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Prof. Dr.-Ing. Dirk Werner x + 1 [email protected] Modul(e) Pflichtmodul Stahlbau - Bachelor Teil 6 – Verbindungen und Anschlüsse 6. Verbindungen und Anschlüsse 6.1 Einige einleitende Gedanken Bauteile aus Stahl können spätestens dann, wenn sie den Stahlbaubetrieb verlassen qua- si nicht mehr verändert werden. Der Aufwand rechtfertigt den Nutzen in der Regel nicht. Andererseits können sie nur so groß vorgefertigt werden, dass ein Transport ohne nen- nenswerte Schwierigkeiten durchgeführt werden kann. Folgerichtig hat sich im Lauf der Entwicklung eine Technologie lösbarer Verbindungen entwickelt (Bild 6-1). Ausgehend von den Nieten, deren Herstellung im Abschnitt 1 angedeutet wurde, entstanden dabei u.a. gleitfeste und vorgespannte Verbindungen, deren Montage erfahrenes und geschultes Personal erfordert. In der aktuellen Normengeneration werden später 5 Kategorien für Schraubenverbindungen definiert. Bild 6-1: Komplexe Verbindung an der Skihalle Wittenburg Nun ist es unmöglich, Stahlbauteile so zu konstruieren, dass ausschließlich lösbare Ver- bindungen eingesetzt werden können. Allein aus ästhetischen Gründen wirken „fließende“ Übergänge zwischen Bauteilen oft filigraner und schlanker. Wenn es zudem gelingt, die Verbindung von Querschnitten durch eine vom Material her nahezu gleichwertige Naht auszuführen, dann steht dem Konstruieren größerer Bauteile kaum noch etwas im Weg. So entwickelte sich neben den lösbaren die festen, unlösbaren (eigentlich schwer lösba- ren) Verbindungen im Stahlbau, die im Wesentlichen mit dem Begriff „Schweißen“ ver- knüpft sind (Bild 6-2). Inzwischen werden viele verschiedene Schweißverfahren unter- schieden und für das Schweißen selbst gibt es eigene Ingenieure, die Schweißfachinge- nieure, die sich ausschließlich mit der Ausführung und Qualitätssicherung von Schweiß- nähten befassen. In Deutschland gibt es über 600 Normen, die sich mit dem Schweißen, den Schweißverfahren und der Herstellungsüberwachung befassen.

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Teil 6 – Verbindungen und Anschlüsse

6. Verbindungen und Anschlüsse

6.1 Einige einleitende Gedanken

Bauteile aus Stahl können spätestens dann, wenn sie den Stahlbaubetrieb verlassen qua-si nicht mehr verändert werden. Der Aufwand rechtfertigt den Nutzen in der Regel nicht. Andererseits können sie nur so groß vorgefertigt werden, dass ein Transport ohne nen-nenswerte Schwierigkeiten durchgeführt werden kann. Folgerichtig hat sich im Lauf der Entwicklung eine Technologie lösbarer Verbindungen entwickelt (Bild 6-1). Ausgehend von den Nieten, deren Herstellung im Abschnitt 1 angedeutet wurde, entstanden dabei u.a. gleitfeste und vorgespannte Verbindungen, deren Montage erfahrenes und geschultes Personal erfordert. In der aktuellen Normengeneration werden später 5 Kategorien für Schraubenverbindungen definiert.

Bild 6-1: Komplexe Verbindung an der Skihalle Wittenburg

Nun ist es unmöglich, Stahlbauteile so zu konstruieren, dass ausschließlich lösbare Ver-bindungen eingesetzt werden können. Allein aus ästhetischen Gründen wirken „fließende“ Übergänge zwischen Bauteilen oft filigraner und schlanker. Wenn es zudem gelingt, die Verbindung von Querschnitten durch eine vom Material her nahezu gleichwertige Naht auszuführen, dann steht dem Konstruieren größerer Bauteile kaum noch etwas im Weg. So entwickelte sich neben den lösbaren die festen, unlösbaren (eigentlich schwer lösba-ren) Verbindungen im Stahlbau, die im Wesentlichen mit dem Begriff „Schweißen“ ver-knüpft sind (Bild 6-2). Inzwischen werden viele verschiedene Schweißverfahren unter-schieden und für das Schweißen selbst gibt es eigene Ingenieure, die Schweißfachinge-nieure, die sich ausschließlich mit der Ausführung und Qualitätssicherung von Schweiß-nähten befassen. In Deutschland gibt es über 600 Normen, die sich mit dem Schweißen, den Schweißverfahren und der Herstellungsüberwachung befassen.

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Bild 6-2: Schweißnaht an einem Fundamenteinbauteil für Windenergieanlagen

Aus der Spezifik beider Standardverbindungen im Stahlbau (Schrauben und Schweißen) ergibt sich im Zusammenhang mit einfachen wirtschaftlichen Betrachtungen:

Die Herstellung unlösbarer Schweißverbindungen erfolgt unter Ausschluss ungünstiger Einflüsse aus Witterung und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen i.V. mit höheren Ausführungsqualitäten überwiegend in der Vorfertigung.

Die Herstellung lösbarer Schraubverbindungen erfolgt unter erheblicher Zeitersparnis wetterunabhängig und mit wenig Aufwand überwiegend auf der Baustelle.

Diese Trennung ist von jedem Konstrukteur anzustreben und selbstredend nicht immer zu 100% umsetzbar.

Für die Berechnung von Schweißnähten und Schraubverbindungen können die Verfahren der technischen Biegelehre (Abschnitt 3) und der plastischen Querschnittsberechnung (Abschnitt 4) nicht kritiklos übernommen werden. Infolge der Bohrungen für die Schrauben werden die Bauteile geschwächt und Spannungen nehmen einen anderen Verlauf an, als nach den genannten Verfahren berechnet werden kann. Die Lage der Schweißnähte liegt nicht zwangsläufig ideal parallel oder ideal senkrecht zu einer berechneten Spannung im Bauteil. Hinzu kommt, dass in den meisten Fällen lösbare und unlösbare Verbindungen zu einem Anschluss kombiniert werden müssen. Die Berechnung der Spannungen und Bean-spruchungen für die Verbindungsmittel wird dadurch sehr komplex. Die Berechnungsver-fahren müssen daher oft durch Versuche untersetzt werden, um deren zutreffende Nähe-rung zur Realität nachzuweisen. Ferner haben sich sowohl bei den lösbaren als auch bei den nicht lösbaren Verbindungen hochtechnisierte Verfahren zur Herstellung und Überwa-chung entwickelt, was durchaus auch Einflüsse auf die Berechnungsalgorithmen der Ver-bindungen und Anschlüsse hat. Deutlich wird das auch, wenn man allein die Vielzahl der

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Normen in Betracht zieht, die von EN 1993-1-8 in Bezug genommen werden. Es sind 53 weitere Normen.

Zum Verständnis der folgenden Ausführungen werden zunächst die Begriffsdefinitionen aus der EN 1993-1-8 angegeben, der Grundnorm, in der die Berechnungsverfahren fest-geschrieben sind. Ferner sei erneut auf die Anlage 1 zum Script hingewiesen, in der die Formelzeichen der EN 1993-1-8 komplett enthalten und erklärt sind.

6.2 Grundbegriffe und Definitionen nach EN 1993-1-8

Eine Grundkomponente eines Anschlusses ist ein Teil des Anschlusses, der zu einem oder mehreren Kennwerten des Anschlusses beiträgt. Typische Grundkomponenten sind Schrauben, Schweißnähte, Schubfelder, Stirnplatten usw.

Ein konstruktiver Punkt, an dem sich zwei oder mehr Bauteile treffen, wird als Verbindung bezeichnet. Eine Verbindung ist somit eine bestimmte Anordnung von Grundkomponenten, welche Kennwerte für die Verbindung, insbesondere für den Nachweis der sicheren Über-tragung der Schnittgrößen liefern.

Ein Bauteil, welches an einem Anschluss mit anderen Bauteilen verbunden ist, heißt ange-schlossenes Bauteil.

Als Anschluss wird der gesamte Bereich bezeichnet, in dem zwei oder mehrere Bauteile miteinander verbunden sind. Für die Berechnung und Bemessung besteht der Anschluss aus der Anordnung aller Grundkomponenten, aus denen sich die Kennwerte für den Nach-weis der sicheren Übertragung der Schnittgrößen ergeben. Ein Anschluss kann also meh-rere Verbindungen enthalten.

Die Gestaltung eines Anschlusses oder mehrerer Anschlüsse, an dem die Achsen von zwei oder mehreren angeschlossenen Bauteilen zusammenlaufen, heißt Anschlusskonfi-guration.

Der Winkel Φ , um den sich der Anschluss bei vorgegebenem Moment ohne Versagen verformen kann, wird als Rotationskapazität bezeichnet. Das Moment, welches in einem Anschluss den Drehwinkel Φ = 1 erzeugt, heißt Rotationssteifigkeit.

Kennwerte eines Anschlusses sind die auf die Schnittgrößen der angeschlossenen Bau-teile bezogenen Tragfähigkeiten, die Rotationssteifigkeit und die Rotationskapazität des Anschlusses.

Die Begriffe werden mit den Bildern 6-3 bis 6-5 vertieft. Dabei zeigt das Bild 6-3 den Unter-schied zwischen Verbindung und Grundkomponenten und deren Lage am Beispiel einer üblichen einseitigen und einer üblichen zweiseitigen Anschlusskonfiguration. Bild 6-4 stellt einige herkömmliche Anschlusskonfigurationen bezüglich der starken Achsen dar und im Bild 6-5 sind zwei Beispiele für Anschlusskonfigurationen um die schwache Achse gezeigt.

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Bild 6-3: Einseitige und zweiseitige Anschlusskonfiguration nach EN 1993-1-81 = schubbeanspruchtes Stegfeld2 = Verbindung 3 = Grundkomponenten (Schrauben, Stirnblech, Schweißnaht)

Bild 6-4: Beispiele für Anschlusskonfigurationen in der starken Achse1 = einseitiger Träger-Stützen-Anschluss2 = zweiseitiger Träger-Stützen-Anschluss3 = Trägerstoß (biegesteif oder Gelenk)4 = Stützenstoß 5 = Stützenfuß bzw. Fußplatte6 = Trägerauflager

Bild 6-5: mögliche Anschlusskonfigurationen für die schwache Achse,Voraussetzung sind ausgeglichene Biegemomente

1 1

1

1

1

1

1

3 3

2

6

4

5 5 5

M b1 , EdM b2 , Ed M b1 , Ed

M b2 , Ed

1 1

2

2

3 3

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Weitere Definitionen zu einigen häufig vorkommenden Anschlüssen, die insbesondere bei Fachwerkbindern oft gebraucht werden, sind in den Darstellungen 6-6 bis 6-8 analog zur EN 1993-1-8 angegeben. Dabei geht es vornehmlich um die Frage, der Beeinflussung der Lage des gemeinsamen Schnittpunktes der Schwerachsen der angeschlossenen Bauteile und die Erfassung möglicher Exzentrizitäten in den Anschlüssen. Müssen mehrere ausfa-chende Diagonalen und Vertikalen eines Fachwerkes am Ober- oder Untergurt ange-schlossen werden, kann es entweder überlappend oder mit einem Spalt geschehen. Die dafür notwendigen geometrischen Beschreibungen gehen auch aus den Bildern hervor.

Bild 6-6: Bezeichnungen bei Spalt (links und Mitte) und Überlappung (rechts,im Falle der Überlappung sind die Kraftrichtungen der Ausfachungenzu beachten (g = Abstand der theoretischen Wurzelpunkte)

Zugstäbe sind wegen der unvermeidlichen Schwächung der Kraftübertragung an den Ver-bindungen und Anschlüssen stets DIREKT an die Gurtstäbe anzuschließen, also mit der geringst möglichen Anzahl an Verbindungen.

Bild 6-7: Definition der Bezugsachsen für die Berechnung von Exzentrizitäten,das Verfahren wird später gezeigt, es sind :rot fett : Schwerachsen der Schraubengruppenrot normal : Schwerachsen der Schraubenblau : Schwerachsen der Profile (Winkel oder T-Profile)

Exzentrische Anschlüsse entstehen, wenn die Schwerachsen der Schraubengruppe nicht mit den Schwerachsen der Profile zusammenfallen. Wann auf den Ansatz der Exzentrizität

g

g

p

q

Bezugsachsender

Verbindungsmittel

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verzichtet werden darf, regelt EN 1993-1-8 im Punkt 5.1.5 (wird noch erläutert).

M 0,Ed

N 0,Ed

M 0,Ed

N p , Ed

N i bi

hi

t i

t 0

h0

b0

Θi

a)

M 0,Ed

N 0,Ed

M 0,Ed

N p , Ed

N ibi

hi

t i

t0

h0

b0

N j

t j

h j

b j

ΘiΘ j

b)

M 0,Ed

N p , Ed

M 0,Ed

N 0,Ed

N i

bi

hi

t i

t 0

h0

b0

N j

t j

h j

b j

ΘiΘ j

c)

Bild 6-8: Bezeichnungen für Anschlüsse von Fachwerkstäben an die Gurte nach EN 1993-1-8

Mit diesen und den Bezeichnungen lt. Anlage 1 zu Script wird nachfolgend gearbeitet.

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6.3 Annahmen für die Tragwerksplanung von Verbindungen

Grundsätzlich setzt die Anwendung von EN 1993-1-8 voraus, dass alle Grundkomponen-ten von Verbindungen und Anschlüssen nach den (53) Bezugsnormen hergestellt, gelie-fert, überwacht und ausgeführt werden, die in Abschnitt 1.2 der Norm aufgeführt sind. Fer-ner sind die weiteren Teile der Reihe EN 1993-1-i einzuhalten. Hervorgehoben wird die Grundnorm EN 1993-1-1.

Es gelten die Teilsicherheitsbeiwerte nach Tabelle 6-1.

Anwendung für Formelzeichen Größe nach

EN 1993-1-8 Nat. Anhang

Beanspruchbarkeiten von Bauteilen und Querschnitten

γM0 , γM1 , γM2 s. EN 1993-1-1 bzw. Script, Tabelle 3-2, S. 142

Schrauben γM2 1,25 1,25Beachte:Für S420 und S460 gilt γM2

nur mit abweichenden Korrelationsbeiwerten βw

Niete, Bolzen

Schweißnähte

Lochleibung von Blechen

Gleitfestigkeit im GZT, Kategorie C

γM3 1,25 1,25

Gleitfestigkeit im GZG, Kategorie B

γM3, ser 1,10 1,10

Lochleibung bei Injektionsschrauben

γM4 1,00 1,00

Knotenanschlüsse in Fachwerken mit Hohlprofilen

γM5 1,00 1,00

Bolzen im GZG γM6 ,ser 1,00 1,00

Vorspannung hochfester Schrauben

γM7 1,10 1,10

Beton γc Siehe EN 1992

Tabelle 6-1: Teilsicherheitsbeiwerte für den Nachweis von Verbindungen

Für Stahl der Sorte S420 und S460 werden keine gesonderten Teilsicherheitsbeiwerte γM2 angegeben. In diesem Zusammenhang sei bereits hier darauf verwiesen, dass beim

Nachweis von Schweißnähten der Korrelationsbeiwert βw anzupassen ist. Der Wert wird wie folgt festgelegt:

βw , S420 = 0,88 statt 1,00 für Stahl S420(6-1)

βw , S460 = 0,85 statt 1,00 für Stahl S460

Für Injektionsschrauben ist stets ein bauaufsichtlicher Verwendungsnachweis erforderlich. Das können europäische technische Zulassungen (z.B. EOTA), allgemeine bauaufsichtli-che Zulassungen (DIBT) und Zustimmungen im Einzelfall (Oberste Bauaufsichtsbehörden

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der Bundesländer) sein.

Werden Verbindungen und die Verbindungsmittel durch häufig wechselnde Lasten zusätz-lich auf Ermüdung beansprucht, ist zusätzlich EN 1993-1-9 zu beachten.

Die Ermittlung der Schnittgrößen, die von den Bauteilen an den Verbindungen und An-schlüssen übertragen werden müssen, sind nach den Grundsätzen aus EN 1993-1-1 zu bestimmen.

Die Beanspruchbarkeiten von Anschlüssen ergeben sich aus den Beanspruchbarkeiten der einzelnen Grundkomponenten. Dafür können linear-elastische Verfahren oder elas-tisch-plastische Berechnungsverfahren eingesetzt werden. Sind in einer Verbindung zur Aufnahme von Scherbeanspruchungen Verbindungsmittel unterschiedlicher Steifigkeit vor-handen, dann ist dem Verbindungsmittel mit der höchsten Steifigkeit die gesamte Belas-tung zuzuordnen. Lediglich für den Nachweis des Gleitwiderstandes in Hybridverbindun-gen gibt es eine Ausnahmeregel.

Folgende Annahmen für die Nachweise von Verbindungen sollen die wirklichkeitsnahe Verteilung der Schnittgrößen auf die Verbindungsmittel sicher stellen, was bei Anwendung der EN 1993-1-8 der Fall ist:

a) Bei der Aufteilung der Schnittgrößen auf die Grundkomponenten sind die Gleichgewichtsbedingungen zu beachten.

b) Jede Grundkomponente kann die zugewiesenen Anteile der Schnittgrößenallein übertragen.

c) Verformungen, die durch diese Verteilung im Grundmaterial entstehen, überschreiten nicht das Verformungsvermögen von Grundmaterial undVerbindungsmittel (Schrauben und Schweißnähte)

d) Die Verteilung der Schnittgrößen muss entsprechend der vorhandenen Steifigkeiten im Anschluss erfolgen.

e) Bei elastisch-plastischen Berechnungen müssen die angenommenen Verformungen physikalisch möglich sein. Das gilt insbesondere für größereStarrkörperverdrehungen in der Tragwerksebene (Rotationskapazität).

f) Das verwendete Berechnungsmodell widerspricht nicht bekannten Versuchsergebnissen (z.B. nach EN 1990).

Besondere Regelungen gibt es weiterhin für schubbeanspruchte Anschlüsse mit Stoßbe-lastung, bei Schwingungen oder Lastumkehr. Darf in den Verbindungen kein Schlupf auf-treten, sind gleitfeste Verbindungen, Passbolzen, Niete oder Schweißnähte zu verwenden. Schrauben sind hier gegen unbeabsichtigtes Lösen zu sichern. Injektionsschrauben sind ebenfalls zugelassen.

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6.4 Schraubverbindungen

6.4.1 Grundlagen und Darstellung von Schraubenverbindungen auf Zeichnungen

Eine vernünftige Kontrolle der Ausführung ist nur möglich, wenn die Überwachenden vor Ort Ausführungs- und Werkpläne von Stahlbaukonstruktionen lesen und verstehen kön-nen. Das Beherrschen der Symbolik für Schrauben und Bohrungen, wie in Tabelle 6-2 dar-gestellt, ist ein Teil davon. Maßgebend dafür ist die DIN ISO 5261. Die Tabelle ist in ähnli-cher Form auch in üblichen Tabellenwerken zu finden.

Zeichenebene senkrecht zur Achse parallel zur Achse

Bedeutung des Symbols

Nicht gesenkt

Senkung auf der Mutterseite freigestellt

Mutterseite rechts

Senkung rechtsVorderseite Rückseite

Schraube in der Werkstatt eingebaut

Schraube auf der Baustelle eingebaut

Schraube auf der Baustelle gebohrt und eingebaut

Bei den Sinnbildern für Löcher entfallen die Punkte in der Mitte bzw. in der Ansicht parallel zur Achse die senkrechten Striche. Der Lochdurchmesser in [mm] ist dann zusätzlich anzugeben.

Bezeichnung einer Schraubebzw. einer Schraubengruppe:

4 M20 * Länge [mm] DIN ...

(zusätzlich erforderlich: Art der Verbindung, Festigkeitsklasse der Schrauben, Maße)

Tabelle 6-2: zur Darstellung von Schrauben und Bohrungen auf Plänen inklusive der Anweisungen für die Herstellung

Eine ebenso wichtige Komponente für die Berechnung von Schraubenverbindungen ist die Konfiguration innerhalb eines Anschlusses. Das heißt die Definition von Abständen der Schrauben untereinander und der Abstände zu den (belasteten) Rändern der angeschlos-senen Bauteile. Daraus ergeben sich wesentliche Größen zur Berechnung der Bean-spruchbarkeit der Verbindungen. Nachfolgend gilt, dass der Buchstabe „ p “ einen Ab-stand von Verbindungsmitteln untereinander und der Buchstabe „ e“ einen Abstand zwi-schen dem außen gelegenen Verbindungsmittel und dem (belasteten) Rand angibt. Die In-

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dizierung erfolgt so, dass der Index „ 1“ einen Wert parallel zur Kraftrichtung und der In-dex „ 2“ einen Wert senkrecht zur Kraftrichtung beschreibt (Bild 6-9).

Bild 6-9: Definition der Abstände von Schrauben und Nieten (Standard)

Bei versetzter Anordnung von Verbindungsmitteln, oft ein probates Mittel, die Tragfähigkeit auf engem Raum signifikant zu erhöhen, zeigt das Bild 6-10. Dabei sind die Grenzwerte für p2 und den Wert L zu beachten, wobei sich L aus der einfachen Gleichung

L =p1⋅p2

√ p1

2

4+ p

2

2(6-2)

berechnet, wie aus den Bildern 6-9 und 6-10 herzuleiten ist, wenn ein Versatz um 0,5⋅p1

erfolgt.

Bild 6-10: Mindestabstände der Verbindungsmittel bei versetzter Anordnung

In Abhängigkeit von der Kraftrichtung (Zug oder Druck) sind weitere Randbedingungen zu erfüllen (Bild 6-11). Im Bild 6-11 ist zwischen Druck (oben) und Zug (unten) als Einwirkung auf die Verbindung zu unterscheiden. Bei Druck wird eine gleichmäßige Anordnung emp-fohlen, um lokales Ausweichen zu vermeiden. Bei Zug kann in den inneren Reihen ein grö-ßerer Abstand p1 in Kraftrichtung angesetzt werden. Maßgebend ist der Wert der kleine-ren Blechdicke t der miteinander verbundenen Bauteile.

Im Vergleich der Darstellungen 6-10 und 6-11 wird deutlich, dass über d 0 , den Loch-durchmesser, ein Minimum für die Abstände definiert wird und über die minimale Blechdi-cke t ein Größtwert. Gemeinsam mit der aufzunehmenden Kraft und der daraus resultie-renden Anzahl nötiger Verbindungsmittel wird später die konkrete Anschlusskonfiguratiion zu bestimmen sein.

E Ed

p1 e1

p2

e2

E Ed

L

p2

p2

L ≥ 2,4⋅d 0

p2 ≥ 1,2⋅d 0

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Bild 6-11: Randbedingungen für die Abstände p1 und p2 bei versetzter Anordnung von Verbindungsmitteln

Bild 6-12: Randabstände bei Langlöchern

Bei Langlöchern werden die Abstände auf die Lochachse (Längsachse) und den Mittel-punkt des seitlichen Halbkreises, der den kleineren Randabstand hat, bezogen. Es gilt Bild 6-12. Die Berechnungen und Grenzwerte der vorstehenden Darstellungen sind in der Ta-belle 6-4 (umseitig) nochmals zusammengefasst. Dabei werden Schraubenabstände mög-lichst klein gewählt, aber auf volle 5 mm aufgerundet.

Lochdurchmesser d 0 und Schaftdurchmesser d der Verbindungsmittel sind aufeinan-der abzustimmen. Die Differenz der Durchmesser wird als Lochspiel bezeichnet und in EN 1090-2 geregelt und hier als Tabelle 6-3 (Nennlochspiel ∆ d ) wiedergegeben.

∆ d = d 0 � d (6-3)

Lochart Schraubengröße

M12 M16 M20 M22 M24 M27 M30 M36

normal 1 mm 2 mm 3 mm

Hinweise Bei Türmen und Masten ist das Nennlochspiel um 0,5 mm zu reduzieren.Das Lochspiel bei Schrauben M12 kann bei beschichteten Verbindungsmitteln um die Dicke der Beschichtung vergrößert werden.

Tabelle 6-3: Nennlochspiel in Abhängigkeit vom Schraubendurchmesser

E Ed

p1

p2

p1 ≤ 14⋅t

p1 ≤ 200 mm

p2≤ 14⋅t

p2 ≤ 200 mmDruck

E Ed

p1,0

p1, i

p1,0 ≤ 14⋅t

p1,0 ≤ 200 mm

p1, i ≤ 28⋅t

p1, i ≤ 400 mmZug

p1,0 = äußere Reihe p1, i = innere Reihe

e3

e4d 0

0,5⋅d 0

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Passschrauben müssen unter hohen Aufwand „stramm“ eingepasst werden. Es gilt∆ d ≤ 0,3 mm . Das ist teuer. Daher werden Passschrauben seltener eingesetzt.

Rand- und Lochabstände gem. Bilder 6-9 bis 6-12

Minimum Maximum

Konstruktionen aus Stahlsorten nach EN 10025 (außer EN 10025-5)

Konstruktionen aus Stahlsorten nach EN 10025-5

Stahl ist korrosionsgefährdet

Stahl ist nicht korrosionsgefährdet

ungeschützter Stahl

e1 1,2⋅d 0 4⋅t + 40 mm Maximum aus 8⋅t / 125 mm

e2 1,2⋅d 04⋅t + 40 mm Maximum aus

8⋅t / 125 mm

e3 1,5⋅d 0

e4 1,5⋅d 0

p1 1,2⋅d 0Minimum aus

14⋅t / 200 mmMinimum aus

14⋅t / 200 mmMinimum aus

14⋅t / 175 mm

p1,0Minimum aus

14⋅t / 200 mm

p1, iMinimum aus

28⋅t / 400 mm

p2 2,4⋅d 0Minimum aus

14⋅t / 200 mmMinimum aus

14⋅t / 200 mmMinimum aus

14⋅t / 175 mm

Tabelle 6-4: zur Berechnung der Schraubenabstände in den obigen Skizzen

6.4.2 Schraubenwerkstoffe nach EN 1993-1-8

Maßgebend für die Anordnung von Nieten und Schrauben in einer Konfiguration ist die Tragfähigkeit des einzelnen Verbindungsmittels, die zu berechnen ist. Dazu tragen in ers-ter Linie die Materialien für die Schrauben bei. EN 1993-1-8 beschreibt neben den in Deutschland üblichen Schraubenmaterialien (Tabelle 6-5) mit den Werkstoffen 4.8, 5.8 und 6.8 drei weitere Materialien, deren Verwendung durch den Nationalen Anhang in Deutsch-land ausgeschlossen wird.

Schraubenwerkstoffe werden durch zwei Ziffern benannt, die durch einen Punkt getrennt werden ( a.b ). Dabei gilt:

a = 0,01⋅ f ub mit f ub = Zugfestigkeit der Schraube

(6-4)

b = 10⋅f yb

f ub

mit f yb = Streckgrenze

In der Tabelle 5 ist neben den Grundwerten f yb (Streckgrenze) und f ub (Zugfestigkeit) auch angegeben, für welchen Stahl (Grundmaterial der angeschlossenen Bauteile) der je-

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weilige Schraubenwerkstoff geeignet ist.

Bezeichnung Streckgrenze f yb

N

mm2

Zugfestigkeit f ub

N

mm2

Eignung für die Verbindung von Bauteilen aus:

4.6 240 400 S235

5.6 300 500 S355

8.8 640 800 S235 / S355

10.9 900 1000 S235 / S355

Tabelle 6-5: Schraubenwerkstoffe, Grundparameter und Eignung

6.4.3 Versagensarten der Einzelschraube

Für die Einteilung der Verbindungen in die 5 Kategorien (A bis E) nach EN 1993-1-8 sind zum besseren Verständnis die Versagensarten von Schraubverbindungen zu beschreiben. Dafür werden die Definitionen und Bezeichnungen aus Bild 6-13 und 6-14 verwendet.

sw d s d

l s

Kopf Schaft Gewinde

l k 8

Bild 6-13: Bezeichnungen und Fotos zu Schrauben

Für die Schrauben gibt es eine Vielzahl von Produkt- und Überwachungsnormen. Sie sind in der EN 1993-1-8 detailliert aufgeführt. Eine wichtige Dimensionierungsgröße für plan-mäßig kontrolliert vorgespannte Verbindungen wird später die Klemmlänge l k sein, also die Dicke des zwischen Schraubenkopf und Mutter eingeklemmten Grundmaterials. Im Bild 6-13 (Skizze unten links) ist die Klemmlänge nach DIN 7990 für rohe Schrauben 4.6 und 5.6 angegeben. Das Foto daneben zeigt einen vorgespannten Flanschstoß einer Win-denergieanlage mit Schrauben 10.9. Hier sind nach EN 14399-4 2 stets 2 Unterlegschei-

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ben anzuordnen, also auch auf der Kopfseite der Schraube. Im Bild zu erkennen ist die auf dem oberen Flansch notierte planmäßige Vorspannkraft für diese Schrauben. Das Gewin-de der Schrauben im Stahlbau wird stets nach DIN 13-1 (ISO-Gewinde, metrisches Ge-winde) ausgeführt.

Zur Unterscheidung zwischen normalfesten Schrauben (4.6 und 5.6) und hochfesten Schrauben (8.8 und 10.9) haben letztere bei gleichem Schaftdurchmesser (Nenndurch-messer) eine größere Schlüsselweite. Ungeachtet dessen müssen Schrauben eine Her-stellerkennzeichnung aufweisen, bei vorgespannten Verbindungen auch die Muttern (Bild 6-14).

Bild 6-14: Beispiele für Bezeichnungen auf Schrauben und verschiedeneSchlüsselweiten bei normalfesten und hochfesten Schrauben

Bei rohen Schrauben gilt in der Regel d = d s gemäß Bild 6-13. Für Passschrauben ist dagegen d = d

1� 1 mm . Eine weitere Unterscheidung gibt es im Nennlochspiel, wie be-

reits mit Tabelle 6-3 beschrieben.

a) Versagen auf Abscheren

Werden zwei Bleche miteinander durch eine senkrecht zu den Blechebenen geführte Schraube verbunden, können diese Bleche auf die Schraube wie eine Schere wirken. Da-her kommt der Begriff „Abscheren“ (Bild 6-15). Für die Bestimmung der Widerstandsgröße sind folglich der Schaftquerschnitt und die aufnehmbare Schubspannung des Materials heranzuziehen. Sind bei Anschlüssen von mehr als zwei Blechen mehrere Scherflächen vorhanden, kann der Scherwiderstand in jeder Scherfläche aktiviert werden.

Bild 6-15: Schraubenversagen auf Abscheren

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b) Versagen auf Lochleibung

In Abhängigkeit vom Verhältnis der Werkstoffparameter von Schraube und Grundmaterial sowie dem Verhältnis von Schraubendurchmesser und Dicke der zu verbindenden Ein-zelbleche kann es vor einem Versagen der Schraube auf Abscheren auch zu einem Versa-gen der Schraube bzw. des Grundmaterials an den Kontaktflächen, also den Leibungsflä-chen kommen. Das Versagen kann durch Aufweitung des Loches bzw. Riss im Grundma-terial entstehen. Wegen des erheblichen Unterschiedes zwischen dem tatsächlichen Ver-lauf der Spannungen in der Lochleibung und den idealisierten Spannungen in den Berech-nungsansätzen werden die Grenzwerte für Schrauben stets durch eine Vielzahl von Versu-chen untersetzt. Das gilt analog auch für die anderen Arten des Versagens.

Bild 6-16: Versagen der Verbindung auf Lochleibung, tatsächlicher Verlauf derSpannungen, idealisierter Verlauf der Spannungen, Versagen durch Lochaufweitung oder Riss zwischen den Löchern

c) Verlust der Gleitfestigkeit

Die Kontaktflächen der verbundenen Bauteile aktivieren eine Reibungskraft, wenn sie ver-suchen, sich gegeneinander zu verschieben. Diese Reibungskraft ist um so größer, je stär-ker die verbundenen Bleche senkrecht zur Kraftrichtung zusammen gepresst werden. Eine Vorspannung hilft also, die Gleitfestigkeit zu vergrößern.

Bild 6-17: Verlust der Gleitfestigkeit

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Ebenso vergrößert eine angemessene Vorbehandlung der Gleitflächen (aufrauhen, har-zen, etc.) den Reibungsbeiwert. Geht der Kontakt zwischen den Reibflächen verloren oder wird durch eine zu hohe äußere Last die Reibung überwunden, versagt die Verbindung. Zunächst tritt also ein entsprechender Schlupf auf und in der Folge wird der Widerstand der Lochleibung bzw. gegen Abscheren nicht ausreichen.

Es gibt Verbindungen, die nur im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit gleitfest sein müssen (Kategorie B). Bei diesen Verbindungen müssen im Grenzzustand der Tragfähig-keit natürlich Lochleibung und Abscheren allein den ausreichenden Widerstand der Verbin-dung realisieren.

d) Überschreiten der Zugfestigkeit

Bild 6-18 zeigt eine Verbindung der Kategorie E mit planmäßig kontrollierter Vorspannung. Grün eingetragene Kräfte symbolisieren die Vorspannung, die gemäß der linken Teildar-stellung den Schaft beanspruchen. Zusätzlich tritt eine äußere Zugkraft auf (rot eingetra-gene Kräfte). Bei zu großer Beanspruchbarkeit im Schraubenschaft bzw. bei Versagen des Kontakts im Bereich Mutter-Gewinde kann die Schraube auf Zug versagen. Im Versagens-fall sind im Schaft keine Zugkräfte und im Grundmaterial keine Druckkräfte mehr vorhan-den.

Bild 6-18: Überschreiten der Zugfestigkeit der Schraube

e) Durchstanzen des Grundmaterials

Bild 6-19: Durchstanzen des Grundmaterials bei Zugbeanspruchung der Schraubenverbindung

Ein dem Durchstanzen im Stahlbetonbau durchaus ähnliches Phänomen kann bei Schrau-benverbindungen auftreten, wenn die Schraube entsprechend fester ist, als das Grundma-

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terial der verbundenen Teile. Überwunden wird praktisch die Querkrafttragfähigkeit des Bleches senkrecht zur Blechebene. Der sogenannte Stanzkegel wird durch die in aller Re-gel vorgespannte Schraube an das zweite Blech gepresst. Die Zugkraft überwindet die Schubspannung im Bereich der Mantelfläche des Kegels.

Durchstanzen kann konstruktiv gut und sicher durch dickere Unterlegscheiben größeren Durchmessers vermieden werden. Dadurch vergrößert sich der Stanzkegel und die Flä-che, in der die Schubspannung des Material überwunden werden muss.

Eine gut konstruierte Verbindung reizt die Möglichkeiten für alle mitwirkenden Komponen-ten so aus, dass ein Versagen, zum Beispiel Abscheren und Lochleibung, etwa gleichzeitig auftreten würde. Darauf sind im Wesentlichen die Konstruktionsregeln ausgerichtet. In ein-schlägigen Tabellenwerken sind die sogenannten Anreißmaße und maximalen Lochdurch-messer angegeben, die bei der Konstruktion von Schraubverbindungen einzuhalten sind. Im Bild 6-20 sind weitere Beispiele zu Schrauben dargestellt.

Bild 6-20: Lochspiel, Unterschied zwischen Senkkopfschraube und Normalkopf-schraube, Beispiele für Komplettgarnituren