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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei Polyäthylen Untersuchungen an LDPE und LLDPE mit der Infrarot-Kamera Diplomarbeit Elmar Vogt 0 100 200 300 400 500 600 700 0 10 20 30 40 28,5 29,0 29,5 30,0 30,5 31,0 31,5 32,0 32,5 33,0 33,5 34,0 t / [s] x / [mm]

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Spannungsinduzierte

Temperatureffekte bei

Polyäthylen

Untersuchungen an

LDPE und LLDPE

mit der Infrarot-Kamera

Diplomarbeit

Elmar Vogt

0

100

200

300

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500

600

700

0

10

20

30

4028,5

29,0

29,5

30,0

30,5

31,0

31,5

32,0

32,5

33,0

33,5

34,0

t / [s]x / [mm]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte

bei Polyäthylen

Untersuchungen an LDPE und LLDPE

mit der Infrarot-Kamera

Diplomarbeit

von

Elmar Vogt

Universität Ulm

Abteilung Experimentelle Physik

1993

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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I´m a man of no convictions,

I´m a man who doesn´t know

How to sell his contradictions-

You come and go, you come and go...

(Culture Club: Karma Chameleon)

Titelbild: Dreidimensionale Darstellung des Neckprozesses bei LDPE. Nach links bzw. hinten

sind der Ort und die Zeit aufgetragen, nach oben die Temperatur. Deutlich sichtbar sind das

Entstehen des Necks aus der homogenen Erwärmung der Probe, und das Wandern des Necks durch die Probe in Form eines ´Wärmegrates´. v0 10 mm min, T0 29 6 . C. (VIRB01K)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

4

Hiermit erkläre ich, daß ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur mit den

angegebenen Mitteln angefertigt habe. Alle Stellen, die ich dem Wortlaut oder dem

Sinn nach anderen Werken entnommen habe, wurden von mir durch Angabe der Quelle

kenntlich gemacht.-

Ulm, im Oktober 1993

Elmar Vogt

-Die vorliegende Arbeit wurde in der Abteilung Experimentelle Physik an der

Universität Ulm in der Zeit von Oktober 1992 bis Oktober 1993 durchgeführt.-

Hauptberichter: Prof. Dr. Hanns-Georg Kilian

Berichter: Prof. Dr. Rainer Kimmich

Betreuer: Dr. Joachim Koenen

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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INHALTSVERZEICHNIS

"Preface to Ninth Edition. Preface to Eighth Edition.

Preface to Sixth Edition. Preface to Third Edition.

Preface to First Edition. ..."

aus der Zusammenfassung des Inhalts eines

durch die CRC Press inc. veröffentlichten Buchs

Verwendete Formelzeichen, Variablen und Bezeichnungen 7

Einführung 8

1. Thermomechanik von Polymeren 9

1.1 Das van-der-Waals-Netzwerk 10

1.1.1 Energie- und entropieelastisches Verhalten 10

1.1.2 Adiabatische Verstreckung 12

1.1.3 Modell der Deformation semikristalliner Polymere

13

1.1.4 Verstreckungen semikristalliner Polymere 14

1.1.5 Zerstörung des Netzwerks durch Überdehnung 15

1.1.6 Wechselwirkung der Netzwerkketten 17

1.1.7 Korrekturterm: Erzeugung und Anregung

zusätzlicher Oszillatoren 18

1.2 Das spannungsaktivierte Netzwerk 19

1.2.1 Modellvorstellung 19

1.2.2 Festkörper- und Netzwerkanteil der Spannung 20

1.2.3 Der Neck als thermodynamische Konsequenz 21

1.2.4 Lösung der Wärmeleitungsgleichung für den

quasistationären Neck-Prozeß 23

1.3 Thermoelastische Inversion: Der Thomson-Effekt 25

1.4 Das Schermodell 28

1.4.1 Verstreckgrad und maximale Verstreckung 29

1.4.2 Grenzflächen in Abhängigkeit vom Verstreckgrad

30

1.4.3 Änderung der Oberflächenenergie 31

1.4.4 Korrektur der Spannungs-Dehnungskurve 31

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6

2. Versuchsaufbau und -durchführung 33

2.1 Verstreckapparatur Zwick 1445 37

2.1.1 Temperierkammer 37

2.2 Infrarotkamera Inframetrics Mod. 525 39

2.3 Bildverarbeitungssystem Imaging Technology PFG + 42

2.3.1 Bildverarbeitungssoftware "IR/Lambda" 42

2.4 Probenmaterial und -präparation 44

2.4.1 Low-Density Polyäthylen: Lupolen 1840D 44

2.4.2 High-Density Polyäthylen: Lupolen 6011L 45

2.4.3 Linear Low-Density Polyäthylen: Tipelin BS501/FB472

46

3. Untersuchungen an LDPE u. LLDPE mit Hilfe der Infrarot-

Kamera 47

3.1 Vorarbeiten 48

3.1.1 Kalibriermessungen der Infrarot-Kamera 48

3.1.2 Bestimmung der Koeffizienten für Emission, Transmission

und Reflexion im empfindlichen Spektralbereich der

Infrarot-Kamera für LDPE und HDPE 50

3.1.3 Messung des Wärmeübergangskoeffizienten von LDPE

60

3.1.4 Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität von LDPE

62

3.2 Verstreckkalorimetrische Messungen an LDPE 64

3.2.1 Überblick 64

3.2.2 Bestimmung von Temperaturstabilität und Genauigkeit der

IR-Kamera 65

3.2.3 Betrachtung der homogenen Verstreckung 67

3.2.4 Untersuchungen des Neck-Prozesses 82

3.3 Verstreckkalorimetrische Experimente an gefülltem LLDPE 91

3.4 Experimente zur Infrarotmikroskopie 96

4. Zusammenfassung 98

5. Anhang: Herleitung des Enthalpieanteils der Nominalspannung

101

Literatur 103

Thanks and Acknowledgements 107

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7

VERWENDETE FORMELZEICHEN, VARIABLEN UND

BEZEICHNUNGEN

"Anyone who does not have a basic understanding of mathematics

is merely a sub-human creature that has been tought

not to make a mess in the house."

Robert A. Heinlein

proportional

ungefähr gleich

identisch

: definierte Gleichheit

!

geforderte Gleichheit

A i.) Probenquerschnitt ii.) Wärmeerzeugungsrate a phänomenologischer Wechselwirkungsparameter d. van-der-Waals-

Theorie

aca Oberflächen d. Kristall-amorph-Grenzen

acc Oberflächen d. Kristall-Kristall-Grenzen

cp spezifische Wärmekapazität

cw Umrechnungskoeffizient d. mechanischen Arbeit

d Differentialoperator

d Parameter des Lennard-Jones-Potentials

E i.) Extinktionskoeffizient ii.) Elastizitätsmodul

ey Yieldgrenze d. Kristallbereiche

F Äußere Kraft auf d. Probe

FH Enthalpieanteil d. Kraft

FS Entropieanteil d. Kraft

f Auf d. Anfangsprobenquerschnitt normierte Nominalspannung

G i.) Gibbs´sche freie Enthalpie ii.) Netzwerkmodul

I Strahlungsintensität L Länge (groß, da extensive Größe)

n i.) Parameter f. d. Verbindung v. Füller u. Matrix ii.) Dichte d.

Lamellenblöcke

nc Molzahl d. kristallisierbaren Polymeranteils

nnc Molzahl d. nicht-kristallisierbaren Polymeranteils

Q0 Wärmeerzeugung pro Volumen

q Dichte d. (thermischen) Entropieanteils d. Innere Energie

r2 Quadrat d. mittleren End-zu-End-Abstands d. Netzwerkketten

r02

Quadrat d. mittleren End-zu-End-Abstands d. freien Ketten

T (Proben-)Temperatur

T0 Umgebungstemperatur

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8

Tg Glastemperatur

u Dichte d. Enthalpieanteils d. Inneren Energie

v f Volumenanteil d. kristallisierten Lamellen, vgl. wp

vn Neckgeschwindigkeit

v0 Verstreckgeschwindigkeit (d. Spannbacken)

w geleistete mechanische Arbeit je Masse

wp Volumenanteil d. kristallisierten Lamellen

xc Volumenanteil d. kristallisierbaren Polymeranteile

xnc Volumenanteil d. nicht-kristallisierbaren Polymeranteile

y Mindestgröße f. stabile CSMK´s

ym mittlere effektive Kettenlänge i. d. amorphen Bereichen

yp mittlere Lamellendicke

Param. f. d. Zusammenhang zw. effektiver Kettenlänge u.

Netzwerkstruktur

linearer thermischer Ausdehnungskoeffizient

a c, Ausdehnungskoeffizienten d. amorphen bzw. kristallinen Bereiche

Kronecker-Symbol (Delta-Funktion)

i.) makroskopische Änderung ii.) Auflösungsgrenze i.) Verzweigungsgrad d. Polymerketten ii.) Emissionskoeffizient

ca Oberflächenenergie d. Kristall-amorph-Grenzflächen

cc Oberflächenenergie d. Kristall-Kristall-Grenzflächen

LJ Lennard-Jones-Festkörperpotential

Verstreckgrad

, kritische Verstreckgrade

c Verstreckgrad d. kristallinen Bereiche

i Verstreckgrad d. amorphen Bereiche

m maximaler Verstreckgrad d. amorphen Bereiche

max Verstreckgrad, bei dem d. Lamelle-Filament-Umwandlung

abgeschlossen ist

Wärmeübergangskoeffizient

1 2, Parameter d. Lennard-Jones-Potentials

i.) Massendichte ii.) Reflexionskoeffizient

i.) Probenspannung ii.) Standardabweichung bzw. Abschätzung d.

Meßfehlers

Scher Anteil d. Schermodells an d. Nominalspannung

Transmissionskoeffizient

Kippwinkel d. Lamellenblöcke

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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EINFÜHRUNG

"Plots have I laid, inductions dangerous,

By drunken prophecies, libels, and dreams..."

W. Shakespeare: Richard III.

Seit jeher fasziniert den Menschen das Verhalten von Joghurtbechern, Plastiktüten und

Turnschuhsohlen. Dennoch gibt es trotz zahlreicher Ansätze [Moo 40, Pec 73, Sta 86]

bis heute noch keine allgemeine Theorie der Polymere, die in der Lage wäre, die Flut

der durch Verstreck-, Kalorimeter- und Röntgenmessungen, sowie eine Vielzahl von

aus anderen Experimenten gewonnenen Daten vollständig zu erklären. So bleibt die

Polymerphysik ein Feld intensiver Forschung, und das Polyäthylen dank seines denkbar

einfachen Aufbaus das Arbeitspferd darin.

Einer der vielversprechendsten Ansätze ist die Thermodynamik mit deren

experimenteller Methode, der Verstreckkalorimetrie. Gewöhnliche Kalorime-

termessungen leiden jedoch an der hohen Apparateträgheit, die nur Messungen mit

relativ geringen Verstreckraten erlaubt und keine Informationen über die

Temperaturverteilung liefert. Aus diesem Grunde war es in einer vorangegangenen, mit

LDPE befaßten Arbeit [Bor 91] nicht möglich gewesen, das Necking-Phänomen zu

untersuchen. Die in der Domäne homogener Verstreckung gemessenen Daten warfen

gleichzeitig eine Vielzahl an Fragen zur Thermodynamik des Verstreckvorgangs auf.

Aufgabe dieser Diplomarbeit war es, mit Hilfe einer Infrarotkamera mit der Methode

der schnellen ortsaufgelösten Kalorimetrie die Untersuchung auf die Bereiche

heterogener Verstreckung auszuweiten und die o.a. Fragen weiterzuverfolgen.

Damit und mit Hilfe einer im Rahmen einer früheren Diplomarbeit [Sai 92]

angefertigten Temperierkammer war es möglich, verzweigtes ("Low Density")

Polyäthylen (LDPE) im Bereich zwischen Zimmertemperatur und Schmelzpunkt zu

untersuchen und dabei die Verstreckgeschwindigkeit über dreieinhalb Zehnerpotenzen

zu variieren. Die auf diese Art erhaltenen Ergebnisse sollten mit früheren Messungen

anderer Gruppen verglichen [Mah 80], sowie auf die van-der-Waals-Theorie der

Polymere [May 90] und die Theorie des spannungsaktivierten Netzwerks [Koe 91]

angewandt werden.

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1. THERMOMECHANIK VON POLYMEREN

1.1. Das van-der-Waals-Netzwerk

"Sir Chiltern: Sie meinen also, daß das Problem Frau wissenschaftlich nicht zu bewältigen sei.

Mrs. Cheveley: Nie ist das Irrationale wissenschaftlich zu bewältigen.

Deshalb hat die Wissenschaft in dieser Welt keine Zukunft.

Sir Chiltern: Und Frauen repräsentieren das Irrationale?

Mrs. Cheveley: Gut gekleidete Frauen."

Oscar Wilde: Ein idealer Gatte

Verzweigtes Polyäthylen ist ein Musterbeispiel für ein semikristallines Polymersystem.

(Vgl. Fig. 1.1) Zur Beschreibung der Deformation solcher Systeme haben Kilian und

Mitarbeiter ein Modell entwickelt, das sog. van-der-Waals-Netzwerk [Bal 85, Bal 88,

Kil 79]. Ähnlich, wie das van-der-Waals-Gas eine Erweiterung des idealen Gasgesetzes

ist, indem es das Ko-Volumen der Gasmoleküle sowie die Wechselwirkungen zwischen

ihnen berücksichtigt, modifiziert das van-der-Waals-Netzwerk das Phantom-Netzwerk

aus Gaußketten so, daß endliche Kettenlängen und globale Wechselwirkungen

berücksichtigt werden. Dieses Modell erlaubt eine Vorhersage der Spannungs-

Dehnungskurven und der thermodynamischen Effekte.

Fig. 1.1: Schematische Darstellung eines semi-

kristallinen Polymers: Kristallamellen liegen in

einem Netzwerk amorpher Ketten eingebettet und

werden von diesen zusammengehalten. Aus

[Jen 72].

1.1.1. Energie- und entropieelastisches Verhalten

Bei der Verstreckung von Polymeren läßt sich mit Hilfe der Gibbs-Funktionen [Päs 75]

ein Zusammenhang zwischen beobachteten Kräften sowie Enthalpie- und

Entropieänderungen herstellen. Die Kalorimetrie kann bei Verstreckmessungen helfen,

die verschiedenen Anteile zu separieren.

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Während der vorliegenden uniaxialen Verstreckmessungen sind der Druck und die

äußere Temperatur konstant. Aus diesem Grund wählen wir das Koordinatensystem

( , , )T p L . Dann ist die freie Enthalpie G T p L( , , ) die passende Gibbs-Funktion. Deren

Differential lautet:

d d d dG S T V p F L (Eq. 1.1)

Daraus folgen die Zustandsgleichungen:

G

LF

p T

FHG

IKJ

,

(Eq. 1.2)

sowie:

G

TS

p L

FHG

IKJ

,

(Eq. 1.3)

Berücksichtigt man die Potentialeigenschaften, so ergibt sich:

S

L

F

Tp T p L

FHG

IKJ

FHG

IKJ

, ,

(Eq. 1.4)

Stattdessen kann die Freie Enthalpie auch in Abhängigkeit von der Enthalpie dargestellt

werden:

G H TS (Eq. 1.5)

Für die Ableitung folgt mit (Eq. 1.2):

FH

LT

S

Lp T p T

FHG

IKJ

FHG

IKJ

, ,

(Eq. 1.6)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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bzw. mit (Eq. 1.4):

FH

LT

F

Tp T p L

FHG

IKJ

FHG

IKJ

, ,

(Eq. 1.7)

Wir können die Kraft also in zwei Terme aufspalten:

F F FH S (Eq. 1.8)

mit den Termen

FH

LH

p T

FHG

IKJ

,

bzw. F TF

TS

p L

FHG

IKJ

,

Hierbei ist FH der sog. Enthalpie- oder Energieanteil der bei der Längenänderung

aufzuwendenden Kraft, FS ist jedoch deren Entropieanteil. Letzteres ist die in der

konventionellen Verstreckkalorimetrie gemessene Größe, denn es ist bei reversibler

Prozeßführung:

F TS

L

Q

LS

p T p T

FHG

IKJ

FHG

IKJ

, ,

(Eq. 1.9)

Da die Verstreckapparatur unabhängig davon außerdem noch F mißt, kann aus dem

Experiment auch FH bestimmt und so eine vollständige Energiebilanz aufgestellt

werden.

1.1.2. Adiabatische Verstreckung

Kalorimetrische Experimente werden i.a. isotherm durchgeführt, d.h. bei konstant

gehaltener Probentemperatur. In diesem Fall hängt FS gerade mit der bei konstantem

Druck mit der Umgebung ausgetauschte Wärme Q , also unsere Meßgröße zusammen.

Die Experimente mit der Infrarot-Kamera werden jedoch quasi-adiabatisch

durchgeführt (indem ein etwaiger Wärmeaustausch mit der Umgebung durch Rück-

rechnung neutralisiert wird; dQ 0). Wir messen nicht die an die Umgebung

abgeführte Wärme, sondern über die Temperaturänderung die Wärmeänderung in der

Probe selbst.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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Da wir also die Erzeugung Innerer Energie betrachten, wird im weiteren ihr

entropieelastischer Anteil mit Q , der enthalpieelastische Anteil jedoch mit U

bezeichnet. Letzterer führt ähnlich wie eine ´latente Wärme´ zu keiner Tempe-

raturänderung während der Verstreckung. Q 0 bedeutet in unserer Vor-

zeichenkonvention eine Erhöhung der Probentemperatur:

d d d +dadiab.W U U Q (Eq. 1.10)

1.1.3. Modell der Deformation semikristalliner Polymere

Wie die elektronenmikroskopische Aufnahme (Fig. 1.2) zeigt, besteht LDPE aus Lamel-

lenclustern. Diese sind Stapel kleiner geschichteter Kristallitscheiben, sogenannter C-

Sequenz-Mischkristalle (CSMK´s), die in einem Netzwerk aus amorphen PE-Ketten

´schwimmen´, wobei sowohl die Größe der einzelnen Lamellen, wie auch die der

amorphen Bereiche innerhalb einer Probe stark variieren kann.

Fig. 1.2: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von LDPE. Links: unverstreckt; rechts:

verstreckt, 2 2. . Bildausschnitt ca. 60 µm x 40 µm, Ätzung mit Kaliumpermanganat,

Aufnahmen invertiert. Aus [Kne 93].

C-Sequenz-Mischkristalle [Con 92, Hol 90] enthalten dabei an ihren Rändern außerdem

einen unscharfen Übergang zu den amorphen Gebieten, in dem die Ketten noch eine

überdurchschnittlich hohe Orientierung besitzen. In den amorphen Bereichen sind alle

nicht kristallisierfähigen Einheiten (sehr kurze C-Sequenzen, Kettenenden,

Verzweigungen, Baufehler, Verunreinigungen...) versammelt, die aus den CSMK´s

herausgedrängt wurden.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

14

Die Molzahlen der kristallisierfähigen und nicht-kristallisierfähigen Einheiten seien nc

bzw. nnc. Der Grundmolenbruch (d.h. der Volumenanteil) der nicht kristallisierbaren

Anteile beträgt dann mit der Normierung x xnc c !

1:

xn

n nnc

nc

c nc

(Eq. 1.11)

Entsprechend errechnet sich xc , der Volumenanteil der kristallisierfähigen Einheiten,

also der Lamellen.

Die Thermodynamik eutektoider Copolymere [Kel 77] erlaubt nun eine Abschätzung

der Dicke y der CSMK´s, in CH 2-Einheiten. Unterhalb einer bestimmten,

temperaturabhängigen Minimalgröße y T( ) sind CSMK´s der Dicken y y T ( ) nicht

stabil und müssen deshalb aufschmelzen. (Diese Minimalgröße hängt gleichzeitig mit

der mittleren C-Sequenz-Länge, d.h. dem mittleren Abstand zwischen zwei nicht

kristallisierbaren Fehlern x xc nc in der Polymerkette zusammen.)

Für die mittlere Schichtdicke der CSMK´s gilt demzufolge:

y Tx

xy Tp

c

nc

( ) ( ) (Eq. 1.12)

und für den Volumenanteil der kristallisierten C-Sequenzen:

w x y T x xp cy T

nc c ( )

( )1 b g (Eq. 1.13)

Die wichtigen Parameter y Tp( ) und wp können damit mit der kritischen C-

Sequenzlänge y T( ) in Verbindung gebracht werden.

1.1.4. Verstreckungen semikristalliner Polymere

Für Verstreckungen gehen wir nun dem Ansatz von Bueche [Bue 60] folgend davon

aus, daß die Lamellen als starre Füllerteilchen nicht an der Deformation teilnehmen.

Das ist aufgrund ihres im Vergleich zur amorphen Matrix wesentlich höheren E-Moduls

sicher gerechtfertigt.

Man kann zeigen, daß dann für die Dehnung der amorphen Bereiche i gilt:

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

15

if

n

f

n

v

v

1

11

(Eq. 1.14)

Hierbei ist die makroskopische Dehnung der Probe, und v f der Volumenanteil des

Füllers (d.h. der Kristallamellen).

Mit Hilfe des Parameters n kann dabei berücksichtigt werden, in welcher Form die

Verbindung zwischen Matrix und Füller hergestellt wird: Für n 1 sind beide als

unendlich ausgedehnte Blätter in Reihe hintereinander gestapelt (Compound), für n 3

ist der Füller eine starr in die Matrix eingebettete Kugel. Für die weiteren Rechnungen

gehen wir von n 3 aus.

1.1.5. Zerstörung des Netzwerks durch Überdehnung

Dieses Modell verliert seine Gültigkeit leider bereits bei relativ geringen Dehnungen.

Die Ursache dafür ist, daß bei größeren Deformationen die Füllerteilchen plastisch

deformiert, mitgeführt und umgeordnet werden (vgl. Lamellen-Filament-Umordnung).

Eine Theorie von Kilian und Mitarbeitern [End 85, Kil 87, Kil 88] trägt dem Rechnung,

indem v f durch einen vom Verstreckgrad abhängigen Fülleranteil v f ersetzt wird:

vv

f

f( )

(Eq. 1.15)

Für die Dehnung der amorphen Bereiche ergibt sich damit:

i

fn

fn

v

v

FHG

IKJ

FHG

IKJ

1

1

1

(Eq. 1.16)

Das bedeutet, daß das Netzwerk mit zunehmender Verstreckung mehr und mehr zerstört

wird. Der Kristallanteil geht ständig zurück, während die überproportional starke

Dehnung der amorphen Bereiche, die bei kleinen Verstreckgraden noch die Hauptlast

tragen, abnimmt, bis im Grenzfall für große Verstreckungen v f 0 und i gilt.

Das ist in Übereinstimmung mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen, die Hinweise

für die Entstehung immer länger werdender, fibrillärer Strukturen mit zunehmender

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

16

Verstreckung liefern (Fig. 1.2, rechts). Dies bedeutet, daß eine Zerstörung (oder

zumindest Umwandlung) der Kristallfüller stattfinden muß, wodurch wiederum die

effektive Kettenlänge in den amorphen Bereichen steigt. Hierfür gilt die Beziehung:

y y Tu

um p( ) ( )

1 (Eq. 1.17)

Wir haben hierbei Gebrauch von der häufig verwendeten Abkürzung:

u wp: d i1

3 (Eq. 1.18)

gemacht. ym ( ) ist nunmehr die mittlere effektive Kettenlänge in den amorphen

Bereichen, und yp( ) die mittlere effektive Kettenlänge in den Kristalliten (d.h. die

Kristallitdicke). ist ein Parameter, der festlegt, wie sich die effektive Kettenlänge aus

der Struktur des Netzwerks berechnet.

In Analogie zur Gauß-Kette, für die der mittlere End-zu-End-Abstand der Ketten gleich

der Wurzel der gesamten Kettenlänge ist, kann man auch für das van-der-Waals-

Netzwerk annehmen, die ´entspannten´ Ketten seien gerade so konfiguriert, daß ihr

End-zu-End-Abstand gleich der Wurzel der Gesamtlänge ist. Anders als beim

Phantomnetzwerk ist diese Verstreckung gleichzeitig die maximal erreichbare, jenseits

derer es zum Kettenriß kommt. Dafür gilt entsprechend:

m my T ( ) (Eq. 1.19)

Dies ist der erste phänomenologische Parameter, den wir zur Beschreibung des van-der-

Waals-Netzwerks einführen müssen. Er entspricht formal dem Kovolumen der

Moleküle (endliche Kompressibilität endliche Verstreckbarkeit) im van-der-Waals-

Gas.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

17

1.1.6. Wechselwirkung der Netzwerkketten

Der zweite phänomenologische Parameter a berücksichtigt die Wechselwirkung der

Netzwerkketten untereinander, die einander sich nicht mehr wie beim Gauß-Netzwerk

ungehindert durchdringen können.

Kilian und Mitarbeiter fanden [Kil 81, Kil 84, Vil 84] damit als Spannungs-Dehnungs-

Gesetz:

fRT

MD a

u m

i i

LNM

OQP

2

1

1( ) ( ) (Eq. 1.20)

Man beachte, daß f hierbei wiederum die auf den Anfangsquerschnitt der Probe

normierte Nominalspannung ist.

Es bedeuten weiter-

( )

i ii

LNM

OQP

1

2

232 , (Eq. 1.21)

D i i i( ) ( ) , (Eq. 1.22)

( ) ( )i m . (Eq. 1.23)

Mu ist hierbei die Molmasse, die für Polyäthylen gleich der Masse einer CH 2-Gruppe,

der kleinsten verstreckinvarianten Einheit, gesetzt wird.

Die Vorfaktoren werden üblicherweise zum Netzwerkmodul zusammengefaßt:

GRT

Mu i

2 (Eq. 1.24)

(Eq. 1.20) beschreibt das Netzwerk als rein entropiebestimmtes System, m.a.W., es

bezieht seine der Verstreckung entgegengesetzte Kraft aus dem Bestreben der amorphen

Bereiche, wieder in die für sie entropisch günstigste Konfiguration zurückzukehren. Das

Auftreten des Thomson-Effekts (Vgl. Abschnitt 1.3) und die Tatsache, daß die

verschiedenen Rotationsisomeren der Kettenkonformationen nicht isoenergetisch sind

(die Verstreckung erzwingt eine höhere Besetzung der energetisch tiefer liegenden

Page 18: Temperatureffekte bei Def. v. LDPE · PDF file1.1.5 Zerstörung des Netzwerks durch Überdehnung 15 1.1.6 Wechselwirkung der Netzwerkketten 17 1.1.7 Korrekturterm: Erzeugung und Anregung

Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

18

trans-Konformationen), erfordern jedoch die Berücksichtigung energieelastischer

Terme, insbesondere bei kleinen Verstreckgraden.

Flory führte als einfachste Korrektur einen ´Memory-Term´ ein [Flo 56]. Dieser führt zu

einer geringfügigen Änderung des Netzwerkmoduls, nämlich:

GRT

M

r

ru m

2

2

02

(Eq. 1.25)

Dabei sind r2 bzw. r02 die Quadrate der mittleren End-zu-End-Abstände der

Netzwerk- bzw. der freien Ketten.

Der Memory-Term wird i.a. bei der Berechnung der Spannungs-Dehnungskurven

vernachlässigt, er muß allerdings zur Erklärung von thermischen Effekten

berücksichtigt werden.

1.1.7. Korrekturterm: Erzeugung und Anregung zusätzlicher

Oszillatoren

Problematisch an dem obigen Ansatz ist, daß er die beobachteten Spannungs-

Dehnungskurven nur bei mittleren und hohen Verstreckgraden gut beschreibt. Zudem

bleibt die Geschwindigkeitsabhängigkeit der für die Verstreckung notwendigen

Spannung in dieser Formulierung ebenfalls unberücksichtigt.

Ein von Borst [Bor 91] eingeführter Zusatzterm zu (Eq. 1.20), der nach einer auf

Koenen [Koe 86] zurückgehenden Idee lokale Oszillatoren berücksichtigen sollte, die

bei der Bildung fibrillärer Strukturen zu Beginn des Verstreckvorgangs entstehen und

durch ihre Anregung Energie aufnehmen würden, lautete:

f w E eZ p

e

c

y

FHG

IKJ

1

(Eq. 1.26)

Dabei war E ein Anpaßparameter, c der mittlere Dehngrad der Kristalle und ey deren

Yieldgrenze. Dieser Zusatzterm war jedoch auch nicht in der Lage, die Diskrepanzen

zwischen Messung und Standard-Theorie zu erklären.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

19

1.2. Das spannungsaktivierte Netzwerk

"Pi´s Gesicht war von einer Maske bedeckt, weil, wie jedermann wußte,

kein Mensch je den Anblick dieses Gesichts überleben würde.

Aber hinter den Schlitzen der Maske konnte man die Augen erkennen:

durchdringend, unerbittlich, kalt und rätselhaft."

Bertrand Russell

Zur Beschreibung polymerer Gläser, d.h. amorpher Polymere im Glasübergangsbereich,

wurde das Modell des spannungsaktivierten Netzwerks entwickelt [Koe 86, Koe 91]. Es

erklärt quantitativ das Auftreten eines ´Necks´, d.h. eines -bei höheren Verstreckraten

auch bei LDPE zu beobachtenden- lokalisierten Phasenübergangs, der die gesamte

Probe durchläuft.

1.2.1. Modellvorstellung

In der Schmelze können wir uns ein amorphes Polymer ähnlich wie ein semikristallines,

nur ohne dessen Kristallanteile, vorstellen: Die Ketten bilden ein Gauß-Netzwerk, sind

mehr oder weniger frei beweglich und nur durch ´Entanglements´, d.h. Vernetzungen

und Verhakungen untereinander, in ihrer Bewegung gehindert.

Der große Unterschied ist, daß polymere Gläser i.a. unterhalb ihrer Glastemperatur

beobachtet werden, was zu einem wesentlich höheren E-Modul als bei semikristallinen

Polymeren führt. Der Grund dafür liegt darin, daß die Netzwerkketten durch die zu

rasche Abkühlung bei der Probenpräparation weder auskristallisieren noch in wirkliche

Gleichgewichtspositionen wandern konnten. Stattdessen wurden sie in ihren

augenblicklichen Positionen (i.a. in möglichen Nebenminima des Potentials)

eingefroren, aus denen sie sich nur herausbewegen können, wenn sie von außen (d.h.

durch mechanische Spannung) angeregt (aktiviert) werden.

Die Lage ist dann vergleichbar einer ´Kugel auf dem Waschbrett´ (Fig. 1.3), die sich,

einmal über die durchschnittlichen Erhebungen des Umgebungspotentials hinaus

´angestoßen´, relativ frei bewegen kann. Allerdings muß man berücksichtigen, daß das

einzelne Segment immer noch durch seine Kettennachbarn bzw. andere Ketten in der

Nähe in seiner Bewegung gehemmt wird.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

20

Fig. 1.3: Modell des span-

nungsaktivierten Netzwerks:

Ein Kettensegment sitzt in

seiner Potentialmulde fest, bis

es eine gewisse Aktivierungs-

energie (mechanisch oder

thermisch; gestrichelte Linie)

erhält. Einmal angeregt kann

es sich wie in der Schmelze

über die meisten der Poten-

tialhügel bewegen, gebremst

nur durch benachbarte Ket-

tensegmente, die der Bewe-

gung u.U. nicht zu folgen

vermögen.

1.2.2. Festkörper- und Netzwerkanteil der Spannung

Die Spannung fG , die das polymere Glas einer Verstreckung entgegensetzt, besteht aus

zwei Anteilen: Einmal einem enthalpischen Festkörperterm fE , der durch das

Festkörperpotential gegeben ist, zum anderen durch einen entropischen Netzwerkterm

fS , wobei das Deformationspotential für den quasistatischen, homogenen und

isothermen Dehnungsprozeß proportional zur ersten Invarianten der uniaxialen

Dehnung angesetzt wird.

Für ein Festkörperpotential wird üblicherweise ein Lennard-Jones-Potential

angenommen [Len 74]:

LJ rd

r

d

r( )

FHG

IKJ

FHG

IKJ

LNMM

OQPP0

0 01 2

(Eq. 1.27)

(Übliche Parametersätze sind z.B. 1 8 12 ... , 2 6 und d0 0 2 0 5 . ... .nm nm für

Gase.)

Daraus ergibt sich für den Enthalpieanteil der Nominalspannung (vgl. Anhang):

fE LNM

OQP

01 2

11

(Eq. 1.28)

Für den Entropieanteil erhält man einfach:

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

21

f GS FHG

IKJ

12

(Eq. 1.29)

G ist hierbei wieder der Netzwerkmodul aus (Eq. 1.24).

Wir bekommen also als Kraftgesetz:

f f f GE S LNM

OQP

FHG

IKJ

02 22

11

1

(Eq. 1.30)

Fig. 1.4: Anteile des Festkörper- (durchgezogen) und des Netzwerkterms (gestrichelt) an der

Nominalspannung des spannungsaktivierten Netzwerks. (Schema)

1.2.3. Der Neck als thermodynamische Konsequenz

Betrachtet man die so aus Festkörper- und Netzwerkterm zusammengesetzte Spannung,

aufgetragen über dem Verstreckgrad (Fig. 1.5), so stellt man fest, daß die Spannung ein

Maximum erreicht, und danach abfällt, um erst nach einiger Zeit erneut anzusteigen.

Ein solches Verhalten ist klarerweise mechanisch instabil und darf deshalb nicht

vorkommen. In Analogie zum van-der-Waals-Gas muß sich nun ein Phasenübergang

ereignen [Ger 86]: Ab einer bestimmten kritischen Verstreckung bleibt die Kraft bei

weiter zunehmender Dehnung konstant, bis ein zweiter kritischer Punkt erreicht ist.

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,00

20

40

60

80

fE

fS

f/[a

rb.u

n.]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

22

Während dieses Abschnitts gibt es zwei räumlich voneinander getrennte Bereiche, in

denen die jeweilige Verstreckung bzw. ist, wobei die Phase mit ständig an

Raum gewinnt, bis sie die ganze Probe erfüllt. Erst danach kommt es wieder zu einem

Anstieg der Kraft. Solange der Phasenübergang stattfindet, durchläuft die Phasengrenze

in Form eines Necks die Probe, an dem gleichzeitig die latente Wärme dieses

Phasenübergangs frei wird.

Fig. 1.5: Spannungs-Dehnungskurve des spannungsaktivierten Netzwerks. Durchgezogene

Kurve: Addition von Festkörper- und Netzwerkterm. Zwischen und folgt der Spannungs-

verlauf der horizontalen Geraden, die oben und unten zwei gleichgroße Flächen aus dem Dia-

gramm ausschneidet.

Die kritischen Punkte und lassen sich hierbei durch die Maxwell-Konstruktion

[Ber 70] berechnen: Die horizontale Linie konstanter Spannung, die an diesen Punkten

beginnt und endet, muß aus dem Spannungsdehnungsdiagramm zwei gleich große

Flächen herausschneiden.

Diese Vorgänge erklären die beobachteten Spannungs-Dehnungskurven ziemlich genau

bis auf einen kleinen Überschwinger der Kraft bei , der dadurch zustande kommt, daß

die neue Phase erst nukleiert werden muß.

1.2.4. Lösung der Wärmeleitungsgleichung für den quasi-

stationären Neck-Prozeß

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,00

20

40

60

80

´

f/[a

rb.u

n.]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

23

Die latente Wärme, die während des Neck-Prozesses freigesetzt wird, entsteht im

wesentlichen aus der Orientierungsentropie des Netzwerks: Durch den sprunghaften

Übergang zu einem wesentlich höheren Verstreckgrad verlieren die Ketten Entropie,

wodurch sie die Wärme Q0 pro Volumen abgeben müssen. Man hat in diesem Fall eine

Wärmequelle, die sich mit der Geschwindigkeit des Necks durch die Probe bewegt.

Der allgemeine Ansatz der Wärmeleitungsgleichung lautet [Car 59]:

2

2

1

xT

tT

A

KT (Eq. 1.31)

Es bedeuten dabei:

T

A

K

H

F

U

:

:

:

:

:

:

Temperatur

Wärmeerzeugungsrate

Wärmeleitfähigkeit

Wärmeübergangswert

Probenquerschnitt

Umfang der Probe

:

:

:

:

Probendichte

spezifische Wärmekapazitätc

K c

UH

cF

a f

Die linke Seite der Gleichung steht dabei für die Wärmediffusion innerhalb der Probe,

die rechte für die Erzeugung (A K) bzw. die Abgabe ( T ) von Wärme.

Der Neck stellt idealerweise eine punktförmige Wärmequelle dar, die mit der

Neckgeschwindigkeit vn (nicht notwendigerweise gleich der Verstreckgeschwindigkeit)

durch die Probe wandert, d.h. für die Wärmequelle A aus (Eq. 1.31) gilt:

A x t Q x v tn( , ) ( ) 0 (Eq. 1.32)

Die Lösung von (Eq. 1.31) für einen in Raum und Zeit punktförmigen Wärmepuls (d.h.

die Green´sche Funktion) lautet:

T x tt

e

x

tt

( , ) 1

2

4

(Eq. 1.33)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

24

Die allgemeine Lösung für die durch die Probe wandernde Wärmequelle bekommt man,

dank der Linearität der Differentialgleichung [Koe 91] durch Aufsummation der vielen

nacheinander in der Probe entstehenden Wärmen:

T x tQ v

Kt t e

t te tn t t

x v t

t t

n

( , ) ( ) ( ) ( )

z0 4

2

1

2

b gd (Eq. 1.34)

ist hierbei die Sprungfunktion.

Die Zeitabhängigkeit des Problems kann dadurch eliminiert werden, daß man eine

Koordinatentransformation x x x v tn ausführt, wodurch der Neck quasistatisch

betrachtet wird. (Beobachtung im mitgeführten Bezugssystem mit Neck im Ursprung.)

Das einzige Problem, das jetzt noch zu lösen ist, besteht darin, daß die Probenteile, die

noch nicht geneckt haben, einen geringeren Verstreckgrad besitzen, als jene, die das

Necking bereits durchlaufen haben. Durch diese quasi-instantane Streckung wird

Wärme konvektiv in ´hintere´ Bereiche der Probe abgeführt. Das kann durch eine

zweite Koordinatentransformation für die hinter dem Neck liegenden Teile korrigiert

werden:

RSTx x

x x

x x

0

0 (Eq. 1.35)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

25

1.3. Thermoelastische Inversion: Der Thomson-Effekt

"Es ist die Tragödie der Naturwissenschaften,

daß schöne Theorien durch häßliche Tatsachen ermordet werden."

Thomas Henry Huxley

Bei kleinen Verstreckgraden (d.h. noch im elastischen Bereich) wird an Polymerproben

eine geringe Abkühlung festgestellt, deren Ursache in einer Entropieerhöhung (und

darum Temperatursenkung) liegt, die ihrerseits mit dem linearen

Ausdehnungskoeffizienten verknüpft ist.

Der Thomson-Effekt wurde erstmalig als Joule-Thomson-Effekt bei der adiabatischen

Expansion von Gasen gemessen [Ber 70]. Ideale Gase entspannen sich dabei ohne

Temperaturänderung, doch van-der-Waals-Gase müssen bei der Expansion gegen innere

Kohäsionskräfte Arbeit verrichten, was zu einer Abkühlung führt [Pit].

Bei Festkörpern kann analog dazu ein ähnlicher Effekt beobachtet werden, dessen

Auftreten jedoch damit erklärt wird, daß durch das Verstrecken der Probe auch die

mikroskopischen Potentialminima, in denen die Kettenglieder sitzen, ´aufgebogen´

werden. Dadurch können quantenmechanisch betrachtet mehr Zustände in ihnen Platz

finden, was zu einer plötzlichen Entropieerhöhung führt. Praktisch werden so neue

Freiheitsgrade erzeugt, auf die im Moment ihrer Entstehung noch keine thermische

Energie entfällt. (Fig. 1.6) Um auf die gleiche Temperatur wie die ´alten´ Freiheitsgrade

zu kommen, müssen sie von diesen Wärme erhalten, so daß eine generelle Abkühlung

eintritt.

Alternativ dazu kann man argumentieren, daß eine Erwärmung der Probe zu ihrer

Ausdehnung führt. Ebenso muß dann umgekehrt eine (durch Verstreckung erzwungene)

Ausdehnung zur Wärmeaufnahme aus der Umgebung, also einer Abkühlung führen.1

So oder so hängt jedoch beide male die Wärmeaufnahme mit dem linearen

Ausdehnungskoeffizienten zusammen.

1Man könnte gegen diese Argumentation einwenden, daß in aller Regel angenommen wird, eine uniaxiale

Verstreckung finde unter Volumenkonstanz statt. Die betrachteten relativen Volumenänderungen bei der

thermischen Längenausdehnung liegen jedoch nur bei ca. 10-4, d.h. auch im Bereich der Abweichungen

der o.a. Idealisierung.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

26

Fig. 1.6: Erläuterung des Thomson-Effekts: Das Aufbiegen der Potentialparabel ermöglicht mehr Zustände mit Energien unter U0 . Dadurch erfolgt ein Absinken der mittleren Energie der

Teilchen, d.h. eine Abkühlung.

Mit (Eq. 1.5) und der Bedingung für adiabatische Vorgänge:

Q T S d (Eq. 1.36)

erhält man:

Q

lT

F

l

l

Tp T p T p F

FHG

IKJ

FHG

IKJ

FHG

IKJ

, , ,

(Eq. 1.37)

bzw.:

d dQ Tl

TF

p F

FHG

IKJ

,

(Eq.1.38)

Für nicht allzugroße Temperaturdifferenzen kann die Längenänderung proportional zur

Temperaturänderung angenommen werden:

l T l T T T( ) ( ) ( ) 0 01 b g (Eq. 1.39)

U0

x

U0

x

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

27

und man erhält für den linearen Ausdehnungskoeffizienten:

1

0l T

Q

F

d

d (Eq. 1.40)

Möglicherweise führt bei Polymeren nicht die Aufweitung der Potentialmulden zur

Abkühlung, sondern in gewissem Grad die Erzeugung von Entropie durch Herausziehen

von Kettensegmenten aus den Lamellen, wodurch sich die mittlere Kettenlänge erhöht

und für die einzelnen Ketten eine größere Zahl äquivalenter Konfigurationen zur

Verfügung steht. Jeder andere Mechanismus zur Defekterzeugung hätte denselben

Effekt.

Der Thomson-Effekt ist (bei Polymeren) nur bei sehr kleinen Verstreckgraden zu

beobachten, obwohl er natürlich immer stattfindet. Jenseits des elastischen Bereichs

wird er jedoch durch plastische Verformung, Schmelzen und Rekristallisation, etc.,

rasch überdeckt.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

28

1.4. Das Schermodell

"Und ich verlegte mich darauf,

Weisheit und Wissen zu erkennen, Torheit und Narrheit.

Ich mußte erkennen: Auch dies ist ein Jagen nach dem Wind.

Denn bei viel Weisheit ist viel Verdruß, und wer Erkenntnis mehrt,

mehrt Kummer."

Prediger, 1:17-18

Bei der Auswertung der Spannungs-Dehnungskurven treten Diskrepanzen zwischen der

Messung und den Vorhersagen des van-der-Waals-Modells auf.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen [Kne 93] (Fig. 1.2) legen nahe, daß gleichzeitig

eine Lamellen-Filament-Umwandlung stattfindet. Verbindet man diese Umwandlung

mit einer Oberflächenenergie an der Grenze zwischen kristallinen und amorphen

Bereichen, so erhält man einen Korrekturterm.

Bilder aus dem Transmissions-Elektronenmikroskop belegen, daß sich bei mittleren

Verstreckgraden eine Umordnung der Lamellen-Kristallite zu Filamentstrukturen

ereignet, die etwa bei 2 abgeschlossen ist. Röntgenstrukturanalysen [Wil 81]

bestätigen dies und führen darüberhinaus zu der Vermutung, daß solche Umwandlungen

durch Scherprozesse stattfinden

Im Verlauf dieses Schervorgangs werden Kristallin-kristallin-Grenzflächen zwischen

den Lamellenblöcken vernichtet und Kristallin-amorph-Grenzflächen erzeugt.

Im Modell nehmen wir an, die Lamelle bestehe aus einer Kette tetragonaler Kristallite

mit quadratischem Querschnitt. Die Länge eines Quaders in Lamellenrichtung betrage

l , lateral dazu in beiden Richtungen d . (Fig. 1.7)

Berücksichtigt werden soll nur die schraffiert

dargestellte Fläche, die im Verlauf der Scherung von

l

d

d

Fig. 1.7: Aufbau eines Modell-

Lamellenstapels. Schraffiert:

Grenzflächen, die im Verlauf des

Schervorgangs von Kristall-

kristallin- zu Kristall-amorph-

Grenzflächen umgewandelt

werden.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

29

einer Kristallin-kristallin-Grenzfläche zu einer Kristall-amorph-Grenzfläche

umgewandelt wird.

Eine Seitenansicht in dem Koordinatensystem, das während der Scherung so mitgedreht

wird, daß sich die Orientierung (nicht die Lage) der Kristallitblöcke zu den

Koordinatenachsen während der Verstreckung nicht ändert (Fig. 1.9), liefert einige

einfache geometrische Beziehungen:

1.4.1. Verstreckgrad und maximale Verstreckung

ist definiert über:

: l l (Eq. 1.41)

Wir lesen sofort den Zusammenhang zwischen Kippwinkel und Verstreckung ab:

l l 1 12 2tan ( ) tan ( ) (Eq. 1.42)

Der maximale Verstreckgrad, bei dem der Scherprozeß abbrechen muß, ist erreicht,

wenn gilt:

Verstreckrichtung

Fig. 1.8: Verkippung

eines Lamellenstapels

(schematisch).

Fig. 1.9: Verkippung im ge-

drehten Koordinatensystem.

Dunkel schraffiert: Kristallin-amorph Grenzflächen aca; hell

schraffiert: Kristallin-kristallin-Grenzflächen acc.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

30

tan ( ) d l (Eq. 1.43)

d.h. mit (Eq. 1.42):

max FHGIKJ1

2d

l (Eq. 1.44)

Das steht in guter Übereinstimmung mit dem Experiment. Nimmt man an, daß d l 2

gilt, folgt max . 5 2 2. Bis dahin ist die Lamellen-Filament-Umwandlung

tatsächlich abgeschlossen.

1.4.2. Grenzflächen in Abhängigkeit vom Verstreckgrad

Für die (stark gestörten) Kristallin-kristallin-Grenzflächen acc und die Kristallin-

amorph-Grenzflächen aca des einzelnen Kristallitblocks gilt in Abhängigkeit von der

Verkippung:

a d ld a ldcc ca 2 2 22 tan ( ); tan ( ) (Eq. 1.45)

Mit (Eq. 1.41) erhalten wir für die Abhängigkeit von :

a d ld

a ld

cc

ca

2 2 1

2 1

2 2

2

(Eq. 1.46)

für max .

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

31

1.4.3. Änderung der Oberflächenenergie

Die Änderung der einzelnen Kristallitoberflächenanteile beträgt:

d

d

d

d

d

d

ald

a a

cc

ca cc

212

(Eq. 1.47)

Es seien nun cc und ca die Oberflächenenergien für die Kristallin-kristallin- bzw.

Kristallin-amorph-Oberflächen. Dann gilt für die Kraft, die aus der Änderung der

Oberflächenenergie in Abhängigkeit von resultiert:

fq

ld

q q ld

ca cc

ca cc

d

d

21

12

2

02

0

( )

& : ( )

(Eq. 1.48)

1.4.4. Korrektur der Spannungs-Dehnungskurve

Bislang galten in diesem Abschnitt alle Berechnungen für einen einzigen

mikroskopischen Kristalliten. f ( ) war die Kraft, die benötigt wurde, um zwei

Kristallite gegeneinander abzuscheren.

Der Kristallanteil im Polymer betrage wp. Dann ist die Dichte der Lamellenblöcke

gerade:

nw

ld

p

2 (Eq. 1.49)

Für die Spannung gilt: Spannung = Kraft/Fläche = Arbeit/Volumen. Daraus folgt:

n f ( ) (Eq. 1.50)

Es sei : ca cc der Unterschied zwischen den beiden Oberflächenenergien. Damit

und mit der Identität d yp ist der Scheranteil der Nominalspannung:

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

32

Scher

2

12

w

y

p

p

(Eq. 1.51)

Unter der Annahme, daß Scher gerade der Unterschied zwischen gemessener und aus

der van-der-Waals-Theorie erwarteter Nominalspannung ist, kann man die

Oberflächenenergie leicht berechnen:

Scher

y

w

p

p

2 1

2 (Eq. 1.52)

bzw., falls diese Differenz unabhängig von ist:

Scher 0

y

w

p

p

(Eq. 1.53)

0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

0

1

2

3

4

5

arb

.un.

aca

f

Fig. 1.10: Änderung der

Kristall-amorph-Ober-

flächen (gestrichelt) und

Verlauf der aus der

Oberflächenenergie

resultierenden Kraft

(durchgezogen).

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

33

2. VERSUCHSAUFBAU UND -DURCHFÜHRUNG

"If of the many truths you select one and follow it blindly,

it will become falsehood and you will become a fanatic."

Damon Hastings

Verstreckkalorimetrie mit der Infrarotkamera bietet gegenüber koventionellen

Kalorimetern zwei wesentliche Vorteile: Zum einen liegt die Zeitkonstante der Kamera

im Zehntelsekundenbereich, zum anderen können durch die Ortsauflösung des

bildgebenden Systems homogene und heterogene Anteile der Wärmeentwicklung

voneinander separiert werden.

Der Nachteil der Methode liegt in der begrenzten Genauigkeit von Infrarotkameras und

der Delikatesse des Umgangs mit Infrarotstrahlung. Gemessen wird nämlich nicht nur

die von der Probe emittierte Strahlung, sondern auch Wärmestrahlung der Umgebung,

die über Transmission bzw. Reflexion detektiert wird, was z.T. erhebliche Probleme

verursacht.

525

CCD #1

CCD #2

U-Matic PFG+IR/Lambda

Zwick

Fig. 2.1: Schematischer Versuchsaufbau für Verstreckmessungen. V.l.n.r.: Zwick 1445 mit

Temperierkammer, IR-Kamera mit zwei optischen CCD-Kameras, U-Matic Videorecorder,

386´er PC mit Softwarepaket IR/Lambda u. PFG+-Bildverarbeitungssystem.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

34

Der Versuchsaufbau für Verstreckmessungen sieht im allgemeinen wie in Fig. 2.1 aus:

In der Verstreckapparatur (Zwick 1445) ist die Probe eingespannt. Auf sie sind sowohl

die Infrarotkamera (Inframetrics Mod. 525) als auch eine (optische) CCD-Kamera

gerichtet. Letztere dient dazu, über die Messung des Abstands auf der Probe

angebrachter Markierungsstriche den aktuellen Verstreckgrad zu bestimmen. Eine

zweite CCD-Kamera beobachtet die digitale Anzeige des Kraftaufnehmers.

Fig. 2.2: Versuchsaufbau, aufgenommen hinter den Kameras. In der Mitte ist die IR-Kamera mit

Scanner und Kontrollgerät zu sehen, rechts die CCD-Kamera. Im Hintergrund befindet sich die

Verstreckapparatur mit der Temperierkammer und dem hell erleuchteten Beobachtungsfenster.

Die Signale der drei Kameras werden über zwei Bildmischer einem Titelgenerator

zugeführt, der die Einblendung verschiedener Daten zum Versuch (Proben-ID,

Umgebungstemperatur etc.) oder einer Stoppuhr erlaubt. (Fig. 2.3) Das kombinierte

Signal wird dann mit einem U-Matic Videorecorder zur späteren Auswertung

aufgezeichnet.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

35

Fig. 2.3: Verkabelung von Ka-

meras, Bildteilern und Titelge-

nerator f. d. Verstreckexperi-

mente. Durchgezogen: Signal-

leitungen; gestrichelt: Syn-

chronisationsleitungen.

Zur Auswertung werden die

Aufnahmen dem digitalen

Bildverarbeitungssystem

(Imaging Technology

PFG+) überspielt. (Fig. 2.4)

Dies wandelt in einem ersten

Schritt das erhaltene

Infrarotbild mit Hilfe zuvor

durchgeführter Kalibrier-

und Reflexionsmessungen in

ein Temperaturbild um. Bild

für Bild können nun mittlere

Temperaturen über einen

Bildausschnitt, der die Probe

zeigt, sowie

Temperaturprofile längs

einer Linie, Verstreckgrade

(aus dem optischen

Bildausschnitt) und die Kraft

(manuelle Eingabe nach

Ablesen des entsprechenden

optischen Bildausschnitts)

bestimmt werden. Daraus

werden Meßwertdateien

erstellt, die numerisch

ausgewertet wurden.

2

1

Mon.

CCD #1 CCD #2

105,2N

IR525

ProbeKraftanzeige

Kontroll-gerät

2

1

Mon.

Bildteiler #1

Bildteiler #2

Titelgen.&Stoppuhr

U-Matic

OI

OI

OI

OI

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

36

CCD#2Kraf taufnehmer

IR 525Inf rarotbild

IR-Bild

CCD#1Probe

Kraf tanzeige

Bildteiler #2

Bildteiler #1

Fig. 2.4 (oben): Vi-

deoaufnahme der

Verstreckung.

Sichtbar sind v.l.n.r.

die CCD-Aufnahme

der Probe, die

Kraftanzeige, sowie

das Infrarotbild der

neckenden Probe

mit Stoppuhr. Unten

verläuft der synthe-

tische Graukeil.

Fig. 2.5 (links):

Schema der Zu-

sammsetzung des

Videobilds nach

Durchlaufen der

beiden Bildteiler

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

37

2.1. Verstreckapparatur Zwick 1445

"Magic is Real, unless declared Integer."

Claus Brod

Die Verstreckapparatur Zwick 1445 wird über einen Gleichstrom-Reglerantrieb

gesteuert. Der Meßverstärker sitzt in einer eigenen Temperierkammer, die ihn konstant

bei 65 1 a f C hält, um eine Verfälschung der Ergebnisse durch Spannungen infolge

Wärmeausdehnung zu vermeiden, was eine Vorlaufzeit zwischen Einschalten und erster

Messung von 30 Minuten erfordert, ehe die Nullpunktsdrift eliminiert ist. Ein aktiver

Tiefpaßfilter am A/D-Wandler soll kurzfristige Störspannungen neutralisieren.

Details sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:

Verstreckgeschwindigkeit: . mm min 1000.0 mm min v

v . mm min

Kraftaufnehmer: Nennlast: Fmax kN a)

F . N

Tiefpaßfilter: Butterworth 6. Ordnung,

Grenzfrequenz: fG Hz

a) Abhängig vom Kraftaufnehmer bis zu 5 kN

Tab. 2.1: Techische Daten der Verstreckapparatur Zwick 1445

2.1.1. Temperierkammer

In die Meßnische der Verstreckapparatur kann die Infrarot-Temperierkammer eingefügt

werden, die von M. Saile im Rahmen einer früheren Diplomarbeit speziell zur

Verwendung mit der Infrarotkamera entwickelt wurde [Sai 92].

Konventionelle Temperierkammern erwiesen sich dabei als nicht geeignet, da deren

Glasfronten für IR-Strahlung undurchlässig sind und das Umluftprinzip zu Wirbeln

führt, die jegliche an der Probenoberfläche freigesetzte Wärme sofort abführen würden.

Die IR-Temperierkammer besteht aus Aluminium mit einer Isolierung der Außenwände

in Form von fünf Zentimetern Glaswolle. Die Kammer selbst ist durch mehrere

horizontale Trennplatten gegen Konvektion weitgehend geschützt. Oben und unten

befinden sich Öffnungen, durch die die Probenhalter eingeführt werden können. Die

Beobachtung geschieht durch eine kleine Frontklappe.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

38

Die Heizung ist mit vier IR-Strahlern bestückt ("Kebab-Grills"). Sie werden über ein

PID-Regelelement gesteuert, das den aktuellen Wert der Kammertemperatur durch ein

neben der Probe frei aufgehängtes Thermoelement erfält. Dadurch sind Messungen bei

Temperaturen bis zu 160 °C möglich, wobei die Schwankungen unter 0.2 °C betragen.

Fig. 2.6: Temperierkammer mit eingebauten Spannbacken und gerissener Probe. Sichtbar sind

die Trennböden, die eine Abkühlung der Probe durch Konvektion verhindern sollen.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

39

2.2. Infrarotkamera Inframetrics Mod. 525

"Der Reiseführer ´Per Anhalter durch die Galaxis´ sagt [...] von den Produkten der Sirius Cybernetics

Corp, daß ´es sehr leicht ist, sich durch die Genugtuung darüber, daß man sie überhaupt zum Funktio-

nieren bringt, über ihre grundsätzliche Nutzlosigkeit wegtäuschen zu lassen´.

Mit anderen Worten -und das ist das felsenfeste Prinzip, auf dem der ganze galaxisweite Erfolg der Sirius

Cybernetics beruht- ihre grundsätzlichen Konstruktionsfehler werden durch ihre oberflächlichen

Gestaltungsfehler vollkommen vertuscht."

Douglas Adams: Macht´s gut, und Danke für den Fisch

Seit ihrer Einführung wurden Infrarot-Kameras in einer Vielzahl von physikalischen

Fragestellungen eingesetzt [z.B. Swe 88], unter anderem in der Polymerforschung

[Mah 80].

Wie bereits erwähnt, ist die große Apparateträgheit von konventionellen Kalorimetern

ein Problem. Andere Methoden, wie etwa das Bekleben der Probe mit

Thermoelementen [Fis 88] sind sehr aufwendig und wegen ihrer Rückwirkungen auf die

Probe wenig beliebt. Demgegenüber kann die Infrarotkamera schnell, ortsaufgelöst und

berührungsfrei arbeiten.

Fig. 2.7: Detailauf-

nahme der IR-

Kamera: Vorne das

Kontrollgerät, oben

der Scanner (von

hinten). Beide Einhei-

ten waren zusammen

auf einem fahrbaren

Stativ befestigt.

Damit wird es nun möglich, das Auftreten eines Necks zu bestimmen und seine

Wärmeentwicklung von der homogenen Erwärmung des Untergrunds abzuziehen.

Außerdem können Versuche mit wesentlich größeren Verstreckgeschwindigkeiten als

mit Kalorimetern durchgeführt werden, ohne daß eine nennenswerte Verschmierung

durch die Apparateträgheit stattfindet.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

40

Diese Vorteile werden dadurch erkauft, daß Infrarotkameras den Kalorimetern

gegenüber eine wesentlich geringere Temperaturauflösung besitzen (maximal

T . K, bei unserem Modell immerhin noch T . K). Bei früheren Arbeiten

von Koenen [Koe 91] und Saile [Sai 92] war dies kein Problem, da die erzielten

Temperaturänderungen zehn Grad und mehr betrugen und im quasistatischen Fall

betrachtet wurden. Unsere Messungen lieferten jedoch höchstens einige wenige Grade

und erforderten eine Beurteilung der dynamischen Entwicklung.

Ein prinzipielles Problem ist, daß die IR-Kamera nur ein Infrarotbild liefert. Um daraus

ein Wärmebild der Probe zu erhalten, muß erst die Umgebungsstrahlung abgezogen

werden, was nur näherungsweise geschehen kann, indem man annimmt, die Umgebung

streue diffus mit überall gleicher Temperatur. Daraus wird in einer Temperierkammer

mit IR-Heizelementen natürlich ein gewagtes Unterfangen.

Die Funktionsweise der Kamera wird durch Fig. 2.8 [Inf] dargestellt.

Fig. 2.8: Rißzeichnung der IR-

Kamera. Die wichtigsten

Einheiten:

(1) einfallender Strahl,

(2) Germanium-Fenster,

(3) (4) horizontaler und

vertikaler Ablenkspiegel,

(5) Chopper,

(6) Blende,

(7) Umlenkspiegel,

(8) Fokussierungsoptik,

(9) Detektor,

(10) Dewar.

Aus [Inf].

Aus der einfallenden Strahlung wird durch einen Germanium-Filter unerwünschtes

sichtbares und nahes infrarotes Licht absorbiert. Die Reststrahlung wird über einen

Chopper, eine Blende und mehrere Spiegel zur Fokussierungsoptik geführt und fällt von

dort auf den Detektor. Dieser Detektor wird durch einen mit Flüssigstickstoff gefüllten

Dewar gekühlt, um zu verhindern, daß er bereits durch seine eigene Wärme leitfähig

wird.

Die Kamera ist nur mit einem einzelnen Punktdetektor ausgerüstet, so daß, um ein

zweidimensionales Bild zu erhalten, die Szenerie über schwingende Ablenkspiegel

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

41

zeilenweise abgetastet werden muß. Dieses Prinzip hat zur Folge, daß der etwas träge

Detektor ´scharfe´ Temperatursprünge nur ziemlich verwischt darstellt.

Die folgende Tabelle gibt die wichtigsten Daten der Infrarotkamera wieder:

Detektortyp: Hg Cd Te xx x ; .

Temperaturbereich: C 1300 CT

Dynamikbereiche: 10 20 50 100 200 500/ / / / / K

Temperaturauflösung

(Dynamikbereich: 10 K):

T . K (Vollbild);

T . K (Line Scan)

Spektralbereich: 8 m 12 m

Bildformat (je Halbbild): 250 pixel 200 pixel

Winkelauflösung: (Herstellerangabe)

(eigene Messung)

Fokusbereich: keine Beschränkung

Tab. 2.2: Technische Daten der Infrarot-Kamera Inframetrics Mod. 525

Neben dem Vollbildmodus kann die Kamera auch im Line-Scan-Modus betrieben

werden, wobei der vertikale Ablenkspiegel ausgeschaltet ist, so daß immer dieselbe

Bildzeile gescannt wird. Der Vorteil der Methode besteht darin, daß die so erhaltenen

Grauwerte bis zu zweihundert mal pro Anzeige gemittelt werden und so intrinsisch eine

höhere Genauigkeit erreicht wird. Die praktisch erreichbare Genauigkeit wird jedoch

durch die Auflösung des Profils auf dem Bildschirm auf ca. 0.1 °C begrenzt. Da

überdies nur horizontale Linien gescannt werden können und ein Kippen der Kamera

sich wegen des Flüssigstickstoffs verbietet, wurde dem Vollbildmodus mit Mittelung

über AOI´s 2 der Vorzug gegeben.

2AOI: Area of Interest, d.h. berücksichtigter Bildausschnitt

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

42

2.3. Bildverarbeitungssystem Imaging Technology

PFG+

"The number of Unix-installations has grown to 10, with more expected."

The Unix programmer´s manual, 2nd ed., June 1972

Die Umwandlung der Infrarot- in Wärmebilder und die Erzeugung von Dateien zur

Auswertung wird von der PFG+-Karte übernommen, die von einem 286´er PC

(inzwischen ein 486´er) gesteuert wird. Die Ansprache erfolgt über das von Joachim

Koenen entwickelte Programmpaket IR/Lambda [Koe 91].

Über einen 8bit-A/D-Wandler erzeugt die PFG+-Karte aus den Videosignalen in

Echtzeit Bilder mit 512 512 Pixeln in 256 Graustufen. Die 256 Graustufen können

wiederum über eine von 8 Look-up-tables [Iti 87] in Falschfarben umgewandelt werden.

Außerdem erlaubt die Karte verschiedene arithmetische Operationen mit den Bilddaten,

wie Bildmittelung, Erstellung von Histogrammen oder Temperaturprofilen, sowie

Maßnahmen zur Bildverbesserung (Rauschunterdrückung, etc.).

2.3.1. Bildverarbeitungssoftware "IR/Lambda"

Dieses in Microsoft C geschriebene Programmpaket stellt die Schnittstelle zwischen

DOS und der PFG+-Karte dar. Mit Makro-Kapazitäten stellt es dem Benutzer im

wesentlichen folgende Funktionen zur Verfügung:

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

43

Graukeilequilisation3

Wahl der Kalibriertabelle (vgl. 3.1.1)

Berücksichtigung des Emissionskoeffizienten

Umrechnung des Infrarot-Graustufenbildes in ein Temperaturbild

Bearbeitung der AOI

Erstellung von Temperaturprofilen

Falschfarbendarstellung

Bildfilterung zur Rauschunterdrückung

Erfassung von Zeit und Kraft

Halbautomatische Berechnung der lokalen Dehnung

Ausgabe von Meßwertdateien

Unterstützung bei Kalibriermessungen

Unterstützung bei Messungen des Emissionskoeffizienten

3Zur Korrektur von Verzerrungen während der elektronischen Übertragungskette

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

44

2.4. Probenmaterial und -präparation

"Drei Dingen sollten Sie niemals nachlaufen:

Bussen, Frauen und neuen Theorien."

Wolfgang Schleich

2.4.1. Low-Density Polyäthylen: Lupolen 1840D

Für die Untersuchungen an LDPE wurde Lupolen 1840D von der Firma BASF

verwendet.

Die wichtigsten Daten ´ab Werk´ zeigt die folgende Tabelle [Lup]:

Dichte: ( . ... . ) g cm 3

Schmelzpunkt: TC C

Molmasse:

Vernetzungen:

CH

C

3

Maximaler Verstreckgrad: C . ... .

Darreichungsform: farbloses Granulat

Weitere Zusätze: -keine-

Tab. 2.3: Eigenschaften von LDPE 1840 D

Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß durch die inzwischen mehrjährige Lagerung des

Granulats eine gewisse Alterung eingetreten ist.

Aus dem Granulat wurden in einer beheizbaren Presse Platten gebacken. Dazu wurde

auf eine Aluminiumplatte eine Glasscheibe, und darauf wiederum ein Messing-

Zwischenring gelegt. In dessen Leerraum wurde das Granulat in einer Tasche aus

Teflonfolie gebettet, um ein Ausfließen des LDPE während des Backvorgangs zu

vermeiden. Darüber wurden wieder eine Glasscheibe sowie eine zweite

Aluminiumplatte angebracht, wobei die Glasscheiben für möglichst glatte Oberflächen

der fertigen Platte sorgen sollten.

Die Verwendung von Teflonspray statt einer Folie wäre ebenfalls möglich gewesen,

wurde jedoch wegen der schwer vorherzusehenden Effekte auf die

Oberflächeneigenschaften des LDPE verworfen.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

45

Die genaue Dosierung des Granulats erforderte ebenso einiges Experimentieren, wie die

Entwicklung eines ´Backprogramms´, bei dem zwar die Granulen völlig aufgelöst

wurden, aber noch keine Oxidation eingetreten war.

Das Programm, nach dem die Proben gebacken wurden, die schließlich in den

Spannungs-Dehnungsmessungen verwendet wurden, sah wie in Fig. 2.9 aus:

Fig. 2.9: Backvorgang für

die LDPE-Platten, aus

denen später

´Hundeknochen´-Prüf-

linge gestanzt wurden.

Die Phasen im Einzel-

nen:

a) Aufheizen,

b) gleichmäßige Erwär-

mung der Platte,

c) Backen,

d) Entspannung,

e) Entnahme (danach

Abkühlung an der Luft)

Nach dem Backen quadratischer Platten von etwa 12 cm Seitenlänge, wurden hieraus

´hundeknochenförmige´ Proben gestanzt. Diese wurden mit den dicken Enden in die

Probenhalter eingespannt, während der quaderförmige Mittelteil etwa die Abmessungen

(20 4 2.7) mm 3 (Länge Breite Höhe) besaß.

2.4.2. High Density-Polyäthylen: Lupolen 6011L

Ursprünglich war vorgesehen, auch Verstreckmessungen an dieser Polyäthylen-Spezies

vorzunehmen und in der Tat wurde bereits sein Emissionskoeffizient im Infrarot

bestimmt. Es zeigte sich jedoch, daß die HDPE-Platten -wie alle amorphen Polymere-

nach dem Backen abgeschreckt werden mußten, um bei der Verstreckung einen Neck zu

zeigen. Geschah dies nicht, rissen sie einfach bereits bei sehr kleinen Verstreckgraden.

Das Abschrecken erzeugte nun bei relativ dicken Proben d mm ´Ripples´ (d.h.

körnige und wellenartige Strukturen) auf der Oberfläche, die sie natürlich vollkommen

ungeeignet für unsere Messungen machten.

Machte man die Proben dünner, so neckten sie zwar schön und besaßen auch eine glatte

Oberfläche. Ihr relativ niedriger Emissionskoeffizient führte jedoch dazu, daß bereits

bei einer Probendicke von anfangs 1 mm nur rund 50% der registrierten Strahlung von

0 20 40 60 80 100 120

50

100

150

200

250

t/[min]

T/[°C

]

Temperatur

0

10

20

30

40

50

45´15´

edcba

f/[kN]

Kraft d. Presse

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

46

der Probe, der Rest aber von der Umgebung kommen würde. Im Verlauf der

Verstreckung würde diese Intensität mit der Probendicke noch weiter absinken und uns

immer größere Probleme verschaffen. Darum und aus Zeitgründen wurden keine

Verstreckmessungen an HDPE mehr durchgeführt.

2.4.3. Linear Low-Density-Polyäthylen: Tipelin BS501 / FB472

Bei den von uns verwendeten Proben handelt es sich um semikristalline

(Kristallistationsgrad: ca. 65%) (Ethylen--olefin)-Copolymere. Sie unterscheiden sich

von LDPE durch ihre definierten Seitengruppen, die allerdings eine sehr inhomogene

Verteilung besitzen, wobei die Dichte der Seitengruppen, also der Verzweigungsgrad,

von der Kettenlänge abhängig ist. [Mat 85, Mir 87] Die Seitengruppenverteilung besitzt

gleichzeitig einen starken Einfluß auf die Verteilung der Lamellendicken.

Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Daten des von uns verwendeten Tipelins

[Bra 91]:

BS 501-17 FB 472-20

Dichte

g cm 3 0,950 0,950

Verzweigungsgrad CH C3 1000

0,6 2,0

Kristallanteil wp 0,75 0,73

Tab. 2.4: Eigenschaften von LLDPE BS-501 u. FB-472

Dabei wurde neben reinem LLDPE auch LLDPE mit einem Füllgrad von 20%

verwendet. Füller waren hierbei Aluminium-Bor-Silikat-Glasfasern mit einem

Faserdurchmesser von 10 µm und einer Länge von 60 µm [Wil 92].

Das Rohmaterial wurde im Tiszan-Vegyi-Kombinat in Ungarn hergestellt. Die fertigen

Proben wurden uns freundlicherweise von R. Kraus überlassen.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

47

3. UNTERSUCHUNGEN AN LDPE U. LLDPE MIT

HILFE DER INFRAROT-KAMERA

"I have the terrible feeling that,

because I have a white beard and am sitting in the back of the theatre,

you expect me to tell you the truth about something.

These are the cheap seats, not Mount Sinai."

Orson Welles: Someone to love

Nachdem in der Vergangenheit die IR-Kamera bereits für Messungen an amorphen

Polymeren eingesetzt wurde [Koe 91, Sai 92], sollten im Rahmen dieser Arbeit

Untersuchungen an semikristallinen Substanzen, namentlich LDPE durchgeführt

werden. Die Resultate wurden verglichen mit früheren Arbeiten mit der IR-Kamera

[Mah 80], Experimenten an einem konventionellen Verstreckkalorimeter [Bor 91],

sowie der van-der-Waals-Theorie von Polymeren [Kil 79, May 90].

Gemäß dem ersten Hauptsatz der Wärmelehre

d d dQ W U (Eq. 3.1)

läßt sich mit der IR-Kamera eine vollständige Energiebilanz aufstellen, da aus der von

der Verstreckmaschine an der Probe geleisteten Arbeit dW und dem mit der IR-Kamera

gemessenen in Wärme umgewandelten Bruchteil dQ auch die Änderung der inneren

Energie dU der Probe bestimmt werden kann.

Außerdem lassen sich erstmals die beim Neckprozess freiwerdenden Wärmen und jene

der homogenen Verstreckung separieren.

Leider wurde unsere Arbeit dadurch behindert, daß die Infrarot-Kamera über längere

Zeit defekt war und mehrwöchige Verzögerungen bei der Messung der Wärmekapazität

von LDPE auftraten.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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3.1. Vorarbeiten

"Ignore the man behind the curtain!"

Wizard of Oz

Unglücklicherweise liefert die Infrarotkamera nicht direkt ein Wärmebild ihrer

Umgebung, sondern ein Graustufenbild der Infrarotstrahlung.

In einem ersten Verarbeitungsschritt müssen diese Graustufen kalibriert und so Infrarot-

Strahlungsintensitäten zugewiesen werden. Die Kalibriermessungen werden

durchgeführt, indem die Differenz der Grauwerte zweier möglichst idealer Schwarzer

Strahler bei bekannter Temperaturdifferenz gemessen wird.

Im darauffolgenden zweiten Schritt muß das IR-Bild in ein Temperaturbild

umgerechnet werden. Das ist nötig, weil unsere Proben keine Schwarzen, sondern

´Graue´ Strahler mit 1 darstellen, die auch einen Teil der Umgebungsstrahlung

widerspiegeln bzw. durchscheinen lassen. Dies geschieht mit Hilfe von kombinierten

Messungen, die durch verschiedene geometrische Anordnungen von Proben und

Schwarzen Modellstrahlern eine Separation der einzelnen Anteile erlauben.

Der Abstrahlkoeffizient von LDPE muß bekannt sein, um die Energiebilanz um die an

die Umgebung abführte Wärme zu korrigieren.

Um die mechanische Arbeit mit Wärmeenergie in Verbindung zu setzen, muß außerdem

die spezifische Wärmekapazität der Proben vorliegen.

3.1.1. Kalibriermessungen der Infrarot-Kamera

"Ein Greuel für den Herrn ist zweierlei Gewicht,

und trügerische Waage ist verwerflich."

Sprüche, 20:23

Für die Kalibriermessungen wurden zwei temperierbare, möglichst ideale Schwarze

Strahler vor der Kamera aufgestellt.

Die Strahler bestanden dabei im wesentlichen aus einem mit schwarzem Samt

ausgeschlagenen Rohr, das seinerseits von einem weiteren Rohr ummantelt war. Durch

dieses konnte Öl gepumpt werden, das von außen durch einen separaten Thermostaten

temperiert wurde. Da die Rohre Schwarze Strahler darstellen, kann bei ihnen davon

ausgegangen werden, daß sie keine Umgebungsstrahlung reflektieren, sondern daß alle

bei der Kamera eintreffende Strahlung auch wirklich von ihnen selber stammt.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

49

Rektal in die Rohre eingeführte Pt 100-Thermoelemente maßen kontinuierlich die

Rohrtemperatur, während die IR-Kamera die eintreffende Strahlung aufnahm. Wurden

beide Strahler geringfügig verschieden temperiert, so konnte bei einer bestimmten

Referenztemperatur jeder Temperaturdifferenz eine Grauwertdifferenz zugeordnet

werden, z.B.:

I

T T0 66 4

21 1

.

. C

Graustufen

K (Eq. 3.2)

Die Temperatur des kühleren Schwarzen Strahlers wurde danach gesteigert, bis sie um

einige Grad über der des anderen Strahlers lag, während dessen Temperatur konstant

gehalten wurde. Im Anschluß daran konnte -für eine höhere Referenztemperatur- wieder

das Verhältnis von Grauwertdifferenz zu Temperaturdifferenz berechnet werden. Dieses

Verfahren wurde so oft wiederholt, bis wir uns über den ganzen interessanten

Temperaturbereich ´gehangelt´ hatten.

Die auf diese Art erhaltene Meßkurve wurde anschließend noch an das Verhalten eines

idealen Schwarzen Strahlers und die Empfindlichkeitscharakteristik der Kamera gefittet

(Fig. 3.1), wobei als deren Absorptionskurve eine Lorentzkurve mit einem

Halbwertsintervall gemäß den Herstellerangaben [Inf] von 8 µm-12 µm angenommen

wurde.

Mit Hilfe der so erhaltenen Referenzkurve erzeugten wir eine Tabelle, anhand derer

IR/Lambda Grauwertdifferenzen in IR-Strahlungsdifferenzen umrechnen konnte. Diese

Messungen wurden für die Dynamikbereiche 10 K (22-127 °C) sowie 20 K u. 50 K (22-

102 °C) durchgeführt.

Der Vergleich mit früheren Kalibriermessungen zeigt eine geringfügig erhöhte

Empfindlichkeit, deren Grund vermutlich ist, daß die Kamera im Rahmen einer

Reparatur neu evakuiert und ihre Optik gereinigt wurde.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

50

3.1.2. Bestimmung der Koeffizienten für Emission, Transmission

und Reflexion im empfindlichen Spektralbereich der Infrarot-

Kamera für LDPE und HDPE

"Back off, man. I´m a scientist."

Bill Murray: Ghostbusters

Fällt ein Infrarotstrahl auf eine Probe, so hat die Probe die Wahl, den Strahl

durchzulassen, zu absorbieren oder gleich an der Oberfläche zu reflektieren.

Entsprechend setzt sich die Strahlung, die von der Probe aus die Kamera erreicht, aus

den reflektierten bzw. transmittierten Teilen der Umgebungsstrahlung sowie der

emittierten ´Eigenstrahlung´ der Probe zusammen:

I I IC ( ) 0 Probe (Eq. 3.3)

Der Emissionskoeffizient ist dabei gleich dem Absorptionskoeffizient, da die

Wahrscheinlichkeiten für spontane Emission und Absorption ja a priori immer gleich

sind.

Für alle drei Koeffizienten zusammen gilt:

!

1 (Eq. 3.4)

da mit dem Strahl ja irgend etwas passieren muß. Nur und sind dabei von der

Probendicke abhängig.

Fig. 3.1: Kalibriermessungen

der Infrarot-Kamera über die

drei Dynamikbereiche. Deut-

lich erkennbar ist die nicht-

lineare Zunahme der Emp-

findlichkeit, die die Verwen-

dung von Wertetabellen er-

fordert. (EI7R10/20/50.BER)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

51

Um anhand des Infrarotbildes eine Aussage über die Probentemperatur machen zu

können, müssen entsprechend die Anteile der Umgebungsstrahlung weggefiltert

werden, was eine Kenntnis der Umgebungstemperatur und des Emissionskoeffizienten

voraussetzt.

Von nun an gehen wir davon aus, daß die Umgebung die Strahlungscharakteristik eines

Schwarzen Strahlers der Umgebungstemperatur T0 habe. Die Intensität eine Schwarzen

Strahlers der Temperatur Tx bezeichnen wir mit ITx.

Dann können mit verschiedenen Geometrien, die wir im folgenden erläutern und bei

denen 3 bzw. 4 Strahlen gleichzeitig mit der IR-Kamera detektiert werden, die

einzelnen Koeffizienten bestimmt werden.

Eine ähnliche Methode wurde auch von Koenen vorgestellt [Koe 91]. Sie hatte jedoch

den Nachteil, daß sie zwei voneinander unabhängige Temperaturmessungen erforderte,

aus denen auf die theoretisch zu erwartende Schwarzkörper-Strahlung zurückgerechnet

wurde, die man dann mit der gemessenen Probenstrahlung verglich. Unsere Methode

kommt ohne Temperaturmessungen aus und benutzt nur ´harte´, mit der Kamera

gemessene Intensitäten, was die Fehleranfälligkeit wesentlich reduziert.

Eigentlich ist bei Intensitätsmessungen mit der IR-Kamera Vorsicht geboten, da die

Kamera keine absoluten Intensitäten liefert, sondern nur Werte in Bezug auf einen

willkürlichen (von Hand zu regelnden und nicht kalibrierten) Offset. Dieses Manko läßt

sich jedoch umgehen, indem man in allen folgenden Gleichungen nur

Intensitätsunterschiede betrachtet. Logischerweise fällt der Offset aus jeder Differenz

sofort heraus.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

52

3.1.2.1. Messung des Reflexionskoeffizienten

Der Reflexionskoeffizient kann mit der Geometrie von Fig. 3.2) gemessen werden, bei

der drei Strahlen die Kamera erreichen:

Fig.3.2: Geometrie zur Messung des Reflexionskoeffizienten

Hierbei steht der Schwarze Strahler der Temperatur T1, die geringfügig (d.h. innerhalb

des gewählten Dynamikbereichs) über der Umgebungstemperatur T0 liegt, der IR-

Kamera gegenüber {#1}. In der Mündung des Schwarzen Strahlers steht eine Probe

derselben Temperatur T1 {#2}. Ein wenig abseits von dem Schwarzen Strahler befindet

sich eine weitere Probe auf Umgebungstemperatur T0 {#3}. Diese Probe wird durch

einen kleinen Hitzeschild gegen die von dem Schwarzen Strahler ausgehende

Wärmestrahlung abgeschirmt. Der Schild, der sich von der Kamera aus gesehen hinter

der Probe befindet, sorgt außerdem für eine gleichmäßige Hintergrundstrahlung. Ein mit

Aluminium beschichteter Papp-Aschenbecher mit der Pappseite zur Kamera ist im IR

fast völlig schwarz und leistet dabei hervorragende Dienste.

Nun werden beide Proben so gekippt, daß sie keine warmen Gegenstände (wie den

Experimentator) aus der Umgebung reflektieren könnten. Am besten richtet man sie so

aus, daß sie das Bild eines Stücks schwarzen Samts, das vorher mit einem angewärmten

oder aber in Flüssigstickstoff abgekühlten Schraubenzieher markiert wurde, in die

Kamera spiegeln.

Die Intensitäten der drei Strahlen berechnen sich wie folgt:

Schw arzer Strahler

#1#2 #3

T0

T1

Probe

Hitzeschild

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

53

I I

I I I

I I

T

T T

T

1

2

3

1

1 0

0

( ) (Eq. 3.5)

Damit folgt sofort:

I I

I I

2 1

3 1

(Eq.3.6)

3.1.2.2. Messung des Transmissionskoeffizienten

Die Geometrie von Fig. 3.3 ist im wesentlichen dieselbe wie vorher, nur befindet sich

die Probe, die vorher in der Mündung des Schwarzen Strahlers steckte, jetzt vor ihm auf

Umgebungstemperatur {#2}.

Schw arzer Strahler

#1

#2 #3

T0

T1Hitzeschild

T0

Fig. 3.3: Geometrie zur Messung des Transmissionskoeffizienten

Damit gilt für die drei Strahlintensitäten:

I I

I I I

I I

T

T T

T

1

2

3

1

1 0

0

( ) (Eq. 3.7)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

54

Und so erhalten wir:

I I

I I

2 3

1 3

(Eq. 3.8)

3.1.2.3. Messung des Emissionskoeffizienten

Hierbei ist die Geometrie eine Mischung aus a) und b) mit einer Probe in der

Strahlermündung und einer davor. (Fig. 3.4) Entsprechend müssen jetzt vier Strahlen

miteinander verglichen werden.

Fig. 3.4: Vierstrahl-Gemoetrie zur Messung des Emissionskoeffizienten

Ihre Intensitäten berechnen sich zu:

I I

I I I

I I I

I I

T

T T

T T

T

1

2

3

4

1

1 0

1 0

0

( )

( ) (Eq. 3.9)

Schw arzer Strahler

#1

#2

#3

T0

T1Hitzeschild

T0 #4

T1

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

55

Man bekommt auf diese Weise:

I I

I I

2 3

4 1

(Eq. 3.10)

Außerdem kann man natürlich mit dieser Geometrie auch direkt und bestimmen,

ebenso wie man aus der Kombination der beiden anderen Messungen über

1 ( ) den Emissionskoeffizienten errechnen kann. Allerdings ist diese Methode

wegen der sich ergebenden Platzprobleme recht fehleranfällig.

Der Vorteil dieser drei Geometrien ist, daß keinerlei Temperaturmessung stattfinden

muß: Es ist egal, bei welcher Temperatur sich die Proben oder der Strahler befinden,

solange nur die Temperatur der Probe in der Strahlermündung gleich der des Strahlers

ist, ebenso wie die Temperatur der freistehenden Probe und der Umgebung gleich sein

müssen. Darum ist es wichtig, bis kurz vor der eigentlichen Messung die Öffnung des

Schwarzen Strahlers durch einen Korken verschlossen zu halten.

Eine direkte Methode, den Emissionskoeffizienten zu bestimmen, wäre Fig. 3.5:

Fig. 3.5: Alternative Dreistrahl-Geometrie zur Messung des Emissionskoeffizienten (nicht

verwendet).

Schw arzer Strahler

#1

#2

#3

T

T1Hitzeschild

T0

1

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

56

Allerdings wäre dazu erforderlich, daß der Schwarze Strahler und die freistehende

Probe auf genau die gleiche Temperatur gebracht würden. Abgesehen von praktischen

Schwierigkeiten würde so auch die Eleganz der Methode ruiniert.

Neben der Auswertung von Vollbildern wurde auch versucht, Resultate aus dem Line-

Scan-Mode zu erhalten. Das erwies sich jedoch als sehr problematisch, da häufig relativ

kleine Werte für bzw. zu messen waren. Der Vorteil des geringeren Bildrauschens

wird in diesem Moment dadurch zunichte gemacht, daß die Ablesung der

eindimensionalen Intensitätsprofile natürlich nur ein ganzzahliges Ergebnis liefern

kann. Da manche der Strahlen aber überhaupt nur wenige Grauwerte Unterschied

besaßen, bedeutete dies, daß schon die Rundungsfehler in der Größenordnung der

Meßwerte lagen. Die Auswertung von Vollbildern liefert demgegenüber mittlere

Intensitätswerte über eine AOI mit theoretisch beliebig vielen Nachkommastellen.

Um die Zuverlässigkeit der Methode und die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu

überprüfen, wurden zuerst Experimente an PMMA und PC durchgeführt. Im Anschluß

daran wurden HDPE und LDPE vermessen.

3.1.2.4. Polymethylmetacrylat (PMMA)

Neben Proben, die aus frischem PMMA hergestellt waren, wurden mehrere Exemplare

ausgemessen, die uns freundlicherweise von M. Saile überlassen wurden. Dabei

handelte es sich um von der Fa. Röhm mit zwei Prozent Vernetzerzugabe gegossene

Platten von ( . . )2 00 0 05 mm Dicke [Sai 92].

Seinerzeit waren keine Messungen daran durchgeführt, sondern der Emissionsgrad

1 gesetzt worden.

%

%

%

altes PMMA 81.0 13.0 2.0 <2.0

neues PMMA - 8.9 -

Tab. 3.1: Messung der Koeffizienten für Emission, Reflexion und Transmission bei PMMA. Wo

genügend Messungen durchgeführt wurden, ist eine Standardabweichung der Ergebnisse

angegeben. Die Summe der drei Koeffizienten ist nicht notwendigerweise immer gleich 1, da die

Ergebnisse aus unabhängigen Messungen stammen.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

57

Es fällt auf, daß die frischen, neuen Proben einen geringeren Reflexionskoeffizienten

haben, als die alten.

3.1.2.5. Polycarbonat (PC)

Hier wurden wiederum ebenso alte verstreckte Proben (Bisphenol A Polycarbonat,

Makrolon 2800 d. Fa. Bayer) wie auch unverstrecktes Lexan d. Fa. General Electrics

gemessen. Das Lexan wird dabei für Kunststoffverglasungen verwendet und besitzt

darum besonders glatte, planparallele Oberflächen.

Die Dicken betrugen 2.85 mm für den verstreckten Teil der Makrolon-Proben, sowie

5.70 mm für das Lexan. Die Fehlergrenze lag hierbei wieder um 0.05 mm.

%

%

%

Makrolon 2403 [Koe 91] 93.9 6.1 <0.5

Makrolon 2800 79 19.5 <0.5

Lexan - 11.5 1.5 <0.5

Tab. 3.2: Die Koeffizienten für verschiedene Spezies von Polycarbonat.

In allen drei Fällen lag die Transmission an der Nachweisgrenze, so daß die

Probendicke keinen nennenswerten Einfluß mehr besaß.

Bei unseren Messungen lag der Wert des Reflexionskoeffizienten zum Teil dramatisch

über dem der alten Messung, ein Ergebnis, wie es auch schon bei PMMA aufgetreten

war.

Die physikalische Ursache könnte darin liegen, daß die Oberfläche der Proben durch

natürliche Alterung (Oxidation, UV-Einwirkung) so verändert wird, daß dies ihre

Eigenschaften im Infraroten beeinträchtigt. Außerdem muß die Meßmethode

berücksichtigt werden, die bei Koenen einen Reflexionskoeffizienten für direkte,

geometrische Reflexion maß, während unser Aufbau diffuse Umgebungsstreuung

aufnahm.

Der hohe Reflexionskoeffizient für Lexan läßt sich ungezwungen durch die dem Zweck

(Verglasung) entsprechende Bearbeitung der Oberfläche erklären.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

58

3.1.2.6. High-Density-Polyäthylen

Die Messung erfolgte an 2.5 mm dicken Proben.

%

%

%

80.1 a) 6.5 1.7 13.5 a) Vgl. den Wert von 85% f. Rigidex H060-45P LDPE (1mm Dicke), wie geg. in [Mah 80].

Tab. 3.3: Die verschiedenen Koeffizienten für HDPE 6011 L.

Unter der Annahme eines Lambert-Beer´schen Absorptionsverhaltens gilt in

Abhängigkeit von der Probendicke d :

const

e E d

( )

( )

1

1

(Eq. 3.11)

mit dem Extinktionskoeffizienten E . Man geht hierbei davon aus, daß die Reflexion ein

reiner Oberflächeneffekt ist.

Man erhält für den Extinktionskoeffizienten den Wert:

Ed

FHG

IKJ

ln

.

10 77

1

mm (Eq. 3.12)

3.1.2.7. Low-Density-Polyäthylen

Die Dicke der unverstreckten Proben betrug hierbei 2.80 mm, die der verstreckten

Proben 1.35 mm, entsprechend einem Verstreckgrad von d db g2 4 3. .

%

%

%

unverstreckt 86.1 6.6 0.8 6.0 2.5

verstreckt 73.2 7.3 0.4 19.3 1.5

Tab. 3.4: Die Koeffizienten im Infraroten für verstrecktes und unverstrecktes LDPE 1840 D.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

59

Mit Hilfe von (Eq. 3.11) kann E entweder direkt aus der Transmission, oder indirekt

über den Emissionskoeffizienten berechnet werden. ( 1 ( ), einsetzen usw.)

Man bekommt dann:

Emm -1 aus aus

unverstreckt 0.91 0.98

verstreckt 1.15 1.16

Tab. 3.5: Extinktionskoeffizient für unverstrecktes und verstrecktes LDPE 1840 D.

Der Extinktionskoeffizient scheint für die verstreckten Proben systematisch höher zu

liegen, während der Reflexionskoeffizient praktisch konstant geblieben ist. Die Ursache

dafür könnte die Bildung von Mikrokavitäten durch die Verstreckung sein, oder sogar

die Lamelle-Filament-Umwandlung selbst (z.B. durch die Erzeugung neuer

Schwingungsmoden mit im Infraroten liegenden Frequenzen). Dieses interessante

Phänomen wäre sicher um seiner selbst willen eine Untersuchung wert.

Wir sehen bereits, daß LDPE (und noch mehr HDPE) ein wesentlich undankbareres

Probenmaterial für Untersuchungen mit der IR-Kamera ist, als PMMA bzw. PC es

waren. Die vergleichsweise hohen Reflexions- und Transmissionskoeffizienten

verursachen bei Polyäthylen wesentlich stärkere Schmutzeffekte durch

Umgebungsstrahlung und verringern die Signalintensität (vor allem bei hohen

Verstreckgraden) deutlich mehr, als dies bei den amorphen Polymeren der Fall war.

Eigentlich müßte bei den Spannungs-Dehnungsmessungen auch die Änderung des

Emissionskoeffizienten mit dem Verstreckgrad berücksichtigt werden. (Fig. 3.6) Wir

gingen jedoch bei allen folgenden Messungen von einem Wert const 86 1. % aus.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

60

Fig. 3.6: Entwicklung der Koeffizienten für Emission, Transmission und Reflexion für LDPE mit

dem Verstreckgrad (untere Skala) bzw. der Probendicke (obere Skala).

3.1.3. Messung des Wärmeübergangskoeffizienten von LDPE

"There are some things, man was not meant to know."

Zontar, Thing From Venus

Die Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten von LDPE war aus zwei Gründen

nötig: Zum einen muß bekannt sein, um die Wärmeerzeugung im Neck richtig

berechnen zu können (vgl. Eq. 1.31ff), zum anderen wird später für eine Korrektur

der homogenen Verstreckung um die an die Umgebung abgeführte Wärme benötigt.

Der Probe wird dabei ein Newton´sches Abkühlverhalten unsterstellt, d.h. ihre netto

abgestrahlte Wärmemenge sei proportional zum Temperaturunterschied zwischen Probe

und Umgebung [Ger 86]. Daraus folgt umgekehrt ein exponentieller Abfall dieser

Temperaturdifferenz:

T t T e t( ) 0

(Eq. 3.13)

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

0,50

0,55

0,60

0,65

0,70

0,75

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

d/[mm]

2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

61

mit der Zeitkonstante 1 . Der Wärmeübergangskoeffizient ist dabei eine Konstante

in Abhängigkeit von der Substanz und auch der Probengeometrie.

Wir erwärmten nun eine ´Hundeknochen´-LDPE-Probe auf ca. 30 °C, stellten sie in die

auf Umgebungstemperatur gehaltene Temperierkammer und beobachteten sie mit der

IR-Kamera über einen Zeitraum von etwa fünf Minuten. Später wurden die

Temperaturunterschiede zwischen der Probe und der Kammer über der Zeit aufgetragen

und der Wärmeübergangskoeffizient daran gefittet. (Fig. 3.7)

Das Ergebnis war:

1 23 10 81 32 1. . s st

Merkwürdigerweise sank die Temperatur der Temperierkammer während der

Messungen um ca. 0.3 °C, obwohl die Kammer seit Tagen unbenutzt im (fensterlosen

klimatisierten) Labor gestanden war.

Fig. 3.7: Messung des Abstrahlkoeffizienten . Symbol: Messung; durchgezogene Linie: expo-

nentieller Abfall. (VIRW18B)

0 50 100 150 200 250 300

0

2

4

6

8

10

12

T

/[K

]

t/[s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

62

Fig. 3.8: Veränderung des Abstrahlkoeffizienten mit der Verstreckung.

Streng genommen ist der Abstrahlkoeffizient eine Funktion der Probengeometrie, und

damit auch des Verstreckgrades. (Fig. 3.8) Da eine Berücksichtigung von ( ) jedoch

einen unverhältnismäßig hohen Rechenaufwand bedeutet hätte, wurden alle

Rechnungen mit dem konstanten Wert durchgeführt.

3.1.4. Bestimmung der spezifischen Wärmekapazität von LDPE

Um mechanische und thermische Energie miteinander in Verbindung setzen zu können,

muß die spezifische Wärmekapazität cp bekannt sein. Da die Quellen hierzu stark

voneinander abweichende Werte angeben [Bra 89] und auch das Backprogramm die

Wärmekapazität beeinflussen kann, ließen wir in der Sektion Kalorimetrie Messungen

je einer unserer unverstreckten und verstreckten Proben anfertigen [Sek 93]. Die so

erhaltenen Meßpunkte wurden im Bereich zwischen Zimmer- und Schmelztemperatur

mit einem Polynom dritten Grades angepaßt.

Die Kurven in Fig. 3.9 zeigen keinen nennenswerten Unterschied vor und nach dem

Verstreckvorgang, jedoch eine beträchtliche Variation der Wärmekapazität mit der

Temperatur um etwa 100%.

1 2 3 4 5 6

0,000

0,005

0,010

0,015

0,020

0,025

0,030

/

[s

-1]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

63

Fig. 3.9: Messung der spezifischen Wärmekapazität v. LDPE 1840 D. Durchgezogen: unver-

streckt; gestrichelt: verstreckt ( 4 5. ). (EV3716C.201/EV3820A.201)

20 30 40 50 60 70 80 90 100

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

unverstreckt

verstreckt

c p /

[kJ/(

kg

*K)]

T/[°C]

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64

3.2. Verstreckkalorimetrische Messungen an LDPE

"One of the byproducts of popular and widespread communications

is the propagation of incomplete or downright erroneous knowledge,

which is picked up by proselytizing wierdos and passed on as fact."

Michael Acklin

3.2.1. Überblick

Fig. 3.10: Übersicht über alle angefertigten Messungen. Schraffiert der Bereich, in dem das

Auftreten eines Necks beobachtet werden konnte.

Insgesamt wurden von uns (neben einer nicht näher bezifferten Zahl von Fehlschlägen)

25 brauchbare Messungen angefertigt, die das Verhalten von LDPE zwischen

Zimmertemperatur und Schmelzpunkt über dreieinhalb Zehnerpotenzen der

Verstreckgeschwindigkeit dokumentieren. Als besonders ´ergiebig´ erwiesen sich die

Messungen im Bereich zwischen 1 mm/min und 10 mm/min (entsprechend

Verstreckraten von 6-60 %/min): Bei langsameren Verstreckungen war die

Temperaturentwicklung im Vergleich zur Auflösung der Kamera zu gering, darüber

ließen sich die Videoaufnahmen nur noch unzulänglich auswerten.

Zur besseren Übersichtlichkeit haben wir die Messungen in sieben verschiedene

Gruppen zusammengefaßt:

0,1 1 10 100

20

40

60

80

100

120

T0 /[

°C]

v0 / [mm/min]

1 10 100 1000v0 / [% / min]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

65

Gruppen mit Messungen derselben Geschwindigkeit;

v0 1 10 100 , , mm min , entsprechend 6 60 600, , % min

Gruppen mit Messungen bei derselben Temperatur;

T0 25 40 55 105 , , , C

Necks traten auf bei Verstreckraten über ca. 60%/min bei allen Temperaturen bis kurz

unterhalb des Schmelzpunktes. Dies ist ziemlich genau die von anderen Autoren

gegebene Obergrenze der homoogenen Verstreckung [May 89].

Es stellte sich heraus, daß die Probenabmessungen mit ca. 20 mm 4 mm Frontfläche

recht klein gewählt waren. Insbesondere bei hohen Verstreckgraden wären breitere

Proben wünschenswert gewesen, da bei unseren Prüflingen schon eine geringe

Schräglage der Kamera dazu führte, daß es sehr schwer wurde, eine rechteckige und

senkrecht stehende AOI zu finden, die noch eine ausreichende Größe zur

Temperaturmessung besaß.

Um das vergleichsweise kontrastarme Bild der IR-Kamera nicht zu überblenden, durfte

die optische CCD-Aufnahme nicht zu hell sein. Dadurch wurde es schwierig, die auf der

Probe angebrachten Markierungen, mit deren Hilfe der Verstreckgrad bestimmt wurde,

genau abzulesen. Da auch die Spannbacken ein wenig Spiel in ihren Lagern besaßen,

und weder eine leichte Kippung der Probe gegenüber der Kameraebene, noch eine

Abstandsänderung während der Verstreckung auszuschließen war, sind insbesondere für

die kleinen Verstreckgrade ( 1 1. ) deren Messungen cum granum salis zu betrachten.

(Es kam vor, daß ( ) ( )t t2 1 für t t2 1 gemessen wurde.)

3.2.2. Bestimmung von Temperaturstabilität und Genauigkeit

der IR-Kamera

Eine der eigentlich fehlgeschlagenen Messungen lieferte uns dabei eine ausgezeichnete

Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der Infrarot-Kamera zu überprüfen. Hier wurde

nämlich eine Messung über eine Spanne von 20 Minuten aufgenommen, ohne daß der

Objektivdeckel der Kamera entfernt worden wäre. Dadurch war es möglich, die

Grundlinienkonstanz und Genauigkeit der Kamera abzuschätzen. Dazu muß bemerkt

werden, daß diese Werte unter optimalen Bedingungen erhalten wurden, wie sie im

eigentlichen Experiment (Reflexion warmer Gegenstände, Konvektion,...) keineswegs

gegeben waren.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

66

Der Verlauf der Temperaturmessung (des Objektivdeckels von innen) über der Zeit ist

in Fig. 3.11 dargestellt.

Fig. 3.11: Temperaturstabilität der IR-Kamera: Verlauf der Temperatur, gemessen bei

geschlossenem Objektivdeckel. Durchgezogene Linie: Regressionsgerade. (VIRB01C)

Die Steigung der Regressionsgeraden liefert in diesem Fall eine Abschätzung der

Grundlinienkonstanz. Daraus erhalten wir für die Nullpunktsdrift mit der Zeit:

d

d

K

s

K

h

T

t

0 6 32 5 10 8 10 .

Unsere maximale Beobachtungszeit betrug zwei Stunden, so daß die Nullpunktsdrift

praktisch vernachlässigbar ist.

Weiter wurden, wie bei einer gelungenen Messung, immer wieder Tempera-

turmessungen desselben Bildausschnitts durchgeführt. Die Temperaturänderung

zwischen zwei Aufnahmen, geteilt durch die inzwischen vergangene Zeit, liefert später

(mit einigen Skalierungsfaktoren) die in der Probe erzeugte oder von ihr aufgenommene

Wärme. Diese Messung, durchgeführt am sicher immer gleich warmen Objektivdeckel,

erlaubt uns eine Abschätzung der Genauigkeit der gemessenen Temperaturänderungen.

0 200 400 600 800 1000 1200 1400

298,04

298,06

298,08

298,10

298,12

298,14

T(t

)/[K

]

t /[s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

67

Fig. 3.12: Genauigkeit der IR-Kamera: Entwicklung der Temperaturänderungen, gemessen bei

geschlossenem Objektivdeckel. (VIRB01C)

Die Standardabweichung der gemessenen Temperaturänderungen von der Nullinie (Fig.

3.12) beträgt für diese Messung:

d

d

K

sT

t

2 5 10 3.

3.2.3. Betrachtung der homogenen Verstreckung

Hierbei wurde eine große Anzahl von Einzelbildern aus den Videoaufnahmen

herausgenommen und ausgewertet. Die Abstände betrugen zu Beginn der Messung

typischerweise 5-10 s, später 30 s bis eine Minute.

Neben der Zeit, der Kraft und dem momentanen Verstreckgrad (erhalten durch

Ausmessung der auf dem CCD-Ausschnitt sichtbaren Probenmarkierungen), wurde

auch die mittlere Temperatur eines repräsentativen Stücks der Probe aufgezeichnet.

Die von der Verstreckmaschine an der Probe verrichtete Arbeit konnten wir erhalten,

indem die Kraft mit einer -für das einzelne Experiment jeweils neu zu bestimmenden-

Konstante cw multipliziert wurde. Für diese Konstante galt:

:cc v

Vcw

ww

0

m

kg s (Eq. 3.14)

0 200 400 600 800 1000 1200 1400

-1,0x10-2

-5,0x10-3

0,0

5,0x10-3

1,0x10-2

dT/d

t/[K

/s]

t/[s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

68

Dabei war:

cw der Anteil der an der Probe geleisteten Arbeit im Verhältnis zur Gesamtarbeit

(bestimmt durch das Verhältnis des Weges, den die Probenmarkierungen

zurückgelegt hatten, zum Weg der Spannbacken)

v0 die Geschwindigkeit der Spannbacken

V das Probenvolumen, d.h. Länge Breite Höhe des dünnen Teils des

´Hundeknochens´

0 918. g cm 3 die Dichte von LDPE [Lup].

Damit ist dann:

( )w c F tw (Eq. 3.15)

die Änderung der mechanischen Energiedichte, d.h. der mechanischen Energie pro

Masse.

Die Abgabe von Wärme pro Masse und Zeiteinheit wurde entsprechend durch:

:q cT

tq wp

d

d

kJ

kg s (Eq. 3.16)

berechnet. cp ist hierbei wiederum die spezifische Wärmekapazität von LDPE bei der

Umgebungstemperatur.

3.2.3.1. Abstrahlkorrektur der mittleren Probentemperatur

d

d

T

t wurde seinerseits numerisch aus den Differenzen von Temperatur und Zeit

zwischen zwei aufeinanderfolgenden Meßaufnahmen erhalten. Gleich diesen Wert zu

verwenden, wäre jedoch töricht gewesen:

Bei einer über der Umgebungstemperatur T0 liegenden konstanten Probentemperatur T

würde diese Rechnung q 0 ergeben. In Wirklichkeit verliert die Probe in diesem Fall

aber ständig durch Wärmeleitung und Konvektion Wärme an die Umgebung, die durch

´Nachlieferung´ aus dem Verstreckprozeß ersetzt werden muß, d.h. q 0 .

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

69

Um die Abstrahlverluste zu kompensieren, wurde entsprechend folgendes Verfahren

verwendet:

Sei T T T: 0 die Differenz zwischen Probentemperatur und Umgebungstemperatur,

und T die Temperaturänderung in der Zeit t zwischen zwei Meßpunkten. T

nennen wir dann die ´wahre´, um die Abstrahlverluste korrigierte Temperaturänderung,

also die gesuchte Größe.

Wir nehmen wie unter (Eq. 3.13ff) wieder einen exponentiellen Abfall von

Temperaturdifferenzen an, d.h.:

T t T t e t( ) ( ) 0 , (Eq. 3.17)

wobei wieder der Abstrahlkoeffizient ist.

Für kleine Zeiten können wir nähern:

e tt 1 (Eq. 3.18)

(Mit unserer Zeitkonstante von ca. 80 s liefert diese Näherung für Abstände zwischen

Meßpunkten von bis zu 40 s Fehler unter 10%.)

Damit folgt, daß, um über die Zeitspanne t eine Temperaturdifferenz T zur

Umgebung aufrechtzuerhalten, in der Probe eine Wärmeentwicklung von:

T T t (Eq. 3.19)

stattgefunden haben muß, die allerdings zu keiner Temperaturänderung führt.

Die Bilanz zwischen zwei Meßpunkten sieht demnach wie folgt aus:

Neue Meßtemperatur = Alte Meßtemp . Abstrahlung Wärmeerzeugung

( ) = ( ) ( ) t +

T t T t t T t t T t ( )

(Eq. 3.20)

Durch Umstellen finden wir sofort für die korrigierte Rate der Wärmeproduktion:

d

d korr .

T

t

T t

t

T t T t t

tT t t

FHG

IKJ

( ) ( ) ( )( )

(Eq. 3.21)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

70

Es wurde ein Programm geschrieben, das die Abstrahlkorrektur in den ASCII-

Meßwertdateien halbautomatisch durchführte.

Fig. 3.13: Einfluß der Abstrahlkorrektur: Gemessene Temperaturentwicklung ohne Korrektur

(Punkte), Abstrahlkorrektur (durchgezogen) u. Abstrahlkorrektur mit veränderlichem Abstrahl-koeffizienten (gestrichelt). v0 1 6 mm min % min , T0 29 6 . C. t 1000s = 2 (VIRB01I)

Unterlassung der Abstrahlkorrektur führt zu einer Unterschätzung der gemessenen

Wärmemengen, die als unverhältnismäßig starke Erhöhungen der Inneren Energie

interpretiert würden. Dieser Effekt zeigt sich verstärkt bei niedrigen

Verstreckgeschwindigkeiten [Koe 91].

Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, daß die benötigte Abstrahlkorrektur ebenso

wie der Abstrahlkoeffizient eigentlich vom Verstreckgrad abhängig wäre. (Fig. 3.13)

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000-8,00

-6,00

-4,00

-2,00

0,00

2,00

4,00

6,00

8,00

10,00

12,00

dT

/dt / [1

0

-3 K

/s]

t/[s]

keine Korrektur

einfache Abstrahlkorrektur

Abstrahlkorrektur mit var. Koeffizienten

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

71

3.2.3.2. Messung der Thomson-Wärme

Zur Berechnung der Thomson-Wärme wurde (Eq. 1.40) verwendet:

1

0l T

Q

F

d

d (Eq. 1.40)

Dabei wurde die Ersetzung vorgenommen:

d

d

d

d

d

d

Q

F

Q FFH

IKFH

IK

(Eq. 3.22)

d

d

Q

wurde hier aus der stärksten differentiellen Abkühlung der Probe gewonnen,

d

d

F

aus der Steigung der Spannungs-Dehnungskurve an der entsprechenden Stelle. (Fig.

3.14)

Fig. 3.14: Schema zur Bestimmung des Thomson-Effektes. Zuerst wird die Stelle im Tempera-

turdiagramm mit der stärksten negativen Steigung gesucht (Pfeil), und an diese eine Tangente angelegt (d dQ ). An der gleichen Stelle der Spannungs-Dehnungskurve (gestrichelte Linie)

wird die Tangente an die Kurve der Kraft angelegt (= d dF ). Bei unseren verrauschten

Messungen ist die Bestimmung sowohl der Lage dieses Punktes, als auch die Steigung der

Kurve an seinem Ort mit hohen Unsicherheiten verbunden. Meßfehler von 100% oder mehr

sind deshalb sicher nicht unrealistisch.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

72

Da insbesondere der differentielle Wärmeaustausch hier starke Schwankungen zeigte,

wurden die meisten Kurven mit einem Fourier-Filter geglättet. Trotzdem war es immer

noch eine sehr delikate Angelegenheit, denjenigen Punkt aus der Messung

herauszupicken, an dem der Thomson-Effekt bereits deutlich zu sehen war, noch ehe er

wieder von den Effekten bei höheren Verstreckgraden überlagert wurde.

Der auf diese Weise gewonnene Längenausdehnungskoeffizient wurde dann über der

Temperatur bzw. der Verstreckgeschwindigkeit aufgetragen.

Es zeigte sich keine ausgeprägte Abhängigkeit von der Verstreckgeschwindigkeit, wie

auch vom Modell vorhergesagt.

20 30 40 50 60 70 80 90

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

/[*1

0-4 /K]

Messungen:

Inf rarot -Kamera

Kalorimeter

Dilatometer

T/[°C]

Fig.: 3.15: Längenausdehnungskoeffizient aus Messungen der Thomson-Wärme, aufgetra-

gen über d. Umgebungstemperatur. Zum Vergleich Auftragung der Resultate kalorimetrischer

[Bor 91] u. dilatometrischer [Bra 89] Messungen.

Bei der Auftragung über der Umgebungstemperatur (Fig. 3.15) zeigt sich jedoch sehr

deutlich eine Zunahme des Längenausdehnungskoeffizienten mit der Temperatur. Das

ist in guter Übereinstimmung mit den kalorimetrischen Messungen von Borst [Bor 91]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

73

bzw. den aus dilatometrischen Messungen gewonnenen Werten von Brandrup et.al.

[Bra 89], die allerdings etwas kleiner als Borsts und unsere Werte ausfielen. 4

Eine Erklärung dafür könnte im Kristallanteil des LDPE liegen, der sich mit der

Temperatur ebenfalls ändert. Nimmt man für die amorphen Bereiche einen spezifischen

Ausdehnungskoeffizienten a an, der verschieden von dem der kristallisierten Bereiche

c sei, so errechnet sich der lineare Ausdehnungskoeffizient für das gesamte Polymer

nach:

( ) ( ) ( )T w T w Tc p a p 1d i (Eq. 3.23)

Unter der Annahme a c folgt, daß mit zunehmender Temperatur und steigendem

Anteil der amorphen Bereiche auch der mittlere Ausdehnungskoeffizient wachsen muß.

Trägt man über dem Kristallanteil auf, so bekommt man folgende Werte für die

einzelnen Koeffizienten:

c

a

1 5 10 0

15 10

4

4

. K

K

Damit trägt der Kristallanteil (zumindest in dieser groben Abschätzung) praktisch gar

nichts zur Wärmeausdehnung bei, während sich der amorphe Anteil fast wie ein ideales

Gas (Gas K 13 10 4 ) verhält. Das ist mit den gängigen Theorien der Polymere

vereinbar.

4In diesem Zusammenhang ist nicht klar, ob bei den dilatometrischen Messungen überhaupt die

Veränderung der Wärmekapazität mit der Temperatur berücksichtigt wurde. Abgesehen davon zitiert das

bzgl. dieser Messungen angegebene Nachschlagewerk, das Polymer Handbook 3rd ed. [Bra 89], als

Quelle der Messungen zum einen sich selbst (Polymer Handbook 2nd ed.), zum anderen ein Paper aus

dem Jahre 1945 [Hah 45]. Die 2nd ed. wiederum [Bra 75] gibt als Referenz eine schwer lokalisierbare

finnische Veröffentlichung an [Ant 62], wodurch sich eine Prüfung der Angaben schwierig gestaltet.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

74

3.2.3.3. Spannungs-Dehnungskurven

Die Spannungs-Dehnungskurven zeigen das übliche Verhalten (Fig. 3.17): Bei großen

Verstreckgraden befinden sie sich in guter Übereinstimmung mit den Vorhersagen des

van-der-Waals-Netzwerkes. (Fig. 3.18) Bei geringen Verstreckgraden kann das

Auftreten eines Peaks, dessen Höhe mit der Verstreckgeschwindigkeit zunimmt, jedoch

noch nicht befriedigend erklärt werden.

Wir versuchten, die Abweichung von Theorie und Messung durch das Schermodell zu

erklären. Unter der Annahme einer Parallelschaltung von Netzwerk und Schervorgang

sollten sich beide Kraftanteile einfach addieren.

Fig. 3.16: Verschiedene Spannungs-Dehnungskurven, bei Zimmertemperatur aufgenommen. Von vorne nach hinten: v0 0 3 1 3 10 30 100 . , , , , , mm min; Die vorderen drei Kurven wurden bei

homogener, die anderen bei heterogener Verstreckung aufgenommen. Man beachte die mit der

Geschwindigkeit steigende Spitzenkraft, sowie den Einbruch mit Einsetzen des Necks. Dieses

Phänomen konnte bei allen Temperaturen beobachtet werden.

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

1,00

1,251,50

1,752,00

2,252,50

2,75C

C

C

C

C

C

F/[N

]

Verstreckgeschw.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

75

Fig. 3.17: Messungen bei verschiedenen Temperaturen, alle bei der gleichen Geschwindigkeit v0 10 60 mm min % min . Mit dem Kristallanteil nimmt die zur Verstreckung nötige Kraft

deutlich ab. Ähnliche Verläufe ergeben sich bei den anderen Geschwindigkeiten.

Fig. 3.18: Vergleich zwischen gemessener Spannungs-Dehnungskurve (Symbol) und Vorher-sage des van-der-Waals-Modells (durchgezogen) für zwei Messungen bei T0 30 C u. Ver-

streckgeschwindigkeiten v. v0 10 60 mm min % min)( (Kreise) bzw. v0 1 6 mm min % min)(

(Karos). Messung: Symbole; Rechnung: durchgezogen. (VIRB01I, VIRB0IK)

1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

24.4°C

29.3°C

33.8°C

50.2°C

83.2°C

104.1°C

F/[N

]

1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 3,00

-20

0

20

40

60

80

100

120

Messung Rechnung

F/[N

]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

76

Es zeigte sich aber, daß die Kurvencharakteristik des Schermodells offensichtlich

generell ungeeignet ist, die Differenzen zwischen dem van-der-Waals-Kraftgesetz und

der Messung zu beschreiben. (Fig. 3.20)

Fig. 3.19: Differenz F zwischen Messung und van-der-Waals-Theorie f. verschiedene Messungen bei T0 55 C .

Fig. 3.20: Differenz F zwischen Messung und van-der-Waals-Theorie f. verschiedene Messungen bei T0 25 C. Dicke Linie: Anpassung der Kraftkurve des Schermodells.

1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50-20

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

25

30

35

40

F

=F v

an

de

r W

aa

ls -

F exp

erim

en

tell

/[N

]

1 mm/min

10 mm/min

100 mm/min

1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

50

60

0.3 mm/min

1 mm/min

10 mm/min

100 mm/min

F

/[N

]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

77

Die Schwierigkeiten liegen darin, daß die Abweichungen im Anfangsbereich der

Verstreckung ganz offensichtlich ein dynamisches Verhalten zeigen, da sie sehr stark

von der Verstreckgeschwindigkeit abhängen. Weder die Standard-Theorie des van-der-

Waals-Netzwerks noch das Schermodell enthalten jedoch eine

geschwindigkeitsabhängige Komponente, was eine prinzipielle Unzulänglichkeit zu

sein scheint.

3.2.3.4. Temperaturentwicklung und Energiebilanz

Zur Erstellung der Energiebilanz wurde (Eq. 1.10) verwendet:

d

d

u

tw q (Eq. 3.24)

liefert uns die Rate der Änderung der (enthalpischen) Energiedichte. Da es sich hierbei

um einen zeitabhängigen Prozeß handelt, haben wir einige der Schaubilder in der

Zeitskala ´renormiert´, d.h. auf eine Verstreckgeschwindigkeit von

v0 10 60 mm min % min umgerechnet.

Mit unserer Vorzeichenwahl entspricht ein negatives u einem exothermen Prozeß, also

z.B. einer Kristallisation.

Fig. 3.21: Verlauf der Temperaturänderung (um Abstrahlverluste bereinigt) der homogen verstreckten Messungen mit v0 1 6 mm min % min)( .

1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 3,00

-0,020

-0,015

-0,010

-0,005

0,000

0,005

0,010

0,015

0,020

T0= 24.4 °C

29.3 °C

33.8 °C

50.2 °C

83.2 °C

dT

/dt

/ [K

/s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

78

Im Gegensatz zur Verstreckspannung, die mit zunehmender Temperatur immer geringer

wird, zeigt die Wärmeerzeugung, bezogen auf jeweils das gleiche , keine große

Temperaturabhängigkeit. (Fig. 3.21) Das bedeutet, daß Änderungen der Energiebilanz

nicht mit einer Wärmeerzeugung, sondern mit dem Verstreckmechanismus

zusammenhängen müssen.

Unsere Messungen zeigten bei sehr kleinen Verstreckgeschwindigkeiten und geringen

Verstreckgraden einen sehr starken Anstieg innerer Energie, einhergehend mit einer

Abnahme der Temperatur. (Fig. 3.22) Dieses Verhalten, das auch schon von anderen

Autoren beobachtet werden konnte [Bor 91, Kne 93, May 89, Sch 91], ist vermutlich

die Folge des Thomson-Effekts, d.h. der Erzeugung neuer Freiheitsgrade durch die

Aufbiegung der Potentialmulden infolge der Verstreckung, auf die a priori noch keine

thermische Energie entfallen. Eine große Rolle spielt außerdem die Erzeugung von

Defekten durch die Deformation, indem Kristallite zerbrochen oder Ketten aus den

Kristalliten herausgezogen werden. Möglicherweise trägt in unserem Fall außerdem

eine Überschätzung des Verstreckgrades für kleines , die eine Überschätzung der ver-

richteten mechanischen Arbeit zur Folge hatte, zu dem Effekt bei.

Fig. 3.22: Energiebilanz für inhomogen verstreckte Proben. T0 25 C. Die Messung mit

v0 300 mm min wurde mit e. Fourier-Filter geglättet.

1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0-0,30

-0,25

-0,20

-0,15

-0,10

-0,05

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

v0= 10 mm/min

20 mm/min

30 mm/min

100 mm/min

300 mm/min

du

/dt

/ [k

J/(

kg

*s)]

, re

no

rmie

rt

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

79

Die Proben, bei denen das Auftreten eines Necks beobachtet werden konnte, zeigen

jenseits des Effekts der thermoelastischen Inversion eine ausgeglichene Energiebilanz,

d.h. die zugeführte mechanische Arbeit wird komplett in Wärme umgewandelt. (Fig.

3.23) Dies entspricht dem Verhalten eines vollständig entropiebestimmten Netzwerks.

Fig. 3.23: Entwicklung der Änderungen der Inneren Energie für verschiedene Messungen bei T0 40 C. Deutlich sichtbar ist die ausgeglichene Bilanz für die schnelleren Messungen und

das Freiwerden Innerer Energie bei v0 1 6 mm min % min)( .

Bei Verstreckgeschwindigkeiten, die darüber liegen, mißt man ein negatives d

d

u

t, das

ungefähr bei 2 konstant wird und erst später in ein rein entropisches Verhalten

übergeht.

Der Vergleich mit Röntgenmessungen [Häb 92] zeigt, daß in diesem Bereich (

1 2 2. ) die Lamellen-Filament-Umwandlungen stattfinden. Die Verringerung von

Innerer Energie bedeutet, daß mehr Wärme frei wird, als mechanische Arbeit am

System geleistet wurde, also sollte m.a.W. diese Umwandlung und damit die plastische

Deformation der Kristallite ein exothermer Vorgang sein.

1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8-0,25

-0,20

-0,15

-0,10

-0,05

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

homogen

v0 = 100 mm/min

10 mm/min

10 mm/min

1 mm/min

du

/dt / [k

J/k

g*s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

80

Fig. 3.24: Änderung der Inneren Energie für verschiedene Messungen mit v0 1 6 mm min % min)( , also noch im Bereich der homogenen Verstreckung. Auffällig ist die

Zunahme der Abweichung von der Nullinie mit der Temperatur. Vertikale Linie (Pfeil): Meßpunkt

für die lineare Regression (vgl. Text).

Möglicherweise handelt es sich dabei nicht um Vorgänge in den Kristalliten (die ja

stabil sein sollten, so daß ihre Auflösung ein endothermer Vorgang wäre), sondern um

während des Backvorganges eingefrorene Verspannungen der amorphen Ketten, die

sich im Zuge der Lamellen-Filament-Umwandlung endlich wieder lösen können.

Nimmt man für verschiedene Messungen die Änderung der Inneren Energie jeweils bei

der gleichen Verstreckung ( 1 8. , Fig. 3.24)) und trägt diese Energieänderungen über

der Umgebungstemperatur auf, so erhält man einen linearen Zusammenhang, d.h. mit

zunehmender Temperatur steigt die aufzuwendende Energie praktisch linear an. (Fig.

3.25)

1,00 1,25 1,50 1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 3,00 3,25 3,50-40,00

-35,00

-30,00

-25,00

-20,00

-15,00

-10,00

-5,00

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

T 0 / [°C]

24.4

29.3

33.8

50.2

83.2

104.1

du

/dt

/ [J

/kg

*s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

81

Diese Zunahme verläuft denn auch parallel zu einer fast linearen Zunahme des

amorphen Anteils im LDPE. Die Steigung der Regressionsgerade beträgt nämlich:

d

d

J

kg s K

u

T

25b g ,

während sich gleichzeitig der Anteil der amorphen Bezirke um ca. 0 35. % K ändert.

Die Extrapolation der Messungen des Kristallanteils wp führt zu einer Temperatur

Tg 30 C , bei der die amorphen Bereiche theoretisch vollständig auskristallisiert

bzw. eingefroren wären. Dies ist ebenfalls die Temperatur, bei der der

Energieüberschuß aus unseren Messungen Null geworden wäre, und gleichzeitig nach

Ansicht einiger Autoren die Glastemperatur für LDPE [Bra 89]. 5

In den Bereichen mit 2 zeigen auch die Proben, die keinen Neck entwickeln, ein

rein entropisches Netzwerkverhalten. In Übereinstimmung mit den Röntgenmessungen

deutet dies daraufhin, daß keine grundlegenden Umwandlungen mehr stattfinden. Statt

dessen setzt das Netzwerk die von außen zugeführte Arbeit vollständig in Wärme um.

Begleitet wird dieser Vorgang von einem quasikontinuierlichen Aufschmelzen und

Wiedererstarren der Kristallite, die dadurch der Verstreckung zu folgen versuchen. Da

diese Vorgänge im Mittel genausoviel Wärme freisetzen, wie sie verbrauchen, und sich

5Das Polymer Handbook, 3rd Ed. bemerkt hierzu, es herrsche "...considerable disagreement..." über die

genaue Lage der Glastemperatur bei LDPE.

20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

u

/ [

J/k

g*s]

T0

/[°C]

Fig. 3.25: Lineare Re-

gression der freiwerden-

den Inneren Energie über

der Temperatur bei ho-

mogener Verstreckung.

Die Regressionsgerade

schneidet die Nullinie un-

gefähr bei der Glastempe-

ratur v. LDPE.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

82

die Topologie nicht mehr ändert, tauchen sie weder in der kalorimetrischen Bilanz noch

im Rahmen der röntgenographischen Messungen auf.

3.2.4. Untersuchungen des Neck-Prozesses

Wir hatten die Randbedingungen unserer Experimente so gewählt, daß mit 13 von 25

gerade die Hälfte aller Proben einen Neck ausbildete. Der Neck als inhomogenes

Phänomen wurde dabei nicht, wie bei der homogenen Verstreckung, durch Mittelung

über eine AOI ausgewertet, sondern durch den Vergleich von Temperaturprofilen.

Dazu wurden eindimensionale Profile längs der Probe genommen und mit einem

Standardprofil wie aus (Eq. 1.34), für das Q0 1 MPa galt, verglichen. Nachdem die

Lage des Necks und der Untergrund berücksichtigt worden waren, wurden beide Profile

durch Multiplikation mit einer Konstanten bestmöglich zur Deckung gebracht. Diese

Konstante wurde dann als das Q0 der Probe identifizert.

3.2.4.1. Entstehung und Propagation des Necks

Im Gegensatz zu polymeren Gläsern ist die Neckentstehung bei LDPE ein relativ

langsamer Prozeß, und die Gestalt des Necks ist längst nicht so scharf ausgeprägt wie

z.B. bei PC [Koe 89].

Der Neck nukleiert nach Durchlaufen der Lamellen-Filament-Umwandlung an

irgendeiner Stelle der Probe ohne vorherige Anzeichen (wie z.B. lokale Abkühlung o.ä.)

und beginnt mit der Wanderung durch die Probe, noch bevor die maximale

Wärmeentwicklung erreicht ist. (Fig. 3.26) Gelegentlich entstehen auch zwei sich

voneinander entfernende Necks an derselben Stelle.

Nach der Ausbildung des vollen Temperaturprofils bewegt sich der Neck dann

quasistatisch durch die Probe, bis er die breiter werdende Stelle der Schulterstücke

erreicht.

Page 83: Temperatureffekte bei Def. v. LDPE · PDF file1.1.5 Zerstörung des Netzwerks durch Überdehnung 15 1.1.6 Wechselwirkung der Netzwerkketten 17 1.1.7 Korrekturterm: Erzeugung und Anregung

Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

83

Fig. 3.26: Temperaturprofile bei der Entstehung des Necks, zu verschiedenen Zeitpunkten auf-genommen. v0 100 600 mm min % min)( . (VIRB02D)

Fig. 3.27: Temperaturprofile bei der Entstehung des Necks, dreidimensional angeordnet. Deut-

lich sichtbar ist nach der Nukleation der Übergang zu einem quasistatischen Zustand, falls d. Verstreckrate groß genug ist. v0 300 1800 mm min % min)( . (VIRB02F)

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

t: 16.2 s

21.8 s

31.9 s

47.8 s

T /

[°C

]

x / [mm]

010

2030

4050

20,0

22,5

25,0

27,5

30,0

32,5

35,0

37,5

40,0

42,5

t.7.6s

t.9.1s

t.10.8s

t.12.6s

t.14.4s

Tem

pera

turp

rofil

T/[°C

]

x/[mm]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

84

Fig. 3.28: Konturplot der beim Neckprozeß erzeugten Wärme. Aufgetragen sind in den Spalten

zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommene Temperaturprofile. Helle Bereiche sind warm, dunkle Bereiche dagegen kühl. Man erkennt die Nukleation des Necks bei t 200s und

x 32mm. Von da ab bewegt er sich mit konstanter Geschwindigkeit und Temperatur nach

unten. Dahinter tritt wieder relativ schnell eine Abkühlung ein. Die selbe Messung ist auf dem

Umschlag dreidimensional dargestellt. (VIRB01K)

3.2.4.2. Fits der Temperaturprofile

Die Fits der Temperaturprofile gelangen nicht besonders gut. Insbesondere fällt die

Temperatur hinter dem Neck schneller ab, als die Rechnung uns dies erwarten ließ.

(Fig. 3.29)

Die Ursachen dafür sind vermutlich, daß die Veränderung des Emissions- und des

Abstrahlkoeffizienten mit dem Verstreckgrad nicht berücksichtigt wurden. (Beide

Unterlassungen führen dazu, daß die gemessene Temperatur niedriger ausfällt als in

Wahrheit.) Tests mit einem angepaßten gaben zwar eine bessere, aber immer noch

keine befriedigende Übereinstimmung. (Fig. 3.30) Unter Umständen war auch zu

hoch angesetzt. (Die Messung der kritischen Verstreckgrade war schließlich auch...

kritisch. Vgl. 3.2.4.3.)

Prinzipiell konnte jedoch eine akzeptable Übereinstimmung zwischen Theorie und

Experiment beobachtet werden.

0 100 200 300 400 500 600 700

0

10

20

30

40

x / [

mm

]

t / [s]

28.0 -- 28.3 28.3 -- 28.6 28.6 -- 28.9 28.9 -- 29.3 29.3 -- 29.6 29.6 -- 29.9 29.9 -- 30.2 30.2 -- 30.5 30.5 -- 30.8 30.8 -- 31.1 31.1 -- 31.4 31.4 -- 31.8 31.8 -- 32.1 32.1 -- 32.4 32.4 -- 32.7 32.7 -- 33.0

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

85

Fig. 3.29 (oben): Temperaturprofil mit Neck (Symbole). Linien sind die Fits an (Eq. 1.34) mit

konstantem Abstrahlkoeffizienten (durchgezogen) bzw. veränderlichem A . (gestrichelt). v0 10 mm min, T0 37 1 . C. (VIRB01N)

Fig. 3.30 (unten): Temperaturprofil mit Neck (Symbole) u. Fit (Linien). v0 1 6 mm min % min)( ,

T0 40 9 . C . (VIRB02C)

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60

34

35

36

37

38

39

40

Messung

Standard-Anpassung

Anpassung mit veränderlichem Abstrahlkoeff.

T/[

°C]

x / [mm]

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60

40

42

44

46

48

50

Messung

Standard-Anpassung

Anpassung mit veränderlichem Abstrahlk.

T /

[°C

]

x / [mm]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

86

3.2.4.3. Kritische Verstreckgrade

Die kritischen Verstreckgrade wurden wie folgt erhalten:

, die Nukleation des Necks, wurde aus dem Beginn der inhomogenen Erwärmung

bestimmt.

, die Verstreckung hinter dem Neck, ließ sich nicht so leicht messen, da bei diesen

hohen Verstreckgraden die optischen Markierungen der Probe bereits aus dem

Bereich der Videokamera gewandert waren. Deshalb wurde die Spannungs-

Dehnungskurve dazu herangezogen, denn ist der Verstreckgrad, an dem nach

der Theorie wieder ein Anstieg der Kraft stattfindet. Dieser Punkt ist an den

Spannungs-Dehnungskurven von LDPE allerdings nur unscharf ausgebildet und

darum schwer zu bestimmen.

Fig. 3.31: Kritische Verstreckgrade, aufgetragen über der Verstreckgeschwindigkeit.

Unsere Messungen ergaben weder eine Abhängigkeit von der Verstreckgeschwindigkeit

(Fig. 3.31), noch von der Umgebungstemperatur (Fig. 3.32). Statt dessen scheinen

und charakteristische Konstanten für das verwendete Material zu sein. Ihre Werte

betrugen für unsere Polyäthylen-Proben durchgehend:

2 10 0 15 5 1 0 4. . . .

10 100

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

5,5

6,0

´

v 0 / [mm/min]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

87

Fig. 3.32: Kritische Verstreckgrade, aufgetragen über der Umgebungstemperatur.

3.2.4.4. Neckgeschwindigkeit

Die Neckgeschwindigkeit wurde anhand der Bewegung des wärmsten Punkts des

Temperaturprofils zwischen zwei Aufnahmen als Bruchteil der Verstreck-

geschwindigkeit, d.h. v vn 0 gemessen.

Eine Temperaturabhängigkeit des Verhältnisses von Neckgeschwindigkeit zu

Verstreckgeschwindigkeit konnte nicht festgestellt werden, wohl aber eine

Abhängigkeit von der Verstreckrate. Mit der Ausnahme von zwei Ausreißern (die

erklärt werden können, indem man für sie einen ´doppelköpfigen´ Neck annimmt, der

zu einer Halbierung der gemessenen Geschwindigkeit führt) zeigt sich sehr deutlich ein

Abfall der relativen Neckgeschwindigkeit mit Zunahme der Verstreckrate.

Die Änderung der Neckgeschwindigkeit zeigt einen wichtigen Unterschied zum

Necking der amorphen Gläser [May 89]: Anders als bei diesen ist beim LDPE der

Verstreckgrad in den geneckten bzw. noch nicht geneckten Bereichen nicht konstant,

sondern nimmt weiterhin zu. Hier findet also neben dem Necking noch immer ein

homogener Verstreckprozeß statt. (Fig. 3.33)

20 30 40 50 60 70 80 90

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

5,5

6,0

´

T / [°C]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

88

Fig. 3.33: Neckgeschwindigkeit als Bruchteil der Verstreckgeschwindigkeit über der Verstreck-

geschwindigkeit aufgetragen. Durch Pfeile markiert sind die Messungen, bei denen von der

Nukleationsstelle zwei Necks in entgegengesetzte Richtungen propagierten, d.h. die Neckge-

schwindigkeit wäre eigentlich doppelt so groß.

3.2.4.5. Energieerzeugung im Neck

Die Energieerzeugung im Neck wurde aus dem Faktor bestimmt, mit dem das Referenz-

Temperaturprofil multipliziert werden mußte, um einen optimalen Fit zu liefern. Q0 ist

hierbei die durch das Vorüberziehen des Necks pro Volumenelement freigesetzte

Energiemenge. (Beachte: 1 1 3MPa = J cm )

Die Messungen zeigen wiederum keine nennenswerte Änderung mit der Temperatur,

wohl aber gibt es eine ausgeprägte Geschwindigkeitsabhängigkeit (Fig. 3.34): Mit der

Zunahme der Verstreckgeschwindigkeit steigt auch die Energieproduktion pro

Volumenelement, ebenso wie die zur Verstreckung notwendige Kraft. (Dieser Effekt ist

nota bene davon zu trennen, daß mit der Verstreckgeschwindigkeit und der

Geschwindigkeit des Necks ebenfalls die Gesamtrate erzeugter Energie, d.h. Änderung

pro Zeit, steigen muß.)

10 100

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

Doppelnecks

v n / v

0

v 0 / [mm/min]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

89

Fig. 3.34: Neckenergie, aufgetragen über der Verstreckgeschwindigkeit.

Fig. 3.35: Neckenergie mal Neckgeschwindigkeit durch Verstreckgeschwindigkeit, aufgetragen

über der Verstreckgeschwindigkeit.

10 100

10

15

20

25

30

35

Q 0 / [M

Pa

]

v 0 / [mm/min]

10 100

0

2

4

6

8

10

Q 0 *

v n

/ v 0

v 0 / [mm/min]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

90

Die Abhängigkeit ist so, daß ungefähr Q v vn0 0 const gilt. (Fig. 3.35) Ein Modell

zur Erklärung dieses Effekts steht weitgehend noch aus. Es scheint jedoch so zu sein,

daß das System versucht, die Verstreckung unter minimalisierter Entropieerzeugung zu

durchlaufen.

Polymere Gläser sowie HDPE [Mah 80] zeigen ein Verhalten, bei dem der Anteil der in

Wärme umgewandelten mechanischen Arbeit mit der Verstreckgeschwindigkeit steigt,

um schließlich gegen 1 zu streben. Bei LDPE scheint es dagegen so zu sein, daß ein

Neck überhaupt erst bei Geschwindigkeiten auftritt, die so hoch sind, daß die

Energiebilanz bereits ausgeglichen ist.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

91

3.3. Verstreckkalorimetrische Eperimente an ge-

fülltem LLDPE

"Genauigkeit ist keine Kunst...

Die sogenannte Gewissenhaftigkeit [...]

ist nur die mühselige Perfektion in der Kunst des Langweilens."

Eugene Delacroix

Es wurden fünf Messungen an Tipelin durchgeführt. Füller waren Glasfasern. Alle

Experimente erfolgten bei Zimmertemperatur.

v01mm min

v01% min

BS 501 2 3

BS 501 + 20% Füller 2 bzw. 5 3 bzw. 7.5

FB 472 + 20% Füller 2 bzw. 5 3 bzw. 7.5

Tab. 3.6: Verstreckgeschwindigkeiten und -raten für die Experimente mit LLDPE.

Der Versuchsaufbau war derselbe wie bei den LDPE-Verstreckexperimenten.

An Tipelin wurde von R. Kraus bislang vor allem das Ablöseverhalten der amorphen

Matrix von den eingebetteten Füllerpartikeln mit Mitteln der Ultra-

schallemissionsanalyse untersucht [Wil 92]. BS 501 zeichnet sich dabei gegenüber FB

472 durch eine größere Härte aus. Wahrscheinlich liegt die Ursache dafür im

unterschiedlichen Verzweigungsgrad [Pei 92].

Bei der Schallemission mißt man für beide Polymere einen Peak mit hoher Ereignisrate

bei 1 05. . (Fig. 3.36) BS 501 zeigt zusätzlich bei sehr kleiner Verstreckung 1 02.

einen weiteren Peak. Dieser besteht aus Ereignissen, die sowohl zahlreicher als auch

energiereicher (pro Einzelereignis) sind.

Zwei der vier gefüllten Proben rissen bereits bei 1 2. . (Fig. 3.37) Dies ist keine

eigentliche Materialeigenschaft -üblicherweise liegt der maximale Verstreckgrad für

Tipelin bei über 1 5. -, sondern liegt vermutlich an der schlechten Durchmischung

der Proben, also an der Präparation.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

92

Fig. 3.36 (oben): Schematische Ergebnisse der Schallemissionsmessung v. BS-501

(durchgezogen) u. FB-472 (gestrichelt). BS-501 zeigt zwei Peaks bei 105. u. 12. , von

denen der erste die zahlreicheren Ereignisse enthält. Die Ereignisse des zweiten Peaks sind

dafür energiereicher pro Ereignis. FB-472 zeigt nur den zweiten Peak bei 12. .

Fig. 3.37 (unten): Spannungs-Dehnungskurven von LLDPE. Deutlich sichtbar sind der Riß der

gefüllten BS-501-Proben, noch bevor das Spannungsplateau erreicht ist, sowie die fast

identischen Kurven der FB-472-Prüflinge.

1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7

0

50

100

150

200

BS-501, kein Füller, 2 mm/min

BS-501 + 20% Füller, 2 mm/min

FB-427 + 20% Füller, 2 mm/min

BS-501 + 20% Füller, 5 mm/min

FB-472 + 20% Füller, 5 mm/min

F /

[N

]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

93

Fig. 3.38: Temperaturdiagramm der ungefüllten BS-501-Probe. Man erkennt deutlich die fast

konstante Zunahme der Temperatur mit der Zeit, entsprechend einem rein entropieelastischen

Verhalten. Wegen der Unsicherheiten in der Bestimmung des Verstreckgrades, wurden dieses

und die folgenden Diagramme über der Zeit aufgetragen, mit einer ungefähren Markierung der

entsprechenden Verstreckgrade.

Alle gefüllten Proben zeigten unabhängig von der Verstreckgeschwindigkeit eine

Abkühlung, die bei einem Verstreckgrad von ca. 1 08. in eine Erwärmung überging.

(Fig. 3.39) Die Abkühlung war hier bei den BS 501-Proben deutlich ausgeprägter als

bei den FB 472-Teststäben. Die nichtgefüllte Referenzprobe zeigte fast keine Änderung

in der Entwicklung der Temperatur.

Die Ablösung der Matrix von den Fasern, die im wesentlichen die bei der

Schallemission gemessene Größe ist, hat zwei entgegengesetzte Einflüsse auf die

Wärme der Probe-

Die Haftstellen der Ketten erhalten durch die Ablösung plötzlich neue

Freiheitsgrade die im Moment der Ablösung die Temperatur T 0 K besitzen.

Temperaturausgleich mit der Umgebung führt zu einer allgemeinen Abkühlung,

d.h.: Thomson-Effekt durch Kettenablösung.

Gleichzeitig wird die Energie der elastisch gespannten Ketten frei, was zu einer

Erwärmung führt.

0 100 200 300 400 500 600298,4

298,5

298,6

298,7

298,8

298,9

299,0

= 1.5

T /

[K

]

t / [s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

94

Fig. 3.39: Temperaturentwicklung der Messungen mit v0 2 mm min. Die bei beiden Proben

fast identische Abkühlung, entsprechend dem ersten Peak der Schallemission, und die darauf-

folgende Erwärmung während des zweiten Peaks, die sich der gleichmäßigen Erwärmung des ungefüllten LLDPE überlagern, sind klar sichtbar. Die starke Erwärmung v. BS-501 bei t 100s

kommt durch den Riß zustande. Fig. 3.40: Temperaturentwicklung über der Zeit für die Proben mit v0 5 mm min. Die Ab-

kühlung des BS-501 hat zugenommen.

0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275 300

295,8

295,9

296,0

296,1

296,2

296,3

296,4

296,5

296,6

296,7

= 1.2 = 1.0 = 1.1

BS-501

FB-472

T /

[K

]

t / [s]

0 50 100 150 200

295,8

296,0

296,2

296,4

296,6

296,8

297,0

297,2

297,4

297,6

297,8

BS-501

FB-472

= 1.3

= 1.1

= 1.2

= 1.0

T /

[K

]

t / [s]

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

95

Während der Thomson-Effekt eine Eigenschaft der Kettenstruktur und somit von dem

Verstreckgrad im betrachteten Bereich weitgehend unabhängig ist, gilt für die elastische

Energie:

WE

elast 2

(Eq. 3.25)

Geht man also davon aus, daß die beobachteten Temperatureffekte eine Folge der

Ablösung der Matrix sind, so können die Messungen wie folgt erklärt werden:

Die Abkühlung erfolgt innerhalb des elastischen Bereichs mit einer ansteigenden

Spannung, so daß der abkühlende Effekt der Entropieerzeugung noch überwiegt. Hier

gibt es nur bei BS-501 eine Geschwindigkeitsabhängigkeit, da FB-472 keine

Ablösungseffekte und somit nur einen ´konventionellen´ Thomson-Effekt (vgl. 1.3)

zeigt. Später, im Bereich des zweiten Schallemissionspeaks, ist das Plateau der

Spannung erreicht, die inzwischen so groß ist, daß ihr Einfluß jenen des

Thomsoneffekts überwiegt. (Fig. 3.40)

Es sollte jedoch bemerkt werden, daß aufgrund der nur sehr kleinen Verstreckungen, die

erzielt wurden, die Messung des Verstreckgrades mit Hilfe der Videobilder mit großen

Unsicherheiten belegt ist. Eine Verkippung der Probe oder ein Glanzlicht nahe der

Markierungsstriche kann dabei schon einen gewichtigen Fehler hervorrufen.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

96

3.4. Experimente zur Infrarotmikroskopie

"New Brain! You understand? NEW BRAIN!"

Bela Lugosi: Ghost of Frankenstein

Die rein qualitativen Messungen wurden mit einem vereinfachten Versuchsaufbau

durchgeführt. Eine CCD-Kamera mit Makroobjektiv sowie die IR-Kamera beobachteten

die Proben von beiden Seiten aus möglichst geringer Entfernung. Ihre jeweiligen

Signale wurden über einen Bildteiler zusammengefügt und mit Hilfe des Titelgenerators

um die Einblendung einer Stoppuhr bereichert. Letzteres diente dazu, einzelne Bilder

sicher wieder auffinden zu können.

Als Proben wurde einmal LDPE verwendet, und einmal PBA Epoxy mit eingebetteten

Glasperlen von 360 µm Durchmesser. Die Verstreckgeschwindigkeiten betrugen

10 mm min (60 % min ) beim LDPE bzw. 0 5. mm min (1 % min ) für die Epoxy-

Probe, da diese schon bei einem sehr geringen Verstreckgrad riß. Die Messungen

wurden bei Zimmertemperatur angefertigt.

Insbesondere bei der zweiten Probe hofften wir, den Ablöseprozeß der Matrix von den

Kugeln mit irgendeiner Form von Wärmeänderung in Verbindung bringen zu können,

z.B. mit einer Erwärmung der Ablösestellen.

Dagegen war eine direkte Beobachtung einer strukturierten Wärmeentwicklung im

Rahmen der Lamellen-Filament-Umwandlung des Polyäthylens von vornherein

unwahrscheinlich, da sowohl der Clusterdurchmesser d0 50 m , als auch die Zeit, die

eine einmal erzeugte Wärme braucht, um aus einer so kleinen Quelle in die Umgebung

zu diffundieren (0 5 ms ), hart an der Grenze der theoretischen Auflösung der IR-

Kamera lagen.

Beide Messungen entpuppten sich als Fehlschlag. Bei keiner der Messungen war eine

inhomogene Wärmeentwicklung feststellbar, obwohl bei dem Epoxy-Harz der Vorgang

der Matrixablösung mit der CCD-Kamera recht gut zu beobachten war. (Fig. 3.41)

Es ist denkbar, daß wir schlicht und ergreifend das Pech hatten, gerade keine Glasperlen

vor der IR-Kamera zu haben. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß das Epoxy nur einen sehr

geringen Transmissionskoeffizienten besitzt, so daß die bei der Ablösung im Inneren

freiwerdende Wärme nicht direkt von der Kamera beobachtet werden kann.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

97

Fig. 3.41: Videobild der Infrarot-Mikroskopie. In der linken Hälfte die CCD-Kamera, in deren

Bildausschnitt deutlich zwei Glasperlen zu sehen sind (Pfeile), sowie die Stoppuhr. Rechts die

Aufnahme der IR-Kamera ohne sichtbare Details.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

98

4. ZUSAMMENFASSUNG

"Or are these just stories, without point or truth,

Brought to mankind from the pages of poets?"

Euripides: Iphigenia at Aulis

Eine Infrarotkamera, eine Verstreckapparatur mit Temperierkammer und ein digitales

Bildverarbeitungssystem wurden verwendet, um Messungen mit der Methode der

´schnellen, ortsaufgelösten, berührungsfreien Kalorimetrie´ durchzuführen. Die Vorteile

gegenüber konventioneller Kalorimetrie liegen in der geringen Zeitkonstanten und der

Möglichkeit, homogene und inhomogene Erwärmung voneinander zu trennen.

Neben Untersuchungen an LLDPE und HDPE wurde mit LDPE vor allem ein

semikristallines System untersucht. Besondereren Wert legten wir auf die Untersuchung

des Neckings als ein dem Phasenübergang verwandtes Phänomen. Verstreckungen

wurden dabei mit Raten bis über 1000 % min und bis knapp unterhalb des

Schmelzpunktes durchgeführt.

In Übereinstimmung mit alten kalorimetrischen Messungen wurde der lineare

Ausdehnungskoeffizient aus dem Thomson-Effekt bestimmt. Eine deutliche Zunahme

von mit der Temperatur läßt sich durch die gleichzeitige Zunahme der amorphen

Bereiche erklären, wenn man für diese einen Ausdehnungskoeffizienten wie für ein

ideales Gas annimmt.

Verstreckmessungen an LDPE wurden unter dem Gesichtspunkt des van-der-Waals-

Netzwerks mit theoretischen Vorhersagen verglichen. Dabei konnten wir das

Schermodell testen und eine vollständige Energiebilanz aufstellen.

Das Modell für die Verstreckung semikristalliner Polymere umfaßt demnach unter

Berücksichtigung röntgenographischer Messungen-

Für 1 2. die Erzeugung von Defekten an den Kristallitgrenzen, die zu einer

Abkühlung durch den Thomson-Effekt führen.

Danach einen Bereich mit 1 2 2. , in dem die Lamellen-Filament-

Umwandlungen stattfinden. In diesem Bereich tritt ein mit der Temperatur linear

steigender Überschuß an Wärme, d.h. ein Verlust an Innerer Energie auf.

Jenseits davon ( 2) dominiert ein vollständig entropisches Verhalten, das von

dem gummielastischen Netzwerk und kontinuierlichen Schmelz- und

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

99

Rekristallisationsprozessen charakterisiert wird. Die Energiebilanz ist hierbei

weitgehend ausgeglichen, d.h. die gesamte aufgewandte mechanische Arbeit wird in

Wärme umgewandelt.

Ab einer kritischen Verstreckrate vc 50 % min tritt mit dem Neck, wie er aus

polymeren Gläsern bekannt ist, eine inhomogene Verstreckung auf, die mit dem Modell

des spannungsaktivierten Netzwerks beschrieben werden kann.

Die kritischen Verstreckgrade sind weder von der Temperatur noch von der

Verstreckgeschwindigkeit abhängig, sie liegen jedoch deutlich höher als bei polymeren

Gläsern. Die freiwerdende Neckwärme und die Neckgeschwindigkeit (als Bruchteil der

Verstreckgeschwindigkeit) ändern sich zwar mit der Verstreckgeschwindigkeit, aber

nicht mit der Temperatur. Das Produkt aus Neckgeschwindigkeit und Neckwärme bleibt

dabei praktisch konstant.

All dies legt nahe, daß es sich bei dem Necking von LDPE um einen intrinsischen, für

das Material charakteristischen Prozeß handelt, der von der Versuchsführung nur relativ

gering beeinflußt wird.

Dadurch lassen sich diverse Folgerungen ableiten:

Die Verstreckung für kleines läuft im Rahmen der Auflösung der IR-Kamera

homogen ab, jedoch mikroskopisch heterogen. Innerhalb der Subsysteme ereignen

sich plastische Deformationen, denen das Wechselspiel von amorphen und

kristallinen Bereichen zugrundeliegt.

Ab 2 ist das System durch die Lamellen-Filament-Umwandlungen

´homogenisiert´ worden, d.h., die mikroskopischen Grenzflächen wurden soweit

herausgemittelt oder aufgebrochen, daß bei hinreichender Verstreckgeschwindigkeit

eine makroskopische Grenzfläche erscheinen muß: Der Neck.

Von nun ab ist das Verhalten des Systems von der Prozeßführung weitgehend

unabhängig und wird global durch den inneren Aufbau bestimmt.

Erst bei 5 5. tritt eine erneute ´Erweichung´ ein, nachdem der Neck die ganze

Probe durchlaufen hat.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

100

Weiter haben wir Untersuchungen an glasfasergefülltem LLDPE durchgeführt und den

Mechanismus der Verstreckung im Zusammenhang mit Schallemissionsmessungen

diskutiert. Den zwei über Schallemission gemessenen Abschnitten, in denen sich die

Matrix von den Füllern ablöst, entsprechen offensichtlich einmal eine Erwärmung und

das andere Mal eine Abkühlung. Daß derselbe Mechanismus zwei entgegengesetzte

Effekte hervorrufen kann, wird auf das unterschiedliche Zusammenspiel von

freiwerdender elastischer Energie und absorbierter Wärme durch Entropieerzeugung

zurückgeführt.

Abschließend wurde noch die Tauglichkeit der Infrarot-Kamera als IR-Mikroskop für

Polymerverstreckungen geprüft.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

101

5. ANHANG: HERLEITUNG DES ENTHALPIEANTEILS

DER NOMINALSPANNUNG

"However, if a piece of calculation leads into an ever denser thicket,

nature probably did not intend you to go that way.

Look for a different approach."

David P. Stern

Das Lennard-Jones-Potential für den Festkörperanteil der für die Verstreckung

benötigten Kraft lautet:

LJ rd

r

d

r( )

FHG

IKJ

FHG

IKJ

LNMM

OQPP0

0 01 2

(Eq. 1.27)

Die Kraft erhält man aus der Ableitung nach dem Abstand r :

F rr

d

r

d

r

LJ( )

LNM

OQP

0

11

21

1

1

2

2

(Eq. A.1)

wg. 1 1

1xn

xn n

FH

IK

.

Uns interessiert jedoch die Kraft in Abhängigkeit von r r0 mit der Randbedingung

F( )!

1 0 . Damit erhalten wir aus:

1

01

2

01

1

1

2

2

d

r

d

r

(Eq. A.2)

die Bedingung für r0:

rd

d0

1

2

1

1

2

1 2

FHG

IKJ

(Eq. A.3)

Die Spannung läßt sich auf den Probenquerschnitt A rückrechnen, durch:

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

102

V lAA

A

!

const = 0 (Eq. A.4)

Damit ist:

fA

AF F

LNM

OQP

LNM

OQP

00 1 1

02

1 1 11

1 2 2

(Eq. A.5)

mit:

:

FHG

IKJ

1

01

2

01

1

1

2

2

d

r

d

r (Eq. A.6)

und:

: 1 2 (Eq. A.7)

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

103

LITERATUR

"Das würde erklären, warum er alles auf Deutsch geschrieben hat."

Stefan Gall in einem Seminarvortrag auf den Hinweis,

der Name ´Porod´ werde deutsch ausgesprochen,

da es sich bei ihm nicht um einen Belgier oder Franzosen,

sondern um einen Österreicher handle.

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Spannungsinduzierte Temperatureffekte bei der Deformation von Polyäthylen

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THANKS AND ACKNOWLEDGEMENTS...

"The most famous fictional academics are at the moment:

Dr. Faustus, Dr. Jekyll, Dr. Frankenstein, Prof. Moriarty, Dr. Caligari,

Dr. Fu Man Chu, Dr. No, Dr. Strangelove and Dr. Lecter.

Do you really want to go to university?"

Thomas Kettenring

Zuallererst: Es ist großartig, daß ich in einer Abteilung arbeiten durfte, in der die Danksagungen am

Schluß eine ganze Seite füllen!

Ich möchte mich also als erstes bei Herrn Prof. Dr. H.-G. Kilian für die interessante Fragestellung, die

Gewährung großer Freiheiten und die erhellenden Gespräche bedanken. Dank geht außerdem an Dr.

Joachim ´JFK´ Koenen, der mich während der Diplomarbeit unter seine Fittiche nahm und meine

hysterischen Anfälle angesichts hoffnungslos verpatzter Messungen oder kabbalistischer Plots regelmäßig

zu dämpfen verstand.

Ein riesengroßes Danke geht an Strickle, Wolfi Knechtel und Roland Kraus, ohne deren geduldige

Erklärungen und Hilfestellungen garantiert viele Schaubilder dieser Arbeit leer geblieben wären, weil es

nie zu einer Messungen gekommen wäre. Roland möchte ich darüberhinaus für die reibungslose

Zusammenarbeit bei den Composites und die unkomplizierte Teilung des Arbeitsplatzes ein schallendes

takk fyrir! aussprechen.

Ansonsten... Thanx all jenen in der Abteilung, die zu dem großartigen Arbeitsklima beigetragen haben,

z.B. meinem Zimmergenossen Ralf, meinem Mit-Mietsklaven Jürgen (Clint), den Stefans A., G. und L.,

Bruno (dem Fragwürdigen), dem Stockey-Team, der Frühstücks-Zeitungs-Kampfgruppe, der Mutter der

Kompanie Bernd Heise und all den anderen Nasen, die ich vergessen habe. Es war eine tolle Zeit.

The support from the wonderful people on NewsNet, who have provided with or pointed me to one or

several of the quotes included in the text, or otherwise helped to make my day, is gratefully

acknowledged in alphabetical order:

MICHAEL ACKLIN. E.A. BOUFFIER. CLAUS BROD. LOU DUCHEZ. WOODROW EBERSOLD. DAMON

HASTINGS. STEVE HICK. TIMO JANTUNEN. JIM JONES. THOMAS KETTENRING. RICK PAYNE. WILLIAM H.

PECK. MARK SCHULDENFREI. GEORGE STACKNIK. DON SWENSON. CRAIG TAYLOR. DAIAJO TIBDIXIOUS.

"Posting a sensible reply to a stupid article is totally mindless.

In comparison, posting a dumb article is simply ignorant."

Daiajo Tibdixious