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Aus: Wagner, W.: Technik im naturwissenschaftlichen Unterricht. MNU 57/8, 2004, S. 478-487 Technik im naturwissenschaftlichen Unterricht Methodische Vorschlge fr den fachbergreifenden Unterricht in Natur und Technik [1] Diese Publikation ist erschienen in der Zeitschrift des Vereins zur Frderung des Mathematischen und Naturwissenschaftlichen Unterrichts MNU Jg. 57, Heft 8, 2004, 478-487. Hier wird eine ungekrzte Form wiedergegeben, die im Wesentlichen ausfhrlichere Beispiele enthlt als es in der gedruckten Form mglich war. Zusammenfassung. Die hier vorgestellte technische Unterrichtsmethode folgt der Denk- und Arbeitsweise von Ingenieuren beim Erfinden sowie beim Lsen von fachtypischen Aufgaben. Sie ist in ihrer Reinform als Konzeption zeitlich und inhaltlich weitreichend, ber mehrere Unterrichtsstunden, in den reduzierten Varianten als Ein-Lehrziel-Methode fr einzelne Unterrichtsstunden einsetzbar. Als Einsatzort ist zunchst der naturwissenschaftliche Unterricht mit teilweise technischer Orientierung (Fcher wie „Natur und Technik“) vorgesehen – nach entsprechender Erprobung eventuell auch der Technikunterricht selbst. In „Wurzeln“ wird versucht, das Selbstverstndnis des Faches Technik horizontal in rezenter Sicht und vertikal in historischer Betrachtung sehr komprimiert darzustellen. Aus diesem Selbstverstndnis heraus werden in „Stamm“ die Stufen der Methode entwickelt und nach dem Artikulationsmodell aufgegliedert. Die „Krone“ begrndet die Notwendigkeit von drei Methodenvarianten, die „Blten“ liefern je ein Beispiel dafr. Die „Frchte“ schlielich beschreiben erhoffte Leistungen und die zur Zeit existierenden Erfahrungen. Einführung. Zum „Jahr der Technik“ 2004 wird an Gymnasien in Bayern das seit dem vorigen Jahr neu eingefhrte Fach Natur und Technik (NuT) von der Jahrgangsstufe 5 auch auf die Jahrgangsstufen 6 und 7 ausgedehnt, in Hauptschulen ab der Jgst. 5 ein Fach „Arbeit, Wirtschaft, Technik“ neu eingefhrt. In den Bundeslndern ist die Situation sehr heterogen: technische Inhalte finden sich in einem Pflichtfach „Technik“ ber mehrere Jahrgangsstufen verteilt oder fehlen vllig in einzelnen Schularten. Eine Gemeinsamkeit der Bundeslnder (z.B. Bayern, Baden-Wrttemberg), die sich erst jetzt der Technikinhalte an den Gymnasien annehmen ist, dass diese von Lehrern vornehmlich der naturwissenschaftlichen Fcher Chemie und Physik ohne Ausbildung in technischen Belangen geleistet werden mssen. Aus einer Reihe denkbarer Grnde sind dann die entsprechenden Lehrplne fast ausschlielich naturwissenschaftlich orientiert und es bleibt dem persnlichen Geschick der Lehrkraft berlassen, die technische Seite methodisch und auch weitgehend inhaltlich zu interpretieren. In der Praxis fhrt die Situation zu einer groen Bandbreite von Vorgehensweisen: vom kaum an die neue Situation

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Aus: Wagner, W.: Technik im naturwissenschaftlichen Unterricht. MNU 57/8, 2004, S. 478-487

Technik im naturwissenschaftlichen Unterricht

Methodische Vorschl�ge f�r den fach�bergreifenden Unterricht in Natur und Technik[1]

Diese Publikation ist erschienen in der Zeitschrift des Vereins zur F�rderung des Mathematischen und Naturwissenschaftlichen Unterrichts MNU Jg. 57, Heft 8, 2004,

478-487. Hier wird eine ungek�rzte Form wiedergegeben, die im Wesentlichen ausf�hrlichere Beispiele enth�lt als es in der gedruckten Form m�glich war.

Zusammenfassung. Die hier vorgestellte technische Unterrichtsmethode folgt der Denk- und Arbeitsweise von Ingenieuren beim Erfinden sowie beim L�sen von fachtypischen Aufgaben. Sie ist in ihrer Reinform als Konzeption zeitlich und inhaltlich weitreichend, �ber mehrere Unterrichtsstunden, in den reduzierten Varianten als Ein-Lehrziel-Methode f�r einzelne Unterrichtsstunden einsetzbar. Als Einsatzort ist zun�chst der naturwissenschaftliche Unterricht mit teilweise technischer Orientierung (F�cher wie „Natur und Technik“) vorgesehen – nach entsprechender Erprobung eventuell auch der Technikunterricht selbst. In „Wurzeln“ wird versucht, das Selbstverst�ndnis des Faches Technik horizontal in rezenter Sicht und vertikal in historischer Betrachtung sehr komprimiert darzustellen. Aus diesem Selbstverst�ndnis heraus werden in „Stamm“ die Stufen der Methode entwickelt und nach dem Artikulationsmodell aufgegliedert. Die „Krone“ begr�ndet die Notwendigkeit von drei Methodenvarianten, die „Bl�ten“ liefern je ein Beispiel daf�r. Die „Fr�chte“ schlie�lich beschreiben erhoffte Leistungen und die zur Zeit existierenden Erfahrungen.

Einführung. Zum „Jahr der Technik“ 2004 wird an Gymnasien in Bayern das seit dem vorigen Jahr neu eingef�hrte Fach Natur und Technik (NuT) von der Jahrgangsstufe 5 auch auf die Jahrgangsstufen 6 und 7 ausgedehnt, in Hauptschulen ab der Jgst. 5 ein Fach „Arbeit, Wirtschaft, Technik“ neu eingef�hrt.

In den Bundesl�ndern ist die Situation sehr heterogen: technische Inhalte finden sich in einem Pflichtfach „Technik“ �ber mehrere Jahrgangsstufen verteilt oder fehlen v�llig in einzelnen Schularten. Eine Gemeinsamkeit der Bundesl�nder (z.B. Bayern, Baden-W�rttemberg), die sich erst jetzt der Technikinhalte an den Gymnasien annehmen ist, dass diese von Lehrern vornehmlich der naturwissenschaftlichen F�cher Chemie und Physik ohne Ausbildung in technischen Belangen geleistet werden m�ssen. Aus einer Reihe denkbarer Gr�nde sind dann die entsprechenden Lehrpl�ne fast ausschlie�lich naturwissenschaftlich orientiert und es bleibt dem pers�nlichen Geschick der Lehrkraft �berlassen, die technische Seite methodisch und auch weitgehend inhaltlich zu interpretieren. In der Praxis f�hrt die Situation zu einer gro�en Bandbreite von Vorgehensweisen: vom kaum an die neue Situation

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angepassten Biologieunterricht des vorausgehenden Lehrplanes, methodisch ausschlie�lich lehrerzentriert, bis zur vollst�ndigen Neuorientierung hin zu neuen Inhalten des Lehrplans [2], methodisch mit einem hohen Ma� an Selbstt�tigkeit der Sch�ler ausgestattet, wobei die Anteile der Technik im gelegentlichen Basteln oder in kleineren Anwendungen gesehen werden. Ist das Technik-Unterricht? Erfahrungen g�be es in mehreren deutschen Bundesl�ndern, Konzeptionen sind in der seit langem existierenden Didaktik des Technikunterrichtes [3] durchaus entwickelt worden, aber die Umsetzung scheitert meines Erachtens vornehmlich aus drei Gr�nden:

1. Entweder sind die Methodenwerkzeuge so stark werkst�tten-technisch orientiert, dass die materiellen Voraussetzungen nicht geschaffen werden k�nnen, oder

2. der technische Ansatz ist so stark arbeitsorientiert, dass er von Lehrern der Naturwissenschaften als „fremd“ empfunden wird (Abb. 1).

3. Die dritte M�glichkeit r�hrt daher, dass oft gar nicht bekannt ist, dass und wo es die entsprechende Lehrwissenschaft „Fachdidaktik der Technik“ gibt.

1 Wurzeln

1.1 Technik als Fach

Heute sehen es Didaktiker der Technik (verst�ndlicherweise) nicht sehr gerne, wenn

„...Technik in szientistischer Verk�rzung als angewandte Naturwissenschaft und als naturbeherrschendes Werken in praktizistischer Verk�rzung bezeichnet wird. Solche Anschauungen f�hren zur Zuordnung der Technik einerseits zu naturwissenschaftlichen F�chern, andererseits zur berufsqualifizierenden Bildung, aber nicht zur Allgemeinbildung.“[4]

Welches sind denn nun Merkmale des rezenten technischen Unterrichtes, die man in naturwissenschaftlichen Fächern nicht findet?

Technik ist das Ergebnis einer von Interessen geleiteten, zielgerichteten Auseinandersetzung des Menschen mit Gegebenheiten der Natur bzw. mit vorhandenen technischen Systemen. [5]

Den Weg des Menschen zu Naturwissenschaften und Technik l�sst sich wie folgt beschreiben (nach [5]):

1. Die Welt im Naturzustand enth�lt keine technischen Systeme. 2. Wenn der Mensch sich aufmacht, den Naturzustand qualitativ und quantitativ

zu beschreiben, zu ordnen und zu klassifizieren, betreibt er Naturwissenschaften, er sucht nach Erkenntnis.

3. Wenn er das Erfasste zweckorientiert und gezielt ver�ndert und Gebilde mit Hilfe bestimmter Verfahren schafft, betreibt er zur Befriedigung von Bed�rfnissen Technik.

4. Naturwissenschaften und Technik stehen in enger Beziehung zueinander, bedingen sich aber nicht notwendigerweise. So hat Watt die Dampfmaschine erfunden, ohne eine thermodynamische Theorie zu besitzen. Genauso aber

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bedeutet die Entdeckung der Supraleitfähigkeit noch nicht, dass verlustfreier Individualverkehr in absehbarer Zeit möglich ist.

5. Technik geschieht in einem Entstehungs- und Verwendungszusammenhang, also innerhalb eines soziotechnischen Systems:

Abb. 1: Technik als soziotechnisches System.

Der interdisziplinäre Ansatz der Technik-Didaktik definiert Technik als:

a. die Menge der nutzenorientierten, künstlichen, materiellen Gebilde (Artefakte oder technische Sachsysteme);b. die Menge der menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Sachsysteme entstehen;c. die Menge menschlicher Handlungen, in denen Sachsysteme verwendet werden. [7] Kürzer geht es auch: Technik ist das Ergebnis menschlicher Faulheit.

Die Inhalte lassen sich drei Kategorien zuordnen: Stoff, Energie und Information:

Abb. 2: Inhalte des Technikunterrichtes

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Dabei ergeben sich Fachbezüge zu den Naturwissenschaften:

Chemie: Herstellen und Bearbeiten von Werkstoffen, sofern es sich um Stoffartumwandlung handelt; sowie die Energiebeteiligung dabei. Physik: Umgang mit Werkzeugen, Erzeugung und Umwandlung von Energieformen; Informatik: Daten�bertragung und –verarbeitung.

Die Bez�ge zur Informatik werden an dieser Stelle nicht weiter erl�utert.

Technisches Handeln ist durch folgende Fertigkeiten und F�higkeiten (Kernt�tigkeiten) bestimmt (nach [6]):

Entwerfen. Hierunter versteht man die sch�pferische, geistige und/oder zeichnerische Vorwegnahme konkreter L�sungsgestalten in struktureller, funktioneller und wirtschaftlicher Sicht. Hieraus begr�ndet sich z.B. das Teilfach Technisches Zeichnen Konstruieren ist dar�ber hinaus auch die konkrete Festlegung bis zur Herstellungsreife (Teilfach: Konstruktionslehre). Messen ist nach DIN 1319 in Vorgang, bei dem ein spezieller Wert einer bestimmten Gr��e als Vielfaches einer vereinbarten Einheit ermittelt wird. (auch andere Disziplinen messen!). Pr�fen ist nach DIN 1319 die Beurteilung des Messergebnisses im Hinblick auf eine ganz bestimmte Zweckeignung. Beim Testen wird die zu messende Gr��e in einen realen Verwendungszusammenhang gestellt. W�hrend Messen und Pr�fen auch in anderen Disziplinen vorkommt, ist Testen eine typisch technische T�tigkeit. Mit Planen bezeichnet man die zeitliche Vorwegnahme zuk�nftiger Abl�ufe. Realisieren ist in der Technik untrennbar mit Planung verbunden, da es sich empirisch gezeigt hat, dass tats�chliche Realisierbarkeit nicht mit Sicherheit vorhergesagt (also geplant) werden kann.

Als erweiterte Fertigkeiten, die nicht notwendigerweise vorhanden sein m�ssen, lassen sich formulieren:

Auswählen. Diese Prozess vollzieht sich entweder in r�ckgekoppelten Pr�f-Test-Realisieungs-Phasen (innerhalb desselben Unternehmens) oder auf dem Markt (zwischen konkurrierenden Unternehmen). Bedienen und Anwenden sind die T�tigkeiten, �ber die der Laie bzw. Kunde zuallererst mit den Produkten der Technik in Ber�hrung kommt. Pflegen und Reparieren k�nnen erweiterte T�tigkeiten von Anwendern an Technikprodukten sein. Bedienen, Anwenden, Pflegen, Reparieren als Laient�tigkeiten werden didaktisch wertvolle Dienste leisten, wenn es darum geht, vorfachliche Zug�nge zum Fach Technik zu finden.

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Abb. 3: Technisches Handeln

1.2 Die historische Dimension des Technikunterrichts

Man kann über Homo habilis hinausgehen, wenn man die Wurzeln des Lehrens von Technik sucht. Sicherlich haben schon seine Vorfahren vor über 2,5 Mio. Jahren, ähnlich wie heute Bonobos und Schimpansen, ihren Kindern die Herstellung und den Gebrauch von Werkzeugen beigebracht, als schließlich behauene und später geschliffene Steinwerkzeuge Verwendung fanden. Als Chemiker muss man akzeptieren, dass die Metallurgie erst später, vor 5000 Jahren, dazu kam und andere Materialien wie Keramik, Glas, Papyrus-Papier sowie die Vielfalt der Metalle im Vergleich rezent sind. Maschinen haben ihren Weg in den Alltag vor 1000 Jahren geschafft, z.B. Wasserrad, Windmühle, Spinnrad. Die Nutzung anderer Energiearten aus Dampfmaschinen, Verbrennungsmotoren und elektromagnetischen Generatoren ist etwa 150 Jahre alt, (elektronische) Informationsverarbeitung wenig mehr als 50

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Jahre. [7] Institutionalisierter Technikunterricht an h�heren Schulen wurde von den Realien- und Industriep�dagogen des 18. und 19. Jh. eingef�hrt und gipfelte zun�chst ca. 1850 im System der polytechnischen Bildung nach Marx [8]. Letztere wurde in den Ostblockstaaten konsequent umgesetzt in Form eines meist vierst�ndigen Faches durchgehend von der Jgst. 5-8. Die Fortsetzung folgte auf �hnlichem Niveau im allgemeinbildenden Gymnasium (Jgst. 9-12) und nach Ingenieurwissenschaften differenziert sowie gepaart mit Berufsausbildung auf den Industrielyzeen, ebenfalls Jgst. 9-12. In Frankreich gibt es ein �hnliches System. An deutschen Gymnasien blieb die Entwicklung trotz Arbeitsschulbewegung (Pestalozzi, Fr�bel, Kerschensteiner, Gaudig) auf der Ebene von gestalterischem Werkunterricht oder Handarbeiten stecken. Entwicklungen, wie sie seit den 20er Jahren in den nordeurop�ischen Staaten hin zum industrieorientierten Technikunterricht oder zum durchgehenden Fach „Science and Technology“ stattfanden, erregten bis in die heutige Zeit kaum Aufmerksamkeit. Zwar fordert der Verband der Deutschen Ingenieure (VDI) zusammen mit den Technikdidaktikern schon seit den 70er Jahren vehement den Einzug von technischen Inhalten ins Gymnasium, doch folgte die KMK 1971 den Argumenten nicht [9]. In der Folge f�hrte nur Schleswig-Holstein ein Wahlpflichtfach Technik f�r die Jgst. 7-10 ein, einige andere Bundesl�nder (z.B. Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen) Arbeitslehre, ggf. kombiniert mit Wirtschaft und Technik, teilweise sogar als Pflichtfach. Das Schlusslicht bildet nach Baden-W�rttemberg Bayern, wo das Fach „Natur und Technik“ erst 2003 in einer Jahrgangsstufe Pflichtfach wurde. In den neuen Bundesl�ndern ist das Bild �hnlich uneinheitlich.

2 Der Stamm

2.1 Ausgangspunkte

Um Inhalte und Fertigkeiten in einem Unterrichtsfach zu vermitteln gilt es, sich methodischen Werkzeuges zu bedienen. Zweierlei Quellen stehen uns zur Verf�gung:

1. Methoden (syn. Verfahren) des naturwissenschaftlichen Unterrichtes sowie 2. fachspezifische Methoden des Technikunterrichtes.

Im ersten Fall besteht die Gefahr, wie in der Vergangenheit geschehen, die Technik auf ihre Funktion zu Motivations- und Einf�hrungszwecken zu verk�rzen: etwas herstellen, „damit die Kinder wieder Freude an der Physik“ haben oder „Chemie nicht mehr so h�ufig abw�hlen“. Auch aus Sicht der naturwissenschaftlichen F�cher w�rden wir damit (wieder) eine wertvolle Chance vergeben, �ber durchaus praktische, aber auch abstrahierende Bem�hungen im Technikunterricht den Boden f�r weiter gehende Abstraktionen in Chemie, Physik, Biologie zu bereiten, denn die Kritik an der �ber weite Strecke lebensfernen Auspr�gung des naturwissenschaftlichen Unterrichts ist unwesentlich j�nger als die F�cher selbst.

„Das ‚Umgehen-mit’, ‚Hantieren-mit’, ‚Herstellen-von’, ‚Ver�ndern-von’ und damit verbunden die Wahrnehmung konkret anschaulicher Ph�nomene geht den Versuchen voraus, die nach Strukturen, Prinzipien, und Erkl�rungen fragen. Die t�tige Auseinandersetzung ist Anfang und teilweise auch Weg zur Abstraktion.“[10]

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Genauso ist die Forderung nach „von der Hand in den Kopf und wieder zur�ck in die Hand“ nicht gerade neu [11]. Grunds�tzlich w�rden leistungsf�hige Unterrichtsmethoden zur Verf�gung stehen, um sich mit technischen Ger�ten und Prinzipien zu besch�ftigen:

Aus der Didaktik der Chemie stammt das historisch-problemorientierte Verfahren [12, 13], bei dem, ausgehend von geeigneten historischen Vorbildern, bestimmte naturwissenschaftliche, aber auch technische, Probleml�sungen nachvollzogen werden k�nnen. Ebenfalls aus der Didaktik der Chemie stammt das forschend-entwickelnde Verfahren [14], bei dem man von einer Idee ausgehend und der spezifischen Arbeitsweise des Naturwissenschaftlers folgend eine theoretische (oder technische) Fragestellung (er)kl�rt. Projekte [15] sind als Unterrichtsmethode allgemein reformp�dagogischer Herkunft. W�hrend sich die beiden vorausgehenden Methoden als Ein-Lehrziel-Verfahren eignen, greifen Projekte eher auf ganzheitlicher, mehrere Lehrziele aus unterschiedlichen psychischen Dimensionen [1] umfassenden und zeitlich umfangreicherer Ebene der Konzeptionen. Aus der Didaktik der Physik stammt das analytisch-synthetische Verfahren [1], das vergleichbar einem Projekt ganzheitlichen Anspruch auf Konzeptionsebene erhebt. Es geht von der Analyse eines Ger�tes aus und f�hrt �ber das Erschlie�en von Teilfunktionen in „mehreren methodischen Einheiten“ durch Nachbauen oder Modellierung zum Verst�ndnis des Ganzen.

In allen F�llen jedoch ist das Vorgehen entweder an allgemeinen p�dagogischen oder spezifisch naturwissenschaftlichen Arbeitsweisen und nicht an fachspezifischem Technikhandeln orientiert: unterrichtliches Bem�hen ersch�pft sich im Erarbeiten bzw. Darbieten des Prinzips und muss nicht zwangsl�ufig die Realisierung, Verwendung oder Diskussion im gesellschaftlichen Zusammenhang beinhalten. Zudem fehlt demanalytisch-synthetische Verfahren die Abstraktionsebene, die eine �bertragung auf andere Naturwissenschaften, etwa die Biologie, in der Unterrichtspraxis erleichtern w�rde. Deshalb soll hier zur Diskussion eine Unterrichtsmethode einschlie�lich mehrerer Verfahrensvarianten nach dem Artikulationsmodell angeboten werden. Auch die Didaktik der Technik stellt eine Reihe von spezifischen bzw. adaptierten Unterrichtsmethoden zur Verf�gung. Fach�bergreifend sind:

das Projektverfahren, allerdings abgeleitet von der ingenieurspezifischen Interpretation von „Projekt“, die sich nicht in der Idee, aber in der Umsetzung als Unterrichtsmethode von der der naturwissenschaftlichen Didaktiken unterscheidet, die Betriebserkundung, allerdings als Methode, nicht in der methodischen Enge eines Mediums wie im naturwissenschaftlichen Unterricht, die Fallstudie, und das Planspiel, beides methodische Formen, die aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich stammen und im naturwissenschaftlichen keine Entsprechung haben.

Fachspezifisch und an den einzelnen Kernt�tigkeiten orientiert sind:

die Konstruktionsaufgabe,die Fertigungsaufgabe,das Technische Experiment sowie

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die Produktanalyse – alle praxisorientiert, und der Lehrgang (in der Bedeutung eines zeit�konomischen Theoriekurses) [3]. Zur Verwendung im NT-Unterricht an Gymnasien werden sich selten die zeitlichen oder materiellen Rahmenbedingungen finden, typische Methoden des Technik-Unterrichtes umzusetzen – dazu bedarf es schon eines klar ausgewiesenen Faches Technik in der Hand von ausgebildeten Technik-Lehrern.

2.2 Die Methode in Artikulationsstufen

Als Konsequenz aus den oben diskutierten Vor- und Nachteilen soll nun eine an den Kernt�tigkeiten und den erweiterten T�tigkeiten des Ingenieurs orientierte Methode vorgestellt werden, die gleichzeitig an den Unterricht in weiterf�hrenden Schulen angepasst ist, weil sie ausbauf�hige Grundfertigkeiten und –denkweisen vermittelt. Aus dem Bereich der Technik sind beide Bereiche, der allgemeintechnologische und der arbeitsorientierte, unbedingt n�tig, um auch nur ansatzweise die Breite technischen Handelns mit seinen wirtschaftlichen, �kologischen und sozialen Bez�gen abzubilden (Tab. 1). Gleichzeitig soll das Hinarbeiten auf eine naturwissenschaftliche Abstraktion erhalten bleiben.

Kerntätigkeiten der Technik

Erweiterte Tätigkeiten aus dem soziotechn. System

Artikulationsstufen (Phasen) der technischen UM

EntwerfenKonstruierenPlanen

Diskussion (soziologische und �kologische Folgen) 1. Entwerfen und Konstruieren

Organisieren (Wirtschaft) 2. Beschaffen und OrganisierenBeschaffen (Wirtschaft)

Realisieren 3. FertigenMessenPrüfenTesten

4. Testen und Optimieren

Pr�sentieren (Wirtschaft und Didaktik) 5. Pr�sentieren

Tab. 1: Quellen f�r die Artikulationsstufen

Als drittes Kriterium sind die didaktischen Absichten unterzubringen, unterrichtliche Ma�nahmen, die dem Erreichen kurz- und langfristiger Lehrziele dienen (Tab. 2), aus dem kognitiven, motorischen und affektiven Bereich. „Technik immer am konkreten technischen Objekt exemplarisch behandeln und daran das Allgemeine bewusst machen“ sei das Ziel von Technikunterricht, betont Schulte [3]. Deshalb kann das Ziel der Unterrichtseinheit auch als Projekt bezeichnet werden, da am Ende ein greifbares Produkt steht. Es bestehen naturgem�� �hnlichkeiten zur Projektmethode, wie auch zur forschend-entwickelnden und zu problemorientierten Methoden. Mit fachlichen Zielen sind sowohl technisch-fachliche als auch naturwissenschaftlich-fachliche Ziele gemeint. Die folgende Methode kann als technisch-erfindendeMethode oder als „technisches Normalverfahren“ bezeichnet werden.

Artikulationsstufe Allg. fachliche Lehrziele Didaktische Ziele1. Entwerfen und Konstruieren

Beschreibung des Bed�rfnisses.

Einf�hrung in das Projektthema.

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Diskussion m�glicher Auswirkungen des Produktes und der Fertigung (sozial, �kologisch). Aufstellen eines Anforderungs- oder Leistungskataloges. Sch�pferische T�tigkeit. Anfertigen von einfachen Bauskizzen bis hin zu Konstruktionspl�nen. Auswahl von Materialart und –qualit�t.

Problemanalyse. Didaktische Reduktion des Problems Liefern/Erarbeiten von n�tigem Fachwissen. Festlegen der Arbeitsweise (lehrer- oder sch�ler-zentriert) und der Arbeitsform(en) (Klassen-, Gruppen-, Einzelarbeit, arbeitsgleich oder –teilig). Fixierung des Planes. Vorfreude auf das Ergebnis.

2. Beschaffen und Organisieren

Recherchieren von Bezugsquellen. Vergleich von Materialqualit�ten und Preisen. Berechnen von Herstellungskosten. Aufstellen eines Fertigungsplanes. Aufstellen eines Entsorgungs- und Recycling-Planes „Fortbildung“: Erwerben n�tiger Fertigkeiten.

Aufstellen bzw. Bekanntgeben eines Zeitplanes. Aufgabenverteilung.Lehren bzw. Lernen neuer Fertigkeiten. Freude an der Kommunikation.

3. Fertigen Fertigen von Einzelteilen. Montage des Gesamtger�tes.

Selbstbest. Arbeiten. Formen des soz. Lernens. Protokollieren. Freude an der Selbstt�tigkeit.

4. Testen und Optimieren

Messen. Funktionspr�fung an Einzelteilen oder Funktionsgruppen. Funktionspr�fung am Gesamtger�t. Vergleich der Leistungen mit dem Anforderungskatalog. Ma�nahmen zur Optimierung (Verbesserung, Eichung, Bedienungsfreundlichkeit, Anleitung erstellen...).

Anwenden aktueller Fertigkeiten. Anwendung von Grundwissen. Freude am erfolgreichen Gelingen.

5. Präsentieren Vorf�hren des Produktes: Anwenden, Pflege. Darstellung des eigenen Produktes (Vor-/Nachteile). Vergleich mit Konkurrenz-Produkten. �berlegungen zu einem Verkaufspreis.

Verbalisieren eigener Leistungen. Fachliche und fach�ber-greifende Kommunikation. Diskussion der L�sung. Fixierung v. Ergebnissen.Abstraktion von L�sungsstrategien.

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Werbema�nahmen bzw. Darstellung nach Au�en (Plakat, Ausstellung, Bildbericht...)

Didakt. Rekonstruktion. Festigung erworbenen Wissens. Stolz auf das selbst hergestellte Produkt. Bewertung. Ankn�pfungspunkt f�r folgenden naturwissen-schaftlich-fachlichen Un-terricht (Methodenwechsel).

Tab. 2: Didaktische und fachliche Ziele der Artikulationsstufen

Die Arbeitsformen werden in der Praxis je nach �u�eren Bedingungen (Umfang und Organisationsform des Faches, Raumangebot der Schule, Klassengr��e...) und methodischen Pr�ferenzen des Lehrenden gew�hlt. Ein Beispiel f�r den Einsatz mehrerer Arbeitsformen in derselben Unterrichtseinheit findet sich in Abb. 4.

Abb. 4: Eine m�gliche, zur technischen Methode passende, Sequenz von Sozialformen

3 Die Krone

Die Methodenvarianten k�nnen im gliedernden Bild als „�ste“ verstanden werden:

1. Die oben beschriebene technisch-erfindende Methodenvariante (Abb. 5 a) d�rfte der Arbeitsweise von Ingenieuren am n�chsten kommen: induktiv, projektartig, produktorientiert, mit einem balancierten Anteil an sch�pferischer, lehrender, theoretischer und praktischer T�tigkeit aller psychischer Dimensionen. Sie erfordert in allen Phasen einen h�heren zeitlichen und didaktischen, ggf. materiellen Aufwand. Es sind jedoch f�r niedrigere Anforderungsstufen [1] mehrere zeitlich weniger anspruchsvolle Varianten vorstellbar.

2. Die technisch-nachmachende Methode, Abb. 5 b geht nicht von einem Bed�rfnis aus, sondern (deduktiv) von einem existierenden Ger�t oder einer Maschine, deren Funktionsweise man verstehen m�chte. Ergebnis ist eine vereinfachte, modellhafte Version des Ger�tes, die aus dem Verst�ndnis

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heraus selbst hergestellt wurde. Ziel ist neben der Funktionsweise oft ein gewisses Maß an Materialkunde oder das Erlernen von Bearbeitungsfertigkeiten (in Anlehnung an [16]). Die Phasen der Planung, Materialbeschaffung und die Testphase sind reduziert, wobei die Fertigung auch auf Modellebene die Schüler durchaus altersgemäß fordern sollte.

3. Die technisch-untersuchende Methode, Abb. 5 c, geht auch von einem Gerät aus, das hier aber zu reparieren wäre und dessen Funktionsweise man durch Untersuchung erlernen möchte. Das Ziel ist rein praktischer Natur, nämlich ein Alltagsgerät so weit zu verstehen, um einfache Reparaturen selber vornehmen zu können bzw. Bedienfehler zu vermeiden. Alle Phasen sind gleichmäßig auf eine mittlere Anforderungsstufe reduziert, es fehlen spezielle Betrachtungen zu Materialwahl und Bearbeitungsmethoden.

4. Bei der technisch-forschenden Methode (Abb. 5 d) geht man in induktiv-deduktiven Wechseln von einem funktionsfähigen (Mess-)Gerät aus, dessen Funktionsweise man verstehen möchte, um eine naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit oder ein Naturphänomen zu verstehen und ggf. quantitativ zu beschreiben. Ziel ist eine naturwissenschaftliche Erkenntnis. Diese Variante ist dem forschend-entwickelnden oder dem analytisch-synthetischen Verfahren am nächsten und erreicht in den theoretischen Teilen der Bereiche Planung und Präsentation hohe Anforderungsstufen.

5. Alle Varianten können als Arbeitsweise praktische Phasen beinhalten und sollten sie auch beinhalten, damit man noch mit Fug und Recht von Technikunterricht sprechen kann. Denkbar ist zwar auch die technisch-informierende Methode in Anlehnung an [16] als rein informierende Methodenvariante (Abb. 5, e); sie sollte allerdings nur aus didaktischen Notsituationen heraus oder in besonders begründeten Einzelfällen Anwendung finden, etwa wenn die Anforderungsstufe niedrig ist, oder dem Thema eine sehr untergeordnete Position in der eigenen Unterrichtsplanung zukommt, oder wenn bei Schülern viel Erfahrung mit dem Thema vorhanden ist, oder wenn im Fach und mit der Klasse schon wiederholt praktische Verfahren durchgeführt worden sind.

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Abb. 5: Methodenvarianten im Vergleich.

4. Die Blüten (Beispiele für die versch. Methoden-Varianten)

Umsetzung. Nach den Inhalten des (bayerischen) Lehrplans für Grundschulen(Primarstufe) sollte es einfach sein, die Sch�ler bei einem gewissen Stand des Technikwissens abzuholen, denn er bietet in fast vorbildlicher Weise eine Reihe von Inhalten, auf die Lehrenden der weiterf�hrenden Schularten zur�ckgreifen k�nnten (Tab. 3).

LP-Nr. Kurzbeschreibung des geforderten Inhaltes

1.2.3Materialien: Metall, Kunststoff, Glas, Holz, Papier, Stein..., einschlie�lich typische Nutzung auf Grund von Eigenschaften.

1.3.3.Mit mechanischem Spielzeug spielen und Funktionen erkennen; eine Funktion erkunden: Rolle, Hebel oder einfacher Antrieb; ein Modell bauen.

1.7.2Erfahrungen mit Luft: spielerisch umgehen (Samenflug, Fallschirm...); einfache Spielzeuge bauen: Windr�der, Flugobjekte, Segelschiffe.

2.6.1Uhr und Uhrzeit: Verschiedene Uhren betrachten und erproben; relative Zeitmesser bauen und erproben: Kerzen-, Sand-, Wasseruhr.

2.7.3Einfluss verschiedener Temperaturen auf Materialien und Stoffe untersuchen / pr�fen: Ausdehnen, Verformen, Verfestigen...

3.4.3

M�glichkeiten der Arbeitserleichterung in einem erkundeten Betrieb; Entwurf, Bau und Erprobung einfacher Kr�ne, Seilwinden...; Ver�nderungen in der Arbeitswelt...: Automaten machen Berufszweige �berfl�ssig...

3.7.2Spielzeug mit Permanentmagnet untersuchen, einen Magnetkompass, einfachen Stromkreis, Elektromagneten bauen und anwenden (Modellampel...)

3.7.4 Technische Entwicklung im Wandel der Zeit: am Beispiel Heiztechnik oder elektrischer Gebrauchsgegenstand.

4.7.1Ausgangsstoffe und –materialien: Metall schmelzen, in Formen gie�en; Material-, Zeit-, Energie- und Arbeitsaufwand bei der Herstellung festhalten.

4.7.2

Kreislauf eines industriell gefertigten Produkts: Herstellung bis zum Endprodukt verfolgen (in Zusammenhang mit der Erkundung); Verpackung, Lagerung, Produktionsaufwand, Umweltschutz.

Tab. 3: Beispiele f�r technisch orientierte Inhalte im LP f�r bayerische Grundschulen [17] aus unterschiedlichen Jahrgangsstufen.

Allerdings besteht in der Praxis eine erhebliche Diskrepanz zwischen Lehrplaninhalten und den Erfahrungen, die z.B. Sch�ler in der Jgst. 5 tats�chlich (noch) parat haben. Die Ursachen hierf�r liegen sicherlich in der mangelhaften Ausbildung der Grundschullehrer im naturwissenschaftlichen (die F�cher Chemie

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oder Physik werden fast gar nicht, Biologie manchmal als Studierfach irgendeines Niveaus belegt) und der fehlenden Ausbildung im technischen Bereich. Damit verbunden ist eine aus welchen Gründen auch immer fehlenden Wertschätzung für diese Inhalte in der Konkurrenz zu Satzanalyse und Rechenübungen.

4.1 Beispiel für die technisch-nachmachende Methode

Eine methodische Formulierung dieses unterrichtlichen Handelns ist von Weltner aus der Physik heraus schon gemacht worden, unterscheidet sich aber von den hier vorgestellten Phasen durch die typischen Sichtweise des Naturwissenschaftlers [18]. Der Inhalt, die Fertigung eines Barometers aus Alltagsgegenständen, ist ein altbekanntes Beispiel für eine Basteltätigkeit. Im WWW finden sich Anleitungen, z.B. aus Australien [19] und USA [20,21], stets im Zusammenhang mit meteorologischer Messwerterfassung, vermutlich des Erdkunde-Unterrichts. Denselben Inhalt kann man in den Dienst des fach-übergreifenden Unterrichtes unter Einbezug der Technik stellen. Ausgangssituation: Jahrgangsstufe 5, Erfahrungen mit Luft sind bekannt (Luft braucht Platz, Luft dehnt sich aus, Stoffeigenschaft: Luft kann man zusammendrücken).

Artikulationsstufe Aktivitäten1. Entwerfen und Planen

a. Diskussion: Wozu braucht man ein Barometer im Haus?

b. Man geht von einem kommerziellen Barometer aus:evakuierte Dose, Hebelmechanismus, Zeiger, Justier-und Eichschrauben, Skala, Gehäuse. Man untersucht gemeinsam die Funktion der einzelnen Teile.

c. Wiederholen von dienlichen Grundlagen aus der Grundschule, z.B. Luft braucht Platz (Kompressibilität von Gasen).

d. Der Lehrer stellt Bauteile heraus, die vereinfacht oder weggelassen werden können: Luft statt Vakuum, einfacher, langer Hebel statt kompakte Bauform, gleichzeitig mit Zeigerfunktion statt Übertragung der Bewegung über eine sich drehende Achse, Brett statt Gehäuse. Dazu gehört auch die Diskussion über die Materialien: Glas und Kunststoff statt Metall...

e. Man fertigt gemeinsam eine einfache Strichskizze der für die Funktion unbedingt erforderlichen bzw. im Modellgerät noch benötigten Teile an.

f. Man sucht gemeinsam nach Gegenständen aus dem Alltag, die sich als Ersatz eignen: starres Glas für die Büchse, Luftballon für die Membran, Strohhalm für den Hebel und Zeiger, Pappe für die Skala.

g. Man überlegt gemeinsam, wie sie zusammengefügt werden könnten: binden, kleben, unterschiedliche Klebeverfahren und -stoffe (Klebefilm, Klebstoffe).

h. Es wird geklärt, ob Verschönerungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollen. Zeit: 90 Minuten (ggf. einschließlich 2b).

2. Beschaffen und a. Die erforderlichen Gegenstände werden besorgt:

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Organisieren Glas aus der Küche, Luftballon und Strohhalm aus dem Supermarkt, Klebefilm aus dem Bürobedarf, Pappe aus dem Haushalt, Klebstoff und Holz aus dem Bastelladen oder der Werkstatt.

b. Eine Fertigungsreihenfolge wird in Form einer Anleitung entwickelt und festgelegt.

Zeit: 45 Minuten (ggf. außerhalb des Unterrichts).3. Fertigen Fertigung als Hausaufgabe oder im Arbeitsraum.

Zeit: 90 Minuten (ggf. außerhalb des Unterrichts).4. Testen und Optimieren

a. Schüler erfahren die erste Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit. Fehler werden gemeinsam erkannt und abgestellt.

b. Schüler vergleichen immer noch existierende bauliche Unterschiede: Glasgröße, Strohhalmlänge, Luftballonmaterial... Es können sich Fragen ergeben, die forschend geklärt werden könnten:

Welchen Einfluss haben die Unterschiede auf dieFunktion(sfähigkeit) des Gerätes? Gibt es eine optimale Kombination?

a. Schüler beobachten das funktionsfähige Gerät über einen Zeitraum von 2-5 Tagen.

b. Schüler eichen ggf. ihr Gerät am Schulbarometer und ver-gleichen die Werte über mehrere Tage.

Zeit: für a, b, d 90 Minuten.5. Präsentieren a. Schüler stellen die Vorteile ausgewählter

Konstruktionen und Verbesserungen vor, die sie in 4. gegenüber der ursprünglichen Anleitung aus 2. vorgenommen haben.

b. Bewertungsphase für den Lehrer: Kreativität, Ausdauer, Exaktheit der manuellen Umsetzung, Durchdringungsgrad der Grundlagen, Geschick des Präsentierens.

c. Eine Ausstellung im Schulhaus wird vorbereitet. Fragen zur Weiterführung oder Erfolgskontrolle:

Was wäre wenn man statt eines Brettes Pappkarton als Unterlage (Gehäuse) verwendet hätte? Was wäre wenn man einen geknickten Trinkhalm verwendet hätte? Warum darf der Trinkhalm nur bis zur Mitte der Membran reichen? Wie wirkt sich die Luft im Glas gegenüber einer evakuierten Dose aus? Wie könnte man den Temperatureffekt kontrollieren? Zeit: eine bis mehrere Stunden, je nach Präsentationsrahmen

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Tab. 4: Beispiel f�r den technisch-nachmachenden Unterricht

Was haben die Sch�ler gelernt?

1. Mit mechanischen Messger�ten muss man sorgsam umgehen. Montageschrauben unterscheiden sich von Eichschrauben.

2. Ein selbstgebautes, vereinfachtes Gerät hat Modellcharakter. Die sich einschleichenden Fehler m�ssen bekannt sein.

3. Die Art des Materials bestimmt die Art und Weise der Fertigung, den Preis und die Qualit�t des Produktes.

4. Nur sorgf�ltiges, bewusstes Arbeiten f�hrt zu einem befriedigenden Ergebnis.5. Luft zieht sich bei Druck oder Temperaturabfall zusammen.6. Zeiger sind oft Hebel, die winzige Bewegungen sichtbar machen.

4.2 Beispiel für die technisch-forschende Methode

Die Aufgabe besteht darin, ein Leichtlauffahrzeug zu bauen. Methodische Verwandtschaft besteht zum forschend-entwickelnden Unterricht. Die Idee stammt aus dem Activity-Center von Legoland Billund, 1998 und ist auch von Legoland Deutschland in G�nzburg �bernommen worden. Ausgangssituation: Jahrgangsstufe 5, die Grundelemente eines Fahrzeuges sind aus dem Alltag bekannt (R�der, Achsen, Rahmen). Hypothesen zur Verl�ngerung der Rollstrecke sind ebenfalls aus dem Alltag vorhanden. Lehrziele: Alltagshypothesen auf ihre Tragweite �berpr�fen, verifizieren oder falsifizieren.

Artikulationsstufe Aktivitäten1. Entwerfen und Planen

a. Die Aufgabe wird formuliert: Baue ein Fahrzeug, das an einer schiefen Ebene ausgelöst, möglichst weit rollen soll.

b. Die Grundelemente eines Fahrzeuges werden angeordnet. Hier werden die ersten Entscheidungen gef�llt: Drei- oder Vierrad? Zwei-, drei- oder vierachsig? Rahmen- oder Plattentr�ger?

c. Die Dimensionen des Fahrzeuges werden festgelegt: nimmt man die l�ngsten verf�gbaren oder die k�rzestm�glichen Balken? Gro�e, breite oder kleinere, schmale R�der?

d. Die Entscheidungen fallen oft spontan auf Grund von (�bernommenen?) Alltagshypothesen und getrieben vom Durchsetzungsverm�gen des Vertreters: „je schwerer, desto weiter“, „je leichter, desto weiter“, „je gr��er die R�der, desto weiter“, „je niedriger das Fahrzeug, desto weiter“...

e. Eine Skizze f�r Details kann gefertigt werden, z.B. das Anbringen der Achse und der R�der.

Auch wenn das Thema als Teil einer Lernzirkel-Anordnung verwendet werden sollte, sollten mindestens zwei Gruppen gleichzeitig dieselbe Aufgabenstellung erhalten, damit Kommunikation aus der Gruppe heraus und ein gewisses

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Ma� an Wettbewerb gesichert sind.

Zeit: 10 Minuten.2. Beschaffen und Organisieren

Da LEGO eingesetzt wird, entf�llt die Materialauswahl und -beschaffung. In einer „Bastelkiste“ findet sich ein Pool von grunds�tzlich geeigneten Bauelementen: verschieden gro�e R�der, unterschiedlich lange Achsen, Balken, Platten, Kleinteile zum Kuppeln und Befestigen. Zeit: 5 Minuten, haupts�chlich zum vertraut werden mit den zur Verf�gung stehenden Teilen.

3. Fertigen Fertigung ist auf Grund des gerasterten Steckprinzips in sehr kurzer Zeit m�glich.

Zeit: 5 Minuten.4. Testen und Optimieren

a. Das Fahrzeug wird an einer schiefen Ebene das erste Mal getestet, die Fahrstrecke gemessen. Als Zielorientierung gilt eine „Erfahrungsmarke“ vorheriger Unterrichtseinheiten, z.B. 4m. Die Erbauer erfahren die erste R�ckmeldung �ber die Qualit�t ihrer Arbeit gemessen an der „Erfahrungsmarke“ oder dem Ergebnis der Parallelgruppe(n). Verbesserungen werden in der Gruppe diskutiert und umgesetzt. Es entstehen erste Bewertungen der Alltagshypothesen: waren die Annahmen richtig oder falsch?

b. Das Fahrzeug wird ein zweites Mal getestet. Die Erbauer erfahren die Wirkung ihrer Verbesserungsma�nahmen bzw. die Qualit�t ihrer Hypothesen. Weitere Optimierungen werden in der Gruppe diskutiert und umgesetzt. Es entstehen erste aus der Erfahrung begr�ndete Theorien �ber die Wirksamkeit von Ma�nahmen bzw. Konstruktionsprinzipien.

Zeit: 25 Minuten.5. Präsentieren a. Sch�ler f�hren ihr Optimalmodell dem Lehrer bzw.

anderen Sch�lergruppen vor. b. Sch�ler erl�utern die

„entdeckten“ Konstruktionsprinzipien sowie die Erfahrungen, die dazu gef�hrt haben:

Je leichter, desto weiter. Je schmaler die R�der, desto weiter. Je weniger Spiel an Achsen und R�dern, desto weiter...

c. Abstraktion der gewonnenen Erkenntnisse und zur�ckf�hren auf fachliche Gr��en und Gesetzm��igkeiten (Reibung, Hebel, Tr�gheit,

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Masse, Beschleunigung, Geschwindigkeit...) in altersgemäßer Fachsprache.

d. Fixierung ggf. als freies Protokoll. e. Eine Ausstellung im Schulhaus wird vorbereitet.

Fragen zur Weiterführung oder Erfolgskontrolle:

Welchen Einfluss könnte der Untergrund auf die Fahrstrecke haben? Bsp.: Teppichboden, Fliesen, Glatt-PVC. Welche Bausteine müsste LEGO erfinden, um noch längere Fahrstrecken zu ermöglichen?Ziele z.B. Kugellager oder Schwungscheibe.

Zeit: eine bis mehrere Stunden, je nach Präsentationsrahmen und Anforderungsstufe für behandelte Fachbegriffe.

Tab. 5: Beispiel für den technisch-forschenden Unterricht

Was haben die Schüler gelernt?

1. Annahmen müssen systematisch überprüft werden. Die Schlüsse aus der Überprüfung können Annahmen bestätigen oder Widerlegen.

2. Testbedingungen für dieselbe Aufgabenstellung sollten für alle Konkurrenten gleich sein: dieselbe schiefe Ebene, derselbe Bodenbelag.

3. Gesetze können auch aus der Erfahrung (nicht nur aus theoretischen Hypothesen) abgeleitet werden. Sie müssen aber systematischer Überprüfung stand halten.

4. Nur bewusstes, auf Abstraktion ausgerichtetes Experimentieren führt zu effektiven Schlussfolgerungen.

5. Hohe Masse erhöht Reibungsverluste. Günstiger Einfluss von Trägheit wird durch Erhöhung der Reibung wieder aufgehoben bzw. überkompensiert.

6. Große Kontaktflächen erhöhen Reibungsverluste.

4.3 Beispiel für die technisch-erfindende Methode

Ausgangssituation: die Schüler sind mit dem LEGO-Bauprinzip vertraut und haben Erfahrung mit Bausteinen aus der LEGO-Technik-Reihe. Je nach Alter oder Lehrziel lassen sich unterschiedlich komplexe Aufgabenstellungen (Bedürfnisse) formulieren. Jahrgangsstufen ab 7 scheinen in der Breite geeignet, aber auch besonders leistungsfähige oder erfahrene Gruppen aus der Jahrgangsstufe 5 im differenzierten Unterricht. Lehrziel: Einsetzen von Vorwissen und Kreativität im Dienst einer Aufgabenstellung, z.B. dem Erfinden eines Anschlagmechanismus für eine Glocke.

Artikulationsstufe Aktivitäten1. Entwerfen und Planen

a. Das Bedürfnis wird formuliert: wir benötigen einen Mechanismus zum Anschlagen der Schulglocke, der sich grundsätzlich auch für elektrischen Antrieb eignen soll.

b. Die Dimensionen werden festgelegt: es soll mit Hilfe

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von LEGO ein Modell gebaut werden, das ein kleines Gl�ckchen anschlagen kann.

c. Das Bed�rfnis wird analysiert: was f�r Einfl�sse auf Umwelt oder Arbeitswelt sind zu erwarten?

d. Die Aufgabe wird in Teilschritte zerlegt: ein elektrischer Antrieb w�rde Drehbewegung liefern, das Anschlagen erfordert Pendelbewegung. Die Drehbewegung wird zun�chst �ber eine Kurbel ausgef�hrt realisiert.

e. Ideen zur Umwandlung werden gesucht. Arbeitsgleiches Vorgehen in Einzelarbeit: Jedes Gruppenmitglied fertigt per Hand eine Strichskizze von seiner pers�nlichen Umsetzungsidee. Danach diskutiert die Gruppe und w�hlt die Erfolg versprechendste Idee zur Umsetzung aus.

Auch wenn das Thema Teil einer Lernzirkel-Anordnung ist, sollten mindestens zwei Gruppen gleichzeitig dieselbe Aufgabenstellung erhalten, damit unterschiedliche L�sungen zustande kommen k�nnen und ein gewisses Ma� an Wettbewerb gesichert ist. Zeit: 20 Minuten.

2. Beschaffen und Organisieren

Da LEGO eingesetzt wird, entf�llt die Materialauswahl und -beschaffung. In einer „Bastelkiste“ findet sich ein Pool von grunds�tzlich geeigneten Bauelementen: verschieden gro�e Zahnr�der, Riemen und Riemenscheiben, Achsen, Balken, Platten, Excenter, Kleinteile zum Kuppeln und Befestigen, eine Grundplatte. Geeignet sind auch die LEGO Explore-K�sten Nr. 9645 (Mechanik II) oder Nr. 9665 (Mechanik III) [22]. Zeit: 5 Minuten, haupts�chlich zum vertraut werden mit den zur Verf�gung stehenden Teilen.

3. Fertigen Fertigung ist auf Grund des gerasterten Steckprinzips in relativ kurzer Zeit m�glich. Der Lehrer gibt Hilfestellung bei der schwierigen Umsetzung von Strichzeichnung zur Konstruktion. Zeit: 20 Minuten.

4. Testen und Optimieren

a. Der Mechanismus wird an einem aufgeh�ngten Gl�ckchen getestet. Die Erbauer erfahren die erste R�ckmeldung �ber das Zusammenspiel der Einzelteile, die sie gem�� der Eingangsskizze zusammengebaut haben.

b. Verbesserungen werden in der Gruppe diskutiert und umgesetzt. Auf Grund des erfindenden Charakters der Arbeit ist ein gr��erer Zeitrahmen erforderlich.

Zeit: 30 Minuten.5. Präsentieren a. Sch�ler f�hren ihr Optimalmodell dem Lehrer bzw.

anderen Sch�lergruppen vor. Dabei gehen sie besonders auf ihre besondere Art der L�sung der Anforderungen ein.

b. Sch�ler debattieren ihre L�sung in Werbeform. Der

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Lehrer spielt die Rolle eines möglichen Produzenten für die Erfindung.

c. Der Lehrer abstrahiert die gewonnenen Erkenntnisse und führt sie zurück auf fachliche Gesetzmäßigkeiten und Bauprinzipien (Getriebe, Übersetzung, Bewegungsformen, spezielle Bauteile, ...) in altersgemäßer Fachsprache, ggf. in gesonderten, folgenden Unterrichtseinheiten.

d. Fixierung ggf. als freies Protokoll. e. Eine Ausstellung im Schulhaus wird vorbereitet.

Aufgaben zur Weiterführung oder Erfolgskontrolle:

Ersetze den Kurbelantrieb durch einen Motor und nötigeÜbertragungsteile. Wie lässt sich die Anschlagfrequenz beeinflussen? (Übersetzungsverhältnis) Wie ließe sich die Lautstärke dämpfen? (Belag) Wie ließe sich eine bestimmte Anzahl von Schlägen realisieren? (Programmierung).

Zeit: eine bis mehrere Stunden, je nach Präsentationsrahmen und Anforderungsstufe für behandelte Fachbegriffe.

Tab. 6: Beispiel für den technisch-erfindenden Unterricht

Schüler haben u.a. gelernt:

1. Ich bin in der Lage, etwas Neues zu erfinden. 2. Erfinden in der Gruppe macht Spaß und führt weiter als allein. 3. Grundlegende Bewegungsformen sind Drehen und Pendeln. Sie können

ineinander überführt werden. 4. Zum Festlegen bestimmter Drehzahlen oder Pendelfrequenzen dienen

Getriebe. 5. Es gibt mehrere Lösungen für ein und dieselbe Aufgabe, wobei die ideale

Lösung selten ist. Jede reale Lösung hat Vor- und Nachteile. 6. Ausgewählt wird durch Diskussion und abhängig von der

jeweiligen Einsatzanforderung. 7. Ich kann andere von meinem Produkt überzeugen.

5. Die Früchte

Erhoffte Leistungen. Was den Didaktiker von naturwissenschaftlichen F�chern an Technik-Anteilen fasziniert, ist zun�chst die gute Umsetzbarkeit von didaktischen Prinzipien wie Produktorientierung, Selbsttätigkeit, Alltagsorientierung und oft Schülergemäßheit – lauter Anforderungen eines sch�lerzentrierteren modernen Unterrichtes. In der Praxis fällt es auf, dass sich auch erfahrene Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer teilweise schwer tun, sich von der Lehrerzentrierung zu lösen und Teile des Unterrichtsgeschehens in die Hand der Schüler zu übertragen. Sicherheitsbestimmungen, Mangel an theoretischer Fundierung oder praktischer

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Erfahrung auf Sch�lerseite werden oft ins Feld gef�hrt. Die Beschreibung von Unterrichtsmethoden wie forschend-entwickelnd, historisch-problemorientiert oder der Projektmethode hat durch ihre Existenz allein nicht wesentlich zu einer �ffnung des Unterrichts beigetragen. Auch mit der Beschreibung der technischen Methode ist nicht der endg�ltige Durchbruch zu erwarten, doch die Hoffnungen liegen in einer Steigerung der Akzeptanz von Selbsttätigkeit und Produktorientierung. In der Folge k�nnten diese Prinzipien auch in den fachlichen Chemie-, Physik oder Biologie- und Informatikunterricht einziehen.

Nicht zuletzt unterscheiden sich die Denkweise und der Auftrag eines Technikers deutlich von der bzw. dem des Naturwissenschaftlers. Eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen diesen Disziplinen kann nur aus einem grundlegenden Verständnis für Unterschiede und Gemeinsamkeiten erwachsen. Die fehlende fachliche Differenzierung in der Unter- und Mittelstufe (Sekundarstufe I) ist eher als Chance denn als konzeptioneller Mangel zu sehen. Sie erw�chst aus der vorfachlichen Erziehung und macht letztendlich die Notwendigkeit fachlicher Spezialisierung in einem geeigneten Alter erst plausibel. Allerdings sollte der Fachunterricht in allen F�llen in der Sekundarstufe II auf das Erreichte aufsetzen, um dann sp�ter auf nochmals h�herer Ebene interdisziplin�res Denken und Handeln zu begr�nden.

Auf internationaler Ebene werden Standards f�r eine technische Grundbildungdiskutiert [23]. Dabei wird deutlich, dass sich viele der Standards auch dann realisieren lassen w�rden, wenn mit dem n�tigen Verst�ndnis geeignete Inhalte und Methoden in Lehrpl�ne bestehender F�cher (Natur und Technik, Werken, P/C/B...) integriert w�rden. Ob das nach amerikanischem Vorbild erfolgen soll, ist allerdings zu bezweifeln.

Erfahrungen. Die beschriebenen Beispiele f�r das technisch-forschende und technisch-erfindende Verfahren sind bis zur Drucklegung mit 5 Klassen der Jgst. 5 und 6 am Lernort Universit�t im Rahmen des Projektes „Chemie vernetzt Naturwissenschaften und Technik“ (C#NaT) [24] erprobt worden. Ziel war es, Erkenntnisse �ber altersabh�ngige Lernschwierigkeiten und die Zuordnung zu Schwierigkeitsgraden zu erhalten. Aufgaben:

1. Schwierigkeitsstufe 1: Bauen von Laufmaschinen nach originaler LEGO-Anleitung, anschlie�end Untersuchen von Teilfunktionen.

2. Schwierigkeitsstufe 2: Optimieren eines Autos. Das an sich bekannte Prinzip eines Autos wird auf Leichtlauffunktionen optimiert: es soll auf einer schiefen Ebene beschleunigen und m�glichst weit kommen.

3. Schwierigkeitsstufe 3: Erfinden einer Anschlagmaschine f�r eine Glocke. Dabei muss Dreh-in Pendelbewegung umgewandelt werden.

Von den 144 Sch�lern waren 70 weiblich. Davon hatten 22 (31%) Erfahrungen mit LEGO -technik, von den m�nnlichen Sch�lern 50 (68%). Beide Geschlechter trauten sich gleicherma�en (durchschnittlich 3-4 Sch�ler/innen) die L�sung der h�chsten Schwierigkeitsstufe zu. M�dchen gehen geplanter vor und erreichen zielgerichteter das Ergebnis. Bei Erfolg oder Misserfolg reagieren M�dchen extremer (Erfolg: Jubel bei besseren Werten als Jungen bzw. „Und dann sagt man immer ‚Frau und Technik’“. Misserfolg: „Die (Steine) halten nicht.“ Jungen gehen gewagtere Konstruktionen an, kommen aber in der zur Verf�gung stehenden Zeit oft nicht zu wesentlich besseren Ergebnissen. Die beste Abstraktion zur Konstruktionsregeln liefern die Jungen („Eigentlich reicht eine Achse mit zwei R�dern“).

Die Gruppe der Unerfahrenen hat Probleme beim Umsetzen der LEGO-Bauanleitung: es fehlt an Vorgehensplanung (erst Teile f�r den Bauabschnitt heraussuchen, dann verbauen), an Orientierung

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(„Achse in das f�nfte Loch von links“ bzw. spiegelverkehrte L�sungen) und Fehlersuchstrategien. Alle drei Fertigkeiten k�nnten mit wenigen Stunden LEGO-dacta, unterst�tzt durch das Lehrerbegleitmaterial, erreicht werden. Daran kann sich fachliche Ausformung in Physik, Chemie oderInformatik anschlie�en.

Eine wissenschaftliche Evaluierung steht aus. Die Frage, ob die Methode zu einer erh�hten Aufgeschlossenheit gegen�ber technischen und naturwissenschaftlichen Inhalten f�hrt, w�re in einer langfristigen Untersuchung zu kl�ren und von gro�em Interesse – die gerade empfundene Begeisterung steht den Kindern jedenfalls ins Gesicht geschrieben. Die Ziele von NuT sind eher affektiver, nicht methodischer Natur, so dass Aussagen zur praktischen Handhabbarkeit der Methode im Schulalltag zun�chst nur zuf�llig entstehen. Breite Erfahrungen in skandinavischen L�ndern lassen Nachhaltigkeit auch f�r deutsche Sch�ler vermuten.

Autorendaten: Walter Wagner ist Fachvertreter für Didaktik der Chemie an der Universität Bayreuth. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Aufbereitung lebensmitteltechnologischer Themen f�r den Unterricht, die Erstellung von Unterrichtsmedien, vor allem Lehrprogramme, und die Konzeption von offeneren Experimentieranleitungen. Anschrift: Didaktik der Chemie, NW2, Universit�t, 95440 Bayreuth, [email protected].

[1] Die verwendete fachdidaktische Terminologie entspricht den Vereinbarungen der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Chemie-Didaktiker (ABayCD) wie sie festgelegt sind unter:http://www.uni-bayreuth.de/departments/abaycd/lexikon/0_einfuehrung.htm

[2] Lehrplan f�r Gymnasien in Bayern, Fach Natur und Technik http://www.isb.bayern.de/gym/nt/index.htm, 24.01.2004

[3] Schmayl, W.; Wilkening, F.: Technikunterricht. Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2. Auflage, 1995. [4] Ropohl, G.: Technik als Bildungsaufgabe allgemeinbildender Schulen. In: Traebert, W. E.;

Spiegel, H.-R. (Hrsg.): Technik als Schulfach, Bd. 1, S. 7-24. [5] Sachs, B.: Legitimation und Strukturen von Technikunterricht. In: Traebert, W. E.; Spiegel, H.-R.

(Hrsg.): Technik als Schulfach, Bd. 4, S. 51-69. [6] Traebert, W. E.: Auswahlkriterien f�r Lehr- und Lerninhalte des Technikunterrichts. In: Traebert,

W. E.; Spiegel, H.-R. (Hrsg.): Technik als Schulfach, Bd. 1, S. 53-74. [7] Der Brockhaus multimedial 2001 Premium. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG,

2001. [8] Mengert, R. In: Traebert, W. E.; Spiegel, H.-R. (Hrsg.): Technik als Schulfach, Bd. 4, S. 1-10. [9] KMK: „Entwurf einer Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe in der

Sekundarstufe II“[10] Biester, W.: Zur Auspr�gung intelligenten Verhaltens durch die Auseinandersetzung mit

technischen Sachverhalten. In: Traebert, W. E.; Spiegel, H.-R. (Hrsg.): Technik als Schulfach, Bd. 1, S. 25-39.

[11] Gl�ckel, H.: Vom Unterricht. Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 3. Auflage, 1996. [12] Flintjer, B.; Jansen, W.: Die Arbeiten von Cl�ment und D�sormes – eine historisch-

problemorientierte Unterrichtskonzeption zum Thema Schwefels�ure. MNU 42, 1989, S. 87ff.[13] Thiemann, F.; Peper, R.; Fickenfrerichs, H.; Jansen, W.: „Luft und Sauerstoff“ nach dem

historisch-problemorientierten Unterrichtsverfahren. NiU-Chemie 11, 2000, S. 9ff. [14] Schmidkunz, H.; Lindemann, E.: Das forschend-entwickelnde Unterrichtsverfahren. Westarp-

Verl., Essen 1992. [15] Pfeifer, P. et al. (Hrsg.): Konkrete Fachdidaktik Chemie, Oldenbourg, M�nchen 2002. [16] F�ssel, M.: Naturwissenschaft und Technik. �berschneidungen und Abgrenzungen aus

technikdidaktischer Sicht. In: Traebert, W. E.; Spiegel, H.-R. (Hrsg.): Technik als Schulfach, Bd. 4, S. 79-105.

[17] Lehrplan f�r Grundschulen in Bayern, http://www.isb.bayern.de/isb/index.asp?MNav=3&QNav=4&TNav=0&INav=0&Fach=&LpSta=6&STyp=1, 15.12.2004

[18] Weltner, K.: Technik und naturwissenschaftlicher Unterricht, MNU 24. Band, Heft 2, 1971, 56-75.

[19] http://www.bom.gov.au/lam/Students_Teachers/Worksheet6.shtml, 29.11.2004[20] http://www.sciencenorth.on.ca/discoverycamp/barometer.htm, 29.11.2004 [21] http://media.nasaexplores.com/lessons/04-063/5-8_2.pdf, 29.11.2004 [22] Bezugsquelle: Fa. LPE Technische Medien GmbH, Schwanheimer Str. 27, 69412 Eberbach.

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http://www.technik-lpe.com/, Pfad LEGO Schulprogramm, 29.11.2004 [23] Höpken, G.; Osterkamp, S.; Reich, G. (Hrsg.): Standards für eine allgemeine technische

Bildung. Neckar-Verl., Villingen-Schwenningen 2003. [24] C#NaT: http://www.uni-bayreuth.de/departments/didaktikchemie/cnat/einfuehrung.htm,

26.01.2004

Didaktik der Chemie / Universität Bayreuth

E-Mail: [email protected]