklubs Sportverbände bilden. In Anbetracht dessen, dass Art. 6 Abs. 3

des Gesetzes nur die „Gründung“ eines Sportverbands betrifft, ist die Teilnahme von

Rechtssubjekten, die keine Klubs sind, an einem schon gegründeten Sportverband nicht

ausgeschlossen. Der Sportverband, der auf diese Weise gegründet wird, darf kraft Gesetzes

ausschließlich als Verein oder Verband der Vereine handeln.

Nach Art. 7 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes ist wiederum der polnische

Sportverband die juristische Person, die in der Rechtsform eines Vereins oder eines

Verbandes der Vereine handelt und durch einen Sportverband zur Organisation und

Durchführung des Wettbewerbs im Bereich einer bestimmten Sportart gegründet wird. Der

Gesetzgeber erteilt diesem Rechtssubjekt besondere Berechtigungen, darunter auch

ausschließliche Rechte.

Die Wendung des Gesetzgebers, dass ein polnischer Sportverband „gegründet werden

kann“, bedeutet in der Praxis, dass die Gründung eines polnischen Sportverbands keine

erforderliche Voraussetzung für die Organisation und die Durchführung des

Sportwettbewerbs im Bereich einer bestimmten Sportart ist. Aus diesem Grund können auch

andere Rechtssubjekte (z.B. die Sportklubs und die Sportverbände) Sportwettkämpfe

organisieren und durchführen. Diese Kompetenz hängt nicht davon ab, ob ein polnischer

Sportverband in der jeweiligen Sportdisziplin tätig ist. Die Zustimmung dieses Verbands ist

nicht notwendig. Das bestätigt die wesentliche Einschränkung der Sphäre des Monopols des

polnischen Sportverbandes im Vergleich zur früher geltenden Regelung. Gemäß dieser alten

Regelung verlangte die Teilnahme des Sportklubs oder des Wettkampfteilnehmers an dem

Sportwettbewerb, der nicht durch einen polnischen Sportverband oder durch eine

internationale Sportorganisation, deren Mitglied dieser Sportverband war, organisiert wurde,

die Zustimmung des jeweiligen polnischen Sportverbandes.120

Im neuen Gesetz über den Sport wird die Vorschrift beibehalten, wonach der Antrag

auf Genehmigung der Gründung eines polnischen Sportverbandes beim Minister für

Körperkultur gestellt wird. Dem Antrag sind beizufügen:

1) der Entwurf der Satzung des polnischen Sportverbandes,

2) der aktuelle Nationalgerichtsregisterauszug des Antragstellers,

3) eine ausführliche Beschreibung der Sportart, in der der Sportverband vorhat, einen

Wettbewerb zu organisieren und durchzuführen, mit genauen Informationen über die

120 Siehe M. Badura, H. Basiński, G. Kałużny, M. Wojcieszak, Kommentar zum Gesetz über den Sport, Lex 2011.

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Voraussetzungen, die die Ausübung dieses Sports betreffen, und über die Regeln und das

System des Wettbewerbs in dieser Sportart.

4) die Bescheinigung über die Zugehörigkeit zu einer internationalen Sportorganisation, die

im olympischen oder paraolympischen Sport tätig ist oder zu einer Sportorganisation, die vom

Internationalen Olympischen Komitee anerkannt wurde (diese Voraussetzung betrifft nicht

den Sport für behinderte Personen).

Die Zustimmung oder die Ablehnung der Genehmigung zur Gründung eines polnischen

Sportverbands erfolgt in der Form einer verwaltungsrechtlichen Entscheidung.

Gemäß dem Gesetz über den Sport gehören zu den ausschließlichen Berechtigungen

eines polnischen Sportverbandes:

1) die Organisation und die Durchführung eines Sportwettbewerbs um den Titel des

Polnischen Meisters und um den Pokal Polens in der bestimmten Sportart,

2) die Gründung einer Berufsliga,

3) die Festsetzung und die Umsetzung von Sportregeln, Organisationsregeln und von

Disziplinarregeln im Sportwettbewerb, der durch den Verband organisiert wird,

4) die Berufung in die Nationalmannschaft und die Vorbereitung dieser Mannschaft auf die

Olympischen Spiele, die Paraolympischen Spiele, die Spiele der Tauben, die

Weltmeisterschaft und die Europameisterschaft,

5) eine Vertretung dieser Sportart in den internationalen Sportorganisationen (Art. 13 Abs. 1

des Gesetzes).

Obwohl der Gesetzgeber auf eine eindeutige Zuerkennung von Zuständigkeiten

polnischer Sportverbände zur Einführung des Systems der Erteilung von Lizenzen für die

Klubs, die Wettkampfteilnehmer, die Trainer oder die Schiedsrichter verzichtet hat, ist

anzunehmen, dass die Bestimmung der Lizenzen (und der Voraussetzungen, die erforderlich

dazu sind, damit die einzelnen Kategorien der Teilnehmer des Sportwettbewerbs diese Lizenz

erwerben dürfen,) weiter völlig zulässig ist, und zwar im Rahmen der Ausübung des

ausschließlichen Rechts auf die Festsetzung von Organisationsregeln. Am Rande sei bemerkt,

dass der Rechtscharakter der Sportlizenzen Zweifel in der polnischen Doktrin und der

Rechtsprechung erweckt.121 Nach früher geltendem Recht hat der polnische

Verfassungsgerichtshof angenommen, dass der Hinweis des Gesetzgebers in Art. 6 Abs. 7 des

121 Vgl. dazu W. Cajsel, Lizenzen der Sportrichter (Licencje sędziów sportowych), Sport Wyczynowy 1998, Nr. 3-4; A. Wach, Lizenzen im polnischen Sport (Licencje w polskim sporcie), Sport Wyczynowy 1996, Nr. 9-10.

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Gesetzes über den qualifizierten Sport auf das Verwaltungsgericht als das zuständige Gericht

in Angelegenheiten der Aufsicht über die Gesetzmäßigkeit der Erteilung einer Lizenz oder

deren Ablehnung mit Art. 184 der polnischen Verfassung übereinstimmt. (Nach Art. 184 der

polnischen Verfassung kontrollieren das Oberste Verwaltungsgericht und die anderen

Verwaltungsgerichte in dem durch Gesetz bestimmten Umfang die Tätigkeit der öffentlichen

Verwaltung. Diese Kontrolle umfasst auch Entscheidungen über die Gesetzmäßigkeit der

Beschlüsse der örtlichen Selbstverwaltungsorgane und der Normativakte der lokalen Organe

der Regierungsverwaltung). Diese Lösung korrespondierte nach Meinung des

Verfassungsgerichtshofes mit den administrativ-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen

Eigenschaften der Lizenz und besonders mit der Eingriffsposition der Sportverbände im

Verhältnis zu den Klubs und mit ihrem Monopol, wenn es um die Erteilung des Zugangs zum

qualifizierten Sport ging. Dazu realisierte diese Lösung das Recht des Sportklubs, sich an das

Gericht zu wenden und beugte der Willkürlichkeit der Sportverbände im Verhältnis zu den

Sportklubs vor.122 Nach derzeitigem Recht soll jedoch angenommen werden, dass die Lizenz

zivilrechtlichen Charakter hat. Demzufolge sind jetzt die ordentlichen Gerichte in Lizenz-

Streitigkeiten zuständig.123

Das neue Gesetz über den Sport sollte auch ein Wundermittel gegen den Mangel an

Transparenz, gegen die Vetternwirtschaft und die schlechte Verwaltung in den

Sportorganisationen sein. In Zusammenhang damit wurde Art. 9 in dieses Gesetz eingeführt.

Danach gilt:

1. Die Amtszeit der Organe eines polnischen Sportverbandes darf nicht länger als vier Jahre

betragen (früher gab es im Gesetz keine zeitliche Beschränkung der Amtszeit von Organen).

2. Das Amt des Vorsitzenden des Vorstands eines polnischen Sportverbandes darf nicht

länger als für zwei aufeinander folgende Amtszeiten ausgeübt werden.

3. Ein Mitglied des Vorstands eines polnischen Sportverbandes darf nicht:

a) gleichzeitig ein anderes Amt im Verband bekleiden;

b) eine Wirtschaftstätigkeit, die direkt mit der Erfüllung der Satzungsaufgaben durch diesen

Verband verbunden ist, ausüben;

c) wegen einer vorsätzlichen Straftat oder einer vorsätzlichen Steuerstraftat, die mittels

öffentlicher Klage verfolgt wird, rechtkräftig verurteilt worden sein.

122 Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 19.10.2010, Az. P 10/10, OTK-A 2010, Nr. 8, Pos. 78.123 Siehe M. Badura, H. Basiński, G. Kałużny, M. Wojcieszak, Kommentar zum Gesetz über den Sport, Lex

2011.

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4. Die Hauptversammlung der Mitglieder oder der Delegierten eines polnischen

Sportverbandes prüft jedes Jahr den Bericht über die Tätigkeit des Vorstands, der durch den

Vorstand angefertigt wurde und den Finanzbericht, der von einem Wirtschaftsprüfer bewertet

wird.

Die kommentierte Vorschrift ist lex specialis zu Art. 10 Abs. 1 Punkt 5 und Art. 11

des Gesetzes - das Recht über die Vereine124, und gleichzeitig beschränkt sie den Bereich der

Selbstverwaltung (der Selbstständigkeit) dieser Art des Vereins in Bezug auf die Freiheit der

Gestaltung der Organisationsstruktur.

Interessanterweise sieht das Gesetz über den Sport keine erheblichen Veränderungen

in Bezug auf das Modell der Aufsicht über die polnischen Sportverbände vor. Weiter liegt

diese Aufsicht in den Händen des Ministers für Körperkultur. Der Minister für Sport

genehmigt unter anderem die Satzung des polnischen Sportverbandes und ihre

Veränderungen. Er ist auch berechtigt, die Tätigkeit des Verbandes zu überprüfen und

einzugreifen, wenn seine Handlungen den rechtlichen Vorschriften oder den Bestimmungen

der Satzung widersprechen. Hingegen hat man auf die früher bestehende Lösung verzichtet,

nach der die Aufsichtsmaßnahmen auch bei Feststellung eines Verstoßes gegen

Bestimmungen interner Ordnungen eingeleitet werden konnten.

Wenn die Tätigkeit der Organe des polnischen Sportverbandes das Recht oder die

Bestimmungen der Satzung verletzt, ist der Minister für Sport nach den aktuellen Vorschriften

berechtigt:

1) eine Verwarnung zu erteilen und Tätigkeiten, die auf die Sicherstellung des rechtmäßigen

Zustandes abzielen, zu verlangen;

2) die Durchführung einer Entscheidung der Organe des polnischen Sportverbandes

auszusetzen und zur Veränderung bzw. zur Aufhebung dieser Entscheidung in einer

bestimmten Zeit aufzufordern;

3) eine Entscheidung der Organe des polnischen Sportverbandes aufzuheben, wenn der

Verband die Forderung zur Veränderung oder Aufhebung dieser Entscheidung nicht erfüllt;

4) vor einem Registergericht die einstweilige Amtsenthebung von Organen eines polnischen

Sportverbandes oder die Auflösung eines polnischen Sportverbandes zu beantragen;

Die Auflösung eines polnischen Sportverbandes ist nur dann möglich, wenn seine Tätigkeit

eine grobe oder beharrliche Verletzung des Rechtes oder der Bestimmungen der Satzung

124 Gesetz – das Recht der Vereine (ustawa – Prawo o stowarzyszeniach) vom 7.04.1989, GBl. 1989 Nr. 20, Pos. 104.

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darstellt und keine Bedingungen für die Wiederherstellung der Tätigkeit, die mit dem Recht

und der Satzung übereinstimmt, ersichtlich sind.

Wenn ein Gericht Organe eines polnischen Sportverbandes ihres Amtes enthebt,

bestellt es einen Pfleger, der zur Durchführung von Wahlen zur Besetzung der Organe des

polnischen Sportverbandes innerhalb von sechs Monaten vom Tag seiner Bestellung an

verpflichtet ist. Dem Pfleger stehen die in der Satzung bestimmten Rechte der suspendierten

Organe des polnischen Sportverbandes zu.

Wie die Einführung eines Pflegers in die autonome privat-rechtliche Organisation in

der Praxis enden kann, zeigt ein Beispiel von 2008. Noch aufgrund des Gesetzes über den

qualifizierten Sport hat der Schiedsgerichtshof für Sport beim Polnischen Olympischen

Komitee am 29. September 2008 auf Antrag des ehemaligen Ministers für Sport Mirosław

Drzewicki - entsprechend der von ihm durchgeführten Aufsicht - einen Pfleger für den

Polnischen Fußballverband bestellt. Prof. Robert Zawłocki - Leiter des Lehrstuhls für

Strafrecht an der A. Mickiewicz-Universität in Posen - ist solchermaßen Pfleger beim

Polnischen Fußballverband geworden. Die internationalen Organisationen FIFA und UEFA

haben damals verlangt, dass der bisherige Vorsitzende des Vorstandes des PZPN Michał

Listkiewicz sofort wieder auf seinem Posten eingesetzt wird, und dass die Frist für die

Wahlen zu den Organen des Verbandes, die für den 30. Oktober 2008 vorgesehen waren,

eingehalten werde. Beide Organisationen haben mit dem Ausschluss der polnischen

Mannschaft von den Ausscheidungsspielen der Weltmeisterschaft 2010 und der polnischen

Klubs von den Pokalspielen gedroht. Es wurde sogar über die Aberkennung des Rechts des

Polnischen Fußballverbands zur gemeinsamen Organisation der EURO 2012 mit der Ukraine

nachgedacht. Schließlich wurde infolge eines Kompromisses zwischen dem Ministerium, dem

Polnischen Fußballverband, der FIFA und der UEFA eine Unabhängige Wahlkommission

einberufen, die die Organisation und den Ablauf der Wahlen zu den Organen des Polnischen

Fußballverbands beobachtet hat. In dieser Situation hat der Schiedsgerichtshof für Sport beim

PKOI am 10. Oktober die Entscheidung über die Bestellung des Pflegers auf Antrag von

Drzewiecki aufgehoben.

Neben den Regeln über die Funktionsweise der Rechtssubjekte, die eine Sporttätigkeit

ausüben, regelt das Gesetz über den Sport auch: Fragen der finanziellen Unterstützung des

Sports durch die Organe der öffentlichen Gewalt, auch die Einheiten der territorialen

Selbstverwaltung, die Regeln des Erwerbs einer Berufsqualifikationen im Sport

(Sportinstrukteur, Trainer der II. Klasse II, Trainer der I. Klasse, Trainer der Meisterklasse)

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und die Problematik der Bekämpfung des Dopings im Sport. Außerdem enthält das Gesetz

Strafvorschriften, die vor allem Bestechungshandlungen und eingeschränkt auch die

Verabreichung von Dopingmitteln an Sportler pönalisieren.

Bei einer Bewertung des neuen Gesetzes über den Sport lohnt es sich, darauf

aufmerksam zu machen, dass es trotz des hochtrabenden angekündigten Verzichtes auf die

rechtliche Reglementierung der Sporttätigkeit nicht gelungen ist, die Autonomie der

Sportorganisationen vollständig zu sichern. Der Staat greift, vor allem durch die breite

Vielfalt von Aufsichtskompetenzen des Ministers für Sport, weiter relativ stark in das

Funktionieren der polnischen Sportverbände ein. Weitere Medienberichte über korrumpierte

Mitglieder der polnischen Sportvereine erschweren die Arbeiten an den Änderungen des

Gesetzes in diesem Bereich. Hingegen sind die Aufhebung der Unterscheidung in den

qualifizierten Sport (das Gesetz über den qualifizierten Sport) und in andere Formen der

sportlichen Betätigung (das Gesetz über die Körperkultur) sowie die Tatsache, dass die

finanzielle Unterstützung des Sports für die Einheiten der territorialen Selbstverwaltung

erleichtert wurde, positiv zu bewerten.

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RA Dmitriy Ivanusa, KiewRchtliche Anforderungen an sportliche Großereignisse

Blick zurück: Erfahrungen aus der Fußball-EM 2012 in Polen und der Ukraine

Legal aspects of the recent EURO 2012: A view from Ukraine

Brief chronology:

• September 2003 – Idea on co-hosting of championship occurs during the joint

meeting of the executive committees of the Football Federation of Ukraine and the

Football Association of Poland

• April 2004 – Decree of the President of Ukraine on some measures for preparation

for the final of Euro 2012 in Ukraine. Aimed at participation of Ukraine in the UEFA

tender

• April 2007 – Poland and Ukraine are selected to co-host Euro 2012

• April 2010 – Law of Ukraine on organizing and conducting of the final of Euro 2012

in Ukraine

• October 2007 – Regulation of the Government of Ukraine on the State special

purpose program of preparation and conduction of the final of Euro 2012 in Ukraine

• March 2008 – Convection between governments of Poland and Ukraine on

cooperation during the organization of the final of Euro 2012

• June 2012 – Final of Euro 2012 in Ukraine

Brief details of the Law of Ukraine on organizing and conducting of the final of Euro

2012 in Ukraine:

• Basic document regulating the procedures for preparation and conduction of Euro

2012

• Determined the governing authorities and their powers

• Agreed the cooperation with UEFA and the hosting football association

• Determined the peculiarities of public procurement for Euro 2012, including from the

sole tender participant

• Regulated the organizational aspects of building and construction

• Provided the buy-out of private property and their forced disposal for public needs

• Ensured the intellectual property rights of UEFA

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60

• Determined some currency control and customs regulations

• Determined visa and work permits issues

• Exempted the incomes of UEFA derived from the activities in Ukraine from tax

• Regulated some health protection issues (for example, prohibition of smoking, sale

and advertising of tobacco)

Some other significant laws and regulations:

• Laws of State budgets of Ukraine for 2007-2012

• The State special purpose program of preparation and conduction of the final of Euro

2012 in Ukraine

• Procedures for partial reimbursement of interest under loans granted within the

preparation and conduction of the final of Euro 2012 in Ukraine

• Law of volunteer activities

• Tax Code of Ukraine

• Law of public procurement

• Customs Code

• Law on building and construction activities

• Law on employment

• Law on ensuring of public order and safety in connection with football matches – the

1985 European convention on spectator violence and misbehavior at sports events and

in particular at football matches

• Law of peculiarities of court proceedings regarding administrative violations during

Euro 2012 and forced deportation of foreigners and stateless persons without

permanent residence in Ukraine

• Regulations of the ministries, State agencies, local authorities

Some results and practices:

• 2352 - Number of documents referring to Euro 2012

• Further development of the Ukrainian sport law – new sources and use of

international law

• Development of public-private partnership (for example, during reconstruction of

stadium and airport in Kharkov)

• Organization of legal assistance to foreigners (advocates and translators) and

establishment of the recommended maximum hourly rate for advocates (EUR 25)

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• Regulation of famous problem with a private investor based on public needs – stop

and demolition of construction in Kiev on the site in the front of stadium

• Massive buy-outs of private property in Lvov

• Special approval granted to UEFA for temporary opening and operation of bank

accounts in Ukraine

• Tax privileges, including special for Euro 2012: corporate tax, VAT, import duties

• Deterring of importation of goods with the unauthorized use of Euro 2012 logo etc,

prosecution of sales of such goods in Ukraine

• Temporary partial solution of unemployment, in particular, among builders

• Absence of significant incidents with spectators and guests as well as of forced

deportations

• 1.8 mln – visitors to Ukraine during EURO 2012

• USD 5.5 billion – Ukrainian investments into organization and conduction of Euro

2012, but only 1/5 – private investments

• USD 1 billion – income of Ukraine from Euro 2012

• Investments into infrastructure (hotels, roads, transport) and sport objects (stadiums,

training centers)

Page 62: Tagungsband Entwurf Internetfassung

62

Prof. Dr. Alexander Trunk, Universität KielRechtlicher und organisatorischer Rahmen der Olympischen Spiele in Sochi

Powerpoint Presentation, bitte per Doppelklick aktivieren.

Page 63: Tagungsband Entwurf Internetfassung

63

RiLG Dr. Cornelia Wölk, HamburgVerletzungen beim Sport – ein Vergleich des russischen mit dem deutschen Haftungsrecht

Bei der Haftung für Sportverletzungen sind zum einen zwei Grundkonstellationen zu

unterscheiden, nämlich die

- Haftung, die Sportler einander bei der Sportausübung zufügen, und die

- Haftung von Veranstaltern von Sportwettkämpfen sowie der Betreiber von

Sportstätten.

Bei der Ausübung von Sport besteht (fast immer) die Gefahr von Verletzungen. Das

Verletzungsrisiko besteht jedoch nicht für alle Sportarten in gleichem Maße, sondern variiert

von Sportart zu Sportart. Bei Verschiedenen Sportarten besteht eine besondere Gefahr von

Verletzungen durch den Gegner Das wirft die Frage auf, wie die haftungsrechtlichen Fragen

bei diesen Sportarten zu lösen sind. Es ist daher zu unterscheiden zwischen

- Kampfsportarbeiten, bei denen es zum Wesen des Sports gehört, dem Gegner

Verletzungen zuzufügen (wie etwa Boxen, Ringen),

- Mannschaftssportarten, bei denen es aufgrund des Wettkampfes (insbesondere beim

Kampf um einen Ball) leicht zu einem körperlichen Zusammenprall zwischen zwei

Sportlern kommen kann (z. B. Fußball, Eishockey),

- Gemeinschaftssportarten, die zwar grundsätzlich nebenher ausgeübt werden, bei denen

es aber zu einem Zusammenstoß von Sportlern kommen kann, weil sie gleichzeitig auf

derselben Kampfbahn ausgeübt werden (z. B. Radrennen im der Gruppe),

- Individualsportarten, bei denen die Sportler nebeneinander oder nacheinander ihren

Sport ausüben und bei denen kaum ein Risiko einer durch einen anderen Sportler

zugefügte Verletzung besteht.

I. Abgrenzung der vertraglichen von der deliktischen Haftung

Bei Verletzungen, die ein Sportler einem anderen Sportler zugefügt hat, kommt in der Regel

nur eine deliktische Haftung in Betracht, weil die Sportler untereinander nicht in vertraglichen

Beziehungen stehen. Ausnahmen sind aber möglich, etwa bei Profiboxkämpfen, bei denen die

Kontrahenten vor dem Kampf einen Kampfvertrag miteinander geschlossen haben.

Bei der Haftung der Veranstaltung von Sportwettkämpfen sind dann vertragliche Ansprüche

denkbar, wenn sie den verletzten Sportler für die Veranstaltung vertraglich engagiert haben.

Page 64: Tagungsband Entwurf Internetfassung

64

Auch bei Betreibern von Sportstätten ist eine vertragliche Haftung in Betracht zu ziehen, etwa

dann, wenn der Betreiber dem Sportler die Sportstätte vertraglich gegen ein Entgelt zur

Verfügung gestellt hat.

Im russischen Recht findet allerdings auch dann, wenn zwischen dem Schädiger und dem

verletzten Sportler vertragliche Beziehungen bestehen, nur eine Haftung nach Deliktsrecht

statt. Grund dafür ist die Vorschrift des Art. 1084 ZGB, wonach ein Schaden, der dem Leben

oder der Gesundheit eines Bürgers bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten zugefügt wurde,

nach den Vorschriften über das Deliktsrecht (Art. 1064 ff. ZGB) zu ersetzen ist, es sei denn,

dass vertraglich eine erhöhte Haftung vereinbart wurde. Die Möglichkeit, vertraglich eine

höhere Schadensersatzzahlung als im Deliktsrecht vorgesehen, zu vereinbaren, ist in

Art. 1064 Abs. 1 Satz 3 ZGB ausdrücklich festgelegt. Inwieweit in der Praxis entsprechende

vertragliche Vereinbarungen getroffen werden, ist jedoch fraglich. Denkbar ist das bei gut

bezahlten Profisportlern.

Im deutschen Recht ist es hingegen so, dass eine vertragliche und eine deliktischen Haftung

nebeneinander im Betracht kommen, sofern Schädiger und Geschädigter in vertraglichen

Beziehungen stehen. Eine Haftung nach den Regeln des Vertragsrechts dürfte auch dann

möglich sein, wenn im Vertrag für den Fall von Verletzungen keine ausdrücklichen

Regelungen im Vertrag getroffen wurden. Es dürfte auch in diesem Falle eine Haftung nach §

280 BGB in Betracht kommen, denn es dürfte zumindest eine ungeschriebene Nebenpflicht

des Vertragspartners bestehen, den Sportler vor Verletzungen zu bewahren.

II. Deliktische Haftung nach russischem und deutschem Recht

Da im deutschen Recht bei Sportverletzungen in der Praxis überwiegend nur die deliktische

Haftung in Betracht kommt und nach russischem Recht die deliktische Haftung sogar kraft

Gesetzes zwingend ist, sollen die Unterschiede zwischen dem deutschem und dem russischen

Haftungsrecht im Folgenden nur für die deliktische Haftung weiter vertieft werden:

Page 65: Tagungsband Entwurf Internetfassung

65

1. Rechtsgrundlagen

Im russischen Recht sind die Art. 1064 ff. ZGB maßgeblich, insbesondere auch die

Art. 1085 ff. ZGB hinsichtlich der Schadenshöhe bei Körperverletzungen und Art. 1099

ff. ZGB hinsichtlich des Ersatzes des immateriellen Schadens.

Die deliktische Haftung ist im deutschen Recht vor allem in den §§ 823 ff. BGB geregelt.

Hinsichtlich des Umfangs und der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes sind ergänzend

die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, vor allem die §§ 249 ff. BGB heranzuziehen.

2. Grundtatbestand

Art. 1064 Abs. 1 ZGB bestimmt, dass ein Schaden, der der Person eines Bürgers zugefügt

wurde, durch die Person, die den Schaden zugefügt hat, vollständig zu ersetzen ist. Das

Rechtsgut „Person“ umfasst unter anderem neben den anderen in Art. 150 ZGB aufgezählten

immateriellen Rechtsgütern das Leben und die Gesundheit des Geschädigten. Aus diesem

Grund ist Art. 1064 Abs. 1 ZGB für alle denkbaren Sportverletzungen in der Russischen

Föderation anwendbar.

In Deutschland gibt es hingegen zwei Anspruchsgrundlagen, die bei Sportverletzungen

einschlägig sein können. § 823 Abs. 1 BGB statuiert eine Schadensersatzpflicht bei

Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. Eine Schadensersatzpflicht besteht aber auch

bei Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Die strafrechtlichen

Vorschriften über die Körperverletzung (§§ 223 StGB) gelten als Schutzgesetze in diesem

Sinne. Wenn somit die Verletzung eines anderen Sportlers als Straftat einzuordnen ist, besteht

zudem eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB. Die sportlichen Spielregeln gelten allerdings

nicht als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so dass aus einem Regelverstoß nicht

darauf geschlossen werden kann, dass auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB besteht.125

Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht ist eine Haftung sowohl für ein Handeln

als auch ein Unterlassen möglich. Die Haftung für ein Unterlassen setzt nach beiden

Rechtsordnungen die Verletzung einer Handlungspflicht voraus. Im deutschen Recht ist hier

vor allem die Verkehrssicherungspflicht relevant, die Benutzer von Sportanlagen durch

geeignete Maßnahmen vor Gefahren zu schützen, die für den zugelassenen Benutzerkreis und

den zu erwartenden Gebrauch über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen

125 Vgl. Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 74.; Heinze, Anmerkung zu BGH JR 1975, 286, 288;

Page 66: Tagungsband Entwurf Internetfassung

66

sowie nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind.126 Die Regeln der

Sportverbände können Anhaltspunkt dafür geben, welche Maßnahmen zur Abwehr von

Gefahren notwendig sind.127 Gegebenenfalls müssen die Betreiber von Sportanlagen auch

gegenüber den Benutzern Hinweise und Warnungen aussprechen.128 Die Verletzung der

Verkehrssicherungspflicht hat daher (bei Unterlassen) bereits eine haftungsbegründende

Funktion. Die Betreiber von Sportanlagen müssen die Anlage daher zum Beispiel so bauen,

dass Sportler dort nicht aufgrund der Beschaffenheit der Anlage leicht stolpern oder

ausrutschen bzw. die verwendeten Sportgeräte die mit der Sportausübung verbundenen

Belastungen aushalten. Im russischen Recht ist eine der Verkehrssicherungspflicht

vergleichbare Rechtsfigur noch nicht entwickelt worden. Allerdings wird angenommen, dass

eine Haftung für Unterlassen zum Beispiel bei Nichtbeachtung der Regeln über Arbeitsschutz

und Sicherheitstechnik besteht.129 Es kann daher davon ausgegangen werden, dass einen

Betreiber von Sportanlagen auch nach russischem Recht eine Haftung treffen dürfte, wenn

eine Sportanlage nicht ausreichend sicher gebaut ist.

3. Ursächlichkeit/Haftungsbegründende Kausalität

Sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht ist für die deliktische Haftung ein

Kausalzusammenhang zwischen der Handlung (bzw. dem Unterlassen) des Schädigers und

der eingetretenen Verletzung erforderlich.

In Deutschland wird die Kausalität begrenzt auf adäquate Begebenheiten, die nach der

Lebenserfahrung geeignet sind, den Erfolg in der konkreten Art herbeizuführen.

Begebenheiten, die außerhalb der Lebenserfahrungen liegen und daher nicht vorhersehbar

sind, sind nicht adäquat und nicht in die ursächliche Betrachtung einzubeziehen.130

Auch in der Russischen Föderation wird die Adäquanztheorie vertreten.131 Danach soll

entscheidend sein, ob das Ereignis geeignet ist, Folgen dieser Art herbeizuführen, und ein

Kausalzusammenhang soll nicht vorliegen, wenn die Aufeinanderfolge untypisch ist. Auch

andere Theorien wie die „Theorie der notwendigen und zufälligen Kausalität132, die „Theorie

126 BGH NJW 2008, 3775; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 214.127 OLG Dresden, NJW-RR 2007, 1619.128 OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1183.129 Malein in: Kalpin, Graždanskoe pravo. Čast‘ vtoraja, Moskau 2000, S. 512; Korneev in: Suchanov,

Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 374 f.; Sadikov, Graždankoe pravo Rossii. Čast‘ vtoraja, Moskau 1997, S. 640; Jarošenko in: Braginskij, Kommentarij čast vtoroj Graždankogo kodeksa Rossijskoj Federacii, Moskau 1996, S. 351.

130 Vgl. BGHZ 3, 261; BGHZ 7, 198; BGHZ 57, 137.131 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 715.132 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 716 f.; Egorov in: Sergeev/Tolstoj,

Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 574; Malein in: Kalpin/Masljaev, Graždanskoe pravo. Čast‘ pervaja, 2. Aufl. 2002, S. 509.

Page 67: Tagungsband Entwurf Internetfassung

67

der notwendigen Ursächlichkeit“133, die „Theorie der direkten und mittelbaren Kausalität“134,

die „Theorie der Möglichkeit und Wirklichkeit“135 werden vertreten und dienen dazu,

fernliegende oder untypische Ursachen aus dem Kausalzusammenhang auszuschließen. Die

Rechtsprechung arbeitet mit verschiedenen Theorien, am meisten wohl mit der „Theorie der

nächsten, unmittelbaren Ursache“.136

Im Ergebnis dürften sich das deutsche und das russische Recht hinsichtlich der

Kausalitätsfrage im Ergebnis nicht wesentlich unterscheiden und es dürfte bei beiden

Rechtsordnungen eine Frage der Einzelfallbetrachtung sein, ob eine Ursache als außerhalb der

Lebenserfahrung oder untypisch auszugrenzen ist.

4. Rechtswidrigkeit

Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit im deutschen Recht bei Erfüllung des Tatbestandes

(Körperverletzung) indiziert und entfällt nur bei Vorliegen von Rechtsfertigungsgründen.137

Bei Sportverletzungen besteht allerdings die Besonderheit, dass allein aus dem Vorliegen

einer Verletzung nicht auf eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers geschlossen

werden kann.138 In der Regel wird angenommen, dass derjenige, der sich an die Spielregeln

hält, nicht rechtwidrig handelt – oder zumindest von der Haftung freizustellen ist.139

Bei Sportverletzungen wird vielfach die Auffassung vertreten, dass die Rechtswidrigkeit

aufgrund einer Einwilligung des Verletzten entfallen kann. Wer an Sport teilnimmt, willigt

damit in eine Körperverletzung insoweit ein, als die Gefahr selbst bei Einhaltung der Regeln

der jeweiligen Sportart besteht.140 Nach anderer Ansicht (so auch in der Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofs) wird nicht bei allen Sportarten von einer rechtfertigenden Einwilligung

in die Verletzung ausgegangen, sondern nach den jeweiligen Sportarten differenziert. Bei

gefährlichen Sportarten wie beispielsweise bei Box- und Ringkämpfen, Autorennen und

waghalsigen Felsenklettereien kann das Verhalten des Verletzten ohne künstliche

Unterstellung als Einwilligung in die als möglich vorgestellte Rechtsgutsverletzung aufgefasst

133 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 716; Egorov in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 572 f.

134 Vgl. dazu Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 717; Egorov in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 570 ff.; Malein in: Kalpin/Masljaev, Graždanskoe pravo. Čast‘ pervaja, 2. Aufl. 2002, S. 510.

135 Vgl. Braginskij/Vitrjanskij, Dogovornoe pravo, 2. Aufl. 1999, S. 717 f.; Egorov in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 1, 3. Aufl. 1998, S. 573 f.

136 Vgl. Bogdanov, Chozjajstvo i pravo 2011, Nr. 8, S. 108.137 Dem liegt die Lehre vom Erfolgsunrecht zugrunde.138 So wird angenommen, dass für Sportverletzungen die Lehre vom Handlungsunrecht gilt, vgl. Emmerich, JuS

1975, 463. 139 So der BGH unter Berufung auf § 242 BGB in NJW 1975, 109, 110.140 Vgl. LG Marburg, NJW-RR 1988, 1243, 1244; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997,

Rn. 80.

Page 68: Tagungsband Entwurf Internetfassung

68

werden.141 Bei Sportarten wie Fußball wird hingegen davon ausgegangen, dass es eine

künstliche Unterstellung wäre, von einer Einwilligung auszugehen, weil ein Fußballspieler

hofft und erwartet, es werde zu keinen Verletzungen kommen. Der BGH nimmt hier dennoch

eine Haftungsfreistellung eines Spielers an, der sich an die Spielregeln hält, und zwar unter

dem Gesichtspunkt des „venire contra factum proprium“.142

Eine wirksame Einwilligung setzt Einwilligungsfähigkeit voraus, d. h. der Geschädigte muss

sich der Gefahr des Eintritts eines Schadens bewusst gewesen sein.143 Auch ein

Minderjähriger kann ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters wirksam auf eigene

Gefahr handeln, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife der Bedeutung und die

Tragweite des möglichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und seine Gestattung zu

ermessen vermag.144

Welche Gefahren im Wettkampfsport hingenommen werden müssen, richtet sich in erster

Linie nach den jeweiligen Spielregeln. Das hat insbesondere Bedeutung bei Kampfsportarten

wie Boxen, Ringen, Judo etc. Hier ist es Ziel des Sportes, den Gegner durch Körpertreffer zu

schwächen und kampfunfähig zu machen. Körperverletzungen sind daher unvermeidlich.

Solange diese unter Einhaltung der Wettkampfregeln zugefügt werden, ist davon auszugehen,

dass diese aufgrund der Einwilligung des Verletzten nicht rechtswidrig sind.145

Bei Gemeinschaftssport und bei Mannschaftssportarten besteht ebenfalls eine große Gefahr,

dass es zu „Zusammenstößen“ kommt, weil mehrere das gleiche gleichzeitig wollen. Dabei

führt nach der Rechtsprechung nicht jede Regelwidrigkeit beim Mannschaftsport gleich zu

einer Haftung, Das Handeln des Schädigers muss außerhalb jeglicher geordneter Spielregeln

liegen, also bei Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem

Regelverstoß.146 Hinsichtlich der Beweislastverteilung gilt, dass der Verletzte einen

Regelverstoß des Schädigers beweisen muss.147

Im deutschen Recht wird zudem angenommen, dass es auch zu einem Haftungsausschluss

durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen kommen kann. Das kommt vor allem bei

der Haftung von Veranstaltern von Sportwettkämpfen und Betreibern von Sportanlagen in

Betracht. Der Haftungsausschluss kann sich auf die Gefährdungshaftung und auf Haftung für

141 BGHZ 63, 140,144.142 BGH NJW 1975, 109, 110.143 Vgl. Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 80.144 Vgl. Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 80; LG Tübingen, MDR 1960, 671.145 Vgl. Palandt-Sprau, 72. Aufl. 2013, § 823 Rn. 217; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl.

1997, Rn. 67.146 Vgl. OLG Hamm, JR 1998, 465; OLG Stuttgart, NJW-RR 2000, 1043; Palandt-Sprau, 72. Aufl. 2013, § 823

Rn. 217; Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 66, 74.147 Vgl. BGH NJW 2010, 537; BGH NJW 1975, 109, 111; OLG Düsseldorf, VersR 1992, 841; OLG

Oldenburg, r+s 1995, 179.

Page 69: Tagungsband Entwurf Internetfassung

69

Fahrlässigkeit erstrecken. Die Haftung für Vorsatz kann hingegen nicht ausgeschlossen

werden (§ 276 Abs. 3 BGB).

Ein Haftungsausschluss kann aber auch stillschweigend geschehen, z. B durch Benutzen einer

Sporteinrichtung in Kenntnis der Tatsache, dass der Betreiber in seinen

Benutzungsbedingungen seine Haftung ausgeschlossen hat.148

Grundsätzlich wird auch in der Russischen Föderation davon ausgegangen, dass allein die

Zufügung eines Schadens rechtswidrig ist149 (nach anderer Ansicht muss zusätzlich eine

Rechtsnorm verletzt sein150). Die Rechtswidrigkeit entfällt bei Vorliegen eines

Rechtfertigungsgrundes wie etwa Notwehr (Art. 1066 ZGB) oder Notstand (Art. 1067 ZGB)

bzw. wenn anderen Rechtsvorschriften, die Rechtswidrigkeit eines Handelns ausschließen.

Nach Art. 1064 Abs. 3 Satz 2 ZGB ist zudem ein Schaden nicht rechtswidrig, der auf

Ersuchen oder mit Einwilligung des Geschädigten zugefügt wurde, wenn die Handlungen des

Schädigers die sittlichen Grundsätze der Allgemeinheit nicht verletzten. Über diese Vorschrift

müsste im russischen Recht die Frage der Rechtswidrigkeit von Sportverletzungen gelöst

werden. Rechtsprechung und Literatur zu der Frage, ob und wann eine Sportverletzung

aufgrund einer Einwilligung des Geschädigten nicht rechtswidrig ist, ist soweit ersichtlich

nicht vorhanden. Bei Kampfsportarten wird aber sicherlich ähnlich wie im deutschen Recht

davon auszugehen sein, dass regelgerecht zugefügte Verletzungen von der Einwilligung des

Verletzten gedeckt sind. Die Frage ist nur, wieweit angenommen wird, dass von einer

Einwilligung auszugehen ist. Durch die gesetzliche Einschränkung „und die Handlungen des

Schädigers sittliche Grundsätze der Allgemeinheit nicht verletzen“ dürfte wohl davon

auszugehen sein, dass bei einem grob regelwidrigen und unfairen Verhalten bei keiner

Sportart davon ausgegangen werden kann, dass das Handeln des Schädigers rechtmäßig ist.

Die Frage eines Haftungsausschlusses durch vertragliche Vereinbarung wird im russischen

Recht nach dem Kenntnisstand der Verfasserin nicht diskutiert.

148 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 81.149 Vgl. z. B. Tolstoj in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2000, S. 15; Emel’janov,

Rossijskaja Justicija 2001, Nr. 1, S. 24.150 Vgl. z. B. Jarošenko in Sadikov, Gradanskoe pravo Possii. Čast vtoraja, Moskau 1997, S. 637; Ėrdelevskij,

Kompensacija moral‘nogo vreda, Moskau 2000, S. 85.

Page 70: Tagungsband Entwurf Internetfassung

70

5. Verschulden

Sowohl in der Russischen Föderation als auch in Deutschland ist grundsätzlich ein

Verschulden des Schädigers Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch. Verschulden

setzt sowohl in Deutschland (vgl. §§ 827, 828 BGB) als auch der Russischen Föderation

Deliktsfähigkeit voraus. In der Russischen Föderation ist das zwar nicht ausdrücklich im

Gesetz erwähnt, es ergibt sich aber mittelbar aus den Art. 1073-1078 ZGB. Relevant ist die

Frage der Deliktsfähigkeit vor allem bei Sportverletzungen, die Minderjährige zufügen. In

Deutschland kann Deliktsfähigkeit bereits ab einem Alter von sieben Jahren bestehen

(§ 828 BGB), in der Russischen Föderation erst ab einem Alter von 14 Jahren

(vgl. Art. 1073 ZGB).

Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht besteht eine Haftung für Vorsatz und

Fahrlässigkeit (vgl. Art. 401 ZGB, § 276 BGB). Für Eintritt der Schadensersatzpflicht haben

die Verschuldensformen allerdings sowohl in der Russischen Föderation als auch in

Deutschland grundsätzlich keine Relevanz. Sie können aber im Rahmen des Art. 1083 ZGB

oder bei Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes eine Rolle spielen

(vgl. Art. 1101 Abs. 2 ZGB).

Nach deutschem Recht handelt vorsätzlich, wer bewusst in ein fremdes Rechtsgut eingreift

und hierbei die Absicht einer Schädigung hat oder zumindest damit rechnet; Vorsatz ist das

Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolges.151 Das ist z.B. bei absichtlichem,

regelwidrigem Treten, einem „Beinstellen“ oder einem absichtlichen Tiefschlag eines Boxers

der Fall. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt

(§ 276 Abs. 2 BGB). Bei der Haftung von Betreibern von Sportanlagen bzw. von

Veranstaltern von Sportwettkämpfen werden die Sorgfaltspflichten durch die

Verkehrssicherungspflicht bestimmt.

Bei der Verschuldensfrage kann das Haftungsrecht am besten den Gegebenheiten des Sports

angepasst werden. In Deutschland ist dementsprechend bei Beurteilung der Schuldfrage zu

berücksichtigen, ob einem Wettkampfsport eine bestimmte Härte eigen ist. Keine Haftung soll

bei geringfügigen Regelverstößen in wettbewerbstypischen Risikolagen eintreten. Bei der

Frage, ob ein Verschulden vorliegt, kommt den Wettkampf- und Sportregeln daher eine

besondere Bedeutung zu. Sie liefern eine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs.152 Die

Sanktionierung des Verhaltens eines Spielers, z. B. durch eine gelbe oder rote Karte, indiziert

jedoch kein Verschulden des Sportlers. Aus dem Nichtzeigen der roten Karte kann aber auch

151 Vgl. BGH NJW-RR 2012, 404.152 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 89; Grunsky, JZ 1975, 109, 110.

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71

nicht geschlossen werden, dass kein Verschulden vorliegt.153 Die Verletzung von

Wettkampfregeln stellt zwar grundsätzlich ein fahrlässiges Verhalten dar, ein Spieler der die

Regeln beachtet, kann aber trotzdem fahrlässig handeln.154 Die Unkenntnis der Regeln schützt

nicht vor einer Schadensersatzpflicht.155

In der Russischen Föderation werden die Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht im

Zivilgesetzbuch, sondern nur im Strafgesetzbuch definiert. Danach handelt vorsätzlich, wer

eine Handlung mit direktem oder bedingtem Vorsatz begeht (vgl. Art. 25 Abs. 1 StGB). Als

mit direktem Vorsatz begangen gilt eine Handlung, wenn eine Person die gesellschaftliche

Gefährlichkeit ihrer Handlungen (Unterlassung) erkannt, die Möglichkeit oder

Unvermeidlichkeit des Eintritts gesellschaftlich gefährlicher Folgen vorausgesehen und ihren

Eintritt gewollt hat (vgl. Art. 25 Abs. 2 StGB). Als mit bedingtem Vorsatz begangen gilt eine

Handlung, wenn eine Person die gesellschaftliche Gefährlichkeit ihrer Handlungen

(Unterlassung) erkannt, die Möglichkeit oder Unvermeidlichkeit des Eintritts gesellschaftlich

gefährlicher Folgen vorausgesehen und diese Folgen nicht gewünscht, jedoch bewusst

zugelassen oder ihnen gleichgültig gegenübergestanden hat (Art. 25 Abs. 3 StGB). Bei der

Fahrlässigkeit wird im Strafgesetzbuch zwischen Leichtfertigkeit und Nachlässigkeit

unterschieden (vgl. Art. 26 Abs. 1 StGB), im Zivilgesetzbuch nur zwischen einfacher und

grober Fahrlässigkeit. Das hat zur Folge, dass die strafrechtlichen Definitionen zur

Fahrlässigkeit ins Zivilrecht übertragen werden können. Die grobe Fahrlässigkeit wird

definiert als unentschuldbare Verletzung einfachster, elementarster Forderungen an die

Sorgfalt und Umsicht, die jedem bekannt sind,156 bzw. als Verletzung der gewöhnlichen, für

alle offensichtlichen Anforderungen, die gegenüber einer Person erhoben werden, die eine

bestimmte Tätigkeit ausführt.157 Nur einfache Fahrlässigkeit liegt vor, wenn eine Person nicht

die Anforderungen beachtet, die ihr gegenüber als bestimmte Person unter Berücksichtigung

ihrer Erfahrungen, ihres Wissens oder ihrer beruflichen Ausbildung erhoben werden.158

Inwieweit die Wettkampfregeln sich auf die Frage des Verschuldens auswirken, wird in der

russischen Rechtwissenschaft nicht näher diskutiert.

153 Vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 1241.154 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 90.155 Weisemann/Spieker, Sport, Spiel und Recht, 2. Aufl. 1997, Rn. 91.156 Vgl. Korneev in: Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 381.157 Vgl. Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodeksu RF časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 2

zu Art. 1083.158 Vgl. Braginskij in: Sadikov, Graždanskoe pravo, Obščaja čast‘, 1. Aufl. 2001, S. 682; Malein in:

Kalpin/Masljaev, Graždanskoe pravo. Čast pervaja, 2. Aufl. 2002, S. 511.

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Sowohl in der Russischen Föderation als auch in Deutschland gibt es in speziellen im Gesetz

vorgesehenen Fällen eine Haftung ohne Verschulden (Gefährdungshaftung). Diese

Vorschriften können auch für bestimmte Sportverletzungen von Relevanz sein.

In der Russischen Föderation kann es zu einer Haftung ohne Verschulden kommen, wenn die

Ausübung des Sports eine Quelle erhöhter Gefahr im Sinne des Art. 1079 BGB darstellt. Das

kommt z. B. bei der Haftung für Unfälle im Bereich des Motorsports/Flugsports in Betracht,

da die Nutzung von Kraftfahrzeugen (PKW, Motorräder) und Flugzeugen als das Nutzen von

Beförderungsmitteln in Sinne des Art. 1079 ZGB kraft Gesetzes zu den Quellen erhöhter

Gefahr zählt.

Ob es bei der Ausübung des Reitsports zu einer Haftung ohne Verschulden kommen kann und

ob das Halten von Pferden nach russischem Recht eine Quelle erhöhter Gefahr darstellt, ist

nicht eindeutig. In der Literatur wird immerhin die Auffassung vertreten, dass das Halten

großer Haustiere, die sich im Besitz von Menschen befinden, Quellen erhöhter Gefahr

darstellen sollen.159

Das Ausüben des Schießsportes dürfte wohl eher keine Quelle erhöhter Gefahr darstellen. In

der Literatur wird die Auffassung vertreten, das Schießen aus Jagd-, Gas- oder kleinkalibrigen

Waffen sei keine Quelle erhöhter Gefahr.160

Fraglich ist, ob das Betreiben einer Sportanlage als Quelle erhöhter Gefahr im Sinne des

Art. 1079 ZGB einzuordnen ist. Dazu gibt es leider in der russischen Rechtswissenschaft

keine Anhaltspunkte. In Betracht kommen dürfte dies aber wohl nur ausnahmsweise und nur

dann, wenn von der konkreten Beschaffenheit der Anlage besondere Gefahren ausgehen.

In Deutschland gibt es keine „Generalklausel“ für eine Gefährdungshaftung, sondern nur

einzelne in verschiedenen Gesetzen verstreute Bestimmungen, die eine Haftung ohne

Verschulden vorsehen. Relevant für den Reitsport ist dabei die Tierhalterhaftung in

§ 833 BGB, für den Motorsport § 7 StVG und für den Luftsport § 33 LuftVG.

Das Mitverschulden des Geschädigten ist sowohl nach russischem Recht (Art. 1083 ZGB) als

auch nach deutschem Recht (§ 254 BGB) zu berücksichtigen.

Hat der Geschädigte vorsätzlich gehandelt, ist ein Schadensersatzanspruch nach russischem

Recht völlig ausgeschlossen (Art. 1083 Abs. 1 ZGB). Bei grober Fahrlässigkeit des

Geschädigten muss die Höhe des Schadensersatzes in Abhängigkeit vom Schuldmaß des

Geschädigten herabgesetzt werden. Einfache Fahrlässigkeit des Geschädigten wird nicht 159 Vgl. Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodesksu Rossijskoj Federacii časti vtoroj, 3.

Aufl. 1999, Anm. 4 zu Art. 1079; Sergeev in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 41.

160 Sergeev in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 41; Em in: Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, Moskau 2000, S. 417; Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodesksu Rossijskoj Federacii časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 3 zu Art. 1079.

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angerechnet. Das Mitverschulden bleibt gemäß Art. 1083 Abs. 2 Satz 4 ZGB

unberücksichtigt, wenn es um den Ersatz zusätzlicher Aufwendungen (Art. 1085) geht, den

Ersatz von Schaden, der im Zusammenhang mit dem Tod des Ernährers zugefügt wurde

(Art. 1089 ZGB) sowie beim Ersatz von Bestattungskosten (Art. 1084 ZGB). Bei einer

Haftung ohne Verschulden und grobe Fahrlässigkeit des Geschädigten kann der

Schadensersatz ganz verweigert werden (Art. 1083 Abs. 2 Satz 2 ZGB), allerdings gilt das

nicht für Körperverletzungen (Art. 1083 Abs. 2 Satz 3 ZGB). Daher ist diese Vorschrift für

Sportverletzungen irrelevant.

In Deutschland gibt es keine vergleichbaren Regelungen. § 254 BGB bestimmt vielmehr, dass

bei einem Mitverschulden des Geschädigten die Verpflichtung zum Ersatz sowie des

Umfangs des zu leistenden Ersatzes von den Umständen abhängt, inwieweit der Schaden

vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Bestimmung

des Umfangs des Mitverschuldens ist somit nach deutschem Recht eine konkrete

Einzelfallbetrachtung.

6. Haftungsausfüllende Kausalität

Im deutschen Recht wird klar zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender

Kausalität unterschieden.

Im russischen Recht wird ebenfalls eine haftungsausfüllende Kausalität, d. h. ein

Zusammenhang zwischen rechtswidrigem Verhalten des Schädigers und den Schadensfolgen

verlangt. Bei Schäden an Leben und Gesundheit (und somit auch bei Sportverletzungen) wird

ausdrücklich zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität

unterschieden: Es muss ein Kausalzusammenhang zwischen Handlung des Schädigers und der

Gesundheitsschädigung und ein Zusammenhang zwischen der Gesundheitsschädigung und

dem geltend gemachten Vermögensschaden bestehen.161

7. Schadenshöhe

Sowohl in Deutschland als auch in der Russischen Föderation kommt bei Sportverletzungen

sowohl der Ersatz materieller als auch der Ersatz immaterieller Schäden in Betracht.

a) Ersatz des materiellen Schadens:

161 Vgl. die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation in: Bjuleten‘ Verchovnogo Suda Rossiskoj Federacii 1993, Nr. 8, S. 4; Fajzutdinov in: Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodesksu Rossijskoj Federacii časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 6 zu Art. 1064; Sergeev in: Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 47.

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74

In der Russischen Föderation besteht der Grundsatz des vollen Schadensersatzes (Art. 15,

1064 Abs. 1 Satz 1 ZGB). In Deutschland bestimmt § 249 BGB, dass der Schädiger den

Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand

nicht eingetreten wäre. Der Geschädigte muss somit sowohl nach deutschen als auch nach

russischem Recht grundsätzlich so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis

dastünde.

Das russische Recht (Art. 1082 ZGB) sowie das deutsche Recht (§ 249 BGB) kennen sowohl

den Schadensersatz in natura als auch den Ersatz zugefügter Schäden in Geld. In der

Russischen Föderation kommt aber bei Verletzung von Leben und Gesundheit ein

Schadensersatz in natura nicht in Betracht (auch wenn der Schädiger Arzt ist), es sei denn, der

Geschädigte stimmt dem zu.162 In Deutschland bestimmt § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB

ausdrücklich, dass im Falle der Verletzung einer Person der Gläubiger statt der Herstellung

den erforderlichen Geldbetrag verlangen kann.

In der Russischen Föderation gibt es bei Schäden an Leben und Gesundheit in den Art. 1085-

1094 ZGB ausführliche Sonderregelungen zur Höhe des Schadensersatzes. Dies ist historisch

bedingt; bereits in der UdSSR gab es ähnlich detaillierte Regelungen hierüber. Der Grund

dafür bestand vermutlich darin, dass in der UdSSR die Zahlung eines Schmerzensgeldes

gesetzlich nicht vorgesehen war.163 Daher gab es zumindest umfangreiche Regelungen

hinsichtlich des Ersatzes materieller Schäden, bei Schäden an Leben und Gesundheit, damit

zumindest in dieser Hinsicht der Geschädigte einen umfangreichen Schadensersatz erhält.

In Deutschland gelten auch hinsichtlich des Ersatzes materieller Schäden bei Schäden an

Leben und Gesundheit die allgemeinen Vorschriften der §§ 249-252 BGB, die auch für den

Ersatz aller anderen materiellen Schäden gelten. Zusätzlich gibt es einige Sonderregelungen,

nämlich in § 842 BGB (Ersatz von Nachteilen für den Erwerb und das Fortkommen einer

verletzten Person), in § 843 BGB (Geldrente oder Kapitalabfindung bei Minderung der

Erwerbsfähigkeit infolge einer Verletzung von Körper oder Gesundheit) und in

§§ 844, 845 BGB (Ersatzansprüche Dritter bei Tötung).

In der Russischen Föderation ist genau in den Art. 1085 ff. ZGB aufgezählt, welche

materiellen Schäden bei Körperverletzungen zu ersetzen sind. In Deutschland gibt es

hingegen nur einige grundsätzliche Regenlungen in den §§ 249, 842 ff. BGB. Die

Einzelheiten dazu, welche materiellen Schäden bei Körperverletzungen zu ersetzen sind,

wurden hingegen durch die Rechtsprechung der deutschen Gerichte herausgearbeitet.

162 Vgl. Korneev in Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 396.163 Vgl. die Einzelheiten zur gesetzlichen Entwicklungsgeschichte bei Wölk, Das Deliktsrecht Russlands nach

dem neuen Zivilgesetzbuch, Frankfurt am Main 2003, S. 275 ff.

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75

In der Russischen Föderation sind nach Art. 1085 Abs. 1 ZGB folgende Schäden bei

Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen ersatzfähig:

- Der Verdienst/das Einkommen, den/das der Geschädigte bezogen hatte oder mit

Sicherheit in Zukunft hätte erhalten können, wenn der Geschädigte infolge der

Gesundheitsschädigung nicht mehr in der Lage ist, seine frühere Tätigkeit oder seine

bisherige Arbeit auszuüben. Auch entfallendes Einkommen aus unternehmerischer

Tätigkeit wird ersetzt.

Auch in Deutschland sind der Erwerbsminderungsschaden und der Schaden, der durch

Erschwerung des Fortkommens entstanden ist, zu ersetzen. Dazu gehört künftiger

Verdienst, sofern davon auszugehen ist, dass der Geschädigte diesen hätte erzielen

können.164 Nachteile für den Erwerb und das Fortkommen des Geschädigten sind bei

Körperverletzungen nach § 842 BGB zu ersetzen. Das erfordert eine Prognose des

Gerichts, gegebenenfalls hat das Gericht den Schaden nach § 287 ZPO zu schätzen.165

Nach § 252 BGB ist auch der entgangene Gewinn ersatzfähig, was insbesondere bei

unternehmerischer Tätigkeit des verletzten Sportlers von Relevanz ist. In Deutschland

besteht allerdings eine Pflicht zur Schadensminderung: Der Verletzte muss sich zur

Minderung des Schadens, z.B. angemessener ärztlicher Hilfe bedienen und alles tun,

um seine Erwerbsfähigkeit widerherzustellen.166

- Zur Höhe des zu ersetzenden ausgefallenen Verdienstes/Einkommens gibt es in der

Russischen Föderation in Art. 1086 Abs. 1 ZGB eine gesetzliche Regelung. Die Höhe

des ausgefallenen Verdienstes/Einkommens wird in Prozent nach dem

durchschnittlichen Monatsverdienst (Einkommen) vor der Körperverletzung oder

Gesundheitsschädigung oder vor Verlust der Erwerbsfähigkeit berechnet,

entsprechend dem Grad der durch den Geschädigten eingebüßten Erwerbsfähigkeit.

Wie ein durchschnittlicher Monatsverdienst zu berechnen ist, ist in

Art. 1086 Abs. 2 ZGB geregelt. Einzubeziehen sind alle einkommensteuerpflichtigen

Arten von Arbeitsvergütung und zwar aus der hauptberuflichen und der

nebenberuflichen Tätigkeit. Nicht mit einzubeziehen sind hingegen einmalige

Zahlungen wie Kündigungsabfindungen oder Abfindungen für nicht genommenen

Urlaub. Leistungen für zeitweilige Arbeitsunfähigkeit oder Schwangerschafts- und

Mutterschaftsurlaub werden hingegen berücksichtigt. Der durchschnittliche

164 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 252 Rn. 8.165 BGH NJW 1998, 1633; NJW 2000, 3287.166 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 254 Rn. 38.

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Monatsverdienstes/das durchschnittliche Monatseinkommen wird dadurch berechnet,

dass der Verdienst/das Einkommen der letzten zwölf Monate durch zwölf geteilt wird.

Falls der Geschädigte nicht zwölf Monate lang beschäftigt war, wird die tatsächliche

Beschäftigungszeit herangezogen (Art. 1086 Abs. 3 ZGB). Falls der Geschädigte

keiner Beschäftigung nachgegangen ist, ist der Verdienst vor der Kündigung der

letzten Arbeitsstelle oder die ortsübliche Vergütung eines Arbeitnehmers dieser

Qualifikation oder mindestens das Fünffache des gesetzlichen Mindestarbeitslohns,

mindestens jedoch das gesetzlich festgelegte Existenzminimum der arbeitsfähigen

Bevölkerung der Russischen Föderation zugrunde zu legen (Art. 1086 Abs. 4 ZGB).

Diese Vorschrift dürfte insbesondere bei Sportlern relevant sein, die weder mit dem

Sport noch anderweitig ein Einkommen erzielen.

Hat sich vor der Körperverletzung der Verdienst/das Einkommen dauerhaft verbessert

(z. B. durch Gehaltserhöhung, Beförderung, Abschluss eines Studiums), ist nur das

Einkommen nach der Verbesserung zugrunde zu legen (Art. 1086 Abs. 5 ZGB).

In Deutschland gibt es hingegen keine gesetzlichen Regeln zur Berechnung des

Verdienstausfalls bzw. des entfallenen Einkommens. Dieser (dieses) wird vielmehr

konkret im Einzelfall berechnet. Dabei sind ersparte Aufwendungen (bei Sportlern

z.B. für Fahrten zum Training oder Wettkämpfen, Trainingskosten) gegenzurechnen.

- Nach Art. 1085 Abs. 2 Satz 1 ZGB werden Renten, Beihilfen etc., die der

Geschädigte im Zusammenhang mit der Körperverletzung erhalten hat, nicht mit

berücksichtigt und ziehen keine Minderung des Schadensersatzes nach sich. Auch

nicht berücksichtigt wird der Verdienst (das Einkommen), das der Geschädigte

nach der Gesundheitsschädigung erhält (Art. 1085 Abs. 2 Satz 2 ZGB). Damit ist

nicht das Einkommen gemeint, dass der Geschädigte mit seiner verbliebenen

Berufsfähigkeit erzielen könnte, sondern welches er tatsächlich erzielt. Wenn ein

Geschädigter aufgrund eines Berufswechsels mehr verdient als vor der

Gesundheitsschädigung, beeinflusst das daher die Höhe des zu ersetzenden Schadens

nicht.167

In Deutschland ist es hingegen so, dass bei der Zahlung von Renten,

Versicherungssummen etc. die Forderung des Geschädigten gegen den Schädiger in

der Regel in Höhe des gezahlten Betrages auf den Sozialversicherungsträger168 oder

167 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 50.168 Vgl. § 116 SGB X.

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die Versicherung übergeht, die dann den Schaden in Höhe des gezahlten Betrages

gegen den Schädiger geltend machen können.

Der nach Art. 1086 Abs. 2-5, 1085 Abs. 2 ZGB ermittelte Monatsverdienst ist sodann

zum Grad des Verlustes der Berufsunfähigkeit bzw. der allgemeinen Erwerbsfähigkeit

in Relation zu setzen. Wenn der Geschädigte nur zeitweise erwerbsunfähig ist, wird

der Verdienst nur in diesem Zeitraum ersetzt.169

In Deutschland gibt es keine vergleichbaren gesetzlichen Regelungen. Die Höhe des

Verdienstausfalles orientiert sich vielmehr an den konkreten Einbußen.

Nach Art. 1085 Abs. 1 ZGB sind auch durch die Gesundheitsschädigung bedingten

zusätzlichen Aufwendungen zu ersetzen, wie medizinische Behandlung, zusätzliche

Ernährung, Erwerb von Arzneimitteln, Versorgung mit Prothesen, Fremdpflege,

Kurbehandlung, Anschaffung von Sonderfahrzeugen, Umschulung auf einen anderen

Beruf, wenn festgestellt wird, dass der Geschädigte dieser Art von Hilfe und Pflege

bedarf und keinen Anspruch auf deren kostenlose Gewährung hat. In

Art. 1085 Abs. 1 ZGB sind dabei nur Beispiele genannt, es handelt sich um keine

abschließende Aufzählung der zu ersetzenden zusätzlichen Aufwendungen.170

Auch in Deutschland sind die Kosten für Heilung und Pflege sowie die Kosten für

vermehrte Bedürfnisse zu ersetzen, gegebenenfalls auch Fahrtkosten von

Angehörigen, um den Geschädigten im Krankenhaus zu besuchen, Aufwendungen für

die berufliche Rehabilitation oder die Umschulung. Eine besondere gesetzliche

Regelung darüber gibt es nicht, vielmehr ergibt sich dies unmittelbar aus § 249 BGB.

Zudem sieht § 843 Abs. 1 BGB vor, dass u. a. bei Vermehrung der Bedürfnisse des

Geschädigten eine Geldrente oder ggf. eine Kapitalabfindung zu zahlen ist.

Besonderheiten des Schadensersatzes bei Schädigung der Gesundheit von Minderjährigen

werden in der Russischen Föderation in Art. 1087 ZGB geregelt. Minderjährige bis 14 Jahre

erhalten neben den in Art. 1085 Abs. 1 ZGB vorgesehenen zusätzlichen Aufwendungen

weitere ersetzt, z. B. die für häusliche Lehrmaterialien (vgl. Art. 1087 Abs. 1 ZGB).

Minderjährige im Alter von 14 bis 18 Jahren erhalten den ihnen entstandenen Verdienstausfall

ersetzt, wenn sie arbeiten. Diese Regelung dürfte für junge Profisportler von Bedeutung sein.

Ersetzt wird der tatsächliche Verdienstausfall. Aber auch dann, wenn Minderjährige im Alter

von 14-18 Jahren nicht arbeiten, wird ihnen der Erwerbsschaden ersetzt, weil davon

ausgegangen wird, dass sie arbeiten könnten. Es ist in diesem Fall das Fünffache des

169 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 49.170 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 51.; Suchanov, Graždanskoe

pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 430.

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gesetzlich festgelegten Mindestarbeitslohns bzw. die Höhe des Existenzminimums der

arbeitsfähigen Bevölkerung der Russischen Föderation zu zahlen (Art. 1087 Abs. 2 ZGB).

Nach Beginn einer Erwerbstätigkeit können minderjährige Verletzte unter den

Voraussetzungen des Art. 1087 Abs. 4 ZGB eine Erhöhung des Verdienstausfallschadens

verlangen.

In Deutschland wird Minderjährigen ein Verdienstausfall ersetzt, wenn die Minderjährigen

tatsächlich ein eigenes Einkommen hatten. Bei Verletzungen vor Eintritt in das Berufsleben

ist nach § 287 ZPO zu schätzen, wie der berufliche Weg des Verletzten nach seinen

persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften voraussichtlich verlaufen wäre.171 Zusätzliche

Aufwendungen werden Minderjährigen in Deutschland ebenfalls ersetzt, wenn diese z. B. für

die Ausbildung des Minderjährigen erforderlich sind.

Sowohl das deutsche als auch das russische Recht sehen bei Verletzungen oder Tötungen

unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansprüche Dritter auf Schadensersatz vor.

Stirbt ein Sportler an der ihm zugefügten Sportverletzung, können nach russischem Recht die

in Art. 1088 ZGB genannten Personen Schadensersatz verlangen. Zu diesem Personenkreis

gehören Nichterwerbsfähige, denen gegenüber der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes

unterhaltspflichtig war, Kinder, die nach dem Tod des Verstorbenen geboren wurden,

Familienangehörige, die minderjährige oder pflegebedürftige Kinder, Enkel und Geschwister

des Verstorbenen betreuen sowie Personen, die vom Verstorbenen Unterhalt bezogen haben

und innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod erwerbsunfähig geworden sind. Zeitlich

begrenzt wird die Verpflichtung durch Art. 1088 Abs. 2 ZGB: Danach erhalten Unterhalt:

- Minderjährige bis zum Alter von 18 Jahren,

- Schüler und Studenten bis zum Abschluss der Ausbildung, aber nicht länger als bis

zum 23. Lebensjahr,

- Frauen über 55 und Männern über 60 auf Lebenszeit,

- Behinderte im gesamten Zeitraum der Behinderung,

- Betreuende bis der Betreute 14 Jahre wird oder sich sein Gesundheitszustand ändert.

Die Höhe des Schadensersatzes wird nach Art. 1086 ZGB berechnet (vgl. Art. 1089 Abs. 1

ZGB). Die Gläubiger sollen jeweils den Anteil des monatlichen Verdienstes (Einkommens)

des Getöteten erhalten, der ihnen zu Lebzeiten des Getöteten zustand. Bestimmte Anteile

(etwa der Eigenanteil des Verstorbenen) sind dabei aus dem Verdienst (dem Einkommen) des

Getöteten herauszurechnen. Art. 1089 Abs. 3 ZGB schreibt eine Neuberechnung des zu

zahlenden Schadensersatzes vor, wenn sich die Zahl der Gläubiger erhöht oder verringert.171 Vgl. BGH, NJW 2011, 1148.

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79

Zu ersetzen sind vom Schädiger zudem die Bestattungskosten (Art. 1094 ZGB).

In Deutschland hat bei der Tötung eines Sportlers der Ersatzpflichtige die Beerdigungskosten

nach § 844 BGB zu tragen. Unterhaltsberechtigte des Getöteten können nach § 844 Abs. 2

BGB Schadensersatz verlangen, und zwar eine Geldrente für den Zeitraum, für den der

Getötete während seines mutmaßlichen Lebens dem Unterhaltsberechtigten hätte Unterhalt

zahlen müssen. Die Regelung gilt auch für Kinder, die zum Zeitpunkt der Verletzung/Tötung

des Sportlers gezeugt, aber nicht geboren waren.

§ 845 BGB sieht einen weiteren Anspruch auch Schadensersatz im Falle einer Tötung, aber

auch im Fall einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung vor, den das russische

Recht nicht kennt, nämlich den Ersatzanspruch wegen entgangener Dienste

(Haushaltsführungsschaden), wenn der Geschädigte einem Dritten zur Leistung von

Diensten in dessen Hauswesen oder Gewerbe verpflichtet war.

Die Höhe des nach russischem Recht zu zahlenden Schadensersatzes nach Art. 1085 ZGB

kann durch Gesetz oder Vertrag erhöht werden, Art. 1085 Abs. 3 ZGB. In Deutschland ist das

selbstverständlich ebenfalls der Fall, auch wenn das nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt

wird.

In der Russischen Föderation kann die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes unter den

Voraussetzungen des Art. 1090 ZGB nachträglich geändert werden. Der Geschädigte kann

eine Änderung verlangen, wenn sich seine Erwerbsfähigkeit verringert (Art. 1090 Abs. 1

ZGB). Der Schädiger kann eine Änderung verlangen, wenn sich die Erwerbsfähigkeit des

Geschädigten verbessert hat (Art. 1090 Abs. 2 ZGB).

In Deutschland ist die Änderung der Höhe eines durch Gerichtsurteil zugesprochenen

materiellen Schadensersatzes grundsätzlich wegen materieller Rechtskraft von Urteilen nicht

möglich. Allerdings kann der Verurteilte unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO (bei

Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen tritt eine wesentliche Veränderung der

Verhältnisse ein) eine Abänderungsklage erheben. Wenn der Geschädigte während des

laufenden Schadensersatzprozesses noch nicht absehen kann, ob ihm künftig weitere Schäden

wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes entstehen werden, kann er einen

Antrag auf Feststellung der Verpflichtung des Schädigers stellen, dass dieser dem

Geschädigten künftige materielle Schäden zu ersetzen hat, wenn sich sein (des Geschädigten)

Gesundheitszustand verschlechtert.

In der Russischen Föderation sieht Art. 1091 ZGB eine Indexierung des Schadensersatzes bei

Steigerung der Lebenshaltungskosten vor, und zwar proportional zur Steigerung des

gesetzlich festgelegten Existenzminimums in dem entsprechenden Subjekt der Russischen

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80

Föderation.

In Deutschland gibt es kein gesetzlich festgelegtes Verfahren für eine Berücksichtigung der

Steigerung der Lebenshaltungskosten bei Ermittlung der Höhe des zu zahlenden

Schadensersatzes. Eine Steigerung der Lebenshaltungskosten muss von den Gerichten

allerdings bei in der Festlegung von in Zukunft wiederkehrenden Leistungen berücksichtigt

werden.

In der Russischen Föderation kann bei der Bestimmung der Schadenshöhe auch die

Vermögenslage des Schädigers berücksichtigt werden und zu einer Herabsetzung der Höhe

des Schadensersatzes führen. Das ist jedoch bei vorsätzlich zugefügten Sportverletzungen

ausgeschlossen (Art. 1083 Abs. 3 ZGB). Diese Vorschrift könnte bei Sportverletzungen etwa

dann zum Tragen kommen, wenn der Schädiger ein vermögensloser Amateursportler ist,

dagegen nicht, wenn es sich um gutbezahlte Profisportler handelt. Es kann aber nachträglich

vom Geschädigten eine Erhöhung verlangt werden, wenn sich die Vermögenslage des

Schädigers verbessert hat (vgl. Art. 1090 Abs. 3 ZGB). Der Schädiger kann eine nachträgliche

Herabsetzung der Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes verlangen, wenn sich seine

Vermögenslage wegen Behinderung oder Eintritt in das Rentenalter verschlechtert hat

(vgl. Art. 1090 Abs. 4 ZGB).

In Deutschland gibt es keine vergleichbare Regelung über die Berücksichtigung der

Vermögenslage des Schädigers. Es gibt nur eine Billigkeitshaftung, wenn der Schaden von

einer nicht deliktsfähigen Person zugefügt wurde, kein Ersatz von einem Aufsichtspflichtigen

erlangt werden kann und der Schädiger über entsprechende Geldmittel verfügt

(vgl. § 829 BGB).

In der Russischen Föderation wird der Schadensersatz aufgrund einer Minderung der

Erwerbstätigkeit oder des Todes des Geschädigten grundsätzlich monatlich ausgezahlt (vgl.

Art. 1092 Abs. 1 Satz 1 ZGB). Aus wichtigen Gründen und unter Berücksichtigung der

Möglichkeiten des Schädigers kann auf Verlangen des Anspruchsberechtigten die Auszahlung

des Schadensersatzes in Form eines Gesamtbetrages aus monatlichen Zahlungen für

höchstens drei Jahre vom Gericht beschlossen werden (vgl. Art. 1092 Abs. 1 Satz 2 ZGB). In

Betracht kommt das z. B. bei einem Umzug des Schädigers ins Ausland oder einer

schwierigen Vermögenslage des Geschädigten.172 Nach der einmaligen Zahlung für drei Jahre

sind weitere monatliche Zahlungen möglich.173 Der Ersatz von zusätzlichen Aufwendungen

kann vom Gericht ebenfalls für die Zukunft beschlossen werden (vgl. Art. 1092 Abs. 2 ZGB).

172 Vgl. Sergeev in Sergeev/Tolstoj, Graždanskoe pravo, Band 3, 3. Aufl. 2001, S. 56.173 Vgl. Gljancev in Sadikov, Kommentarij k Graždanskomu kodeksu RF časti vtoroj, 3. Aufl. 1999, Anm. 2 zu

Art. 1092.

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In Deutschland ist dann, wenn wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die

Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert wird oder eine Vermehrung

seiner Bedürfnisse eingetreten ist, gemäß § 843 BGB grundsätzlich eine monatliche

Geldrente (gemäß § 760 BGB im Voraus) zu zahlen. Bei Vorliegen eines wichtigen

Grundes kann der Geschädigte gemäß § 843 Abs. 3 BGB eine Abfindung in Kapital

verlangen.

b) Ersatz des immateriellen Schadens:

Im ZGB der Russischen Föderation befinden sich in Art. 12 und 151 allgemeine sowie in den

Art. 1099-1101 spezielle Vorschriften für das Deliktsrecht, die den Ersatz des sogenannten

„moralischen Schadens“ regeln. Der immaterielle (moralische) Schaden wird in Art. 151 ZGB

als „körperliche und seelische Leiden“ definiert. Ein immaterieller Schaden dürfte daher

grundsätzlich bei allen Arten von Sportverletzungen zu ersetzen sein.

Im deutschen BGB ist in § 253 Abs. 2 folgende Regelung enthalten: Ist wegen der Verletzung

des Körpers, der Gesundheit u. a. Schadenersatz zu leisten, kann neben dem Schaden, der

nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Somit sind

auch in Deutschland immaterielle Schäden im Zusammenhang mit Sportverletzungen

grundsätzlich zu ersetzen.

In der Russischen Föderation wird der immaterielle Schaden unabhängig vom materiellen

Schaden ersetzt (Art. 1099 Abs. 3 ZGB). Es handelt sich um prozessual getrennte Ansprüche.

Auch die Höhe des immateriellen Schadens ist unabhängig von der Höhe des materiellen

Schadens.

In Deutschland ist die Höhe des immateriellen Schadens ebenfalls unabhängig von der Höhe

des materiellen Schadens. In der Gerichtspraxis werden materielle und immaterielle

Ansprüche durch separate Klageanträge geltend gemacht.

Immaterielle Schäden werden sowohl in der Russischen Föderation (vgl. Art. 1101 ZGB) als

auch in Deutschland (vgl. § 253 Abs. 2 BGB) in Geld ersetzt.

In der Russischen Föderation setzt der Ersatz des immateriellen Schadens grundsätzlich ein

Verschulden (also Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schädigers) voraus. Der immaterielle

Schaden ist aber gemäß Art. 1100 ZGB bei Körperverletzungen oder im Falle des Todes (also

auch bei Sportverletzungen) unabhängig vom Verschulden des Schädigers zu zahlen, wenn er

von einer Quelle erhöhter Gefahr verursacht wurde.

In Deutschland war die Vorschrift des § 847 BGB a.F., der bis zum Inkrafttreten des

§ 253 BGB n.F. die Zahlung von Schmerzensgeld regelte, nicht auf

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Gefährdungshaftungstatbestände außerhalb des BGB anwendbar, sondern nur im

Zusammenhang mit der Haftung nach den §§ 823 ff. BGB. Im Jahr 2002 wurden die

Spezialgesetze über die Gefährdungshaftung aber dahingehend geändert, dass jetzt auch bei

immateriellen Schäden eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden kann.

In der Russischen Föderation können Angehörige eines Geschädigten (insbesondere eines

Getöteten) einen eigenen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 151 ZGB

haben, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, also das psychische Wohlergehen und

damit die Gesundheit des Angehörigen beeinträchtigt ist.174 Dies wird bereits bei einer

Beeinträchtigung der familiären Beziehungen und einer Beeinträchtigung des Rechts auf

elterliche Sorge angenommen.175 In Deutschland ist nahen Angehörigen eines

Verletzten/Getöteten der immaterielle Schaden auch nur dann zu ersetzen, wenn der Körper

oder die Gesundheit des Angehörigen aufgrund der Verletzung (des Todes) des Angehörigen

beeinträchtigt ist, etwa wenn ein Angehöriger den Tod des Geschädigten miterlebt hat oder

bei Erhalt der Todesnachricht einen Schock erleidet.176 Allein eine Beeinträchtigung der

familiären Beziehungen ist in Deutschland nicht ausreichend, wenn ein Angehöriger einen

eigenen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden geltend machen möchte.

Die Höhe des Ersatzes immaterieller Schäden:

Gesetzliche Vorgaben für die Höhe des immateriellen Schadensersatzes (Schmerzensgeld)

gibt es im sowohl im russischen als auch im deutschen Recht nicht. Die ziffernmäßige Höhe

muss von Fall zu Fall vom Gericht nach billigem Ermessen bestimmt werden.

In der Russischen Föderation werden allerdings in Art. 1101 und Art. 151 ZGB Kriterien

genannt, an denen sich die Höhe des Ersatzes von immateriellen Schäden orientieren soll.

Gemäß Art. 1101 Abs. 2 ZGB sind folgende Kriterien zu beachten:

Art des dem Geschädigten zugefügten körperlichen und seelischen Leids. Auch in

Deutschland ist in erster Linie die Schwere der Verletzung von Bedeutung. Die Art,

der Umfang und die Dauer der Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen

Wohlbefindens und die (Dauer-)Folgen für die Gesundheit sind für den Geschädigten

entscheidend. Maßgeblich sind die Größe, die Dauer, die Heftigkeit der Schmerzen,

Leiden, Entstellungen, die Dauer der Heilbehandlung, die Dauer der

Arbeitsunfähigkeit, die Unübersehbarkeit des Krankheitsverlaufs, die Fragwürdigkeit

der endgültigen Heilung, aber auch das Ausmaß und die Schwere von psychischen

174 Vgl. Punkt 2 des Beschlusses Nr. 10 des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation vom 20.12.1994, Bjuleten‘ Verchovnogo Suda Rossijskoj Federacii 1995, Nr. 3, S. 9; Ėrdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 102 ff.

175 Vgl. Ėrdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 104.176 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, vor § 249 Rn. 40.

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Störungen. Bei schnell ausgeheilten Sportverletzungen ist der immaterielle Schaden

daher deutlich geringer als bei Verletzungen mit Dauerfolgen.

Hinsichtlich des genauen Betrages, den es für die jeweiligen Verletzungen gibt, gibt es

in Deutschland umfangreiche Schmerzensgeldtabellen177, in denen aufgeführt ist, in

welcher Höhe Gerichte für welche Verletzungen welchen Betrag zuerkannt haben. In

Russland ist Vergleichbares noch nicht entwickelt worden. In der Literatur gibt es aber

Tabellen (zum Beispiel die von Erdelevskij178), in denen Beispiele genannt werden, für

welche Art von Verletzung in welcher Höhe der immaterielle Schaden zu ersetzen ist.

Die Bemessung erfolgt dabei in Mindestarbeitslöhnen und nicht in festen Beträgen,

zum Beispiel: Zufügung eines schweren Gesundheitsschadens 576

Mindestarbeitslöhne, Zufügung eines mittelschweren Gesundheitsschadens 216

Mindestarbeitslöhne, Zufügung eines leichten Gesundheitsschadens 24

Mindestarbeitslöhne, Zufügung von Schlägen (ohne Gesundheitsschaden) 18

Mindestarbeitslöhne. Insgesamt dürften die Beträge, die in der Russischen Föderation

als Ersatz immaterieller Schäden zugesprochen werden, unter den in Deutschland

üblichen Beträgen liegen.

Sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht können auch zukünftige

Leiden berücksichtigt werden, die der Verletzte wahrscheinlich durchmachen wird. 179

Wenn die Schadensersatzpflicht vom Verschulden abhängt, ist außerdem das

Schuldmaß des Schädigers bei der Höhe des Ersatzes des immateriellen Schadens zu

berücksichtigen. Wenn zum Beispiel ein Sportler seinen Gegner vorsätzlich und unter

Verstoß gegen die Regeln kampfunfähig macht, muss der Ersatz des immateriellen

Schadens höher ausfallen, als wenn die Verletzung nur auf ein fahrlässig regelwidriges

Verhalten zurückzuführen ist. Das Ausmaß des Verschuldens kann in Deutschland

ebenfalls bei der Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes mitberücksichtigt

werden.180

Grundsätze der Angemessenheit und der Gerechtigkeit: Diese Grundsätze dürften

in Deutschland ebenso maßgeblich sein. Gesetzlich ist das in Deutschland in

§ 253 Abs. 2 BGB mit den Worten „billige Entschädigung“ verankert.

Tatsächliche Umstände, unter denen der Schaden zugefügt wurde: In diesem

Bereich können Besonderheiten des Sports berücksichtigt werden, etwa der Umstand, 177 Hacks, Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 31. Aufl. 2012; Slizyk, Beck‘sche Schmerzensgeldtabelle,

9. Auf. 2013; Slizyk/Schlindwein, Schmerzensgeld-Datenbank.178 Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 195 ff.179 Vgl. für das russische Recht: Suchanov, Graždanskoe pravo, Band 2, Halbband 2, 2. Aufl. 2002, S. 431;

Ramzaev in Cybulenko, Graždanskoe pravo Rossii. Čast pervaja, 1. Aufl. 2000, S. 164.180 Vgl. Palandt-Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 253 Rn. 17.

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dass sich der Geschädigte durch die Teilnahme am Sport bestimmten Risiken

ausgesetzt hat. In Deutschland könnte das ebenfalls bei der Bemessung des

Schmerzendgeldes berücksichtigt werden.

Individuelle Besonderheiten des Geschädigten: Hierzu zählen zum Beispiel das

Alter, das Geschlecht und der Gesundheitszustand des Geschädigten.181 Inwieweit

auch die individuelle Psyche des Geschädigten, also z. B. eine besondere

Empfindlichkeit des Verletzten, darunter fällt, ist umstritten.182 Bei Sportverletzungen

könnte hier u. U. berücksichtigt werden, dass für einen Sportler die Gesundheit

besonders wichtig ist und Beeinträchtigungen einen Sportler (insbesondere einen

erfolgreichen Sportler) härter treffen als andere Personen.

In Deutschland dürfte man zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Bei Leistungssportlern

könnte sich auch auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken, dass für diese die

Gesundheit besonders wichtig ist und sie durch lange Verletzungspausen erheblich in

ihrem Fortkommen beeinträchtigt werden. Übertriebene individuelle

Empfindlichkeiten müssen nach deutschem Recht hingegen außer Betracht bleiben.

Berücksichtigt werden können auch folgende Kriterien:

- Sonstige erörterungswürdige Umstände (vgl. Art. 151 ZGB): Was damit gemeint

ist, ist unklar. Die „sonstigen Umstände“ können auch im Zusammenhang mit der

Frage der Angemessenheit berücksichtigt werden.

- Vermögenslage des Geschädigten: Inwieweit die Vermögenslage des Geschädigten

zu berücksichtigen ist, ist in der russischen Rechtswissenschaft umstritten. Erwogen

wird dies teilweise nur bei Verletzung von Vermögensrechten, bei Körperverletzungen

hingegen abgelehnt, wobei zutreffend darauf verwiesen wird, dass es die Prinzipien

der Angemessenheit und Gerechtigkeit verletzt, wenn ein Geschädigter, der über mehr

Geld verfügt, einen höheren Ersatz des immateriellen Schaden bekommen soll als ein

Geschädigter, der ein geringeres Vermögen hat. Nur die Vermögenslage des

Schädigers darf nach Art. 1083 Abs. 3 ZGB berücksichtigt werden.183 Nach anderer

Ansicht soll auch bei Körperverletzungen die Vermögenslage des Geschädigten

berücksichtigt werden können, weil bei einer Person mit einem hohen Einkommen ein

größerer Betrag notwendig sei, um die erlittenen körperlichen und seelischen Leiden

zu kompensieren.184 In Deutschland ist davon auszugehen, dass besonders günstige

181 Vgl. Ėrdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 180.182 Dafür z. B. Uskov, Rossijskaja Justicija 2000, Nr. 12, S. 25, dagegen z. B. Gavrilov, Rossijskaja Justicija

2000, Nr. 6, S. 22.183 Vgl. Erdelevskij, Kompensacija moral’nogo vreda, Moskau 2000, S. 204 ff.184 Vgl. Uskov, Rossijskaja Justicija 2000, Nr. 12, S. 25.

Page 85: Tagungsband Entwurf Internetfassung

85

oder ungünstige Vermögensverhältnisse des Verletzten keinen Grund darstellen, das

Schmerzensgeld zu erhöhen oder zu mindern.185

Das Mitverschulden des Geschädigten ist auch beim Ersatz immaterieller Schäden sowohl

im russischen Recht nach den Regeln des Art. 1083 ZGB als auch im deutschen Recht nach

§ 254 BGB zu berücksichtigen.

185 Vgl. Palandt-Gründeberg, 72. Aufl. 2013, § 253 Rn. 16.

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86

Sportschiedsgerichtsbarkeit: Tendenzen und Erfahrungen im östlichen Europa

RA Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M. (Leuven), DüsseldorfDie Olympischen Spiele in London vor der „Ad-Hoc-division“ des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs (CAS)186

I. Wesen und Geschichte des CAS und seiner Ad-Hoc-division

Vor dem Hintergrund der stetig voranschreitenden Professionalisierung des Sports und der

damit einhergehenden erheblichen Zunahme sportrechtlicher Streitigkeiten stieß der damalige

Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch, im

Jahr 1981 die Diskussion über die Errichtung eines dauerhaften internationalen

Schiedsgerichts für den Sport an. Eine vom IOC eingesetzte Arbeitsgruppe arbeitete in der

Folge einen Entwurf aus, der auf ein flexibles, schnelles und kostengünstiges Schiedsgericht

mit sportspezifischer Expertise abzielte. Der Entwurf wurde 1983 vom IOC ratifiziert und trat

1984 in Kraft - die Geburtsstunde des CAS. Der erhebliche Einfluss des IOC auf den Inhalt

der CAS-Statuten und auf die Nominierung der Schiedsrichter sowie die Finanzierung aus

IOC-Mitteln setzten den CAS scharfer Kritik aus und führten letztlich infolge eines Urteils

des Schweizer Bundesgerichts im März 1993 (Rechtssache „Gundel“) zu einer

einschneidenden Reform des CAS, die die Unabhängigkeit des Gerichts gegenüber dem IOC

stärkte und im November 1994 in Kraft trat.187 Seither entsprechen die Statuten des CAS den

Anforderungen eines sog. „echten“ Schiedsgericht188, insbesondere dem Neutralitätsgebot.

Seit 1996 werden für Olympische Spiele sogenannte ad-hoc-Schiedsgerichte des CAS

gebildet, die für bestimmte, vor und während dieser Veranstaltung auftretende,

Rechtsstreitigkeiten zuständig sind. Ziel dieses ad-hoc-Schiedsgerichts ist es

Olympiateilnehmern vor Ort eine Schiedsinstanz zu bieten, die Streitigkeiten sofort -

innerhalb von 24 Stunden - und abschließend entscheidet.189 Das ad-hoc-Schiedsgericht

unterliegt eigenen Regeln.190 Danach ist es zuständig bei jeglicher Art von Streitigkeiten, die

von der Olympischen Charta umfasst sind, sofern sie während der Olympischen Spiele oder

186 Tribunal Arbitral du Sport (TAS) oder Court of Arbitration for Sport (CAS).187 Stephan Netzle, Das Internationale Sport-Schiedsgericht in Lausanne. Zusammensetzung, Zuständigkeit und

Verfahren, in „Sportgerichtsbarkeit“, Recht und Sport Band 22 (Hrsg. Volker Röhricht) S. 17.188 Vgl. hierzu Schimke/Eilers, Vereins- und Verbandsrecht, in „Handbuch des Sportrechts“ (Hrsg. Martin

Nolte und Johannes Horst) S. 110 f. m.w.N.189 Stephan Netzle, aaO, S. 17.190 Siehe hierzu http://www.tas-cas.org/adhoc-rules.

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87

während eines Zeitraumes von 10 Tagen vor der Eröffnungsveranstaltung entstehen. Eine

Besonderheit besteht für die Parteien darin, dass sie die Möglichkeit haben, einen rechtlichen

Vertreter aus einem sog. „pro-bono-panel“ auszuwählen, d. h. einer Liste von Fachanwälten

vor Ort, von denen sie sich dann vor dem ad-hoc-Schiedsgericht unentgeltlich und kurzfristig

vertreten lassen können.

II. Arbeit des ad-hoc-Schiedsgerichts in London (2012)

Insgesamt hatte das ad-hoc-Schiedsgericht in London elf Streitverfahren zu entscheiden.

Es handelte es sich dabei zum Einen um Anträge von Sportlern, die von ihrem Verband

entweder für die Teilnahme an den Spielen nicht berücksichtigt oder kurzfristig

ausgeschlossen wurden, sog. „Nominierungsstreitigkeiten“.191 In drei Verfahren ging es um

Verstöße gegen Dopingvorschriften.192 In zwei Fällen wurde die Wertung von Wettkämpfen

einzelner Disziplinen, sog. Tatsachenentscheidungen, auch „field-of-play-decisions“193

genannt, angegriffen. Solche Tatsachenentscheidungen werden nach ständiger CAS

Rechtsprechung in der Sache allerdings nicht überprüft oder korrigiert, es sei denn es geht um

Fälle von Betrug, Bestechung oder Manipulation anderer Art.

Da die Nominierungsstreitigkeiten einen Großteil der Verfahren in London ausmachten,

werden nachstehend zwei repräsentative Fälle skizziert. Zuvor soll ein „Exkurs“ zum Thema

„Nominierungsvoraussetzungen“ einen generellen Einblick in die Problematik gewähren.

191 Vgl. und näher dazu Simon Weiler, Nominierung als Rechtsproblem – Bestandsaufnahme und Perspektiven in „Spektrum des Sportrechts“ (Hrsg. Klaus Vieweg) S. 105 ff.

192 Siehe hierzu: Jan Sterba v. WADA (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6179/5048/0/Award20OG2012200520_FINAL_.pdf); ICF v. Jan Sterba (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6212/5048/0/Award2007.PDF); Gezzar v. FFA (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6208/5048/0/Sentence201220-2009.pdf).

193 Swedish NOC v. Swedish Triathlon Federation (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6238/5048/0/Decision2010.PDF); Russian NOC v. ISAF (http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6247/5048/0/Final20Award.PDF).

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88

III. Exkurs: Nominierungsvoraussetzungen

Die an den Olympischen Spielen teilnehmenden Sportler werden in Deutschland vom

Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) benannt. Hintergrund ist die Regel 44.2 der

Olympischen Charta (OC). Dort heißt es:

„Nur vom IOC anerkannte NOKs können Athleten zu den olympischen Spielen

anmelden.“

Mit der Olympischen Charta regelt der alleinige Veranstalter der Olympischen Spiele, das

Internationale Olympische Komitee (IOC), die Durchführung der Olympischen Spiele und

u.a. die Bedingungen des Zugangs zu den dort stattfindenden Wettbewerben.

In den Grundsätzen des DOSB-Präsidiums vom 17.01.2011 zur Nominierung der Olympia-

Mannschaft London heißt es u.a. wie folgt:

„Zuständigkeit und Befugnisse:

Das Präsidium des DOSB nominiert die Mitglieder der Olympiamannschaft London

2012[…]; bei der Nominierung der Athleten/innen und Betreuer/innen in den

Einzelsportarten stützt es sich auf die Vorschläge der jeweiligen Spitzenverbände. Das

Präsidium entscheidet abschließend und orientiert sich dabei an den nachfolgend

genannten Voraussetzungen und Zulassungsbedingungen für die Nominierung;

darüber hinaus würdigt es insbesondere auch die Persönlichkeit und das sportliche

Verhalten von Athleten/innen und Betreuer/innen. Das Präsidium ist in seiner

Entscheidung frei; ein Anspruch auf Nominierung besteht nicht. In Ausnahmefällen

kann das Präsidium Entscheidungen delegieren.[…]

Sportliche Voraussetzungen für die Athleten/innen:

Notwendige Voraussetzung für eine Nominierung ist das Erreichen von

Quotenplätzen. Darüber hinaus hat grundsätzlich der Leistungsnachweis einer

begründeten Endkampfchance bei den Olympischen Spielen London 2012 vorzuliegen.

Die Einzelheiten dieses Leistungsnachweises werden in den sportartspezifischen

Nominierungskriterien bestimmt, die der Geschäftsbereich Leistungsport des DOSB,

der jeweilige Spitzenverband und dessen Aktivensprecher/innen spezifisch für jede

Sportart, jedoch unter Wahrung der Chancengleichheit und der Vergleichbarkeit für

die gesamte Olympiamannschaft gemeinsam erarbeiten; dabei erfolgt keine

ausschließliche Orientierung an den Platzierungen in der jeweiligen unbereinigten

bzw. bereinigten Weltrangliste. […]“

Page 89: Tagungsband Entwurf Internetfassung

89

Maßgeblich sind daher die konkret geregelten Nominierungsvoraus setzungen . Erfüllt der

Athlet diese Voraussetzungen, so besteht ein Anspruch auf Vorschlag zur Nominierung, ohne

dass dem Verband ein Ermessen dahingehend verbleibt, den/die Athleten/in trotz erfüllter

Voraussetzungen der Nominierungsrichtlinie nicht vorzuschlagen.194

Zudem sind – insbesondere in Ansehung etwaiger (schieds-)gerichtlicher Aus-

einandersetzungen – folgende Rechtsbeziehungen bzw. – aus der Sicht des Athleten/der

Athletin – folgende Anspruchsgegner zu unterscheiden:

Sportler Verband („Vorschlag“)

Sportler DOSB („Nominierung“)

Sportler IOC („Annahme/Zulassung“)195

IV. Die Fälle „Ward“ und „Mullera“ vor der „Ad-Hoc-division“ in London

1. Ward

Joesph Ward, ein an internationalen Wettkämpfen teilnehmender irischer Boxer, hatte

sich weder auf der Boxweltmeisterschaft im Oktober 2011 noch auf anderen

Qualifikationsturnieren für Olympia 2012 qualifiziert. Er versuchte daher sein

„Teilnahmeglück“ über das Vergabeverfahren der so genannten „Tripartite

Commission“. Dieses 3er Gremium – bestehend aus Vertretern des Internationalen und

Olympischen Komitees (IOC), dem Verband aller nationalen olympischen Komitees

(ANOC) sowie dem jeweiligen internationalen Fachverband (hier: der Boxweltverband

AIBA) – ist nach festgelegten Regeln berechtigt, weitere Teilnahmeplätze für Olympia

zu vergeben (so genannte „invitation places“). Damit soll unter anderem – entsprechend

dem Universalitäts-Gedanken von Olympia – Athleten aus meist „kleineren“ Nationen,

die sonst keinerlei sportliche Qualifikationschancen haben, die Olympiateilnahme

ermöglicht werden. Im Boxen hatte die besagte „Tripartite Commission“ in den

194 so der Beschluss des Deutschen Sportschiedsgerichts vom 19.07.2008, DIS-SV-SP(ER)-01/08 mit Hinweis auf BGHZ 110, 323, 326 und Hohl „Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern“, S. 174.

195 Vgl. näher und zu Streitfällen (u.a. Fall Friedek) sowie CAS-Rechtsprechung: Martin Schimke, Der Sportler im olympischen System insbesondere mit Blick auf Nominierungsfragen, schiedsgerichtliche Verfahren und staatlichen Rechtsschutz, in Höfling/Horst/Nolte: „Olympische Spiele“ S. 107 ff.

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90

verschiedenen Boxklassen 7 von 8 dieser „invitation places“ vergeben. Soweit – gemäß

den festgelegten Kriterien – ein möglicher „invitation place“ vakant blieb, fiel dieser

(wieder) an den internationalen Fachverband, und zwar zur Vergabe an den (so wörtlich

in Englisch) „next best ranked athlete at the 2011 AIBA Men’s World Boxing

Championship, not yet qualified“. Vor diesem Hintergrund machte der Boxer Ward

gegenüber der IOC im Vorfeld der Olympiade (Beginn der Korrespondenz 19. Juni

2012) geltend, dass der in seiner Klasse (Halbschwergewicht bis 81 kg) zugewiesene

„invitation place“ an einen Boxer aus Montenegro nicht regelkonform vergeben worden

sei. Sein Haupteinwand war, dass Montenegro keinen Anspruch auf einen „invitation

place“ hätte. Ward verwies dabei auf die einschlägige Regelung, nach der ein

Nationenstartplatz nur reserviert sei für (wörtlich auf Englisch) „NOCs with delegation

of 6 (six) or less athletes at the last two editions of the Olympic Games“. In Athen

(2004) – so Ward in seiner Argumentation – bildete Montenegro noch gemeinsam mit

Serbien ein Olympiateam und stellte somit mehr als die fixierte Höchstzahl von 6

Athleten. In Peking (2008) stellte Montenegro 6 Einzelathleten und 13

Wasserpolospieler und – nach Auffassung von Ward – mithin ebenfalls mehr als 6

Athleten insgesamt. Er verwies dabei auf die Tatsache, dass in der vorgenannten

Vorschrift nicht zwischen Individual- und Mannschaftssportlern differenziert worden

sei, was zur Folge habe, dass unter dem Begriff „athletes“ auch Mannschaftssportler zu

zählen seien. Das IOC bestritt die von Ward behauptete Fehlinterpretation der Regeln

durch die „Tripartite Commission“. Ward beantragte daher am 24. Juli 2012 mit einer

Eingabe („application“) bei dem ad-hoc-Schiedsgericht des CAS in London den an den

Boxer aus Montenegro zugeteilten „invitation place“ zu annullieren und im Gegenzug

ihn kurzfristig bei Olympia teilnehmen zu lassen. Nach mündlicher Verhandlung und

innerhalb der Zeitschiene von 24 Stunden lehnte das ad-hoc-Schiedsgericht den Antrag

von Ward als unzulässig (hilfsweise als unbegründet ab). Im Rahmen der Unzulässigkeit

wertete es die umfangreiche außerschiedsgerichtliche Korrespondenz aus und kam zu

dem Ergebnis, dass der Rechtsstreit spätestens am 11. Juli 2012 entstanden ist, mithin

außerhalb der 10 Tagesfrist vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Das ad-

hoc-Schiedsgericht sei daher nach den klaren Regeln nicht zuständig. Wie in ad-hoc

Verfahren nicht unüblich ging das Gericht hilfsweise auch auf die Begründetheit ein und

stellte fest, dass Ward – unabhängig von der interessanten Frage, ob Montenegro die

letzten zwei Olympischen Spiele mit mehr als 6 Athleten teilgenommen hatten –

jedenfalls nicht der „next best ranked athlete at the 2011 AIBA Men’s World Boxing

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91

Championship, not yet qualified“ sein würde. Der Begriff „ranked“ beziehe sich –

entgegen der Auffassung von Ward – nicht auf den offiziellen Platz in der Weltrangliste

zum Zeitpunkt besagter Boxweltmeisterschaft sondern auf sein bei dieser

Weltmeisterschaft erzieltes Resultat. Danach wäre Ward in keinem Fall für einen

„invitation place“ an der Reihe gewesen.196

2. Mullera

Mullera ist ein spanischer 3000-Meter Hindernisläufer. Der spanische

Leichtathletikverband (RFEA) erhielt Anfang 2012 Kenntnis über belastende E-Mail-

Korrespondenz zwischen Mullera und einem Trainer zu verschiedenen

Dopingmethoden. Unter anderem aufgrund der privaten Natur dieser Korrespondenz

verzichtete der spanische Leichtathletikverband auf die Einleitung eines

Dopingdisziplinarverfahrens. Mullera wurde in der Folgezeit noch verschiedene Male

auf Doping getestet. All diese Tests waren jedoch negativ. Am 12. Juli 2012 schließlich

wurde Mullera vom Spanischen Olympischen Komitee für Olympia 2012 gemeldet bzw.

nominiert.

Am 19. Juli 2012 erhielt die spanische Zeitung „AS“ – durch nicht bekannte Quellen –

einen Teil des besagten belastenden privaten E-Mail Verkehrs von Mullera über

Dopingmethoden und veröffentlichte diesen. Der spanische Leichtathletikverband sah

sich daraufhin – in Abstimmung mit seinem nationalen Olympischen Komitee -

veranlasst zu reagieren und informierte Mullera schließlich über seinen Ausschluss aus

dem spanischen Olympiateam. Dabei nutze der spanische Leichtathletikverband das so

genannte „late replacement-Verfahren“. Dies dient insbesondere Nationalteams, die

verletzungs– und/oder krankheitsbedingt kurzfristig jemanden austauschen wollen. Das

entsprechende Formular sah allerdings neben den Gründen „Verletzung“ und

„Krankheit“ noch die Option (wörtlich) „other reasons…“ vor. Der spanische

Leichtathletikverband ergänzte in dieser Rubrik noch den Vermerk „technical reasons“.

Am 29. Juli 2012 beantragte Mullera bei dem ad-hoc-Schiedsgericht des CAS seine

Wiederaufnahme in das spanische Olympiateam. Er verwies darauf, dass insbesondere

das „late replacement“ Verfahren keine Rechtsgrundlage für einen solchen Ausschluss

196 Vgl. näher und illustrativ zu der 10-Tage-Frist mit Hinweisen auf frühere CAS-Rechtsprechung: http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6150/5048/0/Award20_02-2012_FINAL.pdf.

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92

sei und auch im Übrigen keine einschlägige Bestimmung in den „selection rules“

existiere, die eine solche Maßnahme rechtfertige. Vielmehr sei sein Ausschluss eine

unzulässige „versteckte Dopingsanktion“ (außerhalb eines regulären

Dopingdisziplinarverfahrens). Das CAS ad-hoc- Schiedsgericht bestätigte nach

mündlicher Verhandlung (erneut in der zeitlichen Vorgabe von 24 Stunden) die

Nominierung von Mullera, allerdings ohne die streitgegenständliche Korrespondenz in

irgendeiner Weise billigen zu wollen. Zur Begründung wurde unter anderem angeführt,

dass die seitens der RFEA behauptete Störung des „Teamspirits“ nicht substantiiert

dargelegt worden sei und vorliegend in keinem Fall „technical reasons“ in Rede

stünden. Im Übrigen enthielten die „selection rules“ keinerlei klare Rechtsgrundlage.

Schließlich ging das ad-hoc-Schiedsgericht auch noch auf den Gesichtspunkt ein, dass

der spanische Leichtathletikverband monatelange Kenntnis von den belastenden E-Mails

hatte und seinerzeit kein Dopingdisziplinarverfahren eingeleitet hatte. Wörtlich heißt es

in der Entscheidung: „a national federation should pursue the fight against immoral

practices regardless of any pressure exercised by the media“.197

Nach anfänglichen Bedenken gegen das ad-hoc-Schiedsgericht bei Olympia – insbesondere

von Athleten198 - hat es sich zwischenzeitlich als effizienter Streitbeilegungsmechanismus in

der Sportwelt bewährt und etabliert.

197 Vgl. auch hierzu näher: http://www.tas-cas.org/d2wfiles/document/6186/5048/0/Award20OG2012200620_FINAL_.pdf.

198 s. dazu Netzle aaO S. 17 f.

Page 93: Tagungsband Entwurf Internetfassung

93

RA Alexander Bazykin, Diplomatische Akademie Moskau

Sport arbitration in Russia: theory and practice, prospects for future development

At present, sport sector formation takes place in Russia. Every legislator tries to consider the

existent court practice, as well as the international control experience of the sport sphere

relations. Legal norms that are absolutely revolutionary for any legislator started to appear in

the Russian legislation. Thus, for instance, the Russian Labour Code foresees a possibility to

include into a labour contract a clause regarding the obligation of a sportsman to effect

payment in favour of an employer (a sport club) in case of the labour contract termination on

the sportsman’s initiative, or in connection with the sportsman’s disciplinary misconduct. This

norm is accepted by the specialists in different ways: some of them mention club interests’

protection, others consider the norm unconstitutional. This July, some changes were

introduced into the legislation currently in force, in particular, clarifications and additions to

the powers of All-Russian Sport Federations. Thus, the list of the powers of All-Russian Sport

Federations was extended with the possibility to establish restrictions on transfers (or to

establish possibilities of such transfers) to other sport clubs for certain categories of sportsmen

and coaches, as well as with the possibility to impose sport sanctions on those subjects of

physical culture and sport that acknowledge such rules.

However, apart from the norms of substantive law, one should pay attention to the

norms of procedural law. At present, at our opinion, legislators do not give enough

consideration to this issue. That is why settlement of a sport dispute in the Russian Federation

is associated with several problems:

The problem is related to the absence of the legal definition of a sport dispute,

as well as of the criteria that allow to distinguish between sport and non-sport

disputes. A sport dispute we understand as an unsettled dispute of subjects

carrying out activities in the sphere of physical culture and sport that arises as a

result of violation or possibility of violation of their legal rights and interests in the

sphere of sport legal relations, in case settlement of dispute is submitted for

examination of the body that is authorized to settle the dispute.

If we discuss the criterion of the dispute relation to sport, it is worth mentioning that one

criterion is not enough. Thus, at present, both in Russian and in international practice, the

Page 94: Tagungsband Entwurf Internetfassung

94

competence of bodies on sport disputes’ settlement is defined widely enough in the

documents that regulate their activities. Such documents mention that they are empowered to

settle any disputes that, directly or indirectly, are related to the sphere of sport. Such approach

does not directly correspond to the requirements of sport, as, for instance, we cannot consider

as a sport dispute the dispute where we represented one of the parties. This dispute concerned

the issue of quality of services and arose between the scientific organization that carried out

the research in the sphere of sport and one of the All-Russian Sport Federations (Russian

Shooting Federation). Despite the fact that both parties in dispute are subjects of sport legal

relations in accordance with the Russian legislation, their relationship only indirectly affected

the sport sphere, so the present dispute cannot be referred to the category of sport disputes.

The next problem is the absence of sufficient quantity of scientific studies on this

topic. Unfortunately, scientific studies in the sphere of substantive law either refer mainly to

the commercial side of the issue, or are dedicated to the studies of sportsmen activities. There

is a lack of works addressing the procedural problems. They are mainly based on the

international experience of disputes’ settlement. But, unfortunately (and this is the third

problem), until now the Russian legal system is not flexible enough in order to fully adopt the

foreign experience of such disputes’ settlement.

As for the bodies that should resolve sport disputes in the Russian Federation, one

can mention the following:

There is a general system of courts that should resolve all kinds of disputes. Within

the frames of this system there are courts that settle disputes that arise in connection with

entrepreneurial activity and courts that resolve all other disputes. On the one hand, judgments

of such courts that came into force are clear in terms of procedure of their execution and may

be subject to enforcement. On the other hand, hearings in such courts have several

shortcomings, such as, for example, the principle of publicity (transparency) of court hearings

does not allow to secure the required level of confidentiality at dispute settlement. The main

problem, however, is the terms of disputes’ consideration that can constitute from half a year

to three or more years from the moment of filing a statement of claim till the moment of court

decision receipt. Moreover, the terms may enlarge in case of appeals. The situation is even

worsened by the terms of decisions’ execution. Please, consider the following example of a

dispute settlement in such courts, namely the dispute between the coach S.R.Gersonsky and

the hockey club – Non-Commercial Partnership “Sport Club “Avangard”.

In accordance with the conditions of the labour contract concluded for the period of

2,5 years, in case the club canceled the labour contract with the coach on the club’s initiative,

Page 95: Tagungsband Entwurf Internetfassung

95

the club should pay the compensation in the amount of 75% from the total amount due for

payment to the coach. After four defeats in six matches the club decided to cancel the contract

with the coach. After the cancellation of the labour contract with the coach, the club refused

to pay off to the coach the considerable compensation amount.

S.R Gersonsky applied to court for the protection of his rights with the suit against

the hockey club claiming that in accordance with the labour contract clause specifying the

case of cancellation on the employer’s initiative, he should have been paid 75 per cent from

the remaining amount of the contract, namely 17 millions 322,9 thousand of rubles. Also, he

demanded to reimburse the moral damage in the amount of 500 thousand rubles. On

November, 18, Kirovsky District Court of the city of Omsk partially satisfied the

requirements of the former Chief Coach, having recovered in his favour practically the whole

amount of the compensation in accordance with the labour contract and having reduced the

amount of the moral damage reimbursement down to one thousand of rubles.

The hockey club appealed against the aforementioned decision. Omsk Regional Court

as a court of review reversed the decision and passed the case for the new consideration. The

representatives of the club referred to the need to carry out the expert appraisal of the labour

contract and to the fact that the case was considered not in accordance with the jurisdiction, as it

should have been considered not in Kirovsky District Court, but in Kuibyshevsky District Court;

as well as to the fact that the court of the first instance did not satisfy several pleas of the club.

The hockey club “Avangard” insisted on the fact that the contract clause in

accordance with which the club should have paid the compensation in case of the contract

cancellation applies to different cases. Moreover, the court referred to the fact that the

percentage of the compensation should be calculated not on the basis of the whole contract

amount, but only on the basis of the official salary amount. In this case, the amount of

payment should have constituted around 880 thousand of rubles.

The court of review returned the case for the new consideration. After the new

consideration of the dispute Kuibyshevsky District Court of the city of Omsk adopted the

decision in accordance with which the following compensations were levied upon the Non-

Commercial Partnership “Sport Club “Avangard” in favour of S.R Gersonsky: the

compensation in accordance with the contract and taking into account the indexation in the

amount of 890 836,24 rubles, compensation for the delay in payments in the amount of

73 624,79 rubles, compensation for moral damage in the amount of 10 000 rubles; 974 461,03

rubles in total. State dues for the case in the amount of 22 000 rubles were also recovered

from the Non-Commercial Partnership “Sport Club “Avangard”.

Page 96: Tagungsband Entwurf Internetfassung

96

The expert linguistic appraisal of the labour contract established that in the document

the word “payment” is absent after the word “salary” and in the clause regarding the

compensation the noun “total” and the preposition “up to” are absent. Due to these facts it is

impossible to conclude that the compensation should be constituted out of the total of salaries.

Therefore, the sport club was allowed to pay the compensation not on the basis of the total of

salaries, but on the basis of just one salary.

The cassational appeal was filed on the decision of Kuibyshevsky District Court of

the city of Omsk, but the court of review left the decision in force.

The legislator, being aware of the difficult situation, tries to extend the ways of

disputes’ settlement. For instance, one of the legislator’s steps in this direction is adoption of

the Federal Law №193 dated 27.06.2010 “About alternative procedure of disputes’ settlement

with mediator’s participation (mediation procedure)”.

In order to implement the mediation procedure several conditions should be

observed:

- presence of the agreement between the parties on mediation procedure

implementation;

- mediation procedure may be carried out both: before the appeal to court or to

arbitration court, as well as after the start of legal proceedings in the corresponding court;

- presence of the agreement on mediation procedure implementation or of the

agreement on mediation procedure execution, as well as the fact of mediation procedure

execution do not represent obstacles for the appeal to a court or to an arbitration court, except

for the cases stipulated in the Federal Law (for example, in case the parties have obliged not

to appeal to any court before the mediation procedure execution);

- mediation procedure execution starts on the date of conclusion by the parties of the

agreement on mediation procedure execution;

- the party that intends to apply for the mediation procedure should send to the other

party independently (or through a mediator or through an organization that carries out

activities in support of mediation procedure execution) the appropriate offer.

The law lists three methods of establishing the order of mediation procedure

execution. The order may be established by the agreement between the parties; the parties

may refer to the order that is defined by the rules and procedures of the organization that

carries out activities in support of mediation procedure execution; the parties have the right to

stipulate in the agreement on mediation procedure execution the clause about independent

definition by the mediator of the order of mediation procedure execution.

Page 97: Tagungsband Entwurf Internetfassung

97

After consideration of the dispute the parties should conclude the mediation

agreement.

The mediation agreement is subject to execution on the basis of principles of

voluntariness and good faith of the parties.

The legislator establishes the maximum term of 60 days for mediation procedure

execution. At the same time, in exceptional cases due to the complexity of the dispute under

consideration the term may be increased in accordance with the agreement between the parties

and in case of the mediator’s consent. However, even in this case the term for mediation

procedure execution should not exceed 180 days. Thus, the term of 60 days is more

acceptable to the parties in comparison with the terms of disputes’ consideration in state

courts.

Due to the fact that mediators may resolve rather complicated categories of cases, the

legislator indicates the requirements that mediators should comply with. The mediators’

requirements depend on the category to which they belong. Let us consider these

requirements.

The legislator names two categories of mediators: those that carry out their activities

on a non-professional basis and the professional ones.

For the persons that carry out their activities as mediators on a non-professional basis

the legislator stipulates the minimal obligatory requirements: 18 years old, full legal capacity,

absence of conviction record.

For the mediators that carry out their activities on a professional basis, more serious

requirements are stipulated: 25 years old, higher professional education, special mediators’

training courses.

The legislator limits the categories of persons that may become mediators. Thus,

neither persons employed at state civil or municipal service nor persons that are

representatives of any of the parties of the dispute can act as mediators. The parties may

introduce additional requirements to mediators.

However, at present there is no well defined practice of disputes’ settlement with

implementation of this procedure. That is why it is not so widespread in Russian reality.

Apart from the aforementioned ways of disputes’ settlement, there are special bodies

in the Russian Federation that should resolve sport disputes. The existence and activities of

such bodies are stipulated by the need to resolve sport disputes taking into account sport

sphere peculiarities, by the importance of disputes’ settlement in the short period of time, as

well as for confidentiality reasons.

Page 98: Tagungsband Entwurf Internetfassung

98

Such bodies possess the whole range of obvious advantages, such as their increased

focus, relatively short terms of consideration procedure, etc.

Inside sport unions and associations the bodies for settlement of internal disputes

can be created. For example, within the framework of the Russian Football Union there is the

Chamber on settlement of disputes of the Committee of the Russian Football Union

concerning the status of the players. However, impartiality of such bodies is doubted. Thus,

Fédération Internationale de Football Association (FIFA) has forwarded to national football

federations a circular letter containing instructions regarding the compliance of the structure

of chambers on disputes’ settlement to FIFA regulations. FIFA requires that the Chairman and

the Vice-Chairman of the Chamber on disputes’ settlement should be elected by the

representatives of the players and the clubs from the list including not less than five

candidates. This list should be compiled by the Executive Committee of the Russian Football

Union. The candidates to the position of the Chairman/Vice-Chairman can be only persons

with legal education who do not occupy any other position within the Russian Football Union.

The Chamber should consist of from three to ten representatives of the clubs and from the

same amount of the players’ representatives. At present, the Chamber on disputes’ settlement

is headed by the Vice-President of the Russian Football Union and the Vice-Chairman is the

General Manager of the Professional Football League. The Chamber on disputes’ settlement

consists of 6 persons and only two of them represent professional union. So, the Chamber on

disputes’ settlement does not comply with the international requirements.

Besides the chambers on disputes’ settlement, disciplinary committees may be

created within the unions and associations.

Thus, in accordance with the Disciplinary regulations of the Russian Football Union

there are two committees within its framework: Control & Disciplinary Committee and

Committee of Appeal. Control & Disciplinary Committee has the power to impose sanctions

stipulated by the Disciplinary regulations for any violation of the acts (regulations) of FIFA,

UEFA, RFU, Associations and Leagues that do not fall under the jurisdiction of any other

body (Point 1 Article 54 of the Disciplinary regulations). Control & Disciplinary Committee

has also the right to impose sanctions for the violation of the regulations in respect of status

and transfers of football players, including the removal of points following the adduction of

the Chamber on disputes’ settlement of the Russian Football Union (Article 55 of the

Disciplinary regulations).

Page 99: Tagungsband Entwurf Internetfassung

99

Generally, in certain sport federations there are quite developed systems on sport

disputes’ settlement. For example, in NFU, apart from the mentioned committees, there are

Ethics Committee, Commission on Agents’ Activities, Committees of Appeal.

The Committees consider different categories of disputes: both issues on calling to

account for certain rules violations, as well as the issues related to salary payments (for

example, inadmissibility of different bonus systems, impossibility of unilateral cancellation of

labour contracts with sportsmen, etc.)

In particular, the Chamber on disputes’ settlement considered the issues of

compensation payments in case of cancellation of contracts with sportsmen.

Sport Arbitration Court at Trading-Industrial Chamber of the Russian

Federation is the constantly operating arbitration court. Its activity is regulated by the Federal

Law №102 dated 24 July, 2002 “On Arbitration Courts of the Russian Federation».

Sport Arbitration Procedure was approved by the Order of the Trading-Industrial

Chamber (TIC) №114 dated 24 October, 2003.

In accordance with Article 2 of the mentioned Procedure, Sport Arbitration resolves

the disputes that relate to proprietary rights and interests of the subjects of sport sphere,

including the disputes that arise from the Charters, Rules, Regulations and other documents of

physical training and sport organizations that regulate the rules of organization of

championships, tournaments and other competitions on the territory of the Russian

Federation; disputes related to identification of the statuses and of the order of transfers of

sportsmen (players); disputes arising from the agent activities, disputes resulting from

sponsorship contracts; disputes related to TV broadcasting of sport events, as well as any

other disputes arising from contractual and other civil legal relationships in the sphere of

physical culture and sport, unless the federal law stipulates otherwise. The right to appeal to

the Sport Arbitration within the frames of TIC belongs to those persons that carry out

activities in the sphere of physical culture and sport, including sportsmen. The issue of

jurisdiction is resolved by its members considering the dispute.

Only those persons who possess special knowledge in the sphere of legal

relationships that initiated the dispute may become the arbitrators. The Sport Arbitration is

composed of the arbitrators included into the list that is approved by the Trading-Industrial

Chamber of the Russian Federation in accordance with adduction of Presidium of the Sport

Arbitration for the period of 3 years. The Chairman of the Sport Arbitration under the TIC, as

well as its Vice-Chairman, are appointed by the Trading-Industrial Chamber from those

persons included into the list of arbitrators.

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100

The Sport Arbitration should resolve disputes within as short as possible terms.

Arbitration proceedings on any concrete case should be terminated within the term not

exceeding two months from the moment of composition of the Sport Arbitration under TIC.

In case it is required, the term of judicial proceedings may be extended either by the Chairman

or in accordance with the agreement between the parties. However, the Procedure of the Sport

Arbitration under TIC does not establish the maximum term of extension.

One of the most considerable advantages of the mentioned body is the possibility to

resolve the disputes arising in international sport practice. In accordance with the Convention

on acknowledging and enforcing of arbitration judgements dated 10 June, 1958, the

judgements of the examined body should be acknowledged and enforced on the territory of

foreign states.

Another specialized body is the Sport Arbitration Court created within the

framework of the autonomous non-commercial organization “Sport Arbitration Chamber” on

10 June, 2003.

Conclusion.

To our opinion, in Russia the role of specialized bodies during sport disputes’

settlement, as well as the role of alternative procedures of disputes’ settlement will increase.

Russian legal system will show more and more flexibility and readiness to adopt the leading

international experience during sport relations’ regulation in general, and while regulating the

issues of disputes’ settlement in particular. The drawbacks of the Russian reality are solely

stipulated by a relative novelty of the problem of sport disputes’ settlement. However, Russia

is trying to eliminate all the disadvantages.