Theorie und Praxis der kohärent strahlenden Linienquelle · SAE Köln Kurs AEDP 0301 Line Arrays...

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SAE Köln Kurs AEDP 0301 Line Arrays – Theorie und Praxis der kohärent strahlenden Linienquelle Fachlehrer: Lutz Kemp Eine Facharbeit von: Tobias Müller Klippe 87a 42555 Velbert 17. August 2002

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SAE Köln

Kurs AEDP 0301

Line Arrays –

Theorie und Praxis der kohärent strahlenden Linienquelle

Fachlehrer: Lutz Kemp

Eine Facharbeit von:

Tobias Müller

Klippe 87a

42555 Velbert

17. August 2002

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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung 4

II. Überblick über die bisherigen Beschallungsarten 5

III. Das Funktionsprinzip des Line-Array 8

III.1 Interferenzen mehrerer Schallquellen 8

III.2 Die akustische Kopplung 10

III.3 Grenzen der akustischen Kopplung 12

III.4 Die Linienquelle als Ersatz für die akustische Kopplung 14

III.5 Vertikale und horizontale Richtcharakteristik von Linienstrahlern 17

IV. Line-Arrays im virtuellen Raum 21

IV.1 Konventionelle Lautsprechersimulation 21

IV.2 Line-Arrays in der Simulation 22

IV.3 Meyersound MAPP Online 23

V. Line-Arrays in der Praxis 25

V.1 L Acoustics: dV-DOSC 25

V.2 Dynacord: Cobra 27

VI. Fazit 29

VI.1 Eigene Erfahrungen mit Line-Arrays 29

VI.2 Vor- und Nachteile der Line-Array-Technologie 29

Quellenverzeichnis 32

Abbildungsverzeichnis 33

Exposé 34

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I. Einleitung

Spätestens seit der diesjährigen Pro Light & Sound in Frankfurt ist die gesamte

Professional-Audio-Szene im Line-Array-Fieber. Nachdem es in den letzten 5 – 7 Jahren

keine großartigen Innovationen auf dem Beschallungssektor zu verzeichnen gab, erobert

nun ein (fast1) völlig neues Beschallungskonzept den Markt und buhlt um die Millionen der

PA - Companies. Doch wer sich näher mit der Theorie dieses scheinbaren Wundersystems

befassen möchte, stößt schnell an die Grenzen der Grundlagenartikel und

Informationsbroschüren der Hersteller.

Abgesehen von einigen wenigen Abstracts und AES-Preprints ist derzeit noch keine

Fachliteratur auf dem Markt erhältlich, die sich ausführlich und vor allem objektiv mit

Stärken und Schwächen der kohärenten Linienquelle beschäftigt.

In dieser Facharbeit werde ich das Funktionsprinzip der Line-Array-Technologie erläutern

und einige am Markt befindliche Produkte näher beschreiben.

Ein zweiter Schwerpunkt wird die ebenfalls relativ junge Ära der komplexen

Lautsprechersimulation bilden: für die Line-Arrays muss hier ein völlig neuer Ansatz

gefunden werden.

Im Rahmen dieser Arbeit ist es aber nicht möglich, jedes technische Detail aufwändig

herzuleiten, so muss z.B. bei einigen Formeln auf die mathematische Herleitung verzichtet

werden.

1 Das grundlegende Funktionsprinzip der Linienquelle wurde bereits 1930 von L. Malter und I. Wolfe in

ihrem Artikel: „Directional Radiation of Sound“ beschrieben.

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II. Überblick der bisherigen Beschallungstechnologien

Die Beschallung hat eine verhältnismäßig junge Geschichte und beginnt Anfang des

20. Jahrhunderts. Obwohl schon früher elektroakustische Schallwandler verwendet

wurden, gilt der amerikanische Wahlkampf der 20er Jahre als erster Einsatzort für die

Beschallung größerer Menschenmengen. Bereits hier festigte sich der Begriff der PA-

Technik (PA = Public Adress).

Bereits zu dieser Zeit wurde das elektrodynamische Prinzip zur Schallwandlung genutzt,

der prinzipielle Aufbau der Lautsprecher unterscheidet sich also nicht von den heute

verwendeten Modellen. Allerdings waren der Qualität der Beschallung enge Grenzen

gesetzt. Die damaligen Membranen waren um ein Vielfaches schwerer, die

Magnetfelder schwächer und die Membranaufhängung wesentlich steifer. Einzig der

Wirkungsgrad war durchaus mit heutigen Chassis vergleichbar. Ein damaliger

Lautsprecher leistete etwa 87dBSPL @ 1W/1m, das kommt dem Wert eines heute

verwendeten Lautsprechers schon recht nahe. Das heißt, die Lautsprecher waren

verhältnismäßig laut, die Klangqualität allerdings unbefriedigend.

Was die Beschallung aber bis in die 80er Jahre hin prägte, war die fehlende Leistung

der Endstufen und eine viel zu geringe Belastbarkeit der Chassis, die ca. 200W für einen

Tieftöner betrug.

Um dem zu begegnen, wurden schon sehr früh Hornsysteme eingesetzt; der austretende

Schall wurde gebündelt und der Wirkungsgrad so erhöht. Völlig unberücksichtigt blieb

hier natürlich die Signalqualität, die Hörner waren von dem „Constant Directivity“ Prinzip

der heutigen Koerzitiv-Kontruktionen weit entfernt.

Über die Jahre verbesserte sich die Qualität im Heimbereich und profitierte enorm von

Bassreflex- und geschlossenen Gehäusen, aber der Sound auf Livekonzerten war

weiterhin sehr laut und sehr unzureichend.

Um bei Open Airs genügend Schalldruck erzeugen zu können, wurde massiv gestackt.

Boxentürme mit über 100 Lautsprechergehäusen pro Bühnenseite waren keine Seltenheit;

um die hier auftretenden Interferenzen und Laufzeit-Probleme kümmerte man sich nicht.

Häufig wurde das Kinosystem Voice of Theatre von Altec verwendet, das als das erste

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Großbeschallungssystem bezeichnet werden kann. Ergänzt wurde diese Anlage durch die

aufgrund ihrer Gehäuseform legendären JBL 4560-Hörner und 1“ Tweeter

(Zitronenpressen-Gürtel). Sämtliche Komponenten wurden passiv angekoppelt, Unmengen

an 100W-Röhrenendstufen standen in den „Amping-Citys“, die Gesamtleistung lag aber

nur bei wenigen Kilowatt.

Sehr weit strahlten diese Systeme natürlich nicht, daher wurde in einiger Entfernung eine

zweite und oftmals gleich große PA aufgebaut. Da es noch keine Delay–Möglichkeit

gab, um das zweite System anzupassen, wählte man einen so großen Abstand zur Bühne,

dass das Publikum immer nur eine PA hörte.

Ein anderes Beschallungskonzept der 70er Jahre ist heute als „Special Function Array“

bekannt. Um die Lautsprecher nicht mit zu komplexen Summensignalen zu überfordern,

wurde jedes einzelne Instrument über eine separate PA verstärkt. Die Boxentürme

wurden hierdurch noch riesiger, aber die Soundqualität stieg erheblich.

Am 21. Juli 1974 stand auf der Bühne des „Hollywood Bowl“ in Los Angeles die

legendäre „WALL OF SOUND“, davor spielten Grateful Dead, die vor dieser Kulisse

reichlich verloren wirkten.

Dieses Beschallungssystem bestand aus 6 eigenständigen Systemen mit insgesamt 641

Lautsprechern, aufgeteilt auf 11 Wege (1x Vocals, 1x Lead Guitar, 1x Rhythm Guitar,

Abb. 1: Wall Of Sound, Hollywood Bowl, Los Angeles, July 1974

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1x Piano, 4x Bass, 3x Drums), es wurde mit 48 Endstufen und 26,4KW (RMS) verstärkt

und wog insgesamt 75 Tonnen! Da die Musiker vor diesem Monstrum standen, brauchten

sie kein Monitorsystem (und keine Bühnendekoration); zudem gab es kein Hauptmischpult,

jeder Musiker konnte seinen Pegel selbst regeln.

In den achtziger und neunziger Jahren standen erstmals genügend Leistungsreserven für

eine ausreichende Beschallung zur Verfügung und die Chassis wurden wesentlich

robuster. Stütz-PAs wurden in den Klang des Hauptsystems integriert und über digitale

Delays entsprechend verzögert, so konnten immer größere Flächen beschallt werden,

ohne den akustischen Bezug zur Bühne zu verlieren.

Gleichzeitig stieg auch der Anspruch der Zuhörer: Der HiFi- Sound aus der heimischen

Stereoanlage wurde auch bei Livekonzerten erwartet, die Lichtdesigner forderten

größere Projektionsflächen und die störenden Boxentürme sollten möglichst klein und

unauffällig werden. Durch Chassis mit 800-1000W Belastbarkeit schmolz die Anzahl der

Lautsprecher, Mitten- und Hochtöner wurden an der Decke geflogen und man erreichte

eine gleichmäßigere Beschallung des Publikums.

Mit der Zeit etablierte sich die Clusterbeschallung mit eng abstrahlenden Hornsystemen,

die für die PA-Companys eine größtmögliche Flexibilität bedeuteten. Die Cluster ließen

sich exakt ausrichten, Begrenzungsflächen (Wände, Decke) wurden nicht unnötig

angestrahlt und das Cluster konnte vor Ort den akustischen Gegebenheiten angepasst

werden. Eine einzelne Box dieses Arrays ließ sich für eine unauffällige Musikberieselung

benutzen, 100 und mehr Elemente des gleichen Typs wurden für eine Stadionbeschallung

kombiniert.

Im Zuge der Digitalisierung kam es Ende der achtziger Jahre zu einer kurzen Mode der

„Prozessor-Anlagen“. Einige Hersteller waren der Meinung, sämtliche Unzulänglichkeiten

einer Lautsprecherbox durch digitale Frequenzweichen ausbügeln zu können. Das

Speakerdesign wurde dabei stark vernachlässigt und ohne Controller klangen diese

Boxen schauerlich.

Auch heute werden weiterhin Controller eingesetzt. Sie dienen aber eher zur

Klangoptimierung, jede Box sollte auch passiv angesteuert ein ausgewogenes Klangbild

liefern.

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III. Das Funktionsprinzip des Line-Array

III.1 Interferenzen mehrerer Schallquellen

Wie in der Einleitung bereits erläutert, müssen in der Beschallungstechnik immer

größere Flächen und immer größere Menschenmengen beschallt werden (Arenen,

Stadien usw.), mit einem einzigen Lautsprecher pro Frequenzband ist dies längst nicht

mehr möglich. Bedingt durch das „Inverse Square Law“ (Pegelverlust von 6 dB pro

Entfernungsverdopplung im Fernfeld2) ist insbesondere eine Tiefenbeschallung äußerst

problematisch. Ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Heutige Lautsprecher haben häufig einen Wirkungsgrad größer 98dBSPL gemessen bei

1 Watt Eingabeleistung und 1m Entfernung. Die Nennbelastbarkeit beträgt (idealisiert)

1000W, so dass 1m vor dem Chassis Pegelspitzen von über 125dBSPL erzielt werden,

die weit über der Schmerzgrenze liegen. In 50m Entfernung sinkt der Pegel allerdings

schon auf ca. 86dBSPL, liegt also nur knapp über dem Pegel einer normalen Unterhaltung.

Um diesen Pegelverlust zu kompensieren, müssen zusätzliche Lautsprecher in der Front-PA

eingesetzt werden, in seltenen Fällen (Sprachbeschallung etc.) würden Delay-Lines im

hinteren Bereich des Zuhörerraums integriert werden.

Sobald aber 2 Schallwandler dasselbe Signal abgeben, kommt es aufgrund des

Abstand der Lautsprecher zueinander zwingend zu Interferenzen und Auslöschungen.

Die folgenden Abbildungen3 zeigen die Ausbreitung simulierter Wasserwellen nach einer

impulshaften Anregung durch einen punktförmigen Erreger. Die Anregung erfolgt mit

konstanter Amplitude und Frequenz. Dieses Modell ist auch für die Schallausbreitung

anwendbar, ein Schallwandler ist ebenfalls als Punktstrahler beschreibbar und die

sphärische Wellenausbreitung erfolgt in Luft Wasser in etwa gleich. Der Lautsprecher

2 Das Inverse Square Law beruht auf der Geometrie der Kugelausdehnung. Die Kugeloberfläche

A= πD2 wächst mit dem Quadrat des Durchmessers. Siehe Kapitel IV.3

3 Bei den Simulationen von Wasserwellen oder Lautsprecherarrays war ich auf Shareware-Versionen resp.

Onlinetools angewiesen, die den Grafikexport nicht unterstützen oder nur für den Bildschirmbereich

konzipiert sind. Dadurch kommt es zu Beeinträchtigungen bei der Qualität der Abbildungen.

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würde hier natürlich ohne ein Gehäuse betrieben, jegliche Reflektionen mit

Begrenzungsflächen bleiben unberücksichtigt.

Abbildung 2 zeigt das „normale“ Abstrahlverhalten einer Punktquelle. Unabhängig von

der Wellenlänge (also von der Erregerfrequenz) breiten sich die Kreiswellen ungehindert

im Freifeld aus.

Die 2. Schallquelle in den Abbildung 3 gibt ihr Signal gleichphasig zum 1. Erreger ab

und befindet sich in der gleichen Ebene. Durch die Überlagerungen der Wellen kommt es

zu Amplitudenminima (Interferenzen) im Schallfeld. In der professionellen Beschallung

wäre ein solches Abstrahlverhalten inakzeptabel. Die Anlage „phast“ und klingt an

jedem Ort im Schallfeld anders. Würden diese Interferenzen beispielsweise bei

1 – 4KHz auftreten, wäre eine drastische Verschlechterung der Sprachverständlichkeit

die Folge.

Die Verteilung der Minima ist aber frequenzabhängig, wie Abbildung 4 zeigt. Bei

Halbierung der Erregerfrequenz, was einer Verdopplung der Wellenlänge entspricht,

Abb. 2: 1 Erreger im Freifeld; Wellenlänge 1

Abb. 3: 2 Erreger; Wellenlänge 1; Abstand: 4 Abb. 4: 2 Erreger; Wellenlänge 2; Abstand: 4

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reduziert sich die Anzahl der Auslöschungen. Bei einem realen Lautsprecher würde sich

die Signalqualität über die Fläche verbessern.

Neben der Frequenz beeinflusst auch der Abstand zwischen den Schallquellen die

Bildung von Interferenzen. Je geringer der Versatz zwischen den Schallquellen, desto

günstiger die Verteilung der Amplitudenminima (Abbildung 5). Im letzten Bild ist der

theoretische Idealfall zu sehen. In Bezug zur Wellenlänge ist der Abstand der Erreger

sehr klein. Am Schallfeld lässt sich kaum ein Unterschied zu nur einem Erreger feststellen.

In der Praxis verfügte diese Aufstellung über die doppelte Lautsprecherleistung ohne

nennenswerte Interferenzen.

Diese Phänomen wird als „akustische Kopplung“ bezeichnet und bildet einen wichtigen

Bestand der Line Array-Technologie.

III.2 Die akustische Kopplung

In der Praxis treten bei konventionellen Boxenkonstruktionen solch extreme

Interferenzen nur selten auf, (meist durch grobe Fehlbedienung) da sehr viel mehr

Faktoren das Abstrahlverhalten eines Lautsprechers beeinflussen. Bei den obigen

Versuchen bisher völlig außer Acht gelassen wurde das Gehäuse des Schallwandlers:

Moderne Koerzitivhörner bündeln den austretenden Schall sehr genau, zudem lassen sich

die Boxen „auffächern“ und exakt ausrichten, um Interferenzen zu vermeiden.

Bei vielen Herstellern ist durch die Trapezform des Gehäuses ein sogenannter „Splay-

Winkel“ vorgegeben, so dass kaum Aufstellungsfehler begangen werden können.

Abb. 5: 2 Erreger; Wellenlänge 2; Abstand: 2 Abb. 6: 2 Erreger; Wellenlänge 3; Abstand: 1

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Außerordentlich problematisch sind allerdings Trennfrequenzen, also der Bereich, in dem

Mittel- und Hochtöner denselben Frequenzbereich übertragen. Aufgrund der geringen

Flankensteilheit der oft verwendeten passiven Frequenzweichen kommt es schon innerhalb

einer Box zu geringen Interferenzen. Dieses Problem haben beispielsweise viele

Multifunktionsboxen mit 15“/ 2“ Bestückung. Die Trennfrequenz, die von beiden Chassis

übertragen wird, liegt hier bei etwa 1 – 1,5KHz, also mitten im wichtigen Bereich für

Sprachverständlichkeit. Solange dieser Frequenzbereich nicht durch einen aktiven

Controller nachbearbeitet wird, interferiert diese Box also schon „in sich“.

Die nächste Abbildung zeigt nun eine richtige Lautsprechersimulation im Freifeld mit den

Grundmaßen 10 x 10m. Es handelt sich hierbei um 3 MeyerSound UPM-2P aus der

Ultraseries, die „Gehäuse an Gehäuse“ direkt nebeneinander stehen. Eine vielleicht nicht

unbedingt übliche Aufstellung, aber eine solche Konfiguration wäre für eine kleine

Bühnenbeschallung (ohne Nearfills) durchaus geeignet. Vor den 1“ Titantreibern sitzt

jeweils ein symmetrisches 45°-Horn, so dass insgesamt ein Abstrahlwinkel von 135°

erreicht wird.

Diesem Setup wird in der Simulation zunächst ein Sinussweep mit Centerfrequenz 500Hz

und zugehörigem Terzband zugeführt (357Hz – 708Hz). Die akustische Kopplung der

5inch Mitteltöner ist sehr gut zu erkennen (Abbildung 7).

Bei dem 8KHz-Sweep in Abbildung 8 sind die Interferenzen der Treiber schon sehr

ausgeprägt, die kritische Frequenz, bei der die Treiber gerade noch koppeln ist schon

weit überschritten. Bereits im Abstand von ca. 2m vor dem Lautsprechercluster ist ein sehr

ausgeprägtes Amplitudenminima erkennbar.

Abb. 7: 3 Meyersound UPM-2P im Freifeld; Sinussweep mit Centerfrequenz 500Hz und Terzband

Abb. 8: 3 Meyersound UPM-2P im Freifeld; Sinussweep mit Centerfrequenz 8KHz und Terzband

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Die bisherigen Versuchsmodelle lassen folgende Schlüsse zu: Wenn 2 oder mehrere

Schallquellen akustisch verkoppelt sind, agieren sie wie eine einzige Schallquelle; die

resultierenden Schallwellen lassen keine Interferenzen oder Auslöschungen erkennen. Ob

mehrere Quellen koppeln, hängt maßgeblich von der Frequenz und vom Abstand der

beiden Quellen zueinander ab. Solange die Frequenz im Verhältnis zum Abstand gering

ist, tritt die akustische Kopplung auf. Allerdings ist die Kopplung kein allmählicher

Prozess, ab dem Überschreiten einer sogenannten kritischen Frequenz „arbeiten“ alle

Quellen wieder unabhängig voneinander und im Schallfeld treten Interferenzen, resp.

Nebenmaxima auf.

Die akustische Kopplung tritt gerade dann noch auf, wenn gilt:

<d mit d = Abstand der akustischen Zentren

III.3. Grenzen der akustischen Kopplung

Nun ist die akustische Kopplung keine Neuentdeckung sondern ein schon lange

bekanntes Phänomen, das in der Beschallungstechnik auch gezielt genutzt wird.

Besonders im Bassbereich sind die notwendigen Voraussetzungen leicht zu erfüllen, ein

50Hz-Ton wird bereits dann von 2 Subwoofern gekoppelt übertragen, wenn diese einen

maximalen Abstand von 3,4m aufweisen. Bei Großbeschallungssystemen treten in der

Regel ebenfalls keine Probleme mit Interferenzen im Bassbereich auf4 und auch ein

großes Basscluster wird akustisch gekoppelt und strahlt wie eine große Schallquelle.

Wo also liegt nun der Vorteil der Line-Array-Technik??

Zunächst einmal ist man bestrebt, die akustische Kopplung bis an die Grenze des

Übertragungsbereichs auszudehnen. Dies allein erfordert ein völliges Umdenken der

Hersteller, die bisherige Produktpalette an Lautsprechern ist hierzu nicht in der Lage.

4 Natürlich sind auch hier Interferenzen zwischen 2 Stacks oder auf Grund der Eigenmodenverteilung

des Raums möglich. Die oben getroffenen Aussagen beziehen sich immer auf das Freifeld und ein Mono-

array.

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Der maximale Abstand d zwischen zwei Chassis bezieht sich immer auf das Zentrum der

Schallquelle, für 2 12“-Lautsprecher (entspricht 304mm Durchmesser), die in einem

Gehäuse direkt nebeneinander eingebaut sind, ergibt sich also die Grenzfrequenz

Hzfmsm

fdc

f 600608,0

/3402 maxmaxmax ≤⇔≤⇒≤ ,

darüber hinaus ist mit dieser Lautsprecherkombination keine akustische Kopplung möglich.

Werden mehrere Lautsprechergehäuse gestackt, erhöht sich der Abstand durch die

Wandstärke der Boxen (z.B. 25mm Birkenmultiplex) und die kritische Frequenz für die

akustische Kopplung sinkt immer weiter ab.

In der Praxis haben sich für den Frequenzbereich bis ca. 1,5KHz 8“-Lautsprecher

bewährt, die in fast allen Line-Arrays verwendet werden. Durch die vertikale Anreihung

ergibt sich eine sogenannte „Linienquelle“, die eine interferenzfreie Abstrahlung

ermöglicht.

Im Mittel- und Hochtonbereich würde die Umsetzung der akustischen Kopplung noch

wesentlich komplizierter. Damit ein 10KHz-Ton noch akustisch gekoppelt abgestrahlt

wird, dürften die Zentren der Treiber nicht weiter als 1,7cm auseinander liegen, selbst

mit 0,75“ oder 0,5“ Hochtönern ist dies nicht möglich und auch kein anderes

Schallwandlerprinzip könnte mit solch geringen Abmessungen einen brauchbaren

Schalldruck und eine geeignete Signalqualität liefern.

Stattdessen wurden spezielle Hochtonhörner entwickelt, die je nach Hersteller als

„Waveguide“ (L Acoustics) oder Waveformer (JBL) etc. bezeichnet werden. Ihre Aufgabe

besteht darin, aus der späherischen Kugelwelle, die die Treibermembran abstrahlt, eine

ebene Welle zu formen. Ähnlich den Koerzitiv- oder Constant-Directivity-Hörnern, die für

den gesamten Hochton-Frequenzbereich eine phasengleiche Abstrahlung ermöglichen,

handelt es sich bei den Waveguides um absolute Hochtechnologie, die von den Firmen

nicht preisgegeben wird und deren Herleitung den Rahmen dieser Facharbeit sprengen

würde. Die prinzipielle Wirkung der Schallführung wird in den nächsten beiden

Abbildungen deutlich.

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III.4 Die Linienquelle als Ersatz für die akustische Kopplung

Bei der akustischen Kopplung muss der Abstand d immer als Abstand zwischen den

Zentren der Chassis verstanden werden, nicht etwa als Abstand der Lautsprecherkörbe,

auch wenn das Schallsignal „auf“ der gesamten Membran erzeugt wird. Ein Lautsprecher

stellt einen Punktstrahler dar und verhält sich in etwa so, als ob die Schallenergie an

einem einzigen Punkt erzeugt würde (analog zu den Versuchen in der Wellenwanne aus

Kapitel III.1). Dieser Punktstrahler erzeugt eine sphärische Wellenfront, d.h. die erregten

Luftteilchen breiten sich kugelförmig aus.

Die Kugeloberfläche errechnet sich dabei aus: 2DA π= mit D = Durchmesser der Kugel.

Verdoppelt sich nun die Entfernung zum Erreger, so wird die gleiche Schallleistung auf

eine viermal so große Fläche verteilt, die Schallintensität an einem Punkt x auf der

Kugelfläche sinkt also um ein Viertel, der Schalldruckpegel nimmt 6dB ab.

Abb. 9: sphärische Abstrahlung und Interferenzbereiche

Abb. 10: Kohärente Wellenform durch Waveformer

Abb. 11: Punktförmiger Strahler

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Würde man nun unendlich viele Chassis übereinander anordnen, wäre der Erreger nicht

mehr punkt- sondern linienförmig und strahlte eine „ebenen-fortschreitende Welle“ ab.

Diese ebene Wellenfront besitzt nun nicht die mehr die Krümmung einer Kugelfläche und

die damit verbunden Interferenzen. Zusätzlich ergibt sich hier noch ein positiver

Nebeneffekt: Verdoppelt man den Abstand zur Schallquelle steigt die Fläche nun nicht

mehr um das Vierfache, sondern nur noch um das Doppelte. Der Pegelverlust bei

Entfernungsverdopplung beträgt nur noch 3 dB.

Grundsätzlich muss das Schallfeld jedes Strahlers in ein Nah- und ein Fernfeld unterteilt

werden. Das Fernfeld zeichnet sich dadurch aus, das der Frequenzgang sich nicht in

seiner Form ändert, sondern nur noch mit 6dB pro Entfernungsverdopplung abfällt. (ein

Audiosignal „klingt“ also in 10 und 30m Entfernung gleich, nur der Pegel verringert sich5).

Die „Größe“ des Nahfeldes ist abhängig von der abgestrahlten Frequenz f und der

Länge L der Schallquelle in ihrer größten Ausdehnung. Eine einfache Formel berechnet

das Nahfeld zu:

smfL

rL

r NahNah /3402²

⋅⋅

>⇔>λ

mit L in m und f in Hz

5 Natürlich bleibt hier die Luftabsorption unberücksichtigt.

Abb. 12: Linienstrahler

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Bei einem 12“ Lautsprecher (304mm Membrandurchmesser) erstreckt sich das Nahfeld

bei 1Khz (in etwa seiner obersten Grenzfrequenz) lediglich bis 0,135m.

msm

HzmrNah 135,0

/6801000)²304,0(

=⋅

=

Es wird also deutlich, dass der Nutzbereich herkömmlicher Lautsprechersysteme immer im

Fernfeld liegt.

Für einen unendlich langen Linienstrahler ergibt sich nach Einsetzen in die obere Formel

also ein unendlich großes Nahfeld, in dem perfekte akustische Verhältnisse herrschen

würden. Die Schallwelle würde ihre zylindrische Form unabhängig von der Entfernung

beibehalten und nicht wie eine sphärische Welle „ausfransen“. Somit würden diese

Systeme auch in sehr großen Entfernungen keine Interferenzen im Schallfeld produzieren.

In der Praxis müssen hier natürlich einige Einschränkungen in Kauf genommen werden.

Durch die endliche Länge des Arrays muss wieder eine Einteilung in Nah- und Fernfeld

erfolgen, durch die großen Strahlerabmessungen L erstreckt sich das Nahfeld nun weit in

den Nutzbereich.

Für eine Anordnung mit einer 5,4m langen Linienquelle ergibt sich für

Frequenz Ausmaß Nahfeld 100Hz 4,29m 500 Hz 21,44m 1KHz 42,88 5KHz 214,41 10KHz 428,82m

Im Nahfeld strahlt diese Linienquelle nun eine Zylinderwelle ab, die pro

Entfernungsverdopplung 3dB Pegel verliert, im Fernfeld geht sie in einer sphärische

Wellenfront mit 6dB Pegelverlust über. Dieser Übergang erfolgt sehr allmählich und

hinterlässt einen angenehmen Höreindruck. Es ist also auch bei diesem

Beschallungskonzept grundsätzlich nicht möglich, eine absolut gleichmäßige Beschallung

zu erreichen, aber die Klangfarbenänderungen sind natürlich wesentlich unauffälliger als

Frequenzgangeinbrüche bei Hornsystemen.

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Es lässt sich zusammenfassen:

In den Frequenzbereichen, in denen eine akustische Kopplung nicht mehr möglich ist, wird

beim Line-Array durch spezielle Schallführungen eine ebene Zylinderwelle geformt.

Durch die Aneinanderreihung möglichst vieler Waveguides entsteht eine endlich lange

Linienquelle, deren Nahfeld bis in den Nutzbereich der Lautsprecher hineinreicht. Da sich

die Zylinderwelle nur in eine Ebene ausbreitet, ergibt sich gegenüber dem Fernfeld ein

Pegelgewinn von +3dB pro Entfernungsverdopplung. Erst im Fernfeld geht die

Linienquelle wieder in eine sphärische Kugelwelle über.

Die Line-Array-Technologie erhöht also den Wirkungsgrad von Beschallungsanlagen, weil

weniger Leistung durch Interferenzen ungenutzt „verbraucht“ wird und das Phänomen der

Linienquelle Anwendung findet, was aufgrund von fehlendem KnowHow bei der Hochton-

Schallführung bisher nicht möglich war. Lautsprecher und Endstufen können nun kleiner

dimensioniert werden, lassen sich mit weniger Aufwand bewegen und riggen und sparen

zusätzlich wertvollen Truckspace sowie Lagerkapazitäten.

III.5 Vertikale und horizontale Richtcharakteristik von Linienstrahlern

Genau wie bei Hornsystemen wird der Öffnungswinkel als –6dB-Punkt gegenüber der

Hauptabstrahlachse angegeben. Die Formel dazu lautet:

⋅≈

⋅⋅

⋅≈ −−− LfL

BW dB 36,0

sin29,1

sin2 116 π

λ

Die horizontale Abstrahlcharakteristik wird nun von jedem einzelnen Lautsprecher

geprägt, die Strahlerlänge L entspricht hier dem einfachen Membrandurchmesser.

Beim vertikalen Öffnungswinkel muss nur das Fernfeld betrachtet werden, da sich die

Zylinderwelle im Nahfeld nur in eine Ebene ausbreitet, schreitet sie mit 0°

Öffnungswinkel fort.

Die folgende Abbildung zeigt die vertikalen Öffnungswinkel eines geraden 4m langen

Linienstrahlers samt dem Übergang einzelner Frequenzen vom Nah- ins Fernfeld. Es fällt

auf, dass hohe Frequenzen stark gebündelt abgestrahlt werden. Durch diese hohe

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Energiedichte kann auch der Luftabsorption teilweise entgegengewirkt werden, was die

Reichweite weiter erhöht.

Ein solches Array wäre ausschließlich als extremes „Long Throw“-System zu verwenden In

der Mitte des Schallfeldes, zum Beispiel bei 40m, ergibt sich durch die extreme

Bündelung der hohen Frequenzen kein ausgeglichenes Klangbild. Alle Systeme dieser Art

sind daher aus einzelnen Elementen zusammengesetzt, die ein leichtes Anwinkeln (Splay-

Winkel) zur jeweils nächsten Box erlauben. Durch das sogenannte „Curven“ wird auch in

der vertikalen Ebene ein definierter Öffnungswinkel erreicht, der der zu beschallenden

Fläche angepasst werden kann.

Bei einer Stadionschallung mit ansteigenden Sitzreihen würden beispielsweise 8 Elemente

so zusammengefügt, das sich ein nomineller vertikaler Abstrahlwinkel von 55° Grad

ergibt. So wird eine optimale Schallverteilung über eine große Fläche erreicht.

Abb. 13. Vertikale Öffnungswinkel eines geraden 4m Line-Arrays

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Die 3 obersten Elemente auf Abbildung 14 sind nicht

gecurved und strahlen so durch ihre hohe Energiedichte

sehr weit. Die unteren Einheiten werden immer weiter

angeschrägt, um das näher stehende Publikum zu

beschallen. Da jedes Element nur wenige Grad zur

nächsten Box geneigt ist, reißt die Zylinderwelle nicht

auf, sondern breitet sich weiter „bananenförmig“ aus.

Der horizontale Abstrahlwinkel bleibt vom Curving

unbeeinflusst und beträgt bei diesem Apogee ALA-9

System 90°.

Natürlich wäre es auch möglich, einen konventionellen

Horncluster mit gleicher Abstrahlcharakteristik zu bauen.

Durch die prinzipbedingten Auslöschungen geht hier aber

unnötig Leistung verloren, ein „gleich lauter“ Cluster

müsste vermutlich aus 12 - 15 Einheiten bestehen.

Da ein Line-Array nur 3dB pro Entfernungsverdopplung

verliert, ist zudem der Störschall auf der Bühne geringer,

da mit einer niedrigeren „Anfangslautstärke“ gearbeitet

werden kann.

Allerdings steigt der logistische Aufwand bei Benutzung von Line-Arrays erheblich. Ein

System kann nicht „mal eben so“ aufgehangen werden, sondern muss im Vorfeld

sorgfältig geplant und berechnet werden. Ohne Computerunterstützung ist dies so gut

wie unmöglich, da für jedes Element Splaywinkel, relativer Pegel und - je nach System -

auch individuelle Filtereinstellungen berechnet werden müssen. Des weiteren müssen die

genauen Hängepunkte und die Maße der Publikumsfläche bekannt sein.

Zu jedem Line-Array ist daher mittlerweile ein spezieller „Array Calculator“ erhältlich,

der es erlaubt, die Beschallung im Rechner zu simulieren. Allerdings liegen diese

Programme häufig noch in der 1. Version vor, und liefern nicht unbedingt sehr genaue

Ergebnisse, da die Software oftmals nur ein vereinfachtes Modell errechnet.

Abb. 14. Apogee Line-Array

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Auch bei der NEXO Geo-Software, die der Screenshot (Abbildung 15) auf der nächsten

Seite zeigt, erfolgt die Berechnung ausschließlich in einer vertikalen Schnittebene durch

den Raum und das Programm betrachtet nur die Fernfeldeffekte, so das die Kurven erst

in größeren Entfernungen Gültigkeit haben. Hier besteht noch eindeutiger

Handlungsbedarf der Hersteller, in den nächsten Monaten ist hier mit einer Besserung der

Situation zu rechnen.

Abb. 15. Line Array Calculator für das Geo-Array von Nexo

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IV. Line-Arrays im Virtuellen Raum

VI.1 Konventionelle Lautsprechersimulation

Die drastisch gestiegene Rechenleistung „normaler“ Workstation-Computer hat es in

den letzten Jahren möglich gemacht, komplexe Lautsprechercluster am Rechner zu

simulieren und die akustischen Verhältnisse im Vorfeld zu berechnen. Hierzu müssen

sowohl detaillierte Daten zu den Lautsprechern als auch zum Schallfeld, also zum Raum

vorhanden sein.

Die zweite Forderung lässt sich verhältnismäßig einfach erfüllen. Jeder Neubau von

Veranstaltungsstätten, Stadien usw. wird heutzutage am Rechner geplant, die CAD-Daten

der Raumgeometrie können in Simulationsprogramme importiert und um weitere wichtige

Parameter (Oberflächenbeschaffenheit und Absorptionsgrade von Wand, Decke etc.)

ergänzt werden. So entsteht im Computer ein akustisches Abbild, das schon vor

Baubeginn „vorgehört“ werden kann. Mögliche Probleme (reflektierende Glasflächen

etc.) werden schon früh erkannt und können bereits in der Planungsphase behoben

werden.

Um aber das Schallfeld eines Lautsprechers zu simulieren, ist eine Vielzahl von Daten

notwendig, da sein Abstrahlverhalten pegel-, richtungs- und frequenzabhängig ist. Die

erforderlichen Messwerte sind in einem sog. Balloon-Datensatz zusammengefasst, der

heute für jeden professionellen Lautsprecher vorliegt.

Bei der Erfassung dieser Balloon-Daten wird der Lautsprecher im schalltoten Raum

vermessen, mehrere Messmikrofone auf einem Halbkreis angeordnet, messen den

Frequenzgang, gemittelt in Oktavschritten. Zur Messung der Winkelabhängigkeit steht

der Lautsprecher auf einem Drehteller und wird nach jeder Messung um 5° – 10°weiter

gedreht. So entsteht ein dreidimensionales, kugelförmiges Diagramm mit dem

Lautsprecher im „Erdmittelpunkt“ und Messpunkten auf mehreren „Längen- und

Breitengraden“. Als Nutzsignal dienen, abhängig vom Messverfahren, MLS-Sequenzen,

Pink Noise oder Sinussweeps im typischen Frequenzbereich 125Hz – 8KHz.

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Die Messungen finden immer im Fernfeld statt, für jeden konventionellen Lautsprecher ist

diese Forderung in 4m Abstand klar erfüllt. Hier ist der Frequenzgang nicht mehr

entfernungsabhängig, d.h. bis auf den Pegelabfall von 6dB pro Entfernungsverdopplung

verläuft die Messkurve in 4m und 8m gleich. Unter Berücksichtigung von Temperatur,

Luftdruck und Luftabsorption können die Messwerte für größere Entfernungen (bis etwa

70m) fehlerfrei interpoliert werden.

Die Genauigkeit der Messung hängt dabei von der Anzahl der Messpunkte ab. Lange

Zeit war eine vertikale und horizontale Auflösung von 10° üblich, so ergeben sich 19 x

36 Messpunkte.

Diese Balloondaten gelten heute als veraltet. Besonders die maximale Winkelauflösung

ist angesichts der heutigen engabstrahlenden Systeme viel zu grob. Beim Nexo Line-

Array „Geo“ sind beispielsweise Elemente mit 5° nominellen Abstrahlwinkel erhältlich, ein

konventioneller Balloon-Datensatz würde hier völlig verfälschen.

Zudem wird bei vielen älteren Programmen häufig die Phasenverschiebung bei

Lautsprecherclustern nicht berücksichtigt, d.h. die Software simuliert das Cluster so, als

würden sich alle Lautsprecher physikalisch an einem Ort befinden. Bei einem wirklich

großen Cluster sind diese Simulationen fast unbrauchbar.

IV.2 Line-Arrays in der Simulation

Die heutigen Standard-Applikationen für Lautsprechersimulationen, EASE und

ULYSSES, sind leider nicht in der Lage, das Verhalten eines Line-Arrays zu berechnen.

Die Eigenschaften der Linienstrahler sind einfach nicht „kompatibel“ zur Funktionsweise

der Programme. Grundsätzlich gehen diese bei den akustischen Quellen von einer

sphärischen Wellenfront aus, die im Idealfall eine völlig entfernungsunabhängige

Richtcharakterisik aufweist. Wie aber bereits im Kapitel III.4 erläutert wurde, beginnt

das Fernfeld eines 5,4m langen Arrays bei 10Khz erst bei 428m, und erst ab dieser

Entfernung würden auch die klassischen Simulationsprogramme brauchbare Ergebnisse

liefern. Im Nahfeld kann die Amplitudenverteilung aber nicht einfach interpoliert werden,

die errechneten Werte wären nicht verwendbar.

Bliebe man bei der Darstellungsform der Balloon-Daten, so müssten eine ganze Reihe

von Balloons für unterschiedliche Entfernungen gemessen werden. Zudem müssten auch

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unterschiedliche Konfigurationen des Arrays berücksichtigt werden, für eine exakte

Simulation mit Einbeziehung von Splay-Winkel, relativem Pegel und unterschiedlicher

Array-Längen ergeben sich also unendlich viele Messreihen...

Die Softwareschmiede IFB-Soft, die das Simulationsprogramm ULYSSES vertreibt, hat

bereits angekündigt, das es keine Funktion-Updates für die Simulation von Line-Arrays

geben wird. Hier sind also gänzlich neue Ansätze gefragt.

IV.3 Meyersound MAPP Online

Gleichzeitig mit der Vorstellung einer Line-Array Serie hat Meyersound ein eigenes

Simulationsprogramm auf den Markt gebracht, das in punkto Messgenauigkeit neue

Maßstäbe setzt. „MAPP ONLINE“ (Multipurporse Acoustical Prediction Program) ist ein

kostenloses Onlinetool, das das Abstrahlverhalten mit 1°-Auflösung erfasst und

Amplituden- und Phasengang der Lautsprecher simuliert. So entstehen beachtliche 65160

Messpunkte, die etwa 250MB Daten ausmachen und im Frequenzbereich eine 1/24-

Oktav-Auflösung ermöglichen. Durch die hohe Auflösung können Richtkeulen und

Interferenzen sehr exakt nachgebildet werden, sogar die Partialschwingungen der

Lautsprechermembranen fließt in die Messung ein.

Die Messung eines einzelnen Lautsprechers dauert im Schnitt 3 – 12 Tage und ist für alle

gängigen Meyersound-Produkte abgeschlossen. Mit diesen hochauflösenden Datensätzen

ist eine sehr genaue Simulation möglich: so wurde beispielsweise das Center-Cluster der

Carnegie Hall in New York vorausberechnet und ohne nennenswerte Abänderungen

installiert.

MAPP Online stellt einen unendlich großen „Arbeitsplatz“ zur Verfügung, in dem beliebig

viele Wände verschiedener Oberflächenbeschaffenheiten positioniert werden können.

Derzeit können noch keine CAD-Daten importiert werden, diese Funktion wird aber in

einer der nächsten Versionen verfügbar sein. Nachdem man sich sein Schallfeld

eingerichtet hat, werden die Lautsprecher positioniert und das Programm errechnet

sowohl das Direkt- als auch das Diffusfeld. Allerdings bietet es keine komplette

(dreidimensionale) Raumsimulation wie EASE oder ULYSSES. Die Rechenarbeit wird dabei

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von einer Serverfarm geleistet, der lokale PC muss also nicht die riesigen Datensätze

verwalten.

Des weiteren lassen sich überall im virtuellen Raum Messmikrofone plazieren, die den

Frequenzgang darstellen.

Natürlich ist MAPP Online auch in der Lage, komplexe Line Arrays zu berechnen. Hierzu

wird die Linienquelle diskretisiert, das heißt, es erfolgt eine Teilung des Arrays in so

kleine Einheiten, dass diese in einer komplexen Berechnung die Line-Array-Funktion exakt

nachbilden. Die Elemente dürfen dabei nicht als herkömmliches Cluster aufgefasst

werden, sondern müssen als einzelne Quellen komplex aufaddiert werden. Dabei muss

die Diskretisierung in Abständen erfolgen, die kleiner sind als die Wellenlänger der

höchsten zu betrachteten Frequenz. Für die 8KHz-Okatve würde das ca. 3cm bedeuten,

ein 4m langes Array wäre somit aus mindestens 133 Einzelelementen zusammengesetzt,

die alle einzeln berechnet werden. So lassen sich beliebige Krümmungen und Array-

Längen berechnen.

Aufgrund der benötigten Rechenleistung muss die Berechnung über einen zentralen

Server laufen, MAPP Online wird sich also in absehbarer Zeit nicht auf einen

handelsüblichen PC portieren lassen.

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V. Line-Arrays in der Praxis

V.1 L Acoustics: dV-DOSC

Das „dV-DOSC“ von L Acoustics ist das Nachfolgeprodukt des ersten „richtigen“ Line-

Arrays, V-DOSC (Vertical Diffuseur d’Onde Sonore Cylindrique), das Dr. Christian Heil

und Marcel Urban 1992 auf den Markt brachten. In acht Jahren Entwicklungsarbeit

wurden einige grundsätzliche Verbesserungen an der Line-Array-Konzeption angebracht,

zudem schrumpfte das dV-DOSC auf ein 2-Weg-System und eignet sich somit besser für

den Touring-Sektor als sein großer Bruder. Nichts desto Trotz handelt es sich beim dV-

DOSC natürlich um ein Großbeschallungssystem, das mit mindestens 3 Einheiten pro Seite

betrieben werden sollte. Nach einem ausführlichem Test empfiehlt PRODUCTION

PARTNER-Autor Anselm Goertz sogar 6 Elemente, da sich bei einem zu kurzen Array die

Zylinderwelle bei Frequenzen über 8KHz nicht ausbilden kann.

Der technische Aufbau entspricht einem 2 Weg-Aktiv-System, im Mittelhochtonbereich

arbeiten 2 direktabstrahlende 8“-Chassis (PHL) nach dem Bassreflexsystem, zwischen

Ihnen sitzt der Waveguide eines 1,4“ Titantreibers (B&C DE910), sodass sich eine

symmetrische Anordnung ergibt. Als Bass und Subbassergänzung werden die

hauseigenen ARCS-Modelle oder der SB218 empfohlen, die ca. bei 200Hz angekoppelt

werden sollten.

Jede der 3 Komponenten sitzt in einem eigenen Gehäuse, die 8“ Lautsprecher arbeiten

in einem optimalen Volumen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Verbunden sind diese

Gehäuse nur durch zwei dünne Aluminiumplatten, die Boden und Deckel eines dV-

Elements bilden. Da die Austrittsöffnung des Waveguides nahezu über die gesamte Höhe

der Box verläuft, sind so sehr geringe Abstande zwischen den einzelnen Hörnern möglich,

so dass die Wellenfront an den Gehäuseübergängen nicht aufreißt.

Ein dV-Dosc Element wiegt knapp 32kg, ist außen an der Front mit 2 Tragegriffen

versehen und so auch von einer Person sehr gut handhabbar.

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Besonders wichtig bei Großbeschallungssystemen sind die Flugeigenschaften einer Box.

L’Acoustics setzt hier auf das weitverbreitete Quick-Lock System, mit dem bis zu 12

Einheiten untereinander zusammengesetzt werden können. Auf der Vorderseite greifen 2

Stahlprofile an der Ober- und Unterseite der Gehäuse direkt ineinander, die mit

Quicklock-Pins nur noch fixiert werden müssen, auf der Rückseite ist über Lochbleche der

gewünschte Curvingwinkel zwischen 0° und 7,5° einstellbar.

Als Besonderheit lässt sich das System für Beschallungen ohne Flugmöglichkeiten auch

gestackt benutzen. Der Flugrahmen (Craddle) an dem die Elemente normalerweise

aufgehängt werden, fungiert dann als Ständer. Allerdings sollte das System dann über

den Köpfen des Publikums stehen und leicht nach unten gecurved werden, andernfalls

entstehen sehr starke Abschattungseffekte, die die Reichweite stark beeinflussen.

Als die ersten dV-Dosc Stacks an diverse ProAudio-Zeitschriften zu umfangreichen Tests

ausgeliefert wurden, ergaben sich sehr viele Schwierigkeiten, da die bisherigen

Messstandards auf Line-Arrays nicht anwendbar sind. So wird der maximale Schalldruck

(dBSPL) üblicherweise 4m vor dem Stack gemessen und auf einen Meter zurückgerechnet

(+12dB, entspricht Faktor 4). Da aber Line- Arrays nur einen Pegelabfall von 3dB pro

Entfernungsverdopplung im Nahfeld aufweisen, hat dieser Wert hier keine Gültigkeit.

Hinzu kommt, dass die Tiefen durch ihre sphärische Ausbreitung um 6dB, der

Hochtonbereich aber nur um 3dB abfällt und der Übergang zwischen diesen Bereichen

fließend erfolgt. Ohne neue Messstandards lässt sich also der maximale Schalldruck nicht

genau beziffern. Allerdings bescheinigen viele Fachzeitschriften dem dV-DOSC einen

sehr guten und ausgeglichenen Klang, zudem bleibt der maximale Schalldruck über einen

sehr großen Frequenzbereich konstant. Auch die hohen Verkaufszahlen bestätigen diesen

Eindruck.

Eine Besonderheit stellt noch der Vertrieb und der Verleih bei L Acoustics dar. Es ist

grundsätzlich nicht möglich, ein dV-Stack per „Dry Hire“ zu mieten oder zu kaufen. Zu

jedem System „gehört“ ein speziell geschulter Techniker, der das dV-Dosc betreut und

die technische Einrichtung übernimmt. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 20 zertifizierte

freie Tontechniker, die ein V- oder dV-DOSC bedienen „dürfen“. Durch diese

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Maßnahmen wird eine hohe Qualität der Beschallung garantiert, zudem sollen

Dumpingpreise durch „Feld- Wald- und Wiesenbeschaller“ vermieden werden.

V.2 Dynacord Cobra

Auf der Messe Pro Light + Sound 2002 in Frankfurt wurde erstmals auch ein Line-

Array vom Straubinger Hersteller Dynacord vorgestellt. Das kompakte Cobra-System

soll auch auf kleinere Veranstaltungen die Vorteile der Line-Array-Technologie

ausspielen und ist in Verleiherkreisen bereits als „Bierzelt-Line-Array bekannt“...

Cobra richtet sich grundsätzlich an eine andere Käuferschicht als die übrigen

Großbeschallungssysteme am Markt. Von Dynacord werden kleine PA-Verleiher oder

Top40-Bands anvisiert, also muss diese PA leicht aufzubauen und handzuhaben sein,

notfalls muss sich Cobra auch von einer Person „hochziehen“ lassen. Des weiteren ist

Cobra als gestacktes Beschallungssystem konzipiert. Ein Flugbetrieb ist zwar auch

möglich, aber gerade im Coverrock-Bereich kann oftmals kein so hoher Aufwand

betrieben werden.

Bereits jetzt werden die Probleme deutlich, vor denen die Entwickler bei dieser

Zielvorgabe stehen: Ein Line-Array kann erst dann seine Vorteile ausspielen, wenn die

vertikale möglichst mehrere Meter lang ist, andernfalls bricht die Zylinderwelle zu früh

zusammen und das akustisch günstige Nahfeld erstreckt sich nur über wenige Meter. Da

sich bei gestackten Systemen nicht eine beispielsweise 4m lange Hochtoneinheit

realisieren lässt, müssen hier schon Einschränkungen in Kauf genommen werden. Dynacord

empfiehlt bei größeren Veranstaltungen einen Betrieb mit maximal 3 Topteilen

übereinander, hieraus ergibt sich eine wirksame Arraylänge von maximal 1,48m.

Weiterhin kann ein großer Curving-Winkel nur bei geflogenen Systemen erreicht

werden, bei Cobra beträgt der vertikale Öffnungswinkel bei 3 Topteilen lediglich 7,5°.

Damit diese recht schmale Zylinderwelle nicht an den ersten Publikumsreihen „zerschellt“,

muss sie von einer möglichst hohen Position aus auf das Publikum abgestrahlt werden.

Ein Stack aus 3 Baß - und 3 Mittel-Hochtonboxen hat nun eine Gesamthöhe von 2,90m

bei einer Grundfläche von lediglich 60x72cm. Meiner Meinung nach ist dies eine zu

wackelige Konstruktion. Selbst wenn die Boxen durch Stapelecken etc. optimal

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ineinandergreifen, erhöht hier ein nicht ebener Boden (wie er bei kleinen Bühnen auf

Stadtfesten auch häufig vorkommt) die Kippgefahr gewaltig.

Die Topteile der Cobra-Anlage werden in 2 Versionen angeboten: Beim Cobra-Top

handelt es sich um eine Mitten/Hochtonkonstruktion ohne Waveguides, die Linienquelle

wird durch 4 5“ Lautsprecher nur bis etwa 2KHz ausgebildet. Darüber arbeitet ein

konventioneller 2“ Treiber hinter einem 60 x 40° Coax-Horn.

Das von den Außenmaßen identische Cobra Far wird 4 Waveguides enthalten und soll

die Zylinderwelle so bis zum Hochtonbereich ausweiten. Cobra Far hat allerdings noch

nicht die Serienreife erreicht, genaue technische Details sind noch nicht bekannt.

Das bereits getestete Cobra-Topteil weist die typischen Vor- und Nachteile einer Coax-

Konstruktion auf: die 5“ Mitteltöner sitzen mitten im Schallweg des 15“ Tieftöners. Da nun

beide Chassis auf der gleichen Achse abstrahlen, kommt es im Bereich der

Grenzfrequenz nur zu kaum erkennbaren Interferenzen und einem fast mustergültigen

Frequenzgang. An der Grenzfrequenz des 15“ Chassis machen sich die 5“er aber

störend bemerkbar. An der Außenwand des Coax-Horns kommt es zu ersten

Reflektionen, die mit Schaumstoffen aufwändig bedämpft werden müssen. Die

durchgehend passive Trennung der 3 Wege verhindert zudem eine elektrische

Optimierung durch einen Controller. Da sich 15“ und 5“ durch die koaxiale Anordnung

nicht mehr in einer Ebene befinden, wäre hier ein Time-Alignment (Zeitangleichung)

angebracht gewesen.

In mehreren Fachzeitschriften und Internet-Foren wurde lange diskutiert, ob es sich beim

Cobra um ein echtes Line Array handelt oder ob Dynacord von der derzeitigen

Marktlage profitieren will und sein Produkt lediglich als Line Array deklariert.

Meiner Meinung nach kann bei der vorliegenden Variante nicht von einem Line-Array

sprechen. Cobra nutzt zwar im Mitteltonbereich die Phänomene der Linienquelle, aber

das tun viele andere Lautsprecher mit 8“ oder 5“ Bestückung auch. Die eigentliche

„Kunst“ liegt ja in der Schallführung im Hochtonbereich, hier setzt Dynacord bis jetzt auf

konventionelle CD-Hörner. Solange die Cobra Far- Variante noch auf sich warten lässt,

handelt es sich bei Cobra um ein gut abgestimmtes, aber normales Groundstack-System

ohne herausragendes KnowHow.

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VI. Fazit

VI.1 Eigene Erfahrungen mit Line Arrays

Leider war es mir nicht möglich, persönliche Erfahrungen im Aufbau und Betrieb von

Line-Arrays zu sammeln. Ich habe mich bei einigen registrierten dv-DOSC- und JBL

Vertec-Usern für ein Kurz-Praktikum beworben, erhielt aber ausschließlich Absagen.

Entweder waren die Zeitpläne der ausführenden Firmen so eng gesteckt, das keine Zeit

für Fragen gewesen wäre oder die Firmen konnten mir aus versicherungstechnischen

Gründen nicht erlauben, als betriebsfremde Person auf einer „Baustelle“ (eine im Aufbau

befindliche Veranstaltung) anwesend zu sein oder gar ins Rigg zu klettern.

VI.2 Vor- und Nachteile der Line-Array-Technologie

Betrachtet man das Prinzip, so scheint ein Line-Array auf den ersten Blick tatsächlich

ein Allheilmittel bei bisher schwierigen Beschallungen zu sein. Die Anzahl der

Lautsprecher sinkt, der Wirkungsgrad steigt, das Publikum wird gleichmäßiger, ohne

Interferenzeffekte beschallt und zudem ist auch auf der Bühne weniger Störschall

vorhanden. Das System ist schnell aufzubauen, benötigt weniger Platz im LKW und Lager

und spart sogar Manpower, weil weniger Material transportiert werden muss. So

gesehen müssten also Line-Arrays die konventionellen Lautsprechersysteme in wenigen

Jahren komplett verdrängt haben.

Allzu schnell vergisst man dabei aber die Nachteile, die nicht so offenkundig zutage

treten, aber auch berücksichtigt werden müssen. Ein Line-Array lässt sich ausschließlich für

Großbeschallungen verwenden, ein einzelnes Element lässt sich praktisch überhaupt nicht

benutzen.

Zudem werden höhere Anforderungen an den Veranstaltungsort gestellt, auf die der

Verleiher keinen Einfluss hat. Eine Halle, in der ein Line-Array verwendet werden soll,

muss zwingend über Hängepunkte mit ausreichender Belastbarkeit verfügen.

Durch die sehr hohen Reichweiten sind Line-Arrays im Open-Air-Betrrieb windanfällig.

Bei ungünstigen Wetterbedingungen werden besonders die energiearmen hohen

Frequenzen buchstäblich „weggeweht“.

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Um ein Line-Array optimal an einen Veranstaltungsort anzupassen, ist eine sehr genaue

und aufwändigere Vorplanung notwendig als bei konventionellen Systemen. Spätestens

jetzt ist man auf Computertechnik angewiesen, denn ohne einen Array-Calculator ist

vernünftiges Setup kaum zu erzielen.

Durch das hohe KnowHow, dass für die Einrichtung und Bedienung notwendig ist, müssen

Techniker an der neuen Hardware geschult werden, was die immensen Investitionskosten

weiter in die Höhe treibt. Der Umstieg lohnt sich also nur für Große PA-Companies, die

weiterhin auch Hornsysteme vorhalten können, um das „Tagesgeschäft“ abzuwickeln.

Das gesamte Funktionsprinzip beruht auf der Annahme, das die Waveguides auch

wirklich eine ebene Welle über den gesamten Frequenzbereich formen können. Mit den

bisherigen Messmethoden lässt sich dies noch nicht überprüfen, viele Messräume sind

schlicht zu klein, um genügend Lange Arrays bilden zu können. Tatsächlich ist bis heute

noch keine einzige Zylinderwelle im Frequenzbereich um 15KHz nachgewiesen worden!

[vgl. Abstract auf http://www.meyersound.com/mseries/m3d/line_array_theory.htm,

Can Line Arrays Form Cylindrical Waves? ]

Liest man die Testberichte der ProAudio-Zeitschriften sehr gründlich (auch zwischen den

Zeilen), fällt die vorsichtige Formulierung der Autoren auf.

So schreibt Anselm Goertz über das dV-DOSC in der Production Partner 2/2002:

„Abhängig von der Wellenlänge und der [...] skalierbaren Länge kommt man mit dieser [dV-

DOSC]-Technik den Eigenschaften eines Zylinderwellenstrahlers für den weiten

Frequenzbereich schon recht nahe.“ [1]

Bisher wurde noch keinem PA-System eine „echte“ vertikale Linienquelle bescheinigt.

Aus diesem Grund gibt es noch immer Befürworter wie Gegner der Line-Array-

Technologie.

Aber selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die ebene Wellenfront eines V-DOSC

Arrays oberhalb 12KHz in sich zusammenbricht und sich danach „nur“ sphärisch

ausbreitet, zeugt der Verkauf von über 7000 Einheiten in den letzten Jahren, das ein

Markt für diese Technologie vorhanden ist.

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Meiner Meinung nach wird sich der zur Zeit heiß umkämpfte Markt der Line-Arrays in

der nächsten Zeit wieder entspannen. Lautsprecher und Boxen sind weiterhin das

schwächste Glied in der Übertragungskette, dies wird sich auch durch ein Line-Array nicht

ändern. Beide Beschallungstechnologien, Line-Arrays und Horncluster, besitzen ihre

individuellen Stärken und Schwächen und haben somit ihre Daseinsberechtigung.

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Quellenverzeichnis: [1] Goertz, Anselm: L-Acoustics dV-DOSC , Funktioniert der Linienstrahler?, Production

Partner 2/2001 S. 126

Goertz, Anselm: Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen von Line-Arrays

in der Beschallungstechnik und ihre Berücksichtigung in Simulationsprogrammen, CAVIS

Vortrag 2001

Goertz, Anselm: Messtechnische Kriterien zur Beurteilung von PA-Lautsprechern und

deren Bedeutung für die klanglichen Qualitäten, DAGA Vortrag 2002

Goertz, Anselm: Dynacord Cobra; Direktstrahler, Horn und Line Array, Production

Partner 4/2002, S.60

Michel Dieter: Dynacord Cobra, Compact Line-Array, ProSound 3-4/2002, S. 20

Veit, Ivar: Technische Akustik, Vogel Verlag, Würzburg 1996

Pieper, Frank: Das P.A. Handbuch, GC Carstensen, München 1996

Ebner, Michael: Handbuch der PA-Technik, Elektor-Verlag, Aachen 2002

Dickreiter, Michael: Handbuch der Tonstudiotechnik, K G Saur, München 1997

Dickason, Vance: Lautsprecherbau, Elektor-Verlag, Aachen 2001

Detlef Hoepfner: Moderne Ansätze der Line-Array Bildung; Production Partner 2/2001,

S. 122

Levitsky, Igor: RLA Ribbon Line Array, The unique technology behind a truly coherent

line array for high fidelity professional sound Systems, Essay auf http://www.line-

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Heil, Dr. Christian: Sound Fields radiated by Multiple Sound Arrays, 92nd AES

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Ureda, Marcel: Line Arrays: Theory and Applications, 110th AES Convention Amsterdam

2001

Werhahn, Walter: Meyersound MAPP Online; Production Partner 2/2001; S. 116

Deffarge, Francois: NEXO Geo Innovationsanalyse, Paris 2002

Deffarge, Francois: Wavesource Reflektortechnologie durch geometrische Trans-

formation von Conicoid-Flächen, Paris 2002

Holtmeyer, Volker: Simulation of line arrays with ULYSSES CAAD software

http://www.dead.net/cavenweb/deadfile/newsletter19wallsound.html

http://www.meyersound.com

http://www.nexo-sa.com

http://www.prosoundweb.com

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Abbildungsverzeichnis:

Titelseite: JBL VerTec VT4889

http://www.jblpro.com

Abbildung 1: Wall Of Sound:

http://www.dead.net/cavenweb/deadfile/newsletter19wallsound.html

Abbildungen 2 – 6: Java Applet mit freundlicher Genehmigung von:

http://www.schulphysik.de

Abbildungen 7 und 8: Simulationsprogramm Meyersound MAPP Online (Freeware)

http://www.meyersound.com

Abbildungen 9 – 13: selbsterstellte Grafiken

Abbildung 14: Apogee Line-Array ALA-9

http://www.apogee-sound.com

Abbildung 15: Nexo Geo Array Calculator

http://www.nexo-sa.com

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Exposé:

SAE Köln Kurs AEDP 03/01

Tobias Müller, Stud-Nr.: K50449

Fachlehrer: Lutz Kemp

Thema:

Line-Arrays

In dieser Facharbeit soll das Prinzip der kohärent strahlenden Linienquelle hergeleitet

und erläutert werden. Anschließend soll untersucht werden, wie erfolgreich diese

Theorie bei den einzelnen Herstellern umgesetzt wurde. Davon ausgehend wird

analysiert, ob sich Line-Arrays aufgrund ihrer Qualitäten langfristig auf dem Markt

etablieren können oder ob es sich nur um eine Modeerscheinung handelt. In einem

abschließenden Fazit werden Vor- und Nachteile gegenübergestellt und meine

persönlichen Erfahrungen mit Line-Arrays geschildert.

I. Einführung:

Welche Anforderungen müssen PA - Systeme heute erfüllen? Ein kurzer(!) Rückblick

zeigt die bisherige Entwicklung.

II. Das Funktionsprinzip der Line-Arrays:

- Akustische Kopplung

- Verhalten der Line-Arrays im Nah- und Fernfeld

- Know How der Schallführung

- Pegelabfall von Lautsprechersystemen

- Horizontales Coverege

- „modernes“ Line-Array vs. „Schallzeile“

- ...

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III. Line-Arrays im virtuellen Raum; die Simulation am Rechner

- konventionelle Lautsprechersimulation mit EASE und Ulysses (evtl. Meyer MAPP/

JBL LAC)

- welche Unterschiede ergeben sich für Line-Arrays?

(optional!! Ich warte noch auf Antwort, ob mir die Software zur Verfügung

gestellt wird)

III. Line-Arrays in der Praxis:

- L’Acoustics V-DOSC (evtl. dV-DOSC)

- JBL Vertec/ NEXO Geo/ Meyer M2D

- Dynacord Cobra

(Insgesamt werde ich drei Systeme vorstellen; definitiv das Dynacord Cobra und ein

System aus dem Hause L’Acoustics)

IV. Persönliche Erfahrungen und Fazit:

- eigene Erfahrungen mit Line-Arrays (vermutlich dV-DOSC in der Kölnarena)

- Schlußbetrachtung: Vor- und Nachteile der Line-Arrays

- Werden sich Line-Arrays langfristig etablieren?

- Letzte Worte/ Danksagungen etc.

Datum, Unterschrift Fachlehrer Datum, Unterschrift Facharbeitschreibender