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8. Herbstseminar 2002 1 Fritz Nünlist Leiter Haustechnik Basler & Hofmann AG, Zürich Technische Anforderungen und Lösungen für die Lüftungstechnik in Gewerbe- und Dienstleistungsbauten

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Fritz Nünlist Leiter Haustechnik Basler & Hofmann AG, Zürich

Technische Anforderungen und Lösungen für die Lüftungstechnik in Gewerbe- und Dienstleistungsbauten

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Technische Anforderungen und Lösungen für die Lüftungstechnik in Gewerbe- und Dienstleis-tungsbauten

Technische Anforderungen Voraussetzungen für Gebäude mit Lüftungsanlagen:

• Das Gebäude sollen luftdicht gebaut sein

(nach SIA 180; wegen Bauschäden, Komfort, Energieverlusten) Wichtige technische Anforderungen:

• Sehr guter Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung (mindestens 70%; möglichst über 80 %); Feuchterückgewinnung von Vorteil

• Niedriger Stromverbrauch der Ventilatoren-Antriebe (Elektrizität wird doppelt gewichtet); Spezifische elektr. Leistungsaufnahme möglichst tiefer als 0.5 W/(m3/h)

• Kälte- und Befeuchtungsenergie minimieren: - durch Hinterfragen der Bedürfnisse - auf begrenzte Zonen begrenzen - Betrieb optimal regeln

• Geschwindigkeit in den Luftleitungen niedrig halten

• keine Filter an den Abluft-Durchlässen

• keine Armaturen mit Druckverlusten über 30 Pa (z.B. Volumenstromregler)

• in der Zuluft nur 1 Filter (nicht gleichzeitig Grob- und Feinstaubfilter)

• kein Lufterhitzer

MINERGIE-Grundsatz: ... die für den Komfort notwendige Frischluftzu-

fuhr muss für den Wohnbereich kontrolliert erfolgen. Unkontrollierte

Fensterlüftung genügt dem MINERGIE-Standard nicht

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Lufterdregister:

• Lufterdregister - MINERGIE erlaubt eine Reduktion des therm. Wirksamen Aussenluftvo-lumenstroms von 20% bei:

• Druckverlust Lufterdregister max. 10 Pa

• Luftgeschwindigkeit max. 2 m/s und mittlere Verlegetiefe min. 1.5 m

• Faustformel: Summe aller Rohrlängen (m) grösser als Volumenstrom in (m3/h) dividiert durch 5; also bei 1000 m3/h - 200 m

Luft-Erdregister werden vor allem eingesetzt:

a) als Frostschutz

b) als Wärmegewinn

c) bei Abwärmenutzung

d) für sommerliche Kühlung

Der Situation angepasst, baulich kostengünstig integrieren.

ca. 7 K bei 10 m Länge

(16 cm und 2 m/s);

1-2% Gefälle nach Aussen

Literaturhinweis: Handbuch der passiven Kühlung, EMPA 6.99

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Fallbeispiel Bürogebäude Esslingen

Erfolgskontrolle Energie

Das Geschäftshaus der Firma Basler & Hofmann in Esslingen wurde während eines Jahres bezüglich Energieverbrauch von Wärme und Strom detailliert untersucht und mit Planungs-zahlen sowie Zielwerten der SIA verglichen. Dabei wurde zwischen Heiz- (Winter) und Kühl-periode (Sommer) unterschieden. Mit Hilfe des Leitsystemes sind die Zustände der einzelnen Systeme (Lüftungen, Heizung, usw.) erfasst und die Energieverbräuche, sofern sie nicht direkt gemessen wurden, berechnet worden. Zur Veranschaulichung der Energieflüsse sind alle Verbräuche mittels eines Visual-Basic-Programmes in einem Sankey-Diagramm (Energieflussdiagramm gemäss SIA 380/1) dargestellt worden. Tabelle 1 fasst die Energiedaten für die einjährige Periode vom 11. Januar 1999 bis 9. Januar 2000 zusammen. Wärme/Kälte:

Der HGT-korrigierte Heizenergiebedarf QH beträgt für das Jahr 1999 117 MJ/m2a. Im Ver-gleich mit dem Planungswert von 104 MJ/m2a liegt dieser Wert 12.5 % höher. Die Überschrei-tung ist unter anderem durch die höhere durchschnittliche Raumlufttemperatur von 22 °C zu erklären. Kontrollrechnungen bestätigen, dass der MINERGIE-Standard auch unter Berück-sichtigung der neuen Grenzwerte für Verwaltungsbauten erreicht wird. Die Planungsziele anno 1996 werden erfüllt. Die internen Wärmegewinne machen ca. 24 % der gesamten Wärmezufuhr aus. Zusammen mit der passiven Sonnenenergie durch die transparenten Gebäudeteile werden rund 47 % der Wärmezufuhr gedeckt.

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Der solare Bruttoertrag deckt etwa die Hälfte des Bruttowärmebedarfs für Warmwasser. Der Energieaufwand für die Warmwasseraufbereitung ist im Verhältnis zur Heizenergie verhält-nismässig klein. Nur gerade 7 % des gesamten (Netto)-Energiebedarfs Wärme werden für das Warmwasser benötigt. Die Erhebung zeigt einmal mehr, wie wenig Energie zur Wasser-erwärmung in Bürogebäuden gebraucht wird. Während der Heizperiode werden 9 % (9'224 kWh) des Heizenergiebedarfes durch das Luft-erdregister (LER) gedeckt. Auf der anderen Seite werden 23 % (4'382 kWh) der passiven Ge-bäudeauskühlung durch das Lufterdregister erbracht. Die Auswertung der Jahresnutzungsgrade der Wärmerückgewinnung (Lüftungsanlagen) mit oder ohne Berücksichtigung des Lufterdregisters zeigt mit 80 % resp. 78 % gute Ergebnisse auf. Elektro:

Die Energiekennzahl Elektro (SIA 380/4) über alle Verbrauchergruppen liegt mit 118 MJ/m2a ca. 2 % unter dem Zielwert. Bei der Betrachtung der einzelnen Verbrauchergruppen fällt vor allem der überdurchschnittlich hohe Elektroverbrauch bei den Arbeitshilfen (PC, Drucker, usw.) auf. Die deutliche Über-schreitung des Planungswertes ist auf die 22 CAD-Stationen zurückzuführen, die aus Grün-den der Datensicherung (dezentrale Datenhaltung) rund um die Uhr im Betrieb sind. Zwi-schenzeitlich hat sich die Firma Basler & Hofmann für den Einsatz eines zentralen CAD-Servers entschieden, der erlaubt, die Arbeitsstationen ausserhalb der eigentlichen Arbeitszeit auszuschalten. Eine massive Reduktion des Energieverbrauches ist zu erwarten. Die restlichen Verbraucherkennzahlen entsprechen in etwa den Empfehlungen der SIA 380/4.

EnergiedatenWerte in MJ/m2a Bezug Grenzwert Zielwert Planungswert MesswertHeizenergiebedarf QH SIA 380/1 270 220 104 117Elektrizität SIA 380/4 210 120 120 118Arbeitshilfen SIA 380/4 35 15 15 53Beleuchtung SIA 380/4 50 25 25 20.7Lüftung /Klima SIA 380/4 40 20 20 20.9

Elektrowärme WW SIA 380/4 30 30 30 2.5

30 30.2DiverseTechnik+ ZentraleDienste SIA 380/4 25+30 15+15

Tabelle 1: Planungs- und Messwerte für das Geschäftshaus Esslingen im Vergleich zu den Grenz- und Zielwerten nach SIA

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Erfolgskontrolle Luftqualität

In diesem Teilprojekt wurden die Luftströmungen in einem Einzelbüro und in einem Bespre-chungsraum mit Nebelvisualisierung, Tracergasmesstechnik und Luftgeschwindig-keitsmessungen untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass in beiden Räumen die Quelllüftung erwartungsgemäss funktioniert, dies auch unter erschwerten Bedingungen (hohe Belegung, Innentüren offen). Im Einzelbüro wurde mit Nebelvisualisierung nachgewiesen, dass auch bei offener Bürotüre die einwandfreie Lüftung des Raumes noch gewährleistet ist. Beim Betrieb der Lüftung auf Stufe 1 wurde an keiner Stelle eine Luftgeschwindigkeit gemessen, die zu kritischen Zugser-scheinungen führen könnte. Gegenüber dem ungestörten Bereich konnten nur in unmittelba-rer Nähe des Durchlasses (10 cm) und in Bodennähe leicht erhöhte Luftgeschwindigkeiten festgestellt werden. Im Besprechungsraum weist einer der drei Durchlässe eine etwa doppelt so grosse Eintritts-geschwindigkeit als die andern beiden auf. Hier ist mit einer Reduktion des thermischen Kom-forts, verursacht durch Zugserscheinung, im Umkreis von ca. 1.5m um den Durchlass zu rechnen. Mit der Nebelvisualisierung konnte festgestellt werden, dass sich auch im mit 40 Personen voll belegten grossen Besprechungsraum eine Quellluftströmung einstellt. Aller-dings ist im Atembereich kaum mehr mit besseren lokalen Luftqualitätsindices zu rechnen als dies bei einer Mischlüftung der Fall wäre. Wie die Nebelvisualisierung zeigte, verteilt sich die Frischluft innerhalb ca. 4 min im ganzen Raum gleichmässig. In einem weiteren Experiment wurden in einem der abtrennbaren Teile des Besprechungsraumes Tracergasmessungen bei mittelstarker Belegung durchgeführt. Die gemessenen Luftaustauschwirkungsgrade von 52% resp. 54% liegen in der Grössenordnung des Wertes einer Mischlüftung (50%). Die im Atem-bereich gemessenen Luftqualitätsindices von 1.2 resp. 1.4 sind jedoch deutlich besser als der Wert 1 bei einer Mischlüftung. Die messtechnisch ermittelten Volumenströme sowohl im Einzelbüro als auch im Bespre-chungsraum liegen um bis zu 40% unter den Werten der Auslegung. Lufterdregister

Das Lufterdregister (LER) umfasst zwei Sektionen mit getrennten Aussenluftfassungen – je eine westlich und östlich des Gebäudes – und einen gemeinsamen Sammelkanal im Zentrum der Anlage. Die Aufteilung in zwei Sektionen hat sich bewährt, insbesondere auch wegen der Optimierung der Länge der Rohre. Neun parallele Rohre mit einer mittleren Länge von 22 m bilden eine Sektion. Die Verlegetiefe beträgt 1 m unterhalb der wärmegedämmten Bodenplat-te. Die bewirtschaftete Fläche im Erdreich beträgt 670 m2. In Esslingen weist die Bodenplatte einen U-Wert von 0.41 W/m2K auf. Die Verluste des Kellergeschosses werden dem LER wie-der zugeführt. Berechnungen mit dem WKM-Modell zeigen, dass es während der Heizperiode ca. ein Drittel dieser Verluste sind. Das Erdregister ist auf den Kühlfall im Sommer mit einem Luftvolumenstrom von 8800 m3/h ausgelegt. Büro- und Gemeinschaftszone sowie die Sitzungszimmer werden bei Aussenluft-temperaturen unter 10 0C und über 18 0C über das LER versorgt. Zwischen 10 0C und 18 0C strömt die Aussenluft zur Schonung des Erdreiches über einen Bypass. Die Einstellung auf ein Temperaturband von 10 0C bis 18 0C hat sich bewährt. Bei 73% der insgesamt 2670 Be-triebsstunden liegt das LER im Aussenluftstrom.

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Die Austrittstemperatur am LER liegt im Winter immer über 5 0C und im Sommer unter 20 0C. Damit ist eine Vereisung in der dem LER nachgeschalteten WRG gebannt. Bei einer Aussen-lufttemperaturen von 0 0C beträgt die Wärmeleistung 20 kW, die Kühlleistung 15 kW bei Aus-senlufttemperaturen um 25 0C, bei höheren Temperaturen bis zu 30 kW. Zusammen mit der LER-unabhängigen Nachtkühlung gewährleistet das Lufterdregister einen guten Raumkom-fort. Das Lufterdregister (LER) leistet einen ansehnlichen Beitrag an die Energiebilanz: Das LER deckt rund 9% (9224 kWh) des Heizenergiebedarfs und 23% (4382 kWh) des Kühlbedarfs. Die kombinierten Energie-Gestehungskosten für Wärme und Kälte des LER belaufen sich je auf rund 56 Rp./kWh (unter Berücksichtigung der externen Kosten). Passivhaus lässt den Lärm draussen vor der Tür

Der Passivhaus-Standard bringt an lärmexponierter Lage überzeugende Vorteile

In Rupperswil im Kanton Aargau ist zwischen Herbst 2000 und Frühjahr 2001 eines der ersten Passivhäuser der Schweiz entstanden: ein dreigeschossiges Wohn- und Bürogebäude mit rund 1'000 m2 Geschossfläche. Dass sich die Büros und sämtliche vier Wohnungen problem-los vermieten liessen, ist durchaus nicht selbstverständlich und hat viel mit der fortschrittlichen Bauweise zu tun. Von Margrit de Lainsecq Das Wohn- und Bürogebäude in Rupperswil steht an lärmbelasteter Lage. Gegen Nordosten bietet sich zwar eine schöne Aussicht auf Wiesen, Bauerngärten und die bewaldeten Hügel-züge des Juras; an der Südgrenze des Grundstücks aber steht eine Schallschutzwand, und dahinter donnern auf dem Autobahnzubringer Richtung Aarau täglich 34'000 Fahrzeuge vor-bei. Das Bauland kostete deshalb nur halb soviel wie üblich. "Nur dank dem günstigen Grund-stückpreis und einem strikten Kostenmanagement konnten wir das Projekt überhaupt realisie-ren", sagt Rainer Kaufmann, Aargauer FDP-Grossrat und Inhaber eines Ingenieurbüros, für das er neue Räumlichkeiten suchte. In den übrigen neu entstandenen Büros ist das Architek-turbüro Setz eingemietet. Werner Setz, der den Neubau entworfen hat und auch privat in der Nähe wohnt, hat sich über das Grundstück schon Gedanken gemacht, bevor Kaufmann auf ihn zukam. "Es waren hier schon einmal von einem anderen Architekturbüro zwei Doppelein-familienhäuser projektiert", erzählt Setz, "aber die Interessenten kehrten um, sobald sie das Grundstück sahen."

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Er ging deshalb ganz neu an die Sache heran, richtete die Wohn- und Gartenfassade mit grosszügigen Balkonen gegen Norden und plante gegen die Autobahn hin eine geschlossene Südfassade, die dank optimaler Dämmung die Funktion einer zweiten Lärmschutzwand über-nimmt. Da Werner Setz ein Jahr zuvor sehr motiviert von einer Fachtagung über Passivhäuser im deutschen Kassel zurückgekehrt war, schlug er Kaufmann ausserdem vor, nach dem Pas-sivhaus-Standard zu bauen. Grosse Fenster gegen Norden

"Was die Kosten betrifft, war ich anfangs skeptisch", erinnert sich Rainer Kaufmann. Gleich-zeitig fand er es als Politiker und Bauingenieur spannend, ein Passivhaus mit einem jährlichen Heizwärmebedarf von höchstens 15 kWh pro m2 Netto-Nutzfläche zu planen und aufzuzeigen, wie sich dank des technischen Fortschritts auch an solch problematischer – aber nicht untypi-scher! – Lage ein attraktiver Wohn- und Geschäftsbau realisieren lässt. Einig mit dem Archi-tekten war er sich darin, dass nach Norden orientierte Computerarbeitsplätze Vorteile aufwei-sen: "Grosse Fenster im Norden verhindern störende Blendung; und das konstante Licht bie-tet optimalen Sehkomfort." Ob sich aber die gewünschten, grossen Nordfenster mit dem Pas-sivhaus-Standard vereinbaren liessen? Hier war der Architekt skeptisch. Energieplaner Wer-ner Hässig vom Ingenieurbüro Basler & Hofmann forderte beim Passivhaus-Institut im deut-schen Darmstadt das sogenannte Passivhaus-Projektierungsprogramm an, ein Instrument zur Berechnung der Wärmedämmwerte in Abhängigkeit der Energieverbrauchsziele. Und siehe da: 36 cm Steinwolle-Dämmung bei den Fassaden und eine ebenfalls sehr gute Dämmung von UG-Decke und Flachdach machten das Erreichen des Passivhaus-Standards trotz gros-ser Nord- und kleiner Südfenster (mit entsprechend bescheidenem passiven Solarbeitrag) möglich.

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Zertifizierte Fenster

Wie jedes Passivhaus besitzt auch dieses eine kompakte Form. Durch das günstigere Ver-hältnis zwischen Gebäudehülle und Energiebezugsfläche ist der formale Spielraum bei einem Bau dieser Grösse jedoch weniger stark eingeschränkt als bei einem Einfamilienhaus. So lag zum Beispiel eine aufgelockerte Nordfassade gegen die Gartenseite hin durchaus drin. Man entschied sich für einen Stahlbetonskelettbau mit Aussenwänden im Holzrahmenbau. Die Verschalung besteht aus unbehandelter Douglasie, die einen Silberton annehmen wird. Pas-send dazu hat man mit roten Fensterrahmen und Treppenhausprofilen einen Akzent gesetzt. Die grossflächigen Fassadenelemente wurden fertig gedämmt angeliefert (Renggli AG, Schötz/LU). Grösste Herausforderung für Architekt und Systembauer war das Erreichen einer absolut luft-dichten Bauweise; mit Sorgfalt wurde jeder Winkel und jeder Übergang zwischen verschiede-nen Bauelementen geplant. Die Holz/Metall-Fenster mit Dreifachverglasung erreichen inklusi-ve Rahmen einen U-Wert von 0,7 W/m2 K und stammen vom deutschen Hersteller Wiegand (Hatzfeld-Holzhausen). Die Fenster sind vom Passsivhaus-Institut in Darmstadt zertifiziert. In Darmstadt werden neben Fenstern auch andere für Passivhäuser geeignete Bauteile zertifi-ziert, wobei die Dämmwerte und Konstruktionsdetails aufgrund der Erfahrungen festgelegt sind, die das Institut aus der inzwischen zehnjährigen wissenschaftlichen Begleitung von Pas-sivhäusern und aus Bewohnerbefragungen gewonnen hat. "Die Zertifizierung ist eine wichtige Orientierungshilfe für unsere Kunden", urteilt Fensterbauer Dirk Wiegand. Zwar seien solche "Superfenster" noch doppelt so teuer wie Normfenster, doch bei einer gesamtheitlichen Be-trachtung relativiere sich dieser Preis. Kombiniert heizen und lüften

Wiegand spielt damit auf den geringen Heizbedarf im Passivhaus an, der je nach Projekt ei-nen teilweisen oder gar kompletten Verzicht auf eine wassergeführte Wärmeverteilung er-laubt. Zwingend ist im Passivhaus dagegen die kontrollierte Belüftung. In Rupperswil hat man ein zentrales Lüftungsgerät (Seven-Air) gewählt, mit einer Kapazität von 1'340 m3/h (Zuluft und Fortluft) und einem Rotationswärmetauscher, der aus der Abluft 85% der Wärme zurück-gewinnt. Vor der Übertragung der Energie aus der Abluft wird die Zuluft durch ein Erdregister vorgewärmt. Gleichzeitig mit der Frischluft wird die Heizenergie in den Wohn- und Büroräu-men verteilt. Allerdings strömen Heizwasser (durch eine Gastherme mit 21 kW Leistung von Elcotherm aufbereitet) und Frischluft in getrennten Leitungen bis zu den Wohnungen respekti-ve Bürotrakten. "Da beim Transport von warmer Luft über längere Distanzen hohe Verluste resultieren, erwies es sich als zweckmässig, die Heizenergie erst in einer kleinen Wärmetau-scher-Box beim Wohnungseingang auf die Frischluft zu übertragen", erklärt Werner Hässig vom Planungsbüro Basler und Hofmann. Die Heizwasserführung bis zur Wohnung machte es zudem einfach, im Badezimmer aus Komfortgründen einen Radiator zu installieren. Die Gastherme liefert auch die Energie für das Warmwasser; die Bauherrschaft verzichtete auf eine thermische Solaranlage (die Anschlüsse für eine allfällige spätere Installation sind jedoch vorbereitet). Der zentrale Warmwasserspei-cher wird nachts aufgeladen; es ist vorgesehen, während der dafür nötigen eineinhalb Stun-den mit dem Heizen auszusetzen.

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Diese Strategie beurteilt Werner Betschart von der HTA Luzern allerdings kritisch: "Man muss aufpassen, dass während der Heizperiode nicht kalte Luft in die Räume geblasen wird und diese unnötig auskühlen", sagt der Passivhausspezialist. Ob es vorteilhafter wäre, die Heiz-leistung lediglich zu drosseln und den Warmwasserspeicher entsprechend langsamer aufzu-laden, wird unter anderem Thema des einjährigen Messprogramms sein, das die HTA Luzern im Auftrag des Bundesamts für Energie an diesem als Pilot- und Demonstrationsprojekt ge-förderten Neubau durchführt.

Lärmproblem gelöst

Wie entscheidend eine Lüftungsanlage den Wohnkomfort an lärmbelasteter Lage verbessern kann, zeigt sich in Rupperswil beispielhaft. Die dosiert in die Räume strömende, gefilterte Frischluft garantiert ein gutes Innenraumklima, während der Lärm dank der optimal gedämm-ten Gebäudehülle draussen bleibt. Gegen Norden hin lässt sich auch einmal ein Fenster oder die Balkontür öffnen; hier ist der Verkehrslärm nur sehr gedämpft zu hören. Arbeitsplätze, Wohn- und Schlafräume sind gegen Norden angeordnet; in den Schlafzimmern ist es bei ge-schlossener Tür so still, dass viele Mieterinnen und Mieter eine Verbesserung zu ihrer frühe-ren Wohnsituation feststellen! Zwar erhalten Wohnräume und Balkone durch die Ausrichtung nach Norden verhältnismässig wenig Sonne, doch die offene Raumgestaltung lässt diese trotzdem hell erscheinen: Von der Küche über den Wohnbereich bis hin zum Balkon hindert keine Zwischenmauer das durch die (kleinen) Südfenster einfallende Sonnenlicht daran, weit in die Räume vorzudringen.

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Eine interessante Erfahrung machten die Planer des Passivhauses in Rupperswil bei der Pro-jektierung des Treppenhauses zwischen Büro- und Wohntrakt. Durch die Einsparungen u.a. bei der Verglasung und den Profilen kam ein offenes Treppenhaus 60'000 Franken günstiger zu stehen als ein geschlossenes, trotz der dadurch nötigen, zusätzlichen Dämmung der Wän-de hin zum Treppenhaus. Die Energiebilanz der offenen Variante ist nur unmerklich schlech-ter. Die Gesamtkosten für das Wohn- und Bürohaus belaufen sich auf 2,8 Mio. Fr., davon sind 350'000 Fr. durch die Passivhausbauweise verursachte Mehrkosten. Der Bund förderte das Pilotprojekt mit 100'000 Fr., der Kanton Aargau mit 50'000 Fr. Die Luzerner Kantonalbank honorierte die zukunftsweisende Bauart mit einer Zinsreduktion von 1/4 % auf die gesamte erste Hypothek. Für die 4 1/2-Zimmer-Wohnungen ergibt sich bei üblicher Kapitalverzinsung und Rendite (5 1/2 %) ein monatlicher Mietpreis von Fr. 1'700.--; die Heizkosten belaufen sich auf lediglich Fr. 80.-- pro Jahr und werden nicht separat ausgewiesen. Die Wohnungen liessen sich problem-los vermieten. Die ökologisch vorbildliche Passivhausbauweise erwies sich hier also auch als ökonomisch kluge Strategie: Ohne die überdurchschnittliche Schall- und Wärmedämmung und die kontrollierte Lüftung hätten an dieser lärmexponierten Lage keine attraktiven Wohn- und Büroräume realisiert werden können.