- Textiles und Technisches Gestalten - werkspuren · 2020. 3. 28. · Auch der deutsche...

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Nummer 151 | 3/2018 Vermittlung von Design und Technik 3/2018 | Nummer 151 3/2018 | Nummer 151 | werkspuren | ISBN 978-3-905925-35-7 | Preis Fr. 20.– | GESTALTUNGSELEMENTE | GESTALTUNGSELEMENTE GESTALTUNGSELEMENTE

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07 THEMA 08 Kreative Konventionen Wie Kreativität zur Norm wurde von Jörg Scheller

10 Visuelle Assoziationen Fotos als Inspirationsquelle von Frédéric Dedelley

14 Phänomenale Wahrnehmung Wahrnehmungspsychologie und Gestaltung von Bernd Kersten

19 DIDAKTIK 20 Linie, Fläche, Körper Übungen zur gestalterischen Grammatik von Nicole Kind und Franziska Nyffenegger

24 Ästhetische Bildung Aktiv und eigenständig Sinn erschliessen von Constanze Kirchner

28 Mut zu Komplexität Gestalterische Prozesse lehren und lernen von Lisa Späni

32 Gestalten und Entwerfen Forschungsstation als kooperative Lernform von Regula Pinz

37 UNTERRICHT 38 Strukturen von Anne Wehren 40 Schmucke Box von Regula Pinz 42 Möbelfabrik von Marius Portmann 44 Keramik Lehrgespräch von Petra Sigrist 46 Textildesign von Julia Hess und Katja Voinova

RUBRIKEN04 Paulas Post 06 Abo 36 Martin Geel48 Ateliergespräch 50 Aktuell 52 1000 Dinge 54 Rolla-Spiel 56 Einfach machen 58 Sprachspuren58 Zugespitzt 60 Lieblingsstück 60 notabene62 Kiosk 66 Impressum 66 Vorschau

Mit freundlichen Grüssen

Viktor Dittli, Chefredaktor

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L I E B E L E S E R I NL I E B E R L E S E R

HerausforderungDass Studierenden das Denken in Varianten am Anfang der Design-Ausbildung Mühe bereite, erstaunt auf den ersten Blick (siehe S. 20). Viele dieser wirklich Begabten wurden im Gestaltungsunterricht offenbar nicht optimal gefördert. Es scheint, dass das unvoreingenommene Ent-werfen als Phase im Gestalten an der Volksschule oft zu wenig gepflegt, die schnelle, erstbeste Idee zu stark ge-würdigt und damit quasi der falsche Reiz belohnt wird.

Spritzer Die Lösung kann nicht am Anfang schon vorliegen. Das Wort Skizze kommt vom italienischen schizzo, «Spritzer», und von schizzare «besprühen, bespritzen». Die Etymo-logie verdeutlicht den schnellen und potentiell auch vergänglichen Charakter des Skizzierens. Lockerheit und Unverbindlichkeit sind gute Einstellungen in den Start-phasen gestalterischer Prozesse. Lustvoll kann man sich einlassen. Alles ist möglich. Die Einschränkungen kom-men noch genug früh, wenn es an die Umsetzung geht, welche mit konkretem Planen verdichtet werden muss.

Nicht lapidarKinder und Jugendliche sollten im Gestaltungsunterricht Gelegenheit bekommen, die Grundlagen zu entdecken und auszuprobieren. Gestalten darf einen Kontrapunkt bilden zu schulischen Inhalten, wo die Lösungen eindeu-tiger, abschliessender sind. Aber ähnlich wie in der Spra-che erwirbt man das Alphabet und die Grammatik nicht in kurzer Zeit und ohne Übung. Gestalten lehren und lernen ist kein lapidarer Vorgang (siehe S. 28). Denn di-vergentes Denken ist anspruchsvoller als konvergentes.

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P A U L A S P O S T P A U L A S P O S TPaula Troxler lebt und arbeitet in Zürich. www.paulatroxler.com 54 W E R K S P U R E N 3 | 2 0 1 8W E R K S P U R E N 3 | 2 0 1 8

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THE M A

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1.18 MEMBRANBAUTextile Architektur. Gehäkelte Kunst von Toshiko MacAdam. Casa Um-brella. Pneumatische Konstruktio-nen Luft&Laune. Projekt Architektur und Produktgestaltung. Bau einer schwebenden Skulptur. Solarfolien.

4.17 PERFEKTStickerei zwischen Tradition, Inno-vation und Technik. Künstler Ficht Tanner. Lob des Unvollkommenen. Perfektion versus Kreativität. Toaster Projekt. Designers Toolbox. Studie zu Problemlöse-Kompetenzen.

3.17 INTERVENTIONENWollgraffitis. Unpleasant Design. Veränderungen initiieren (Muri). DN100 Sitzskulpturen. Monobloc Readymade. Schulhaus Valzeina. Mit Kunst Grenzen überwinden. Kreiselkunst. Lichtspiel mit Insekten.

2.16 SCHMUCKZeichen und Symbole. Wert des Wertlosen. Jewelry Art. Kunst-vermittlung Kunsthaus Zug. Materialexperimente. Schmuck-werkstatt. Kontext und Orientierung. Bilder als Inspiration.

3.16 DO-IT-YOURSELFGegen- oder Hochkultur. Urbane Subkultur. Maker Imperativ. Tutorialzapping. Repair-Cafés. Making macht Schule. Breiten-Phänomen. Paletten-Projekte. Anleitungen. Bibberich-Workshop.

1.17 FRAGIL – STABILHängebrücken. Leichtbau. Bambus. 100 chairs in 100 days. Turmbau. Gleichgewichtszustände. Statik. Grasbauten am ausserschulischen Lernort. Weidenkonstruktionen. Mobile Bauten. Skelettartig bauen.

4.16 AUFTISCHENLebensmittelproduktion und Ess-kultur. Installation von Max Bottini. Löffel-Design. Tassen aus Kaffee.Kulturgeschichte des Picknicks. Lernen mit Alltagsdingen. Studieren im Toni. Picknickbesteck.

2.18 SITZENIdeologie des Sitzens. Redensarten und Ausdrücke. Sitz-Experte Hajo Eickhoff. «Chair Times». Mobile Lern-räume. Lasercut – digital produzierte Hocker. Aneignungsprozesse. Beton giessen. Dachlatten-Sitze.

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Dass Kreativität zur wichtigsten Ressour-ce des Westens werden sollte, deutete sich schon früh an. Bereits in Richard Wagners Schriften der 1840er-Jahre zeichnen sich die Konturen jener Kreativwirtschaft ab, unter deren Stern die westlichen postmo-dern-postindustriellen Gesellschaften ste-hen sollten. Desillusioniert von Politik und Religion, setzte Wagner seine Hoffnungen in die Künste. Die schöpferische, durch «wahre Liebe» geeinte, am interdiszipli-nären Gesamtkunstwerk arbeitende Ge-sellschaft stellte er sich als dezentral und flexibel organisiert vor. Ein Schelm, wer da an den Neoliberalismus denkt – wie so oft waren es mit Wagner und später mit Joseph Beuys Linke, die dem Kapitalismus unfrei-willig als Stichwortgeber dienten. Im Ka-pitalismus gilt: Man muss seine Feinde nicht lieben, um von ihnen zu lernen.

Während die Wirtschaft Kreativität vorbehaltlos feiert, fördert und fordert, geht die heutige Kunstwelt auf Distanz. So werden aus feministischer und post-strukturalistischer Sicht die der Kreativität zugrunde liegenden Genie- und Schöpfer-mythen kritisiert. Kapitalismuskritiker wittern Instrumentalisierung. Viele Künst-lerinnen und Künstler wollen auch deshalb nicht kreativ sein, weil sie Kreativität als Pflichtprogramm empfinden. Stellte Kre-ativität für Wagner noch einen Hebel dar, um den Status Quo aus den Angeln zu

sie dem Ausstellen immer nachgeordnet und galt Kuratoren gar als lästiges Bei-werk, ja wurden die Vermittler erst aktiv, wenn die Ausstellung schon stand, werden sie zunehmend früher einbezogen und können so auch Einfluss auf Themen und deren Inszenierung nehmen. Vielleicht geben sie bald sogar, unterstützt von Er-kenntnissen der Besucherforschung, den Ton an und legen fest, welche Zielgruppen auf welche Weise erreicht werden sollen.» (NZZ 2016)

Anstatt mit raunenden Begriffen wie «Kunstautonomie» oder «Nicht-Identi-sches» können Sponsoren und Politiker nun mit Ideen von Impact und Empower-ment umworben werden. Das erleichtert vieles, erscheinen «Emanzipations- und Ökonomiediskurs» doch als die zwei Sei-ten einer Medaille. Wenn Kunst die Men-schen kreativ macht und Kreativität die wichtigste Ressource in Zeiten von Indus-trie 4.0 ist, dann ist gegen Kunst, auch wenn sie sperrig ist, kaum etwas einzu-wenden. Kunst ist damit nicht länger Quer-treiberin, Kritikerin. Im Gegenteil, sie ist wieder dort, wo sie vor 1800 beheimatet war: im Zentrum der Macht. Mit dem Un-terschied, dass dieses Zentrum nicht mehr von Adel und Klerus, sondern von mobi-lem Kapital und seinen Agenten besetzt ist. An anderer Stelle hat Ullrich betont, dass damit ein alter Traum der Avantgar-

heben, sehen manche Kreativität nun als systemstabilisierende Kraft. Kreativität ist für sie gewissermassen das, was der Klas-sizismus an Kunstakademien um 1800 war: business as usual. Kanon. Konvention. Als Gegenreaktion bietet der US-amerikani-sche Autor Kenneth Goldsmith Kurse für Unkreatives Schreiben an: «In ihnen ist es den Studierenden verboten, auch nur einen Hauch von Originalität und Kreativität an den Tag zu legen. Stattdessen werden sie für Plagiat, Identitätsbetrug, wiederver-wertete Essays, patchwriting, Sampling und für das Stehlen und Plündern be-lohnt.»

Auch der deutsche Kunstwissenschaf-ter Wolfgang Ullrich hat sich der Schar der Kreativitätskritiker angeschlossen. In sei-nem Buch «Der kreative Mensch. Streit um eine Idee» (2016) und in Essays wie «Die Tyrannei der Kreativität» (NZZ 2016) stellt Ullrich fest, dass «ein Leben ohne verwirk-lichte Kreativität heutzutage als ähnlich unerfüllt und defizient wie ein Leben ohne Sexualität oder ohne Beruf» (NZZ) gilt. Die Folge: Kreativitätsdruck. Kunstschaffende und auch Kunstinstitutionen seien zuneh-mend aufgefordert, nicht nur selbst kreativ zu sein, sondern möglichst viele Menschen kreativ zu machen.

Im Zuge «der Verwandlung der Muse-en in Kreativitätsagenturen» werde auch die Kunstvermittlung aufgewertet: «War

FOTOS

Der Poet, Kritiker und «unkreative Autor» Kenneth Goldsmith stellt mit seinen Aktionen die gängigen Vorstellungen von Kreativität in Zeiten von Copy-and-paste in Frage. Beim Konzeptkunst-projekt «Printing out the internet» (2013) plante er, das gesamte Internet auszudrucken.

www.ubu.com

Der Autor und Musiker Mike Licht macht mit einfachsten Computerprogrammen «Appropri-ation Art». Er kopiert bewusst berühmte Kunstwerke.

flickr.com (notionscapital)

LITERATUR

ULLRICH, Wolfgang (2016): Der kreative Mensch. Streit um eine Idee (Unruhe bewahren). Salzburg: Residenz.

ULLRICH, Wolfgang (2016): Die Tyrannei der Kreativität. NZZ vom 15.2.2016.

AUTOR

Dr. Jörg Scheller studierte Kunstgeschichte, Philosophie, Medienkunst und Anglistik. Er lebt als Kunstwissenschafter, Journalist und Musiker in diversen Schnellzügen.

www.joergscheller.de

KREATIVE KONVENTIONEN

W I E K R E A T I V I T Ä T Z U R N O R M W U R D E

den in Erfüllung gegangen ist – wenn man so will, auf perverse Weise: Kunst ist nicht nur Zaungast, sondern gestaltet die Wirk-lichkeit aktiv mit.

Als «Inkubationszeit» der Kreativitäts-gesellschaft deutet Ullrich die Zeit zwi-schen 1900 und 1960, als beispielsweise Leo N. Tolstoi forderte, die Kunst der Zukunft solle nicht elitär sein, sondern der Gesamtheit der Menschen zugute kom-men. Doch erst mit Künstlern wie Joseph Beuys setzt sich das «Kreativitätsdisposi-tiv» tatsächlich durch – bezeichnenderwei-se in einer Zeit, die als Übergang zur post-industriellen Ära gilt und in der nicht nur Beuys, sondern auch Andy Warhol Kunst, Ästhetik und Kreativität demokratisierten.

Auch die Autorin Julia Cameron stösst in ihrem Bestseller-Ratgeber The Artist's Way (1992) in dieses Horn: «Die Weige-rung, kreativ zu sein, ist Eigenwille und widerspricht unserer wahren Natur.» Doch in gewisser Hinsicht geht Cameron hinter

die Postmoderne zurück. Kreativität, so Cameron, schöpfe man primär aus sich selbst – plötzlich ist er wieder da, der gute alte Geniediskurs. Spätestens hier über-wiegt bei Ullrich die Skepsis.

Kreativität als zivile Befreiungstheolo-gie weicht dann einer «Tyrannei der Kre-ativität», wenn sie «Defizitgefühle und Versagensängste» schürt. Bei Wagner und Beuys sollte Kreativität als sozialer Kitt dienen. Mittlerweile aber, so Ullrichs begründete Befürchtung, trägt die Über-höhung der Kreativität eher zur Spaltung der Gesellschaft in Kreativitätsgewinner und Kreativitätsverlierer bei. Gerade vor diesem Hintergrund wäre es fatal, Kreati-vität zu privatisieren, wie Cameron es suggeriert. Für Ullrich war und ist Kreati-vität vielmehr auf «Musen», das heisst auf Inspiration durch andere angewiesen: «Gerade weil sie den Einzelnen überfor-dert, kann sie den Zusammenhalt zwischen den Menschen stärken.»

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VISUELLEASSOZIATIONEN

F O T O S A L S I N S P I R A T I O N S Q U E L L E

Seit mehr als 20 Jahren hält Frédéric De-delley mit seiner Kamera Situationen im Alltag und auf Reisen fotografisch fest. Das Fotografieren ist sein Mittel, um aus den eigenen Gedanken auszubrechen und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Auslöser für ein Foto ist fast immer ein Überraschungsfaktor; das Ungewohnte im Gewohnten, die nicht materialgerechte Lösung, der sonderbare Kontext oder ein Augenblick reiner Schönheit. Erst mit den Jahren merkte der Zürcher Produktdesig-ner, «wie wichtig diese freie Arbeit ohne Zwang und Auftrag für seine Produkt- und Raumprojekte ist, wie sich die beiden pa-rallelen Tätigkeiten zu vermischen und befruchten begannen.»

Dedelley bezeichnet sich selber als «Designdetektiv». In seiner gestalterischen Tätigkeit spielen der räumliche und der gesellschaftliche Kontext des Entwurfs

immer eine wichtige Rolle: «Aus dem Be-zug zum Kontext schöpfe ich Inspiration, Inhalt und Relevanz.» Ein weiterer zent-raler Schwerpunkt seiner Arbeit ist das Zusammenspiel von Form und Funktion und seine möglichen Variationen. Bei man-chen Projekten steht die Funktionalität ganz klar im Vordergrund, nach dem Mot-to «form follows function», bei anderen ist der formale oder der künstlerische Aus-druck das eigentliche Thema; bei diesen Projekten nimmt sich die Funktion zurück und fungiert als Träger einer künstleri-schen Botschaft.

Bis heute hat der in der Westschweiz aufgewachsene Designer mehrere tausend Bilder gesammelt. Die Sammlung ist eine Art Wahrnehmungsstudie, die seine Arbeit beeinflusst. «Beim Entwerfen», beschreibt er seine Arbeit, «schöpfe ich bewusst aus dem Potential meines persönlichen Bild-

archivs. Es bietet mir Ansätze und Ideen, auf die ich bei meiner spezifischen, the-menbezogenen Recherche nicht stossen würde.» Diese Inspirationen verbindet er mit einer präzisen Analyse der Aufgaben-stellung und deren Kontextes.

Dedelley weist als ausgebildeter Pro-duktedesigner kein klassisches Künstler-Profil vor. Dennoch hat ihn beispielsweise die offene Aufgabe, den Sportpark Berg-holz mit einer spezifischen Intervention zu bereichern, stark angesprochen. Beim Wettbewerb ermöglichte ihm seine foto-grafische Spurensuche das Formulieren eines sowohl kontextbezogenen wie auch künstlerisch-subjektiven Vorschlags.

VON DEN FOTOS ZUM OBJEKTSo haben die Fotos auf der folgenden Dop-pelseite die Arbeit am Wettbewerb für den Sportplatz Bergholz beeinflusst. Eine klei-

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Inspiriert durch sein Bildarchiv entwarf Frédéric Dedelley für den Sportplatz Bergholz zwei Kunststein-Blöcke, die sowohl als Plastiken wie auch als Sitz- und Liegeflächen interpretiert werden können.

KUNST AM BAU SPORTPLATZ BERGHOLZ WIL «ANGESCHWEMMT»

Der Wettbewerb wurde 2017 von der Stadt Wil durchgeführt. Im Rahmen einer Präqualifikation wurden 5 Kunstschaffende eingeladen, darunter Frédéric Dedelley, einen Entwurf einzureichen. Zur Ausführung wählte die Jury den Entwurf des Müllheimer Künstlers Christoph Rütimann aus.

FRÉDÉRIC DEDELLEY

Frédéric Dedelley (*1964) ist bekannt durch zahlreiche Ausstellungen, Veröffentlichungen und Auszeichnungen. Er studierte an der Kunsthochschule in Lausanne Industriedesign und machte den Bachelor in Produktdesign am renommierten Art Center College of Design am Genfersee. Seit 1995 führt er sein eigene Design Studio in Zürich. Von 2001 bis 2008 hatte er eine Professur für Möbeldesign an der FHNW | HGK Basel inne; von 2008 bis 2016 lehrte er als Professor in der Studienrichtung Objektdesign an der Hochschule Luzern, Design&Kunst.

Im Buch «Design Detective» (2008) zeigt er anhand von acht Fallbeispielen den Zusammenhang vom Überraschungsmoment beim Fotografieren, seiner Fotosammlung bis hin zur Umsetzung in Plänen und Projekten auf. Wie die Herausgeberin Ariana Pradal schreibt: «Das Buch zeigt (…) wie er seine Wahrnehmungen auf Fotos festgehalten, später interpretiert und transformiert, für die eigene Arbeit eingesetzt hat (…) Es lehrt, andere Bilder zu sehen, als in den Medien gezeigt werden und regt an, eine eigene Bild-bibliothek anzulegen, die als Ausgangsmaterial für eigene Projekte dient.»

www.fredericdedelley.ch

ne Senke zwischen Kinder-Bad und Vol-leyball-Feld hatte seine Aufmerksamkeit gefangen: «Ziel meiner Intervention war es, die atmosphärische Qualität des ge-wählten Ortes sichtbar zu machen und zu stärken.» Zudem sollte der Ort als Aufent-haltsort genutzt werden können.

Die zwei von ihm vorgeschlagenen künstlichen Findlinge sind grossformatige, 4,5 Meter lange und 3,5 Meter breite Stein-blöcke. Sie sollten, ähnlich wie ein grober Waschbeton, in eine Form gegossen, die seitlichen, vertikalen Flächen der Blöcke grob gespitzt, die horizontalen Flächen als Einladung zum Sitzen oder zum Liegen matt poliert werden.

Durch ihre Dimensionen, Materialisie-rung und Form evozieren die Blöcke so-wohl Findlinge, wie man sie immer wieder in der umgebenden Landschaft antrifft, wie auch überdimensionierte, ange-schwemmte Luftmatrazen. Dadurch be-ziehen sie sich sowohl auf die Region wie auch auf die Badanlage. Im weiteren be-zieht sich die gesamte Installation auf eine persönliche Leidenschaft: die japanische Kultur der Steingärten. Sie ist sowohl na-türlich und künstlich, abstrakt und gegen-ständlich, poetisch und funktional. Weite-re Assoziationen und Interpretationen sind durchaus möglich und erwünscht.

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Begabung. Die Zeichnungen der 4-jährigen Nadia zeugen von ihrem bewussten Zugang zu eigenen Wahrneh-mungsprozessen. (Foto: Bethlem Museum of the Mind)

B E R N D K E R S T E N ( T E X T )

PHÄNOMENALE WAHRNEHMUNG

D I E R O L L E D E R W A H R N E H M U N G S P S Y C H O L O G I E F Ü R D I E B I L D N E R I S C H E G E S T A L T U N G

Meine dreijährige Tochter Lisa malte ein Bild, welches ich als sehr schön empfinde. Zu sehen ist eine rosarunde Form und eine türkisfarbene zackige Form; auch ein grü-ner Farbklecks mit rotbraunen Strichen. Auf meine Nachfrage, was dies darstelle, gab sie die merkwürdige Antwort: «Nie-mand im Regen.» Nun, wir wissen, dass man diese Vorstellung nicht malen kann.

Nadia, ein vierjähriges Mädchen, zeich-nete ein Pferd mit schwarzen Strichen und Linien. Diese Zeichnung beeindruckte viele Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler, weil sie an die Darstellung von Pferden von Leonardo da Vinci erinnert. Und sie merkten an, dass Nadia eine Au-tistin ist. Nadia konnte dennoch – oder wie

Wissenschaftler vermuten, gerade deswe-gen – den Augenblick bildnerisch einfan-gen, bei dem alle Hufe eines Pferdes in vollem Galopp den Boden nicht berühren; eine Frage, welche im 19. Jahrhundert bei Intellektuellen sehr umstritten war. Nadia hat recht: Sie hatte scheinbar eine ausser-ordentlich gestalterische Begabung (die auf einem ungewöhnlich bewussten Zu-gang zu ihren Wahrnehmungsprozessen beruht).

Was will ich mit diesen frühen Kinder-bildern sagen? Einerseits: Auch einfachere Kinderzeichnungen dokumentieren «Wahr nehmungsintelligenz», die uns be-eindrucken kann. Andererseits: Die gelun-gene Darstellung benötigt Begabung – das heisst einen besonderen, bewussten Zu-gang zu den eigenen Wahrnehmungspro-zessen, der mit analytischer (der «schuli-schen») Intelligenz vermutlich nichts ge-mein hat. Beides beschreibe ich in diesem Essay: Zunächst werden die Grundzüge wahrnehmungspsychologischer Entde-ckungen veranschaulicht und im An-schluss deren möglicher Beitrag zum ge-stalterischen Prozess erläutert – abschlies-send bieten wir dazu eine pädagogische Bewertung an.

Wahrnehmung ist unser unmittelbarer Zugang zur Welt – deshalb scheint sie so

einfach zu sein. Man irrt sich darin aber. In Wirklichkeit ist unsere Wahrnehmung ein hochkomplexer Vorgang, sogar meh-rere Gehirnmodule sind daran gleichzeitig beteiligt: Eines ist zuständig für Farbe, eines für Formen, ein anderes für Bewe-gung und Perspektive (Tiefe). Sehr früh bei dieser Verarbeitung erfolgt bereits eine implizite Beurteilung der Schönheit oder Hässlichkeit der Szene (des Bildes). Diese Prozesse werden uns nicht bewusst und stellen unbewusste Schlüsse dar (nach Hermann von Helmholtz).

WAHRNEHMUNG VON FARBENDie Verarbeitung von Farbinformation – unsere Farbeindrücke – wird nicht mittels «gesundem Menschenverstand» verstan-den. Unsere unmittelbare Erfahrung ist hier sogar irreführend. Es ist bekannt, dass Licht-Strahlen nicht farbig sind (Isaac Newton: «The rays are not coloured»), sondern nur der Wahrnehmung der unter-schiedlichen Brechung von Strahlen durch beispielsweise Regentropfen entsprechen. Der phänomenal entstehende Regenbogen ist ausschliesslich deshalb farbig, weil unser Gehirn Lichtwellen unterschiedli-cher Frequenz als Farben interpretiert. Ebenso wichtig ist, dass Farben des Lichts sich ganz anders verhalten, als es unserer

Wahrnehmungsintelligenz im Bild «Niemand im Regen»: Die Farbzusammenstellungen der dreijährigen Lisa empfinden wir als interessant. (Foto: © Bernd Kersten)

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Andrea Keller
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Erfahrung mit der Mischung von Farben entspricht (additive versus subtraktive Farbmischung). Beispielsweise ergibt die Mischung von Rot und Grün im Fernsehen, also bei Lichtstrahlen, die Farbe Gelb. Ob-wohl das TV-Signal Rot-Grün-Blau (RGB) die Farbe Gelb gar nicht «kennt», sehen wir Gelb. Gelb entsteht für uns, wenn rote und grüne Punkte dicht benachbart in hoher Frequenz vom menschlichen Gehirn verarbeitet werden.

Zugleich bevorzugen wir das Farbfern-sehen – obwohl doch die Graustufenver-sion exakt dieselbe Sehinformation enthält (einschränkend gilt: Farbsehen erleichtert die Objektwahrnehmung). Farben vermit-teln folglich unmittelbar auch Emotionen. Hinter dieser Alltagserfahrung verbirgt sich die meist unterschätzte Eigenschaft der akademischen Wahrnehmungspsy-chologie: Jede Wahrnehmung ist auch begleitet von einer Emotion, die wir als Schönheit, milder beurteilt, Gefallen, oder Hässlichkeit, milder beurteilt, Interessant-heit – oft nicht-bewusst – wahrnehmen. Die Beurteilung «guter» Gestaltung beruht wesentlich auf diesen Erlebnissen – und bisher nur wenig auf der gestalterischen Anwendung der nicht-bewussten Wahr-nehmungsprozesse. Es ist zugestanden, dass beispielsweise das Erlebnis der ge-steigerten Farbwahrnehmung, also des Komplementärkontrasts, wie Künstler dies beschreiben, eine Annäherung an die rea-len Verhältnisse ist (Rot vs. Grün, Blau vs. Orange und Gelb vs. Violett). Aber in Wahrheit sind es die Gegenfarben – je der entstehende Farbeindruck, welchen Sie nach starrem Anschauen einer Farbe im

Anschluss auf einer weissen Wand sehen –, die sich gegenseitig in ihrer Farbwirkung steigern. (Der wesentliche Irrtum besteht darin, dass die bekannten Farbkreise, z. B. von Johannes Itten, nicht dem wirklichen Farbkreis entsprechen, also dann, wenn man einen Querschnitt des Regenbogens zu einem Farbkreis anordnet.)

Die Harmonielehren über Farbzusam-menstellungen (von z. B. J.W. Goethe) sind eigentlich falsch. Wir wissen allein nur – nach empirischer Prüfung –, dass eine harmonische Gestaltung von Farben durch die ausschliessliche Verwendung benach-barter Farben im phänomenal richtigen Farbkreis erreicht wird: Also dann, wenn die verschiedenen Farbabstufungen eines Abschnitts oder nur eines Ausschnitts benachbarter Farben dieses Farbkreises verwendet werden. Gegenfarben führen demgegenüber zu einem gesteigerten Farb-eindruck. Beides sind Gründe, weshalb ich Lisas Bild so mag: Sie malt nur Farbein-drücke, die wir unmittelbar als schön oder interessant empfinden (können).

Hinzu kommt eine wichtige Eigen-schaft der Wahrnehmungsverarbeitung: die Darstellung mittels nur eines Verarbei-tungsmoduls, zum Beispiel hier nur Far-ben. Wichtiger noch ist die Verwendung von nur Konturen. Wahrnehmungspsy-chologen zeigten, dass Darstellungen, die zu einer Erleichterung der Verarbeitung führen, einen Gefallenseindruck verursa-chen. Bei Nadia ist es die ausschliessliche Beanspruchung nur des Formmoduls. Interessanterweise findet sich die Verwen-dung von Konturen bereits bei den frühes-ten künstlerischen Darstellungen – der Höhlenmalerei. Bereits zu dieser Zeit wur-de den Tieren eine Konturumrahmung gegeben, welche die Formwahrnehmung erleichtert. Man beachte, dass diese Kon-turen (physisch) nicht vorhanden sind.

WAHRNEHMUNG VON FORMENDies ist ein bedeutsames Rätsel: Denn Künstlerinnen und Künstler sowie die Frühmenschen malen oft Formen mittels Konturen – die es physisch gar nicht gibt. Denn Kanten sind nur ein Ergebnis der natürlichen Wahrnehmungsprozesse: Menschen ergänzen beispielsweise die

virtuellen Kanten eines Würfels. Das visu-elle Gehirn verstärkt diese sogar dergestalt, dass sie weisser als weiss erscheinen (ob-wohl der gleich helle weisse Hintergrund gemessen werden kann). Mithin sind Kon-turenzeichnungen, insbesondere Kontur-umrandungen, nur das Ergebnis unserer Wahrnehmungsprozesse, die gestalterisch umgesetzt werden.

Wenn «Kanten» eine besondere ge-schlossene Form (eine Figur) umschliessen, dann kann diese Darstellung uns auch emotional berühren. Dazu werden hier nur zwei Phänomene beschrieben. Zunächst die naturwissenschaftliche Erkenntnis des Universalgelehrten Sir Francis Galton, dass jede «durchschnittliche» Form schön sei, besser gesagt: mildes Gefallen auslöst. Der zugrunde liegende Prozess ist eine wich-tige Entdeckung – sogar einer der Schlüs-sel zur Schönheits-, besser Gefallenswahr-nehmung. Die Entdeckung beruht darauf, dass bei Übereinanderlagerung von Port-räts deren Gemeinsamkeiten hervorgeho-ben werden. Das so genannte prototypi-sche Porträt erleichtert die Wahrnehmung, hier eines Antlitzes. Diese Hervorhebung des Wahrnehmungsprozesses, das Proto-typische darzustellen, gilt für alle Objekt-wahrnehmung (wurde häufig, unverständ-lich, als das Gefallen für den «Durch-schnitt» beschrieben) – und erzeugt ein Gefallensurteil.

Auch die gesteigerte Variante – bei-spielsweise das Kindchenschema (vgl. Konrad Lorenz) – ist eine interessante Entdeckung. Denn der Anblick von Klein-kindern oder Jungtieren löst sogar fürsorg-liches Verhalten aus; das gilt artübergrei-fend für alle tierischen Lebewesen – und auch im Design. Dieses Wahrnehmungs-schema gilt überall in der Gestaltung von Formen: Auch beispielsweise die gestalte-rische, historische Entwicklung der Micky Mouse führt zunehmend zur Wahrneh-mung von «Herzigkeit» (die zunehmend kindlichere Züge annimmt).

Ebenso grundlegend, aber trivial an-mutend, ist die Darstellung von runden oder spitzen Formen. Es ist, empirisch nachgewiesen, wahr: Runde Formen wir-ken freundlicher, weichlicher, gar weiblich – spitze aggressiver, gar männlicher. Die

Kombination einer runden mit spitzen Formen ergibt zum Beispiel den Regen, dem meine Tochter niemand aussetzen mochte. Ich vermute auch, dass beispiels-weise die verrenkten Körper im Bild Guer-nica von Pablo Picasso (neben der Grau-samkeit) so einen deutlichen visuellen Eindruck machen, schlicht weil sie spitze Formen einnehmen. Ist diese Erklärung zu einfach? Das gestalterische Element ist dennoch meines Erachtens entscheidend für das Wahrnehmungs-Erlebnis (und, bildnerisch betrachtet, nicht die Idee des Leidens der geschundenen Körper).

WAHRNEHMUNG VON PERSPEKTIVEBei der räumlichen Perspektive gilt zu-nächst: Eine hässliche Form der Gestaltung ist die physisch falsche Perspektive; beson-ders nachdem jeder Fotoapparat (heutzu-tage das Handy) die dreidimensionale Welt korrekt auf eine zweidimensionale Abbil-dung projiziert. Das Selfie ist ein extremes Beispiel – es ist physisch korrekt, eine ext-reme, ungewöhnliche Sichtweise, welche dennoch aufgrund der korrekten Perspek-tive ein mildes Gefallensurteil auslöst.

Die korrekte Perspektive war aber aussergewöhnlich lange, in historischer Zeit bemessen, nicht selbstverständlich – erst im 16. Jahrhundert gelang es mensch-licher Erfindungskunst, wenigstens zu-nächst die Zentralperspektive zu beschrei-ben. Noch schwerer wahrzunehmen als bei geometrischen, ist die korrekte Pers-pektive bei organischen Formen, beispiels-weise bei einem fallenden menschlichen Körper. Nadia gelang es (nur) einen beson-deren Moment der Bewegung eines Pfer-des einzufangen (der nachträglich als be-sonders erkannt wurde). Ich beschreibe abschliessend hierbei den Unterschied zu Kunstbildern: Der besondere Moment wird dann zu einer Bildmetapher. Beispielswei-se, wenn Rubens die Darstellung eines stürzenden menschlichen Körpers so ge-staltet, dass der Betrachter dies als «Sinn-bild» für menschliches Scheitern lesen kann. Dieser metaphorische Aspekt der Darstellung fehlt natürlich bei Kinderbil-dern.

Der Psychologe und Neurowissen-schaftler Vilayanur S. Ramachandran hat-

te eine vermutlich geniale Idee, wie die besonders gestaltete Form zu verstehen sei. Sie sei die Abweichung des Individu-ellen vom Prototyp, eine Karikatur – und erklärte dies zur grundlegenden «Formel» jeder künstlerischen Gestaltung. Ich ver-mute, dass er im Wesentlichen Recht hat.

Die Widersprüchlichkeit der Gestal-tung ist ein weiteres Geheimnis. Dies ist ein Vorschlag, aber auch ein Grund dafür, warum wir imperfekte Kinderzeichnungen so schätzen können. Etwas pathetisch oder pointiert formuliert, aber wahr, sei ange-merkt, dass einer der bedeutendsten Künstler der Menschheitsgeschichte, Le-onardo da Vinci, Mona Lisa nicht «schön» malte (ein Fehlurteil, welches die Gestal-tung missachtet), sondern beispielsweise den Hintergrund imperfekt. Auch dieses gestalterische Element löst Interesse aus – neben dem Sachverhalt, dass Mona Lisas Lächeln rätselhaft ist. In meinem Text «Mona Lisas Lächeln» wird dies ausführ-licher erläutert.

GUTES DESIGN IN KUNST UND NATURBetrachten wir zuerst einfache geometri-sche Formen – das Muster. Phänomenal auffallend bei Mustern sind zunächst deren Symmetrien und der Rhythmus der Ge-staltung (komplexere Wiederholungen) – oder auch florale Formen: Was macht all die bekannten «schönen» Muster aus? Wann sind sie «gut» gestaltet?

Während eines spannenden Interviews wurde mir die Frage gestellt, was wohl etwas Gemeinsames sei von allen Überle-gungen zur «Schönheit» seit der Antike (Freiermuth 2011). Die beliebteste Design-form in Europa – und wohl überall – ist die Symmetrie. In Europa sehen wir bei Blu-menarrangements eine Symmetrieachse (die letzte Blume bei ungerader Anzahl als Symmetrieachse), im Ikebana aber die leichte Abweichung von der Symmetrie (die rechtslastig ist und sehr schwer zu beschreiben).

Für Muster gibt es seit über zwei Jahr-tausenden praktische Ergebnisse und Theorien dazu, wie diese beschrieben werden könnten. Die älteste Theorie ist vermutlich die «Einheit in der Vielfalt», und seit den 30er-Jahren des letzten Jahr-

hunderts die so genannten und geschätz-ten «Gestalt»-gesetze: «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile». Ich stelle schlicht fest, dass diese Aussagen recht unverständlich sind. Was also ist das Ge-meinsame, wenn wir Muster, die gefallen, betrachten? Einerseits ist es so, dass einfa-che Regeln zu einer neuen Gestalt führen – eine neue «Gestalt», welche eine Einheit in der Vielheit erzeugt. Beispielsweise im einfachen Burberry-Design ergeben sich durch die Kreuzung von drei Linien in vertikaler und horizontaler Richtung vier Quadrate.

Zwei gegensätzliche Lesarten eines Musters sind ebenfalls interessant. Sie al-leine können dann genügen, wenn sie zu einem widersprüchlichen Ergebnis, einem unvereinbaren Wahrnehmungserlebnis führen. Denn Wahrnehmung ist «einfach» – das heisst, auf eine Lesart im Alltag be-schränkt (für unser Überleben geformt, subjektiv, also im Erleben schlicht: gut oder böse, schön oder hässlich). Deshalb ist diese Unauflösbarkeit der Gestaltung in-teressant (oft: was ist im Muster Figur, was ist Hintergrund?). Im Burberry-Design wird dieser Rhythmus der Quadrate er-gänzt durch ein zweites, andersfarbiges. Das macht das (einfache) Muster noch interessanter.

EMOTIONAL BERÜHRENDE FORMENDas sind für (geometrische) Muster recht einfache Regeln – und wie wird diese Ge-staltung zu Kunst: Wie entsteht dabei die zusätzliche metaphorische Bedeutung? Ich erläutere dies an einem Kunstbild von Edward Weston «Nude» (1936). Wir «se-hen» den Umriss einer Frau, die uns – bei

Wahrnehmungserlebnis: Die roten Linien formen eine zweite «Gestalt», welches das Muster noch interessanter macht.

Nicht-bewusste Wahrnehmungsprozesse: Unser visuelles Gehirn «sieht» automatisch einen Würfel, trotz fehlender weisser Kanten.

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aufmerksamer Betrachtung – so seltsam emotional berührt. Entsprechend unserer Formwahrnehmung, erschliessen wir zu-nächst durch die «weiche», runde, im Wesentlichen eiförmige Kontur die Dar-stellung einer Frau (obwohl keine Ge-schlechtsmerkmale dargestellt sind). Von dieser platonischen Form – also einer prototypischen Form, die zu einer verein-fachten Verarbeitung führt – weicht der Künstler zusätzlich durch einen «simplen» Widerspruch in der Gestaltung ab: Der Scheitel der Frau ist zugleich die Verlän-gerung ihres Armes in den Kopf hinein. Wie auch immer Sie diese widersprüchli-che Darstellung interpretieren mögen, sie ist die bildnerische Gestaltung für unsere Empfindung, dass es sich um eine leiden-de, oder trauernde, oder nur «einzigartige» Empfindung handelt. Eine Bild-Metapher: Der Künstler irritiert «nur» die Verarbei-tung Ihres Formmoduls; Sie selbst fügen aber deshalb ihre je eigene metaphorische Bedeutung der Darstellung hinzu.

Aber auch «die Natur findet immer einen Weg» (Zitat aus dem Film Jurassic Park). Somit entfaltete sich die Wahrneh-mung der Natur als Wahrnehmung von deren «Selbstähnlichkeit» – ein mathema-tisches Konzept, welches erst ab Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde (und zuvor durch das Talent von Jackson Pollock intuitiv erfasst wurde. Er behaup-tete tatsächlich, dass er «den Rhythmus der Natur» einfange). Diese Selbstähnlich-keit ist interessant, wenn wir sie wahrneh-men – einfach gesagt: ein Ausschnitt des Bildes ähnelt dem ganzen Bild (das Blu-menkohl-Röschen dem Blumenkohl). Die Natur erzeugt eine imperfekte Form dieser Selbst ähnlichkeit, die anregender wirkt als die immer exakt gleiche Wiederholung, und Wohlgefallen, sogar bei Gelegenheit Kontemplation auslöst (etwa bei Betrach-tung eines Wolkenzuges).

GESTALTUNG UNTERRICHTENDas Thema Schönheit oder Gefallen wur-de hier nur angedeutet: Ich unterschied dabei Gefallen, Schönheit, Attraktivität (deren emotional gesteigerte Form) und Harmonie – sowie zuletzt die Schönheit der Natur, welche ich als das Empfinden

der Erhabenheit beschreiben würde. Die naturwissenschaftliche Wahrnehmungs-psychologie bietet daher meines Erachtens Einsichten, welche für die Beurteilung bildnerischer Gestaltung wichtig sind. Diese sind auch praktisch nützlich, weil sie für die nachträgliche Beurteilung eines Designs hilfreich sind. Meiner Einschät-zung nach erklären sie zu einem grossen Anteil, warum es für die künstlerische Darstellung das Talent von Künstlerinnen und Künstlern bedarf. Ihr Beitrag zur An-leitung guter Gestaltung ist hingegen be-scheiden.

Gemäss diesen Ausführungen ergeben sich Gestaltungsregeln auch für den schu-lischen Unterricht. Mathematisch korrek-te Symmetrien werden von älteren Kindern gestaltet. Sie sind so furchtbar langweilig, wie das korrekte Ausmalen von Konturen. (Das sind Musterbeispiele für analytische Fertigkeiten, welche in diesem Fach, als Wiederholung der immergleichen Über-legenheit analytischer Intelligenz, völlig unangebracht sind).

Wir berichteten von Aspekten der na-turwissenschaftlichen Wahrnehmungs-psychologie und über wenige Gestaltungs-regeln. Kann man daraufhin besser gestal-ten? Hierbei ist der Umkehrschluss aufschlussreich. Zwar ist die Idee der an-geleiteten Gestaltung irreführend, denn gute Gestaltung erfordert Begabung. Aber die wahrnehmungspsychologische Beur-teilung der Gestaltungsmerkmale eines entstandenen Werks ist dennoch eindeutig. Deshalb können wir eine Gestaltung kri-tisieren – mit richtigen Argumenten. Nicht aufgrund des Gefallens, sondern nur ver-mittels der Wahrnehmungspsychologie, die einzig untersucht, wie natürliche Wahr-nehmung geschieht – und deshalb, was die Gestaltung von ihr unterscheidet, oder eben dieser entspricht.

Wir können aber nicht zu einer guten Gestaltung anregen, wir können sie nicht unterrichten: Perfekte Gestaltung erfordert zuvorderst Begabung. Als Pädagogin und Pädagoge kann man folglich nur anregen, die Gestaltung wahrzunehmen – was oh-ne Unterrichtung unnatürlich und deshalb pädagogisch hilfreich ist. Die kritische Wahrnehmung beim bildnerischen Gestal-

ten ist dennoch wichtig, selbst wenn sie nicht zu guten Werkspuren führt.

Somit würde aus meiner Sicht die Sternbergsche Intelligenztheorie für dieses Fach von besonderer Bedeutung sein: Re-spektieren, ja achten wir diese Begabung, und akzeptieren wir, dass auch sehr (schul-)begabte, «intelligente» Schülerin-nen und Schüler in diesem Fach scheitern können? (Nebenbei bemerkt, es können selbstverständlich auch einige Kinder mit guter analytischer Intelligenz sehr gute kreative Leistungen erbringen).

Wir würden damit, ganz im Sinne des Psychologen Robert Sternberg, einen kre-ativen Aspekt von Intelligenz fördern. Die in unserer so effektiv genutzte Zeit führt zur Missachtung von Begabung und zu Lehrzielen, die «nur» eine Begabung be-wundern, etwas, was gar nicht gefördert werden kann.

Diese Überlegung findet in der Natur-wahrnehmung ihren bestimmtesten Aus-druck: Unsere Naturwahrnehmung ist unser Überleben. Ich wünsche mir, dass wir diese zumindest in der bildnerischen Gestaltung fördern; was, anders betrachtet, ohne Kenntnis naturwissenschaftlicher Ergebnisse mir unmöglich erscheint.

QUELLEN

FREIERMUTH, Andrea (2011): Die Natur der Schönheit. Das ganze Hirn ist beteiligt. Interview mit B. Kersten. Beobachter Natur vom 3.3.2011. [Online: <www.beobachter.ch>, Juni 2018].

KERSTEN, Bernd (2006): Phänomenale Farben: Malfarben und farbiges Licht». In: UniPress, Nr. 131, S. 5 – 6. [Online: <www.unibe.ch>, Suchworte «Farbwelten Kersten»].

KERSTEN, Bernd (2006): Wie es uns gefällt. Gehirn & Geist, Nr. 3, S. 50 – 57. Spektrum der Wissenschaften.

KERSTEN, Bernd (2009): Mona Lisa. Leonardo da Vincis neurobiologische Entdeckungen. In: Dresler, Martin (Hrsg.): Neuroästhetik. Kunst – Gehirn – Wissenschaft. Leipzig: Seemann.

AUTOR

Dr. Bernd Kersten lehrte und forschte an einigen Universitäten (zuletzt Universität Bern) und Kunsthochschulen (zuletzt HGKZ, Zürich). Seine öffentlichen Vorträge und populärwissenschaft-lichen Veröffentlichungen über Kunst und Design erreichten ein grösseres Publikum.

[email protected]

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D IDAK TI K

F O T O S : Z H D K I N D U S T R I A L D E S I G N

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LINIE, FLÄCHE, KÖRPER

Ü B U N G E N Z U R G E S T A L T E R I S C H E N G R A M M A T I K

In der dreidimensionalen Gestaltung geht es immer wieder von Neuem darum, Ver-bindungen herzustellen. Das erfordert räumliches Vorstellungsvermögen und konstruktives Wissen ebenso wie ein äs-thetisches Verständnis von Proportionen und die Kenntnis von Materialeigenschaf-ten. Eine zwar anspruchsvolle, aber durch-aus erlernbare Aufgabe, wenn sie im Un-terricht fokussiert und schrittweise vermittelt und eingeübt wird.

Die Basisthese der gestalterischen Grundausbildung in der Fachrichtung Industrial Design der Zürcher Hochschu-le der Künste (ZHdK) ist so simpel wie altmodisch: Design ist eine Sprache mit klaren Regeln und lässt sich wie jede an-dere klar geregelte Sprache erlernen – nicht von heute auf morgen, aber Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort und Satz für Satz. Wie beim Erwerb einer Fremdsprache gilt es, zunächst das Alphabet kennenzulernen, ein Vokabular aufzubauen, die zentralen grammatischen Regeln zu verstehen und die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten in einfachen Übungen auszuprobieren. Oder akademischer ausgedrückt: sich dem Neuen propädeutisch anzunähern.

In einem solchen Verständnis beruht Design nicht auf künstlerischem Genie oder angeborenem Talent, sondern auf

bildung entschieden. Erfolgsverwöhnt gehen sie davon aus, für die Umsetzung ihrer ersten Idee Lob und Anerkennung zu bekommen. Sie tun sich schwer damit, eine zweite, dritte, vierte oder gar fünfte Idee präsentieren zu müssen. Dass die erstbeste Idee nur selten auch die wirklich beste Lösung ist und dass es für eine gute Lösung viele Ideen und darunter auch weniger gute braucht, gehört deshalb zu den zentralen Lernzielen im Grundstudi-um.

ENTWURF ALS ETÜDEDas Modul beginnt mit einem Blick auf die nächste Umgebung und der Aufgabe, Ma-terialverbindungen im Alltag und im Klei-nen aufzuspüren. Dieses Einüben der «schauenden Analyse» am Beispiel eines grundlegenden Gestaltungselements nimmt einen didaktischen Anspruch von Franco Clivio, dem passionierten Design-lehrer und preisgekrönten Entwerfer, auf: «Neugierde und die Leidenschaft, den Dingen auf den Grund zu gehen, um aus eigener Anschauung zu lernen, sind Grundvoraussetzungen für gute Gestal-tung.»

Das genaue Betrachten und Sammeln dessen, was schon da ist, führt automatisch zur Bildung von Typologien und damit

geschulter Anwendung und über Jahre eingeübter Praxis. Design ist so gesehen Handwerk, nicht Kunst. Dabei meint Handwerk durchaus auch die Arbeit mit zeitgenössischen, so genannt digitalen Werkzeugen. Wer das Alphabet beherrscht, kann es in verschiedensten Bereichen an-wenden und damit unterschiedlichste Geschichten schreiben.

Wie der Soziologe Richard Sennett in seinem bekannten Essay über das Hand-werk erläutert, zeigen sich handwerkliches Fachwissen und Fachkönnen in erster Linie als Ergebnis von Wiederholung und Vari-ation. Das verlangt von den Lernenden viel Geduld und Motivation, verhilft ihnen aber schliesslich zu einer kaum mehr zu erschütternden Solidität. Der untrainierten Begabung hingegen, meint Sennett weiter, sollten wir in handwerklichen Berufen skeptisch begegnen. Sie scheitert, sobald es um das Lösen anspruchsvoller Probleme geht.

Ausgehend von einem solchen am Handwerk orientierten Designverständnis beginnt das Industrial-Design-Studium an der ZHdK mit einer Art Propädeutik oder Grundlehre der dreidimensionalen Form-gebung. Während dem vier Wochen dau-ernden Modul erkunden die Studierenden zunächst die grundlegenden Eigenschaften von Linie, Fläche, Volumen und ihren Ver-bindungsmöglichkeiten, um dieses Wissen dann in einem konkreten Entwurfsprojekt anzuwenden. Parallel zu den handwerk-lichen Fertigkeiten werden das genaue Beobachten, das Denken in Varianten, die sprachliche Argumentation und die (selbst-)kritische Reflexion vermittelt und eingeübt.

Gerade das Denken in Varianten berei-tet vielen Studierenden zu Beginn ihrer Ausbildung Mühe. Sie erleben es als un-gewohnt – auch als ungewohnt anstren-gend – und sehen die Notwendigkeit der Variantenbildung nicht unmittelbar ein. Im Werkunterricht (respektive dem Un-terricht in technischem und textilem Ge-stalten) der Regelschule hatten sie oft zu den Besten gehört und sich nicht zuletzt deshalb für eine gestalterische Berufsaus-

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GESTALTERISCHES PROPÄDEUTIKUM ZHDK

Für die Ausbildung am Bauhaus entwickelte der Schweizer Maler und Kunstpädagoge Johannes Itten Anfang des 20. Jahrhunderts den legendären Vorkurs. Bis heute beziehen sich gestalterische Propädeutika auf sein Modell. Massgebend für den hier vorgestellten Ansatz in der Fachrichtung Industrial Design der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) sind insbesondere dreidimensi-onale formale Übungen, wie sie Gui Bonsiepe Ende der 1960er-Jahre an der Hochschule für Gestaltung Ulm eingesetzt hat. Deren didaktischer Anspruch gilt auch für das Zürcher Einführungs-modul: «Eine der wichtigsten Grundlagen der Grundlehre ist die gegenseitige Kritik, die zur Rechtfertigung der eigenen Arbeit führen soll. Dabei sollen eingefahrene Anschauungen und vorgefasste Meinungen erschüttert werden, um ein selbständiges Arbeiten zu ermöglichen.»

propaedeutikum.zhdk.ch industrialdesign.zhdk.ch

QUELLEN

BONSIEPE, Gui (1966): Ergebnisse aus dem Unterricht. Dreidimensionale formale Übungen. In: ulm – Zeitschrift der Hochschule für Gestaltung Ulm, Nr. 17/18, S. 21 – 34.

CLIVIO, Franco et al. (2009): Verborgene Gestaltung. Dinge sehen und begreifen (Schriften zur Gestaltung). Basel: Birkhäuser.

SENNETT, Richard (2008): The Craftsman. London: Allen Lane.

AUTORINNEN

Die Industriedesignerin Nicole Kind hat nach ihrer Ausbildung in verschiedenen Designagenturen im In- und Ausland gearbeitet. Seit 2002 verantwortet sie das Grundstudium der Fachrichtung Industrial Design an der ZHdK; seit 2012 leitet sie die Bachelor-Vertiefung gemeinsam mit Sandra Kaufmann.

Franziska Nyffenegger, Kulturwissenschafterin und Texterin, unterrichtet seit 2008 an der ZHdK. Sie vermittelt angehenden Designerinnen die Entwurfskompetenz Schreiben. Sie leitet zudem Seminare zu Designgeschichte, Designtheorie und ethnographischen Methoden im Design.

FOTOS

Hansruedi Rohrer, Karin Meier, Lisa Ochsenbein

komplex lösbare Funktion mit einem ho-hen formalen Anspruch. Auch hier gilt es in Varianten zu denken, mit Linie, Fläche, Volumen und ihrer Verbindung zu spielen und die erarbeiteten Typologien einzuset-zen.

Die Studierenden lernen in Iterationen zu entwerfen und ihre gestalterischen Entscheidungen zu argumentieren. Sie lernen, dass gutes Design Kognition und Reflexion braucht und nie aus dem (hoh-len) Bauch kommt. Sie lernen, an einem Thema zu bleiben, genau hinzuschauen, in die Tiefe eines Problems einzutauchen und trotz vielerlei Hindernisse nicht auf-zugeben. So üben sie Frustrationstoleranz und Offenheit – Offenheit auch für Zufäl-le, die sich im Umgang mit dem Material ergeben und die sich weiterentwicklen lassen. Und sie lernen, dass es sich lohnt, schrittweise, fokussiert und langsam an das Neue heranzugehen.

Das disziplinierte, geduldige Durch-buchstabieren der gestalterischen Grund-lagen erinnert an das Tonleiterspiel junger Musikerinnen: Zunächst dissonant und ohne Rhythmus, wird es mit jeder Wieder-holung harmonischer und geht schliesslich über in virtuose Improvisation.

sam Kriterien zu ihrer Beurteilung entwi-ckelt. Eine Idee vermag vielleicht konst-ruktiv zu überzeugen, nicht aber formal; eine andere wirkt ästhetisch interessant, widersetzt sich aber dem Material; eine dritte löst die Funktion ideal ein, eignet sich aber nicht für die serielle Herstellung; eine vierte überrascht durch eine unge-wohnte Verbindung, lässt sich aber nicht modularisieren. Die Gegenüberstellung von konkreten Entwurfsbeispielen macht Unterscheidungs- und Qualitätsmerkma-le im Wortsinn begreifbar.

Im Austausch lernen die Studierenden zudem, ihre Urteile zu begründen und zu relativieren. Variantenreichtum und Ver-gleich führen zu einem allgemeinen Aha-Erlebnis: «Ach! So kann man das ja auch noch lösen!» Die kleinen, einfachen Übun-gen führen eindrücklich vor, dass es im Design nie nur eine Lösung gibt, sondern immer eine Vielfalt an Lösungsmöglich-keiten – und dass die Wahl einer bestimm-ten Lösung immer Begründung braucht. Und sie verdeutlichen den Stellenwert von Teamarbeit im Design.

Die eng formulierten Aufgaben mit einem klaren Fokus beispielsweise auf die Vorgabe des Materials, auf die Art der Verbindung oder des Herstellungsverfah-rens klammern bewusst andere, ebenfalls wichtige Anforderungen aus, wie etwa die industrielle Produktion, Stückzahl, Logis-tik, Ergonomie, Zielgruppe, Preis etc. All diese Funktionen, die ein gut gestaltetes Produkt zu erfüllen hat, werden im Laufe des Studiums thematisiert, so dass die Komplexität der Aufgaben laufend zu-nimmt.

DIDAKTIK DER KLEINEN SCHRITTEWie bei den einführenden Etüden, wird auch die Entwurfsaufgabe im zweiten Teil des Moduls eng formuliert. So geht es etwa darum, ein zweiteiliges Salatbesteck zu entwerfen, eine aufklappbare Fruchtscha-le, einen Pfannengriff oder ein modulares und zerlegbares Tischuntergestell. Die konkrete Aufgabe wird bei jeder Durch-führung des Moduls neu definiert, bezieht sich aber immer auf eine technisch nieder-

vom Kleinen zum Grossen. Es entsteht die Basis für ein gestalterisches Repertoire, auf das die Studierenden in der späteren Ent-wurfsarbeit zugreifen können. Der abs-trakte Begriff der Verbindung wird in der Beobachtung konkret: hier eine lösbare Verbindung, dort eine fixe, hier eine Schnapp-, dort eine Schraubverbindung, hier eine Verbindung aus zwei verschie-denen Materialien, dort eine nicht sichtba-re, verborgene, hier eine unmittelbare, aus dem Material heraus gestaltete, dort eine mittelbare und temporäre …

Auf diesen quasi designethnographi-schen Einstieg folgt eine Reihe von hand-werklichen Fingerübungen zu Grundfra-gen im Design: Was unterscheidet die Linie von der Fläche? Wie wird aus einer Fläche ein Volumen? Welche Möglichkeiten gibt es, um zwei und mehr Elemente miteinan-der zu verbinden? Inwiefern beeinflussen die Materialwahl und das Herstellungs-verfahren die gestalterische Lösung? Und wie kommt man vom Einzelstück zur Se-rie?

Die Aufgaben werden bewusst eng formuliert. Die strengen Vorgaben stellen erstens die Kreativität der Studierenden auf die Probe und führen zweitens zu Ver-gleichbarkeit in der Klasse. Alle Ideen werden im Plenum diskutiert und gemein-

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Als tragendes Prinzip des Kunst- und Werkunterrichts ist das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele zu nennen, also die Handlungsorientierung, die in ein ausgewogenes Verhältnis von Produktion, Rezeption und Reflexion münden muss. Das Ästhetische kennzeichnet Gunter Ot-to als einen Aspekt von Rationalität, der gleichrangig neben den theoretisch-wis-senschaftlichen oder den begrifflichen Erkenntniswegen in Bildungsprozessen besteht (Otto 1991, S. 145).

Bildnerisch-ästhetisches Handeln und Urteilen ist als eine anspruchsvolle Geistes-tätigkeit zu verstehen. Aus didaktischer Perspektive bedeutet dies, einerseits die kognitive Durchdringung bildnerischer Gestaltung zu fördern und zugleich ande-rerseits die selbstständige ästhetische An-eignung von Wirklichkeit neben theoreti-schen und begrifflichen Zugangsweisen zu unterstützen. Die ästhetische Bildung legt den Schwerpunkt nicht nur auf die Aneignung von Wirklichkeit und den Kompetenzerwerb, sondern gestaltet Wirk-lichkeit in besonderem Ausmass aktiv und auf ästhetische Weise. Nicht nur der Pro-duktionsprozess, auch der Rezeptionspro-zess bedarf ästhetischer Aktivität, denn wir sind gezwungen, aktiv und eigenstän-dig Sinn zu erschliessen. Wir müssen uns auseinandersetzen – sowohl mit dem An-deren, Fremden, präsentiert im Werk, wie auch mit uns selbst – um das Erfahrene einzuordnen, zu strukturieren usw. Wir gestalten das Werk aktiv mit, bringen uns selbst in das Werk mit allen Empfindungen und Gedanken ein, entwickeln eigene Vorstellungen und Interpretationen dazu.

Im Produktionsprozess zeigt sich die aktive Gestaltung von Wirklichkeit noch offensichtlicher: Das Bauen oder Konstru-ieren erfordert das Aktivieren innerer Imaginationen, um etwa gestalterische Entwürfe zu generieren. Es wird etwas hervorgebracht – und zwar etwas, das auf ästhetische Weise gestaltet ist. Einerseits entstehen Kompetenzgefühle und es wächst das Selbstwertgefühl, wenn ich etwas erschaffe, wenn das Werk vollbracht ist und mir gegenüber steht. Andererseits bringe ich dabei etwas von mir persönlich hervor – ein Motiv, das mich beschäftigt,

keit, Qualität der Ideen), Interesse an tie-fenräumlicher Darstellung – Detailgenauigkeit, Komposition, Kons-truktionsvielfalt, Handgeschicklichkeit – suchender Strich, entschiedene Linie, Farbsensibilität, Konstruktionsgeschick– Vorgehensweise: Experimentieren, Kon-struieren, Entwerfen, Skizzieren, Nach-denken, Nutzen von Vorlagen, intensives Gestalten aus der Vorstellung– akzelerierte Entwicklung des bildneri-schen Vermögens, ausgeprägte visuelle Aufmerksamkeit, Gedächtnis für Bilder– hohe Motivation als Gestaltungsmotor, Durchhaltevermögen bei der Ausarbeitung (Ambiguität/Frustrationstoleranz), Inten-sität, Problemsensitivität, Konzentration, Versunkenheit, Humor ...

Wenn der Lernstand zu den bildneri-schen Kompetenzen, Interessen und Prä-ferenzen, dem kreativem Vermögen usw. ermittelt/diagnostiziert und dokumentiert ist, gilt es, die relevanten Lernziele abzu-leiten und eine Auswahl der Inhalte sowie, daraus folgend, der Methoden und Sozi-alformen zu treffen. Mit einer kontinuier-lichen Reflexion und Anpassung einzelner Schritte sind die Unterrichtssequenzen durch die Lehrperson durchzuführen. Die Lernenden können und sollten an diesen Abläufen beteiligt werden, etwa mit der Selbsteinschätzung ihres Leistungsstands, mit der Mitbestimmung der Lernziele, der Partizipation an der Planung und Durch-führung von Unterrichtssequenzen, in der Bewertung und Reflexion ihrer Leistungen und der Selbsteinschätzung und Reflexion des Kompetenzgewinns im Lernzuwachs.

Anschauliche Lehrmethoden und vor allem die präzise Beobachtung der Schü-lerinnen und Schüler in Bezug auf ihre bildnerischen Interessen und gestalteri-schen Präferenzen tragen dazu bei, die Darstellungsfähigkeiten zu steigern. Ge-staltungsideen zu entwickeln, prozessori-entiert zu arbeiten, konzeptuell ein Prob-lem zu durchdringen, ein Werk auszuar-beiten und zu verbessern – diese Tätigkeiten betonen die reflexive Seite ästhetischer Bildungsprozesse und fördern das kritische Urteilsvermögen.

ein Gefühl, eine Leidenschaft, ein Interes-se – gleich, ob ich ein Bild male oder einen Stuhl baue. Das ästhetisch-praktische Tun bildet eine Brücke zwischen der inneren Vorstellungswelt und der äusseren Wirk-lichkeit. In diesem Prozess, etwas von In-nen nach Aussen zu bringen und den Vorstellungen in ästhetischer Form Gestalt zu verleihen, wird geordnet, strukturiert und gegliedert. Der Formfindungsprozess verarbeitet das Erlebte – in der Auseinan-dersetzung mit dem Selbst und dem An-deren. Diese Leistung, eine Vorstellung wie auch immer geordnet auf das Papier zu bringen oder zu modellieren, konstruk-tiv umzusetzen oder konzeptionell zu gestalten, ist ein vielschichtiger kreativer, aktiver Akt, der das Verhältnis zur Welt ein Stück weit zu klären vermag. Die mit diesem Prozess oftmals zu beobachtende Versunkenheit und Konzentration, weil die volle Aufmerksamkeit im ästhetischen Tun gebunden ist, sind Merkmale ästheti-scher Bildungsprozesse. Zugleich fördert der Umgang mit verschiedenen Materia-lien die Entwicklungsgrundlagen im trieb-dynamischen, emotionalen und sinnlichen Bereich, die zum Aufbau kognitiver Kom-petenzen Voraussetzung sind.

GESTALTERISCHE KOMPETENZENGestaltungskompetenzen werden sukzes-sive entwickelt. Ein Ausgangspunkt, um für den Erwerb von Gestaltungskompe-tenz zu motivieren, können die Interessen und Präferenzen der Schülerinnen und Schüler sein. Das bedeutet, zunächst durch Beobachtung und Befragung herauszufin-den, welche bildnerischen Vorlieben und individuellen Begabungen eine Schülerin, ein Schüler hat: – Grafik oder Farbe, räumliches Gestalten, Bauen, Formen, Konstruieren, mediales Gestalten oder Tanz, Theater, Performance – Vorlieben für bestimmte Materialien, Farben, Gestaltungsformen, Verfahren, Ausdruck innerer Wirklichkeit oder Dar-stellung äusserer Wirklichkeit– Vorlieben für Bildsorten, Kunststile, Epochen, Darstellungsweisen, Medien, Architektur, thematische Präferenzen– Unkonventionalität der Bildkonzepte, Ideenreichtum (Einfalls- und Denkflüssig-

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ÄSTHETISCHE BILDUNG

A K T I V U N D E I G E N S T Ä N D I G S I N N E R S C H L I E S S E N

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LITERATUR

KIRCHNER, Constanze/ KIRSCHENMANN Johannes (2015): Kunst unterrichten. Didaktische Grundlagen und schülerorientierte Vermittlung. Seelze.

OTTO, Gunter (1991): Ästhetische Rationalität. In: Zacharias, Wolfgang (Hg.): Schöne Aussichten? Ästhetische Bildung in einer technisch-medialen Welt. Essen, S. 145 – 161.

WYSS BEER, Barbara (2018): Gestalterisch-konstruktives Problemlösen bei Sechs- und Achtjährigen. Theoretische Grundlagen und empirische Studie zur Technischen Gestaltung in Kindergarten und Unterstufe. [Online:<opus.bibliothek.uni-augsburg.de>, April 18].

AUTORIN

Prof. Dr. Constanze Kirchner ist Inhaberin des Lehrstuhls für Kunstpädagogik an der Universität Augsburg. Sie ist Mitherausgeberin der Fachzeit-schrift Kunst + Unterricht und der Reihe KREAplus im kopaed-Verlag.

ÄSTHETISCHE DIMENSIONEN Werken ist wesentlicher Bestandteil kul-tureller Bildung – so wie Technik und Design Phänomene menschlicher und kultureller Entwicklung sind. Als eigen-ständiges Fach sind Werken/Technik/ Design unverzichtbar in den Schulen ver-ankert, insbesondere weil wichtige bil-dungstheoretische, politische und ökono-mische Interessen damit verbunden sind. Hier erwerben die Lernenden in enger Verknüpfung von Theorie und Praxis die erforderlichen Kompetenzen, um mit un-terschiedlichen Werkstoffen (Holz, Metall, Papier, Ton, Kunststoff) und den Kennt-nissen darüber, eigene Werkstücke nach sowohl gestalterischen als auch technisch-funktionalen Anforderungen herzustellen und nach fachlichen Kriterien zu beurtei-len.

Im Werkunterricht werden kreatives Denken und Handeln sowie ein kulturel-les, ökonomisches und ökologisches Be-wusstsein ebenso gefördert wie ein grund-legendes technisches Verständnis. Die vertieften Einblicke in zeitgemässe hand-werkliche und industrielle Arbeitstechni-ken sowie die eigene praktische Arbeit mit unterschiedlichen Werkstoffen tragen zur beruflichen Orientierung der Schülerinnen und Schüler bei. Ein technisches Grund-verständnis, z. B. bezüglich Statik und Mechanik, wird geschult und notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten zur Bewälti-gung technischer Alltagsprobleme werden vermittelt. Daneben erwerben die Schüle-rinnen und Schüler Wissen hinsichtlich technischer Produktionsabläufe im Kon-text moderner Massenproduktion, was sie befähigt, daraus Konsequenzen für ihr eigenes alltägliches Handeln zu ziehen, auch im Hinblick auf einen verantwor-tungsvollen Konsum von Rohstoffen, Ener-gie und Produkten. Häufig stehen die fachgerechten und funktionalen Aspekte eines Werkstücks im Vordergrund einer Aufgabenstellung, doch insbesondere die inhaltliche Kopplung mit problemlösen-den Prozessen bringt die ästhetischen Dimensionen des funktionalen Gestaltens zum Vorschein.

Zwar entwickelt sich das Vermögen, mehrdimensional und abstrakt zu denken

sowie komplexe Bezüge herstellen zu kön-nen, erst im Jugendalter, doch das Prob-lemlösen im konstruktiven Gestalten be-ginnt bereits in der frühen Kindheit. Die Gestaltungskompetenz entwickelt sich prozessual im Zusammenspiel von Wahr-nehmung, Vorstellung, Erinnerung, Reor-ganisation und Veranschaulichung. Die Prozesse des Analysierens eines bildneri-schen Problems, das Planen von gestalte-rischen Handlungsschritten zur Problem-lösung, das Entwerfen von gestalterischen Massnahmen und die konkreten gestalte-rischen Ausführungsschritte tragen auf ästhetische Weise zur Entwicklung des kognitiven Denkens bei.

Das problemorientierte Lernen ist we-sentlicher Bestandteil der Fächer Werken/ Technisches Gestalten/Design – ebenso wie es die Zielsetzungen ästhetischer Bil-dung sind. Mit diesen verbunden ist die Handwerklichkeit, die Selbstwirksam-keitserfahrungen ermöglicht und die das Zusammenspiel manueller und kognitiver Tätigkeiten erfordert. Dass bildnerisch-ästhetische Prozesse als Form der Prob-lemlösung anzuerkennen sind, beinhaltet z. B. auch die Erkenntnis, dass Skizzen und Entwürfe der Planung von Problemlösun-gen dienen und dass verschiedene Metho-den des Zeichnens als Planungsinstrumen-te verwendet werden können. Dabei findet eine Verknüpfung technisch-konstruktiver und bildhaft-repräsentativer Realisationen statt, die gleichzeitig gedanklich planend bzw. reflektierend und manuell technisch ausgeführt werden (Wyss 2018). Hierbei sind die Handlungsoptionen, die eine Aufgabe bieten kann, entscheidend. Wel-che Problemlösestrategien angewendet werden müssen, um bildnerische Gestal-tungsaufgaben zu bearbeiten, zeigt der Blick auf Designprozesse. Dies entwickelt die Forschungsarbeit von Barbara Wyss (2018): Modelle von Designprozessen vi-sualisieren zirkuläre und rekursive Ver-läufe, die durch das Aufgreifen und Ana-lysieren von Problemstellungen, von Lö-sungsansätzen, dem Verwerfen, Prüfen, Realisieren und Evaluieren gekennzeichnet sind. Es kommt zu Vorwärts- und Rück-wärtsbewegungen, Schleifen und Rück-koppelungen, aber auch zu klaren Merk-

malen, die einen zweckgerichteten Gestal-tungsprozess charakterisieren, u.a. Sensibilität für das Gestaltungsproblem, Analyse, Recherche, Planung, Konzeption, Entwerfen, Optimieren, Ausarbeiten und Reflektieren (ebd.).

RELEVANTER GEGENWARTSBEZUGNeben der Werkstoffkunde, den verschie-denen Fertigungsverfahren und Verbin-dungstechniken oder dem Gesundheits- und Umweltschutz wird immer wieder das Problemlösen als zentrale Kompetenz der werktechnischen Gestaltungsfelder genannt. Dies spiegelt sich in Aufgaben-stellungen, wie z. B.: «Entwickle eine in-telligente Lösung für das Wechseln des Leuchtmittels.» Dabei zu berücksichtigen sind die alters- und entwicklungsgemässe Ausbildung von Problemlösungs- und Handlungsfähigkeit im handwerklichen, technischen und gestalterischen Bereich, die Experimentierfreude und die Bereit-schaft zu neuen Lösungswegen sowie die konkrete Realisation eigener Ideen.

Der Gestaltungsprozess ist ein wichti-ger kreativer Akt bei der Planung und Fertigung von Werkstücken. Hierbei geht es darum, eigenständig Formen in Abhän-gigkeit von Funktion, Material und Ver-fahren zu entwickeln, Formbeziehungen zu berücksichtigen und auch Farbe als Gestaltungselement mit einzubeziehen. Erst mit dem eigenen praktischen Tun können sich das Verständnis und auch das kritische Urteilsvermögen für Handwerk, Design und Technik sowie für die Wert-schätzung und den Wandel kultureller Errungenschaften entwickeln. Ein fachlich begründetes Urteil, etwa über historische und aktuelle handwerkliche Erzeugnisse oder über eigene Werkstücke, unterstützt die Anerkennung handwerklicher Leis-tungen in unserer Gesellschaft und einer Lebenswelt, in der die handwerkliche Produktion keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

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a s y m m e t r i s c h , g e b e u l t , g e d e l l t , b a u c h i g ,

s t u m p f w i n k l i g , b o c k b e i n i g , e i n g e s p a n n t ,

a b g e p l a t t e t , g e p e r l t , p e r f o r i e r t ,

MUT ZU KOMPLEXITÄT

G E S T A L T E R I S C H E P R O Z E S S E L E H R E N U N D L E R N E N

te sichtbar werden. Dies gilt selbstredend auch in Hinblick auf die gestalterischen Kompetenzen. Rechnet man sämtliche Schuljahre und Unterrichtsvorhaben «hoch», ergäbe dies doch eine beträchtliche Anzahl von Gelegenheiten, in denen die ästhetische «Lesefähigkeit» kontinuierlich experimentierend, betrachtend, reflektie-rend, ordnend und analysierend ausdiffe-renziert werden könnte – gleichwertig mit den Bereichen Funktion, Konstruktion und Verfahren. Lernen wie Gestaltung «geht», ist sicherlich ein komplexerer Vorgang als eine Schraubverbindung sachgerecht an-zuwenden. Doch eine der Grundregeln fürs Lernen ist, ob Schraubverbindung oder Gestaltung, dass zuerst Aufmerksamkeit entstehen muss, indem Lehrende und Ler-nende gemeinsam den Lerngegenstand fokussieren. In der Vermittlung von Verfah-ren ist dies eine Selbstverständlichkeit – wird die Regel jedoch auch in Bezug auf das mögliche Aussehen eines Produktes ange-wandt? Im Lehrplan 21 steht dazu: «Aus-gangspunkt (für Aufgaben) ist meist die Auseinandersetzung mit der Funktion und Konstruktion eines Produktes, mit den Gestaltungselementen (…) die genau be-trachtet, analysiert und experimentell er-probt werden.» Für den Unterricht heisst es, dass gemeinsam darüber nachgedacht und geforscht wird, wie etwas aussehen könnte, darzustellen wäre und welche praktischen Umsetzungsmöglichkeiten es gäbe. Schülerinnen und Schüler sollen da-bei an bereits Bekanntes anknüpfen, ihre Möglichkeiten und Vorstellungen erwei-tern, ausdifferenzieren können, Bewährtes vielleicht in Frage stellen und gefestigte Ordnungen umbilden dürfen. Dazu braucht es ein offenes Lernklima, Vertrauen ins ei-gene Lernen, in die Lehrperson und eine adäquate Begleitung.

In den drei Kompetenzbereichen des neuen Lehrplans lassen sich Beschreibun-

Reden wir im Unterricht wirklich über Gestaltung, wenn wir über Gestaltung reden? Fordern und Fördern wir die Schü-lerinnen und Schüler tatsächlich im Bereich der Gestaltung, wenn wir mit Ihnen über

Farben, Materialien, Plastizität oder Pro-portionen sprechen? Gelingt es uns,

die Teilkompetenz «Gestal-tungselemente» aus dem Lehr-

plan 21 in Feinzielen und Kriterien zu fassen? Und bieten wir den Lernenden, anstelle von Lösungen, Aktivitäten für eine lehrreiche gestalterische Auseinan-dersetzung an?

Zu beobachten ist, dass im Texti-len und Technischen Gestalten

wenig über Gestaltung gesprochen (und geschrieben) wird. Es ist einfacher, über Schwierigkeiten im Umgang mit Werkzeug und Maschinen zu diskutieren, sich über Tricks und Tipps für die Anwen-dung bestimmter Verfahren auszutauschen oder die praktischen Funktionen eines Dinges zu erfassen. Für solche Beschrei-bungen kennen Lehrpersonen, aber auch Schülerinnen und Schüler, meist die ad-äquaten Begriffe. Um jedoch die Wirkung gewählter Farbkontraste oder die Anord-nung von Formen auf einem Produkt er-

klären zu können, braucht es ei-nen spezifischen Wortschatz

– dieser wiederum kann sich nur durch die kon-

tinuierliche Auseinan-dersetzung mit all denjenigen Elemen-

ten entwickeln, die die visuelle, haptische

und symbolische Erscheinung eines Pro-duktes bestimmen.

LEHREN UND LEHRPLAN 21Grundsätzlich sollen im Unterricht Lern-entwicklungen in Gang gesetzt werden und als Folge dieses Lernens müssten Fortschrit-

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e i n g e s c h n ü r t , o f f e n p o r i g , p a r z e l l i e r t ,

l a n g h a l s i g , g e k n i c k t , f a l t i g , o n d u l i e r t ,

b o m b i e r t , g e s p r e i z t , a m o r p h , a m e t r i s c h ,

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QUELLEN

REICHENBACH, Roland (2017): Ästhetische Bildung. Notwendigkeit oder «nice to have»? Vortrag anlässlich der SGL Jahresversammlung Design und Technik, PHZH. Zusammenfassung In: Werkspuren 150/2018, S. 48 – 49.

TRUNIGER, Peter / ZIMMERMANN, Andrea (2015): Fragegeleitetes Mentorat im gestalterisch-künstlerischen Prozess. In: BÖKWE-Fachblatt 4/2015, S. 44 – 77.

WETZEL, Cornelia (2015). Erlernte Hilflosigkeit im Kunstunterricht. In: BÖKWE-Fachblatt 4/2015, S. 130 – 133.

ANGEHRN, Pascal / Zürcher Hochschule der Künste (2010): Formfächer. Design, Begriffe, Begreifen. Ludwigsburg: Avedition.

AUTORIN

Lisa Späni unterrichtet an den Pädagogischen Hochschulen Schaffhausen und Zug Textiles und Technisches Gestalten. Sie arbeitete über 25 Jahre in der Redaktionsgruppe der Werkspuren mit.

gen finden, die sich klug verbinden lassen. Wahrnehmen, beschreiben, untersuchen, erkennen, vergleichen, veranschaulichen, dokumentieren usw. sind die Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler, die im Kom-petenzbereich 1 «Wahrnehmung und Kom-munikation» beschrieben sind. Im Kom-petenzbereich 2 «Prozesse und Produkte» betätigen sich die Lernenden, indem sie untersuchen, erzählend beschreiben und bewusst auswählen oder beurteilen und gezielt einsetzen. Die Wahrnehmung soll über die Sprache zur Erkenntnis und mit einer zielgerichteten Handlung verbunden werden. Ausgewählte Ergebnisse, wie etwa aus Gestalterischen Experimenten, finden im Produkt später eine absichtsvol-le Umsetzung.

Nicht nur klassenintern geschaffene Dinge bieten sich für das gestalterische Lernen an. Im Kompetenzbereich 3 «Kon-texte und Orientierung» sollen Objekte anderer Kulturen und Zeiten und deren Symbolgehalt erkannt und gedeutet wer-den können. Damit bieten sich wunderba-re Anknüpfungspunkte für Gespräche an, über kulturell, gesellschaftlich, sozial be-dingte Vorlieben und technische Möglich-keiten, die die Gestalt von Produkten be-einflussen.

Auch wenn die Kompetenzstufen in Bezug auf die Gestaltungselemente wenig feinmaschig sind, lassen sich doch einige wesentliche Hinweise auf stufenspezifi-sche Gegebenheiten finden. Im Verlauf der Schulzeit soll der Umgang mit Material und Oberfläche, Form und Farbe zuneh-mend differenzierter und zielgerichteter werden. Jüngere Kinder beispielsweise können Farben unterscheiden und benen-nen und zu einfachen Aufträgen gezielt auswählen. Jugendliche hingegen sollen Farbkombinationen entwickeln und die Farbwirkung gezielt einsetzen können. Die curricularen Vorgaben verpflichten zu einem Unterricht, der in Bezug auf die

«Ich kann das nicht», «Mir fehlen die Ide-en» oder «Ich war schon immer eine Fla-sche im Zeichnen, Malen, in der Hansgi». Gerade in gestalterischen Fächern wird eigenes Versagen häufig auf fehlende Be-gabung zurückgeführt. Zu beobachten ist, dass solche Schülerinnen und Schüler mit der Zeit jegliche Anstrengungsbereitschaft verweigern, passiv werden oder sich auf-fällig verhalten. Die Ergebnisse ihrer ge-stalterischen Auseinandersetzung sind weit vom möglichen Niveau ihrer Alters-stufe entfernt. Sie scheinen im gestalteri-schen «Grundwortschatz» steckengeblie-ben zu sein.

Wichtiger als eine «künstlerische» Be-gabung oder deren Zuschreibung ist ein sogenannt dynamisches Selbstkonzept. Diese Kinder und Jugendliche sind über-zeugt davon, dass sie durch die eigenen Bemühungen ihre Fähigkeiten erweitern können und setzen sich im Unterricht ent-sprechend ein.

Gerade kleinere Kinder «leiden» in der Regel noch nicht an negativen Selbstkon-zepten. Sie bestechen durch ihren Optimis-mus, den Glauben an ihre eigenen Fähig-keiten. An den, von ihnen gestalteten Dingen, werden zwar die «fehlende» Fein-motorik und der noch «unsachgemässe» Einsatz von Materialien sichtbar, dies schmälert für die Kinder die Identifikation mit dem geschaffenen Objekt jedoch nicht.

Kinder im Vorschulalter schweifen auch gerne ab, sie fokussieren mal dies, dann jenes. Es ist für sie, aufgrund des noch fehlenden Arbeitsgedächtnisses, kaum möglich, die funktionalen, konstruktiven und gestalterischen Aspekte eines Produk-tes gleichzeitig zu fokussieren. Absichts-volle gestalterische Eingriffe werden erst dann leistbar, wenn der Werkstoff genü-gend erkundet und vertraut ist. So sollen junge Kinder möglichst oft die Gelegenheit haben, mit unterschiedlichsten Materiali-en und Werkzeugen zu hantieren, mit

unterschiedlichen Farben, Oberflächen, Formen, Werkstoffen zu fabulieren, damit sich ästhetische Erfahrungen festigen und ausdifferenzieren können.

Natürlich spielen weitere Faktoren eine Rolle, ob und wie stark sich Lernende auf gestalterische Prozesse einlassen, wie etwa der persönliche Geschmack. Dieser kann mit demjenigen der Lehrperson kollidieren, anstelle von Neugierde Neuem gegenüber, fallen die Schülerinnen und Schüler in den Modus der Anpassung, verbale Äusserun-gen oder Vorzeige-Produkte der Lehrperson werden in der Folge als Aufforderung zur Nachahmung verstanden. Anstelle indivi-dueller Suche wird Gestaltung kopiert.

Geschmack wird geprägt, beispielswei-se durch die Herkunft, das Geschlecht, das Alter oder sozioökonomische Bedingungen. Damit aus dem eigenen Geschmack gestal-terisches Urteilsvermögen entstehen kann, brauchen die Schülerinnen und Schüler Verknüpfungen an bereits Bestehendes, vielfältige ästhetische Zugänge, Irritationen, Staunen, unermüdliche Auseinanderset-zung und die Überzeugung, dass es loh-nenswert ist, sich konzentriert an den ge-stalterischen Aufgaben zu beteiligen.

WAS TUN LEHRPERSONEN?Gerade im Fachbereich «Natur, Mensch, Gesellschaft» ist es selbstverständlich, dass sich der Unterricht am Vorwissen bezie-hungsweise an den Präkonzepten der Schülerinnen und Schüler orientiert. Wis-sen Lehrpersonen auch, was Kinder und Jugendliche bereits über Farbwirkungen, symbolische Funktionen, unterschiedliche Stile oder Gestaltungselemente erfahren und umgesetzt haben? Könnte man nicht vielleicht, durch das Bewusstmachen des Vorwissens, Schülerinnen und Schüler dafür gewinnen, dass sie am Bestehenden anknüpfen und weiterlernen wollen? Dies könnte mit der Kommunikation einer Leistungserwartung – auch in Bezug auf

die Gestaltung – einhergehen. Das Lernen braucht entsprechende Übungs- und Ex-perimentierphasen und die Möglichkeit , ein persönliches Verhältnis zur Sache auf-zubauen. Dies wiederum braucht eine sorgsame Begleitung durch die Lehrper-son. Sinnvolle gestalterische Experimente sollen Kinder dazu ermuntern, anstelle bequemer Wiederholung des Bekannten neues Terrain zu beschreiten.

In der Begleitung von gestalterischen Prozessen ist sicherlich eine gewisse Bera-tungskompetenz der Lehrperson notwen-dig. Dazu gehört ein vielfältiges Repertoire an animierenden, herausfordernden, un-terstützenden Fragen. Vielleicht lohnt es sich sogar, einige «Mustersätze» zu notie-ren, die sowohl in der individuellen Be-gleitung, wie in der Auswertung Gestal-terischer Experimente zu Hand wären. – Fragen, die Impulse für die Suche nach weiteren gestalterischen Lösungen geben können. (Wie könntest du dir die Oberflä-che auch noch vorstellen? Welche anderen Formen wären möglich?)– Evaluierende Fragen, bei denen die Ler-nenden zu einer Stellungnahme aufgefor-dert werden. (Was meint ihr zu den Ober-flächen eurer Boxen?)– Divergierende Fragen, die vernetztes und kreatives Denken fördern, bei denen meh-rere Antworten, Lösungen möglich sind. (Welchen Namen könntest du deinem Farbkontrast, deiner Form, deinem Orna-ment, deinem Produkt … geben?) – Impulse geben, anstatt Fragen zu geben. (Sucht, erforscht, vergleicht, variiert… )

OBEN, UNTEN, INNEN, AUSSENDie Gestaltung von Produkten im Techni-schen und Textilen Gestalten ist spannend und komplex. Der «Gegenstand» ist nicht einfach ein «Malgrund», den man beliebig mit Farben und Mustern bestücken kann. Er hat Volumen, Proportionen, begrenzte Flächen, ein Oben, Unten, Innen, Aussen,

Hinten usw. Seine Wirkung kann durch die Gestaltung poetisch, provokant, zu-rückhaltend, fröhlich werden. Er ist durch seine unübersichtliche Vielflächigkeit, seine funktionalen und symbolischen Funktionen eine besondere Herausforde-rung. Für die Lernenden, wie auch für die Lehrenden.

Gestalten lehren und lernen ist kein lapidarer Vorgang. Trauen wir uns zu, gestalterische Lernaufgaben auszutüfteln, gestalterische Prozesse engagiert zu be-gleiten, Selbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler wahrzunehmen und entspre-chend darauf reagieren zu können. Muten wir den Kindern und Jugendlichen zu, dass sie «Klischees» des Sehens überwinden können, anstelle von Imitation den eigenen Ausdruck finden, Gestaltung als das wahr-nehmen, was sie ist; kein dekoratives oder formalästhetisches Tun, sondern Anstren-gung und Freude – damit die «Sache» immer wieder zur persönlichen ästheti-schen Geschichte wird.

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Gestaltung keine Auslassungen zulässt, der gestalterische Prozesse, sowie gestal-tete Produkte als selbstverständliche Un-terrichtsinhalte ernst nimmt.

KLEINE EPISODEAn der Fensterscheibe sind Blut und ein paar Federn zurückgeblieben, der tote Vogel liegt auf dem Vorplatz. Der neunjäh-rige Farid möchte wissen, warum solches passiert und wie es verhindert werden könnte. Man entscheidet sich, einfache Vogelsilhouetten an den grossen Fenster-flächen anzubringen – dies unverzüglich. Papier, Schere, Pinsel und Wasserfarben sind zu Hand. Nach einem herzhaften Farbauftrag wollen die Umrisse eines Vo-gels geschnitten werden – nun stockt das Unterfangen. Farid fordert Hilfe (beim Erwachsenen) ein, da er, wie er selber äus-sert, «keinen Vogel zeichnen kann». Nach einer kleinen «Intervention», die Umriss-linien werden vom Erwachsenen in schnel-len Strichen gesetzt, hantiert er mit der Schere, malt dann Schnabel und Augen auf die geschnittene Form – offensichtlich zufrieden in seinem Tun.

Halten wir fest: Farid nutzt die Werk-zeuge selbstverständlich, traut sich den Farbauftrag zu, hat jedoch Angst, am Um-riss des Vogels zu scheitern. Sind es zu hohe persönliche Ansprüche? Könnte dies mit seinem Alter, seiner Entwicklung zu-sammenhängen? Ist es die Gegenwart ei-nes Erwachsenen, die ihn zaudern lässt? Bequemlichkeit? Fehlt ihm die nötige Vorstellungskraft, die Begabung? Liegt es am fehlenden Abbildungswissen? Gewiss, diese Beschreibung wäre eher dem Bild-nerischen Gestalten zuzuordnen – doch sie zeigt einige grundsätzliche Dinge aus der Optik der Lernenden auf.

SELBSTKONZEPTEWas bei älteren Schülerinnen und Schülern oft zu hören ist, sind Bemerkungen wie

p l i s s i e r t , n e t z a r t i g , f l o r a l , g e s ä u m t ,

v e r w a c h s e n , k i s s e n f ö r m i g , g e b ö r d e l t ,

g e s c h u p p t , p r o f i l i e r t , d i a m e t r a l , s t u m p f ,

a u s g e k l i n k t , s c h a r f k a n t i g , z u n g e n -

f ö r m i g , g e b a u c h t , a n g e f l a n s c h t ,

g e s c h n ä b e l t , g e q u e t s c h t .

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GESTALTEN UND ENTWERFEN

F O R S C H U N G S S T A T I O N A L S K O O P E R A T I V E L E R N F O R M

Materialentscheide, Farbwahl und Form-gebung – dabei geht es um Emotionen! Im Gestaltungsprozess spielen die Gestaltungs-elemente für die Lernenden eine zentrale Rolle. Im Idealfall sollte ihr Produkt die eigenen ästhetischen Überzeugungen wi-derspiegeln. Deckt sich das Resultat mit dieser Vorstellung aber nicht, verliert es in den Augen der Betroffenen seinen Wert. Was brauchen Lernende, damit sie sich mit ihrem selber gestalteten Produkt identifi-zieren können? Die Forschungsstation «Gestaltung und Entwürfe» ist ein Weg, wie mit kooperativen Lernformen die Gestal-

weich wirken. Das Beobachten ästhetischer Effekte gelingt besser, wenn diese, so weit es möglich ist, isoliert betrachtet werden können. Oberflächenstrukturen von Tex-tilien lassen sich am besten vergleichen, wenn alle in neutralem Weiss gehalten sind. Farbwirkungen hingegen zeigen sich besser, wenn nicht diverse Materialquali-täten von der Farbfrage ablenken. Aussa-gen zu ästhetischen Kontrastwirkungen sind vergleichend und dadurch immer relativ.

BESCHREIBEN UND BEWERTEN Etwas vom Schwierigsten ist die Überset-zung von ästhetischer Wirkung und visu-ellen Effekten in eine präzise Sprache. Dies muss geübt werden, wobei ein Vokabular zum Beschreiben von visuellen Effekten und Kontrasten hilfreich sein kann. Eine Begriffssammlung (siehe Downloads) zur Beschreibung ästhetischer Wirkungen wird auf Kärtchen gedruckt; die Sammlung ist flexibel einsetzbar und kann mit Aufträgen verbunden werden: Zu den Bereichen Material, Form und Farbe die Begriffe zu-ordnen, Wortpaare mit gegenteiliger Be-

über identische Aussagen und die Mei-nungsvielfalt diskutiert werden.

BEOBACHTEN UND VERGLEICHENAnders als bei der Frage nach persönlichen Vorlieben geht es bei der Arbeit mit dem Zusammenspiel zwischen Material, Farbe und Form darum, sich als Lernende ein gestalterisches Instrumentarium zu erar-beiten und im wahrsten Sinne des Wortes den Gestaltungsspielraum zu erweitern. Wie wirkt eine Farbe neben einer anderen? Wie kombiniere ich verschiedene Materi-alqualitäten zu einem harmonischen Mix? Wie kann man eine Fläche in interessante Teilflächen aufgliedern? Einzelne visuelle Elemente werden miteinander kombiniert, komponiert, arrangiert, gegenübergestellt, sodass die Beziehung zueinander eine Kontrastwirkung erzeugt. Rot ist nicht gleich Rot und verändert sich je nach Um-gebungsfarbe, ein Dreieck nehmen wir manchmal kleiner oder grösser wahr, je nachdem in welche Gestaltung es einge-bettet ist. Genauso verhält es sich mit Tex-turen und Strukturen von Werkstoffen, das gleiche Material kann sowohl hart als auch

tungselemente Material, Form und Farbe erkundet und mit der Lerngruppe ein Ent-wurfspool entwickelt werden kann.

Rasch wechselnde Moden und schnell überholte Designtrends sind eine grosse Herausforderung für den Unterricht! Die Einflüsse sind uns nur teilweise bewusst, trotzdem steuern sie unsere ästhetischen Präferenzen. Ist etwas angesagt, ist es für Schülerinnen und Schüler – aber auch für uns Erwachsene – oft bedeutungsvoll. Als Lehrperson ist es also wichtig, meinungs-bildende Trends in Sachen Mode und Design in den Unterricht zu integrieren,

wenn wir nicht möchten, dass bereits ge-machte Meinungen heimlich den Gestal-tungsprozess behindern. Zum Beispiel wenn ein Schüler den Auftrag für ein Farbexperiment überflüssig findet, weil für ihn von Anfang an seine Lieblingsfar-be gesetzt ist. Wie können wir modischen Trends eine Plattform geben und gleich-zeitig Lust machen auf eigene Experimen-te mit Farbe, Form und Material?

PERSÖNLICHER GESCHMACK Es ist sinnvoll, die persönlichen Meinun-gen innerhalb einer Lerngruppe sichtbar

zu machen und sich darüber auszutau-schen. Aufschlussreiche Fragen könnten anhand verschiedener Stichworte formu-liert werden: Lieblingsfarben, bevorzugte Modetrends, hippe Muster und coole Schnitte, angesagte Marken, Idole oder Vorbilder, Kleidergewohnheiten, No-Gos, Wohnstile, die Meinung der Eltern. Die Fragen sollten in einen direkten Zusam-menhang zum Unterrichtsthema gestellt werden und der Stufe angepasst sein. Nicht jedes Thema ist den Lernenden persönlich gleich nah wie die Kleider, die sie tragen. Aber auch bei der Aufgabe zur Gestaltung einer Holzbox bildet jeder und jede sofort Ideen zu einem möglichen Design.

Abwechslungsreiche Arbeits- und So-zialformen unterstützen die Lernenden dabei, die eigene Meinung zu sagen, mit anderen zu vergleichen und anderen An-sichten gegenüber eine offene Haltung einzunehmen. Schülerinnen und Schüler können kleine Interviews führen, Frage-bogen verfassen und die Ergebnisse visu-alisieren. Aus verschiedenen persönlichen Meinungen ergibt sich das Bild einer Mo-mentaufnahme in der Klasse. Jetzt kann

Innengliederung durch Bohrlöcher: Kleine regelmässige Lochungen mittels Rasterpapier entwerfen, für grosse Durch-messer lohnt sich die Herstellung runder Stempel. Moosgummi mit Locheisen ausstanzen und auf Holzleiste kleben. Entwurf mit Stempelfarbe auf Papier drucken. Innengliederung durch Aussägen: Zum Einzeichnen der Wände eignen sich Geodreieck und Distanzstreifen (gerade) und Saummass (rund). Viele Einzelteile für Fächer mittels Papierformen platzsparend anordnen.

Aussenformen: mit Zirkel und Kurvenlineal zeichnen, durch Falten, entlang der Linien im Quadratraster erfinden, mittels Transparentpapier von Fotos übertragen, durch Gärtnerkonstruktion mit Schnur und Stecknadeln zeichnen.

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DOWNLOAD

Die Begriffssammlung zur Beschreibung ästheti-scher Wirkungen steht auf werken.ch zur Verfügung.

UNTERRICHT

Im Beitrag «Box für alle Fälle» (S. 40) wird die Arbeit mit der Forschungsstation weiter ausgeführt.

AUTORIN

Regula Pinz ist nach vielen Jahren als Dozentin /Kursleiterin in der Lehrerbildung wieder in die Volksschule zurückgekehrt. In ihrem Gestaltungs-unterricht erprobt und verfeinert sie gerne didaktische Formen, damit die Integration von Schülerinnen und Schülern mit unterschied-lichsten Bedürfnissen besser gelingt.

deutung finden und natürlich die Begriffe zum Auswerten der eigenen Experimente heranziehen. Leere Kärtchen ermöglichen es, eigene Wortschöpfungen festzuhalten!

VIELFALT DURCH KOOPERATIONIm Gestaltungsprozess lässt sich manch-mal das Erkunden, Experimentieren oder Entwerfen nicht so einfach auseinander-halten, vor allem wenn man den Lernen-den unterschiedliche Arbeitstempi und selbstorganisiertes Lernen zugestehen will. Als Lehrperson ist es mir wichtig, dass die Lernenden, ohne übereilte Fokussierung auf ihr eigenes Projekt, zuerst eine gewis-se Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten erarbeiten können.

Die «Forschungsstation Gestalten und Enwürfe» schafft diesen zeitlichen und inhaltlichen Rahmen und hat sich in der 5./6. Klasse gut bewährt. Sie ist ähnlich organisiert wie Werkstattunterricht und kann die klassischen fachspezifischen Lernformen wie Materialerkundung und

-erprobung, gestalterische und technische Experimente, Analysen und Entwurfstech-niken beinhalten. Wichtiges Unterschei-dungsmerkmal ist aber, dass hier konse-quent kooperative Lernformen im Zent-rum stehen. Für die Lerngruppe kann der Vergleich mit einem grossen Architektur-büro oder einer wissenschaftlichen For-schungsstation zeigen, wie wichtig die Zusammenarbeit und der Austausch ist: Der Erfolg der Einzelnen hängt davon ab, wie viele gute Teillösungen das Team er-arbeitet und für die Weiterarbeit der Ein-zelnen zur Verfügung stellt.

Die Lehrperson bereitet die erforderli-chen Zugänge im Zusammenhang mit dem Unterrichtsvorhaben vor. Jeder Teilauftrag beschreibt, was herausgefunden werden soll und weist auf das Vorgehen hin. An-leitungen sind schriftlich oder digital zu-gänglich. Die Arbeitsplätze sind mit Ma-terial und Hilfsmitteln eingerichtet und regen zum Experimentieren an. Rasche und aussagekräftige Entwurfsverfahren

motivieren zum Variieren. Die Bearbeitung der Aufträge geschieht in Partnerarbeit oder auch in grösseren Teams. Inputs durch die Lehrerin können jederzeit abgerufen werden, zum Beispiel die Einführung in ein Verfahren oder die Handhabung eines Gerätes. Es ist klar definiert, auf welche Weise die Ergebnisse bereitgestellt werden müssen: Pinboards, Ausstellungen, Han-dyfotos, Markt, Demo usw. Wie immer beim Tüfteln entstehen gerade auch hier neue Lösungen, die jedoch der kritischen Prüfung durch die Lerngruppe standhalten müssen. Dieses kooperative Vorgehen verhindert eine zu grosse Schere zwischen Schnellen und Langsamen und ermöglicht ein «Mitnehmen» der schwächeren Schü-ler und Schülerinnen. Nicht alle leisten gleichviel in gleicher Qualität, was hier aber kaum negativ ins Gewicht fällt. Die Lernenden wählen die Aufträge (meistens) nach Interesse aus, übernehmen Verant-wortung für die Gruppe und die Arbeits-teilung garantiert rasch Ergebnisse.

DESIGNFRAGEN ERKUNDEN: MATERIAL, FARBE, FORM

Unterrichtsbeispiel (Seite 40): Es soll eine dekorative Holzbox zum Versorgen bestimmter Dinge entwickelt werden, mit einem Deckel zum Schwenken, Stülpen oder Klappen. Das Beispiel zeigt, wie die Material beschränkung auf bestimmte Holzwerkstoffe, Industriefilz, Gummi-kordel und Holzperlen die Farbwahl begrenzen, aber durch den Material mix umso interessanter machen. Fragen an der Forschungs-station «Material und Farbe» sind zum Beispiel: Wie unterscheidet sich die rote Farbe bei der MDF-Platte und rotem Industriefilz? Wo findet man den Fichtenholzfarbton im NCS-Farb-katalog? Material- und Farbwirkungen werden hier mit Werkstoffresten ausprobiert. Im Forschungsauftrag geht es darum, eine Bandbreite für Varianten aufzu-zeigen und auch extreme Lösungen zu dokumentieren. Wie wirkt eine

Kombination ganz in schwarz oder nur in Holztönen? Wie sieht eine bunte Lösung aus, wenn jedes Element eine andere Farbe hat? Welche Rolle spielen die Anordnung oder die unter-schiedlichen Farbmengen? Die Station Material und Farbe muss auch später zum Ausprobieren für die eigene Lösung zur Verfügung stehen.Aus gestalterischer Sicht steht bei der schmucken Box die Formgebung im Zentrum. Diese ist eng verbunden mit dem funktionellen Aspekt, denn der geplante Inhalt soll perfekt versorgt werden können, die Box muss aber trotzdem kompakt und ohne Platz-verschwendung daherkommen. Technische Fragen der Machbarkeit beeinflussen die Gestaltung der Innengliederung. An Forschungs-stationen entwickeln die Lernenden Aussenformen und Innen-gliederungen. Die Teams präsentieren ihre Resultate der Lerngruppe, worauf alle mit einem reichen Ideen-pool in die eigene Entwurfsphase starten können.

Wenn der Farbklang feststeht, muss die Menge der Holzplatten und die Farb-verteilung dem Modell angepasst werden – so geht es ohne Messen und ist aussagekräftig.

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U NT E R

R IC H T

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STRUKTURENDie Kinder setzen sich mit der sicht- und fühlbaren Beschaffenheit von Flächen auseinander und finden experimentierend zu einer gestalteten Oberfläche. Durch das Aufbringen oder Eindrücken von Materialien erhalten die Oberflächen Struktur. Nach dem Auf- bringen der Gesso-Dispersions- mischung erstarrt alles zu einem Relief. Mit Acrylfarbe und Kreide werden die Erhebungen und Vertiefungen betont oder kaschiert.

D I E S E F L Ä C H E N S I N D N I C H T F L A C H

KOMPETENZEN / LERNZIELE– Gestaltungsprozesse begutachten und weiterentwickeln.– Experimentieren und daraus eigene Produktideen entwickeln.– Gestaltungselemente Material, Oberfläche, Form und Farbe bewusst einsetzen.

AUFGABENSTELLUNGDiese Auseinandersetzung mit der Oberflächenstruktur von Materialien kann sowohl im TTG als auch im BG umgesetzt werden. Sie eignet sich zur Ausgestal-tung von Gegenständen oder direkt als Bild.

TECHNIK UND DESIGN ERKUNDENEin Relief ist eine künstlerische Darstellung, die sich plastisch vom Hintergrund abhebt, meist aus einer Fläche oder einem Körper heraus. Je nachdem, wie stark die Figuren und geometrischen oder abstrakten Formen aus der Grundfläche herausragen, spricht man von einem Flachrelief (auch Basrelief), einem Halbrelief oder einem Hochrelief (auch Hautrelief). (Quelle: Wikipedia «Relief»)

GESTALTUNGS- UND DESIGNPROZESSSammeln und Ordnen: Die Kinder vergleichen Bildmaterial von Reliefs mit historischem Hintergrund, von zeitgenössischen künstlerischen Arbeiten und von Spuren in der Natur.

Experimentieren und Entwickeln: Den Kindern steht ein breites Materialangebot zur Verfügung. Auswahlkriterien sind Struktur und Kontur. Farbe oder haptische Eigenschaften wie weich / hart spielen keine Rolle. Die Fläche mit der Gesso-Dispersionsmischung bemalen. Die Materialien zuschneiden (oder reissen), auf die Fläche legen und solange verschieben und schichten, bis die Anordnung gefällt. Nun alles mit der Mischung übermalen. Dabei die Anordnung weiter verändern bis alles unter einer dicken weissen Farbschicht verschwunden ist. Den Anstrich wiederholen (frühestens am 2. Tag). Ist alles getrocknet, fühlt es sich hart und kantig an. Haptisch unterscheiden sich die Materialien nur noch hinsichtlich ihrer Struktur und Kontur.

Begutachten und Weiterentwickeln: Die weissen, harten Strukturen können noch mit Farbe akzentuiert oder kaschiert werden. Hierzu wählen die Kinder 2 – 3 Farbtöne aus. Sie werden mit Pinsel und Schwamm in die Oberfläche gedrückt, bis die weisse Farbe nicht mehr zu sehen ist. Nach dem Trockenen können mit Pastellkreide und Kohle die Erhebungen und Vertiefungen weiter betont werden. Dazu wird die Kreide auf einen Finger gerieben und von dort auf die Strukturen.

STUFE 1. Zyklus

DAUER 2 Tage à ca. 2 Lektionen

MATERIAL / WERKZEUG Unterschiedliche Textilien (z. B. alte Kleider), Schnüre, Plastik, Kartons, Netze, Folien.

1:1 Gesso-Dispersion, Einweg-handschuhe (!), Plastikschalen, Lappen, Malschürzen mit Ärmel.Acrylfarbe, evtl. Pastellkreiden, Kohle, Pinsel.

TIPPS Umgebung gut abdecken! Saugfähige Materialien genügend tränken. Für einzelne Bereiche beim 2. Anstrich Quarzsand beimischen, mit Gabel oder gezinktem Spachtel ritzen.

IM INTERNET www.angelapinelli.ch

Historische Reliefs, zeitgenössiche Arbeiten und Strukturen in lehmigem Boden dienen als Anregung.

Einzig Struktur und Kontur der Materialien sind wahrnehmbar.

Mit Pastellkreide und Kohle werden die Strukturen betont.

Verschiedenste Materialien werden geordnet, platziert und schliesslich mit weisser Gesso-Dispersionsmischung übermalt.

Die Relieftechnik bietet sich auch zur Ausgestaltung von Objekten an.

Mit Farbe lassen sich Akzente setzen und kaschieren.

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SCHMUCKE BOXHolzwerkstoffe werden durch Verleimen von Holzmehl, Spänen oder Furnieren industriell hergestellt. Schichtet und verleimt man nun Sperrholzplatten, dünnere Dreischicht-Platten und farbige MDF zu Blöcken, entsteht eine reizvolle Ästhetik. Lage um Lage fügt sich harmonisch zu einem einzigen Ganzen. Jetzt lässt sich aus dem Inneren Material heraussägen oder ausbohren zur Gestaltung einer kleineren Holzbox. Nach dem Schleifen und Entstauben zeigen sich Farbenspiel und Material- mix und offenbaren eine Holzskulptur wie aus einem Guss und in bestechender Optik.

S C H I C H T U M S C H I C H T : H O L Z S K U L P T U R M I T I N N E N L E B E N

KOMPETENZEN / LERNZIELE– Ästhetische Wirkungen von Formen, Farben, Materialien vergleichen, bewerten,

einsetzen.– Aussen- und Innenformen entwerfen, Kartonmodell entwickeln.– Holzwerkstoffe kennen, bearbeiten.

AUFGABENSTELLUNGErfinde eine dekorative Holzbox zum Versorgen bestimmter Dinge. Die Box hat einen Deckel zum Schwenken, Stülpen oder Klappen.

TECHNIK UND DESIGN ERKUNDENInputs, Zugänge, Annäherungen durch: Sprache (Box, Büchse, Dose, Schachtel, Schatulle, Kasten, Kiste); Funktionen (Lautsprecherbox, Mailbox, Geschenkbox, Pferdebox, Beautybox, Gefrierbox, Znüni-Böxli); Bilder (Onlineordner von historischen Schmuckschatullen bis zu zeitgenössischem Holzbox-Design); Originale Objekte (zum Anschauen und Anfassen); Skizzen (Funktionsprinzipien von Deckeln); Werkstoffe (Materialmuster-kiste, Musterkarten, Preise); Kurzfilm (industrielle Herstellung von Sperrholz).

GESTALTUNGS- UND DESIGNPROZESSSammeln und Ordnen: Ideen für Funktionen: Was könnte versorgt werden? Machbarkeit diskutieren und bewerten: Die Boxenmasse sind begrenzt, was hat Platz unter der Dekupiersäge? Wie viel Ausdauer habe ich beim Sägen? Liegt zäher Bambus für mich drin? Ein Testsägen bringt Klarheit. Individuelle Bedürfnis-abklärung; Dinge zum Versorgen in der Box mitbringen; erste Skizzen.

Experimentieren und Entwickeln: Forschungsstationen zu Formfindung, Farb- und Materialmix, Übungsstationen zu Werkzeugeinsatz und Verfahren (S. 28).Arbeitsformen: Einzelarbeit und Partnerarbeit mit Pflichtstationen für alle und frei wählbaren Angeboten nach Interesse, Neigung und Bedarf.

Planen und Realisieren: Plan 1:1 zeichnen.– Kartonmodell originalgross aus Swap-Karton herstellen, Funktionen optimieren.– Materialbestellung schreiben. Reihenfolge der Arbeitsschritte bestimmen.

Begutachten und Weiterentwickeln: Die Resultate aus den Experimenten werden laufend für alle zugänglich gemacht. Schülerinnen und Schüler zeigen wie etwas geht; machen eine Ausstellung mit Pinwand, zeigen Fotoreihen oder ein Video, stellen ihre Beispiele zur Verfügung, sind Experten für Detailfragen und zeigen Tricks.

Dokumentieren und Präsentieren: Eigenes Planungsheft mit Arbeitsplanung, Präsentationen von Resultaten aus dem Erkundungs- und Entwicklungsprozess, Werkausstellung.

STUFE 2. und 3. Zyklus

DAUER 15 – 21 Lektionen

MATERIAL / WERKZEUG Swap-Karton

MDF, 3-S-Platten, Sperrhölzer: Fichte, Bambus, Buche, Birke, Seekiefer, Pappel.

Industriefilz, Gummizug, Holzkugeln

TIPPS Pappel, Fichte und Seekiefer sind geeignet als Einlage: Leichteres Gewicht, leichter zu sägen, als Boden und Deckel zu weich.

VIDEO NZZ Format (2007): Holz in Wohnform. [Online: <youtube.com>, Juni 2018].

IM INTERNET do-it-werkstatt.ch, Aufgaben Schmuckdose und Museums-schatulle, Technik-Facts Sperrholz.

FORSCHUNGSSTATION Die Forschungsstation «Gestalten und Entwürfe» wird ab S. 27 in diesen Werkspuren vorgestellt.

Eine Box für alle Fälle: Ideensammlung für mögliche Funktionen. Was will ich in der Box versorgen? Meine Idee skizzieren.

Deckel mit Gummizug, mit Holzschraube zum Schieben, mit Führung.

Die Forschungsstation bietet Entwurfsverfahren zur Formfindung. Der Plan ist Ausgang zum geschichteten Kartonmodell.

Nach intensiver Auseinandersetzung mit Formfindung und Innengliederung.

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MÖBELFABRIKAlle aus der Klasse sind sicherlich schon staunend durch die endlos scheinenden Gänge verschiedener Möbelhäuser geschlendert: Wie und aus welchen Materialien werden all die unterschiedlichen Dinge wohl hergestellt? Um dem auf die Spur zu kommen, wechseln wir die Seiten. Die Konsumierenden werden zu Produzierenden. Die Schülerinnen und Schüler gründen Möbelfabriken und kreieren passende Logos dazu. Und wie die Grossen können auch sie damit werben, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen. Für das Projekt werden ausschliesslich Dach-lattenreste aus vergangenen Unterrichtsvorhaben verwendet.

V O M R O H M A T E R I A L Z U M K L E I N - U N D K L E I N S T M Ö B E L

KOMPETENZEN / LERNZIELE– Möbelentwürfe vergleichen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten.– Möbelideen entwickeln und mit Holzkonstruktionen selbstständig umsetzen.– Holzmöbel in Prospekten finden und analysieren.

AUFGABENSTELLUNGIn der Möbelfabrik entwerft ihr gemeinsam Möbelstücke, die für ganz bestimmte Dinge oder Plätze in euren Zimmern vorgesehen sind. Als Material stehen euch Dachlatten zur Verfügung.

TECHNIK UND DESIGN ERKUNDENMit den individuellen, auf spezifische Bedürfnisse abgestimmten Kleinmöbeln wird der Massenware etwas entgegengesetzt.

GESTALTUNGS- UND DESIGNPROZESSSammeln und Ordnen: Produkteanalyse von Holzmöbeln mit Hilfe von Zeitungen und Prospekten. Lassen sich die gefundenen Möbel bestimmten Kategorien zuordnen?

Experimentieren und Entwickeln: Technisches Experiment und Materialerprobung: Die Fabrikanten prüfen an verschiedenen Posten Holzverbindungsarten auf ihre Tauglichkeit: Nagelverbindung, Schraubverbindung, stumpfe Verbindung. Weiter wird mittels Feilen, Japan- und Decoupiersäge die Formgebung getestet.

Planen und Realisieren 1: Die Arbeiter der Fabrik entwerfen Möbel. Die Idee wird direkt am Modell entwickelt.

Begutachten und Weiterentwickeln: Innerhalb der Fabrik werden «Gegenteil-Modelle» entworfen. Die Arbeiter versuchen die Modelle der andern so starkwie möglich zu verändern, ohne dass dabei die Funktion verloren geht. Die Ideen der Mitarbeiter werden ganz oder teilweise übernommen.Der finale Entwurf wird, bevor er für die Produktion freigegeben wird, von der Fabrikinternen Qualitätskontrolle genaustens untersucht.

Planen und Realisieren 2: Alle Masse werden direkt auf dem Modell festgehalten. Es entsteht ein dreidimensionaler Plan. Die Fabrikarbeiter geben sich gegenseitig Hilfestellung. Gehrladen sind für rechte Winkel verantwortlich, Akkuschrauber, Schraubzwingen und Hammer schaffen mit Hilfe von möglichst dünnen Frässchrauben, Nägeln und Express-Holzleim feste Verbindungen.

Dokumentieren und Präsentieren: Die Möbelstücke werden vom Möbelfabrik-Team mit einem kurzen Spot beworben.

STUFE 2. und 3. Zyklus

DAUER 14 – 18 Lektionen

MATERIAL / WERKZEUG Dachlatten, Express-Holzleim, Nägel, Frässchrauben, Schraubzwingen, Japansägen, Gehrladen

TIPPS Schnelle Modelle mit Hilfe von Heissleim und Malerklebeband.

Der Express Holzleim verhilft der stumpfen Verbindung zu grösster Beliebtheit.

QUELLEN DITTLI, Viktor; SPÄNI, Lisa et al. (2009): Werkweiser 3 für technisches und textiles Gestalten. Bern: Schulverlag, S. 124.

Aufgabenstellung: «Gründet eine Möbelfabrik» Planen: Erste Entwürfe werden direkt am Modell entwickelt.

Arbeitsteilung: Die Fabrikarbeiter geben sich gegenseitig Hilfestellung.

Controller-Halterung

Realisieren: Zusammenfügen der Dachlatten gemäss Modell.Schnelles Modell: Dreidimensionaler Plan des Objekts.

Minigestell

Blumentopfständer

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«Steingut ist Zeug und Steinzeug ist gut.» (bunzlauer.wordpress.com)

V O N P E T R A S I G R I S T ( T E X T U N D F O T O S )

KERAMIK LEHRGESPRÄCHTassen sind alltäglich, gehören zu unserer Kultur – wir nutzen sie, ohne über Bedeutung und Funktion nachzudenken. Uns prägen Alltagsvorstellungen, wie wir Objekte anschauen, analysieren und reproduzieren. Wie kann der Perspektiven-wechsel von Konsumierenden zu Produzierenden bewusster gemacht werden? Fach-didaktisch entspricht dieses Vorgehen einer «Werk-analyse». Die Zugänge könnten als ikonisch, ikonologisch, hermeneutisch, soziologisch und anekdotisch bezeichnet werden. «Form follows Function» und noch vielem mehr. Das wird am konkreten Objekt erfahren.

E I N E T A S S E I S T E I N E T A S S E I S T E I N E T A S S E

KOMPETENZEN / LERNZIELE– Wirkung von Objekten wahrnehmen und beschreiben (Zusammenspiel von

Funktion, Konstruktion, Gestaltungselementen).– Erkennen, mit welchen Verfahren Objekte hergestellt werden.

AUFGABENSTELLUNGBetrachte die Tassensammlung und vergleiche die Tassen. Was unterscheidet sie, und welche Elemente kommen bei verschiedenen Tassen vor? Aus welchem Material sind sie? Wie sind die Formen? Wie wirken sie? Was braucht es, damit eine Tasse funktioniert? Würde auch eine Vase als Tasse funktionieren? Liegen die Tassen unterschiedlich in der Hand? Was wird daraus getrunken? Bei welchen Gelegenheiten?

GESTALTUNGS- UND DESIGNPROZESSSammeln und Ordnen: Erste Materialerfahrungen mit keramischen Massen werden mit kurzen Übungen gemacht. Zum Beispiel: Verschiedene Tonmassen (Töpferton, Steinzeug, Porzellan und Lehmerde) auf Formbarkeit, Standfestigkeit, Oberflächenverarbeitung prüfen. Fünf kleine, möglichst gleiche Gegenstände, herstellen.

TECHNIK UND DESIGN ERKUNDENNachdem die Lernenden in Kleingruppen die Tassen verglichen haben, wird eine gemeinsame Sachanalyse in Form eines Lehrgespräches mit kulturellen, historischen, technischen, ökologischen und ökonomischen Bezügen durchgeführt.

Die Logik des Gebrauchs ist den meisten Lernenden klar und, wenn sie darüber nachdenken, auch benennbar. Um den Perspektivenwechsel vom Konsumenten zum Produzenten zu machen, werden Bedeutung und Funktion der Tassen-elemente (etwa Henkel, Rand, Volumen, Material) visuell gelesen:– Warum schaukeln Tassen nicht? Wofür dient der Ring am Boden? – Wie gross sind die Henkel? Welche Tasse passt in meine Hände, an meinen

Mund? – Wie dünnwandig sind die Tassen? Was hat das mit dem Material zu tun?

Der Vergleich des Randes einer ausgeformten Steinzeugtasse mit dem Rand einer Steinguttasse zeigt, wie das Material zu Formmöglichkeiten und damit zur Funktion beiträgt. So wird das «Problem des letzten Tropfens» bei traditionellen Töpfertontassen gelöst, indem man den Tassenrand nach Aussen zieht. – Welche Tassen wirken elegant und leicht? Welche schwer und stabil? Warum

ist das so?

Der historische Wandel der Bedeutung von Keramik wird am «Sonntags- geschirr» sichtbar.

STUFE 1. – 3. Zyklus

DAUER 15 – 60 Minuten Lehrgespräch innerhalb eines keramischen Unterrichtvorhabens.

MATERIAL / WERKZEUG Tassensammlung

Tonmassen: Lehmerde (wenig), Töpferton, Steinzeugton, Porzellan (wenig)

QUELLEN DE WAAL, Edmund / HILZENSAUER, Brigitte (2016): Die weisse Strasse. Auf den Spuren meiner Leidenschaft. Wien: Paul Zsolnay.

GERIG, Karen (2013): Kultwerk. Le Déjeuner en fourrure (Zur Pelztasse von Meret Oppenheim). Tageswoche vom 25.09.2013.

KÄSER, Sibylle / SOMAZZI, Mari (2014): formSachen. Tonarbeiten im Unterricht. Bern: Schulverlag plus.

Materialerfahrung: Formbarkeit, Standfestigkeit, Oberflächenverarbeitung unterschiedlicher keramischer Massen kennenlernen.

Sachanalyse in Form eines Lehrgesprächs.

Materialvergleich: Gleich grosse Gegenstände aus verschiedenen Materialien herstellen und analysieren.

Material bestimmt Formmöglichkeiten und damit Funktion.

Bedeutung und Funktion von Henkel, Rand, Volumen, Material benennen.

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TEXTILDESIGNTextildesignerinnen und Textildesigner gestalten Stoffe: Sie sammeln Inspirationen und entwickeln daraus Motive, ordnen diese zu Mustern und gestalten damit Flächen. Die Schülerinnen und Schüler erlernen in der ersten Projektphase Motiv-findungs- und Gestaltungs- möglichkeiten und wenden diese in Miniprojekten an. Sie dokumentieren die Arbeits-prozesse, sodass diese später selbstständig durchgeführt werden können. In der zweiten Projektphase kombinieren sie zwei der erlernten Verfahren und gestalten so einen individuellen Stoff für ein einfaches Endprodukt.

D E I N P R O D U K T – M I T E I N E M P E R S Ö N L I C H D E S I G N T E N S T O F F

KOMPETENZEN / LERNZIELE– Motive und Gestaltungsideen entwickeln.– Verschiedene stoffverzierende Verfahren erwerben.– Zusammenspiel von Funktion, Konstruktion und Gestaltungselementen im

eigenem Design berücksichtigen.– Prozess dokumentieren, Resultate kriterienorientiert begutachten.

AUFGABENSTELLUNGErlerne verschiedene stoffverzierende Verfahren und Motivfindungsmöglichkeiten. Dokumentiere deinen Designprozess, sodass du ihn als Anleitung beiziehen kannst. Wählt im Klassenverbund ein Endprodukt. Sammelt, ordnet, experimen-tiert und entwickelt zu diesem Produkt Flächengestaltungen und realisiert diese.

TECHNIK UND DESIGN ERKUNDENArbeit der Textildesigner und -designerinnen; «Ordnung» der Textilveredlung erarbeiten; traditionelles Handwerk mit industrieller Produktion vergleichen.

GESTALTUNGS- UND DESIGNPROZESS1. Projektphase: Einführen in Thematik, Lebensbezug herstellen.Wahrnehmung und Reflexion: Analyse einer Stoffsammlung (Verfahren/Gestal-tungselemente); Inspirationen sammeln (Moodboard), z. B. Tiere, Familie, Freunde.

Experimentieren und Entwickeln: Motivauswahl treffen, Motive abstrahieren und die Wirkung und Anordnung der Motive auf der Fläche ausprobieren (inspirierende Bildersammlung steht zu Verfügung); Verfahren erproben (Stempeldruck mit SoftCut, Sticken mit der Nähmaschine/von Hand, Solardruck, Siebdruck, Applika-tion, Stoffe färben); Wirkungen von Farben bzw. Farbkombinationen erkunden.

Dokumentieren und Präsentieren: Workbook führen: Anleitung, Verfahrensproben, Material & Werkzeug dokumentieren

2. Projektphase – Prozesse und Produkte: Gestalten einer Fläche für die Realisa-tion eines Produktes, z.B. Kissen oder Stoff für ein textiles Gefäss (Etui, Tasche).Sammeln und Ordnen: Kissen: Zimmeranalyse – Objekte, Farben, Materialien?; Textiles Gefäss: Trendscout; Themen aus den Sensibilisierungsaufgaben erarbeiten.

Experimentieren und Entwickeln: Bilder abstrahieren (z.B. auf Folie kopieren, zerschneiden und schichten, Motivskizze vervielfachen und verschieden einfärben etc.); verschiedene Flächengestaltungen testen (z.B. mehrperspektivische Skizzen, Prototyp aus Papier/Moulure, Projektion); Skizzen des Produktes anfertigen: Gestaltungsrahmen für die Konstruktion und das Material festlegen.

Planen und Realisieren: Vorgehen planen inkl. Material und Werkzeug, Schnitt-muster erstellen, Arbeitsanleitung schreiben.

STUFE 3. Zyklus

DAUER Semesterprojekt

MATERIAL / WERKZEUG Textilfarbe, Siebdruck-Werkzeug, Softcut & Schnitzwerkzeug, Stickrahmen.

TIPPS Aufgabenstellung anpassen (z. B. Produkteeinschränkungen, Anzahl zu verwendende Verfahren, Motiv-einschränkungen, fixe Themen).

Fixe Vorgaben für Workbook- Einträge als Stütze abgeben.

QUELLENEUGEBAUER, Klara /ZIMMERMANN, Ruth (1999): Textile Materialkunde. Zürich: ABC-Propaganda.

VIDEOSRF (2006): Martin Leuthold.Textildesigner bei Jakob Schläpfer. designsuisse, Folge 11.

DOWNLOADS Arbeitsanleitung zu stoffverzierenden Verfahren; Semester-Grobplanung; Arbeitsblatt: Wie ein Workbook führen?

Arbeit an unterschiedlichen Stationen: Inspiration, Motiventwicklung, Verfahrensumsetzung, Workbook-Eintrag.

Etuis zum Gestaltungsthema «me and my friends»: Die erarbeiteten Motive und Verfahren werden in Mini-Projekten umgesetzt.

Erste Proben der Verfahren: Stempeldruck «Tiere» und Siebdruck «(Lieblings-)Parade» mit Bilderkombinationen zu einem selbstgewählten Thema.

Gestaltung des Endprodukts: Die Erfahrungen aus der ersten Projektphase und zuvor gemachte Sammlungen (Trendscout, Zimmeranalyse) fliessen ein.

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A T E L I E R G E S P R Ä C H

Erika Wagner ist Künstlerin und Kunstvermittlerin. Im Juni 2018 hat sie ihre dritte Ausbildung abgeschlossen, ein Master- studium in Art Education, Kunstpädagogik an der ZHdK / Zürcher Hochschule der Künste. Sie lebt mit ihrer Familie in Luzern. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes befindet sich ihr Atelier zu Hause – ein Glücksfall für ihre künstlerische Arbeit.

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mit ERIKA WAGNERATELIERGESPRÄCH

Du beschäftigst dich schon seit Längerem mit dem kindlichen Zeichnen, wobei «beschäftigen» genau genommen der falsche Ausdruck ist. Forschen und befragen scheint mir zutreffender.Ja, das stimmt. Hier steht ja auch eine Art Labor, in dem ich die Zeichenpro-zesse meiner Kinder untersuchen kann, ganz beiläufig, im Alltag. Dazu habe ich für meine Kinder einen Zeichnungs-tisch entwickelt, an dem ich ihre Zei-chenprozesse filmen kann.

Das Filmen hat für die Kinder inzwi-schen nichts Aussergewöhnliches mehr an sich. Die Kinder zeichnen etwa zur Hälfte hier und zur Hälfte am Küchentisch oder in ihrem Zimmer. Damit angefangen habe ich, als meine Tochter Alma zu zeichnen begann. Da war sie etwa ein Jahr alt. Zu der Zeit hatte ich schon einige Jahre mit einer Zeichenhemmung gekämpft. Das Abbilden der Realität hatte mich nicht mehr interessiert, aber ich wollte zeichnen und wusste nicht, wie ich mir zeichnerisch ein weisses Blatt erschliessen sollte. Und dann kommt dieser kleine Mensch, nimmt den Stift in die Hand und legt einfach los, ganz ohne zu fragen, wie und warum und wozu, und tut das mit grosser Freude. Zu-nächst habe ich Alma einfach beim Zeich-nen gefilmt und all ihre Zeichnungen archi-viert, noch ohne klares Ziel.

Wie ist diese Dokumentation zu einem Forschungsprojekt und zum Ausgangspunkt deiner eigenen künstlerischen Arbeit geworden?Im Masterstudium besuchte ich bei Dieter Maurer ein Seminar zur Bildge-nese. Er untersucht seit gut fünfzehn Jahren so genannt frühe graphische Äusserungen und hat zur Entstehung dieser Bilder eine umfassende Mor-phologie angelegt. Seiner Ansicht nach sind die frühen Zeichnungen von Kindern in ihrer abstrakten Er-scheinung, mit den nicht figurativen Linien, mit Linienfragmenten und Verdichtungen, mit Spiralen, Schlau-fen, Zacken und Tupfen eigenständig. Sie sind nicht nur die Vorbereitung auf das figürliche Zeichnen, sondern entwickeln sich parallel dazu eigen-ständig weiter. Diese Aussage hat bei mir einen Knoten gelöst. Ich habe an-gefangen, die Bilder von Alma nach-zuzeichnen, um zu verstehen, was sie genau macht und wie sie das macht, und so habe ich mir einen neuen, be-freiten Zugang zum Zeichnen er- schlossen.

siv gezeichnet und die Bilder dann lie-gen gelassen. Als ich sie für die Diplom-ausstellung ausgelegt und angeschaut habe, sind neue Fragen aufgetaucht. Was bedeuten sie? Welchen Eigenwert haben sie? Können sie für sich stehen? Noch ist es für mich neu, so ohne ein dem Zeichnen vorangestelltes Thema künstlerisch zu arbeiten.

Wieder bezogen auf das Zeichnen der Kinder gibt es hier vielleicht eine Verbin-dung zur oft vorschnellen Frage: «Was ist das, was du da gezeichnet hast?» Die Frage nach dem «Was» suggeriert, dass Bilder immer etwas abbilden müssen. Doch das ist nur eine Art von Bildern. In der frühen graphischen Entwicklung zeichnen Kinder meistens noch ohne konkreten Plan. Sie zeichnen, dann schau-en sie das Gezeichnete an und erkennen darin etwas oder erfreuen sich an dem, was sie in den Kombinationen der Linien und Farben entdecken. Und dieser Pro-zess hat Bedeutung.

So wie ich manchmal behaupte, dass ich erst, wenn ich höre, was ich sage, weiss, was ich denke?Genau. Das Zeichnen von kleinen Kin-dern ist eine überaus reflexive und auch eine forschende, fragende Ange-legenheit. Die Ergebnisse sind häufig bedeutungsoffen. Solche Bilder lassen viel zu. Eine Zeit lang hing über dem Küchentisch eine grosse, wilde Zeich-nung meiner Tochter Alma, auf der wir jeden Tag neue Dinge entdeckt haben. Diese Bilder sind nicht abstrakt im dem Sinne, dass sie etwas Bestehendes reduzieren oder vereinfachen. Kleine Kinder zeichnen nicht ab, sie zeichnen auf. Das Bild zeigt ihnen, wie es weiter-geht. Natürlich spielt Motorik eine Rol-le, aber die zeichnerische Entwicklung läuft in erster Linie über die visuelle Wahrnehmung und das Denken.

Was nimmst du als Kunstvermittlerin mit aus all diesen Beobachtungen?Dass der Prozess enorm wichtig ist. Dass wir wegkommen sollten von der Orientierung auf ein Produkt, auf ein Ergebnis, auf etwas Abgeschlossenes. Dass viele Ideen überhaupt erst im Prozess entstehen. Das ist mir auch ein Anliegen in meiner Unterrichtstätig-keit an den Bildschulen in Basel und Zug und meinem Engagement in der Konferenz der Bildschulen Schweiz.

Künstlerische Arbeit von Erika Wagner: www.kunst-forum.ch/profil/person/erika-wagner

Bildarchive von Dieter Maurer, inkl. Archiv Wagner: www.early-pictures.ch

Bildschulen Schweiz: www.bildschulen.ch

Du hast einerseits die fertigen Bilder noch einmal gezeichnet, was vor allem ein Abzeichnen ist, andererseits hast du ausgehend von Filmmaterial den Prozess 1:1 wiederholt, ihn noch einmal durch-laufen, so wie ihn deine Tochter vorgegeben hat.Das «Abzeichnen» ist in diesem Falle ein Nachempfinden und Nachvollzie-hen dessen, was sie tut. Mein Fokus ist ausgerichtet auf das, was visuell er-scheint. Es gäbe auch andere Aspekte, die man beim kindlichen Zeichnen und mit dieser Anlage untersuchen könnte.

Am Zeichnungstisch in meinem «La-bor» sind drei Kameras montiert. Eine filmt von vorne, sodass man das Kind beim Zeichnen sieht, eine von oben, sodass man seine Hände sieht, und eine von unten, sodass man nur sieht, wie sich die Linien über dem Blatt ausbreiten. Das Material der ersten beiden Kameras ist auch inter-essant, aber im Moment archiviere ich es einfach. Ich weiss noch nicht, ob und wie ich damit arbeiten werde.

Über das Nachzeichnen hast du dir das frühkindliche Bildsystem angeeignet, dich vertraut gemacht mit seinen Elementen und Prozessen. Deine aktuelle Arbeit beruht auf diesem «Training»: Es sind Tusch- zeichnungen im Format B1 (70 x 100 cm), die eine eigenwillige Kraft haben.Für mich ist diese Arbeit noch nicht fertig. Ich habe drei Monate lang inten-

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V O N R O L A N D A E R N I ( T E X T )Die Rubrik Aktuell greift Forschungs- und Diplomarbeiten auf, berichtet über Tagungen und den aktuellen Fachdiskurs.

A K T U E L L

Bei den Theorien der intrinsischen Motiva-tion stehen Freude, positive Gefühle und Selbstbestimmung bei einer Tätigkeit im Vordergrund, die Befriedigung liegt in der Tätigkeit selbst. Bei der extrinsischen Mo-tivation steht das Handlungsergebnis (z. B. eine gelungene Prüfung) und deren Folgen (z. B. Anerkennung) im Vordergrund; die Tätigkeit wird als Mittel zum Zweck, zur Erreichung des Ergebnisses gesehen. Eine Theorie der intrinsischen Motivation ist die Interessenstheorie (z. B. Krapp, 1998). Hohes Interesse besteht dabei aus zwei positiven Bewertungen: Einerseits ist die Aktivität oder Auseinandersetzung mit einem Inhalt mit Freude oder anderen positiven Gefüh-len verbunden, andererseits hat der Gegen-

stand oder Inhalt eine hohe subjektive Be-deutung für die Person; er ist ihr wichtig. Die Person identifiziert sich ein Stück weit mit der Aktivität oder dem Inhalt.

Mit Flow-Erleben (Csíkszentmihályi, 1992), einer weiteren Theorie intrinsischer Motivation, wird ein Zustand optimaler Erfahrung bei einer Aktivität beschrieben, der durch folgende Merkmale gekenn-zeichnet ist. 1. Handlungsanforderungen und Rück-meldungen werden als klar erlebt, sodass man jederzeit weiss, was zu tun ist.2. Man ist durch die Aktivität optimal he-rausgefordert.3. Man hat das Gefühl, das Geschehen unter Kontrolle zu haben.

VOLL DABEI!

4. Der Handlungsablauf wird als glatt er-lebt, ein Schritt geht flüssig in den nächsten über (Flow = Fliessen).5. Die Konzentration auf die Handlung kommt wie von selbst und Gedanken, die nichts mit ihr zu tun haben, verschwinden.6. Das Zeiterleben ist verändert; man ver-gisst die Zeit.7. Ein gänzliches Aufgehen in der eigenen Aktivität, ein «Verschmelzen» von Selbst und Tätigkeit.

Aus der Unterrichtsforschung ist bekannt, dass hohe intrinsische Motiva-tion oft mit besserer Lernleistung zusam-menhängt. Das kann in beide Richtungen gehen; höhere Motivation kann über verstärkte Anstrengung zu besserer Lern-

leistung führen, umgekehrt kann eine gute Leistung zu mehr Motivation führen.

Aus der Forschung sind verschiedene Merkmale von Unterricht bekannt, die die intrinsische Motivation fördern; dazu ge-hören unter anderen: herausfordernde Situationen und Aufgabenstellungen; praktische Tätigkeiten;Vielfalt von Aktivi-täten; Enthusiasmus der Lehrperson; Er-leben von Autonomie (z. B. Wahlmöglich-keiten) und Gestaltungsfreiraum und das Erleben von Kompetenz (z. B. Rückmel-dungen der Lehrperson).

LERNMOTIVATION UND INTERESSEWas schafft nun aber intrinsische Motiva-tion im Technischen Gestalten? Dazu wur-den 29 TG-Klassen der Sekundarstufe 1 im Kanton Bern befragt. Rund ein Achtel der Befragten waren Mädchen. Die Schüler und Schülerinnen konnten vermerken, wenn einzelne Aktivitäten im Unterricht nicht vorkamen. Auffallend häufig war dies der Fall bei Aktivitäten zur Auseinan-dersetzung mit der Bedeutung von Technik und Gestaltung in der Gesellschaft, wie es im bernischen Lehrplan als auch im Lehr-plan 21 (v. a. Kontexte und Orientierung) als Lernziel, bzw. Kompetenz vorkommt. Auch überdurchschnittlich, aber etwas weniger häufig war das bei experimentie-renden Aktivitäten der Fall.

Welche Tätigkeiten erleben die Schü-lerinnen und Schüler am motivierendsten? Es wurden folgende Aktivitäten als hoch motivierend beurteilt: eine eigene Idee umsetzen; ein Objekt herstellen; Gruppen-arbeiten; mit Werkzeugen und Maschinen arbeiten. Dann folgte mit etwas Abstand: ein Werkstück/Objekt schön gestalten; Experimentieren an technischen Gegeben-heiten, mit Materialien oder bezüglich der Ästhetik von Produkten.

Als am wenigsten motivierend wurden die Auseinandersetzung mit der Bedeu-tung von Technik und Gestaltung in der Gesellschaft und Planungsarbeiten für herzustellende Produkte eingestuft.

S T U D I E Z U I N T R I N S I S C H E R M O T I V A T I O N I M T G - U N T E R R I C H T

Im Weiteren wurde als wichtig für die Motivation die Fachkompetenz der Lehr-person und dass die hergestellten Produk-te funktionieren eingeschätzt.

Womit hängt intrinsische Motivation am meisten zusammen? In dieser Unter-suchung ergaben sich die grössten Zusam-menhänge zwischen Interesse, Flow- Erleben, Kompetenzerleben und Autono-mieunterstützung. Wer hoch interessiert war, erlebte häufiger Flow, erlebte grösse-ren Freiraum/Autonomie und hatte häu-figer Kompetenzerleben – umgekehrt mit geringerem Interesse. Es werden Wechsel-wirkungen vermutet, indem mehr Gestal-tungsfreiraum und Kompetenzerleben zu mehr Interesse und häufigerem Flow-Er-leben führen; umgekehrt, wenn eine Lehr-person einen Schüler oder eine Schülerin als interessiert wahrnimmt, sie dieser, bzw. diesem auch mehr Zutrauen und Gestal-tungsspielraum gewährt.

ERSTE SCHLUSSFOLGERUNGENHier handelt es sich um erste allgemeine Aussagen. Wie es sich in der konkreten Unterrichtssituation verhält, hängt auch von weiteren Faktoren, wie denjenigen im ersten Kapitel (herausfordernde Aufgaben-stellung usw.), oder dem Geschlecht ab. Zum Beispiel wurden Karton und Papier als die am wenigsten beliebten Materialien eingestuft. Es ist durchaus vorstellbar, dass Arbeiten mit diesen Materialien motivie-rend sein können, wenn mit ihnen eine herausfordernde Aufgabenstellung ver-bunden ist, wie zum Beispiel bei Experi-menten zu Statik und zur Stabilität von Verpackungen.

Praktische handwerkliche Tätigkeiten wurden als hochmotivierend, Planungs-arbeiten als gering motivierend einge-schätzt. Dieses Verhältnis gilt es genauer anzuschauen. In einer englischen Studie zu Projektarbeiten für ein Examen in De-sign & Technology (Atkinson, 1999) wurde der Zusammenhang dieser Aspekte unter-sucht. In einigen Klassen wurde viel Zeit

5 1 W E R K S P U R E N 3 | 2 0 1 8

LITERATUR

CSÍKSZENTMIHÁLYI, M. (1992): Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta.

KRAPP, A. (1998): Entwicklung und Förderung von Interessen im Unterricht. Psychologie in Erziehung u. Unterricht, 44, S. 185 – 201. [Online: <www.ernst-reinhardt.de/pdf/peu-krapp.pdf>, Juli 2018].

Rheinberg, F. (1989). Zweck und Tätigkeit. Göttingen: Hogrefe.

WAS SCHAFFT MOTIVATION IM TTG?

Dieser Fragestellung geht Roland Aerni in seiner erziehungswissenschaftlichen Doktoratsarbeit an der Universität Bern nach. Er untersucht das in 29 Klassen der Sekundarstufe 1 im Kanton Bern. Roland Aerni lehrte mehrere Jahre Technisches Gestalten. Nach einem Studium der Erziehungs-wissenschaften und Psychologie lehrte er unter anderem an den Pädagogischen Hochschulen Freiburg und Bern in den Bereichen Technisches Gestalten, Erziehungswissenschaften, Didaktik und Psychologie.

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«Was ist es genau, das Lernende zu

hochmotivierter und intensiver

Auseinandersetzung mit Inhalten von

Technischem Gestalten antreibt?»

Erziehungswissenschaftliche Doktor ats arbeit von Roland Aerni,

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für sorgfältige Entwurfs- und Planungs-prozesse verwendet. Das führte bei einigen Schülerinnen und Schülern, die sich auf den Herstellungsprozess freuten, zu Lan-geweile.

In anderen Klassen wurde wenig Zeit für Entwerfen und Planen verwendet; es wurde schnell zum Herstellen übergegan-gen. Weiterentwicklungen und andere Änderungen der ursprünglichen Ideen wurden erst im Herstellungsprozess ein-bezogen. Das geschah nicht selten über Interventionen durch die Lehrpersonen. Die Lernenden verloren dabei teils den Überblick. Das führte oft zu schwachen oder unfertigen Ergebnissen, was dann bei den Schülerinnen und Schülern zu Ent-täuschung führte. Auf ein angemessenes Ausmass an Entwerfen und Planen ist im Hinblick auf die Motivation also zu achten.

In einem zweiten Schritt wurden ver-tiefende Interviews mit einigen Schülern geführt. Diese Daten waren zur Zeit des Drucks dieses Artikels noch nicht ausge-wertet. Man kann gespannt sein.

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Was möchtest du mit Schülerinnen und Schülern unbedingt erleben? Humor: Lachen können über Unzu-länglichkeiten und Missgeschicke – nicht nur, aber auch.

Was muss eine Lehrerin, ein Lehrer unbedingt können? Feuer entfachen für das gestalterische Schaffen und Vertrauen haben in die Lernenden. Oder frei nach Roland Rei-chenbach: Du musst den jungen Men-schen nicht sagen, was sie tun müssen, sondern wo der Horizont ist.

Welches Sachbuch soll man lesen? Manuel Vázquez Montalbán: Die Kü-che der lässlichen Sünden. (Ist das ein Sachbuch?) Oder: Alain de Botton: Glück und Architektur. Von der Kunst, daheim zu Hause zu sein. (Ich mag die Verbindung von Sachlichkeit, Sinnlich-keit und Geschichten.)

Welches Museum muss man besuchen?Das Design Museum in London hat von der Themse an die High Street Kensington gezügelt. Ganz sicher «der Hammer» für alle Designfreaks.

Welches Werk willst du besitzen?Das Haus Wittgenstein in Wien – zu gross für mich, trotzdem – das ist rich-tig gute Architektur.

Mit wem würdest du gerne über Kunst, Design, Technik fachsimpeln?Mit Jan Gehl, Architekt und Stadtpla-ner in Kopenhagen, er hat grossartige Ideen umgesetzt. Mit ihm würde ich gerne über die Zukunft diskutieren, beispielsweise über die Stadtentwick-lung in Luzern.

Andreas Hellmüller, 59, Dozent für Design und Technik an der PH Luzern. Mein Weg: Primarlehrer, Studium HGK Zürich, Fachlehrer S1, Kursleiter WBZA, Schulentwicklung Luzern, Unterricht am Lehrerseminar, FD und Praxisbetreuung HGK Luzern. Aktiv im SGL Design und Technik, im LCH und werken.ch/werkspuren.

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Diesen Sommer war ich seit Ewigkeiten wieder einmal in Frankreich. Und ich war gespannt, was sich verändert haben würde. Denn Frankreich reagiert auf internationa-le Entwicklungen ja meist recht spät – dann aber besonders konsequent. (Ausgenom-men allenfalls die Revolution und die Er-klärung der Menschenrechte. Da war es umgekehrt: Frankreich war früh dran, aber recht lax und nicht besonders persistent.)

Während etwa in der Schweiz die Ab-falltrennung schon so lange üblich ist, dass sie von manchen schon wieder vergessen wurde, kommt Frankreich wie die alte Fasnacht hinterher, macht es dann aber besonders gewissenhaft. Mehrmals be-obachteten wir, wie die Campingleitung den getrennten Abfall der Campinggäste überprüfte, die Säcke mit dem Restmüll öffnete und stirnrunzelnd weitersortierte. (Die französischen Mülltrennungsregeln sind aber auch etwas verwirrlich und von Camping zu Camping anders.)

Beispiel Essen: Frankreich ist eigentlich berühmt für seine unerschütterliche Ver-ehrung des «Terroirs» und seiner lukulli-schen Erzeugnisse. Entsprechend war der Genuss von Pizza bis 1987 unter Strafe gestellt, und auch danach gab es lange Zeit kaum Pizzerias. (Und wenn, dann befan-den sie sich in einer Baracke weit draussen an der Ausfallsstrasse, versteckt zwischen illegaler Abfalldeponie, Zementfabrik und Tankstelle, und nur besonders rebellische Teenager trauten sich hinein, um die ge-heimnisvolle Speise zu probieren.)

Heute reihen sich Kebab-Buden an Thai-Lokale an Fast-Food-Restaurants; Bis tros werben mit Bagels und Brasserien mit Burgern – und die einzigen, die noch Cassoulet oder Confit de Canard bestellen, sind ein Schweizer und seine Reisebeglei-tung, die neugierig von pizzaessenden Franzosen beobachtet werden.

Letztes Beispiel: Verkehrssicherheit. Das französische Autofahrverhalten ist ja zuweilen Gegenstand heiterer Scherze, und es ist wahr, dass «Parkieren nach Ge-hör», «Überholen bei Gegenverkehr» und «Schreckung der Schweizer» in der Fahr-schule Pflichtfächer sind. Das frivole Fahrverhalten führte aber auch zu er-schreckend vielen Verkehrstoten, und irgendwann beschloss Frankreich, dass es vielleicht auch anders ginge. Eine rela-tiv neue Massnahme scheint mir die Ein-richtung von Tempo-30-Zonen zu sein. Und zwar in ausnahmslos jedem Ort, an jedem einzelnen Ortseingang. Diese Dreissigerzonen gelten nie für eine lange Strecke (schon nach ein paar Metern darf man bizarrerweise wieder mit flotten 50 durchs Dorf bollern), aber der Grund scheint mir einleuchtend: Die Fahrer über-haupt erst einmal zum Runterbremsen zu bringen. (Französische Dörfer tauchen ja meist völlig unerwartet nach einer Kurve oder am Ende einer Allee auf.)

In der Schweiz vertraut man in solchen Fällen auf eine Tafel und die Behörden-folgsamkeit. Weil in Frankreich Behörden-folgsamkeit aber weitgehend unbekannt ist, gibt es zur Markierung der Tem-po-30-Zone immer auch ein physisches Hindernis. Und weil es den Kommunen überlassen wurde, wie genau man den Verkehr bremst, muss der Autofahrer auf-passen wie ein Häftlimacher, was für ein Hindernis wohl kommt.

Wir fanden auf unserer Reise folgende Tempodrosselgestaltungselemente vor:

1. Die Hinterhältige Bodenschwelle. Bei Tempo 30 verschüttet die Beifahrerin das Orangina, bei Tempo 40 schlägt sie sich am Oranginafläschli die Zähne aus, bei Tempo 50 knallt ihr der Airbag an den Kopf (und das Auto ist kaputt). Die Bo-

denschwelle ist also sehr effektiv, aber nicht sehr beifahrerinnenfreundlich.

2. Die Künstliche Fahrbahnverengung: Ein Hindernis, dem man ausweichen (und dafür zwingend bremsen) muss – z. B. ein grosser Betonblumentopf mitten auf der Fahrbahn. (Funktioniert bei vorsichtigen Verkehrsteilnehmern, löst aber bei vielen Franzosen einen kontraproduktiven, weil sportiven Ehrgeiz aus.) (Insbesondere bei Gegenverkehr.)

3. Die Kreuzungslose Ampel: Eine Ampel, die einfach so eine Weile lang auf Rot steht. (Höchst effektiv, weil selbst Franzosen nicht gerne Rotlichter überfah-ren – aber philosophisch zermürbend.)

4. Der Diffuse Kreisel. Ein Kreisel, der so klein ist, dass man ihn erst unmittelbar vorher entdeckt, mangels Kreiselkunst nicht weiss, ob das jetzt ein verblichener Zebrastreifen, eine Bodenschwelle oder tatsächlich ein Kreisel ist, und daher vor Schreck abrupt abbremst. Extrem effektiv.

5. Die Smiley-Anzeigetafel. Sie ist eben-falls kein physisches Hindernis, funktio-niert aber insbesondere bei verspielten Autofahrern hervorragend. Fährt man über 30, wird das lachende Smiley zum weinenden Smiley. Da der verspielte Auto-fahrer versuchen wird, durch abwechseln-des Bremsen und Gasgeben den Gesichts-ausdruck des Smileys lustig hin- und herwechseln zu lassen, und weil man dafür ständig zwischen 29 und 31 km/h pendeln muss, ist wird das Gesamtziel tadellos er-reicht. (Aber nur bei Schweizern. Franzo-sen ignorieren dieses Hindernis.)

Wir halten fest: Frankreich ist immer eine Reise wert! (Nächstes Jahr gehen wir aber trotzdem lieber wieder zu Fuss. Der Beifahrerin zuliebe.)

Christov Rolla ist Musiker und lebt in Luzern.

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ENMelanie Diem ist Gastgeberin im Kafi Franz in St. Gallen; Jeremy Boschung Kameramann und Colour Grader. Neu teilen sich die beiden die Leidenschaft für den 3-D-Druck. Und das kam so: Jeremy Boschung wollte sein Kame-ra-Equipment unter anderem mit Fokusringen aufmotzen: «Doch die Dinger passen nie perfekt auf verschie-dene Optiken und sind auch teuer. Da dachte ich, dass ich mit 3-D-Druck alles genau passend drucken könnte.» Vor ihrer Zustimmung für die Anschaffung eines 3-D-Druckers, wollte Melanie dann wissen, was sich mit dem Gerät ausser Gadgets noch so drucken lässt. Gemeinsam entwickelte das design- affine Gespann ein Windlicht und Pflanzentöpfe. Und mittlerweile rattern in Jeremys Büro bereits 2 Drucker vor sich hin: Er perfektioniert mittels 3-D-Technik sein Kamera-Equipment – den Härtetest haben diverse selbst-gedruckte Zubehörteile diesen Sommer bei einem 4-wöchigen Spielfilmdreh gut überstanden. Und zusammen mit Melanie fertigt er Objekte fürs gemein-same Atelier mdjb. Erste Erfahrungen mit einem Verkaufsstand auf DIY-Messen stimmen zuversichtlich. atelier-mdjb.ch / jeremyboschung.com / kafifranz.chEtwas gehört? – [email protected]»

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Menschen haben sich immer schon in der einen oder anderen Form damit beschäftigt, ihre Welt zu gestalten. Mit pathetischen Worten hat Goethe in einem Brief beklagt, dass dies oft verkannt werde: «Kein Mensch will begreifen, dass die höchste und einzige Operation der Natur und Kunst die Gestaltung sei.» Nüchterner präsentiert sich die Geschichte des Wortes «Gestaltung». Es ist übrigens verwandt mit «verunstalten». Böse Zungen könnte das zu der Bemerkung verleiten, bei der einen oder anderen Gestaltung werde das augenfällig.

Das Wort «Gestaltung» im Sinne von ‹das Gestalten, das Bilden, das Formen› gibt es seit dem 16. Jahrhundert. Es ist eine Ableitung des Verbs «gestalten», das seit dem frühen 16. Jahrhundert im Deutschen ge-bräuchlich ist. Beide Wörter lassen sich, über mehrere Stufen hinweg, mit dem Verb «stellen» in Verbindung bringen. Geprägt ist diese Ent-wicklung durch häufige Wechsel der Wortart.

Das Perfekt des Verbs «stellen» lautet heute «gestellt». Ursprünglich hatte «stellen» aber ein anderes Partizip: Im Althochdeutschen (ab dem 8. Jahrhundert) lautete es «gistalt» und später, im Mittelhochdeutschen, «gestalt». Dieses Partizip wurde mehr und mehr als Adjektiv gebraucht mit der Bedeutung ‹aussehend, beschaffen, geformt›. Mit der Zeit fand es nur noch als Adjektiv Verwendung, während sich eine andere Par-tizipform herausbildete, eben das heute übliche «gestellt». Der Gebrauch des Adjektivs «gestalt» war bis Ende des 18. Jahrhunderts noch üblich, wie sich bei Schiller («schöngestalte Glieder») oder Goethe («verschie-den gestalte und verbundene Hügel») zeigt. Noch heute finden sich Spuren dieses Adjektivgebrauchs in Ausdrücken wie «dergestalt», «verunstalten» oder «ungestalt». Das Adjektiv selber wurde schnell einmal auch als Substantiv («Gestalt») gebraucht, mit der Bedeutung ‹Beschaffenheit, Aussehen›. Aus diesem Substantiv wiederum leitete sich im 16. Jahrhundert das Verb «gestalten» ab: «Eyn gestalt und form geben», wie die Erklärung eines Wörterbuches aus dieser Zeit lautet. Aus diesem Verb schliesslich wurde innerhalb kurzer Zeit das Subs-tantiv «Gestaltung» gebildet.

WERKSTATT-YOGAIn jeder Lektion muss ich mal kurz ins Materiallager. Es dauert meist etwa eine Minute, in der ich die Klas-se alleine lasse. Sobald ich die Werk-statt verlasse, sind meine Ohren extrem wachsam. Ich höre sogar aus 30 Meter Entfernung noch, wenn ein Kind eine Schraube ohne Vorbohren reindreht und das Holz reisst. Dass ich so aufmerksam bin, nervt mich. Denn ich will doch einfach nur den Moment Ruhe geniessen.

Neulich war ich im Lager und hörte fast kein Geräusch aus der Werkstatt. Ich dachte, jaja, die Klas-se verarscht mich und versteckt sich mal wieder unter einer Werkbank. Ich wollte sie zurückverarschen und warten lassen und nahm die Ruhe als Anlass, kurz zwei Yogaübungen zu machen. Das tat gut. Entspannt

ging ich zurück Richtung Werkstatt und als ich in der Türe stand, arbeiteten alle ganz konzentriert an ihren Möbeln. Ich wollte die Kids mit meiner Anwesenheit nicht stören, drehte mich um und machte noch einige Asanas: den Hund, den Stuhl und als Abschluss den Baum. Beim Baum spürte ich den Wunsch, diese Asanas mit den Kids zu machen. Ich ging in den Raum und leitete durch die Übungen. Mitten im Baum sagte Stefan, dass er mega froh wä-re, wenn ich ihm sofort eine Dachlatte aus dem Lager holen könnte. Ich ging ins Lager und fühlte, dass ich die Kids soeben mit Yogaübungen gestört habe. Darauf muss-te ich grad eine Cobra machen. Das tat gut.

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Bei der Einfahrt in den Bahnhof Bern schweift mein Blick jeweils auf Berns grösstes «Display» für unkonventionelle Interventionen an der Fassade der Schule für Gestaltung. Hier ist die Wirkungs-stätte von Stefan Gelzer. Er ist Direktor eines Kompetenzzentrums, das sich mit dem technologischen Wandel auseinandersetzt, trotz-dem aber traditionelle Alltagskultur und -gegenstände nicht aus den Augen verliert. Dieses Credo deckt sich mit Gelzer’s persön-licher Passion für archaische Objekte. So wächst seit rund 20 Jahren unter anderem seine Besensammlung. «Zu jedem Ferienerlebnis gehört für mich die Besensuche! Als ausgebildeter Keramiker kon-frontiere ich Fachklassen gerne mit meinen Besen und befrage die Teilnehmer nach ihren persönlichen Vorlieben für gestalterisch wertvolle Inspirationen.» Die Tätigkeit des Wischens ist längst an Putzinstitute delegiert und technologisch aufgerüstet – sozial hat das Wischen keinen hohen Stellenwert. Umso interessanter ist das genaue Betrachten der einzelnen Besen: handwerklich sorgsam hergestellt, ästhetisch vielseitig gestaltet – jeder ein Unikat. Wun-derbares Anschauungsmaterial zur Sensibilisierung für Nachhal-tigkeit und Achtsamkeit im Produktedesign. Und auch für die Wertschätzung gegenüber dem Instandhalten von Haus und Um-gebung. Trotz unterschiedlicher Provenienz ist Material und Mach-art zwar ähnlich, aber nie identisch. «Zu meinen Lieblingsbesen gehört ein Schilfbesen aus Italien, der von einer schnurartigen Kordel zusammengehalten ist. Und kürzlich hat mir ein Schüler einen Besen aus Südkorea mitgebracht, ein wunderbares Geschenk!»Stefan Gelzer lebt und arbeitet in Bern: www.sfgb-b.ch

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BODENSCHÄTZEPD. Kupfer für Stromkabel, Erdöl zum Heizen, Silber für Schmuck und Zink im Auto – mineralische Rohstoffe sind allgegenwärtig. Schon früh haben die Menschen mineralische Rohstoffe genutzt. Kenntnisse über Vorkommen und Anwendungsmöglichkeiten haben von jeher einen Vorteil bedeutet und oft Reichtum und Macht gefördert. Und auch heute sind Rohstoffe für viele Länder ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Was sind die Folgen unserer zunehmenden Nutzung dieser nicht erneuerbaren Ressourcen? Welche Herausforderungen kommen auf uns zu? Die Thematik wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet: Geologie und Umwelt, Technologie, Ökonomie, Soziologie und staatliche Regulierungsmechanismen. Dabei werden die Komplexität und grossen Herausforderungen deutlich, mögliche Lösungsansätze werden vorgestellt. Denn viele Ideen für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Rohstoffen sind in der Gesellschaft bereits angedacht und umgesetzt, aber es gibt immer noch Spielraum nach oben. Und wir alle sind aufgerufen, diesen Spielraum mitzugestalten. focusTerra ist das erdwissenschaftliche Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. Mit seinen spannenden Ausstellungen und Aktivitäten zu Themen rund um die Erde begeistert es seit vielen Jahren Experten und Laien jeden Alters. Für den Unterricht bietet das Buch fundiertes, spannendes und sehr anschaulich dargestelltes Kontexwissen.

AutorenteamBodenSchätzeWerte. Unser Umgang mit Rohstoffenvdf Hochschulverlag an der ETH, Zürich 2017256 Seiten, 21 x 30 cm, broschiert, zahlreiche Fotos und Grafiken, farbig, mit Posterbeilage «Rohstoffe durch die Zeit», CHF 38.00 www.bodenschaetzewerte.chwww.focusterra.ethz.ch

Gleichnamige Sonderausstellung im Museum für Urgeschichte in Zug. www.urgeschichte-zug.ch Bis 21. Oktober 2018

KIOSK DIE WELT IM KLEINENvd. Der renommierte Modellbauer Marius Rappo schafft historische Modelle von verblüffender Perfektion. Der Werkkatolog über seine Arbeit ist mehrteilig: In einem Schuber stecken zwei grossformatige Bücher, eine Mappe mit Plänen und ein Pop-up-Modell. Das Buch ist eine Fund-grube: Es zeigt die grosse Akribie und Präzision, mit der Rappo vorgeht: historisch genau, gestalte-risch sehr ansprechend und handwerklich auf hohem Niveau und in vielen Materialbereichen tüftelnd und entwickelnd. Im 1. Band werden rund 20 Modelle beschrieben, der historische Kontext aufgezeigt. Grossforma-tige Farbfotos geben Einblick in die kleinen Wunderwelten. Der 2. Band zeigt die Entstehungs-geschichte. Besonders beeindruckt hat uns etwa die Entwicklung von Ziegeldächern im kleinen Massstab oder der Bau von mechanischen Modellen eines historischen Krans. Der Autor gibt Einblick in viele handwerkliche und technische Tricks, zeigt die breite Entwicklungsarbeit auf.Ein sehr vergnügliche Einblick in ein spannendes Lebenswerk.

Michel BeauvaisHütten, Zelte, Tipis. Mit 50 Anleitungen zum SelberbauenAT-Verlag, Aarau 2016192 Seiten, durchgehend farbige Abbildungen 16,5 x 22 cm, gebunden, CHF 23.90

Page 35: - Textiles und Technisches Gestalten - werkspuren · 2020. 3. 28. · Auch der deutsche Kunstwissenschaf - ter Wolfgang Ullrich hat sich der Schar der Kreativitätskritiker angeschlossen.

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TIMES OF WASTE red. Abfall kann verheissungsvolle Ressource oder lästiger Rest sein, Abfall ist politisch und sozial, vor allem aber unvermeidlich. Die Ausstellung «Times of Waste – Was übrig bleibt» rückt das Leben eines Smartphones ins Zentrum. In einem multimedialen Ausstellungssetting werden die Trans-portwege und Recyclingrouten eines Smartphones und seiner Bestandteile verfolgt, die zu Deponien und Schred-dern, in Reparaturwerkstätten, Forschungslabors und zu verschie-denen Materialien und Menschen führen. Die dabei aufgezeigten lokalen wie globalen Herausforderungen führen zu Fragen nach Handlungsmög-lichkeiten in Zeiten des Elektroschrotts.

EINBLICK IN STUDENTISCHES ARBEITENred / Elisabeth Eichelberger. Studierende vom Bildernischen, Textilen und Technischen Gestalten der PHBern, Institut Sekundarstufe 1, stellen ihre Projektarbeiten aus. Die Ausstellung bildet in den fachwissenschaftlichen Studien den Abschluss und zugleich einen Höhepunkt. Die Studierenden entwi-ckeln erworbene Kompetenzen weiter und bringen sie in neue Anwendungen. Sie wählen aus, was sie in einem grossen Spektrum von Themen, Strategien und Verfahren vertiefen wollen und wo sie ein fachliches Profil entwickeln möchten. Die projektartige Vorgehensweise bietet Freiräume und Selbstbestimmung. Neben dieser intensiven gestalterischen Arbeit setzen sich die Studierenden mit Kontexten ihres Themas auseinander, indem sie zum Beispiel in Museen recherchieren oder Literatur aufbereiten. Diese Ergebnisse werden in einer Dokumentation zusammengestellt. In den Fächern Textiles und Technisches Gestalten werden fachdidaktische Umsetzungen skizziert und/oder praktiziert.

DAS BAUHAUS #ALLESISTDESIGN red. Das 100-Jahr-Gründungs-Jubiläum des Bauhauses soll eines der zentralen Kulturereignisse des Jahres 2019 werden. Unter dem Motto «Die Welt neu denken» lädt der Bauhaus Verbund zu einer Vielzahl von Veranstaltungen zu Architektur und Gestaltung, Kunst und Kulturgeschichte, Bildung und Forschung ein.

Als Einstimmung auf das Jubiläumsjahr kann die Ausstellung «Das Bauhaus #allesistdesign» im mucac, dem musée de design et des arts appliqués contemporains in Lausanne, genutzt werden. Die vom Vitra Design Museum 2015 entworfene und für Lausanne erweiterte Ausstellung bietet eine Übersicht über das Bauhaus und seinen Design-begriff. Der Gestaltungsbegriff des Bauhauses wird mit aktuellen Designtendenzen konfrontiert, indem den historischen Exponaten heutige Werke gegenüberstellt werden. Auf diese Weise will «Das Bauhaus #allesistdesign» die Aktualität der legendären Institution, die nächstes Jahr ihren 100. Geburtstag feiert, aufzeigen. «Das Bauhaus #allesistdesign»mudac, Lausannewww.mudac.ch20.09.2018 – 06.01.2019

«100 jahre Bauhaus»Dezentrale Jubiläumsveranstaltungen 2019www.bauhaus100.de

BAUKULTUR IN DIE BILDUNG!red. Die Verantwortlichen des Labors für Architektur und Baukultur sind überzeugt, dass Baukultur uns alle betrifft. Deshalb sollen möglichst viele Menschen dazu befähigt werden, kompe-tent am gesellschaftlichen Diskurs zu Zersiedelung, Ausbau der Infrastruktur, Verdichtung nach innen oder Umgang mit unserem Kulturerbe teilzunehmen.Deshalb solle Baukultur schon an Kinder und Jugendliche vermittelt werden: «Die Vermittlung von Baukultur ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb gehört Baukulturvermittlung auch an die Schulen!»

Im Rahmen des LAB Labors für Archi-tektur und Baukultur findet zu dieser Thematik die Tagung «Baukulturvermitt-lung als gesellschaftliche Verantwortung» statt. Als ReferentInnen sprechen u. a. Sabine Gysin, Präsidentin Konferenz Bildschulen Schweiz (KBS), Elisabeth Gaus Hegner (Projektleiterin Evaluation Baukultur in Schulen) und Verena Konrad (Direktorin vai Vorarlberger Architektur Institut).

Vernissage: SA 15. September 16:00–18.00Symposium: FR 21. September 9:30–17.00Finissage: MI 3. Oktober 15:30–17:00

Mit freundlicher Unterstützung

15. September – 3. Oktober 2018, Shedhalle Zug

Medieninformation

«LAB Symposium»Shedhalle Zugwww.archijeunes.ch21.9.2018

«LAB Labor für Architektur und Baukultur»www.bauforum-zug.ch15.09. – 3.10.2018

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„t u“ ist eine praxisorientierte Informationsquelle für leben-digen Technikunterricht für die Primarstufe und Sekundarstufe.

Sie finden darin:

• Fachdidaktik und konkrete Unterrichtsbeispiele

• Gut umzusetzende Bauanleitungen

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«Projektarbeiten Institut Sek 1»PH Bern, Fabrikstrasse 8www.phbern.ch18.09. 18.10.2018

Vernissage mit Tanzvorführung 18.09.18 um 18:30 Uhr

«Times of Waste – Was übrig bleibt»Forum Gewerbemuseum Winterthur www.gewerbemuseum.ch21.9.2018 – 17.3.2019

Page 36: - Textiles und Technisches Gestalten - werkspuren · 2020. 3. 28. · Auch der deutsche Kunstwissenschaf - ter Wolfgang Ullrich hat sich der Schar der Kreativitätskritiker angeschlossen.

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3/2018 | Nummer 151Fachzeitschrift für Vermittlung von Design und TechnikErscheint vierteljährlich.ISBN 978-3-905925-35-7, ISSN 1420-0198

Preis der Einzelnummer: CHF 20.–Abonnement: CHF 70.– (Ausland EU CHF 85.–)Elektronische Ausgabe: 11.99 Euro

Herausgeberwerken.ch; ehemals SWV Design und TechnikSchweizerischer Werk lehrer innen- und Werklehrerverein8000 Zürich, www.werken.ch

Abo und Adress änderungSWV-Kasse, Franziska BuxtorfLeimenstrasse 64, 2575 Tä[email protected]

Einzelnummernwww.werkspuren.ch www.bildungsservice.chBildungsservice Schweiz AGTurbinenweg 6, 8866 ZiegelbrückeTelefon 041 726 9 726 [email protected]

Bilder Umschlag Regula Pinz

Redaktion und ProduktionChefredaktor Viktor Dittli, [email protected]öhe 46b, 6300 ZugTelefon 041 710 10 85 ProduzentinAndrea Keller, [email protected] Technik, Design, KunstMarianne Preibisch (Leitung), Gabriela Rüsch, Franziska NyffeneggerRessort Didaktik & UnterrichtKarin Zehnder (Leitung), Thomas Stuber, Luzia Frei, Petra Sigrist, Marius Portmann, Jérôme Zgraggen

InserateFACHMEDIEN Zürichsee Werbe AGLaubisrütistrasse 44, 8712 Stäfawww.fachmedien.ch Anzeigenleiterin: Cornelia KoromaTelefon 044 928 56 [email protected]

GestaltungBenedikt Dittli, Visuelle Gestaltung Seefeldstrasse 259, 8008 ZürichTelefon 044 381 88 81, [email protected]

Druck und VersandKalt Medien AGGrienbachstrasse 11, 6302 ZugTelefon 041 727 26 26, www.kalt.ch

CopyrightFür unverlangt eingesandte Manuskripte, Daten-träger, Fotos und Illustrationen übernimmt die Redak tion keine Verantwortung. Wir bemühen uns, alle Bildrechtinhaber zu eruieren. Bei Unstimmig-keiten bitten wir um Kontaktnahme.© Copyright bei den Autorinnen und Autoren; Nachdruck bedarf des Einverständnisses von Autor/Autorin, Fotografin/Fotograf und Redaktion.

VOR SCHAU

WERKSPUREN 4 | 2018COLLAPSIBLE. Wir leben in Zeiten, wo gleichzeitig verschwenderisch grosse Wohnungen als auch Minihäuser, sogenannte Tiny-Houses, voll im Trend liegen. Passend dazu werfen wir einen Blick auf sogenannte Collapsibles, intelligente Klapp-objekte, die ihre Grösse den Erfordernissen des praktischen Bedarfs anzupassen können.

DAS HEFT ERSCHEINT ENDE NOVEMBER 2018.

13. digitaler Jugendwettbewerb bugnplay.ch

NEU SIND AUCH HOCHSCHUL-ARBEITEN WILLKOMMENIm digitalen Jugendwettbewerb des Migros-Kulturprozents sind kreative Projekte rund um Computer und Internet gesucht: Robotik, Games, Computerprogramme, aber auch künstlerische Installationen, dazu Websites, Audiocollagen und Animationsfilme. Erstmals sind auch Hochschularbeiten zugelassen. Denn die gesell-schaftliche Bedeutung der Digitalisierung wächst und ist auch im Bildungsbereich zu spüren. Das Angebot an spezialisierten Ausbildungen wächst. «Es gibt hier ein grosses kreatives Potential von tollen Projekten. Viele Arbeiten sind auch für ein weiteres Publikum interessant. Gleich-zeitig können wir den Studierenden zusätzliche Anerkennung verschaffen», sagt Dominik Landwehr, Projektleiter beim Migros-Kultur-prozent. Neu werden damit auch Absolventinnen und Absolventen von Kunst- und Fachhochschulen, aber auch Universitäten und ETH angesprochen. Ebenfalls zugelassen sind freie Arbeiten, die nicht im Kontext einer Ausbildung entstanden sind. Alle Teilnehmenden erhalten eine Urkunde, die zum Beispiel bei der Suche nach einer Lehrstelle oder einem Studienplatz im Ausland hilfreich sei.

Zugelassen zum Wettbewerb bugnplay.ch des Migros-Kulturprozents sind Einzelpersonen, Gruppen und Schulklassen in drei Alterskategorien: 8 – 11, 12 – 16, 17 – 20 und 21 – 25 Jahre. Matura- und Abschlussarbeiten sind willkommen, ebenso Bachelor-, Master-, Diplom- und Ph.D Arbeiten, sofern sie die inhaltlichen Kategorien erfüllen. Anmeldeschluss ist der 31. Januar 2019. Bis zum 31. März 2019 müssen die Teilnehmenden ihr Projekt einreichen. Die öffentliche Preisver-leihung findet im Juni 2019 in Zürich statt. www.bugnplay.ch