Tempi passati - WILA Arbeitsmarkt · 2014. 7. 4. · Weiblich, ledig, jung... Der Familienstand,...

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1 arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Buschstr. 85, 53113 Bonn [email protected], Tel. 0228/20161-15 Berichte und 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften. Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de Coach, um seine Strategie zu überden- ken. Der Arbeitssuchende wird umfassend beraten und gecoacht. Ihm stehen sta- pelweise Bewerbungsbücher zur Ver- fügung. Bis ins kleinste Detail leuchten diese Ratgeber das Berufsleben aus. Heerscharen seriöser und unseriöser Berater bieten ihre Dienste an. Das war noch nicht so, als der Mann sein Studium beendete. Das Bewerben hat sich in vie- lerlei Hinsicht verändert: „Als ich in den neunziger Jahren schon einmal arbeitslos war, tütete ich Mappen ein und schickte sie mit der Post“, sagt der Naturwissen- schaftler. Jetzt schreibt er Mails oder be- wirbt sich mit Online-Formularen, welche die Unternehmen auf ihre Homepages gestellt haben. „Doch mein Eindruck ist, dass elektronische Bewerbungen für die Personaler keinen so hohen Stellenwert haben“, glaubt er. „Wenn eine Mappe mit der Post kommt, fühlen sie sich eher verpflichtet, darauf zu reagieren.“ Da die Bewerbung im Internet inzwischen Stan- dard ist, bleibt er trotzdem dabei. Tempi passati Uta Glaubitz berät seit den neunziger Jahren Menschen, die ihren Beruf wech- seln oder ihre berufliche Situation ver- bessern möchten. Den Naturwissen- schaftler kennt die studierte Philosophin nicht – jedoch viele andere Arbeitssu- chende aus verschiedenen Branchen. „Weniger ist mehr“, sagt Glaubitz über die Bewerbung 2.0. Nicht „labern“, sondern in wenigen knackigen Sätzen herausar- beiten, warum man für die Stelle qualifi- ziert ist. Früher verschickte man ein ganzes Paket: die lückenlose Bewerbung. Dazu gehörten das Anschreiben, eine Mappe mit Deckblatt und Foto, der tabellarische Lebenslauf, der mit dem Schulabschluss begann. Dann folgten sämtliche Zeugnis- se und für verschiedenen Berufe auch Arbeitsproben, womöglich versehen mit einem Anlagenverzeichnis. Tempi passati, glaubt Glaubitz: „Der lückenlose Lebenslauf ist von vorgestern.“ Interes- sieren würden nur die Arbeitszeugnisse und Qualifikationen, die für die aus- geschriebene Stelle wichtig seien. Der Lebenslauf beginnt mit dem Aktuellen und geht in die Vergangenheit zurück. Tätigkeiten und Weiterbildungen, die mit dem angestrebten Job nichts zu tun haben, können weggelassen werden. Freilich gibt es Unterschiede zwischen Branchen und Arbeitgebern. Wer sich bei einem konservativen Unternehmen oder in der Verwaltung bewirbt, wird mehr Unterlagen mitschicken als jemand aus einem kreativen Beruf. „Der Studienab- schluss eines Drehbuchautors ist in der Regel zweitrangig“, sagt Uta Glaubitz. Interessant sei, an welchen Filmen er mitgewirkt hat. E in halbes Jahr schon sucht der Akademiker einen Job. Etwa fünf- zehn Mal hat er sich beworben, ohne Erfolg. „Ich habe mir nur Stellen ausgesucht, die hundertprozentig zu meiner Qualifikation und meinen Wün- schen passen“, sagt er. Der 45-Jährige hat nach dem Uni-Examen mehrere Weiterbildungen absolviert und ist – so wie viele andere Menschen – nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf tätig. Er sucht eine Stelle im Management eines mittelständischen oder großen Unter- nehmens oder eines Verbandes. Er ist erfahren darin, Veränderungsprozesse zu begleiten. Das hat er auch bei früheren Arbeitgebern gemacht. Warum es noch nicht geklappt hat mit einem Vollzeit-Job? Er weiß es nicht. Er geht jetzt zu einem Das Internet und die Globalisierung haben den Arbeitsmarkt verändert. Das gilt auch für die Jobsuche. | Josefine Janert Bewerben 2.0 n PRAXISTIPPS

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  • 1arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Buschstr. 85, 53113 [email protected], Tel. 0228/20161-15

    Berichte und 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften.Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de

    Coach, um seine Strategie zu überden-ken.

    Der Arbeitssuchende wird umfassend beraten und gecoacht. Ihm stehen sta-pelweise Bewerbungsbücher zur Ver-fügung. Bis ins kleinste Detail leuchten diese Ratgeber das Berufsleben aus. Heerscharen seriöser und unseriöser Berater bieten ihre Dienste an. Das war noch nicht so, als der Mann sein Studium beendete. Das Bewerben hat sich in vie-lerlei Hinsicht verändert: „Als ich in den neunziger Jahren schon einmal arbeitslos war, tütete ich Mappen ein und schickte sie mit der Post“, sagt der Naturwissen-schaftler. Jetzt schreibt er Mails oder be-wirbt sich mit Online-Formularen, welche die Unternehmen auf ihre Homepages gestellt haben. „Doch mein Eindruck ist,

    dass elektronische Bewerbungen für die Personaler keinen so hohen Stellenwert haben“, glaubt er. „Wenn eine Mappe mit der Post kommt, fühlen sie sich eher verpflichtet, darauf zu reagieren.“ Da die Bewerbung im Internet inzwischen Stan-dard ist, bleibt er trotzdem dabei.

    Tempi passati

    Uta Glaubitz berät seit den neunziger Jahren Menschen, die ihren Beruf wech-seln oder ihre berufliche Situation ver-bessern möchten. Den Naturwissen-schaftler kennt die studierte Philosophin nicht – jedoch viele andere Arbeitssu-chende aus verschiedenen Branchen. „Weniger ist mehr“, sagt Glaubitz über die Bewerbung 2.0. Nicht „labern“, sondern in wenigen knackigen Sätzen herausar-beiten, warum man für die Stelle qualifi-ziert ist.

    Früher verschickte man ein ganzes Paket: die lückenlose Bewerbung. Dazu gehörten das Anschreiben, eine Mappe mit Deckblatt und Foto, der tabellarische Lebenslauf, der mit dem Schulabschluss begann. Dann folgten sämtliche Zeugnis-se und für verschiedenen Berufe auch Arbeitsproben, womöglich versehen mit einem Anlagenverzeichnis. Tempi passati, glaubt Glaubitz: „Der lückenlose Lebenslauf ist von vorgestern.“ Interes-sieren würden nur die Arbeitszeugnisse und Qualifikationen, die für die aus-geschriebene Stelle wichtig seien. Der Lebenslauf beginnt mit dem Aktuellen und geht in die Vergangenheit zurück. Tätigkeiten und Weiterbildungen, die mit dem angestrebten Job nichts zu tun haben, können weggelassen werden. Freilich gibt es Unterschiede zwischen Branchen und Arbeitgebern. Wer sich bei einem konservativen Unternehmen oder in der Verwaltung bewirbt, wird mehr Unterlagen mitschicken als jemand aus einem kreativen Beruf. „Der Studienab-schluss eines Drehbuchautors ist in der Regel zweitrangig“, sagt Uta Glaubitz. Interessant sei, an welchen Filmen er mitgewirkt hat.

    Ein halbes Jahr schon sucht der Akademiker einen Job. Etwa fünf-zehn Mal hat er sich beworben, ohne Erfolg. „Ich habe mir nur Stellen ausgesucht, die hundertprozentig zu meiner Qualifikation und meinen Wün-schen passen“, sagt er. Der 45-Jährige hat nach dem Uni-Examen mehrere Weiterbildungen absolviert und ist – so wie viele andere Menschen – nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf tätig. Er sucht eine Stelle im Management eines mittelständischen oder großen Unter-nehmens oder eines Verbandes. Er ist erfahren darin, Veränderungsprozesse zu begleiten. Das hat er auch bei früheren Arbeitgebern gemacht. Warum es noch nicht geklappt hat mit einem Vollzeit-Job? Er weiß es nicht. Er geht jetzt zu einem

    Das Internet und die Globalisierung haben den Arbeitsmarkt verändert. Das gilt auch für die Jobsuche. | Josefine Janert

    Bewerben 2.0n PRAXISTIPPS

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    Früher standen im Lebenslauf für eine bestimmte Etappe Monat und Jahr: Praktikum bei Greenpeace von 6 / 1998 bis 9 / 1998. Der Monat sei heute nur noch relevant, wenn es um die vergan-genen zwei Jahre geht, meint Glaubitz, also 2010 bis 2012. Manche Personaler würden ihr in diesem Punkt widerspre-chen. Auch der Naturwissenschaftler hat für seinen gesamten Werdegang brav aufgelistet, was er in welchem Monat gemacht hat.

    Hunderte Anfragen

    Im Web 2.0 werden Informationen über freie Jobs und interessante Arbeitgeber blitzschnell und weltweit verbreitet. Das führt dazu, dass manche Unternehmen haufenweise Anfragen erhalten, beson-ders, wenn die Stelle in einer beliebten Stadt ist. Etwa in München. Ein Lehrstuhl der dortigen Ludwig-Maximilians-Univer-sität kann auf eine Ausschreibung durch-aus 50, 60 Bewerbungen bekommen – auch wenn ein Wissenschaftler mit einer speziellen Qualifikation gesucht wird. Ähnliches erzählt für seine Branche auch Marcello Gaeta vom Verband Deutscher Kunsthistoriker: „Selbst um ein Volontari-

    at bewerben sich 250, 280 Interessen-ten.“

    Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) erhalten allein 2.500 bis 3.000 Bewerbungen auf ihre 60 Azubi-Stellen pro Jahr. Wie auch bei vielen anderen Arbeitgebern hat man bei der BSR inzwi-schen kaum noch die Zeit und die Kraft, die vielen Initiativbewerbungen junger Akademiker zu sichten. „Wir sagen den Leuten, dass sie sich nur auf die ausge-schriebenen Stellen bewerben sollen“, heißt es. Bei der BSR und bei anderen Ar-beitgebern zeigt sich ein weiterer Trend: Menschen mit niedrigem Bildungsniveau bewerben sich nach wie vor eher traditi-onell per Post. Akademiker, vor allem jun-ge Menschen, gehen den elektronischen Weg. „Allerdings habe ich festgestellt, dass die Verwaltung eher Bewerbungen per Post wünscht“, sagt der Kunsthistori-ker Marcello Gaeta. Die Mitarbeiter seien von den vielen Megabytes überfordert, die über ihre Computer hereinbrechen – besonders, wenn mehrere Stellen gleichzeitig ausgeschrieben sind.

    Neues für Softies

    Komisch, meint die Berufsberaterin Uta Glaubitz. Obwohl das Thema Bewerben omnipräsent ist, sieht sie regelmäßig grottenschlechte Unterlagen. Da beken-nen Bewerber im Anschreiben ihre in-nersten Motive, philosophieren über den Sinn ihres Lebens. Dabei sollten sie nur mitteilen, warum sie der geeignete Kan-didat für die freie Stelle sind. Trotzdem verzetteln sich Jobsuchende oft in dem, was Glaubitz „Selbstdeklarationen“ nennt: Bekenntnisse darüber, dass sie zum Beispiel „zuverlässig und verantwor-tungsbewusst“ sind. Uta Glaubitz grinst: „Wer würde schon von sich behaupten, dass er unzuverlässig und verantwor-tungslos ist?“

    In den neunziger Jahren redeten alle von Soft Skills. Ebenfalls Tempi passati, meint Glaubitz: Für die meisten Akade-miker-Jobs seien sie ohnehin selbstver-ständlich. Überzeugender seien Infor-

    mationen, aus denen hervorgeht, dass die Person diese oder jene Eigenschaft tatsächlich hat. Wer etwa darauf hinwei-sen will, dass er eine gute Führungskraft ist, schreibe nicht: „Ich bin eine gute Füh-rungskraft“, sondern: „Im Unternehmen XY leitete ich ein Team mit 15 Personen. Innerhalb von zwei Jahren steigerten wir den Umsatz um zehn Prozent.“ Das Resultat zählt. Freilich kann man eine Steigerung des Umsatzes nicht nur durch Teamfähigkeit erreichen, sondern auch, indem man Menschen skrupellos ausbeutet.

    Der Naturwissenschaftler geht weiter den alten Weg. Im Anschreiben erwähnt er unter anderem seine Kommunikati-onsstärke. Warum? Weil sie in den Stel-lenausschreibungen gefordert wird. Weil diese Fähigkeit in seinem Job essentiell ist. „Aber eigentlich ist das blablabla“, meint er.

    Zeugnisse und Fotos

    „Arbeitszeugnisse sind heutzutage eher unwichtig“, provoziert Uta Glaubitz. War-um? Weil manches wohlklingende Zeug-nis aus Gefälligkeit geschrieben oder gar in einem Arbeitsrechtsprozess erstritten wurde. Das wüssten auch die Personal-verantwortlichen. Ihnen sei auch klar, dass viele Berufstätige ihre Arbeitszeug-nisse selbst verfassen und den Chef un-terzeichnen lassen. Über die Codes, mit-tels derer sich die Arbeitgeber angeblich verständigen, kann man sich in unzähli-gen Büchern und Internetforen informie-ren. Ein oder zwei Zeugnisse mitschicken könne man schon, sagt Glaubitz, aber nur die, die zu der angestrebten Stelle pas-sen.

    Und das Bewerbungsfoto? War früher ein Muss. Viele international tätige Unter-nehmen verzichten längst darauf. Sie pas-sen sich den US-amerikanischen und bri-tischen Gepflogenheiten an. Dort waren Fotos nie üblich. Außerdem könnten die Aufnahmen zur Diskriminierung beitra-gen – sagen Kritiker: Es wäre ja möglich, dass der Personaler die Unterlagen von

    „Weniger ist mehr“, sagt Glaubitz über die Bewerbung 2.0.

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    Migranten oder von dicken oder wenig attraktiven Menschen sofort aussortiert. Die Antidiskriminierungsstelle des Bun-des initiierte dazu ein Pilotprojekt. Fünf Unternehmen und drei öffentliche Arbeit-geber, die sich daran beteiligten, nahmen von November 2010 bis Dezember 2011 anonymisierte Bewerbungen entgegen. Die persönlichen Angaben und das Foto fehlten. Nur die Qualifikation zählte. Tat-sächlich zeigte sich, dass Personen mit Migrationshintergrund und Frauen bes-sere Chancen hatten als im traditionellen Bewerbungsverfahren.

    Uta Glaubitz ist trotzdem eine Be-fürworterin des Fotos: „Damit lassen sich Sympathiepunkte sammeln.“ Wenn der Arbeitgeber Vorurteile habe, etwa gegen Frauen mit dunkler Hautfarbe, dann könne man diesen Ressentiments nicht allein dadurch begegnen, dass

    man das Bild weglässt. Die Bewerberin werde dann zwar vielleicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen – aber ob sie tatsächlich einen Arbeitsvertrag er-hält? Viele Unternehmen in Deutschland erwarten nach wie vor ein Foto. Uta Glau-

    bitz meint, dass man es auch deshalb lieber mitschicken solle: „Eine gelungene Aufnahme vermittelt dem Personaler: Dieser Bewerber passt genau zu dieser Stelle und zu uns.“

    Weiblich, ledig, jung...

    Der Familienstand, die Nationalität – laut Uta Glaubitz können diese Informationen im Lebenslauf meist getrost weggelassen werden. „Wenn eine Frau Susanne Müller heißt und in Hannover geboren wurde, ist klar, dass sie Deutsche ist“, sagt sie. Ob Susanne Müller ledig oder verheiratet ist, spiele nur in wenigen Fällen eine Rolle, etwa wenn sie sich auf eine Pfarrstelle bewirbt. Wenn Frau Müller ein Studium abgeschlossen hat, kann sie laut Uta Glaubitz sogar darauf verzichten, ihr Abi-tur zu erwähnen. Denn dass der Uni die Allgemeine Hochschulreife vorausging, ist klar. Ist Frau Müller jedoch in Kapstadt zur Schule gegangen und bewirbt sich bei einer Zeitung als Afrika-Korrespon-dentin, dann ist der Schulbesuch natür-lich trotzdem interessant.

    Fazit: Der Bewerber 2.0 ist wählerisch, was die Preisgabe von Informationen anbelangt. Aber wählerisch sind die Ar-beitgeber ja auch.

    n INTERVIEW

    mit der Hamburgerin Svenja Hofert. Sie ist Autorin von Karriereratgebern und be-rät Menschen, die sich im Beruf verbes-sern möchten.

    Wie man heute Karriere macht

    arbeitsmarkt: Gibt es eine Branche oder Position, bei der Sie überhaupt noch von einer elektronischen Bewerbung abraten?Svenja Hofert: Diese Form der Übermitt-lung hat sich fast überall durchgesetzt. Nur ganz vereinzelt gibt es noch konser-vative Arbeitgeber, die auf Bewerbungen per Post beharren. Das hängt eher mit der Tradition des jeweiligen Unterneh-

    mens zusammen als mit der ganzen Branche.

    Einige Personaler behaupten, dass die elektronische Bewerbung zu Recht-schreibfehlern und Oberflächlichkeit ver-führe. Beobachten Sie das auch?Manches läuft tatsächlich schief. So merkt der eine oder andere Bewerber gar nicht mehr, dass er die Betreffzeile leer gelassen hat. Das sieht unprofessionell aus. Außerdem landen solche E-Mails häufig im Spam-Filter. Oder die elektroni-sche Signatur fehlt. Sie steht unter der Großformel und enthält Name und Vor-name des Absenders und seine Telefon-nummern, gern auch die Postadresse. Oft passt auch der Anhang nicht. Das Anschreiben richtet sich an eine andere Person als die, welche der Bewerber in der E-Mail anspricht.

    Der Anhang – das sind pdf-Dokumente und andere Dateien. Sie hängen an der E-Mail, die der Bewerber schickt. Wie sollten sie aussehen?Am besten schickt man nur ein pdf-Doku-ment, nicht vier oder fünf. Es sollte insge-samt zwei bis drei Megabyte umfassen, nicht mehr.

    Warum nicht mehr Dateien? Man könnte ja alle Zeugnisse in ein pdf packen, das Anschreiben in ein weiteres und den Le-benslauf in das dritte. Und noch eine Datei mit dem Foto hinzufügen – alles schön übersichtlich und mit dem eige-nen Namen beschriftet.Der Personalverantwortliche müsste alle Dateien einzeln öffnen und abspeichern. Das ist nervig und kostet Zeit. Viele Unter-nehmen benutzen Computersysteme, um die Unterlagen von interessanten Bewerbern zu archivieren. Papierarchive gibt es oft nicht mehr. Zu Problemen könnte führen, dass sich die einzelnen Dateien eines Bewerbers nicht mehr ohne zusätzlichen Aufwand abspeichern lassen.

    Auch wenn der Personaler Anschrei-ben, Lebenslauf und Zeugnisse aus-

    „Arbeitszeugnisse sind heutzutage eher unwichtig“, meint Uta Glaubitz. © Gerd Altmann/pixelio.de

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    druckt, ist es einfacher, wenn sie schon in einer Datei zusammengefasst sind. Zwei bis drei pdf-Dokumente, die an einer Bewerber-E-Mail hängen, sind gerade noch zu vertreten. Aber in meine Bera-tung kommen manchmal Menschen, die ihre Unterlagen alle einzeln in 13, 14, 15 Dokumenten abgespeichert haben. Die alle zu öffnen, ist ein Geduldsspiel. Sie können sich denken, dass Bewerber, die so viel zusätzliche Arbeit machen, nicht sehr beliebt sind.

    Apropos Zeugnisse. Würden Sie immer alle mitschicken? Früher galt ja die Paro-le: Der Lebenslauf muss lückenlos sein. Und wer brav alle Zeugnisse vorlegt, kann das auch beweisen.Das ist von Branche zu Branche unter-schiedlich. Konservative Arbeitgeber, meist kleinere Traditionsunternehmen, und manche Personalverantwortliche in der öffentlichen Verwaltung wollen auch nach 20 Jahren Berufstätigkeit noch das Abiturzeugnis sehen. Ich habe gehört, dass eine Firma aus Hamburg sogar noch einen handschriftlichen Lebenslauf woll-

    te. Das sind aber Exoten. Überwiegend setzen sich die anglo-amerikanischen Gepflogenheiten durch: Es zählt nur, was für die Stelle relevant ist.

    Würden Sie auch Arbeitgeber im Umfeld der Kirche zu den konservativen zählen?Schwer zu sagen. Das sind ja oft eher kleinere Einheiten – wie etwa die katholi-sche Kindertagesstätte oder eine Bera-tungsstelle der Diakonie. Anders als gro-ße Unternehmen sind sie oft stark von einzelnen Personen geprägt, die in Fra-gen der Bewerberauswahl ihren eigenen Stil haben. Das gilt übrigens auch für klei-ne Stiftungen, Vereine, Firmen. Da sagt dann jemand: Für mich zählt zuallererst das Anschreiben. Bei diesen eher kleine-ren Arbeitgebern ist es besonders wich-tig, die Unterlagen liebevoll aufzubereiten und auf das Milieu, die Stelle zuzuschnei-den.

    Bei großen Unternehmen spielt in der Regel der Lebenslauf eine entscheidende Rolle. Da wird zack, zack, zack überprüft, ob der Bewerber die Voraussetzungen er-füllt – etwa ein bestimmtes Fach studiert und eine akzeptable Note hat.

    Viele große Unternehmen haben Formu-lare auf ihre Homepages gestellt. Der Bewerber kann dort Zeugnisse hochla-den, seinen Lebenslauf eintragen, be-stimmte Qualifikationen mit einem Mausklick bestätigen.Solche Online-Formulare haben in der Tat vor allem große Arbeitgeber, denn es kostet viel Zeit und Geld, solche Systeme in die Unternehmensprozesse einzubet-ten. Einige elektronische Jobbörsen bie-ten auch so ein Online-Bewerbungstool.

    Viele Bewerber mögen diese Formulare gar nicht. Sie befürchten, dass ihre Anga-ben darin untergehen. Wenn etwa eine Stelle für einen Akademiker ausgeschrie-ben ist und jemand kein Uni-Examen hat, könnte er ja auf dem herkömmli-chen Bewerbungsweg noch mit seiner langjährigen Berufserfahrung punkten, denkt er. Das Online-Formular könnte

    ihn von vorn herein aussortieren. Teilen Sie diese Skepsis?Nein. Diese Software ist mit allen Prozes-sen im Unternehmen verzahnt – und das hat Sinn. Wenn jemand eine Bewerbung per Post schickt, obwohl der Personalver-antwortliche wünscht, dass das Online-Formular genutzt wird, tut er sich damit keinen Gefallen. Die Personen, welche die Unterlagen sichten, haben mehr Auf-wand. Schlimmstenfalls müssen sie alles abtippen, und das finden sie gar nicht gut. Wenn sie wirklich Wert legen auf die Berufserfahrungen, sehen sie diese auch im Online-Formular.

    Also sortieren diese Tools nach Ihren Erfahrungen nicht bestimmte Leute aus?Doch, natürlich. Aber das wird auch bei einer traditionellen Bewerbung oder ei-ner E-Mail passieren. Vor allem große Unternehmen haben klare Kriterien. Da sitzt dann ein Personaler, der sagt zum Beispiel: Wenn der Studienabschluss schlechter als 2,3 ist, laden wir die Perso-nen grundsätzlich nicht zum Vorstel-lungsgespräch ein. Dann sind diese Be-werber ohne Chance – auch ohne das elektronische Formular. Große Unterneh-men bekommen sehr viele Bewerbun-gen, jedenfalls für Stellen in bestimmten Bereichen, etwa im Marketing. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man da mit einer per Post versandten Bewerbung besser durchkommt.

    Was das Rekrutieren von Spezialisten anbelangt, etwa von IT-Fachleuten mit bestimmten Kenntnissen, da merken die Personaler selbst, dass die Online-Formu-lare nicht immer günstig sind. Hier gibt es den Trend, diese zu vereinfachen, damit man nur noch wenige Daten ausfüllen und die Unterlagen hochladen muss.

    Viele Arbeitgeber bekommen hunderte von Anfragen. Dafür brauchen sie oft nicht einmal eine Stelle auszuschreiben. Wie kann ich mich mit meiner Online-Bewerbung von all den Konkurrenten abheben?

    INTERVIEWPARTNERIN

    Svenja Hofert ist Autorin von „Das Karrieremacherbuch. Erfolgreich in der Jobwelt der Zukunft. Wie Du mor-gen Karriere machst“ und vielen ande-ren Ratgebern.

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    Indem Sie, ebenso wie wenn Sie die Un-terlagen per Post senden, auf die Formu-lierungen achten. Diese sollten überzeu-gen. Ganz ehrlich: Das Bewerben ist oft auch Glückssache. Wenn jemand keine Lust hat, dann schaut er sich die Unterla-gen gar nicht erst an – egal, ob sie per Post oder online eingehen. Dann nimmt er einfach das, was zuoberst liegt oder zuletzt in seinem E-Mail-Postfach einge-troffen ist, und lädt die Personen ein, die nett aussehen. Die auf den ersten Blick einen guten Eindruck machen und deren Unterlagen ihm möglichst wenig Arbeit bereiten.

    Welche Formulierungen überzeugen denn?Lassen Sie Floskeln weg wie „hiermit be-werbe ich mich“. Bereiten Sie die Unter-lagen anders auf als der Durchschnitt. Das bedeutet nicht, dass Sie pinkfarbene Schrift benutzen, sondern dass Sie sich mit dem Arbeitgeber auseinander setzen: Was sucht er? Von welchen Ihrer Fähigkei-ten könnte er profitieren?

    Wenn der Personaler 300 Mal immer wieder das Gleiche liest, widmet er der 301. Bewerbung, die auch in diesem Stil verfasst ist, kaum noch Aufmerksamkeit. Dabei spielt es am Ende kaum eine Rol-le, ob die Bewerbung per Post, per Mail oder übers Online-Formular gekommen ist.

    Viele Bewerber haben private Homepa-ges mit Babyfotos und Informationen über die Familie. Würden Sie dorthin verlinken? Damit könnte man vielleicht Aufmerksamkeit erregen.Nein. Designer und andere Kreative brauchen Arbeitsproben. Die stehen besser nicht auf ihrer privaten Home-page, sondern auf einer Seite, auf der sie sich als Profis in ihrem Fach präsentie-ren. Wenn jemand ein gut durchdachtes Profil auf den Karriereplattformen Xing und LinkedIn hat, kann er dorthin verlin-ken. Auch mit QR-Codes lässt sich Auf-merksamkeit erregen. Damit zeigt man seine Affinität zur Technik. QR bedeutet

    Quick Response, schnelle Antwort. QR-Codes sind zweidimensionale Codes, die mit einem Smartphone abgerufen werden.

    Viele Menschen haben ohnehin private Homepages. Auch wenn sie nicht dort-hin verlinken, wird der Personaler sie finden, wenn er den Namen in eine Suchmaschine eintippt. Würden Sie die-se Homepages während der Arbeitssu-che lieber abschalten?Peinliche Details über das Privatleben würde ich ohnehin nicht ins Internet stel-len, egal ob jemand gerade einen Job sucht oder nicht. Alle Informationen und Fotos, die andere im Netz über mich fin-den können, müssen vorzeigbar sein. Wenn ich in meinem Berufsleben darauf angesprochen werde, muss ich sie ruhi-gen Gewissens vertreten können. Denn viele Personaler suchen im Internet nach digitalen Spuren von Mitarbeitern und Bewerbern, auch wenn momentan nicht klar ist, ob das überhaupt erlaubt ist.

    Wer also beispielsweise Mitglied bei Facebook ist, sollte mittels der Sicher-heitseinstellungen nur seine Vertrauten in das Privatleben einweihen, das er dort ausbreitet.

    Abgesehen von Bildern, die jemanden betrunken zeigen – was finden Sie pein-lich? Katzenfotos?Kitschige Tierfotos würde ich eher nicht veröffentlichen. Hat jemand eine Hunde-zucht, sind Aufnahmen von Hunden na-türlich in Ordnung.

    Ich las mal den Eintrag einer Person, die ihren Ex-Arbeitgeber beim Namen nannte und über ihn herzog. Das geht gar nicht. Was auch nicht geht: Informa-tionen oder Bilder, zu denen ich nicht stehen kann, wenn ich danach gefragt werde.

    Sind digitale Spuren im Netz wirklich so wichtig für Arbeitgeber?Durchaus, das bestätigen diverse anony-me Umfragen. Viele Unternehmen geben das natürlich nicht offen zu. Die Informa-

    tionen, die jemand im Netz preisgibt, führen dazu, dass er in bestimmte Schubladen eingeordnet wird. Diese Ka-tegorien müssen nicht mit der Wirklich-keit übereinstimmen. Aber die Einteilung ist erst einmal da. Fehler im Xing-Profil machen beispielsweise einen schlechten Eindruck. Und sei es „nur“ die Recht-schreibung. Der Leser schließt darauf, dass die Person schlampig ist.

    Was gehört zu einem guten Profil bei Xing und LinkedIn?Dass die Suchwörter stimmen, damit die Personaler den Bewerber überhaupt fin-den. Wonach könnten sie suchen? Nach Begriffen wie Sozialwissenschaften, Qua-litätswesen, Auditor, seltene Sprachen, bestimmten DIN-Normen... eher nicht nach Wörtern wie Teamgeist, Kommuni-kationsfähigkeit und Organisationstalent. Harte Fakten interessieren mehr als Soft Skills. Jeder sollte überlegen, welche zur eigenen Branche, zum eigenen Berufs-weg passen.

    Auf der Profilseite sollte unbedingt der Lebenslauf ausgefüllt sein. Manche Per-sonen haben eine interessante Biografie – aber bei Xing und LinkedIn kaum ein Wort darüber verloren. Wenn die entspre-chenden Felder dort nicht ausgefüllt sind, sieht es möglicherweise so aus, als habe die Person gar keinen Abschluss und kaum Berufserfahrung.

    Sollte man bei Xing und LinkedIn erwäh-nen, dass man Arbeit sucht? Früher hieß es ja, wenn die Suche noch nicht drei Monate andauert, sollte man sie lieber im Lebenslauf verschweigen.Wenn jemand sofort einsteigen kann, ist das mitunter ein großer Vorteil. Da die Kündigungsfristen derzeit wieder recht lang sind, können manche Mitbewerber möglicherweise gar nicht so schnell bei dem neuen Arbeitgeber einsteigen. Die Drei-Monats-Frist erscheint mir zu starr. Je höher und anspruchsvoller die Position ist, die jemand anstrebt, umso länger wird er eventuell auch suchen. Das ist ganz normal.