Theaterpädagogische Materialmappe · befreit hat. Werner Egks Oper ‚Peer Gynt’ (1938)...

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LANDESTHEATER SCHWABEN Celaudia Schilling (Theaterpädagogin) TEL: 08331 94 59 14 FAX: 08331 94 59 33 MAIL: [email protected] Theaterpädagogische Materialmappe PEER GYNT von Henrik Ibsen Die Annahme des Einen Subjekts ist vielleicht nicht notwendig; vielleicht ist es ebenso gut erlaubt, eine Vielheit von Subjekten anzunehmen, deren Zusammenspiel und Kampf unserem Denken und überhaupt unserem Bewußtsein zu Grunde liegt? Eine Art Aristokratie von ‚Zellen’, in denen die Herrschaft ruht? Aus: Friedrich Nietzsche, Nachlass. 1885

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LANDESTHEATERSCHWABEN

Ce l aud i a Sch i l l i n g ( Thea t e r pädagog i n ) TEL : 08331 94 59 14 FAX : 08331 94 59 33 MA I L : [email protected]

Theaterpädagogische Materialmappe

PEER GYNT von Henrik Ibsen

Die Annahme des Einen Subjekts ist vielleicht nicht notwendig; vielleicht ist es ebenso gut erlaubt, eine Vielheit von

Subjekten anzunehmen, deren Zusammenspiel und Kampf unserem Denken und überhaupt unserem Bewußtsein zu

Grunde liegt? Eine Art Aristokratie von ‚Zellen’, in denen die Herrschaft ruht? Aus: Friedrich Nietzsche, Nachlass. 1885

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LANDESTHEATERSCHWABENBESETZUNG

Inszenierung Kathrin Mädler Bühne & Kostüm Mareike Delaquise-Proschka Musik & Sound Cico Beck Dramaturgie Silvia Stolz Regieassistenz & Inspizienz Oliver Eisenmenger Ausstattungsassistenz Isabell Wibbeke Peer I Sandro Sutalo Peer II Jens Schnarre Peer III Aurel Bereuter Aase/Knopfgießer Anke Fonferek Solvejg Miraiam Haltmeier Ingrid/Trollprinzessin/Anitra Elisabeth Hütter Mads Moen/Hoftroll/Mafia/Hussein/Koch Christian Bojidar Müller Vater Moen/Hoftroll/Mafia/Fellache/Kapitän André Stuchlik Aslak/Troll/Mafia/Begriffenfeld/Passagier Fridtjof Stolzenwald Dorfbewohner, Clubgäste, Irre, Schiffspassagiere u.a. Ensemble TERMINE Fr 30.09.2016 20:00 Mi 12.10.2016 20:00 So 30.10.2016 19:00 Sa 03.12.2016 20:00 Di 10.01.2017 20:00 Do 19.01.2017 20:00 Großes Haus Ka r t en rese r v i e rung : 08331 – 9459 16 Mo-Fr 11 - 18 Uhr [email protected] Sa 10 - 14 Uhr Gas t sp i e l e Fr 11.11.2016 20:00 Unterhaching - KUBIZ Di 17.01.2017 19:30 Kirchheim unter Teck - Stadthalle Mi 15.02.2017 19:30 Weingarten - Kultur und Kongresszentrum Mo 20.03.2017 20:00 Pfronten - Pfarrheim St. Nikolaus Sa 08.04.2017 19:30 Babenhausen - Theater am Espach

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LANDESTHEATERSCHWABENHENRIK IBSEN

�Von meinem vierzehnten Jahr an war ich darauf angewiesen, für mich selber zu sorgen. Ich habe hart kämpfen müssen,

oft und lange, um mir Bahn zu brechen... Henrik Ibsen an Onkel Christian Paus, 1877

- Henrik Johan Ibsen wurde am 20. März 1828 in Skien / Norwegen geboren

- Er war Sohn wohlhabender Eltern und hatte 4 jüngere Geschwister

- 1836 wurde sein Vater zahlungsunfähig. Die Familie zog aufs Land

- Mit 16 begann er eine Lehre als Apotheker

- 1848 entstand sein erstes Stück im Zuge der Februarrevolution in Frankreich

- 1851 wurde er Hausdichter und künstlerischer Leiter des Norske Theater in Bergen

- 1857 wurde er Leiter des Kristiania Norske Theater in Oslo

- 1858 heiratete er Suzannah Thoresen. Sie bekamen einen Sohn: Sigurd Ibsen

- 1862 Konkurs des Theaters. Ibsen ging ins Exil, trotz Erfolg mit „Die Kronprätendenten“

- 27 Jahre dauerte die Studienreise. Er schrieb in dieser Zeit seine bedeutendsten Werke:

- 1866 „Brand“

- 1867 „Peer Gynt“

- 1877 „Stützen der Gesellschaft“

- 1879 „Nora oder Ein Puppenheim“

- 1881 „Gespenster“

- 23. März 1906 stirbt Ibsen in Oslo, damals noch Christiania

� In dem Bereich der dramatischen Literatur war Henrik Ibsen der Begründer des Naturalismus. Bevor er mit seinen

„Gesellschaftsstücken“ der neuen Richtung zum Durchbruch verhalf, verfasste der 1828 in einer norwegischen Kleinstadt

geborene, zum Apothekergehilfen ausgebildete und schließlich durch glückliche Umstände als Regisseur ans Theater in

Bergen berufene Dramatiker eine Reihe von nationalromantischen Werken.

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[Ibsen] zeichnete .. in Peer Gynt das Porträt eines Aufschneiders und Lügenboldes. Auch dieses (wiederum in Versen

geschriebene) Stück ist reich an symbolischen Überhöhungen. Die Titelfigur selbst steht für norwegischen Volkscharakter

(...)

[Er] zeichnete .. Peer Gynt als eine Gestalt, die nie wirklich konsequent handelt, sich aber dennoch ihrer

unverwechselbaren Identität rühmt. Erst am Ende des Dramas wird sich Peer einer Selbstüberschätzung bewußt und

stirbt geläutert in den Armen von Solveig, die in Glaube, Liebe und Hoffnung« ein Leben lang auf seine Rückkehr in die

Heimat, die gleichzeitig eine zu sich selbst ist, gewartet hat.

Nach einer schöpferischen Pause von nahezu einem Jahrzehnt wandte sich Ibsen den Problemen der »gehobenen

Gesellschaft« Seiner Zeit zu. Hatte er in den früheren Stücken die bürgerliche Existenz nur als Ausgangspunkt für die

Flucht in ein Reich der Phantasie dargestellt, so nahm er sie nun zum Gegenstand der Betrachtung und Analyse. In den

Gesellschaftsstücken hielt er dem Bürgertum den Spiegel vor, in dem es den tiefen Widerspruch zwischen seiner nach

außen zur Schau getragenen Sittlichkeit und der Unmoral des tatsächlichen Verhaltens sehen konnte. Ibsens Intention ist

auf die Entlarvung der »Lebenslüge« gerichtet. In den Gestalten seiner naturalistischen Werke steigt die verdrängte

Schuld der Vergangenheit an die Oberfläche und reißt sie in die Katastrophe. Dieser Vorgang wird mit der Technik des

»analytischen Dramas« demonstriert. Aus: Simhandel, Peter: Theatergeschichte in einem Band. 2001

� Ibsen glaubt ja, daß in seinen Figuren etwas wütet, Gespenster, Schicksale, Leidenschaften, etwas, das den Menschen

zum Handeln vorwärtstreibt. Doch baut man diese Treibsätze aus, dann merkt man, daß der Individualismus ein Hohn ist,

denn die Figuren sind alle gleich, sie haben alle den gleichen Motor drinnen, wie der Hase aus der Batteriewerbung, der

auch verschiedene Sportarten, aber alle mit der gleichen Batterie, betreibt. Ibsen wieder muß das geahnt haben, denn

seine Energie, die Menschen unterschiedlich zu gestalten, ist eine derart angespannte, als wollte er der fugenlosen

Geschlossenheit des Systems, die dem Einzelnen keine Chance mehr läßt, um jeden Preis wieder entkommen. Das zieht

seine Figuren unaufhaltsam voran, glaube ich, obwohl sie wissen, daß sie im Grunde kein Schlupfloch mehr finden

werden. Elfriede Jelinek, 1994

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� Ibsen ist wahrscheinlich der exakteste Dramentechniker, den die Literatur aller Zeiten hervorgebracht. So enthalten seine

Werke die subtilsten und mannigfachsten Beziehungen. Alles ist doppelt und dreifach verknüpft. In Hinsicht auf

Kausalzusammenhänge treiben die Gestalten gewissermaßen Inzucht. Was zeigt sich darin? Das Sterben, die gewählte

Handlung von der Außenwelt abzusondern; das Drama zu einem möglichst selbständigen Ganzen zu machen. Aber das

Leben bietet solche Absonderung nicht. Hier ist der Punkt, wo Ibsens Kunst mit dem Realismus in Streit kommt. Ibsens

dramatische Logik ist tiefsinnig, zu vielen aber streift sie die Spitzfindigkeit. Jene haarscharfe Logik, welche die

profansten Franzosen im Spiel mit äußeren Vorgängen zeigen, wendet Ibsen auf innere Vorgänge an. In der

unergründlichen, versunkenen, doppelbödigen Sprechweise der Gestalten liegt etwas Gespensterhaftes. Abgeschiedene

Seelen sind es, die miteinander reden. Ihr Körper ist durchgreifbar, durchscheinend, erzeugt von den Strahlen einer

laterna magica. Eine seltsame Luft umwittert modern redende Geister im Straßengewand. Der Dichter sieht vor allem eine

innere Welt. Vom Äußeren spendet er auch, doch sehr sparsam. Zuweilen erscheint es, als ob diese Gestalten nur

Seelenmöglichkeiten seien. Und doch bietet er mehr als Grundrisse von Menschen: Menschen in Grundrissen. Beruhigt

euch! Er meidet nur das Pleonastische und das Unwesentliche, aber die Personen sind lebend, von der Erde, von Fleisch

und Blut, - und doch symbolisch. Ibsen betrachtet das Verhältnis der Menschen untereinander und das Verhältnis der

Menschen zur Ewigkeit; mit scheinbarer Kühle. Wie er ihren Schmerzen und Freuden gegenübersteht, scheint er ein

Symbol unseres empirischen Zeitalters. Er zählt zu den Gefestigten, Unerschrockenen. Er lacht und weint nicht: er sieht.

Das Sehen ist primär, das Ertragen sekundär. Aus: Otto Brahm, Das neue Drama, Ausgewählte Schriften, 1967

� Henrik Ibsen sagt: Das Fragen ist meine Sache, Antworten habe ich nicht. Aber so wie Ibsen seine Fragen zu stellen

gewußt hat, ist er ein Dichter vom ersten Range geworden. Franz Mehring, 1900

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LANDESTHEATERSCHWABENPEER GYNT

� Peer Gynt. (1867. Uraufgeführt am 24. Februar 1876 im Christiana-Theater, Oslo,) » Peer, das lügst du« – mit diesem

ersten Satz und Peers Antwort an seine Mutter Aase »Nein, es ist wahr« ist das Hauptthema des vielverschlungenen

»dramatischen Gedichts« schon angeschlagen: Peer lügt. Soweit er ein Aufschneider, Träumer und Phantast ist, lügt er

nicht ohne Charme und bezaubert das Parkett. Aber er ist auch ein Egoist und Versager, der sich in die unproduktive

Phantasterei, in die selbstbeschönigende Lüge flüchtet. Er entführt Ingrid, die Braut eines anderen, an ihrem

Hochzeitstag, verführt und verstößt sie. Kirchenglocken bewahren ihn zwar davor, daß er im Hochgebirge, im Reich der

Trolle, mit der »Grünen«, der Tochter des Dovre-Alten, vermählt und zum Troll gemacht wird, doch den Grundsatz der

selbstsüchtigen Troll-Welt »Sei dir selbst genug« wird er befolgen und das Gebot der Menschenwelt »Sei du selber«

nicht erfüllen können. Unter Glockenläuten schrumpft der »große Krumme«, die Stimme der Bequemlichkeit und des

geringsten Widerstandes zwar zusammen, doch seinen Rat »Geh außen herum« wird Peer befolgen. So verläßt er

Solveig, die ihn liebt, und heißt sie, auf ihn zu warten – er geht »außen herum«, um die halbe Welt. An der Küste von

Marokko, durch Sklavenhandel reich geworden, träumt Peer davon, durch sein Geld zum Kaiserder Welt zu werden. Der

Engländer Cotton, der Franzose Ballon, der Deutsche von Eberkopf, der Schwede Trumpeterstraate, personifizierte und

parodierte Nationaleigenschaften, stehlen ihm seine Jacht, und in der Wüste läßt sich Peer im Zelt eines

Araberhäuptlings wie ein Prophet göttlich verehren. Er will Anitra, die Häuptlingstochter, entführen, wird jedoch von ihr

um seine Schätze bestohlen. Professor Begriffenfeldt, der Vorsteher des Irrenhauses in Kairo, hat, selbst verrückt

geworden, die Wächter eingesperrt und liefert Peer den Anstaltsinsassen aus, die ihn zum Kaiser der Selbstsucht krönen.

Bei einem Schiffbruch, Jahre später, rettet sich Peer, indem er den Schiffskoch, einen Familienvater, von den

Bootsplanken in den Tod stößt; die Todesangst begegnet ihm, personifiziert durch den ‚Fremden Passagier’ der auf

seinen Leichnam wartet. In die Heimat zurückgekehrt, hört er Solveigs Stimme, erkennt, daß sein Kaiserreich hier

gewesen wäre, und begegnet dem ‚Knopfgießer’, der ihn umgießen will, weil er nichts Halbes und nichts Ganzes, weil er

»niemals er selbst gewesen«. Selbst für den ‚Mageren’, den Teufel im Priesterrock, ist er kein rechtes Objekt, ein Halber,

kein Engel und kein Teufel. Solveig nimmt Peer auf, durch den ihr ganzes Leben »zu einem schönen Gesang« geworden

ist; bei ihr, im Namen von »Glaube,Hoffnung, Liebe« wird ihm vergeben.

Die abenteuerlichen Lebensstationen Peer Gynts wandeln immer wieder das Grundthema ab: während er meint, er selbst

zu sein, läuft er vor sich selbst davon; während er meint, sich selbst, »das Gyntsche Ich«, zu verwirklichen, ist er doch

immer nur sich selbst genug, ein norwegischer Troll, ein Halbwesen, das sich belügt und ohne Beziehung zu den

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LANDESTHEATERSCHWABENForderungen der Realität die Wege des ‚großen Krummen’, außen herum geht. Glaube, Hoffnung, Liebe erlösen ihn im

Tode: ein Akt der Liebe Solveigs, der Gnade jenseits irdischer Gerechtigkeit, einbürgerlich-romantischer Rückgriff Ibsens.

Die zahlreichen symbolischen Figuren, die Ibsen aus der Märchenwelt Norwegens entwickelt hat, sind Personifikationen

der inneren Kräfte, die Peer Gynt bewegen: seines Egoismus, seines Selbstbetrugs, seiner Angst, seiner Selbstprüfungen.

‚Peer Gynt’, von Ibsen als höhnisches Zerrbild selbstzufriedenen Norwegertums konzipiert, und mit vielen damals

aktuellen Bosheiten vollgestopft, ist über diesen Anlaß zur satirisch-tragischen Symbolfigur einer unproduktiven

Phantasie geworden, einer durch Egoismus und Selbstbetrug verfehlten Selbstverwirklichung.

Dietrich Eckart, ein nationalsozialistischer Schriftsteller und Propagandist Hitlers (1868–1923), hat in seiner Bearbeitung

und Übersetzung (1918) versucht, Peer Gynt in einen Germanen-Heros umzufälschen. Eine getreue und poetische

Übersetzung stammt von Christian Morgenstern (1901). Die Bühnenmusik Edvard Griegs, von Ibsen in Auftrag gegeben

(1874), betont das romantische Element, in dem Ibsen Epigone ist und von dem er sich in seinen späteren Werken

befreit hat. Werner Egks Oper ‚Peer Gynt’ (1938) vereinfacht und verändert Ibsens Drama sehr stark.

Durch die selbstlose Liebe wird Peer Gynt schließlich doch entsühnt. Die Zweifel an der Berechtigung rigoroser ethischer

Forderungen sind in Ibsen nie verstummt; in der Wildente (siehe auch Seite 615), achtzehn Jahre später, wird der

Wahrheitsfanatismus seines Gregers Werle nichts anderes erreichen, als daß ein Kind sich tötet, und wird sein Dr. Relling

die »Lebenslüge« als eine glückbringende notwendige Illusion für den Durchschnittsmenschen betrachten. In dem

zehnaktigen geschichtsphilosophischen Doppeldrama Kaiser und Galiläer (1873) um den spätrömischen Kaiser Julian

Apostata verkündet Ibsen, der Hegel-Leser, zwischen Antike und Christentum eine dialektische Synthese, ein »drittes

Reich«, »das auf dem Baum der Erkenntnis und des Kreuzes zusammen gegründet werden soll, weil es sie beide

zugleich haßt und liebt«; Ibsen glaubte, daß die Ideale seiner eigenen Zeit zu diesem »dritten Reich« hinstrebten.

(Uraufgeführt am 5. Dezember 1896 im Stadttheater Leipzig.)

In München, wo Ibsen, seit »Brand« vom norwegischen Storting mit einem Stipendium ausgestattet, ab 1875 lebte,

schrieb er die Reihe seiner Gesellschaftsdramen, durch die er zum großen europäischen Dichter, zum Kosmopoliten und

zum Anreger des internationalen Theaters geworden ist. Die entscheidende theoretische Anregung hatte ihm der

dänische Literaturkritiker Georg Brandes (1842–1927) gegeben. Das Generalthema seiner Dramen ist die Lüge; ihre

Generalforderung: die Selbstverwirklichung des einzelnen. In einem gewissen Maße sind sie alle noch romantisch, in die

Zukunft aber wirkten sie durch ihren Realismus. Aus: Hensel, Georg: Spielplan. Band 1. 2001

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� Ibsen übe r Pee r Gyn t

An Ludwig Passarge, München, 16. Juni 1880

Ebensowenig sehe ich mich in der Lage, Ihnen Näheres über die Umstände mitzuteilen, welche die Entstehung des „Peer

Gynt" veranlasst haben. Wenn eine solche Darstellung verständlich sein sollte, so müsste ich ein ganzes Buch darüber

schreiben, und dafür ist die Zeit noch nicht gekommen. Alles, was ich gedichtet habe, hängt aufs engste zusammen mit

dem, was ich durchlebt, - wenn auch nicht erlebt habe. Jede neue Dichtung hat für mich selbst den Zweck gehabt, als

geistiger Befreiungs- und Reinigungsprozess zu dienen. Denn man steht niemals ganz über aller Mitverantwortlichkeit

und Mitschuld in der Gesellschaft, der man angehört. Deshalb habe ich einmal als Widmungsgedicht dem Exemplar eines

meiner Bucher folgende Zeilen vorangesetzt: „Leben heißt — dunkler Gewalten Spuk bekämpfen in sich. Dichten —

Gerichtstag halten. Über sein eigenes Ich."

NATURALISMUS Der Begriff »Naturalismus« bezeichnet eine in den letzten beiden Dezennien des vorigen Jahrhunderts in fast allen

Ländern Europas verbreitete Erscheinungsform von Drama und Theater. Ihr hauptsächliches Kennzeichen ist die

Orientierung aller Elemente am Prinzip der Realitätstreue. Sprache und Gestik, Bühnenbild und Kostüm sind bis ins Detail

der Wirklichkeit nachgestaltet. Die Personen handeln und sprechen wie im Alltag.

(...)

Im naturalistischen Theaterbleiben die Figuren ganz unter sich; sie agieren allein nach den Erfordernissen ihres Raumes.

Die bereits von Diderot entwickelte Vorstellung der »Vierten Wand« wird wieder aufgenommen. Die Darsteller sollen so

agieren, als ob die Zuschauer gar nicht anwesend wären, und das Publikum soll das Geschehen wie durch die Scheibe

eines Aquariums oder durch ein Schlüsselloch beobachten und es in der Illusion für die Wirklichkeit selbst halten.

Die Veränderung der Erscheinungsform ist Ausdruck eines Funktionswandels der Bühne. Ihre Aufgabe bestand nicht

mehr allein im Amüsement und der Erbauung der Zuschauer.

(...)

Indem sie nach Darstellung der aktuellen Situation strebten, wollten die jungen Autoren und Theatermacher die

illusionäre Flucht des Saturierten Bürgertums in die Stabilität der Vergangenheit und zu den »ewigen Werten«

verhindern. Sie konfrontierten ihr bildungsbürgerliches Publikum mit den verdrängten Gegenwartsproblemen seiner

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LANDESTHEATERSCHWABENKlasse und darüber hinaus mit dem Elend des ausgebeuteten Proletariats. Mit der Objektivität von Laienrichtern sollten

sich die Zuschauer bilden. Die Autoren selbst versuchten wen möglich einer Wertung zu en definierten das

Bühnengeschehen topografisch genaue Momentaufnahme Von A schnitten der Wirklichkeit, so »Wie sie ist. dargestellten

Verhältnisse erschienen Weise als statisch: Ihre Ursachen blieben eben so außerhalb des Blickfeldes wie mögliche

Veränderungen. Sofern sie das Publikum nicht eigenem Antrieb hinterfragte, blieb es beim bloßen Mitgefühl. Aus: Simhandel, Peter: Theatergeschichte in einem Band. 2001

IDENTITÄT � Beg r i f f

Identität läßt sich als die Antwort auf die Frage verstehen, wer man selbst oder wer jemand anderer sei. Identität im

psychologischen Sinne beantwortet die Frage nach den Bedingungen, die eine lebensgeschichtliche und

situationsübergreifende Gleichheit in der Wahrnehmung der eigenen Person möglich machen (innere Einheitlichkeit trotz

äußerer Wandlungen). Damit hat die Psychologie eine philosophische Frage aufgenommen, die Platon in klassischer

Weise formuliert hatte. In seinem Dialog "Symposion" ("Das Gastmahl") läßt er Sokrates in folgender Weise zu Wort

kommen: "... auch jedes einzelne lebende Wesen wird, solange es lebt, als dasselbe angesehen und bezeichnet: z.B. ein

Mensch gilt von Kindesbeinen an bis in sein Alter als der gleiche. Aber obgleich er denselben Namen führt, bleibt er doch

niemals in sich selbst gleich, sondern einerseits erneuert er sich immer, andererseits verliert er anderes: an Haaren,

Fleisch, Knochen, Blut und seinem ganzen körperlichen Organismus. Und das gilt nicht nur vom Leibe, sondern ebenso

von der Seele: Charakterzüge, Gewohnheiten, Meinungen, Begierden, Freuden und Leiden, Befürchtungen: alles das bleibt

sich in jedem einzelnen niemals gleich, sondern das eine entsteht, das andere vergeht" (Platon 1958, 127f.).

Identität ist ein Akt sozialer Konstruktion: Die eigene Person oder eine andere Person wird in einem Bedeutungsnetz

erfaßt. Die Frage nach der Identität hat eine universelle und eine kulturell-spezifische Dimensionierung. Es geht immer

um die Herstellung einer Passung zwischen dem subjektiven "Innen" und dem gesellschaftlichen "Außen", also um die

Produktion einer individuellen sozialen Verortung. Die Notwendigkeit zur individuellen Identitätskonstruktion verweist auf

das menschliche Grundbedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Es soll dem anthropologisch als "Mängelwesen"

bestimmbaren Subjekt eine Selbstverortung ermöglichen, liefert eine individuelle Sinnbestimmung, soll den individuellen

Bedürfnissen sozial akzeptable Formen der Befriedigung eröffnen. Identität bildet ein selbstreflexives Scharnier zwischen

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LANDESTHEATERSCHWABENder inneren und der äußeren Welt. Genau in dieser Funktion wird der Doppelcharakter von Identität sichtbar: Sie soll

einerseits das unverwechselbar Individuelle, aber auch das sozial Akzeptable darstellbar machen. Insofern stellt sie

immer eine Kompromißbildung zwischen "Eigensinn" und Anpassung dar. Das Problem der "Gleichheit in der

Verschiedenheit" beherrscht auch die aktuellen Identitätstheorien. http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/identitaet/6968Identität

� Psycho l og i e . D i e Suche nach de r e i genen I den t i t ä t

"Wer bin ich? Frag doch die anderen!" heißt ein aktuelles Buch der Berliner Psychotherapieprofessorin Eva Jaeggi.

Identität ist längst nichts eindeutiges mehr, sondern ein Balanceakt. Sie kann sich im Lauf des Lebens ändern, allerdings

bleibt immer ein Kern des Persönlichen.

"Mithilfe der Polizei sucht ein Mann nach seiner Identität: Der circa 50-Jährige ist seit gut zwei Wochen im Krankenhaus

und kann sich weder an seinen Namen noch an seine Herkunft erinnern."

"Wenn ich mich frage, ja wer bin ich eigentlich, ist das etwas, was ein Konglomerat ist von Gefühlen für mich selbst und

– ganz wichtig – von dem, was andere mir sagen."

"Wir haben Identitäten auf Zeit, dass wir uns für kurze Zeit zu etwas zugehörig fühlen, aber immer die Freiheit haben, in

ein anderes Programm zu switchen, auch was uns selbst anbelangt."

"Es ist im Prinzip egal, ob wir das nun digital oder analog nennen oder sagen: 'heute bin ich eher Vater und morgen bin

ich eher Bruder' oder was auch immer, letztlich führt das immer zu uns als Individuum zurück, und deswegen ist die

digitale Identität Teil der gesamten Identität."

"Es gibt unendlich viele Positionierungen zu dem Konstrukt nationaler Identität. Und das macht die Selbstdefinition sehr

viel schwieriger."

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LANDESTHEATERSCHWABEN"In Wirklichkeit aber ist kein Ich, auch nicht das naivste, eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige Welt, ein kleiner

Sternenhimmel, ein Chaos von Formen, Stufen und Zuständen, von Erbschaften und Möglichkeiten." –

Hermann Hesse, in Der Steppenwolf.

I d en t i t ä t – e i n Ro l l ensp i e l

"Es stimmt sicher, dass Identität heutzutage differenzierter gesehen wird, und dass es vor allem wichtiger ist."

Eva Jaeggi, inzwischen emeritierte Psychologieprofessorin in Berlin, hat kürzlich ein Buch geschrieben mit dem Titel:

"Wer bin ich? Frag doch die anderen!"

"Die Frage 'Wer bin ich? Wer bist du?' ist außerordentlich wichtig geworden in einer Gesellschaft, die sich aufgesplittert

hat in sehr unterschiedliche Gruppen, die natürlich arbeitsteilig auch organisiert ist, und wo die Frage 'Wo gehöre ich

hin?', nicht so eindeutig zu beantworten ist, weil die Rollen nicht mehr so eindeutig definiert sind."

Bei den Identitätstheorien spielt die Psychologie eine große Rolle. Siegmund Freud und mit ihm die Psychoanalyse hat ja

das "Ich" besonders im Blick. Identität sei zunächst "ein Gefühl für die eigene Person", ein unverzichtbarer Aspekt der

menschlichen Entwicklung in der Abgrenzung von anderen Menschen.

"Wenn Kinder anfangen, sich selbst im Spiegel zu erkennen, wenn sie sprachmächtig sind, ich sagen, dann kann man

sagen, das Kind hat eine erste vage Ahnung davon, wer es eigentlich ist, und das gehört auch zur Identität, dass

Handlungen oder auch Gefühle etwas sind, was aus einem selbst kommt." Schon Freud hatte betont, dass das "Ich"

einerseits aus den "Trieben", den elementaren Bedürfnissen entsteht, und andererseits aus den gesellschaftlichen

Normen und Erwartungen. Identität entwickelt sich in einem immerwährenden Dialog mit den Anderen, wie es der

amerikanische Soziologe George Herbert Mead nannte. Eva Jaeg : "Sehr viel wird natürlich von der Umwelt produziert, so

wie man schon als kleines Kind von den Eltern und anderen wichtigen Personen benannt wird: ein gutes, ein böses Kind,

ein lebhaftes Kind, ein stilles Kind, das sind alles Benennungen und Begriffe, mit denen eine Person sich auch

irgendwann identifiziert, das geht natürlich dann die ganze Entwicklung hindurch mit Kollegen, mit Geschwistern, bis hin

zur Liebesbeziehung, und das können sehr destruktive Zuschreibungen sein und sehr konstruktive."Früher gingen

Identitätstheorien allerdings davon aus, es gebe eine Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen. Deshalb wurde

wissenschaftlich auch besonders die Identitätsentwicklung bei Jugendlichen untersucht, weil man annahm, dass der

Entwicklungsprozess irgendwann zu einem Ende kommt – man sprach dann von einer "gefestigten Persönlichkeit".

Heute liegt die Betonung auf der lebenslangen Veränderlichkeit. Der Sozialpsychologe Heiner Keupp spricht von der

"Patchwork-Identität" des heutigen Menschen, die immer gekoppelt ist an die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen,

auch an eine gesicherte ökonomische Basis.

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I d en t i t ä t – e i n Ba l anceak t

Identität ist nichts Eindeutiges, sondern ein Balanceakt, schreibt die Psychoanalytikerin Eva Jaeggi in ihrem Buch: "Wer

bin ich? Frag doch die anderen".

"Man nimmt sich mit, wohin man geht." – aus Ernst Blochs "Tübinger Einleitung in die Philosophie".

Aber was ist dieses "Ich"? Gibt es einen unveränderlichen Kern der Identität?

"Jeder Mensch hat ein Gefühl dafür, dass er etwas ganz Spezielles in sich trägt, die ganz andere Form der Person, die

sich abhebt von anderen, andererseits muss man sagen, natürlich sind wir sehr stark abhängig von den Zuschreibungen

anderer Menschen; Auch wenn man sich sehr genau selbst befragt, zum Beispiel in einer Therapie, wo das natürlich

Thema ist, wird man sagen müssen, 'Ich bin mal das, ich bin mal das, nicht ganz beliebig,ich habe schon etwas, was ich

als mein ganz Eigenes ansehe, aber ich bin mir dessen bewusst, dass sich das auch verändern kann'." https://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Persönlichkeit&seite=7

FREIHEIT � F. ist ein Grundbegriff moderner Demokratien und zählt zu den wichtigsten Grund- und Menschenrechten.

F. wird in der Geschichte unterschiedlich interpretiert: In der Antike war ausschließlich eine kleine städtische Minderheit

(Bürger und Adel) frei; im Mittelalter herrschten verschiedene Abstufungen von F., die von der jeweiligen

gesellschaftlichen Stellung abhängig waren; die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in den Verfassungen einiger

amerikanischer Kolonien und der Unionsverfassung von 1787 sowie die Französische Revolution 1789 legten die

Grundlage für die neuzeitliche Definition des Begriffes.

Zu unterscheiden sind zwei (miteinander verbundene) Bedeutungen: a) die »Freiheit von etwas«, d. h. die traditionelle,

im europäischen Denken zentrale Forderung nach Unabhängigkeit und Abwesenheit von Zwang und Unterdrückung, und

b) die »Freiheit für etwas«, d. h. die inhaltliche Bestimmung, die tatsächliche Umsetzung und letztlich die Übernahme der

Verantwortung für das, was ohne Zwang und Unterdrückung getan (oder unterlassen) wird.

Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 6., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2016. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für

http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17505/freiheit

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� Was ist eigentlich Freiheit?

Was ist eigentlich Freiheit?Das Gegenteil von Gefangenschaft? Der Zustand, zu tun und zu lassen kann, was man will?

Eine ranzige Schnulze von Marius Müller Westernhagen?

Laut Lexikon:„Die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen zu können. Die Autonomie

eines handelnden Subjekts.“ Klingt erstmal ganz verlockend. Doch mit der Freiheit ist das so eine Sache....

Es gibt die Freiheit der Meinung, die Freiheit des Willens, die der Handlung. Die Freiheit, wählen zu dürfen, wenn man

möchte. Die Freiheit zu zweifeln.

Grundsätzlich lässt sie sich in zwei Lager unterteilen: Die negative...und die positive Freiheit. Positive Freiheit? Ist das

nicht ein bisschen doppelt gemoppelt? Nein. Ein Pferd steht auf der Wiese und es gibt keinen Zaun. Das ist negative

Freiheit: die Abwesenheit von Zwängen oder Einschränkungen. Es stehen ihm in alle Richtungen alle Möglichkeiten offen.

Galoppieren, Gras fressen, in der Sonne rumlümmeln, oder einfach nen dicken Haufen Pferdeäpfel absetzen. Aber erst,

wenn unser Pferd eine von den Möglichkeiten in die Tat umsetzt, sprechen wir von „positiver Freiheit“. Also ein Zustand,

in dem man diese Möglichkeiten auch nutzt.

Nutzen wir doch mal die Möglichkeiten: Ich wollte schon immer im öffentlich rechtlichen Fernsehen „F****n, Sch***e

und V****e zu sagen. Moment? Was war das? Bin ich frei, wenn ich tue, was ich will? Oder bin ich dann asozial?

Freiheit ist nicht gleich Anarchie! Jede Art von Freiheit kann als Gutes nur innerhalb eines Wertesystems funktionieren.

Ja genau. Jetzt wird es kompliziert! Wir schimpfen auf konservative Christen, die uns Kondome verbieten wollen,

Turbantragende Dönerhändler und Leute, die sich immer noch Phil Collins im Radio wünschen... Sind solche Leute etwa

„weniger frei“?

Musste der Irak „befreit“ werden? Müssen wir Kettenraucher dazu zwingen, sich erst 10 Meter vorm Bürogebäude eine

Kippe anstecken zu dürfen? Oder einer Muslima im öffentlichen Dienst, den Schleier verbieten? Nur weil WIR sie als

„unfrei“ wahrnehmen?

Freiheit macht ganz schön unfrei! Intolerant und überheblich! Wenn Sie das nicht glauben, dann versuchen Sie bitte, mit

Schlips und Anzug in einem besetzten Haus Herberge zu bekommen!

Freiheit ist individuell. Deswegen heißt sie ja auch „Freiheit“! http://www.3sat.de/page/?source=/philosophie/159985/index.html

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABENTRAUM

� Die Welt des Traumes ist nicht bloß der verschlossene Garten der Fantasie. Der Träumer begegnet im Traum seiner

eigenen Welt, weil er darin das Antlitz seines Schicksals erblickt: Er stößt auf die Bewegung seiner Existenz und seiner

Freiheit: in ihrer Erfüllung oder ihrer Entfremdung. Wie sich eine Wasseroberfläche von der Aufpeitschung am Ufer meist

beruhigen lässt, wenn sie in der Mitte ruhig und still ist, so ist die Seele im Schlaf für die Bewegung der fernen Welt

empfindlicher als im Wachzustand. Auf dem Wasser werden die Wellen immer größer und wühlen schließlich die

gesamte Oberfläche auf: desgleichen erschüttern im Traum die geringsten Regungen schließlich den ganzen Spiegel der

Seele; aus einem Geräusch, das ein waches Ohr kaum wahrnehmen würde, macht ein Traum ein Donnergetöse, und aus

einer leichten Erwärmung wird eine Feuersbrunst. Im träumen taucht die von ihrem Körper entbundene Seele in den

Kosmos ein, sie lässt sich von ihm überschwemmen und vermengt sich mit seiner Bewegung wie in einem großen

Flutern. Aus: Michel Foucault, Einführung zu Ludwig Binswanger „Traum und Existenz“, 1954

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABEN

BÜHNENBILD UND KOSTÜM von Mareike Delaquis-Porschka

1 . Ak t

3 . Ak t

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABEN

PEER I , I I und I I I

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABEN

PEERS F r auen

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABENANREGUNGEN UND FRAGEN

FÜR EIN GESPRÄCH MIT SCHÜLERN �� Gibt es Szenen/Momente/Figuren die euch besonders gut gefallen haben, im Gedächtnis geblieben sind oder

berührt haben? Beschreibt warum.

�� Habt ich etwas nicht verstanden oder fandet etwas seltsam? Beschreibt warum.

� Wie sah der Raum aus? Welchen Ort hat er für euch dargestellt? Habt ihr euch an etwas erinnert gefühlt?

�� Wie sahen die Kostüme aus (Farbgebung, Stil, etc.)?

Was haben die Kostüme über den Charakter verraten?

Haben die Kostüme auf Beziehungen oder Ähnlichkeiten zwischen Figuren hingewiesen?

�� Welche Wirkung hatte die Musik (oder andere Geräusche) auf euch?

Hat sie die Atmosphäre unterstützt oder selbst etwas erzählt?

�� Welche Themen werden im Stück verhandelt? Worum geht es (neben der Geschichte, die erzählt wird)?

Welches Thema interessiert mich/welches hat mich interessiert?

�� Die Figur des Peer ist dreigeteilt.

Worin unterscheiden sich die drei?

Welche verschiedenen Charaktere haben sie?

Was treibt die drei an? Wonach suchen sie?

Wie ist ihre Beziehung zueinander?

Wie ist die Beziehung der Peers zu den anderen Figuren?

� Was ist Identität?

Können wir wirklich sagen, wer wir sind?

Verändern wir uns mit der Zeit und ändert sich dadurch unsere Identität? Oder gibt es einen bestimmten Kern,

der immer gleich bleibt?

Wie viele Identitäten haben wir (berufliche/schulische, private, mediale)?

Wie frei sind wir? Können wir unsere Identität selbst bestimmten (und gestalten) oder werden wir von der

Umwelt „gemacht“ ?

� Hat die Geschichte von Peer Gynt in der Inszenierung wirklich stattgefunden? Oder war alles nur ein

Tagtraum/Alptraum?

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABENARBEITSAUFGABEN UND ÜBUNGEN

FÜR DIE ARBEIT MIT SCHÜLERN

We r b i n i ch

Sammeln Sie mit den Schülern Ideen/Assoziationen zum Begriff Identität und versuchen sie gemeinsam, eine Definition

dafür zu finden. Sammeln Sie Lebensbereiche, in denen man unterschiedliche Identitäten haben kann.

Jeder soll sich nun zwei Bereiche – in denen er sich bewegt - aussuchen.

Im Raum werden nun Stühle aufgestellt, jeder sucht sich einen Stuhl, setzt sich und schließt die Augen. Die Schüler

sollen nun eine typische Situation und/oder ein bestimmtes Erlebnis in einem Lebensbereich imaginieren. Anschließend

öffnet alle die Augen, stellen sich neben den Stuhl und schauen dort hin, als würden sie das eben erinnerte nun als

Beobachter von außen betrachten. Dies wird mit dem zweiten Lebensberiech wiederholt.

Im Folgenden soll jeder versuchen, schriftlich in einer Art Mindmap festzuhalten, wie und wer er in den

unterschiedlichen Bereichen ist, wie er sich sieht, wie er glaubt, dass andere ihn sehen und die Gemeinsamkeiten und

Unterschiede versuchend zu definieren.

Sprechen Sie im Anschluss darüber. Was fiel schwer oder leicht? Wie groß sind die Unterschied und Gemeinsamkeiten?

Gibt es eine Idee, was konstant gleich bleiben könnte? Wichtig ist, dass keiner gezwungen wird, seine Aufzeichnungen

offenzulegen.

L ebens re i s e

Alle gehen durch den Raum, jeder in seinem Tempo. Dabei soll man sich kurz seine eigene „Geschichte“ in Erinnerung

rufen. Was ist die erste Erinnerung die man hat, wo ist man aufgewachsen, wo in den Kindergarten gegangen, welche

Lieblingsplätze hatte oder hat man, wie oft ist man umgezogen, welche Freunde hatte man, welche hat man noch.

Im nächsten Schritt geht man die wichtigen Stationen seines Lebens ab. Dafür bleiben alle erst einmal stehen. Dann geht

man ein Stück bis zur nächsten Station, formuliert im Kopf kurz, was dort war und murmelt es dann vor sich hin. Dann

geht man einen Schritt weiter zur nächsten Station, formuliert wieder im Kopf, was sich wichtiges ereignet hat und

murmelt es im Anschluss. Das macht man so oft, bis man im Jetzt angekommen ist. Jeder im eigenen Tempo und mit

individuell vielen Stationen. Ist man fertig, dreht man sich um und schaut auf die einzelnen Stationen zurück.

In Zweier-Gruppen kann man sich im Anschluss austauschen. War es schwer, die Stationen zu definieren? Was waren

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LANDESTHEATERSCHWABEN

LANDESTHEATERSCHWABENAuslöser? Gibt es Wendepunkte, die man gemeinsam hat? Hat man Veränderungen erfahren?

Erweiterungsmöglichkeit/Variante:

In den Gruppen entwirft man eine fiktive Lebensgeschichte und bestimmt die Stationen der Geschichte. Dann beschreitet

man den Weg einmal ähnlich wie zuvor. Dann beschreitet man den Weg ein zweites Mal und findet an jeder Station

Körperhaltungen für den Moment. Dann beschreitet man den Weg ein drittes Mal, mimt die Haltung ein und sagt dazu

einen Satz: „Ich bin...“.

��

3 x Pee r

Aufteilung in 3er Gruppen (geht es nicht auf kann man mit den Verbleibenden auch eine Zweier- oder eine Viere-Gruppe

machen). Es werden folgende Charaktere in der Gruppe durch ziehen eines Zettels zugewiesen: Der Träumer, der

Draufgänger, der Denker.

Jeder soll nun eine Körperhaltung finden für seine Figur. In den Kleingruppen werden nun Gegenseitig die Haltungen

gezeigt und die anderen versuchen, die Charaktere zu erraten.

Im nächsten Schritt gehen alle durch den Raum, ausgehend von der Haltung soll nun jeder einen Gang für seine Figur

finden. Die Kleingruppen kommen wieder zusammen und sollen sich nun eine Grundsituation und kurze Szene überlegen,

in der die drei Charaktere sich wiederfinden (z.B. eine Ausrede finde, weil man zu lange weg war, man wird von

jemandem fertig gemacht, o.ä.). In der Gruppe definiert man einen Spielraum. Dann improvisiert man die Szene drei man,

jedes mal ist ein andere mit seinem Charakter die Hauptfigur, die zwei übrigen dienen als Spielpartner.

Im Anschluss tauscht sich die Gruppe über die unterschiedlichen Reaktionen aus.

Erweiterung:

Jeder in der Gruppe soll nun einmal den Spielraum alleine betreten und ein Statement als Charakter/Figur zur Situation

abgeben.

Die Kleingruppe soll sich ein Unterhaltung/Auseinandersetzung der Charakter zur Grundsituation überlegen.