THEORIE & PRAXIS: Überschätzte Kennzahl? · 120 No. 2/2 018 | THEORIE & PRAXIS: SHILLER-KGV M it...

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120 N o . 2/2018 | www.institutional-money.com THEORIE & PRAXIS: SHILLER-KGV M it der Publikation des je- weils aktuellsten Werts des Shiller-KGVs ließen sich in den letzten Jahren in Online-Finanzmedien schnell und billig „Klicks“ einsammeln. Diese international beachtete Kennzahl zur Bewertung ameri- kanischer Aktien ist weithin be- kannt und bewegt sich seit einiger Zeit auf Niveaus, die man histo- risch noch nicht sehr oft sah. Aktu- ell liegt der Wert bei mehr als 31, und das lässt Investoren, die den Chart dieses über zehn Jahre ge- glätteten und inflationsbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnisses kennen, zunehmend nervöser werden. Eine Rückkehr zu den langjährigen Durchschnittswerten würde einiges an – bis her nur in Form von Buchgewinnen vorlie- genden – Aktienrenditen ausradieren. Und natürlich ist davon auszugehen, dass die Frage nicht „ob“, sondern „wann“ lautet. Das akademische Research zeigt zwar, dass Bewertungen kurzfristig nicht zur Prognose künftiger Aktienerträge geeignet sind, den- noch sind Bewertungen der beste Schätzer für langfristige zukünftige Aktienmarktren- diten. Eine Cycle-Adjusted Price Earnings Ratio geglättet über zehn Jahre (CAPE 10) von 31 bedeutet eine zu erwartende künftige reale Aktienrendite für die kommen- den Jahre von im Schnitt weni- ger als drei Prozent jährlich. In- klusive zwei Prozent Inflation sind das also bloß Nominalren- diten von zirka fünf Prozent jährlich, was nur die Hälfte der historischen Renditen darstellt. Im November 2012 zeigte AQR-Gründer Cliff Asness in dem White Paper mit dem Titel „An Old Friend: The Stock Mar- ket’s Schiller P/E“, dass die künftigen realen Durchschnitts- erträge auf zehn Jahre fast monoton fallen, wenn das Shiller-PE steigt. Mit dem An- stieg des Shiller-PE verschieben sich die Renditeverteilungen nach links, sind aber breit gestreut. Wenn etwa das Shiller-PE den Wert von 25 erreicht, lag der folgende beste Zehnjahresreturn bei real 6,3 Prozent und damit ein Prozent unter dem histori- schen Durchschnitt. Daher sollte das CAPE 10 nicht als Tool für das Timing am Aktien- markt verstanden werden. Zur gleichen Erkenntnis gelangte Javier Estrada in seiner Studie „Multiples, Fore- casting and Asset Allocation“, die im Som- mer 2015 im „Journal of Applied Corporate Finance“ publiziert wurde. Der Autor über- prüfte Bewertungen auf ihre Tauglichkeit als Asset-Allocation-Tool und fand keinen Beleg für die Überlegenheit bewertungsba- sierter Strategien; vielmehr würden die Zah- len eher in Richtung des Gegenteils deuten. Obwohl also die US-Bewertungen auf his- torisch hohem Niveau sind, muss der Aus- blick nicht notwendigerweise dunkel sein. Einer, der diese Ansicht vertritt, ist Larry Swedroe: Er rät Investoren vor allem davon ab, Aktienmarktbewertungen für Timing- zwecke heranzuziehen. Er ist Research-Di- rektor der BAM Alliance, einer Vereinigung von 140 unabhängigen registrierten Invest- ment Advisors in den USA. Swedroe sieht nicht zuletzt buchhalteri- sche Gründe, warum diesmal tatsächlich einiges anders sein könnte. Er verweist da- rauf, dass das Financial Accounting Stan- dards Board 2001 seine Buchhaltungsvor- schriften in Bezug auf die Ab- schreibung des Good Will geän- dert hat. Davor war es unter den GAAP erforderlich, den Good Will über 40 Jahre als nicht cashwirksame Ausgabe vom Un- ternehmensgewinn abzuziehen und damit zu amortisieren. 2001 wurde alles anders: FAS 142 wurde eingeführt und dadurch die Amortisation des Good Will komplett abgeschafft. Anstatt al- so den Good Will über mehrere Jahrzehnte abzuschreiben, sind nun jährliche Impairment-Tests vorgeschrieben. Jedes Jahr muss also getestet werden, ob die frü- Das von Robert Shiller entwickelte KGV wird weithin beachtet und warnt derzeit vor US-Aktien. Es gibt aber Analysen, die signalisieren, dass eine zu simple Interpretation der Kennzahl ein Fehler sein könnte. FOTO: © BAM ALLIANCE, GMF » Aus mehreren Gründen gilt es, sich als Investor vor Missinterpretationen des Shiller-KGVs zu hüten. « Larry Swedroe, Research-Direktor von The BAM Alliance, Vereinigung unabhängiger US-Investment-Advisors Überschätzte Kennzahl? Langfristige Entwicklung des Shiller-KGVs Ein hohes Shiller-PE lässt künftig maue reale Renditen erwarten. Dargestellt ist das CAPE 10, also die über zehn Jahre „Cyclically Adjusted Price-to- Earnings Ratio“ vulgo Shiller-KGV für den US-Aktienmarkt seit 1880. Quelle: Robert Shiller 1970 1960 1950 2000 1990 2010 1980 1940 1930 1920 1910 1900 1890 0 5 10 15 20 25 30 35 45 40 Black Tuesday 31,47 Black Monday Shiller PE ratio for the S&P 500

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  • 120 No. 2/2018 | www.institutional-money.com

    TH EOR I E & P R A X I S : SHI L LER-KGV

    Mit der Publikation des je-weils aktuellsten Wertsdes Shiller-KGVs ließensich in den letzten Jahrenin Online-Finanzmedien schnell und billig„Klicks“ einsammeln. Diese internationalbeachtete Kennzahl zur Bewertung ameri-kanischer Aktien ist weithin be-kannt und bewegt sich seit einigerZeit auf Niveaus, die man histo-risch noch nicht sehr oft sah. Aktu-ell liegt der Wert bei mehr als 31,und das lässt Investoren, die denChart dieses über zehn Jahre ge -glätteten und inflationsbereinigtenKurs-Gewinn-Verhältnisses kennen,zunehmend nervöser werden. EineRückkehr zu den langjährigenDurchschnittswerten würde einiges an – bisher nur in Form von Buchgewinnen vorlie-genden – Aktienrenditen ausradieren. Undnatürlich ist davon auszugehen, dass dieFrage nicht „ob“, sondern „wann“ lautet.Das akademische Research zeigt zwar, dassBewertungen kurzfristig nicht zur Prognosekünftiger Aktienerträge geeignet sind, den-noch sind Bewertungen der beste Schätzerfür langfristige zukünftige Aktienmarktren-diten. Eine Cycle-Adjusted Price EarningsRatio geglättet über zehn Jahre(CAPE 10) von 31 bedeutet einezu erwartende künftige reale Aktienrendite für die kommen-den Jahre von im Schnitt weni-ger als drei Prozent jährlich. In-klusive zwei Prozent Inflationsind das also bloß Nominalren-diten von zirka fünf Prozentjährlich, was nur die Hälfte derhistorischen Renditen darstellt.

    Im November 2012 zeigteAQR-Gründer Cliff Asness indem White Paper mit dem Titel„An Old Friend: The Stock Mar-ket’s Schiller P/E“, dass diekünftigen realen Durchschnitts-

    erträge auf zehn Jahre fast monoton fallen,wenn das Shiller-PE steigt. Mit dem An-stieg des Shiller-PE verschieben sich dieRenditeverteilungen nach links, sind aberbreit gestreut. Wenn etwa das Shiller-PEden Wert von 25 erreicht, lag der folgendebeste Zehnjahresreturn bei real 6,3 Prozent

    und damit ein Prozent unter dem histori-schen Durchschnitt. Daher sollte das CAPE10 nicht als Tool für das Timing am Aktien-markt verstanden werden.

    Zur gleichen Erkenntnis gelangte JavierEstrada in seiner Studie „Multiples, Fore -casting and Asset Allocation“, die im Som-mer 2015 im „Journal of Applied CorporateFinance“ publiziert wurde. Der Autor über-prüfte Bewertungen auf ihre Tauglichkeitals Asset-Allocation-Tool und fand keinen

    Beleg für die Überlegenheit bewertungsba-sierter Strategien; vielmehr würden die Zah-len eher in Richtung des Gegenteils deuten.Obwohl also die US-Bewertungen auf his -torisch hohem Niveau sind, muss der Aus-blick nicht notwendigerweise dunkel sein.Einer, der diese Ansicht vertritt, ist Larry

    Swedroe: Er rät Investoren vor allem davonab, Aktienmarktbewertungen für Timing-zwecke heranzuziehen. Er ist Research-Di-rektor der BAM Alliance, einer Vereinigungvon 140 unabhängigen registrierten Invest-ment Advisors in den USA.

    Swedroe sieht nicht zuletzt buchhalteri-sche Gründe, warum diesmal tatsächlich einiges anders sein könnte. Er verweist da -rauf, dass das Financial Accounting Stan-dards Board 2001 seine Buchhaltungsvor-

    schriften in Bezug auf die Ab-schreibung des Good Will geän-dert hat. Davor war es unter denGAAP erforderlich, den GoodWill über 40 Jahre als nichtcashwirksame Ausgabe vom Un-ternehmensgewinn abzuziehenund damit zu amortisieren. 2001wurde alles anders: FAS 142wurde eingeführt und dadurchdie Amortisation des Good Willkomplett abgeschafft. Anstatt al-so den Good Will über mehrereJahrzehnte abzuschreiben, sindnun jährliche Impairment-Testsvorgeschrieben. Jedes Jahr mussalso getestet werden, ob die frü-

    Das von Robert Shiller entwickelte KGV wird weithin beachtet und warnt derzeit vor US-Aktien. Es gibtaber Analysen, die signalisieren, dass eine zu simple Interpretation der Kennzahl ein Fehler sein könnte.

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    »Aus mehreren Gründen gilt es, sich als Investor vor Missinterpretationen

    des Shiller-KGVs zu hüten.«Larry Swedroe, Research-Direktor von The BAM Alliance,

    Vereinigung unabhängiger US-Investment-Advisors

    Überschätzte Kennzahl?

    Langfristige Entwicklung des Shiller-KGVsEin hohes Shiller-PE lässt künftig maue reale Renditen erwarten.

    Dargestellt ist das CAPE 10, also die über zehn Jahre „Cyclically Adjusted Price-to-Earnings Ratio“ vulgo Shiller-KGV für den US-Aktienmarkt seit 1880. Quelle: Robert Shiller

    197019601950 20001990 2010198019401930192019101900189005

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  • her erworbenen Assets heute vernünftiger-weise noch immer ihren Kaufpreis wertsind. Wird die Frage verneint, muss derGood Will sofort abgeschrieben werden.Die Verpflichtung zu Impairment-Tests besteht aber nicht nur für den Good Will,sondern für alle immateriellen Vermögens-werte und gemäß der Norm FAS 144, dieeinige Monate später als FAS 142 das Lichtder Welt erblickte, auch für alle langfristignutzbaren Vermögensgegenstände.

    Veränderte Standards

    Während die Norm FAS 142 eine genaue-re Verbuchungsmethode darstellt, bringt siedoch auch eine Inkonsistenz in die Gewinn-

    messung. Gegenwärtige Bewertungen sehendadurch viel teurer aus als solche in der Ver-gangenheit – und als sie tatsächlich sind.„Berücksichtigt man beim Shiller-PE diesegeänderten Vorschriften, würden die heuti-gen US-CAPE-10-Werte ungefähr vierPunkte tiefer – und damit bei 27 statt 31 –liegen“, erklärt Swedroe.

    Auch Norbert Keimling, seines ZeichensHead of Research bei StarCapital, hat sichintensiv mit dem Shiller-PE beschäftigt. Da-bei hat er die Unschärfe bei CAPE-Progno-sen visualisiert (siehe Grafik „Aktuelle Er-tragsprognosen und historische Prognosege -nauigkeit“). Keimling untersuchte für 17Staaten zwischen 1881 und 2015 das Shil-ler-KGV (CAPE 10) und die Renditestreu-

    ung in den folgenden zehn bis 15 Jahren.Für 16 Länder (Russland, Brasilien, Spa-nien, Singapur, Großbritannien, Südkorea,Italien, Emerging Markets, Hongkong, Chi-na, Australien, Europa, Deutschland, Frank-reich, Kanada, Schweden, Indien, die Nie-derlande, World AC und Japan) und einigeRegionen begann der Untersuchungszeit-raum erst im Dezember 1979. Historisch betrachtet, würde ein US-CAPE-10 von 30,3unterdurchschnittliche Renditen zwischenreal 0,8 bis 4,6 Prozent in den nächs ten zehnbis 15 Jahren erwarten lassen. „Ausreißermuss man aber im Hinterkopf behalten,denn diese reichten von minus 4,1 Prozentannualisierter Rendite bis plus 10,7 Prozentjährlich“, betont Keimling. Der StarCapital-

    Nobelpreisträger Robert J. Shiller unterrichtet an der Yale-Universität. Das von ihm entwickelte Kurs-Gewinn-Verhältnis zählt zu den bekanntesten und auch beachtetsten Bewertungsinstrumen-ten für Aktien. Das Shiller-PE trägt allerdings der dynamischen Entwicklung der Weltwirtschaft und der Kapitalmärkte nicht Rechnung, und das könnte durchaus Fehlinterpretationen bewirken.

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  • Experte gibt dennoch zu bedenken, dass einCAPE von 27 immer noch zum teuerstenDezil aller Monate seit 1881 gehört.

    Grundsätzlich muss man sich aber auchdie Frage stellen, wie klug es sein kann,sich auf eine einzige Bewertungskennzahlzu stützen. Ein Problem dabei sind nachSwedroes Einschätzung auch die massivenVeränderungen in der Dividendenpolitik derUnternehmen. Heute zahlen weniger Fir-men Dividenden als früher. In ihrer Studie„Disappearing Dividends: Changing FirmCharacteristics or Lower Propensity toPay?“ stellen Eugene Fama und KennethFrench fest, dass Firmen, die Cash-Dividen-den zahlen, von 67 Prozent 1978 auf 21Prozent im Jahr 1999 zurückgegangen sind.Der Anteil der Dividendenzahler ist seitherwieder gestiegen, da sich die Zahl der gelis -teten Unternehmen seither in etwa halbierthat und dieser Rückgang den kleineren Fir-men zuzuschreiben ist, die seltener Dividen-den zahlen. Jedenfalls ist die Dividenden-Pay-out-Ratio des S&P 500 von 52 Prozentim Jahr 1954 bis 1995 auf 35 Prozent ge-sunken. Im September 2017 lag sie dannwieder bei zirka 45 Prozent.

    Schnelleres Gewinnwachstum

    Theoretisch sollte sich das Einbehaltender Gewinne in einem schnelleren Gewinn-wachstum niederschlagen, da die Unterneh-men diese Gewinne reinvestieren oder Ak-tien zurückkaufen. Dem war tatsächlich so:Zwischen 1954 und 1995 betrug die Wachs-tumsrate der realen Gewinne pro Aktie imSchnitt 1,7 Prozent, von 1995 bis 2017 mit3,3 Prozent jährlich fast das Doppelte.

    Um faire Vergleiche zwischen damals undheute beim Shiller-KGV herzustellen, müs-sen die Unterschiede in den Pay-out Ratiosnormalisiert werden. „Diese Anpassung zwi-schen der 52-prozentigen beziehungsweiseder 35-prozentigen Pay-out Ratio bedeutetungefähr eine Differenz von einem Punktbeim Shiller-PE“, sagt Larry Swedroe. Ver-wendete man die gegenwärtige Pay-out Ra-tio, wäre der Anpassungs effekt in etwa halbso groß und läge bei 0,5 Punkten.

    Keimling hat mit dieser Aussage wenigFreude: „In unserer Studie haben wir diePrognosekraft eines um Ausschüttungsquo-ten bereinigten CAPE in 17 MSCI-Ländern

    seit 1979 untersucht. Hierbei zeigte sich,dass ein um Ausschüttungsquoten adjustier-tes CAPE zukünftige Renditen schlechterprognostiziert als das normale CAPE. Die-ses adjustierte CAPE scheint jedoch wederim Hinblick auf das Bestimmtheitsmaß R²noch die Korrelation dem klassischenCAPE überlegen zu sein. Dies gilt sowohlfür einzelne Länder, in denen sich das R² in9 von 16 Ländern verschlechtert, als auchfür die beiden untersuchten Ländergrup-pen.“ Auch die Drawdowns in Abhängig-keit von der Bewertung würden keine nen-nenswerten Unterschiede zum CAPE zei-gen, weiß Keimling. Empirisch hätten damitkeine Hinweise für eine Überlegenheit desum Ausschüttungsquoten adjustierten CAPEgefunden werden können.

    Nichts Magisches

    Swedroe sieht eine Schwäche von Shil-lers Konzept im zehnjährigen Normalisie-rungszeitraum – dies sei eine willkürlicheAnnahme. In ihrem Buch aus dem Jahr1934 mit dem Titel „Security Analysis“ ha-ben Benjamin Graham und David Dodd

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    Aktuelle Ertragsprognosen und historische PrognosegenauigkeitCAPE 10 und prognostizierte Renditen der folgenden 10 bis 15 Jahre

    Der Untersuchungszeitraum für die USA reicht von Januar 1881 bis Mai 2015, jener für die anderen 16 MSCI-Länder beginnt mit Dezember 1979. Nur CAPE-Niveaus zwischen 5 und30 sind dargestellt. Annualisierte Renditen verstehen sich inflationsadjustiert und inklusive Dividenden. Quelle: StarCapital

    20 %

    15 %

    10 %

    5 %

    0 %

    –5 %5 10 15 20 25 30

    17 Countries (1881-2015)

    Shiller-CAPE

    Returns of the subsequent 10-15 years

    RussiaBrazil Spain,

    Singapore UK,KoreaItaly,Emer-gingMkts

    HongKong,China

    Tai-wan

    Germany,France

    Canada,Sweden,

    India

    WorldAC

    Nether-lands

    Japan

    Europe

    Devel.Mkts,

    Switzer-land

    USA

    Australia

  • festgehalten, dass die traditionell berichte-ten Kurs-Gewinn-Verhältnisse beträchtlichschwanken können und eine starke zykli-sche Komponente aufweisen. Um hier denzyklischen Effekt zu kontrollieren, schlugendie beiden vor, den Gewinndurchschnitt vonfünf, sieben oder sogar zehn Jahren für dieBerechnung heranzuziehen. Dann publizier-ten 1988 die Ökonomen James Campbellund der spätere Nobelpreisträger RobertShiller ihr Papier, in dem sie auf einenZehnjahresdurchschnitt abstelltenund zur Erkenntnis gelangten, dassder langfristige Durchschnitt Infor-mation über künftige Aktienren -diten enthält. Das verlieh dem Konzept zusätzliche Glaubwürdig-keit und machte das Shiller-PE inder Form von CAPE 10 richtig populär.

    Wie schon Graham und Doddfeststellten, rankt sich nichts Beson-deres um den Zehnjahreshorizont, dennauch andere Zeithorizonte bieten Informa -tion über künftige Renditen. Swedroe ana-lysierte, wie eine Veränderung des Hori-zonts die Sicht auf die Bewertung derMärkte beeinflussen kann.

    Cape 8 statt CAPE 10?

    Während das Shiller-PE bei SwedroesAnalyse bei 34 stand, ging dieses bei CAPE8 (achtjähriger Horizont), das ungefähr diegleiche Erklärungskraft für künftige Rendi-ten besitzt wie das CAPE 10, auf 31 zurück,weil die beiden Jahre 2008 und 2009 mittemporär gedrückten Unternehmensgewin-nen herausfallen. Macht man dann An -passungen im Hinblick auf geän -derte Buchführungsvorschriften undDividenden-Ausschüttungsquoten,kommt man auf ein adjustiertesCAPE 8 von 26. Dieses ließe einereale Rendite von 3,8 Prozent jähr-lich und damit fast einen Prozent-punkt pro Jahr mehr Rendite erwar-ten, als wenn man das CAPE 10 be-nutzen würde, so Swedroe weiter.Das ist zwar einerseits mehr als imCAPE-10-Fall, aber noch immerweniger als im historischen Durch-schnitt, den die meisten Investorenauch in Zukunft als Zielrendite amUS-Aktienmarkt vor Augen haben.Rechnet sich Swedroe damit denMarkt billig und schön?

    Auch Norbert Keimling hat grundsätzlichkein Problem mit einem achtjährigen Zeit-raum für die CAPE-Berechnung: „Die zehn-jährige Betrachtung sollte lediglich sicher-stellen, dass die Gewinne über mehr als ei-nen Gewinnzyklus erfasst wurden: „RobertShiller selbst hat meines Wissens geäußert,dass andere Perioden wie acht Jahre eineähnliche Aussagekraft haben.“ Die Glättungüber mehrere Jahre und die damit einher -gehende zyklische Adjustierung hätten je-

    doch nicht nur Vorteile, so der StarCapital-Experte weiter: „In schnell wachsendenMärkten oder in Märkten mit strukturellenBrüchen, muss man das CAPE kritisch hin-terfragen. So zum Beispiel im MSCI Grie-chenland: hier wird von einigen Marktteil-nehmern ein attraktives CAPE ausgewiesen,das jedoch auf Gewinnen einer nicht mehrexistenten Finanzindustrie basiert.“ Letztereshat im US-Markt aber keine Auswirkungenda die Sektorstruktur relativ stabil ist.

    Obwohl das aktuelle adjustierte US-CAPE-10 von 26 historisch betrachtet hoch ausfällt– liegt doch der langfristige Durchschnitt beizirka 17 –, bedeutet das nicht notwendiger-weise, dass der US-Aktienmarkt überbewer-tet ist, meint Swedroe, sondern der Markt

    könne lediglich hoch bewertet mit niedrige-ren künftigen Ertragserwartungen sein.

    Hoch oder überbewertet?

    CAPE 10 geht zurück bis 1880 und damitin eine Zeit, die mit der heutigen schwervergleichbar ist. Swedroe: „Zwei Beispieleillustrieren dies: Für einen nicht unbedeu-tenden Teil dieses Zeitfensters gab es keineFederal Reserve, um die Volatilität in der

    Wirtschaftsentwicklung zu dämpfen, undauch keine SEC zum Schutz von Investo-reninteressen. Beide Institutionen haben dieWelt für Investoren sicherer gemacht, waseine niedrigere Aktienrisikoprämie und da-mit höhere Bewertungen rechtfertigt. Dazukommt, dass wir keine Große Depressionerlebt haben und dass es seit 1945 keineWeltkriege gibt.“

    Mit dieser Argumentation konfrontiert,sagt Keimling: „Wenn das Shiller-CAPE alseinziger Indikator eine Überbewertung imUS-Markt anzeigen würde, wäre diese Argumentation plausibler. In unserer Unter-suchung haben wir vier weitere Indikatorenin einem weltweiten Länderuniversum un-tersucht, nämlich KGV, Kurs-Cashflow-Ver-

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    GDP-Welt-Anteil versus Gewicht im MSCI WorldDie japanische Überbewertung ist abgebaut, jene der USA zuletzt weiter gestiegen.

    Die Diskrepanz zwischen Index- und GDP-Gewicht hat sich in Japan mittlerweile normalisiert (links). Anders in den USA: Dorthat sie sich weiter ausgebaut (rechts). Quelle: StarCapital-Studie

    50 %

    40 %

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    20 %

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    0 %

    5

    nMSCI AC World weight n nWorld GDP weight

    1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

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    1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 20151

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    »Ob man acht oder zehn Jahre für das Shiller-KGV zurate zieht, macht keinen bedeutenden Unterschied.«

    Dr. Robert James Shiller, Nobelpreisträger und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University

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    hältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV)und die Dividendenrendite. Hierbei zeigtesich insbesondere, dass das KBV eine ver-gleichbar gute Prognoseeigenschaft hat wiedas CAPE. Als Substanzwertkennzahl be-wertet es einen Markt dabei in einer grund-legend anderen Weise als das CAPE. DaBuchwerte kaum schwanken, bedarf es kei-ner zehnjährigen Glättung, was die CAPE-verzerrenden Einflüsse wie Strukturbrücheund negative Gewinne der Finanzkrise ver-meidet. Außerdem sind Buchwerte bilanz-politisch schwerer zu beeinflussen. Wenndas CAPE durch Neuerungen der letztenJahrzehnte verzerrt wäre, sollte das KBVkeine Überbewertung anzeigen.“ Das tut esaber sehr wohl, wie Keimling in seiner Stu-die feststellen musste: „Auf ein aktuellesUS-KBV von 3,1 folgten historisch mit 3,5Prozent pro Jahr real vergleichbare Renditenüber die folgenden zehn bis 15 Jahre wiebeim CAPE mit 3,1 Prozent. Im Mittel wur-den die Länder mit einem KBV von 1,8 bewertet. Damit ist der US-Markt anhanddes KBV 70 Prozent überbewertet, anhanddes CAPE nach unseren Modellen zum Stu-dienzeitpunkt nur 60 Prozent.“ Einem US-

    CAPE-10 von 29,8 stand damals ein globa-ler Durchschnittswert von 18,3 gegenüber.Auch Tobin’s Q zeigt deutliche Überbewer-tungen. Die Überbewertung des US-Mark-tes lässt sich damit nach Meinung Keim-lings nicht auf CAPE-spezifische Faktorenzurückführen.

    Bei Tobins Quotient handelt es sich umeine betriebswirtschaftliche Kennzahl, dieden Marktwert eines Unternehmens, beste-hend aus Marktkapitalisierung und Verbind-lichkeiten, durch die Wiederbe schaf fungs -kos ten aller Firmenassets dividiert. Ein Wertunter eins zeigt dabei eine Unter-, ein Wertgrößer als eins eine Überbewertung an.

    Systemische Veränderungen

    Ein weiterer Grund für ein mit der Zeitsteigendes Shiller-PE sei die Tatsache, soSwedroe, dass die USA seit 1880 ein we-sentlich wohlhabenderes Land gewordenseien. Mit steigendem Wohlstand werde Ka-pital weniger knapp. Ceteris paribus solltendaher weniger knappe Assets im Preis sin-ken. Hier gibt Keimling zu bedenken, dassandererseits in etablierten Volkswirtschaften

    das Potenzialwachstum sinke. Ebenso seidokumentiert, dass gleichgewichtete Indizesmarktkapitalisierungsgewichtete übertref-fen, da sie kleinere und wachstumsstärkereInvestments höher gewichten.

    Dritter Grund für eine steigende CAPE-10-Ratio sei laut Swedroe das Faktum, dassInvestoren für die Übernahme des Liquidi-tätsrisikos mit einer Prämie entschädigt wer-den möchten. Weniger liquide Assets ten-dierten dazu, liquide outzuperformen. Cete-ris paribus präferieren Investoren höhere Liquidität. Die Forderung nach einer Risi-koprämie für die Übernahme weniger liqui-der Assets ist rationales Verhalten. Über dieZeit haben sich die Kosten der Liquiditätverringert, wie an den enger gewordenenGeld-Brief-Spannen abzulesen ist. Dafürgibt es mehrere Gründe, etwa die Umstel-lung der Aktien-Quotes auf das Dezimal -system und die zusätzlich durch den Hoch-frequenzhandel ins Spiel gebrachte Liquidi-tät. Die Kosten für Broker-Kommissionensind in den letzten Jahrzehnten regelrechtkollabiert. Andere Implementierungskostenwie die Managementgebühren passiver In-dexfonds oder ETFs mit ihren geringen lau-

    Diagramm von KBV und CAPE Ein niedriger Kurs-Buchwert und ein niedriges Shiller-PE bieten gute Chancen.

    Die größten Überbewertungen zeigen derzeit die USA, Indien und die Schweiz. Am günstigsten bewertet ist Russland. Quelle: StarCapital

    Countries which trade above the historical CAPE and PB are shaded red

    Shiller-CAPE30

    5

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    15

    10

    5Price-to-Book (PB)

    n

    Australia

    Austria

    Brazil

    Canada

    China

    Czech

    FranceGermany

    Hong Kong

    Hungary

    Italy

    Korea (South)Malaysia

    Norway

    Poland

    Portugal

    Russia

    Singapore

    South Africa

    Spain

    SwedenTaiwan

    Turkey

    UK

    Emerging Markets

    Developed Europe

    Belgium

    India

    Japan

    NetherlandsNew Zealand

    Switzerland

    United States

    World ACDeveloped Markets

    Mexico

    Thailand

    0,75 1 1,25 1,5 1,75 2 2,25 2,5 2,75 3

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    fenden Kosten sind ebenfalls deutlich zu-rückgegangen, sodass Investoren nun einenhöheren Anteil des Bruttoertrags aus Aktienvereinnahmen können. Das rechtfertige wie-derum höhere Bewertungen, meint Swedroe.

    Argument Globalisierung

    Dem hält Keimling, der einen weiterenBlick auf das Shiller-PE hat als der sehrUS-zentriert argumentierende Swedroe, ent-gegen: „Wenn die höhere Liquidität höhereBewertungen rechtfertigt, sollte dies in einerglobalisierten Welt mit zunehmend ver-gleichbaren Bilanzierungsstandards und international anlegenden Inves torenauch für andere Regionen wieEuropa gelten. Da hier jedoch nied-rige Bewertungen vorherrschen, istder Zusammenhang entweder unbe-deutend, oder es winkt in Europadeutlich mehr Potenzial als in denUSA, da die Bewertungen hiernoch nicht angestiegen sind. DasFazit, dass es sinnvollere Anlagenals US-Aktien gibt, ist in beidenFällen gleich.“

    Neue Bewertungswelten?

    Von Rechtfertigungsversuchen höhererCAPEs hält Keimling wenig: „Seit 1881brach das CAPE lediglich viermal deutlichaus seiner gewohnten Bandbreite nach obenaus: 1901, 1928, 1966 und 1995. In all die-sen Jahren wurden plausiblere Argumenteangeführt, weshalb alte Bewertungsmaß -stäbe nicht mehr gelten sollten, etwa dieEinführung der Massenproduktion, das Telefon, die Abkehr vom Goldstandard, dasComputerzeitalter oder die Globalisierung.Im Rückblick erwiesen sich diese über -zeugenden Argumente als wenig stichhaltig:Jedes dieser Jahre markiert bedeutendeHöchststände des S&P 500. Investoren, diein diese Überbewertungen investierten, ver-buchten in der Regel über zehn bis 20 Jahrereale Kursverluste.“

    Die von Swedroe genannten Argumenteerscheinen Keimling im historischen Ver-gleich nicht plausibler als die in vergange-nen Überbewertungsphasen angeführten.Bislang habe sich stets Templetons Aus-spruch bewahrheitet: „The four most expen-sive words are ,this time it’s different‘“.

    Eine ähnliche Argumentation neuer Be-wertungswelten wurde Ende der achtziger

    Jahre auch für Japan angeführt. Kurzzeitigstellte Japan 40 Prozent im MSCI World,der Anteil Japans an der Weltwirtschaft betrug gerade einmal 16 Prozent. Auch damals galten dauerhaft höhere Bewer -tungen für den Leitmarkt Japan als gerecht-fertigt. Als Japan sich als teuerster Markt imCrash 1987 zusätzlich besser behauptete alsnahezu alle anderen Länder, verstärkte diesdas Vertrauen zusätzlich. Was folgte, ist allgemein bekannt. Mittlerweile hat sich inJapan sowohl die Überbewertung als auchdie Diskrepanz zwischen Index- und GDP-Gewicht normalisiert. Ganz anders stelltsich die Situation im US-Markt dar. Hatten

    sich Ende der 80er-Jahre GDP und MSCI-World-Gewicht bei zirka 30 Prozent an -genähert, sind US-Aktien heute zu 60 Pro-zent im MSCI vertreten, stellen aber nur 25Prozent des Welt-GDPs (siehe die Doppel-grafik „GDP-Welt-Anteil versus Gewicht imMSCI World“ für Japan und die USA).Auch dies verheiße nichts Gutes, meintKeimling.

    Vergleicht man die realen Renditen derTreasury Inflation Protected Securities(TIPS) als risikolose Realverzinsung einesLangfristinvestors von 0,7 Prozent (Stand 6.April 2018) jährlich mit der zuvor ermittel-ten und künftig zu erwartenden realen Ak-tienmarktrendite von 3,8 Prozent nach demmodifizierten CAPE-8-Modell, so errechnetsich daraus eine Aktienrisikoprämie für denUS-Markt von 3,1 Prozent, so Swedroe.Natürlich könne niemand beurteilen, ob dieseine angemessene Rendite für das übernom-mene Aktienrisiko in der Gegenwart dar-stelle, immerhin sei aber eine dreiprozentigeRisikoprämie ein durchaus vernünftigerSatz, der auch abseits des Shiller-KGVs inder Investmentpraxis immer wieder ver-wendet werde. Nur weil diese Returns nied-riger ausfielen als historische Renditen, seidas nicht notwendigerweise ein Indiz für eine Überbewertung am US-Aktienmarkt,so Swedroe.

    Internationale Aktien günstigerDie Aussichten für reale Renditen der

    Weltaktien ohne USA sind ein wenig besserals jene für US-Aktien. Zur Jahreswende2017/18 lag die Erwartung für die realenRenditen nach dem Shiller-PE für die USAbei 3,1 Prozent, für Aktien der Industriestaa-ten ex USA bei 5,1 Prozent und für Schwel-lenländer bei 6,3 Prozent. Alle drei Wertelagen nach der Januar-Hausse niedriger, imApril 2018 aber wieder über den Jahresul-timowerten. Keimling würde viele andereMärkte den USA vorziehen: „In der Vergan-genheit wurden Aktienmärkte im Mittel mit

    einem CAPE von 18,3 und einem KBV von1,8 bewertet. Aktuell notieren nur 15 von 40Ländern unterhalb dieser historischen Er-fahrungswerte. Russland sticht mit dengrößten Bewertungsabschlägen heraus. ImGegensatz dazu sind die größten Überbe-wertungen derzeit in den USA, in Indienund der Schweiz zu beobachten.“ Sein Dia-gramm von KBV und CAPE (siehe diegleichlautende Grafik) zeigt im regionalenCAPE-Ranking, dass Emerging Markets attraktiv sind, Europa neutral und Nord -amerika überteuert ist. Osteuropa führt miteinem CAPE-Wert von 9,3, gefolgt von denEmerging Markets mit 17,2, Europa (18,3),Asien (18,6), Lateinamerika (19,1), der Weltmit 23,6, den Industriestaaten mit 24,7 undden USA mit 29,8.

    Wie auch immer man zum Shiller-PEsteht, es ist gut, seine Grenzen und die Problematik der Vergleichbarkeit über lan -ge Zeitstrecken zu kennen. Kritiker wieSwedroe haben dazu beigetragen, dass dieKennzahl auf den Prüfstand gestellt wurde.Die Anhänger des Shiller-KGVs haben abermindestens ebenso gute Argumente. Undletztlich sagen beide Seiten, dass man umdas Backen kleinerer Brötchen an den US-Aktienmärkten, verbunden mit höherer Volatilität, in der nächsten Zeit wohl nichtherumkommen wird. DR. KURT BECKER

    »Von Rechtfertigungsversuchen für höhere Shiller-KGVs halte ich

    aufgrund der Datenlage herzlich wenig.«Norbert Keimling, Leiter Kapitalmarktforschung bei der StarCapital AG in Oberursel

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