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An der nordöstlichen Küste von Costa Rica liegt der Ort Cahuita, 40 km südöstlich von Limón entfernt. Dort wartet am Rande des National- parks ein staatlich kon- zessionierter Froschpark (Ranario) auf eine Nachfolge. Der Gründer,Ar- chitekt und Erbauer, Martin Haber- kern, sucht heute einen Interessenten oder eine Organisation, der oder die auf dem gut erschlossenen Grund- stück mit Wohnhaus sein Engage- ment für die Natur weiterführen könnte. In REPTILIA berichtet er über die Entstehung des Ranarios – sozusagen Pfeilgiftfrosch-Terrarien de luxe – von der Idee bis zur Reali- sierung. Am Anfang war „Gumpi“ und eine Erkenntnis Zu Beginn sei mir ein kleiner Zeit- sprung erlaubt, zurück in meine Kindheit und all die Jahre als begeis- terter Terrarianer. Damit möchte ich aufzeigen, vor welchem Hintergrund das Ranario entstanden ist. Mit sechs Jahren rettete ich einen Laubfrosch aus unserem Keller- schacht und brachte ihn meiner Mutter. Sie fand erst keinen großen Gefallen an meinem Fund, ließ sich aber durch bittende Kinderaugen dazu überreden, dass wir ihn behal- ten konnten. Mein Vater bastelte noch am selben Abend aus Plexi- glasscheiben behelfsmäßig ein Terra- rium, und fortan lebte „mein“ Laub- frosch mit uns. Dies war der Start meiner Liebe zu Amphibien. Wann immer möglich, verbrachte ich nun meine Freizeit in Kiesgruben oder an Tümpeln, und in meinem Zimmer stand bald das erste Aquarium, in dem ich Molche züchtete. Schon während meiner Schulzeit hielt ich kleine Vorträge über Amphibien und führte oft meine Freunde und Besucher nach draußen zu den Frö- schen. Mein Laubfrosch „Gumpi“ durfte sogar ab und zu mit in die Schule, reiste in seinem Terrarium mit in die Ferien und war überall gern gesehen. Sogar Geschäfts- freunde meines Vaters kamen nicht an ihm vorbei. Ich erkannte, dass viele Leute faszi- niert waren von Fröschen, und er- zählte ihnen schon als kleiner Knirps, dass wir unbedingt etwas tun müssen, damit ihre Lebensräume erhalten bleiben. Ich half in lokalen Amphibienschutzprojekten mit, trug im Frühjahr hunderte von Kröten während ihrer Laichwanderung über die Straße und kannte bald jede Pfütze in unserer Gemeinde. Gumpi starb viele Jahre später, und wir beerdigten ihn im Garten. Er hatte ein langes Leben und war Bot- schafter seiner Art, die unter der Le- bensraumzerstörung gelitten hatte und schon stark dezimiert worden war. Meine Mission war klar: Um Amphibien zu schützen, müssen ihre Biotope geschützt werden, und ich sah es als meine Aufgabe, den Leu- ten diese wunderbaren Tiere zu zei- gen, sie über ihr Leben und Ver- halten aufzuklären und dadurch zu motivieren, selber aktiv zu werden. Nebst meinen Aktivitäten in unserer Gemeinde pflegte und züchtete ich leidenschaftlich Pfeilgiftfrösche und tropische Laubfrösche. Die Terrari- enanzahl stieg stetig, und der Höhe- punkt meiner terraristischen Lauf- bahn war ein großes Terrarium, das ich noch heute als mustergültig be- trachte. Darin lebten fünf Frosch- arten aus Costa Rica. Oft klopften Kinder bei uns an und baten darum, die Frösche sehen zu dürfen, und wir hatten auch immer wieder Schul- klassen zu Besuch. Unsere Besucher durften staunen, beobachten und er- fuhren viel über diese Tiere und auch das Problem, dass sie im na- türlichen Lebensraum teils stark be- droht sind. In meiner 18-jährigen Tätigkeit als Lehrer war es mir immer ein großes Anliegen, meine Kinder zu umwelt- bewussten, kritischen Menschen zu erziehen. Meine Liebe zu Amphibien eignete sich perfekt, um meine Haltung und Überzeugung für eine gesunde Umwelt weiterzugeben, und so pflegten und züchteten wir im Schulzimmer Frösche und Molche, gestalteten Amphibien-Ausstellun- gen für andere Schulklassen, halfen 42 REPTILIA Text und Fotos von Martin Haberkern Martin Haberkern mit „Gumpi“

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An der nordöstlichenKüste von Costa Rica liegtder Ort Cahuita, 40 kmsüdöstlich von Limónentfernt. Dort wartet amRande des National-parks ein staatlich kon-

zessionierter Froschpark (Ranario)auf eine Nachfolge. Der Gründer, Ar-chitekt und Erbauer, Martin Haber-kern, sucht heute einen Interessentenoder eine Organisation, der oder dieauf dem gut erschlossenen Grund-stück mit Wohnhaus sein Engage-ment für die Natur weiterführenkönnte. In REPTILIA berichtet erüber die Entstehung des Ranarios –sozusagen Pfeilgiftfrosch-Terrariende luxe – von der Idee bis zur Reali-sierung.

Am Anfang war „Gumpi“ undeine ErkenntnisZu Beginn sei mir ein kleiner Zeit-sprung erlaubt, zurück in meineKindheit und all die Jahre als begeis-terter Terrarianer. Damit möchte ichaufzeigen, vor welchem Hintergrunddas Ranario entstanden ist.Mit sechs Jahren rettete ich einenLaubfrosch aus unserem Keller-schacht und brachte ihn meinerMutter. Sie fand erst keinen großenGefallen an meinem Fund, ließ sichaber durch bittende Kinderaugendazu überreden, dass wir ihn behal-ten konnten. Mein Vater basteltenoch am selben Abend aus Plexi-glasscheiben behelfsmäßig ein Terra-rium, und fortan lebte „mein“ Laub-frosch mit uns. Dies war der Startmeiner Liebe zu Amphibien. Wannimmer möglich, verbrachte ich nunmeine Freizeit in Kiesgruben oderan Tümpeln, und in meinem Zimmerstand bald das erste Aquarium, indem ich Molche züchtete. Schonwährend meiner Schulzeit hielt ichkleine Vorträge über Amphibienund führte oft meine Freunde undBesucher nach draußen zu den Frö-schen. Mein Laubfrosch „Gumpi“durfte sogar ab und zu mit in dieSchule, reiste in seinem Terrariummit in die Ferien und war überallgern gesehen. Sogar Geschäfts-freunde meines Vaters kamen nichtan ihm vorbei.

Ich erkannte, dass viele Leute faszi-niert waren von Fröschen, und er-zählte ihnen schon als kleinerKnirps, dass wir unbedingt etwas tunmüssen, damit ihre Lebensräumeerhalten bleiben. Ich half in lokalenAmphibienschutzprojekten mit, trugim Frühjahr hunderte von Krötenwährend ihrer Laichwanderungüber die Straße und kannte baldjede Pfütze in unserer Gemeinde.Gumpi starb viele Jahre später, undwir beerdigten ihn im Garten. Erhatte ein langes Leben und war Bot-schafter seiner Art, die unter der Le-bensraumzerstörung gelitten hatteund schon stark dezimiert wordenwar. Meine Mission war klar: UmAmphibien zu schützen, müssen ihre

Biotope geschützt werden, und ichsah es als meine Aufgabe, den Leu-ten diese wunderbaren Tiere zu zei-gen, sie über ihr Leben und Ver-halten aufzuklären und dadurch zumotivieren, selber aktiv zu werden.Nebst meinen Aktivitäten in unsererGemeinde pflegte und züchtete ichleidenschaftlich Pfeilgiftfrösche undtropische Laubfrösche. Die Terrari-enanzahl stieg stetig, und der Höhe-punkt meiner terraristischen Lauf-bahn war ein großes Terrarium, dasich noch heute als mustergültig be-trachte. Darin lebten fünf Frosch-arten aus Costa Rica. Oft klopftenKinder bei uns an und baten darum,die Frösche sehen zu dürfen, und wirhatten auch immer wieder Schul-klassen zu Besuch. Unsere Besucherdurften staunen, beobachten und er-fuhren viel über diese Tiere undauch das Problem, dass sie im na-türlichen Lebensraum teils stark be-droht sind.In meiner 18-jährigen Tätigkeit alsLehrer war es mir immer ein großesAnliegen, meine Kinder zu umwelt-bewussten, kritischen Menschen zuerziehen. Meine Liebe zu Amphibieneignete sich perfekt, um meineHaltung und Überzeugung für einegesunde Umwelt weiterzugeben, undso pflegten und züchteten wir imSchulzimmer Frösche und Molche,gestalteten Amphibien-Ausstellun-gen für andere Schulklassen, halfen

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Text und Fotos von Martin Haberkern

Martin Haberkern mit „Gumpi“

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bei Neugestaltungen von Kiesgrubenmit und waren oft draußen unter-wegs mit offenen Augen und Ohren.

Die erste Reise nach Costa Ricaund deren Folgen1997 flog ich zum ersten Mal mit ei-nem guten Freund nach Costa Rica.Drei Wochen beobachteten wir inder Umgebung von Cahuita (kleinerOrt an der Karibikküste, ca. 40 kmsüdöstlich von Limón) diverseFrosch- und Krötenarten. Die un-glaubliche Fülle an tropischem Le-ben in diesem Land faszinierte michderart, dass der Wunsch aufkam, dienächste Reise dorthin mit meinerFrau anzutreten und ihr diese wun-derbare Welt zu zeigen. Zwei Jahrespäter war es soweit, und uns beidengefiel es so gut, dass wir beschlossen,dorthin auszuwandern. 2001 konn-ten wir ein großes, direkt an den Na-tionalpark angrenzendes Grund-stück in Cahuita kaufen, und damitbegann sich unser Leben auf eineZukunft in den Tropen auszurichten.Gemäß meiner Mission planten wirden Bau eines Ranarios (Spanisch fürFroschpark oder Froschzoo), und wirverbrachten viel Zeit damit, uns aufdieses große Projekt vorzubereiten.Einheimische und Touristen auf dieProblematik der Lebensraumzerstö-rung aufmerksam zu machen undmöglichst vielen Besuchern die wun-derbaren Amphibien und ihr Verhal-ten zu zeigen, das wollten wir mitdem Ranario erreichen. Jedes Jahrreisten wir nun nach Cahuita undbauten uns Schritt für Schritt eineneue Heimat auf. Im Jahre 2003klopften wir beim MINAE (Ministe-rio de Ambiente y Energía = Ministe-rium für Umwelt und Energie) an,um uns zu erkundigen, wie wir vorge-hen müssten für den Bau und Betriebeines Froschzoos. Eingedeckt mit etli-chen Papieren kehrten wir heim undließen sie zuerst einmal übersetzen,da unser Spanisch noch nicht so gutwar. Im August 2004 wanderten wirdann definitiv nach Costa Rica aus.Die ersten Monate waren geprägtvon vielen offiziellen Tätigkeiten,denn wir mussten eine Aufenthalts-genehmigung beantragen, ein Bank-konto eröffnen, ein Haus bauen, ei-

nen Telefonanschluss einrichten, einPostfach reservieren, … In den Tro-pen mahlen die Mühlen etwas lang-samer, als wir das aus der Schweizgewohnt waren, doch haben wirHürde um Hürde gepackt und im-mer auch unser Projekt, das Rana-rio, weiter verfolgt.Um überhaupt einen Froschzoo auf-bauen zu können, mussten wir beimMINAE ein Gesuch stellen undeinen detaillierten Managementplanvorlegen. Diesen durften wir nichtalleine aufsetzen, sondern musstendafür einen Biologen finden, um zu-sammen dieses Dossier zu schrei-ben. Im April 2005 reichten wir end-lich das Gesuch und den verlangten„plan de manejo“ beim MINAE ein.

Darin enthalten waren alle relevan-ten Angaben und Ziele wie Pläneund Konstruktionsdetails, Abwasser-und Abfallplan, Liste der gezeigtenArten, Futtertierzucht, Notfallszena-rien wie z. B. Hochwasser, Durch-führbarkeitsstudie, Kosten- und Ge-winnrechnung, Bauablauf, erziehe-rischer Zweck, ökologische Zieleund zahlreiche andere Daten.Eine schwierige Angelegenheit wardie Baubewilligung. Mittlerweilehatten wir aber schon einige Erfah-rung im Umgang mit den Behördenund auch gute Kontakte, sodass wirnach einigen Umwegen und mit ei-nem „kleinen Trinkgeld“ (hier üb-lich) das OK für den Bau in der Ta-sche hatten.

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Agalychnis callidryas in Aktion

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Der Bau des RanariosDas Ziel war ein begehbares, nur miteinem starken Netz überspanntesRanario, 49 m lang, knapp 16 m breitund fast 6 m hoch. Ein überdachterMittelteil sollte als Informationszen-trum dienen, wo die Besucher in Ter-rarien schon einmal Frösche sehenkönnen und auf die geführte Tourvorbereitet werden. Uns stand einegroße Aufgabe bevor, denn wirmussten den Bau ohne Einsatz vonBaggern oder Kranen hinkriegen,und auch große Lastwagen konntennicht zu uns herein fahren.Im Januar 2006 begannen wir mitder Materialbeschaffung. Wir trans-portierten mit Hilfe eines kleinenLastwagens zuerst viel Kies undSand auf unseren Parkplatz. Daraufmussten wir all dieses Material 100m weiter nach hinten zum Bauplatzführen. Dies bedeutete, alles inSchubkarren zu schaufeln, und dannab die Post. Man kann sich wohl gutvorstellen, wie viel Schweiß undBlasen an den Händen es gekostethat, bis die gesamte Menge von 60Tonnen Ballast an Ort und Stelle wa-ren – und das war erst der Anfang!Im folgenden Monat wurde dann diegenaue Lage des Baus festgelegt, so-dass möglichst wenige Bäume gefälltwerden mussten und die natürlichenStrukturen des Grundstücks in dasRanario einbezogen werden konnten.Ein paar kleinere Bäume (Bäumeunter einem Durchmesser von 30 cmbedürfen keiner Bewilligung zum Fäl-len) mussten trotzdem dran glauben.Mit Schnüren steckten wir alles ge-nau ab, und so konnte am 14. Febru-ar 2006 mit dem Bauen begonnenwerden.Doch das Wetter spielte verrückt,und so gab es zahlreiche Unterbrü-che, weil es zu stark regnete und derBauplatz regelrecht in den Wasser-massen versank. Zu diesem Zeit-punkt begann die Arbeit an denStahlteilen, da die ganze Halle ausStahlträgern und -bögen errichtetwerden sollte. Endlich war das Wet-ter stabil genug, sodass mit dem Aus-hub begonnen werden konnte. Zu-erst entstand das Fundament für die40 cm hohe Mauer, die das Ranariobegrenzt. Sämtliche Armierungsei-

Mauer

Septiksystem

Einlegen derVersorgungsleitungen

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sen wurden an Ort und Stelle genaugeschnitten und mit Draht zu star-ken Trägern zusammengebunden.Auf das Fundament mauerten wireine zwei Blöcke hohe Mauer, in diemillimetergenau alle 3 m die Sockelmit den Füßen einbetoniert wurden.Die Herausforderung beim gesamten

Bau war die Genauigkeit, denn nurso konnte später auf das Fundamentdie Stahlhalle aufgesetzt werden.Nun folgte die Arbeit am später ge-deckten Mittelteil. Wieder erstelltenwir einen Betonrahmen mit genügendEisenarmierung und gleichzeitig alleGrundstrukturen für die beiden WC-

Anlagen und Terrariensockel. Esentstanden die ersten großen Sockelin der Hallenmitte, die später dieHauptträger aus Stahl aufnahmen,von denen im Ganzen acht Stück diegesamte Konstruktion tragen.Für die WCs und die beiden Wasch-bereiche bauten wir ein Septiksys-tem und verlegten diverse Abläufefür die spätere Entsorgung der Ab-wässer.Nun galt es, alle Rohre für die Was-serversorgung und den Strom einzu-legen, bevor dann der Boden desMittelteils betoniert werden konnte.Im Mittelbereich wurden die späte-ren Terrariensockel aufgemauert,und auch die beiden WCs erhielteneine 1 m hohe Mauer.Mit großem Kraftaufwand richtetenwir die senkrechten Pfosten auf undmontierten die waagrechten Stahl-träger. Die Arbeit auf der Leiter inder sengenden Sonne erforderte vielKonzentration und Kraft.An Ort und Stelle passten wir denMasterbogen an, sodass alle 17 Bö-gen passgenau vorgefertigt werdenkonnten.Das Material heizte sich in der Son-ne extrem stark auf, und der Ener-gieaufwand für das Errichten derganzen Halle war enorm. Aber lang-sam wuchs der Hallenbau, und baldsah man die enorme Dimension derKonstruktion.Spät abends am 20. August 2006 fielunter lautem Krachen und Getöseunser großer, 37 m hoher Guana-caste-Baum um. Wir konnten esnicht glauben, dass unser geliebterBaum einfach so umgekippt war. Erwar schön parallel zum Ranario ge-

Masterbogen

Aufrichten der Stahlträger

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fallen, hatte es lediglich mit ein paarkleinen Ästen gekitzelt. Wir hattenmächtig Glück gehabt, denn das ge-waltige Gewicht des Riesen hätte lo-cker die Halle zerdrückt!Für die Montage des 1.800 m2 mes-senden Schattennetzes heuerte ichzwei kräftige Arbeiter an, die die Be-dingungen des costa-ricanischenSommers gewohnt waren. Nach 13Tagen Kletterei und einem für unsEuropäer unvorstellbaren Durch-haltewillen in dieser großen Hitzeund hohen Feuchte war das Ranariokomplett mit Netz verspannt.Parallel haben wir alles Gras und

„Unkraut“ aus der Halle entfernt,Halm für Halm ausgerissen, sodassnun der Weg angelegt werden unddie Position der Wasserläufe undTeiche markiert werden konnten.Den Mittelteil deckten wir mit ei-nem Polycarbonatdach. Dieses Ma-terial ist zwar superleicht, doch sinddie 11,6 m langen und 2,1 m breitenPlatten derart unhandlich, dass dieMontage schwieriger als erwartetausfiel. Das große Problem bestandauch darin, die Platten wasserdichtmiteinander zu verbinden und dasswir sozusagen eine ganze Platte aufeinmal in das dafür vorgesehene

Profil einziehen mussten. Aber ir-gendwie ging es, und wir schafften esnoch vor dem großen Regen, daskomplette Dach zu montieren.Wir betonierten ein über 100 m lan-ges Wegnetz, das in der endgültigenForm einen Rundweg durch dasganze Ranario bildet.Aus Korallensteinen und anderennatürlichen Materialen bauten wirauf der linken Seite einen kleinenBachlauf mit Miniwasserfällen. DasWasser fließt in einen Teich und wirdvon dort wieder an den Bachanfanggepumpt. Auf der rechten Seite kre-ierten wir einen längeren, etwa 15 mlangen Bach.Die Konstruktion und Montage des54 m2 großen Vordachs schafften wirin Rekordzeit. Die insgesamt 180 m2

Dachfläche erbringen bei einem hef-tigen Tropenguss in kürzester Zeitsehr viel Wasser. Dieses wird gesam-melt und für die Wasserversorgungdes Ranarios verwendet.Der Ausbau des Innenbereichs warnach den kräfteraubenden Außenar-beiten reinste Erholung. Zuerst wur-den auf die Backsteine mittels Ar-mierungseisen und Zement Hart-holzauflagen eingepasst, die danndie Wände aus Bambuslaminat auf-nahmen. Sämtliche Hölzer, die Ver-wendung fanden (hauptsächlichHartholz Casha und Nispero), warenzertifiziert. Das war zwar ein wenigteurer, doch diese Konsequenz nah-men wir in Kauf, da das Ranario eingroßes ökologisches Ziel hat und esunverantwortlich wäre, dafür illegalgeschlagenes Holz zu verwenden.Gerade rechtzeitig vor der einset-zenden Regenzeit konnten wir auchdie drei Teiche fertig stellen. Durchdie noch offenen Türen gelangten ei-nige Frösche und Kröten ins Ranario,und so lebten von diesem Zeitpunktan „freiwillig“ die Kröten Rhinellamarina und Ollotis conifera sowie dieLaubfrösche Smilisca phaeota, Den-dropsophus ebraccatus und Scinaxelaeochrous darin. Uns war es recht,und die Smilisca vermehrten sichauch sogleich. In den Wasserstellendes kurzen Bächleins tummelten sichbald unzählige Kaulquappen, und inden Teichen fanden wir von da animmer wieder frische Gelege.

Gesamtsicht der Stahlkonstruktion

Montage des Netzes

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Die Gestaltung und Bepflanzung war ein kreativerProzess und nach der schweren Bauerei eine sehr schöneArbeit. Im Ranario sollte ein möglichst naturnaher Le-bensraum entstehen. Es war zwar unmöglich, einen Re-genwald nachzubauen, und uns fehlten dazu auch dieteils riesigen Urwaldbäume, doch diente er als Vorbildund sollte in vielen Strukturen erkennbar sein. Fast allePflanzen entnahmen wir aus Biotopen der später einge-setzten Amphibien, und so wuchsen im Ranario bald di-verse Heliconien, Farne, Palmen und viele Kletterpflan-zen. Speziell in der linken Hallenhälfte ergänzten wir diePflanzenvielfalt auch durch Bromelien und ein paar Or-chideen. In dieser Fülle entspricht dies zwar nicht demOriginallebensraum, doch werden viele Besucher sicher-lich daran Freude haben, während es die Amphibienkaum stören dürfte.Es wird eine ständige Aufgabe bleiben, das Ranario zupflegen, etwas neu einzupflanzen oder anderes zu eli-minieren. Das angestrebte Ziel wird sich erst nach Jahrenvollumfänglich präsentieren. Ein Freund, der wohl besteMaler Cahuitas, malte das Eingangsbild. Zwei Hände zei-gen ein Stück Wald, einladend und schützend zugleich.Eine bildhafte Botschaft: „Schaut mal, wie wunderschöndiese Natur ist! Wir legen sie in eure Hände. Gebt ihr Sor-ge, sonst verlieren wir sie für immer.“ Sensibilisieren –bewusst machen. Der Grundgedanke des Ranarios.Lange Zeit hatten wir überlegt, wie wir die unzähligenLandkrabben aus dem Ranario herausfangen konnten.Da wir kein Gift einsetzen wollten, gruben wir Eimer inden Boden ein, in die eine Banane als Köder platziertwurde. Nachts purzelten die Krabben so in die Falle undkonnten aus den glattwandigen Eimern nicht mehr ent-kommen. Bis zur Eröffnung fingen wir so über 800 Tiere,und nur ganz vereinzelt verrät sich noch heute einedurch ihr Loch.Eine schöne Arbeit war die Gestaltung der drei Terra-rien im Mittelbereich. Jedes besitzt eine eigene Beleuch-tung und einen Bachlauf, der in einem kleinen Teichmündet. Dieser wird direkt aus dem dahinter liegendenTeich gespeist, und ein Überlauf führt das Wasser auchwieder dorthin zurück.Im Mittelteil passten wir ein Aquarium in die Wand ein.Darin ziehen wir nun Kaulquappen des Rotaugen-laubfrosches (Agalychnis callidryas) auf, und die schlüp-fenden Jungfrösche können direkt ins Ranario „entflie-hen“. Daneben wird auf wenigen Bildern der Ablauf derFortpflanzung dieser Art aufgezeigt, weil dies nicht zujedem Zeitpunkt im Ranario selber beobachtet werdenkann.Genau zu Ostern 2008 ist nach etwas mehr als zweiJahren Bauzeit das Ranario fertig geworden. Oft habenwir unter den extremen Bedingungen der Tropen gelit-ten, und etliche Verletzungen zwangen uns zu Baupau-sen. Doch dann war es geschafft! In den vergangenen Monaten haben wir kontinuierlichdie Futtertierzucht ausgebaut und dazu den Tieren imRanario auch gekeschertes Wildfutter angeboten. DieTerrarien sind schon besetzt mit den Pfeilgiftfröschen

Dach über dem Mittelteil

Bepflanzung

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Dendrobates auratus, Oophaga pu-milio, Phyllobates lugubris und demLaubfrosch Dendropsophus ebrac-catus.

Die Ziele des RanariosAm 1. April 2008 (und das ist keinScherz!) erhielten wir nach fast dreiJahren die vollumfängliche Geneh-migung für den Betrieb des Rana-rios. Wir haben uns unter Einbezugder Auflagen des MINAE folgendeZiele gesetzt:

1. Sensibilisierung der Besucher für die viel-fältige und akute Bedrohung der Amphibien.2. Information der Besucher über die Biologieund die Ansprüche von Amphibien.3. Reproduktion von Amphibien in Gefangen-schaft zu erzieherischem Zweck. Freilassungvon Nachzuchten in die Verbreitungsgebieteihrer Elterntiere.4. Unterhaltung eines Reservoirs von geneti-schem Material, das laut MINAE in Zukunft zurArterhaltung beitragen soll. 5. Anbieten einer touristischen Alternative fürdie Region.6. Entwicklung der Umwelterziehung speziellausgerichtet auf Kinder.

Für die nachfolgenden Arten erhiel-ten wir die Fang- und Haltungsge-nehmigung, und nach und nach wur-den die Tiere ins Ranario eingesetzt:

• Oophaga pumilio (Erdbeerfröschchen)• Dendrobates auratus (Goldener Baumsteiger)• Phyllobates lugubris• Allobates talamancae• Rhinella marina* (Agakröte)• Ollotis conifera• Rhaebo haematiticus• Agalychnis callidryas (Rotaugenlaubfrosch)• Cruziohyla calcarifer**• Dendropsophus ebraccatus• Smilisca phaeota• Craugastor spp.• Rana warszewitschii• Leptodactylus pentadactylus*

* in einem Außengehege, damit sie die ande-ren Arten nicht gefährden** noch nicht eingesetzt

Mehr denn je ist es mir heute einganz großes Anliegen, dass Besucherdes Ranarios durch das Vermittelnvon Informationen und das Beob-achten von Fröschen und Krötendiese Tiere kennen lernen. Und heu-te mache ich sie aus eigener, trauri-ger Erfahrung in unmittelbarer Um-gebung aufmerksam auf die starkeBedrohung von Amphibien durchdie fortschreitende Zerstörung ihres

Das Werk entsteht.

Terrarienrahmen schweißen

Eingerichtetes Terrarium

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Lebensraumes. Wir werden immernur schützen können, was wir kennenund im Idealfall auch lieben gelernthaben. Das Ranario möchte zumSchutz dieser bedrohten Tierartenaufrufen. Geeignet ist der Besuch fürjede Altersstufe, und die ganze An-lage ist auch rollstuhlgängig konzi-piert. Ob Jung oder Alt, Klein oderGroß, alle können sicher im Ranarioauf Entdeckungstour gehen.Am 10.April 2008 besuchten die ers-ten offiziellen Gäste das Ranario.Und es war wieder wie früher, als ichals kleiner Bub fremden Menschendie Welt der Amphibien erklärenund sie für kurze Zeit in das Reichdieser wundersamen Wesen entfüh-ren konnte.

Persönliche Gründe zwingen unsnun, Costa Rica wieder zu verlassenund in die Schweiz zurückzukehren.Damit suchen wir für das Ranariodringend eine Nachfolge. Das ganzeGrundstück mit Wohnhaus stehtzum Verkauf. Es ist uns sehr wichtig,dass der Froschpark mit den gesetz-ten Zielen in guten Händen weiter-leben kann.

DankFür fachliche Diskussionen sowiefür die Durchsicht des Manuskriptsdanke ich meinen Freunden RolfBechter, Witikon/Schweiz, und To-bias Eisenberg, Linden/Deutsch-

land. Schließlich und ganz besondersgilt mein Dank meiner Frau Claudia

Haberkern, die mich ideell und mo-ralisch immer unterstützt hat.

Aquarium

Ein Ranario für jedermann Oophaga pumilio im Ranario

17.08.2008 Terraxotica in derMünsterlandhalle, Cloppenburg07.09.2008 Terraxotica in den UferhallenBerlin – Mit Gifttierbereich!05.10.2008 Terraxotica in der Halle Gart-

lage, Osnabrück – Mit Gifttierbereich!

17.08.2008 Terraxotica in derMünsterlandhalle, Cloppenburg07.09.2008 Terraxotica in den UferhallenBerlin – Mit Gifttierbereich!05.10.2008 Terraxotica in der Halle Gart-

lage, Osnabrück – Mit Gifttierbereich!