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Theorie und Versuchsanleitung zum Praktikum Grundlagen der Elektrotechnik II Clausthal-Zellerfeld im Februar 2010 Institut für Elektrische Energietechnik

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Theorie und Versuchsanleitung zum Praktikum Grundlagen der Elektrotechnik II

Clausthal-Zellerfeld im Februar 2010

Institut für Elektrische Energietechnik

I

___________________________________________________________________________

Inhaltsverzeichnis

5 Versuch 5: Leistungsmessung bei Drehstrom 1

5.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

5.1.1 Drehstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

5.1.2 Sternschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

5.1.3 Dreiecksschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

5.1.4 Leistungsmessung bei Drehstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

5.1.5 Bestimmung des Leistungsfaktors cos bei Symmetrie . . . . . . . . . . 12

5.1.6 Bestimmung der Blindleistung aus der Aronschaltung bei Symmetrie 16

5.1.7 Leistungsfaktor bei Unsymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

5.1.8 Allgemeine Formelzeichen und Definitionen (DIN 1304, 40 108) . . . 16

5.1.9 Übungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

5.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

5.2.1 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

5.2.2 Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

6 Versuch 6: Schutzmaßnahmen 23

6.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

6.1.1 Grundlagen, Vorschriften, Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

6.1.2 Netzformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

6.1.3 Gefahren des elektrischen Stromes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

6.1.4 Berührspannung, Schrittspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

6.1.5 Schutzmaßnahmen - Schutz gegen elektrischen Schlag . . . . . . . . . . . 35

6.1.6 Schutz durch automatisches Abschalten der Stromversorgung . . . . . 36

6.1.7 Schutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung . . . . . . . . . . . . . . . 47

6.1.8 Schutz durch Schutztrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

6.1.9 Schutz durch Kleinspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

II INHALTSVERZEICHNIS

___________________________________________________________________________

6.1.10 Zusätzlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

6.1.11 Schutzmaßnahmen unter fachlicher Beaufsichtigung . . . . . . . . . . . . . . 54

6.1.12 Schutzeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

6.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

6.2.1 Demonstrationstafeln für Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

6.2.2 Versuchsdurchführung und -auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

7 Versuch 7: Gleichrichterschaltungen 67

7.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

7.1.1 Definition eines idealen Ventils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

7.1.2 Gleichrichterschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

7.1.3 Gleichgerichtete Spannung, überlagerte Wechselspannung und

Glättungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

7.1.4 Unvollkommenheit idealer Ventile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

7.1.5 Belastungskennlinie eines Gleichrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

7.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

7.2.1 Versuchsdurchführung Funktionshinweise des Schaltbrettes: Gleich-

richterschaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

7.2.2 Messungen und Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

8 Versuch 8: Untersuchung eines Transformators 103

8.1 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

8.1.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

8.1.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

8.1.3 Betriebsverhalten des Transformators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

8.1.4 Berechnung und Messung der Größen des Ersatzschaltbildes . . . . . . . 119

8.1.5 Transformatoren für besondere Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

8.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

8.2.1 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

8.2.2 Versuchsauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

1

___________________________________________________________________________

Versuch 5: Leistungsmessung bei Drehstrom

5.1 Theoretische Grundlagen

5.1.1 Drehstrom

„Drehstromsystem“ ist die übliche Bezeichnung für ein dreiphasiges Wechselstromsystem.

Das Drehstromsystem (Abb. 5.1) dient zur Übertragung von elektrischer Energie mit drei

Strombahnen. Die Leiter, die die Energiequellen mit dem Verbraucher verbinden, werden

vorzugsweise mit L1, L2, L3 bezeichnet. Zulässig ist auch die Bezeichnung R, S und T (DIN

40 108).

Abb. 5.1: Drehstrom-Vierleitersystem

Die Spannung zwischen diesen Leitern sind die Leiterspannungen, U12, U23 und U31. Die Lei-

terströme haben die Bezeichnung I1, I2 und I3. Oft ist ein vierter Anschluss, der Mittel- oder

Sternpunktleiter N (alte Bezeichnung: Mp) vorhanden, der bei gewissen Verbraucherschaltun-

gen mit dem Verbrauchersternpunkt verbunden sein kann. Die Spannungen zwischen den Lei-

tern und dem Mittelleiter N sind die Sternspannungen U1N, U2N und U3N. Drehstromnetze füh-

Generator Verbraucher

L1

L2

L3

N

U12

U23

U31

U1N

U2N

U3N

I1

I2

I3

2 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

ren meistens symmetrische Spannungen, d.h. Leiter- bzw. Sternspannungen sind betragsmä-

ßig gleich groß:

12 23 31 LU U U U 1 2 3 N N N LNU U U U

Erläuterung: U : komplexer Effektivwert

U : Effektivwert = Betrag des komplexen Effektivwertes

u : Momentanwert (siehe Abb. 5.2)

Die Phasenverschiebungen zwischen den einzelnen Leiter- bzw. Sternspannungen betragen

dann 120° (Abb. 5.2).

3 2

12U

23U

31U

3NU

1NU

2NU

120°

1 u

0 t

31U12U 23U

1NU 2NU3NU

Abb. 5.2: Zeiger- und Liniendiagramm von Leiter- und Sternspannungen

Aus dem Diagramm ist ablesbar, dass

3 L LNU U

ist.

Im Niederspannungsnetz sind UL = 400 V und 400

=230 3

LN

VU V bei f = 50 Hz genormt *.

Der Sternpunkt ist oft geerdet (vergleiche Versuch 6: Schutzmaßnahmen).

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 3

___________________________________________________________________________

* Im Rahmen der internationalen Standardisierung ersetzen diese Nennspannungen

seit 1983 die Werte 220/380 V (z.B. in Deutschland) und 240/415 V (z.B. in Großbri-

tannien).

5.1.2 Sternschaltung

Eine Sternschaltung liegt dann vor, wenn die drei Verbraucher oder Stränge an einem ge-

meinsamen Knotenpunkt, dem Lastmittelpunkt oder -sternpunkt N angeschlossen sind (Abb.

5.3). Die an den Strängen liegenden Spannungen U1N, U2N und U3N werden Sternspannungen

ULN genannt. Die Ströme in den Strängen sind bei der Sternschaltung gleich den Leiterströ-

men:

IStr = IL.

L1

L2

L3

N

12U

23U

31U 1NU

3NU

1I

3I

2I

NI

1NI

3NI

S

2NU

Abb. 5.3: Sternschaltung

5.1.2.1 Symmetrische Belastung bei Sternschaltung

Symmetrische Belastung liegt dann vor, wenn alle komplexen Widerstände nach Betrag und

Phase gleich groß sind. Bei Anschluss an ein symmetrisches Netz sind dann auch die Strang-

spannungen ULN gleich groß und in ihrer Phase um 120° gegeneinander verschoben:

12 1 2

23 2 3

31 3 1

N N

N N

N N

U U U

U U U

U U U

4 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

1 2 3

3 L

N N N LN

UU U U U

Es gilt somit auch auf der Verbraucherseite das Zeigerdiagramm von Abb. 5.2.

Verbindet man den Laststernpunkt N mit dem Generatorsternpunkt (Schalter S geschlossen,

Abb. 5.3), so fließt in diesem Sternpunkt- oder Mittelleiter kein Strom IN, da beide Sternpunk-

te gleiches Potential haben.

Nimmt man zur Zeichnung eines Stromzeigerdiagramms an, dass symmetrische ohmsche Be-

lastung vorliegt, dann haben Strangstrom- und Strangspannungszeiger die gleiche Richtung

(Abb. 5.4). Es gilt weiterhin die Knotenpunktsgleichung.

1 2 3 0I I I

und wegen der Symmetrie

1 2 3 L StrI I I I I

Abb. 5.4: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei symmetrischer ohmscher Last

in Sternschaltung

5.1.2.2 Unsymmetrische Belastung in Sternschaltung mit Sternpunktlei-

ter

An einem starren Drehstromnetz mit Mittelleiter seien drei in Stern geschaltete ungleiche

Wechselstromwiderstände 1 2 3 Z Z Z angeschlossen. Bei symmetrischen Sternspannungen

und einem widerstandslosen Mittelpunktleiter tritt an allen drei Widerständen eine dem Be-

trage nach gleichgroße Spannung auf. Die Stern- bzw. Strangströme und damit die Leiter-

3 2

1

12U

23U

31U

3NU

1NU

2NU

3I

2I

1I

120°1I

3I

2I

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 5

___________________________________________________________________________

ströme / Str L LN StrI I U Z sind also unsymmetrisch, d.h. ihre Summe ist nicht mehr gleich

Null, so dass auch im Mittelleiter ein Strom NI fließt.

Es sei das Beispiel unsymmetrischer ohmscher Belastung betrachtet, d.h. die Strangwider-

stände sind unterschiedlich groß. Wird z.B. der Belastungsfall 1 2 3 R R R gewählt, so ist

1 2 3 I I I ,

da die Strangspannungen gleich sind. Das Stromzeigerdiagramm hat dann z.B. folgendes

Aussehen (Abb. 5.5):

Abb. 5.5: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei unsymmetrischer ohmscher

Last mit N-Leiter

Das Knotenpunktsgesetz lautet jetzt:

1 2 3 0 NI I I I

Es fließt somit bei unsymmetrischer Last über den Mittelleiter ein Ausgleichsstrom NI .

5.1.2.3 Unsymmetrische Belastung in Sternschaltung ohne Sternpunkt-

leiter

Werden bei unsymmetrischer Last die Mittelpunkte von Generator (Netz) und Verbraucher

nicht verbunden (Schalter S geöffnet, siehe Abb. 5.3), so sind die Sternspannungen unter-

schiedlich groß. Zwischen den Sternpunkten entsteht eine Potentialdifferenz GVU (Indizes: G:

Generator, V: Verbraucher) und somit eine Sternpunktverschiebung am Verbraucher (Abb.

5.6).

3 2

1

12U

23U

31U

3NU

1NU

2NU

3I

2I

1I1I3I

2I

NI

6 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 5.6: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei unsymmetrischer ohmscher

Last ohne N-Leiter

5.1.3 Dreieckschaltung

Eine Dreieckschaltung liegt vor, wenn sämtliche Stränge hintereinander angeordnet einen ge-

schlossenen Ring bilden. Da jeder Verbraucher an der Leiterspannung liegt, sind Leiter- und

Strangspannung gleich:

L StrU U

Die Leiterströme ergeben sich nach dem Knotenpunktsgesetz aus der geometrischen Diffe-

renz zweier Strangströme (Abb. 5.7):

1 12 31

2 23 12

3 31 23

I I I

I I I

I I I

Abb. 5.7: Dreieckschaltung

3 2

1

12U

23U

31U

3NU

1NU

2NU

1I

3I

2IGVU

GN

1 2 3I I I 0

L2

31U

2IL3

L11

23

1I

3I

31I

23I

12I

31U 12U

23U

12U

23U

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 7

___________________________________________________________________________

5.1.3.1 Symmetrische Belastung bei Dreieckschaltung

Bei symmetrischer Belastung sind alle Widerstände und damit auch alle Strangströme gleich

groß. Für den Fall der symmetrischen ohmschen Belastung ergeben sich folgende Zeigerdia-

gramme (Abb. 5.8):

Abb. 5.8: Spannungs- und Stromzeigerdiagramm bei symmetrischer ohmscher Last

in Dreieckschaltung

Der Leiterstrom ist 3 -mal größer als der Strangstrom.

12 23 31

3

Str

L Str

I I I I

I I

Dies gilt auch bei beliebiger symmetrischer Last.

5.1.4 Leistungsmessung bei Drehstrom

5.1.4.1 Einphasige Wirkleistungsmessung bei symmetrischer Belas-

tung

Die gesamte Drehstromwirkleistung ergibt sich aus der Summe der einzelnen Strangleistun-

gen:

3

1 2 3

1

S N N N StrP P P P P bei Sternschaltung

3

12 23 31

1

D StrP P P P P bei Dreieckschaltung

31I

23I

12I

23

1

31U 12U

23U

3I

2I

1I

31I

23I 12I

8 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Bei Symmetrie sind die Strangleistungen gleich. Damit ist:

3 StrP P

Weiterhin gilt für Symmetrie bei Sternschaltung:

3 L StrU U L StrI I

3 3 cosS Str Str StrP P U I

3 cos S L LP U I

und bei Dreieckschaltung

L StrU U 3 L StrI I

3 3 cosD Str Str StrP P U I

3 cos D L L SP U I P

Bei Verwendung der Leiterwerte ist die Gleichung also unabhängig von der Schaltung. Zur

Bestimmung der Gesamtleistung reicht die Messung der Leistung eines Stranges mit einem

Leistungsmesser aus, dessen Wert mit drei multipliziert wird.

Abb. 5.9: Einphasige Leistungsmessung bei symmetrischer Last

VR : Vorwiderstand zur Messbereichserweiterung des Spannungspfades vom Wattmeter

MR : Innenwiderstand des Wattmeters

a) Schaltung mit vorhandenem Netzmittelpunktleiter N oder Laststernpunkt N

b) Schaltung mit künstlichem Sternpunkt bei fehlendem Mittelpunkt N

a) b)

Symmetrische

Last

W

VR

N

Symmetrische

Last

W

'

VR

VR

'

V V MR R R

oderoder

L1

L2

L3

L1

L2

L3

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 9

___________________________________________________________________________

Ist der Sternpunkt des Netzes oder der Laststernpunkt (bei Sternschaltung) zugänglich, kann

der Spannungspfad daran angeschlossen werden. Fehlen diese Klemmen, muss ein künstlicher

Sternpunkt geschaffen werden, wobei die Widerstände so dimensioniert sein müssen, dass

Symmetrie vorhanden ist. Die Leistungsmessgeräte in Abb. 5.9 messen

cos3

LStr L

UP I .

Wird dieser Wert mit drei multipliziert, erhält man die gesamte Drehstromwirkleistung.

5.1.4.2 Einphasige Blindleistungsmessung bei symmetrischer Belas-

tung

Legt man den Spannungspfad des Leistungsmessers an eine Spannung des Drehstromsystems,

die senkrecht auf jener Spannung steht, die bei der Wirkleistungsmessung benutzt wird, so

erhält man eine Blindleistungsmessung (Abb. 5.10):

Abb. 5.10: Einphasige Blindleistungsmessung bei symmetrischer Last

Es ist erkennbar, dass am Spannungspfad die Spannung 23U liegt, die um 90° gegenüber 1NU

verschoben ist (Abb. 5.11).

Symmetrische

Last

var

Q’

VR oder

L1

L2

L3

10 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 5.11: Spannung 23U für die Blindleistungsmessung in L1, senkrecht zu 1NU

Das Messgerät zeigt keinen Ausschlag, wenn 1I in Phase mit 1NU ist (reiner Wirkverbrau-

cher), und zeigt maximalen Ausschlag, wenn 1I senkrecht auf 1NU steht (reiner Blindver-

braucher). Das Messgerät misst ' sin L LQ U I . Die gesamte Blindstromleistung Q erhält

man durch Multiplikation des Ausschlages mit 3 ; 3 ' 3 sin L LQ Q U I .

5.1.4.3 Dreileistungsmesserschaltung

Abb. 5.12: Dreileistungsmesserschaltung

Bei der Drei-Wattmeterschaltung werden die Ausgänge der Spannungspfade zu einem ge-

meinsamen künstlichen Sternpunkt zusammengeschaltet. Unter der Voraussetzung, dass die

Spannungspfade aller Wattmeter den gleichen Widerstand haben, zeigt jedes dieser Instru-

mente das Leistungsprodukt aus Leiterstrom und der zu diesem Leiter gehörigen Sternpunkt-

3 2

1

23U

1NU

90°

Symmetrische

Last

W

VR

L1

L2

L3 oder

W

W

VR VRL1 L2 L3P P P P

L1P

L2P

L3P

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 11

___________________________________________________________________________

spannung an, d.h. die Summe der Anzeigen entspricht der gesamten Wirkleistung. Mit diesem

Verfahren zur Leistungsmessung wird auch bei unsymmetrischer Last in allen Fällen die Leis-

tung richtig erfasst. Eine Ausnahme ist jedoch zu beachten: Wenn eine Verbindung zwischen

Last- und Netzsternpunkt besteht und ein Mittelleiterstrom fließt, die drei Wattmeter aber mit

einem künstlichen Sternpunkt arbeiten, dann wird die Leistung falsch angezeigt, denn das Po-

tential des künstlichen Sternpunktes liegt auf einem ganz anderen Potential als das gemeinsa-

me Mittelleiter-Potential von Last und Netz. Erst wenn man den Mittelleiterstrom unterbricht

oder den künstlichen Sternpunkt an den Mittelleiter anschließt, wird die Summe der drei

Strangleistungen wieder richtig angezeigt.

5.1.4.4 Aronschaltung

Abb. 5.13: Aronschaltung

Die gebräuchlichste Art zur Wirkleistungsmessung bei symmetrischer und unsymmetrischer

Last ohne N-Anschluss ist die Zweileistungsmesserschaltung oder Aronschaltung. Sie hat ge-

genüber der Dreileistungsmesserschaltung den Vorteil, dass ein Messgerät eingespart wird

und dass außerdem bei symmetrischer Last eine cos - und eine Blindleistungsbestimmung

möglich ist.

Gegeben sei z.B. eine Sternschaltung ohne N-Leiter nach Abb. 5.3. Der Augenblickswert der

Drehstromscheinleistung s ergibt sich aus den Augenblickswerten der Strangströme i und

Strangspannungen u.

1 1 2 2 3 3 N N Ns u i u i u i

Es gilt weiterhin: 1 2 3 2 1 30 i i i i i i

Symmetrische

und

unsymmetrische

Last

W

W

oder

A1P

A2P

VR

VR

L1

L2

L3

A1 A2P P P

12 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

1 2 1 3 2 3 N N N Ns u u i u u i

12 1 32 3s u i u i mit

3 2 23 32 N Nu u u u

und 1 2 12 N Nu u u

Der zeitliche Mittelwert der Leistung ergibt sich durch Integration des Augenblickwertes der

Leistung 1

T

P s dtT

12 1 1 32 3 2cos cos A AP U I U I

Hierbei sind U12, U32, I1 und I3 die Effektivwerte dieser Größen und 1A der Winkel zwischen

U12, I1 sowie 2A der Winkel zwischen U32, I3. Obiger Ausdruck entspricht der Summe der

beiden Leistungsmesserausschläge:

1 2 A AP P P

Die Aronschaltung gilt für den Fall, dass 0NI ist. Bei unsymmetrischer Sternschaltung darf

also kein Mittelpunktleiter angeschlossen sein. Jedoch kann bei symmetrischer Last und

symmetrischem Netz ein N-Leiter vorhanden sein, da dann 0NI ist.

5.1.5 Bestimmung des Leistungsfaktors cos bei Symmetrie

Der Leistungsfaktor cos ist das Verhältnis von Wirkleistung zu Scheinleistung:

cos P

S

Bei symmetrischer Belastung ist 321 ;

1 2 3 LI I I I ; 3 L LS U I und 1 2 3 1 2 3A A StrP P P P P P P

Damit ist: cos3

L L

P

U I

Der Leistungsfaktor kann also durch Strom, Spannungs- und Wirkleistungsmessung bestimmt

werden.

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 13

___________________________________________________________________________

Auch aus der Blindleistungsmessung (Kap. 5.1.4 „Blindleistungsmessung“) kann cos be-

rechnet werden:

'

sin

L L

Q

U I; 2cos 1 sin

Eine elegante Methode zur Bestimmung des cos bei Symmetrie von Netz und Last ohne

Strom- und Spannungsmessung ist die Leistungsfaktorbestimmung aus dem Verhältnis der

Wattmeterausschläge der Aronschaltung. Nimmt man z.B. an, dass die Ströme 1I , 2I und 3I

um den Winkel gegenüber den Strangspannungen nacheilen, dann gilt für die Winkel A1

und A2 nach Abb. 5.14:

Abb. 5.14: Zeigerdiagramm bei symmetrischer Sternschaltung

Damit ist bei Symmetrie:

1 12 1 1

2 32 3 2

cos

cos

cos 30 cos 30

cos 30 cos 30

A A

A A

L L

L L

P U I

P U I

U I

U I

3 2

1

12U

23U

12U

3I

2I

1I

32U

30°

230 A

130 A

31U

14 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Aus der Kurve 1

2

cos

A

A

Pf

P lässt sich der Leistungsfaktor direkt ablesen, siehe (Abb.

5.15)

Bildet man die Summe der Leistungsmesserausschläge der Aronschaltung, dann ist bei sym-

metrischer Last

1 2

cos 30 cos 30

2 cos cos30 , cos cos 2 cos cos2 2

3 cos

A A

L L

L L

L L

P P P

U I

U I mit

U I

Es ergibt sich die gesamte Drehstromwirkleistung.

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 15

___________________________________________________________________________

Abb. 5.15: Bestimmung des cos nach der 2-Wattmetermethode

16 5.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

5.1.6 Bestimmung der Blindleistung aus der Aronschaltung bei Symmetrie

Aus der Differenz der Wattmeterausschläge 2 1A AP P erhält man:

2 1 cos 30 cos 30

2 sin sin 30 , cos cos 2 sin sin2 2

sin

'

A A L L

L L

L L

P P U I

U I mit

U I

Q

Wird dieser Wert mit 3 multipliziert, ergibt sich die gesamte Drehstromblindleistung Q.

2 13 3 sin 3 ' A A L LQ P P U I Q

5.1.7 Leistungsfaktor bei Unsymmetrie

Bei unsymmetrischer Belastung hat natürlich die Last keinen einheitlichen cos ; man kann

zwar das Verhältnis von Wirkleistung zu Scheinleistung bestimmten, P

S (vgl. DIN 40

110), dieser ist dann aber nicht mehr identisch mit dem Leistungsfaktor aus Kap. 5.1.5.

5.1.8 Allgemeine Formelzeichen und Definitionen (DIN 1304, 40 108)

tungScheinleis:S

ungBlindleist:Q

ngWirkleistu:P

Größenigezeitabhängndeentspreche

s

q

p

5.1.8.1 Spannungen

Außenleiterspannung ist bei Dreileitersystemen für Gleichstrom und Einphasenwechsel-

strom die Spannung zwischen den beiden Außenleitern, bei Mehrphasensystemen die Span-

nung zwischen zwei Außenleitern mit zeitlich aufeinander folgenden Phasen.

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 17

___________________________________________________________________________

Sternspannung ist die Spannung zwischen einem Außenleiter und dem Sternpunkt.

Strangspannung ist die Spannung zwischen beiden Enden eines Stranges, unabhängig davon,

in welcher Schaltung die Stränge zusammengeschlossen sind.

5.1.8.2 Ströme

Außenleiterstrom ist der Strom, der in einem Außenleiter fließt.

Mittelleiterstrom ist der Strom, der in einem Mittelleiter fließt.

Strangstrom ist der Strom, der in einem Strang fließt, unabhängig davon, in welcher Schal-

tung die Stränge zusammengeschlossen sind.

Sternstrom ist eine andere Benennung für den Strangstrom bei Mehrphasensystemen in

Sternschaltung.

5.1.9 Übungsaufgabe

Zur Vorbereitung des Versuchs und zur Wiederholung der komplexen Rechnung wird die Be-

arbeitung der folgenden Übungsaufgabe empfohlen:

Berechnen Sie für die angegebene Schaltung Wirk-, Blind- und Scheinleistung.

400

10

636,6

50

LU V

R

C F

f Hz

Zur Kontrolle werden folgende Zwischen- und Endergebnisse angegeben:

5 ; 11,18 ; 26,6 ; 20,7 ;

12,8 ; 6,4 ; 14,3

C LX I A

P kW Q kvar S kVA

LI

C

RR

R

C

C

L1

L3

L2

LU

18 5.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

___________________________________________________________________________

5.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag

5.2.1 Versuchsdurchführung

5.2.1.1 Versuche 1-3

Abb. 5.16: Schaltbild für die Versuche 1-3 (Versorgung)

1. Sternschaltung ohne Neutralleiter

Die Schaltung ist für unsymmetrische Last bei 40LU V und max 5LI A zu un-

tersuchen.

Es werden gemessen: 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1, , , , , , , , , ,L N N N AU U U U I I I P P P P und 2AP .

2. Sternschaltung mit Neutralleiter

Die Schaltung ist für unsymmetrische Last bei 40LU V und max 5LI A zu un-

tersuchen.

Es werden gemessen: 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1, , , , , , , , , , ,L N N N N AU U U U I I I I P P P P und 2AP .

3. Dreieckschaltung

Die Schaltung ist für unsymmetrische Last bei 40LU V und max 5LI A zu un-

tersuchen.

Es werden gemessen: 1 2 3 12 23 31 1 2 3 1 2, , , , , , , , , , ,L A AU I I I I I I P P P P P .

A W

A

A

W

W

W

W

V

Generator

L1

L2

L3

NA

1I

2I

3I

1P

2P

3P

A1P

A2P

LU

NI

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 19

___________________________________________________________________________

Hinweise

Für die Versuche 1 bis 3 werden als Verbraucher pro Strang zwei verstellbare Widerstände

verwendet. Dabei ist je einer der beiden komplett einzustellen. Die Unsymmetrie wird vom

Betreuer eingestellt.

Bei allen drei Versuchen wird der Versuch gemäß Abb. 5.16 aufgebaut. An diesen Aufbau

wird je nach Versuch eine Stern- bzw. Dreieckschaltung nach Abb. 5.17 angeschlossen.

Für die Messung der Leiterströme sind die Weicheiseninstrumente zu benutzen.

Abb. 5.17: Schaltbild für die Versuche 1-3 (Verbraucher)

5.2.1.2 Versuch 4

Abb. 5.18: Schaltbild für Versuch 4

Es sollen die Größen 1 2, , , ,L L A A StrU I P P P und 'Q bei folgenden Drehstromverbrauchern ge-

messen werden:

A

A

A

V V

V

L1

L2

L3

L1

L2

L3

N

1NU

2NU3NU12I

23I

31I

A W

V

Generator

L1

L2

L3

N

LI StrP A1P

A2P

LU

W

W

var

Q '

20 5.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

___________________________________________________________________________

a) symmetrische ohmsche Belastung in Sternschaltung

b) symmetrische, gemischt ohmsch-kapazitive Last in Sternschaltung

c) symmetrische, rein kapazitive Blindwiderstände in Sternschaltung

Hinweise

Die ohmschen Widerstände und Kapazitäten für Teil b sind parallel geschaltet (siehe auch

Abb. 5.18)!

Bei allen vier Versuchen ist auf einen ordentlichen Aufbau der Schaltung zu achten.

5.2.2 Versuchsauswertung

5.2.2.1 Versuche 1 - 3

Die gemessenen Werte sind tabellarisch aufzutragen. Zu den Versuchen 1, 2 und 3 sind je ein

Strom- und ein Spannungszeigerdiagramm zu zeichnen. Auf die richtige Phasenlage zwischen

Spannungen und Strömen ist zu achten. Die Drehstromwirkleistung ist nach der Dreileis-

tungsmesserschaltung und nach der Aronschaltung zu berechnen. Die Werte sind zu verglei-

chen. Wann liefert die Aronschaltung ein falsches Ergebnis?

5.2.2.2 Versuch 4

Zum Versuch 4 Wirk- und Blindleistungsmessungen sind für jeden Belastungsfall die folgen-

den Größen zu ermitteln.

1. Die Drehstromwirkleistung nach der Aronschaltung und der Strangleistungsmessung.

2. Die Drehstromblindleistung aus der Differenz der Wattmeterausschläge sowie aus der

einphasigen Blindleistungsmessung.

3. Die Drehstromscheinleistung aus Wirk- und Blindleistungsmessung.

4. Der Leistungsfaktor cos auf drei verschiedene Arten

4.1 aus der Wirk- und Scheinleistung

4.2 aus Blind- und Scheinleistung

4.3 aus dem Verhältnis der Wattmeterausschläge der Aronschaltung

5. VERSUCH 5: LEISTUNGSMESSUNG BEI DREHSTROM 21

___________________________________________________________________________

Abb. 5.19: Bestimmung des cos nach der 2-Wattmetermethode

23

___________________________________________________________________________

Versuch 6: Schutzmaßnahmen

6.1 Theoretische Grundlagen

6.1.1 Grundlagen, Vorschriften und Begriffe

Die in diesem Skript benutzten Begriffe und zitierten Vorschriften entsprechen den VDE-

Bestimmungen DIN / VDE 0100 Teil 410 mit den zugehörigen Beiblättern und Erläuterun-

gen. Diese enthalten Vorschriften zum Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen

bis 1000 V (nach VDE: Niederspannung). Hier werden im Wesentlichen nur die Passagen, die

den Schutz gegen das "indirekte Berühren" in Wechselspannungsnetzen betreffen, herangezo-

gen. Nachfolgend werden einige wichtige Begriffe dieses Vorschriftenwerkes erläutert:

Elektrische Anlagen Eine Kombination von zugeordneten elektrischen Betriebsmit-

teln zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes oder bestimmter

Zwecke mit auf einander abgestimmten Kenngrößen.

Nennspannung Spannung, durch die eine Anlage oder ein Teil einer Anlage

gekennzeichnet ist. Die tatsächliche Spannung kann innerhalb

zulässiger Grenzen davon abweichen. Bei Drehstromnetzen ist

hiermit die Leiter- oder Dreieckspannung gemeint.

Fehlerspannung Spannung zwischen der Fehlerstelle und der Referenzerde bei

einem Isolationsfehler.

Berührungsspannung Spannung zwischen zwei leitfähigen Teilen, wenn diese von

einem Menschen oder einem Tier gleichzeitig berührt werden.

24 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Aktives Teil Leiter oder leitfähiges Teil, der/das dazu vorgesehen ist, im übli-

chen Betrieb unter Spannung zu stehen, einschließlich eines

Neutralleiters, vereinbarungsgemäß jedoch nicht eines PEN-,

PEM- oder PEL-Leiters.

Körper Leitfähiges Teil eines elektrischen Hilfsmittels, das berührt wer-

den kann und üblicherweise nicht unter Spannung steht, aber

unter Spannung geraten kann, wenn die Basisisolierung versagt.

Fremdes leitfähiges Teil Leitfähiges Teil, das nicht zur elektrischen Anlage gehört, das

jedoch ein elektrisches Potential, im Allgemeinen das einer ört-

lichen Erde, führen kann. (Gebäudekonstruktionselemente, leit-

fähige Fußböden und Wände, Gas- oder Wasserleitungen usw.)

Elektrische Umhüllung Umhüllung, die Schutz gegen vorhersehbare Gefahren durch

Elektrizität bietet.

Bezugserde Elektrisch leitfähig angesehener Teil der Erde, der außerhalb des

Einflussbereichs von Erdungsanlagen liegt und dessen elektri-

sches Potential vereinbarungsgemäß gleich Null gesetzt wird.

Unter „Erde“ ist hier der Planet mit seiner gesamten Substanz zu

verstehen.

(örtliche) Erde Teil der Erde, der sich im elektrischen Kontakt mit einem Erder

befindet und dessen elektrisches Potential nicht notwendiger-

weise Null ist.

Erder Leitfähiges Teil, das in ein bestimmtes leitfähiges Medium, zum

Beispiel Beton oder Koks, eingebettet sein kann und im elektri-

schen Kontakt mit der Erde steht.

Impedanz gegen Bezugs-

erde

Impedanz zwischen einem bestimmten Punkt in einem Netz, in

einer Anlage oder in einem Betriebsmittel und Bezugserde bei

gegebener Frequenz.

Neutralleiter (N) Leiter, der mit dem Neutralpunkt bzw. Sternpunkt elektrisch

verbunden und in der Lage ist, zur Verteilung elektrischer Ener-

gie beizutragen.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 25

___________________________________________________________________________

Es wird zwischen einem Neutralpunkt (in Stern geschaltetes

Mehrphasensystem) und einem Mittelpunkt (einphasiges Sys-

tem) unterschieden.

Schutzleiter (PE) Leiter, der bei einigen Schutzmaßnahmen die Aufgabe hat,

elektrische Verbindungen zwischen einigen der folgenden Teile

herzustellen: Körper elektrischer Betriebsmittel, fremde leitfähi-

ge Teile, Haupterdungsklemme, Erder, geerdeter Punkt der

Stromquelle oder künstlicher Sternpunkt.

Der PE-Leiter ist im ungestörten Betrieb stromlos. Seine Funk-

tion kann unter bestimmten Bedingungen (auch abschnittsweise)

mit dem Neutralleiter zusammengefasst werden (PEN-Leiter).

Direktes Berühren Berühren aktiver Teile durch Menschen oder Tiere.

Indirektes Berühren Berühren von Körpern elektrischer Betriebsmittel, die infolge

eines Fehlerzustandes unter Spannung stehen, durch Menschen

oder Tiere

Elektrischer Schlag Physiologische Wirkung, hervorgerufen von einem elektrischen

Strom durch den Körper eines Menschen oder Tieres.

6.1.2 Netzformen

Charakteristische Größen eines Netzes:

- Nennspannung, Stromart, Frequenz

- Leistungsbedarf

- zu erwartende Kurzschlussströme (minimaler und maximaler Kurzschlussstrom in

Abhängigkeit von der Fehlerart) an der Einspeisestelle

- Art und Anzahl der aktiven Leiter der Einspeisung

- Art der Erdverbindungen

In Abb. 6.1 sind übliche dreiphasige Drehstromnetze mit verschiedenartiger Behandlung des

Netz-Sternpunktes und der Körper dargestellt, die nach VDE 0100 Teil 300 durch mindestens

zwei Buchstaben gekennzeichnet sind:

26 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Der erste Buchstabe kennzeichnet die Er-

dungsverhältnisse des Spannungserzeugers

oder der Stromquelle (Transformator, Ge-

nerator, usw.)

T (terre [franz.] = Erde) Spannungserzeu-

ger direkt mit einem Punkt geerdet (i.

Allg. der Sternpunkt)

I (isolated [engl.] = isoliert) Isolierung

aller aktiven Teile von Erde oder Ver-

bindung über eine Impedanz

Der zweite Buchstabe kennzeichnet die Er-

dungsverhältnisse leitfähiger Körper in

einer elektrischen Anlage (Gehäuse,

Konstruktionsteile, usw.)

T Körper direkt geerdet

N (neutral) Körper direkt mit dem

Betriebserder (i. Allg. geerdeter Stern-

punkt) verbunden

Weitere Buchstaben kennzeichnen die An-

ordnung des Neutralleiters N und des

Schutzleiters PE im TN-Netz

S (separated [engl.] = getrennt) Neutrallei-

ter und Schutzleiter sind als getrennte

Leiter verlegt

C (combinated [engl.] = kombiniert) Neut-

ralleiter und Schutzleiter sind im PEN-

Leiter kombiniert

TN-Netz Der Spannungserzeuger ist direkt geerdet (Betriebserde). Körper (z.B.

leitfähige Gehäuse) sind über PE-Leiter oder PEN-Leiter mit der Betriebs-

erde verbunden. Die Trennung oder Kombination von Schutzleiter und

Neutralleiter unterscheidet zwischen TN-C-, TN-S- und TN-C-S-Netz.

TN-C-Netz Neutralleiter- und Schutzleiterfunktion sind im gesamten Netz im PEN-

Leiter zusammengefasst.

TN-S-Netz PE-Leiter und N-Leiter sind im gesamten Netz getrennt verlegt.

TN-C-S-Netz Nur in einem Teil des Netzes sind Neutral- und Schutzleiterfunktion im

PEN-Leiter zusammengefasst. Im restlichen Netz sind PE- und N-Leiter

getrennt verlegt.

TT-Netz Der Spannungserzeuger ist direkt geerdet (Betriebserder). Die Körper der

elektrischen Anlage sind ebenfalls direkt geerdet. Die Erder der Körper

sind getrennt vom Betriebserder angeordnet.

IT-Netz Der Spannungserzeuger ist von der Erde isoliert. Die Körper der elektri-

schen Anlage sind direkt geerdet.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 27

___________________________________________________________________________

Abb. 6.1: Netzformen und -erdungsarten

6.1.3 Gefahren des elektrischen Stromes

Durch eine sachgemäße medizinische Anwendung elektrischer Energie lassen sich anregende

und sogar Heilwirkungen erzeugen. Unfälle infolge unsachgemäßer Ausführung oder Hand-

habung elektrischer Geräte zeigen jedoch auch die möglichen schädlichen, manchmal sogar

tödlichen Wirkungen des elektrischen Stromes.

Von ordnungsgemäß gefertigten und vorschriftsmäßig betriebenen elektrischen Geräten geht

keine direkte Gefahr für den Betreiber aus. Erst durch einen Isolationsfehler in einem Gerät

kann die Netzspannung oder ein Teil davon an das Gehäuse gelangen und den Betreiber ge-

L1

L2

L3

PEN

L1

L2

L3

PE

N

L1

L2

L3

PE

L1

L2

L3

PE

N

L1

L2

L3

PE

N

Darstellung für den Neutralleiter

Darstellung für den Schutzleiter

Darstellung für den PEN-Leiter

TN-C-Netz TN-S-Netz

TT-NetzIT-Netz

TN-C-S-Netz

TN-C-Netz TN-S-Netz

28 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

fährden. Hiergegen sollen die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen Menschen und Tiere

schützen, indem sie das Entstehen einer solchen Gefahr verhindern oder bei deren Existenz

schnell genug abschalten. Gegen unsachgemäßen Betrieb (Föhn in der Badewanne) oder

mutwilliges Berühren unter Spannung stehender Teile (Nagel in der Steckdose, Reparieren

unter Spannung) schützen diese Maßnahmen i. Allg. nicht!

Neben der unmittelbaren Einwirkung des elektrischen Stromes auf den Körper können auch

mittelbare Stromwirkungen gefährlich sein. Schaltlichtbögen in Starkstromschaltanlagen kön-

nen unter Umständen durch Druckwellen auch Gehör- und Lungenschäden bewirken.

Wie bei jedem Lichtbogen kann ihre Wärme- und Lichtstrahlung außerdem zu Verbrennun-

gen und Augenschäden führen. Ein Schutz vor diesen Wirkungen ist durch gekapselte Schalt-

anlagen möglich.

Der unmittelbar durch einen menschlichen oder tierischen Körper fließende Strom kann durch

folgende Einflüsse körperliche Schäden verursachen:

- Stromwärme

- Elektrolyse

- physiologische Wirkungen

Beim Berühren elektrischer Spannung kann im Körper ein elektrischer Strom fließen, der bei

ausreichender Stärke vorzugsweise an den Ein- und Austrittsstellen Verbrennungen hervor-

ruft. Daneben kann eine Schädigung durch thermische Wirkung auf der gesamten Strombahn

erfolgen. Die Verbrennungen an den Ein- und Austrittsstellen gehen meist tiefer, als es den

Anschein hat. Daher führen derartige Verbrennungen leicht zu Entzündungen und heilen

schlecht ab.

Durch die Gewebeverbrennung oder auch durch die elektrolytische Wirkung des Stromes

können Körpergifte entstehen, die selbst bei Gliedmaßen, die nur oberflächlich geschädigt zu

sein scheinen, eine Amputation notwendig werden lassen oder sogar noch nach Stunden zum

Tode führen können.

Das Nervensystem des Körpers transportiert die Information in Form von elektrischen Impul-

sen, deren Wiederholrate (0...200 1s ) der Stärke des Reizes entspricht. Durch Stromeinwir-

kung kann diese Reizleitung so gestört werden, dass das Wahrnehmungsvermögen (z.B. Tast-

sinn) herabgesetzt wird oder Lähmungen die Folge sind. Besonders schwerwiegend sind diese

Lähmungen, wenn sie die unwillkürlichen Bewegungen (z.B. Atem, Herz) betreffen.

Atemlähmungen können sehr lange anhalten, so dass eine sofort eingesetzte künstliche Beat-

mung erst nach einigen Stunden beendet werden darf. Besonders wenn das Herz in der

Strombahn gelegen hat, kann es zum Herzkammerflimmern kommen. Die Bewegung der

Herzmuskelfasern erfolgt dann nicht rhythmisch, wie im Normalfall, sondern ungeordnet.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 29

___________________________________________________________________________

Dabei kommt es zu keiner Pumpwirkung mehr. Als Erste Hilfe ist Herzmassage und

schnellstmögliche Einlieferung in ein Krankenhaus geboten. Besonders gefährlich ist der Um-

stand, dass sich die Muskeln unter Stromeinwirkung verkrampfen. Der mit Spannung in Be-

rührung Gekommene kann sich daher oftmals nicht selbst befreien. Speziell in dieser Situat-

ion ist bei der Bergung von Unfallverletzten darauf zu achten, dass man nicht selbst durch

elektrische Spannung gefährdet wird!

6.1.3.1 Gefahrengrenzen

Die eigentliche Gefahr ist nicht die vom Menschen überbrückte Spannung, sondern der

Strom, der durch den Körper fließt. Die Gefahrengrenze ist von der Körperkonstruktion, der

Strombahn und der Frequenz des Stromes abhängig. Dabei gelten für einen Frequenzbereich

von 0 bis 1000 Hz

- 100 mA als tödlich,

- 30 mA als gefährlich und

- 17 mA als gerade noch zulässig (bei einer erlaubten Berührungsspannung von 50 V)

Die Gefährdung hängt selbstverständlich auch von der Einwirkdauer des Stromes auf den

Menschen ab. In Abb. 6.2 sind die Wirkungsbereiche von Wechselströmen auf den Menschen

in doppel-logarithmischer Strom-Zeit-Abhängigkeit aufgrund von langjährigen Erfahrungen

bei Unfällen dargestellt:

Bereich 1 Der Strom von ungefährlicher Stärke kann gar nicht wahrgenommen werden.

Bereich 2 Der Strom ist schon spürbar und führt zu Reaktionen, die noch keine Gesund-

heitsgefährdung bedingen. Nach einer Reaktionszeit von 300 ms kann man

sich selbst befreien (Bereich 2b).

Bereich 3 Es besteht noch keine unmittelbare tödliche Gefahr, aber es muss mit Gesund-

heitsgefährdung (z.B. Reizleitungsstörung, Blutdruckerhöhung) gerechnet

werden. Eine Befreiung aus eigener Kraft ist im Bereich 3 nicht mehr mög-

lich.

Bereich 4 Hier beginnt die unmittelbare tödliche Gefahr.

Bereich 5 Jeder zweite Unfall endet wahrscheinlich tödlich.

30 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Die oberen Grenzen der einzelnen Bereiche kann man mit Wahrnehmungsgrenze (1),

Loslassgrenze (2 bzw. 2b), äußerste Sicherheitsgrenze (3) und Grenze der akuten Todesgefahr

(4) bezeichnen.

In Bezug auf die Frequenzabhängigkeit der Gefahrengrenze ist der Bereich (gebräuchlicher

technischer Wechselströme) von 15 bis 200 Hz am gefährlichsten, da hier die Nervenfunktion

am stärksten beeinflusst wird; Gleichstrom ist etwas weniger gefährlich.

Ab Frequenzen oberhalb 1 kHz nehmen die schädlichen physiologischen Stromwirkungen mit

steigender Frequenz so stark ab, dass im MHz-Bereich Stromstärken, die schon zu einer nen-

nenswerten Erwärmung der stromdurchflossenen Körperteile führen, gefahrlos vertragen wer-

den. Bei der so genannten Diathermie wird dieser Effekt medizinisch genutzt.

Abb. 6.2: Wirkungsbereiche technischer Wechselströme auf den Menschen

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 31

___________________________________________________________________________

Wird vom Menschen eine Spannung überbrückt, so ist die Höhe des Stromes von der Berüh-

rungsspannung BU (siehe Kap. 6.1.1) und dem Körperwiderstand KR zwischen den Berüh-

rungspunkten abhängig. Der Körperwiderstand ist nicht nur eine Funktion des Körperbaus,

sondern hängt außerdem noch von der Spannung und dem Zustand der Berührungsflächen

(trocken oder feucht usw.) ab. Prinzipiell ist also keine eindeutige Gefahrengrenze bezüglich

der Berührungsspannung angebbar. Trotzdem wurde, um den Forderungen der Praxis entge-

genzukommen, nach VDE eine zulässige maximale Berührungsspannung von 50 V für Men-

schen definiert. Bei einem Körperwiderstand von 3000 Ω (Mittelwert des Körperwiderstandes

bei normaler Umgebung zwischen Hand und Fuß - Herz in der Strombahn!) ergibt sich dabei

ein Berührungsstrom von ca. 17 mA.

Unter besonderen Umständen, bei denen der Körperwiderstand sicher kleiner ist (feuchte

Haut, großflächige Berührung) werden noch kleinere Spannungswerte vorgeschrieben.

6.1.4 Berührungsspannung, Schrittspannung

Abb. 6.3: Fehlersituation im geerdeten Netz ohne wirksame Schutzmaßnahme

Die Beispiele in Abb. 6.3 und 6.4 zeigen die Gefährdung durch defekte Geräte ohne wirksame

Schutzmaßnahme: Infolge eines Isolationsfehlers stehen die der Berührung zugänglichen leit-

fähigen Gehäuse des Motors und der Stehlampe unter Spannung. Der über eine gegebene Feh-

lerstelle fließende Strom wird nach VDE 0100 als Fehlerstrom FI bezeichnet. In den beiden

32 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abbildungen fließt ein Strom durch den Körper des Menschen, der das Gehäuse berührt zu

dem leitend mit der Erde verbundenen Fußboden bzw. dem gleichzeitig berührten Wasser-

hahn. Dieser Fehlerstrom durch den Menschen wird durch die treibende Netzspannung und

sämtliche Widerstände (ΣR) in dem durch den Menschen geschlossenen Stromkreis bestimmt.

Um auf die Gefahr für den Menschen hinzuweisen, wird der Teil des Fehlerstromes, der durch

den Menschen fließt, als Berührungsstrom BI bezeichnet (getrieben durch die Berührungs-

spannung BU ).

In den Abb. 6.3 und 6.4 sind der Fehlerstrom und der Berührungsstrom identisch. Würde in

diesen Fällen allerdings das metallisch leitende Gehäuse über einen Schutzleiter geerdet, so

würde der Fehlerstrom über den Schutzleiter und parallel dazu über den Menschen fließen.

Der Berührungsstrom wäre dann ein kleiner Teil des Fehlerstromes.

In Niederspannungsnetzen berücksichtigt man i. Allg. nur die ohmschen Widerstände. Die im

Fehlerstromkreis liegenden Widerstände (nicht alle im Schaltbild eingetragen) sind:

- Widerstand der Netzzuleitung LR und des Transformators TR (beide sehr klein) und

meist zusammengefasst in LR

- Widerstand des Fehlers, z.B. Gehäuseschluss, FR (je nach Art des Fehlers, häufig zu

Null gesetzt)

- Körperwiderstand des Menschen KR (mit ca. 3 kΩ zu berücksichtigen)

- Übergangswiderstand des Standortes STR (je nach Art des Fußbodens usw.)

- Erdungswiderstand des Netzes (Betriebserdung BR und Anlagenerdung AR )

Abb. 6.4: Fehlersituation im geerdeten Netz ohne wirksame Schutzmaßnahme

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 33

___________________________________________________________________________

Mit der Sternspannung 3U des Netzes ergeben sich hier der Fehlerstrom FI und (nach der

Spannungsteilerregel) die Berührungsspannung BU :

3F

UI

R

3K

B F K

RU I R U

R

Anmerkung:

Wenn das Gehäuse an einen Erder oder einen geerdeten Netzleiter ange-

schlossen ist (Schutzmaßnahme), wird die Berechnung der Berührungsspan-

nung evtl. komplizierter als im obigen Beispiel. Es empfiehlt sich dann

i. Allg., zunächst ein entsprechendes Ersatzschaltbild aufzustellen.

Abb. 6.5: Berührungsspannung, Fehlerspannung und Standortwiderstand

Es kann – wie z.B. in Abb. 6.5 durch einen gut isolierenden Bodenbelag - vorkommen, dass

der Übergangswiderstand STR so groß ist, dass auch bei der Berührung eines leitenden span-

nungsführenden Teiles die Berührungsspannung sehr klein bleibt. Solange man aber eine Iso-

lierung des Standortes nicht durch besondere Maßnahmen sicherstellt, muss man grundsätz-

lich mit einer leitenden Verbindung zwischen Fußboden und Erde rechnen. Bei Zementfuß-

böden, in feuchten Räumen oder wenn in oder auf Wänden oder Böden Rohre oder Stahlkon-

34 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

struktionen des Gehäuses vorhanden sind, ist mit besonders kleinen Übergangswiderständen

zu rechnen.

Abb. 6.6: Potentialverlauf an der Erdoberfläche in der Umgebung eines stromdurch-

flossenen (Stab-) Erders

Bei einigen der später erläuterten Schutzmaßnahmen werden "Erder" (siehe Kap. 6.1.1) benö-

tigt. Wenn ein Erder gut leitend mit dem Gehäuse eines Gerätes verbunden ist, so liegt im

Falle eines Gehäuseschlusses die Netzspannung sowohl am Gehäuse als auch am Erder

( Y EU U ), und es fließt ein entsprechender Strom in den Erder. Der Erder selbst und das ihn

umgebende Erdreich nimmt gegenüber der elektrisch unbeeinflussten Erde (in großer Entfer-

nung) eine Spannung an. Bei überall gleicher Leitfähigkeit des Erdbodens erhält man für das

Potential an der Erdoberfläche den in Abb. 6.6 gezeigten typischen Verlauf, den man auch als

Spannungs- oder Potentialtrichter bezeichnet. Ein Mensch kann daher in der Nähe eines

stromdurchflossenen Erders mit einem Bein auf einem höheren Potential stehen als mit dem

anderen. Zwischen den beiden Fußpunkten tritt also eine Spannung auf, die als Berührungs-

spannung einen Strom durch den Körper treibt und den Menschen möglicherweise gefährdet.

Als Schrittspannung wird nun diejenige Spannung bezeichnet, die ein Mensch mit einer

Schrittweite von 1 Meter überbrücken kann. Sie ist in unmittelbarer Nähe des Erders am größ-

ten. Ein Erder muss immer so bemessen werden, dass durch die maximal mögliche Schritt-

spannung keine Gefährdung eintritt (max. 50 V zulässig). Besonders gefährdet sind wegen

ihrer großen Schrittweite Großtiere wie Pferd und Rind. Zusätzlich liegt bei ihnen das Herz in

der Strombahn.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 35

___________________________________________________________________________

Für den Übergangswiderstand vom Erder zum unbeeinflussten Erdreich lässt sich ersatzweise

ein so genannter Erdungswiderstand ER definieren. Der bei einer bestimmten Erderspannung

EU (das ist die Potentialdifferenz zwischen Erder und dem unbeeinflussten Erdreich) vom

Erder in das Erdreich übertretende Strom EI berechnet sich zu:

EE

E

UI

R

Zur Messung dieses Widerstandes sind spezielle Messgeräte und Messverfahren entwickelt

worden.

Anmerkung: Im neuen Entwurf zur VDE 0100-200 wurde der Begriff „Gesamterdungswi-

derstand“ entfernt.

Stattdessen gibt es die „Impedanz gegen Bezugserde“ als Impedanz zwischen

einem bestimmten Punkt im Netz und Bezugserde. „Impedanz des Erdungs-

punktes gegen Bezugserde“ ersetzt also den „Gesamterdungswiderstand“.

6.1.5 Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag

Die Grundregel des Schutzes gegen den elektrischen Schlag nach IEC 61140 besteht darin,

dass gefährliche aktive Teile nicht erreichbar sein dürfen und erreichbare leitfähige Teile we-

der unter normalen Bedingungen noch unter Einfehlerbedingungen gefährlich aktiv werden

dürfen.

Art und Umfang der vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen richten sich nach der Höhe der

verwendeten Betriebsspannung und der Umgebung, in der sie angewendet werden. Für

Niederspannungsnetze bis 1000 V sind die in VDE 0100 beschriebenen Schutzmaßnahmen

anzuwenden. Es steht den Energieversorgungsunternehmen (EVU) jedoch frei, für ihr Ver-

sorgungsgebiet schärfere Schutzbestimmungen zu erlassen, insbesondere bestimmte Schutz-

maßnahmen zu verbieten oder vorzuschreiben.

Allgemein besteht eine Schutzmaßnahme immer aus einer geeigneten Kombination der fol-

genden zwei voneinander unabhängigen Schutzvorkehrungen:

36 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Basisschutz Schutz gegen elektrischen Schlag, wenn keine Fehlerzustände vorliegen.

Früher als „Schutz gegen direktes Berühren“ bezeichnet.

Fehlerschutz Schutz gegen elektrischen Schlag unter den Bedingungen eines Einzel-

fehlers. Früher als „Schutz gegen indirektes Berühren“ bezeichnet.

Die Norm erlaubt stattdessen auch eine so genannte verstärkte Schutzvorkehrung. So wird

eine Schutzvorkehrung bezeichnet, die gleichzeitig sowohl Basis- als auch Fehlerschutz lie-

fert.

Es sind folgende Schutzmaßnahmen gegen den elektrischen Schlag erlaubt:

- Abschalten der Netzzuleitung innerhalb ausreichend schneller Zeit, wenn der Fehler

zu gefährlichen Körperströmen führt (Schutz durch automatische Abschaltung der

Stromversorgung).

- Eine so sorgfältige Isolierung, dass sowohl im Betrieb als auch im Fehlerfall keine ge-

fährlichen Körperströme auftreten (Schutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung).

- Erdfreier Betrieb des Systems (Schutz durch Schutztrennung für die Versorgung eines

Verbrauchsmittels).

- Wahl einer so kleinen Betriebsspannung, dass das Auftreten gefährlicher Körperströ-

me nicht möglich ist (Schutz durch Kleinspannungen).

6.1.6 Schutz durch automatisches Abschalten der Stromver-sorgung

6.1.6.1 Allgemeines

Diese in diesem Abschnitt geschilderten Schutzmaßnahmen gehen von den drei typischen

Netz-Grundformen (TN-, TT- und IT-Netz, vgl. Kap. 6.1.2) aus. Neben den allgemeinen Be-

stimmungen für Basis- und Fehlerschutz gibt es speziell für diese Netzformen weitere Anfor-

derungen.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 37

___________________________________________________________________________

6.1.6.2 Anforderungen für den Basisschutz

Alle aktiven Teile müssen mit einer Isolierung abgedeckt sein. Diese Basisisolierung dient

zum Schutz gegen den elektrischen Schlag und ist zu unterscheiden von einer Isolierung, die

ausschließlich der Funktion eines Teiles dient.

Die Basisisolierung muss

- die aktiven Teile vollständig umgeben

- den im Betrieb auftretenden Beanspruchungen (mechanisch, elektrisch, thermisch,

chemisch,...) standhalten

- nur durch Zerstörung entfernt werden können

Anstelle einer Isolierung kann der Basisschutz auch durch Abdeckungen oder Umhüllungen

hergestellt werden.

Diese müssen mindestens der Schutzart IPXXB oder IP2X (die Schutzarten werden durch so

genannte „IP-Codes“ gemäß IEC 60529 gekennzeichnet) entsprechen, d.h. Öffnungen sind so

klein zu bemessen, dass ein Finger bzw. ein Gegenstand mit einem Durchmesser von mehr als

12,5 mm nicht eindringen kann. Außerdem dürfen diese Abdeckungen und Umhüllungen nur

durch ein Werkzeug oder einen Schlüssel oder nach Abschalten der Versorgung der aktiven

Teile zu entfernen sein.

6.1.6.3 Anforderungen für den Fehlerschutz

Der Fehlerschutz kann aus einem Schutzpotentialausgleich, einer automatischen Abschaltung

im Fehlerfall und ggf. aus einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) bestehen.

Schutzpotentialausgleich

Bei jedem Hausanschluss ist für diese Schutzvorkehrung der so genannte Hauptpotentialaus-

gleich vorgeschrieben. Darunter ist die Verbindung folgender leitfähiger Teile (soweit vor-

handen) zu verstehen:

- Haupterdungsschiene (vom Erder kommend),

- Blitzschutzerder,

38 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

- Hauptwasserrohre (nach der Hauseinführung in Fließrichtung hinter dem ersten Sperr-

ventil),

- Hauptgasrohre (vgl. Wasserrohre),

- weiter leitende Rohrsysteme (von Heizungs- oder Klimaanlagen) und Metallteile der

Gebäudekonstruktion soweit möglich (z.B. Stahlgerüste, Fahrstuhlkonstruktionen

usw.)

Solche leitfähigen Teile, die ihren Ursprung außerhalb des Gebäudes haben, müssen so nahe

wie möglich an der Eintrittsstelle miteinander verbunden sein.

Leiter, welche die oben genannten Teile verbinden, heißen Schutzpotentialausgleichsleiter.

Der Schutzpotentialausgleichsleiter soll einen Querschnitt nicht geringer als

- 6 mm² Kupfer

- 16 mm² Aluminium

- 50 mm² Stahl

besitzen.

Der Schutzleiter ist nicht zu verwechseln mit dem Schutzpotentialausgleichsleiter. Der

Schutzleiter verbindet bei dieser Schutzvorkehrung in TN-, TT- und IT-Systemen alle Körper

(z.B. Metallgehäuse) untereinander, die sich in der durch diese Schutzmaßnahme geschützten

Anlage befinden.

Gleichzeitig zugängliche Körper müssen mit demselben Erdungssystem verbunden werden,

weil sich sonst bei zwei Fehlern in unterschiedlichen Phasen eines Drehstromnetzes aus zwei

zulässigen Berührungsspannungen von jeweils 50 V eine Spannung zwischen diesen Körpern

von 3 50V 86V ergeben könnte.

Für den Querschnitt eines Schutzleiters gelten nach VDE 0100-543 folgende Voraussetzun-

gen:

Querschnitt S des Außenleiters Mindestquerschnitt des entsprechen-

den Schutzleiters 2S 16mm S

2 216mm S 35mm 216mm 2S 35mm S/ 2

Tab. 6.7: Mindestquerschnitte von Schutzleitern

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 39

___________________________________________________________________________

Beide Leiter sind für den Schutzpotentialausgleich vorgeschrieben. Ihre Verbindung unterei-

nander bzw. die Erdung des Schutzleiters ist von der Netzform abhängig und wird eingehend

in den nächsten Abschnitten beschrieben.

Automatische Abschaltung im Fehlerfall

Im Falle eines Fehlers mit vernachlässigbarer Impedanz zwischen einem Außenleiter und dem

Schutzleiter des Stromkreises, einem Körper oder dessen Schutzleiter, muss die Stromversor-

gung innerhalb der in Tab. 6.8 angegebenen Zeit abgeschaltet werden. Hierzu werden in der

Praxis häufig die in Kap. 6.1.12.1 beschriebenen Überstrom-Schutzeinrichtungen benutzt.

Eine solche Abschaltung ist nicht erforderlich, wenn bei Auftreten eines Fehlers stattdessen

die Ausgangsspannung der Stromquelle auf weniger als AC 50 V oder DC 120 V herabgesetzt

wird.

Kann eine Abschaltung innerhalb der in Tab. 6.8 genannten Zeit nicht erreicht werden, muss

ein zusätzlicher Schutzpotentialausgleich (siehe Kap. 6.1.10) vorgesehen werden.

System 050V U 120V 0120V U 230V 0230V U 400V 0U 400V

TN 0,8 s 0,4 s 0,2 s 0,1 s

TT 0,3 s 0,2 s 0,07 s 0,04 s

Tab. 6.8: Maximale Schaltzeiten von Überstromschutzeinrichtungen in TN- und TT-

Netzen

Zusätzlicher Schutz

In Wechselspannungssystemen mit einem Bemessungsstrom bis 20A (in Wohnhäusern liegt

der Bemessungsstrom üblicherweise bei 16A), die für die Benutzung durch Laien bestimmt

sind, ist ein zusätzlicher Schutz durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD, siehe Kap.

6.1.12.2) vorgeschrieben.

Ein Laie ist eine Person, die keine Elektrofachkraft oder eine elektrotechnisch unterwiesene

Person ist.

40 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

6.1.6.4 Automatisches Abschalten bei TN-Systemen

Unmittelbar am speisenden Transformator ist das Netz (üblicherweise mit dem Sternpunkt)

geerdet. Im TN-System werden alle Körper über einen Schutzleiter an die Haupterdungs-

schiene angeschlossen. Diese wird ebenfalls durch einen Schutzleiter mit dem Erdungspunkt

des Versorgungssystems verbunden.

Unter bestimmten Bedingungen (genügender Querschnitt) kann anstelle eines Schutzleiters

bei fest installierten Anlagen auch ein kombinierter Schutz- und Neutralleiter verwendet wer-

den. Dieser kombinierte Leiter wird PEN-Leiter genannt. Sein Querschnitt muss aus mechani-

schen Gründen einen Querschnitt von mindestens 10 mm² Cu oder 16 mm² Al besitzen.

Der PEN-Leiter sollte zusätzlich zur Erdung an der Transformator-Station mit allen im Be-

reich des Netzes vorhandenen guten Erdern und mit allen ausgedehnten metallischen Kon-

struktionen verbunden werden. Eventuell können zusätzliche Erdungspunkte erforderlich sein,

um im Fehlerfall zu gewährleisten, dass das Potential des PEN-Leiters möglichst wenig vom

Erdpotential abweicht.

Hinter der Auftrennung von PE- und N-Leiter, dürfen diese nicht wieder zusammengeführt

werden. Es ist jedoch erlaubt an eine PEN-Schiene, mehrere Schutz- und Neutralleiter anzu-

schließen.

Besonderer Wert ist auf die sorgfältige und bruchsichere Verlegung des Schutzleiters (PE)

und vor allem auch des PEN-Leiters zu legen, da hiervon die sichere Funktion der Schutzvor-

kehrung abhängt. So müssen Schutzleiter in geeigneter Weise gegen mechanische Beschädi-

gungen oder gegen chemische, elektrochemische, elektrodynamische und thermodynamische

Einflüsse geschützt sein. Sie müssen außerdem zum Besichtigen und Prüfen zugänglich sein.

In einem PE- als auch in einem PEN-Leiter dürfen sich keine Schalteinrichtungen befinden,

das schließt Überstrom-Schutzeinrichtungen, Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) und

Spulen zur Überwachung der Erdung mit ein. Dementsprechend ist in TN-C-Systemen die

Benutzung von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) gänzlich untersagt, in TN-C-S-

Systemen muss darauf geachtet werden, dass

- auf der Lastseite der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) kein PEN-Leiter ange-

schlossen ist.

- die Verbindung zwischen PE- und N-Leiter auf der Versorgungsseite hergestellt wird.

In der Praxis bedeutet dies, dass sich die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) nur im reinen

N-Leiter befinden darf, also in dem Teil des Netzes, in welchem PE- und N-Leiter getrennt

liegen („S-Teil“ des TN-C-S Netzes).

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 41

___________________________________________________________________________

Die besondere Gefahr, die im TN-C-Netz bei Verwendung eines gemeinsamen Neutral- und

Schutzleiters herrscht, ist in Abb. 6.7 dargestellt. Wenn der PEN-Leiter nach seiner letzten

Erdung durch einen Defekt unterbrochen wird oder auch nur einen hohen Übergangswider-

stand bekommt, liegt an dem abgetrennten Leiterstück über einem eingeschalteten Verbrau-

cher die Netzspannung an. Da bei dieser Schutzmaßnahme die Gehäuse über den PEN-Leiter

verbunden sind, liegen diese ebenfalls an Netzspannung und sind der Berührung zugänglich.

Somit entsteht ohne einen Gerätefehler eine unzulässig hohe Berührungsspannung, die nicht

abgeschaltet wird. Aus diesem Grund gelten die oben genannten Anforderungen an den Quer-

schnitt und die Beschränkung bei fest installierten Anlagen.

Abb. 6.7: Gefahr durch Bruch des PEN-Leiters

Bemerkung: Häufig ist in älteren Installationsanlagen folgende Schaltung zu finden. Eine

Schutzkontaktsteckdose ist mit nur zwei Leitern (Querschnitt i. Allg. 1,5 mm²)

an einen Außenleiter (L) und den Neutralleiter (N) angeschlossen. Als Quasi-

Schutzmaßnahme wird der Schutzkontakt mit dem Neutralleiteranschluss ver-

bunden.

Diese Schaltung wird als „verbotene Nullung“ bezeichnet und ist eindeutig

unzulässig, da die Bedingungen an einen PEN-Leiter nicht erfüllt sind. Bei

ihrer Verwendung besteht die oben genannte Gefahr!

42 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

In TN-Systemen dürfen für den Fehlerschutz

- Überstrom-Schutzeinrichtungen, und

- Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)

verwendet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Impedanzen des Stromkreises und die

Kennwerte dieser Einrichtungen, folgende Bedingung erfüllen:

0s aZ I U

sZ : Die Impedanz der Fehlerschleife in Ohm, bestehend aus

- der Stromquelle,

- dem Außenleiter bis zum Fehlerort, und

- dem Schutzleiter zwischen dem Fehlerort und der Stromquelle.

aI : Der Strom in Ampere, der das automatische Abschalten der Abschalteeinrichtung (Si-

cherung) innerhalb der in Tab. 6.8 angegebenen Zeit bewirkt. Bei Verwendung einer

Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) wird dieser Strom Bemessungsdifferenzenstrom

NI genannt.

0U : Die Nennspannung gegen Erde in Volt.

Spezielle Anforderungen an Überstrom-Schutzeinrichtungen

Überstrom-Schutzeinrichtungen schalten häufig nur die Außenleiter, nicht aber die Neutrallei-

ter. Dementsprechend ist in jedem Außenleiter eine Überstromerfassung vorgeschrieben. Ist

der Querschnitt des Neutralleiters geringer als der der Außenleiter, ist eine Überstromerfas-

sung im Neutralleiter vorzusehen, diese bewirkt dann allerdings eine Abschaltung des Außen-

leiters, nicht zwingendermaßen die des Neutralleiters.

Ist eine Abschaltung des Neutralleiters gefordert, so muss er

- beim Abschalten gleichzeitig mit oder nach den Außenleitern

- beim Wiedereinschalten gleichzeitig mit oder vor den Außenleitern

geschaltet werden.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 43

___________________________________________________________________________

Der Neutralleiter muss für jegliche Art des Kurzschlussstromes geschützt werden.

Anmerkung: Diese speziellen Anforderungen gelten sowohl für TN- als auch TT-Systeme

In Abb. 6.8 ist das Schutzprinzip einer Überstrom-Schutzeinrichtung anhand eines Isolations-

fehlers in der Phase L2 dargestellt. Der Widerstand FR des Gehäuseschlusses ist von der Feh-

lerart abhängig und beeinflusst die Höhe des Fehlerstromes FI . Dieser ruft am Widerstand NR

des Neutralleiters einen Spannungsabfall hervor, der als Berührungsspannung BU zwischen

Gehäuse und Erde abfällt. Erreicht dieser eine bestimmte durch die Bauart der Sicherung vor-

gegebene Größenordnung, dann ist der damit verbundene Fehlerstrom FI so groß, dass die

Sicherung Si in genügend kurzer Zeit anspricht.

Diese Schutzmaßnahme ist sehr verbreitet, weil sie einfach, kostengünstig und wirksam ist.

Abb. 6.8: TN-Netz mit Isolationsfehler (Gehäuseschluss)

6.1.6.5 Automatisches Abschalten bei TT-Systemen

Unmittelbar am speisenden Transformator muss dieser (üblicherweise mit dem Sternpunkt)

geerdet werden ( BR in Abb. 6.9).

Alle Körper, die durch die gleiche Schutzeinrichtung geschützt sind, werden über einen

Schutzleiter verbunden und an einen eigenen gemeinsamen Erder ( SR in Abb. 6.9) ange-

schlossen (vgl. TN-System: Schutzleiter an den Erder des Versorgungssystems angeschlos-

sen).

44 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Wie auch im TN-System ist für den Fehlerschutz die Verwendung von

- Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD), und

- Überstrom-Schutzeinrichtungen

erlaubt. Dabei wird wieder sowohl an die Impedanzen des Netzes als auch an die Kennwerte

der Abschaltvorrichtungen folgende Bedingung gestellt:

0s aZ I U

sZ : Die Impedanz der Fehlerschleife in Ohm, bestehend aus

- der Stromquelle,

- dem Außenleiter bis zum Fehlerort,

- dem Schutzleiter der Körper,

- dem Erdungsleiter,

- dem Anlagenerder, und

- dem Erder der Stromquelle.

aI : Der Strom in Ampere, der das automatische Abschalten der Abschalteeinrichtung (Siche-

rung) innerhalb der in Tab. 6.8 angegebenen Zeit bewirkt. Bei Verwendung einer Fehler-

strom-Schutzeinrichtung (RCD) wird dieser Strom Bemessungsdifferenzenstrom NI ge-

nannt.

0U : Die Nennspannung gegen Erde in Volt.

Wird eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) verwendet, muss zusätzlich folgende Bedin-

gung erfüllt sein:

50A NR I V

AR : die Summe der Widerstände des Erders und des Schutzleiters für die Körper in Ohm.

NI : der Bemessungsdifferenzenstrom der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD).

Die Impedanz sZ beschreibt in diesem Fall den Gesamtwiderstand des Fehlerstromkreises in

Abb. 6.9. Der Fehlerstrom für einen Gehäuseschluss in Abb. 6.9 beträgt:

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 45

___________________________________________________________________________

0

0

2 2

2 2 2

23044

5 1,5

F

S B L F L

UI

Z

U

R R R R X

VA

Abb. 6.9: Funktionsweise der Schutzmaßnahme im TT-Netz mit Sicherungen als

Auslöseorgane

Die zusätzliche Bedingung für Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) verhindert, dass im

Fehlerfall eine gefährliche Berührungsspannung 50BU V auftreten kann. Sollte eine Person

bei einem Gehäuseschluss das Gehäuse berühren, so liegt der Körperwiderstand KR parallel

zu den unter AR zusammengefassten Widerständen. Bei einem nach dieser Bedingung dimen-

sionierten Bemessungsdifferenzenstrom NI ist die Berührungsspannung BU also auf die ma-

ximal zulässige Berührungsspannung von 50 V begrenzt.

Es gelten zusätzlich die speziellen Anforderungen an Überstrom-Schutzeinrichtungen (siehe

Ende Kap. „TN-Systeme“)

46 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

In Abb. 6.9 beträgt die maximale Berührungsspannung

44 1 44B F AU I R A V

Man erkennt an den nicht eingeklammerten Werten, dass die Berührungsspannung sehr stark

vom Widerstand des Schutzleiters und des Erders der Körper abhängt. Bei einem Schutzlei-

terwiderstand RS von 3 Ω ergibt sich mit dem gleichen Rechenverfahren, wie oben beschrie-

ben, eine Berührungsspannung von 96 V. Der Erder muss folglich einen möglichst kleinen

Widerstand besitzen. In der VDE sind Mindestmaße für Erder in Abhängigkeit von z.B. Mate-

rial, Form und Beschichtung angegeben, um dies zu gewährleisten.

6.1.6.6 Automatisches Abschalten bei IT-Systemen

Im IT-System müssen die aktiven Teile des Netzes gegen Erde isoliert oder über einen hohen

Widerstand im (evtl. künstlichen) Neutralpunkt geerdet werden.

Die Körper müssen einzeln, gemeinsam oder gruppenweise über einen Schutzleiter verbunden

und über diesen geerdet werden. Diese Maßnahme muss die Bedingung

50A dR I V

erfüllen. Dabei ist

AR : die Summe der Widerstände des Erders und des Schutzleiters der Körper in Ohm,

dI : der Fehlerstrom in Ampere beim ersten Fehler vernachlässigbarer Impedanz zwischen

einem Außenleiter und einem Körper.

In IT-Systemen dürfen die folgenden Überwachungs- und Schutzeinrichtungen verwendet

werden:

- Isolationsüberwachungseinrichtungen

- Isolationsfehler-Ortungssysteme

- Überstrom-Schutzeinrichtungen

- Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 47

___________________________________________________________________________

Tritt nun ein Fehler zwischen einem Außenleiter und einem Körper auf, so wird der entspre-

chende Außenleiter über den Schutzleiter des Körpers geerdet und somit sein Potential und

das der anderen gegenüber Erde festgelegt.

Es tritt durch die Isolation bzw. hochohmige Erdung des Netzes nur ein geringer Fehlerstrom

auf. Daher ist eine Abschaltung zunächst nicht erforderlich.

Sollte in diesem Fall aus Gründen der Aufrechterhaltung die Stromversorgung nicht abge-

schaltet werden, muss einen Isolationsüberwachungseinrichtung (siehe Kap. 6.1.12.3) vorge-

sehen sein, die das Auftreten eines ersten Fehlers zwischen einem Außenleiter und einem

Körper anzeigt. Diese muss ein hörbares und/oder sichtbares Signal auslösen. Sollten beide

Signale bestehen, kann das hörbare Signal gelöscht werden, das sichtbare Signal muss jedoch

bestehen bleiben, bis der Fehler behoben ist.

6.1.7 Schutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung

6.1.7.1 Allgemeines

Bei dieser Schutzmaßnahme ist der Basisschutz durch eine Basisisolierung (siehe Kap. 6.1.5)

und der Fehlerschutz durch eine zusätzliche Isolierung zwischen aktiven und zugänglichen

Teilen vorgesehen. Beide Isolierungen zusammen bilden die so genannte „doppelte Isolie-

rung“. Stattdessen kann auch eine verstärkte Isolierung wie in Abb. 6.10 verwendet werden.

Das ist eine einzelne Isolierung, die im gleichen Maße Schutz wie die doppelte Isolierung

bietet.

Da die Schutzisolierung als eine selbständige Maßnahme gilt, muss gewährleistet sein, dass

an der so geschützten Anlage keine Änderungen vorgenommen werden können, die diesen

Schutz beeinträchtigen oder außer Kraft setzen. Sie darf deshalb nicht in Stromkreisen ange-

wendet werden, welche Steckdosen enthalten, oder in denen Benutzer ohne Berechtigung Be-

triebsmittel austauschen können.

6.1.7.2 Anforderungen für den Basis- und Fehlerschutz

An die Betriebsmittel in dieser Schutzmaßnahme sind allgemeine Forderungen an die Isolie-

rung gestellt:

- Deckel und Türen dürfen nur durch Werkzeuge zu öffnen sein.

48 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

- Leitfähige Teile innerhalb einer isolierenden Umhüllung dürfen nicht mit einem

Schutzleiter verbunden sein. Es dürfen jedoch Schutzleiteranschlüsse für andere Be-

triebsmittel innerhalb der Umhüllung vorgesehen sein. Diese müssen jedoch wie akti-

ve Teile isoliert und als PE-Anschlussklemmen gekennzeichnet sein.

Des Weiteren ist für jedes Betriebsmittel eine der folgenden Bedingungen einzuhalten:

1. Das Betriebsmittel muss mit doppelter oder verstärkter Isolierung versehen sein, und

der Schutzklasse II entsprechen. Solche Geräte sind mit dem Zeichen [ ] gekenn-

zeichnet. Musterbeispiele dieser Schutzart sind viele Elektrokleingeräte. Bohrmaschi-

nen erhalten z.B. ein schlagfestes Kunststoffgehäuse. Um vom Metall des Motors bei

einem Fehler in der Basisisolation (Lackisolierung der Motorwicklung) keine Span-

nung nach außen zum Bohrfutter zu verschleppen, werden ein oder zwei Zahnräder

des Zwischengetriebes aus isolierendem Kunststoff gefertigt.

2. Betriebsmittel, die nur eine Basisisolierung besitzen, müssen eine zusätzliche Isolie-

rung erhalten, die während des Errichtens angebracht wird.

3. Betriebsmittel, die weder eine Basis- noch eine zusätzliche Isolierung besitzen, müs-

sen eine verstärkte Isolierung erhalten, die während des Errichtens angebracht wird.

Die in 2 und 3 beschriebenen Betriebsmittel sind sichtbar an der Außen- und Innenseite mit

dem Zeichen [ ] zu kennzeichnen. Bei ihnen ist außerdem darauf zu achten, dass durch die

isolierende Umhüllung keine leitfähigen Teile geführt werden, die diese Schutzmaßnahme

beeinträchtigen können. Des Weiteren darf diese Umhüllung keine isolierenden Schrauben

enthalten, deren Ersatz durch Metallschrauben die Isolierung beeinträchtigen würde.

Abb. 6.10: Schutzisolierung eines Betriebsmittels

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 49

___________________________________________________________________________

6.1.8 Schutz durch Schutztrennung

6.1.8.1 Allgemeines

In den meisten verwendeten Netzen ist der Neutralleiter geerdet. Die Berührung eines Außen-

leiters oder damit verbundener Teile bedeutet dann immer eine Gefährdung. Verwendet man

nun einen dafür vorgesehenen Trenntransformator in der Schaltung nach Abb. 6.11, so sind

sämtliche Leiter des sekundären Netzes potentialmäßig nicht festgelegt. Eine Berührung be-

deutet dann nur eine Potentialverbindung über den Körperwiderstand zwischen Sekundärnetz

und Erde. Da durch diese Berührung kein geschlossener Stromkreis entsteht, kann auch kein

Fehlerstrom über den Körper fließen. Die Berührung eines Leiters oder eines Gehäuses im

Fehlerfall ist daher ungefährlich. Das Berühren von zwei Leitern gleichzeitig oder das Berüh-

ren eines Leiters, wenn ein anderer Leiter Erdschluss erhalten hat, ist jedoch gefährlich. Eine

vergleichbare Problematik entsteht, wenn ein Wechselspannungsnetz durch zu lange Leitun-

gen kapazitiv mit der Erde verbunden ist (vgl. Vorlesung E2/SM6).

Eine (unbemerkte) Erdung des Sekundärnetzes würde also die Wirkung der Schutztrennung

aufheben. Um diese Gefahr zu vermeiden, darf an eine ungeerdete Stromquelle normalerweise

nur ein Verbrauchsmittel angeschlossen werden. In Ausnahmefällen ist es erlaubt mehrere

Verbrauchsmittel an eine oben beschriebene Stromquelle anzuschließen, allerdings gelten

hierfür spezielle Anforderungen.

Abb. 6.11: Schutzmaßnahme Schutztrennung

50 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

6.1.8.2 Anforderungen für den Basisschutz

Jedes Betriebsmittel muss

- eine Basisisolierung (siehe Kap. 6.1.5) besitzen, oder

- die Anforderungen eines elektrischen Betriebsmittels nach Kap. 6.1.6 erfüllen.

6.1.8.3 Anforderungen für den Fehlerschutz

Da die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahme von der elektrischen Trennung des Stromkreises

abhängt, gibt es für jeden Teil des Stromkreises (Versorger, Leitungen und Kabel, Betriebs-

mittel) gesonderte Anforderungen:

Versorger

Der Stromkreis, in dem Schutztrennung als Schutzmaßnahme verwendet wird, muss von einer

Stromquelle mit mindestens einfacher Trennung versorgt werden. Die hierfür zugelassenen

Transformatoren werden durch das Zeichen [ ] gekennzeichnet.

Betriebsmittel

Keines der aktiven Teile des Stromkreises darf an irgendeinem Punkt mit einem anderen

Stromkreis, Erde oder einem Schutzleiter verbunden werden. Die gleiche Bedingung gilt für

die Körper des Stromkreises. Zwischen verschiedenen Stromkreisen muss eine Basisisolie-

rung (siehe Kap. 6.1.5) bestehen.

Anmerkung: Sollten die Körper des Stromkreises mit der Schutztrennung zufällig oder ab-

sichtlich mit Körpern anderer Stromkreise in Berührung kommen, hängt der

Schutz nicht mehr ausschließlich von der Schutztrennung, sondern zusätzlich

von den Schutzvorkehrungen für die Körper der anderen Stromkreise ab.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 51

___________________________________________________________________________

Kabel und Leitungen

Es wird empfohlen die Leiter für Stromkreise mit Schutztrennung getrennt von anderen Lei-

tern zu verlegen. Wenn dies nicht möglich ist, müssen mehradrige Kabel ohne metallische

Umhüllung oder isolierte Leiter in isolierenden Elektroinstallationsrohren verwendet werden.

Um mechanische Beschädigungen sofort erkennen zu können, müssen bewegliche Kabel und

Anschlussleitungen über ihre gesamte Länge sichtbar sein.

6.1.9 Schutz durch Kleinspannungen

6.1.9.1 Allgemeines

Bei dieser Schutzmaßnahme werden Betriebsspannungen verwendet, die unterhalb der zuläs-

sigen Berührungsspannungen von 50 V AC liegen. Kleinspannungen werden überall dort an-

gewandt, wo ein erhöhter Schutz gegen zu hohe Berührungsspannungen gefordert wird oder

wo ein zufälliges oder betriebsmäßiges Berühren von aktiven Teilen gefahrlos sein muss. Ty-

pische Anwendungsbeispiele sind Handlampen in Kesseln, Behältern und Rohrleitungen aus

gut leitenden Materialien, Backofen- und Fassausleuchten, Haarbehandlungsgeräte und elekt-

rische Spielzeuge (Eisenbahnen).

Kleinspannungen werden als ELV (engl.: extra-low voltage) bezeichnet. Dabei ist zu unter-

scheiden zwischen SELV (safety ELV) und PELV (protective ELV). Der Unterschied zwi-

schen beiden besteht darin, dass SELV gegen Erde isoliert ist und PELV geerdet wird.

6.1.9.2 Anforderungen für den Basis- und Fehlerschutz

Der Basis- und Fehlerschutz in SELV- und PELV-Systemen ist erfüllt, wenn folgende Bedin-

gungen erfüllt sind:

Obere Grenze der Nennspannung

Die Nennspannung darf 50 V AC nicht überschreiten.

52 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Stromquellen für SELV und PELV

Bei dieser Schutzmaßnahme ist es wichtig, dass der durch die Kleinspannung geschützte

Stromkreis nicht mit anderen Stromkreisen verbunden wird. Deswegen müssen Transformato-

ren eine galvanische Trennung zwischen dem Kleinspannungsnetz und einem Netz höherer

Spannung aufweisen. Durch keine Schaltmaßnahme darf eine Spannung über 50 V AC zu

erzielen sein.

Die Kleinspannungserzeuger müssen entweder kurzschlussfest oder mit einer Überstromaus-

lösung versehen sein, die eine thermische Überlastung verhindert. Sonst könnte bei Überlast

eine Zerstörung der Isolation eintreten, die zu einer leitenden Verbindung zwischen Primär-

und Sekundärkreis führen kann. Als Spannungsquellen sind Sicherheitstransformatoren nach

VDE 0551 [ ] zugelassen oder andere Stromquellen, die diese Anforderungen erfüllen.

Es sind auch Batterien und dieselgetriebene Motorgeneratoren als Spannungsquelle erlaubt,

da diese unabhängig von einem Stromkreis höherer Spannung sind.

Ortsveränderliche Stromquellen, die mit Niederspannung versorgt werden, müssen den An-

forderungen nach Kap. 6.1.7.2 entsprechen.

Stromkreise mit SELV und PELV

In SELV- und PELV-Stromkreisen muss zwischen aktiven Teilen und

- aktiven Teilen anderer SELV- und PELV-Stromkreise eine Basisisolierung

- aktiven Teilen anderer Stromkreise eine doppelte oder verstärkte Isolierung

vorgesehen sein.

SELV-Stromkreise müssen zwischen Erde und aktiven Teilen eine Basisisolierung aufweisen.

PELV-Stromkreise hingegen werden über eine Verbindung mit Erde oder über einen geerde-

ten Schutzleiter an der Stromquelle selbst geerdet.

Die Betriebsmittel bei dieser Schutzmaßnahme müssen, wenn sie eine Nennspannung größer

als 25 V AC aufweisen oder in Wasser eingetaucht sind, eine Isolierung, Abdeckung oder

Umhüllung entsprechend Kap. 6.1.6 besitzen.

Unter trockenen Bedingungen, wenn die Nennspannung unterhalb von 25 V AC liegt und

wenn im Falle eines PELV-Stromkreises alle Körper und/oder aktiven Teile über einen

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 53

___________________________________________________________________________

Schutzleiter verbunden sind, ist eine der oben beschriebenen Isolierungen nicht notwendig

(z.B. Schienen bei Spielzeugeisenbahnen).

Liegt die Nennspannung des Stromkreises sogar unterhalb von 12 V AC, kann in allen Fällen

(also auch bei nichtvorhandenem Schutzleiter und PELV) auf eine solche Isolierung verzich-

tet werden.

Auch die Leiter müssen bei dieser Schutzmaßnahme gesonderten Anforderungen (siehe DIN

VDE 0100 Teil 410 Abschnitt 414.4) entsprechen, auf die hier nicht weiter eingegangen wer-

den soll. Am sichersten ist es jedoch, die Leiter des Kleinspannungsstromkreises räumlich

getrennt von den Leitern anderer Stromkreise höherer Spannung zu verlegen.

Zusätzlich dürfen Stecker und Steckdosen von Kleinspannungssystemen nicht mit entspre-

chenden Teilen anderer Spannungssysteme benutzt werden können. Außerdem darf in Steck-

dosen von SELV-Stromkreisen kein Schutzleiterkontakt vorhanden sein.

Anmerkung: Wie auch bei der Schutztrennung gilt: Sollten die Körper des SELV-

Stromkreises mit der Kleinspannung zufällig oder absichtlich mit Körpern

anderer Stromkreise in Berührung kommen, hängt der Schutz nicht mehr aus-

schließlich vom Schutz durch SELV, sondern zusätzlich von den Schutzvor-

kehrungen für die Körper der anderen Stromkreise ab.

6.1.9.3 FELV

FELV (functional ELV), im Deutschen auch als Funktionskleinspannung bezeichnet, liegt

vor, wenn die Nennspannung unterhalb von 50 V AC liegt, aber die Anforderungen für SELV

und PELV nicht eingehalten werden können oder aus Funktionsgründen nicht eingehalten

werden müssen. Es gelten Bestimmungen für eine den Basisschutz erfüllende Isolierung nach

Kap 6.1.6.2 und, entsprechend den beiden anderen Funktionskleinspannungen, Anforderun-

gen an Stecker und Steckdosen.

Solche Stromkreise sind üblicherweise über einen Schutzleiter an den Primärkreis ange-

schlossen, vorausgesetzt dieser erfüllt die Bedingungen für den „Schutz durch automatisches

Abschalten“. Daher steht FELV in der VDE 0100 auch nicht wie in diesem Skript hinter den

anderen Kleinspannungen, sondern im Teil „Schutz durch automatisches Abschalten“.

54 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

6.1.10 Zusätzlicher Schutz

Zusätzlich zu den in den Kapiteln 6.1.6 bis 6.1.9 beschriebenen Schutzmaßnahmen ist es un-

ter bestimmten Bedingungen möglich weitere zusätzliche Schutzvorkehrungen gegen den

elektrischen Schlag in eine vorhandene Schutzmaßnahme einzubauen.

Eine Möglichkeit besteht darin ein Fehlerstrom-Schutzschalter (RCD) einzubauen, auch

wenn dessen Benutzung nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Weiteren zusätzlichen Schutz kann der zusätzliche Schutzpotentialausgleich bieten. Für

diesen werden alle Körper von Betriebsmitteln und fremde leitfähige Teile über einen ent-

sprechenden Schutzpotentialausgleichsleiter verbunden. Dieser wird dann mit dem Schutzlei-

ter des Netzes verbunden.

Nähere Bestimmungen und Vorschriften sind in der VDE 0100 Teil 410 geregelt. Auf diese

soll im Rahmen dieses Skriptes nicht weiter eingegangen werden.

6.1.11 Schutzmaßnahmen unter fachlicher Beaufsichtigung

Der genaue Name dieses Abschnittes in der VDE 0100 lautet „Schutzmaßnahme zur Anwen-

dung nur, wenn die Anlage kontrolliert wird oder durch Elektrofachkräfte oder elektrotech-

nisch unterwiesene Personen überwacht wird“. Der Hintergrund hinter diesem Abschnitt ist

folgender: Bei einigen Schutzmaßnahmen besteht z.B. die Möglichkeit, dass diese durch ei-

nen Laien unbeabsichtigt so verändert werden können, dass sie unwirksam werden. Nichts-

destotrotz sind dies wirksame Schutzmaßnahmen gegen den elektrischen Schlag solange ihre

Eigenschaften unverändert bleiben. Sie bedürfen allerdings einer Überwachung, um eine volle

Funktionsfähigkeit gewährleisten zu können.

Wie auch in Kap. 6.1.10 wird hier nur auf die ungefähre Funktionsweise dieser Schutzmaß-

nahmen eingegangen. Die genauen Vorschriften sind in der VDE 0100 Teil 410 im Anhang C

zu finden und sind nicht Inhalt dieses Skriptes.

6.1.11.1 Nicht leitende Umgebung

In vorigen Kapiteln wurde gezeigt, dass der Fehlerstrom auch vom Übergangswiderstand des

Standorts abhängt. Im Wesentlichen besteht diese Schutzmaßnahme daher daraus, Fußböden

und Wände so zu isolieren, dass sie einen Widerstand von

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 55

___________________________________________________________________________

- 50 k bei einer Nennspannung kleiner als 500 V

- 100 k bei einer Nennspannung ab 500 V

aufweisen, ansonsten gelten sie als fremde leitfähige Teile.

Außerdem müssen Körper so angeordnet werden, dass keine Person gleichzeitig zwei Körper

oder einen Körper und ein fremdes leitfähiges Teil berühren kann. Für diese Schutzvorkeh-

rungen sind bestimmte Abstände vorgeschrieben.

Das Risiko bei dieser Schutzmaßnahme ist, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere leitfähi-

ge und bewegliche Teile eingebaut werden können. Daher ist auf eine wirksame Überwa-

chung zu achten.

6.1.11.2 Schutz durch erdfreien örtlichen Potentialausgleich

Diese Maßnahme ist nicht zu verwechseln mit dem unter Kap. 6.1.6.3 beschriebenen Haupt-

potentialausgleich oder dem zusätzlichen Potentialausgleich aus Kap. 6.1.10. Der Unterschied

besteht darin, dass das hier beschriebene Potential erdfrei ist.

Das Auftreten zu hoher Berührungsspannungen wird dadurch verhindert, dass in einem abge-

grenzten Raum alle berührbaren Körper und fremden leitfähigen Teile durch Potentialaus-

gleichsleiter verbunden sind. Innerhalb eines solchen erdpotentialfreien Raumes können die

Gehäuse im Fehlerfall Spannung gegen Erde aufweisen, ohne dass eine Gefahr besteht, da

alle leitfähigen Teile dasselbe Potential führen.

Gefährlich kann das Betreten eines solchen Raumes sein, speziell wenn ein gegen Erde iso-

lierter, leitfähiger Bodenbelag in den Potentialausgleich mit einbezogen ist. Im Fehlerfall

kann dieser eine Spannung gegenüber dem Boden vor dem Raum annehmen, die ein Eintre-

tender als Schrittspannung überbrückt. Durch entsprechende Maßnahmen (z.B. isolierender

Boden vor dem Raum) kann diese Gefahr beseitigt werden.

56 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

6.1.12 Schutzeinrichtungen

6.1.12.1 Überstrom-Schutzeinrichtungen, Sicherungsautomaten

Als Überstromauslöser werden Schmelzsicherungen und Leistungsschutzschalter (auch Siche-

rungsautomaten genannt) verwendet. Sie sollen die elektrischen Leitungen vor Kurzschluss

und Überlast schützen. Dieser Schutz kann bei geeigneter Auslösecharakteristik auch auf die

nachgeschalteten Verbraucher ausgedehnt werden. In Verbindung mit den Schutzmaßnahmen

nach 6.1.5 bis 6.1.8 dienen diese Elemente außerdem als Abschalteeinrichtung. Da im Ver-

such, wie auch häufig in der Praxis, hierzu Leistungsschalter verwendet werden, soll deren

Funktionsweise näher erläutert werden. Für die Anpassung an die vielfältigen Forderungen

enthalten Sicherungsautomaten i. Allg. zwei unabhängige Auslöser:

1. Der thermische Auslöser ist so ausgelegt, dass er, der zulässigen Belastbarkeit zu

schützender Leitungen oder Verbrauchsmittel angepasst, zeitverzögert erst bei andau-

ernder Überlast wirksam wird. Er besteht im Wesentlichen aus einem Bimetallstreifen,

der sich abhängig von der Größe des Stromes und dessen Einwirkzeit ausbiegt und bei

einer vorbestimmten Ausbiegung das Schaltwerk betätigt. Der thermische Auslöser ist

aufgrund seiner Trägheit nicht relevant für den Berührungsschutz.

2. Der elektromagnetische Auslöser arbeitet als unverzögerter Schnellauslöser und über-

nimmt unabhängig vom thermischen Auslöser den Schutz bei Kurzschluss oder bei

hoher, plötzlicher Überlast. Er besteht im Wesentlichen aus einer Magnetspule, die ab

dem 2- bis 15-fachen Nennstrom (je nach Typ) einen Anker anzieht, der damit das

Schaltwerk betätigt (Schlagankerprinzip). Hierdurch ergibt sich ein sehr kurzer Aus-

schaltverzug, der bei hohen Kurzschlussströmen im Bereich einer Millisekunde liegt.

Diese schnelle Abschaltung wird im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen nach

6.1.5 genutzt.

Um die durch die verschiedene Auslegung der genannten Auslöser mögliche Typenvielfalt

einzuschränken, sind verschiedene Auslösecharakteristiken unter Klassen zusammengefasst

- die Charakteristiken B, C und D nach VDE 0641,

- die Charakteristiken K und Z nach VDE 0660.

Im Versuch werden nur Sicherungsautomaten vom Typ K und Z, wie in Abb. 6.12 dargestellt,

verwendet.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 57

___________________________________________________________________________

Sicherungsautomaten mit Auslösecharakteristik K dienen bei geeigneter Auswahl der Absi-

cherung von Leitungen und zusätzlich dem Schutz nachgeschalteter elektrischer Verbrauchs-

mittel. Die zulässigen Ansprechwerte des elektromagnetischen Auslösers liegen im Bereich

zwischen dem 8- bis 14-fachen Nennstrom. Einschaltstromstöße, die beim Einschalten von

Motoren, Regel- und Steuertransformatoren, Scheinwerfern und Glühlampen kurzzeitig auf-

treten, führen daher nicht zu unerwünschtem Auslösen.

Der thermische Auslöser ist so ausgelegt, dass ein nur wenige Prozent über dem Nennstrom

liegender Dauerstrom den Sicherungsautomaten auslöst und damit die gegen thermische

Überlastung besonders empfindlichen Wicklungen schützt.

Abb. 6.12: Auslösecharakteristik K(, E) und Z von Sicherungsautomaten

58 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Sicherungsautomaten der Auslösecharakteristik Z verfügen über thermische und elektromag-

netische Auslöser besonders hoher Empfindlichkeit. Sie eignen sich daher vorzugsweise zum

Schutz von Halbleiterbauelementen und Messkreisen für Spannungswandler. Der elektro-

magnetische Auslöser spricht zwischen dem 2- bis 3-fachen Nennstrom an.

6.1.12.2 Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD)

Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen wurden früher als „FI-Schutzschalter“ bezeichnet. Heute ist

die Bezeichnung RCD (engl.: residual current protective device) gebräuchlich.

Diese Schutzeinrichtung beruht auf folgendem Grundprinzip: Wird in einem fehlerfreien Ver-

braucher der Strom I eingespeist, so muss dieser Strom I auch in der Rückleitung auftreten,

d.h. die Stromsumme in den aktiven Leitungen muss Null sein (Kirchhoffsches Gesetz). Dies

gilt auch für Drehstromverbraucher mit und ohne N-Leiter-Anschluss. Besteht jedoch ein

Körperschluss, so fließt ein Fehlerstrom über die Fehlerstelle, evtl. angeschlossene Schutzlei-

ter, über Erde oder direkt zum Neutralpunkt des Netzes. Dieser Strom fließt daher nicht über

aktive Leiter zurück und bewirkt, dass die Stromsumme in den aktiven Leitungen genau um

diesen Betrag von Null abweicht. Ein Fehlerstromschutzschalter überwacht die Stromsumme

der aktiven Leiter und schaltet bei Überschreiten einer vorgegebenen Abweichung von Null

die Netzzuleitung ab.

Wie in Abb. 6.13 dargestellt, geschieht die Überwachung durch einen Summenstromwandler.

Über diesen Wandler führt man die Ströme aller Betriebsleitungen. Die Durchflutungen der

Leiterströme werden vektoriell addiert und ergeben im fehlerfreien Betriebsfall Null. Bei Auf-

treten eines Fehlerstromes ergibt sich eine Restdurchflutung, deren Feld in einer zusätzlich

aufgebrachten Wicklung eine Spannung induziert. Diese Spannung wird zur Auslösung des

Schalters benutzt.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 59

___________________________________________________________________________

Abb. 6.13: Wirkungsweise einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD)

Abb. 6.14 zeigt zwei im TN-Netz eingesetzte RCDs. Besondere Verbindungsleitungen vom

Verbraucher zum Schutzschalter bestehen nicht. RCDs überwachen nur die aktiven Zuleitun-

gen eines bestimmten Netzbereiches. Dies kann eine komplette Hausinstallation, ein beson-

ders zu schützender Stromkreis (z.B. des Badezimmers) oder auch ein besonders zu schützen-

des Gerät (z.B. Rasenmäher) sein.

Abb. 6.14: RCD-Schutzschalter (früher als FI-Schutzschalter bezeichnet) im TN-

Netz (im Stecker-Gehäuse einer Verlängerungsleitung integriert)

60 6.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

RCDs werden in der Regel für die Auslöseströme von 1000, 500, 300 und 30 mA gebaut. So

genannte Personenschutzautomaten für die Überwachung von einzelnen Stromkreisen sind

sogar mit Auslöseströmen von nur 10 mA erhältlich. Sie sind mechanisch mit Leistungs-

schutzschaltern gekoppelt, deren Auslöseorgane sie im Fehlerfall betätigen.

RCDs mit Auslöseströmen von 30 mA und weniger haben zusätzlich den großen Vorteil, dass

sie auch einen gewissen Basisschutz bieten, d.h. also auch bei Ausfall einer zugeordneten

Schutzvorkehrung (z.B. Basisisolierung). Sobald ein Mensch ein defektes Gerät oder sogar

einen Außenleiter direkt berührt und ein Fehlerstrom über seinen Körper fließt, der über der

eingestellten Grenze liegt, löst der Schalter (schnell genug) aus. Deshalb ist ein derartiger

Schutz in bestimmten besonders gefährdeten Bereichen (Bad, Sauna, Schwimmbad, …) zu-

sätzlich zur „normalen“ Schutzmaßnahme zwingend vorgeschrieben. Die anzustrebende all-

gemeine Anwendung von RCDs mit derart niedrigem Auslösestrom ist allerdings für größere

Netzbereiche (Hausinstallation) mit entsprechend hohen Ableitströmen über Erdkapazitäten

und Ableitwiderstände und bei großen Verbrauchern wie z.B. Baumaschinen und Herden

nicht möglich. Dafür muss ein höherer Auslösestrom gewählt und eine entsprechende

Schutzmaßnahme zugeordnet werden.

6.1.12.3 Isolationsüberwachungs-Schutzeinrichtung

In IT-Netzen, in denen ein erster Fehler nicht zum Abschalten führt, ist es vorgeschrieben,

den Isolationszustand, also den Widerstand des Netzes gegen Erde, ständig zu überwachen.

Der Innenwiderstand des Überwachungsinstrumentes (der ja auch eine Verbindung zwischen

Netz und Erde darstellt) darf nicht kleiner als 15 k sein. Für jedes Anlagenteil in trockener

Umgebung ist ein minimaler Ableitwiderstand gegen Erde von 1 k pro Volt Netzspannung

erlaubt. Abb. 6.15 zeigt das Prinzip einer Überwachungseinrichtung, die hörbar Alarm gibt,

wenn dieser Grenzwert (z.B. durch einen Gehäuseschluss) unterschritten wird. Im Falle eines

Erdschlusses kann die Hilfsgleichspannung HU einen Strom durch die Spule des Überwa-

chungsrelais treiben. Das Relais löst bei Überschreiten eines einstellbaren Stromgrenzwertes

einen Alarm aus.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMASSNAHMEN 61

___________________________________________________________________________

Abb. 6.15: Wirkungsweise eines Isolationswächters

62 6.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

___________________________________________________________________________

6.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag 6.2.1 Demonstrationstafel für Schutzmaßnahmen

Mit der Demonstrationstafel in Abb. 6.16 lassen sich durch Steckverbindungen verschiedene

Schaltungen, Schutzmaßnahmen, Schadens- und Gefahrensituationen in einem Drehstromnetz 400/230 V mit einem Verbraucher VR simulieren. Damit dies gefahrlos möglich ist, betragen

die an der Tafel tatsächlich auftretenden Spannungen und die eingebauten Widerstände nur

ein Zehntel der angegebenen Werte auf der Demonstrationstafel; die Stromstärken bleiben

gleich. Beim Versuch sind also die angegebenen Widerstandswerte auf der Tafel und die ge-

messenen Stromstärken, aber das Zehnfache der gemessenen Spannungen zu notieren. Mit den Widerständen FR lassen sich die Körperschlüsse zwischen Außenleiter und Gehäuse

des Verbrauchers simulieren. Die Widerstände BR , SR bzw. HR sollen die Erdungswider-

stände der Betriebs-, Schutz- bzw. Hilfserde darstellen. Mit den Widerständen LR werden die

Leitungswiderstände und mit IR der Isolationswiderstand des Netzes gegen Erde berücksich-

tigt. Sicherungsautomaten und Fehlerstromschutzschalter (in Abb. 6.16 wie früher üblich als

FI-Schutzschalter bezeichnet) benötigt man zum Aufbau zugehöriger Schutzschaltungen. Der Widerstand KR soll den durchschnittlichen Körperwiderstand eines Menschen von 3kΩ dar-

stellen, während STR den Übergangs- bzw. Fußbodenwiderstand berücksichtigt. Wenn am

Widerstand KR eine Berührungsspannung von über 50V auftritt, leuchtet eine rote Kontroll-

lampe auf.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMAßNAHMEN 63

___________________________________________________________________________

Abb. 6.16: Versuchstafel Schutzmaßnahmen

64 6.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

___________________________________________________________________________

6.2.2 Versuchsdurchführung und -auswertung 6.2.2.1 Durchzuführende Versuche

1. Bauen Sie ein über 2BR = Ω geerdetes Drehstrom-Vierleiternetz auf (mit intaktem N-

Leiter). Schließen Sie den einphasigen Verbraucher über einen der Sicherungsautoma-ten zwischen L1 und N an. Ein auf dem Fußboden mit 500STR = Ω stehender Mensch

berührt das Gehäuse. Messen Sie den Berührungsstrom BI und die Berührungsspannung BU in Abhängig-

keit vom Übergangswiderstand eines Körperschlusses FR im Verbraucher. Verwen-

den Sie alle vorhandenen Werte von FR zwischen 0Ω und FR → ∞ Ω und notieren

Sie eine eventuelle Gefährdung bzw. Auslösung des Sicherungsautomaten in der vor-

gegebenen Tabelle des Protokollvordrucks.

2. Bauen Sie ein TN-Netz mit kombiniertem Neutral- und Schutzleiter auf. Führen Sie

die Messungen entsprechend Punkt 1 mit fehlerfreiem und defektem Schutzleiter

durch und notieren Sie die Ergebnisse in der dafür vorgesehenen Tabelle im Proto-

kollvordruck.

3. Untersuchen Sie die Schutzmaßnahme im TT-Netz mit einem Fehlerstrom-

Schutzschalter (RCD) (in Abb. 6.16 wie früher üblich als FI-Schutzschalter bezeich-net) als Auslöseorgan. Schließen Sie den über einen Erdungswiderstand SR geerdeten

Verbraucher über einen Sicherungsautomaten und den Fehlerstrom-Schutzschalter

(RCD) an das geerdete Netz an. Messen Sie den Fehlerstrom FI und die Berührungsspannung BU bei etwa 15

sinnvollen Kombinationen von STR und FR (keine Kombinationen weit ober- oder

unterhalb von Gefährdungs- oder Auslösegrenzen).

Untersuchen Sie auch den Fall des gebrochenen oder nicht vorhandenen Erdleiters.

4. Bauen Sie ein ungeerdetes Netz auf: Der Mensch berührt eine Phase.

Untersuchen Sie die Gefährdung in Abhängigkeit vom Isolationswiderstand des Net-

zes.

Zum Messprotokoll: Markieren Sie jeden Messwert bei dem eine Gefährdung des Men-

schen auftritt. Notieren Sie ob und wie die Sicherungsautomaten oder

Schutzschalter auslösen.

6. VERSUCH 6: SCHUTZMAßNAHMEN 65

___________________________________________________________________________

6.2.2.2 Versuchsauswertung

1. Stellen Sie für die Versuche 3 und 4 je ein Ersatzschaltbild auf und berechnen Sie all-gemein die Berührungsspannung BU und den Fehlerstrom FI . Setzen Sie für je einen

Fall mit und ohne Gefährdung gemessene Werte ein (keine Trivialfälle!).

2. Untersuchen Sie die Ursachen, wenn trotz einer Schutzmaßnahme eine unzulässige

Berührungsspannung auftritt und keine Abschaltung erfolgt.

3. Berechnen Sie die höchsten zulässigen Erdungswiderstände im IT-Netz für das im

Protokollvordruck gegebene Ersatzschaltbild mit RCD für eine zulässige Berührungs-spannung von 50BU V= bzw. 25BU V= (besondere Gefährdung). Es sollen RCDs

mit einem Auslösestrom von 0,5NI A∆ = und 30NI mA∆ = verwendet werden.

4. Ein Isolationswächter soll Alarm auslösen, wenn sich der Isolationswiderstand eines

IT-Netzes ( U 230V= ) soweit verschlechtert hat, dass bei sattem Gehäuseschluss im Verbraucher ( 0FR = Ω ) eine Berührungsspannung 25BU V≥ auftritt. Auf welchen

Isolationswiderstand muss der Wächter eingestellt werden?

Zeichnen Sie hierfür zunächst das Ersatzschaltbild eines IT-Netzes. Gehen Sie zur

Vereinfachung davon aus, dass der Mensch den Außenleiter berührt.

Dies entspricht einem Fehler zwischen Außenleiter und Gehäuse bei unendlich gro-

ßem Innenwiderstand der Maschine. Je kleiner der Innenwiderstand der Maschine

wird, desto kleiner wird der Berührungsstrom durch den Menschen. Die Vereinfa-

chung ist somit zulässig, da sie ein „worst-case“ Szenario beschreibt.

Zeichnen Sie nun ein vereinfachtes Ersatzschaltbild des Fehlerstromkreises und be-

rechnen Sie den benötigten Isolationswiderstand des Netzes gegen Erde für die oben

vorgegebenen Bedingungen.

67

___________________________________________________________________________

Versuch 7: Gleichrichterschaltungen

7.1 Theoretische Grundlagen

7.1.1 Definition eines idealen Ventils

Ein ideales Ventil ist ein hypothetisches zweipoliges Bauelement der Elektrotechnik, das nur

in einer Richtung, der Durchlassrichtung, Strom durchlässt. In dieser Richtung hat das ideale

Ventil keinen Widerstand: der Durchlasswiderstand ist Null, ebenso die Durchlassspannung

UF. Der Durchlassstrom heißt iF.

In der Gegenrichtung, der Sperrrichtung, lässt das ideale Ventil keinen Strom durch. Bei einer

angelegten Sperrspannung uR ist der Sperrstrom iR immer Null und der Sperrwiderstand un-

endlich groß.

Die beiden Anschlüsse des Ventils heißen Anodenanschluss, hier tritt der Durchlassstrom ein,

und Katodenanschluss, hier tritt der Durchlassstrom aus.

Das Symbol eines idealen Ventils zeigt Abb. 7.1.

Abb. 7.1: Symbol eines idealen Ventils

Die Pfeilspitze zeigt in die Richtung des Durchlassstroms.

Anode Katode Anode Katode

68 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Es gibt keine elektrischen Bauelemente, die die Eigenschaften von idealen Ventilen vollstän-

dig besitzen. Es ist aber sehr nützlich, bei der näherungsweisen Berechnung der elektrischen

Größen von Gleichrichterschaltungen ideale Ventile vorauszusetzen.

7.1.2 Gleichrichterschaltungen

7.1.2.1 Einwegschaltungen (Einzweig-, Mittelpunkt- bzw. Sternschal-

tung)

Bei diesen Schaltungen ist an jede Netzphase (Transformatorsekundärwicklung) nur ein Ven-

til angeschlossen, so dass in den Sekundärsträngen der Strom nur in einer Richtung fließen

kann.

Einzweigschaltung (Einpulsige Einwegschaltung)

Kurzzeichen: E

Abb. 7.2 zeigt das Schaltbild einer Einzweigschaltung

Abb. 7.2: Einzweigschaltung

Das Symbol zwischen den Anschlussklemmen der Primärwicklung bedeutet, dass die Pri-

märwicklung an Einphasenwechselstrom anzuschließen ist. Mit us wird die Sekundärspan-

nung des Transformators bezeichnet. uV ist die Ventilspannung. Sie wird positiv gerechnet,

wenn das Potential der Anode größer ist als das der Katode. Die gleichgerichtete Spannung

heißt ud. Sie liegt am Verbraucher und an den ggf. vorhandenen Glättungsmitteln.

Nach dem zweiten Kirchhoffschen Gesetz ergibt sich für die drei Spannungen auf der Gleich-

stromseite die Gleichung

s V du u u (7.1)

1~

P Q

R

+

-

Vu

su du

di

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 69

___________________________________________________________________________

Bei der Einzweigschaltung tritt auf der Gleichstromseite der Gleichstrom id auf. Er wird posi-

tiv gerechnet, wenn er in der Richtung einer positiven Gleichspannung ud fließt. Bei idealen

Ventilen kann id nie negativ werden. Da id hier gleich dem Sekundärstrom des Transformators

ist, wird die Sekundärseite des Transformators nur in einer Richtung vom Strom durchflossen.

Solche Schaltungen heißen Einwegschaltungen. Die Teile einer Gleichrichterschaltung, die

sich zwischen einem Gleichstrom- und einem Wechselstromanschluss auf der Sekundärseite

des Gleichrichtertransformators befinden, nennt man einen Zweig der Gleichrichterschaltung.

Sie können im Schaltbild auch dann mit nur einem Symbol nach Abb. 7.1 dargestellt werden,

wenn sie aus mehreren Ventilen bestehen. Der eine Zweig der Einzweigschaltung nach Abb.

7.2 liegt zwischen den Punkten P und Q.

In Abb. 7.3 sind us, uV, ud und id über t aufgetragen. ist die Kreisfrequenz der Netzspan-

nung. In einem 50Hz-Netz ist 314rad

s . Die Periodendauer beträgt T=20ms.

Der zeitliche Verlauf von us ist durch den zeitlich sinusförmigen Verlauf der Primärspannung

des Transformators als ebenfalls sinusförmig festgelegt. Er ist praktisch unabhängig von der

weiteren Beschaltung und der Belastung, wenn man davon absieht, dass bei größerem Strom

messbare Spannungsabfälle auftreten. us ist in Abb. 7.3.1 dargestellt.

ud ist die Ausgangsspannung des Gleichrichters und damit in der Einzweigschaltung nach

Abb. 7.2 gleich dem Spannungsabfall am ohmschen Widerstand R. Hier kann ein Spannungs-

abfall nur durch einen positiven Gleichstrom id erzeugt werden; ein negativer Strom id ist we-

gen der einseitigen Durchlässigkeit des Ventils nicht möglich. Die einzige Spannung in dem

Kreis, die einen Strom treiben könnte, ist us. Solange us positiv ist, fließt ein positiver Strom id

und uV ist Null (ideales Ventil). Nach Gleichung (7.1) gilt demnach

0 V d su u u , solange 0su (7.2)

Wenn us negativ wird, ist id Null und damit auch ud Null. Gleichung (7.1) ergibt:

0 d V su u u , solange 0su (7.3)

uV und ud sind in Abb. 7.3.2 und 7.3.3 dargestellt.

Der Gleichstrom id ist nur bei der gezeichneten rein ohmschen Belastung direkt proportional

der Gleichspannung ud.

d du R i (7.4)

id ist in Abb. 7.3.4 wiedergegeben.

70 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 7.3: Spannungen und Strom der Einzweigschaltung bei rein ohmscher Belas-

tung

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 71

___________________________________________________________________________

Mittelpunktschaltung

Kurzzeichen: M2

Abb. 7.4 zeigt das Schaltbild.

Abb. 7.4: Mittelpunktschaltung

Die Primärseite des Transformators wird an eine Einphasenwechselspannung angeschlossen.

Auf der Sekundärseite entstehen die beiden sinusförmigen Wechselspannungen us1 und us2,

die um 180° gegeneinander phasenverschoben sind. Die Schaltung ist somit sekundärseitig

zweiphasig. Da us1 immer gleich groß, aber entgegengesetzt gepolt ist wie us2, ergibt sich die

erwähnte Phasenverschiebung um 180°.

1 2 s su u (7.5)

us1 und us2 sind in Abb. 7.5.1 gezeichnet.

Auf der Gleichstromseite der Schaltung erhält man mit Hilfe des zweiten Kirchhoffschen Ge-

setzes die beiden Gleichungen

1 1 s V du u u (7.6.1)

2 2 s V du u u (7.6.2)

Um den zeitlichen Verlauf der Ventilspannungen und der Gleichspannung zu erhalten, wer-

den die Größen zu einem Zeitpunkt betrachtet, an dem us1 positiv sei. us2 ist dann negativ. us1

1~

R

+

-

du

di

V1u

V2u

s1u

s2u

Lu

s1i

s2i

72 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

kann einen Strom is1 über das Ventil 1 treiben. uV1 ist dann Null. is2 kann nicht fließen, weil

us2 negativ ist. Daher ist

1 s di i (7.7)

und wegen Gleichung (7.6.1)

1 s du u (7.8)

Aus den Gleichungen (7.6.2), (7.8) und (7.5) erhält man

2 2 12 2 V s s Lu u u u (7.9)

Die Gleichungen (7.7), (7.8) und (7.9) gelten, solange us1 positiv und us2 negativ sind. Im um-

gekehrten Fall gelten aus Symmetriegründen dieselben Gleichungen, nur muss man bei den

Indizes die Zahlen 1 und 2 vertauschen und in Gleichung (7.9) - Lu durch Lu ersetzen.

Die Abb. 7.5 zeigt us1, us2, uV1, ud und id. Für id gilt wie bei der Einzweigschaltung die Glei-

chung (7.4). Wegen dieses Zusammenhangs sind die Amplituden von ud und id im Allgemei-

nen verschieden.

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 73

___________________________________________________________________________

Abb. 7.5: Spannungen und Strom der Mittelpunktschaltung

74 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Sternschaltung

Kurzzeichen: M3

Abb. 7.6: Sternschaltung

Die Primärseite des Transformators der in Abb. 7.6 dargestellten Sternschaltung liegt an 3-

Phasen-Wechselstrom oder Drehstrom, d.h. die drei primären Strangspannungen sind um je

120° gegeneinander phasenverschoben. Folglich sind auch die Sekundärspannungen us1, us2

und us3 drei um je 120° phasenverschobene sinusförmige Spannungen. Sie sind in Abb. 7.7.1

über t aufgetragen. In Abb. 7.6 lässt sich ablesen, dass sich für die Sternschaltung drei

Gleichungen aufstellen lassen, die den Gleichungen (7.1) und (7.6) entsprechen.

1 1 s V du u u (7.10.1)

2 2 s V du u u (7.10.2)

3 3 s V du u u (7.10.3)

Die Summe aus Ventilspannung und Gleichspannung ergibt wie bei der Einzweig- und der

Mittelpunktschaltung die Transformatorspannung, nur ist hier jeder Ventilzweig einzeln zu

betrachten.

Die Ventile führen den Strom nacheinander für je 120°. Da neben idealen Ventilen auch ein

idealer Transformator ohne Streuflüsse vorausgesetzt wird, führen nie zwei oder drei Ventile

gleichzeitig Strom. Es leitet immer das Ventil, dessen Transformator-Sternspannung den

größten positiven Betrag hat. Um diese Behauptung zu verifizieren, wird ein Zeitpunkt be-

trachtet, an dem gilt:

1 2s su u und 1 3s su u (7.11)

R

+

-

du

di

3~ V2u

V1u

V3us2i

s1i

s3i

s2u

s1u

s3u

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 75

___________________________________________________________________________

In diesem Fall ist: 1 0Vu

Daraus folgt nach Gleichung (7.10.1): 1 s du u

1 s du u ist die Spannung, die alle drei Katoden gemeinsam gegenüber dem Transformator-

Sternpunkt haben. Da nach der Voraussetzung (7.11) us2 und us3 (die Anodenspannungen der

Ventile 2 und 3) negativer als us1 (die Spannung ihrer Katoden) sind, sperren die Ventile 2

und 3. Damit ist die Behauptung bewiesen.

1 s du u solange 1 2s su u und 1 3s su u (7.12.1)

Aus Symmetriegründen ist auch

2 s du u solange 2 3s su u und

2 1s su u (7.12.2)

3 s du u solange 3 1s su u und 3 2s su u (7.12.3)

Abb. 7.7.1 bis 7.7.3 lassen den beschriebenen Zusammenhang zwischen us1, uV1 und ud, den

Spannungen im Stromkreis des Ventils 1, erkennen. Die Diagramme für uV2 und uV3 haben die

gleiche Form wie Abb. 7.7.2. Sie sind nur um 120° bzw. 240 ° nach rechts verschoben.

Der Strom is1 kann nur fließen, wenn das Ventil 1 durchlässig ist. Während dieser Zeit ist us1

gleich ud und bei der in Abb. 7.6 gezeichneten rein ohmschen Belastung ist 11

ss

ui

R. Die

Stromimpulse von is1 liegen genau unter den Strecken in Abb. 7.7.2, an denen uV1 Null ist.

Die Stromkurven für is2 und is3 sind gegenüber der von is1 um 120° bzw. 240° verschoben

(siehe Abb. 7.7.5 und 7.7.6). Aus dem Schaltbild für die Sternschaltung nach Abb. 7.6 ist ab-

zulesen, dass

1 2 3 d s s si i i i (7.13)

Daher setzt sich die Stromkurve für id nach Abb. 7.7.7 additiv aus den Impulsen der Abb.

7.7.4 bis 7.7.6 zusammen.

76 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 7.7: Spannungen und Ströme der Sternschaltung

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 77

___________________________________________________________________________

7.1.2.2. Zweiwegschaltungen (Brückenschaltungen)

Bei diesen Schaltungen sind an die sekundären Wicklungsstränge des Transformators zwei

Ventile angeschlossen, eins mit der Anode, eins mit der Katode, so dass jeder Strang in bei-

den Richtungen vom Strom durchflossen wird.

Brückenschaltung

Kurzzeichen: B2

Der Name Brückenschaltung deutet an, dass die Last, in Abb. 7.8 der Widerstand R, eine Brü-

cke zwischen den Anoden der einen und den Katoden der anderen Ventilgruppe bildet.

Abb. 7.8: Brückenschaltung

Zur Berechnung der Spannungen und Ströme kann man wieder die Kirchhoffschen Gesetze

benutzen.

1 4 L V d Vu u u u und (7.14.1)

2 3 L V d Vu u u u (7.14.2)

Der Weg, bei dessen Durchlaufen die Spannungssumme nach Gleichung (7.14.1) gebildet

wurde, ist gleichzeitig die Bahn des Gleichstroms, wenn uL positiv ist, während der Gleich-

strom auf dem Umlaufweg für Gleichung (7.14.2) fließt, wenn uL negativ ist. Natürlich gelten

die Gleichungen (7.14) immer, unabhängig vom Vorzeichen von uL.

Ist also uL positiv, dann sind

1 4 0 V Vu u ( 0Lu ) (7.15)

R

+

-

du

di

1~ Lu

V1u V2u

V3u V4u

78 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

weil diese beiden Ventile in Durchlassrichtung gepolt sind. Nach Gleichung (7.14.1) gilt jetzt

L du u ( 0Lu ) (7.16)

(mit uL ist auch ud positiv)

Um die einzelnen Ventilspannungen zu erhalten, stellt man zwei weitere Maschengleichungen

auf

3 10 V V du u u (7.17.1)

4 20 V V du u u (7.17.2)

Mit den Gleichungen (7.15) und (7.16)folgt

2 3 V V Lu u u ( 0Lu ) (7.18)

Der Inhalt der Gleichungen (7.15), (7.16) und (7.18) ist in den Abb. 7.9.1 bis 7.9.6 im Abszis-

senbereich von 0 bis dargestellt.

Während uL negativ ist, fließt id vom Transformator über Ventil 2, den Widerstand R und

Ventil 3 zum Transformator zurück. Also ist

2 3 0 V Vu u ( 0Lu ) (7.19)

Mit Gleichung (7.14.2) ist

L du u ( 0Lu ) (7.20)

(auch hier ist ud positiv)

und mit den Gleichungen (7.19), (7.20) und (7.17)

1 4 V V Lu u u ( 0Lu ) (7.21)

Der Inhalt der Gleichungen (7.19), (7.20) und (7.21) wird in den Abb. 7.9.1 bis 7.9.6 im Abs-

zissenbereich von bis 2 wiedergegeben.

Da ud sowohl während der positiven als auch während der negativen Phase von uL sein Vor-

zeichen beibehält, hat eine Gleichrichtung stattgefunden.

Der Gleichstrom ist bei der angegebenen rein ohmschen Belastung wieder proportional der

Gleichspannung. Er ist in Abb. 7.9.7 dargestellt.

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 79

___________________________________________________________________________

Abb. 7.9: Spannungen und Strom der Brückenschaltung

80 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Gleichstrom und Gleichspannung haben bei der Schaltung B2 das gleiche Aussehen wie bei

der Schaltung M2. Die Schaltung B2 braucht 4 Dioden, während die Schaltung M2 mit 2 Di-

oden auskommt, die allerdings die doppelte Sperrspannung vertragen müssen. Die Sekundär-

seite des Trafos der Schaltung B2 hat nur einen Wicklungsstrang, während die Schaltung M2

zwei Wicklungsstränge jeweils für die gleiche Spannung (also doppelt so viele Drahtwindun-

gen) benötigt. Dafür ist der Mittelwert des Stromes bei der Mittelpunktschaltung nur halb so

groß.

Drehstrom-Brückenschaltung

Kurzzeichen: B6

Abb. 7.10 zeigt das Schaltbild.

Abb. 7.10: Drehstrom-Brückenschaltung

In dieser Schaltung ist der Betrag der Gleichspannungen immer gleich dem Betrag der größ-

ten Leiterspannung, nicht der größten Strangspannung wie in den bisher behandelten Schal-

tungen. Zum Beweis dieser Behauptung und zur Berechnung des zeitlichen Verlaufes der ein-

zelnen Spannungen werden eine Reihe von Gleichungen mit Hilfe des zweiten

Kirchhoffschen Gesetzes aufgestellt. Der Weg, auf dem die Spannungen summiert werden,

wird wieder so gelegt, dass die erforderlichen Quellen us und der Verbraucher R im Strom-

kreis enthalten sind.

3~

s2i

s1i

s3i

s2u

s1u

s3u

R

+

-

du

diV1u V2u V3u

V4uV5u V6u

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 81

___________________________________________________________________________

1 2 1 5 s s V d Vu u u u u (7.22.1)

2 3 2 6 s s V d Vu u u u u (7.22.2)

3 1 3 4 s s V d Vu u u u u (7.22.3)

2 1 2 4 s s V d Vu u u u u (7.22.4)

3 2 3 5 s s V d Vu u u u u (7.22.5)

1 3 1 6 s s V d Vu u u u u (7.22.6)

Die Anzahl der Gleichungen (7.22) lässt erkennen, dass der Gleichstrom nacheinander auf 6

verschiedenen Wegen fließen kann.

Zur Berechnung von der Ventilspannungen sind noch die drei Gleichungen

4 1 V V du u u (7.23.1)

5 2 V V du u u (7.23.2)

6 3 V V du u u (7.23.3)

nützlich.

Wie bei allen übrigen Schaltungen sind die Größe und der zeitliche Verlauf der Transforma-

torspannungen durch das angeschlossene Netz und die Windungszahlen des Transformators

fest vorgegeben.

Es werden die Zeitintervalle untersucht, in denen 1 2s su u positiver als alle übrigen Leiter-

spannungen ist. Abb. 7.11.1 zeigt, dass das für 2 26 2

n t n

, n ganzzahlig, der

Fall ist. Die t -Achse ist in Abb. 7.11.1 für diese Intervalle verstärkt gezeichnet. Der

Gleichstrom nimmt den Weg, auf dem Gleichung (7.22.1) entstanden ist. Dadurch werden

1 5 0 V Vu u (7.24)

1 2 d s su u u (7.25)

Aus (7.24), (7.23.1), (7.23.2) und (7.25) folgt

4 2 1 2 V V d s su u u u u (7.26)

82 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 7.11: Spannungen und Ströme der Drehstrom-Brückenschaltung

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 83

___________________________________________________________________________

Abb. 7.11: Spannungen und Ströme der Drehstrom-Brückenschaltung

Um auch uV3 und uV6 für dieses Zeitintervall zu finden, wird die Spannungssumme auf jeweils

dem Umlauf gebildet, der die gesuchte Spannung, uV3 bzw. uV6, eine Ventilspannung, die ge-

rade Null ist, uV1 bzw. uV5, und Transformatorspannungen enthält. Wie man in Abb. 7.10 ver-

folgen kann, ergeben sich die Gleichungen

3 1 1 3 0 V V s su u u u

6 3 2 5 0 V s s Vu u u u .

Daraus wird mit (7.24)

3 3 1 V s su u u (7.27.1)

6 2 3 V s su u u (7.27.2)

84 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Somit sind die zeitlichen Verläufe aller Spannungen in diesem Intervall gefunden. Um die

berechneten Verläufe in Abb. 7.11 leichter erkennen zu können, wird zusätzlich Abb. 7.12

hinzugezogen. Die Gleichspannung ud, die nach Gleichung (7.25) gleich 1 2s su u ist, hat

demnach einen um den Faktor 3 größeren Maximalwert als us1 und sie ist in ihrer Phasenla-

ge um 30° oder 6

zu früheren Zeiten hin verschoben. Das Maximum von ud liegt also in der

Mitte der betrachteten Intervalle. Damit sind auch die Verläufe von uV2 und uV4 nach Glei-

chung (7.26) in Abb. 7.11.4 und 7.11.6 für den betrachteten Zeitraum zu verstehen.

3 3 1 V s su u u ist gegenüber us1 um 150° oder 5

6 zu früheren Zeiten hin verschoben, wie

Abb. 7.11.5 zeigt. 6 2 3 V s su u u liegt um 90° oder 2

vor us1, daher hat es den in Abb. 7.11.8

gezeigten Verlauf.

In gleicher Weise lassen sich die Spannungen für die 5 übrigen Intervalle einer Periode der

Netzspannung berechnen und zeichnen. Die Verläufe sind in Abb. 7.11.1 bis 7.11.8 darge-

stellt.

Abb. 7.12: Stern- und Leiterspannungen

Der Gleichstrom id hat, wie in allen übrigen hier behandelten Schaltungen, bei rein ohmscher

Belastung einen der Gleichspannung proportionalen Verlauf. Er ist nicht gezeichnet.

Den Verlauf der Transformator-Sekundärströme is1, is2 und is3 kann man konstruieren, wenn

man bedenkt, dass z.B. is1 positiv sein muss, solange uV1 Null ist, und negativ, während uV4

Null ist. Entsprechendes gilt für die beiden übrigen Ströme. Die Ströme sind in Abb. 7.11.9

bis 7.11.11 dargestellt.

3 2

1

s3 s1 L3u - u u

s3u

s1u

s2u

s1 s2 L1u - u u

s2 s3 L2u - u u

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 85

___________________________________________________________________________

7.1.2.3 Allgemeine Folgerungen aus den Schaltungsbeispielen

Zunächst werden einige Begriffe eingeführt und gegebenenfalls an den besprochenen Schal-

tungen erläutert.

Kommutierung heißt der Übergang des Stromes von einem Zweig zum nächsten. Bei der Mit-

telpunktschaltung nach Abb. 7.4 wird der Gleichstrom id abwechselnd von den Ventilen 1 und

2 geführt. In der Sternschaltung nach Abb. 7.6 fließt der in Abb. 7.7.7 dargestellte Gleich-

strom im Zyklus über die Ventile 1, 2 und 3. Da bei dieser Schaltung die Ventilströme gleich

den Strangströmen sind, kann man die Übergänge in den Abb. 7.7.4, 7.7.5 und 7.7.6 sehen.

Bei der Einzweigschaltung nach Abb. 7.2 kann der Strom natürlich keinem nächsten Zweig

übergeben werden. Als Kommutierung ist hier die Wiederaufnahme des Stromes durch das

Ventil zu verstehen, wenn us positiv wird.

Der eigentlich Grund für die Einführung des Begriffs Kommutierung liegt in den störenden

Erscheinungen, die beim Stromübergang von einem Zweig zum nächsten berücksichtigt wer-

den müssen, wenn die Streuinduktivitäten des Stromrichtertransformators nicht vernachlässigt

werden können. In diesem Umdruck wird darauf nicht näher eingegangen.

Als Kommutierungsgruppe bezeichnet man eine Gruppe von Gleichrichterzweigen und ggf.

Wicklungssträngen verschiedener Phasen, die unabhängig von anderen Gruppen im Zyklus

kommutieren. Die Gleichrichterzweige 1 und 2 in der Mittelpunktschaltung und 1, 2 und 3 in

der Sternschaltung sind solche Kommutierungsgruppen.

Etwas Neues bringt der Begriff aber erst in Schaltungen mit mehreren Kommutierungsgrup-

pen, wie in den Brückenschaltungen. In der Schaltung nach Abb. 7.8 wechseln sich die Venti-

le 1 und 2 in der Führung des Gleichstroms id ab. Sie bilden die eine Kommutierungsgruppe

dieser Schaltung. Der vom Minuspol kommende Strom fließt im Zyklus über die Ventile 3

und 4. Sie bilden die andere Kommutierungsgruppe.

In der Drehstrombrückenschaltung nach Abb. 7.10 erkennt man nach einer entsprechenden

Überlegung, dass die Gleichrichterzweige 1, 2 und 3 und die Zweige 4, 5 und 6 je eine Kom-

mutierungsgruppe bilden. Aus der Definition der Kommutierungsgruppe folgt, dass innerhalb

einer solchen Gruppe nie zwei oder mehrere Kommutierungen gleichzeitig stattfinden. Bei

Brückenschaltungen sind die Kommutierungsgruppen in Reihe geschaltet. Die hier nicht be-

handelten Saugdrosselschaltungen enthalten parallel geschaltete Kommutierungsgruppen.

Die Kommutierungszahl q ist die Anzahl der Kommutierungen, die während einer Periode der

Netzfrequenz in einer Kommutierungsgruppe stattfinden. In der Brückenschaltung nach Abb.

7.8 ist also q=2, in der Schaltung B6 ist q=3.

86 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Die Pulszahl p ist die Gesamtzahl der nicht gleichzeitigen Kommutierungen einer Gleichrich-

terschaltung während einer Periode der Netzfrequenz. Die Pulszahl ist damit das Verhältnis

der Grundfrequenz der der Gleichspannung überlagerten Wechselspannung (Pulsfre-

quenz= p f ) zur Netzfrequenz.

Die Stromflussdauer eines Ventils ergibt sich aus der Definition der Kommutierungszahl q zu

Bei Gleichrichterschaltungen mit nur einer Kommutierungsgruppe ist natürlich p=q. Bei Brü-

ckenschaltungen mit einer ungeraden Anzahl von Transformator-Sekundärwicklungssträngen

(q ungerade) ist p=2q, dagegen ist bei einer geraden Anzahl von Strängen (q gerade) p=q.

Um zu dieser und anderen allgemeingültigen Aussagen über Gleichrichterschaltungen zu

kommen, muss man die Sekundärwicklung der Brückenschaltung nach Abb. 7.8 als zweipha-

sige Wicklung betrachten, bei der der Mittelpunktleiter wie bei jeder Brückenschaltung nicht

angeschlossen ist. In der Literatur wird diese Schaltung meist als einphasig bezeichnet. Beim

Übergang von der zweiphasigen Schaltung M2 (q=2, p=2) zur zweiphasigen Schaltung B2

(q=2, p=2) verändert sich die Pulszahl nicht, weil je zwei Kommutierungen gleichzeitig statt-

finden, während sich beim Übergang von der dreiphasigen Schaltung M3 (q=3, p=6) zur drei-

phasigen Schaltung B6 (q=3, p=6) die Pulszahl verdoppelt. Die Pulszahl verdoppelt sich beim

Übergang von Einweg- zu Zweiwegschaltungen also nur dann, wenn die Phasenzahl der Se-

kundärseite ungerade ist. Auch für die Abhängigkeit der gleichgerichteten Spannung ud und

der Ventilspannungen uV von den Transformatorspannungen us bzw. uL lassen sich allgemein-

gültige Beziehungen angeben.

7.1.3 Gleichgerichtete Spannung, überlagerte Wechselspan-nung und Glättungseinrichtungen

An den Ausgangsklemmen eines Gleichrichtergerätes tritt eine gleichgerichtete Spannung auf.

Als Gleichspannung Ud wird der arithmetische Mittelwert ihres zeitlichen Spannungsverlaufs

angegeben.

0

1

T

d dU u dtT

(7.28)

Periodendauer der NetzfrequenzStromflussdauer

q

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 87

___________________________________________________________________________

Die Gleichung gilt immer, wenn T die Periodendauer des Netzes ist. Hat ud, wie bei den meis-

ten Gleichrichterschaltungen, mehrere Pulse während der Netzfrequenzperiode, dann darf

man für T die Pulsdauer 1

p f einsetzen.

Als Beispiel wird die ideelle Leerlaufgleichspannung Udi für die Einzweig- und die Stern-

schaltung aus der sekundären Transformatorstrangspannung us berechnet.

Der Mittelwert Udi ist von der Wahl des Zeitnullpunktes unabhängig. In Abb. 7.13 ist er für

die Einzweigschaltung so gelegt, dass ud während der Stromflussdauer eine Kosinusfunktion

ist.

Abb. 7.13: Verlauf von ud bei der Einzweigschaltung

2 cosd su U t , 2 2

t

(7.29.1)

0du , 3

2 2t

Es ist üblich, zur Vereinfachung der Rechnung die Substitution t x zu machen. Dann ist

2 cosd su U x , 2 2

x

(7.29.2)

0du , 3

2 2

x

Die Intervalllänge beträgt 2

88 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

3 3

2 2 2

2 2 2

21( ) cos 0

2 2

s

di d

UU u x dx x dx dx

2

2

2 20,45

2sin

s

di s s

UU U Ux (7.30)

Abb. 7.14 dient zur Berechnung von Udi bei der Sternschaltung. Die Periode von ud ist hier

nur 2

3 . Die Intervallgrenzen werden in die Punkte

3

und 3

gelegt.

Abb. 7.14: Verlauf von ud bei der Sternschaltung

Man erhält:

3

3

33

2 3cos

2 2

3

sin

s sdi

U UU x dx x

3 3

1,172

di s sU U U (7.31)

Neben dem eben berechneten Gleichspannungsanteil Udi enthält die Spannung ud auch Wech-

selspannungskomponenten.

d diu U u

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 89

___________________________________________________________________________

Abb. 7.15: Erläuterung des Wechselspannungsanteils von ud

Die Kurvenform und der Effektivwert der überlagerten Wechselspannung hängen hauptsäch-

lich von der Schaltung des Gleichrichtergerätes und ggf. von der nachgeschalteten Glättungs-

einrichtung ab. Die Wechselspannung kann z.B. Fernmeldeanlagen störend beeinflussen, sei

es infolge induktiver oder kapazitiver Kopplung. Die überlagerte Wechselspannung besteht

aus sinusförmigen Komponenten verschiedener Frequenzen f .

Die Ordnungszahlen dieser Komponenten sind ganzzahlige Vielfache der Pulszahl p. Die

Effektivwerte U lassen sich durch frequenzselektive Messgeräte bestimmen oder bei be-

kanntem zeitlichen Verlauf der Spannung u durch die Integrale

0

2( ) cos

T

a u t t dtT

0

2( ) sin

T

b u t t dtT

mit 2 2 U a b berechnen (Fourier-Analyse).

Der Effektivwert der überlagerten Gesamt-Wechselspannung ergibt sich dann zu:

2 üU U (7.32)

t

ud

t

Udi,u~

90 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Als Wechselspannungsgehalt oder Welligkeit w gilt das Verhältnis der überlagerten Wechsel-

spannung zur Gleichspannung:

ü

d

Uw

U (7.33)

Die überlagerte Wechselspannung erzeugt im Verbraucher einen dem Gleichstrom überlager-

ten Wechselstrom. Seine Größe und sein Verlauf sind durch die überlagerte Wechselspan-

nung, ggf. die Glättungseinrichtung und die Lastart gegeben. Als kennzeichnende Größe gilt

der Wechselstromgehalt entsprechend der Gleichung (7.33).

Die Glättungseinrichtung, mit der die Welligkeit verringert wird, besteht meist aus Drosseln

und Kondensatoren. Dabei macht man sich die Frequenzabhängigkeit des Widerstands dieser

Bauteile zunutze. Ein Kondensator, parallel zum Verbraucher geschaltet, bildet einen Neben-

schluss für die überlagerten Wechselströme, während er für den Gleichstrom undurchlässig

ist. Legt man eine Drossel in Reihe mit dem Verbraucher, so entsteht ein Spannungsteiler, bei

dem fast die gesamte Gleichspannung am Verbraucher liegt - bis auf den ohmschen Span-

nungsabfall am Kupferwiderstand der Drossel - , während die überlagerte Wechselspannung

in der Drossel einen großen Widerstand findet, so dass der Strom und damit die Spannung am

ohmschen Verbraucher geglättet ist.

7.1.3.1 Kondensator und ohmscher Widerstand

Als Beispiel wird eine Einzweigschaltung untersucht, an die als Glättungseinrichtung ein

Kondensator und als Verbraucher ein ohmscher Widerstand angeschlossen sind. Ohne Kon-

densator hat ud den in Abb. 7.3.3 dargestellten Verlauf. Mit dem Kondensator ist an die Punk-

te A und B in Abb. 7.16 ein R-C-Glied angeschlossen, dessen Spannung bekanntlich nach

einer e-Funktion abnimmt, auch wenn die Stromzuführung am Punkt A unterbrochen würde.

Man erhält so einen Spannungsverlauf nach Abb. 7.17

Abb. 7.16: Einzweigschaltung mit Kondensator und ohmschen Widerstand

Rdu

di

C

A

B

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 91

___________________________________________________________________________

Abb. 7.17: Gleichgerichtete Spannung der Einzweigschaltung bei R-C-Belastung

us sei eine Kosinusfunktion. Dann lässt sich der Spannungsverlauf in zwei Abschnitte unter-

teilen:

Abschnitt 1: 2

t

RCd su U e für 10 t x (7.34.1)

Abschnitt 2: 2 cosd su U t für 1 2x t (7.34.2)

Danach wiederholt sich der Verlauf.

Diese Beschreibung ist nicht ganz exakt, weil in Wirklichkeit die e-Funktion nicht genau im

Scheitel der Kosinusfunktion beginnt, sondern etwas später. Aber für genügend großes RC,

d.h. für genügend flachen Verlauf der Exponentialfunktion, ist die Genauigkeit ausreichend.

Je größer das Produkt R C wird, umso flacher verläuft die e-Funktion, umso besser geglättet

ist die Gleichspannung. Gleichzeitig vergrößert sich der Mittelwert Ud der gleichgerichteten

Spannung. Es ist (vergl. Gleichung (7.28)):

2

0

1( )

2

d dU u x dx x t

1

1

2

0

2cos

2

xx

R Csd

x

UU e dx xdx

1

1

21 sin

2

x

R Csd

UU R C e x

92 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Voraussetzung für die Auswertung dieser Gleichung ist die Kenntnis des Winkels x1, an dem

die Funktionswerte des exponentiellen und des kosinusförmigen Verlaufs gleich sind. Für

diesen Punkt gilt:

1

1cos

x

R Ce x (7.36)

Diese Gleichung ist nicht elementar nach x1 aufzulösen, wie man durch Probieren leicht fest-

stellt. Man kann aber mit ihrer Hilfe C ausrechnen, wenn R, und x1 gegeben sind.

1

1ln cos

xC

R x (7.37)

x1 kann z.B. dadurch gegeben sein, dass für einen ohmschen Verbraucher verlangt wird, die

gleichgerichtete Spannung dürfe nur um 20% unter ihren Maximalwert sinken.

Abb. 7.18 zeigt die Abhängigkeit der Gleichspannung Ud von der Kapazität C bei R=1000

und Us=24V.

Abb. 7.18: Abhängigkeit der Gleichspannung vom Glättungskondensator

Weil sich Gleichung (7.36) nicht auflösen lässt, wurde die Kurve berechnet und gezeichnet.

Es ist auch berücksichtigt, dass sich der Anfangspunkt des exponentiellen Kurventeils von ud

längs der Kosinuskurve nach unten verschiebt, wenn C klein wird.

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 93

___________________________________________________________________________

Ein Sonderfall dieser Schaltung liegt vor, wenn das Produkt R C so groß ist, dass der expo-

nentielle Verlauf von ud praktisch parallel zur Abszisse verläuft. Ud ist dann gleich dem Spit-

zenwert von us. Dieser Spitzenwertgleichrichter wird in der Messtechnik verwendet.

7.1.3.2 Induktivität und ohmscher Widerstand

Abb. 7.19 zeigt eine einphasige Brückenschaltung mit einer Induktivität L als Glättungsein-

richtung und einem ohmschen Widerstand als Last.

Abb. 7.19: Einphasige Brückenschaltung mit Drossel und ohmschem Widerstand

Der Spannungsverlauf von ud ist in Abb. 7.9.6 dargestellt. id hat hier nicht den Verlauf von

Abb. 7.9.7.

Die überlagerte Spannung mit dem Effektivwert Uü lässt sich durch eine Fourierzerlegung in

eine Summe von Sinusschwingungen mit den Effektivwerten U und den Frequenzen f

aufteilen. Die Grundwelle der überlagerten Spannung hat die Frequenz p f , wie man beim

Betrachten der Abb. 7.3.5, 7.5.3, 7.7.3, 7.9.6 und 7.11.2 erkennt.

Zur Vereinfachung nehmen wir an, die Drossel sei eine reine Induktivität mit dem Wechsel-

stromwiderstand L . Dann liegt der Mittelwert der Gleichspannung Ud völlig an R. Der Ef-

fektivwert der -ten Oberschwingung der überlagerten Wechselspannung am Verbraucher R

sei UR. Es gilt für jede Ordnungszahl , weil R und L einen Spannungsteiler bilden:

22 2

RU R

U R f L

Rdu

di

1~ Lu

L

Ru

Lu

94 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Je größer also die Ordnungszahl ist, desto weniger Wechselspannung liegt am ohmschen

Verbraucher. Da gleich einem ganzzahligen Vielfachen der Pulszahl p ist, nimmt der Auf-

wand an Glättungsmitteln ab, wenn die Pulszahl steigt; L kann kleiner werden für den glei-

chen Effekt.

7.1.3.3 Induktivitäten, Kondensatoren und ohmsche Widerstände

Bei großen Ansprüchen an die Reinheit des Gleichstroms kann die Glättungseinrichtung aus

einer Kettenschaltung von Kondensatoren und Drosseln bestehen. Abb. 7.20 zeigt eine z.B. in

Rundfunkgeräten häufig benutzte Schaltung.

Abb. 7.20: Glättungseinrichtung in Rundfunkgeräten

Wenn id sehr klein ist, wird anstelle der Drossel in Abb. 7.20 ein ohmscher Widerstand be-

nutzt.

In Messgeräten z.B. sind einzelne Frequenzen besonders unerwünscht. Man kann diese Fre-

quenzen durch einen Resonanzkreis aussieben und zwar entweder durch einen Sperrkreis nach

Abb. 7.21, der für seine Resonanzfrequenz einen sehr großen Widerstand darstellt, oder durch

einen Saugkreis nach Abb. 7.22 der Spannungen mit seiner Resonanzfrequenz praktisch kurz-

schließt.

Abb. 7.21: Sperrkreis Abb. 7.22: Saugkreis

CC

L

du

+

-

Verbraucher

C

L

du

+

-

C

L

du

+

-

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 95

___________________________________________________________________________

7.1.4 Unvollkommenheiten realer Ventile

Abb. 7.23: Spannung und Strom am idealen Ventil

Ein ideales Ventil (Abb. 7.23), wie es in Kapitel 7.1.1 definiert wurde, hat eine Kennlinie

nach Abb. 7.24. Durchlassstrom und Sperrspannung liegen auf den Koordinatenachsen. Für

jeden Punkt der Kennlinie eines idealen Ventils ist das Produkt aus Ventilspannung und -

strom gleich Null, es entsteht also im Gegensatz zu wirklichen Ventilen keine Verlustleistung.

Abb. 7.24: Kennlinie eines idealen Ventils

7.1.4.1 Schleusenspannung Us

Bei realen Ventilen muss eine gewisse Spannungsgrenze, die Schleusenspannung, überschrit-

ten werden, ehe überhaupt ein Strom fließt. In der Kennlinie nach Abb. 7.25 ist die Schleu-

senspannung berücksichtigt.

Abb. 7.25: Schleusenspannung

Fi

Fu

Fi

Fu

SU

Fi

Fu

96 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

7.1.4.2 Durchlasswiderstand Rdiff

Wird die Schleusenspannung überschritten, so fließt ein Durchlassstrom. Die Durchlassspan-

nung steigt mit steigendem Durchlassstrom über die Schleusenspannung. Man kann das be-

rücksichtigen, indem man annimmt, ein ohmscher Widerstand Rdiff sei mit dem eigentlichen

Ventil, an dem die Schleusenspannung Us liegt, in Reihe geschaltet. Abb. 7.26 zeigt die hierzu

gehörende Kennlinie. Danach ist

Fdiff

F

uR

i

Abb. 7.26: Differentieller Durchlasswiderstand

Weil Rdiff nicht aus dem Quotienten von uF und iF, sondern aus dem Differenzenquotienten

oder dem Differentialquotienten berechnet werden muss, heißt Rdiff differentieller Durchlass-

widerstand.

In Wirklichkeit ist auch die Beschreibung mit Us und Rdiff eine Näherung, denn die tatsächli-

che Durchlasskennlinie hat den in Abb. 7.27 skizzierten Verlauf. Um aus der gemessenen

Kennlinie die Rechengrößen Us und Rdiff zu berechnen, legt man eine Hilfsgerade so durch die

Kennlinie, das sie diese beim 0,5-fachen und 1,5-fachen Scheitelwert IFM des Durchlassstro-

mes der Gleichrichterdiode bei Nenngleichstrom schneidet. Diese Ersatzgerade schneidet die

Spannungsachse bei der Schleusenspannung Us. Die Neigung dieser Ersatzgerade ergibt den

mittleren differentiellen Durchlasswiderstand Rdiff.

Abb. 7.27: Durchlasskennlinie

Fi

Fu

SU

FM1,5 I

FM0,5 I

Fi

Fu

Fu

Fi

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 97

___________________________________________________________________________

Damit ergibt sich die Durchlassspannung angenähert zu

F s F diffu U i R ,

wie in Abb. 7.26 dargestellt.

7.1.4.3 Sperrstrom

Die Sperrkennlinie nach Abb. 7.28 zeigt, dass auch in Sperrrichtung ein Strom fließt. Er ist

bei modernen Einkristallhalbleiterdioden jedoch im Vergleich zum Durchlassstrom so klein,

dass man ihn vernachlässigen kann.

Abb. 7.28: Sperrkennlinie

7.1.4.4 Durchbruchspannung

Überschreitet die Sperrspannung die Durchbruchspannung, siehe Abb. 7.28, dann fließen

plötzlich große Sperrströme. In diesem Betriebszustand liegt eine hohe Spannung, die Durch-

bruchspannung, am Ventil und gleichzeitig fließt ein großer Strom. Das Produkt dieser beiden

Größen wird als Verlustleistung im Ventil in Wärme umgesetzt. Normale Gleichrichterdioden

werden daher bei diesem Betrieb durch Überhitzung zerstört.

Die so genannten Zenerdioden jedoch können durch einen speziellen Aufbau die Verlustwär-

me ohne zu hohe Temperatur abführen und daher in diesem Zustand betrieben werden. Man

benutzt sie zur Spannungsstabilisierung, denn über einen großen Bereich des Sperrstromes

ändert sich die Durchbruchspannung nur wenig.

Fu

Fi

Durchbruchspannung

Sperrstrom

98 7.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

7.1.5 Belastungskennlinie eines Gleichrichters

Durch die ohmschen Widerstände der Transformatorwicklungen u.ä. nimmt die Spannung an

den Klemmen eines Gleichrichtergerätes mit steigendem Gleichstrom ab. Das Verhalten ist in

Abb. 7.29 als Belastungskennlinie skizziert. Der steilere Verlauf der Kennlinie bei sehr klei-

nen Werten von id, der in Abb. 7.29 übertrieben dargestellt ist, kommt durch die Durchlass-

kennlinie der Ventile zustande.

Abb. 7.29: Belastungskennlinie

Er ist bei Zweiwegschaltungen größer als bei Einwegschaltungen, weil im ersten Fall der

Gleichstrom die Schleusenspannung von zwei in Reihe geschalteten Ventilen überwinden

muss.

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 99

___________________________________________________________________________

7.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag

7.2.1 Funktionshinweise des Schaltbrettes: Gleichrichterschal-tungen

Für die Versuchsdurchführung steht ein Schaltbrett (Abb. 7.30) zur Verfügung, mit dem die

verschiedenen Gleichrichterschaltungen aufgebaut werden können.

Die Versorgung des Gleichrichters erfolgt über den Drehstromtransformator im Labortisch.

Die Sternspannung in einer Phase (z.B. L1 gegen N) soll 24V betragen. Für einzelne Schal-

tungen muss die Phasenlage der Netzphasen gegeneinander verändert werden. Dies geschieht

über den Umschalter am Labortisch neben dem Drehstromtransformator.

Stellung 1 (Schalter oben, rote Lampe aus): Die primären Transformatorstränge werden im

Stern an das vorhandene Drehstromnetz angeschlossen, so dass die Buchsen L1, L2 und L3

am Drehstromtransformator ebenfalls ein symmetrisches Drehstromsystem mit dem Stern-

punkt an Buchse N bilden. In dieser Schalterstellung können die Sternschaltung (M3) und die

Drehstrom-Brückenschaltung (B6) aufgebaut werden.

Stellung 2 (Schalter unten, rote Lampe leuchtet): Die primären Transformatorstränge 1 und 2

liegen gegensinnig an derselben Netzspannung U2N. An den Buchsen L1 und L2 am Dreh-

stromtransformator entsteht dann ein Zweiphasensystem mit dem Mittelpunkt an Buchse N

und den Strangspannungen Us2=-Us1=24V. Der Transformatorzweig L3 soll in diesem Betrieb

nicht benutzt und daher Buchse L3 nicht angeschlossen werden. In dieser Schalterstellung

können die Mittelpunkt- (M2) und die Brückenschaltung (B2) realisiert werden.

Für die Realisierung der einzelnen Schaltungen und zum Anschluss von Messgeräten und

Impedanzen sind in ausreichender Zahl Anschlussbuchsen vorgesehen. Die Schaltungen sol-

len so übersichtlich wie möglich unter Verwendung entsprechend kurzer Verbindungsleitun-

gen oder Kurzschlussstecker aufgebaut werden.

100 7.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

___________________________________________________________________________

N

L1

L2

L3

1

Shunt

1

1 2

2

3

45

N

4

4

3

Abb. 7.30: Schaltbrett für Versuch 7: Gleichrichterschaltungen

7.2.2 Messungen und Versuchsauswertung

1. Für 2 vom Betreuer festzulegende Schaltungen sollen bei jeweils 100dI mA (gemessen

mit Drehspulinstrument) folgende Messungen

a) ohne Glättungsdrossel

b) mit Glättungsdrossel

durchgeführt werden. Schaltung entsprechend Abb. 7.31!

1.1. Oszillographieren Sie Strom und Spannung und drucken Sie für jede Schaltung

die Oszillogramme nach a) und b) aus. Geben Sie die zugehörigen Maßstäbe für

Strom, Spannung und Zeitablenkung auf den Ausdrucken an.

Erläutern Sie in Beiblättern die Oszillogramme und stellen Sie Eigenarten und

Unterschiede der verschiedenen Schaltungen dar.

7. VERSUCH 7: GLEICHRICHTERSCHALTUNGEN 101

___________________________________________________________________________

1.2. Messen Sie gleichzeitig jeweils die Spannung Ud und den Strom Id am Verbrau-

cher mit Drehspulinstrument und Weicheiseninstrument.

Tabellieren und erläutern Sie die Messergebnisse.

Bei welcher Schaltung ist der Unterschied am größten und warum?

2. Für eine vom Betreuer festzulegende Schaltung ist die Belastungskennlinie d dU f I

aufzunehmen. Schaltung entsprechend Abb. 7.32!

Id=0, 5, 10, 30, 50, 100, 200, 250mA (Id=0 durch Öffnen des Stromkreises hinter dem

Voltmeter).

Berechnen Sie die ideelle Leerlaufspannung Udi als arithmetischen Mittelwert von ud(t)

für diese Schaltung und tragen Sie diese in das Diagramm ein (für die Berechnung sind

Us=24V für M2 bzw. Us=48V für B2 gegeben).

Erläutern Sie (schriftlich) den Verlauf der Kurve.

7.2.2.1 Hinweise

Zum Einstellen des Gleichstroms wird an die Buchsen 2 und 3 ein Belastungswiderstand an-

geschlossen.

Beim Einschalten sollte der Widerstand maximal sein. Es ist darauf zu achten, dass die

Strombelastbarkeit des Widerstands nicht überschritten wird!!

Für den Versuchsteil 1.1 stehen digitale Zweikanaloszilloskope zur Verfügung, die mit jedem

Kanal eine Spannung gegen ihre Masse darstellen können. Als Stromsignal dient der Span-

nungsabfall an dem (bereits im Schaltbrett vorhandenen) 1-Shunt.

Achtung: Die beiden Masseanschlüsse des Oszilloskops müssen an derselben Stelle gesetzt

werden.

Der Anschluss folgt entsprechend Abb. 7.31.

102 7.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

___________________________________________________________________________

A A+

RLast

Shunt

-

V V

u(t)i(t)

Kanal1 2

Masse

1 22

4

3

44

Abb. 7.31: Schaltung zu Versuchteil 1

Um die Messungen zu beschleunigen, sollte die Schaltung zum Versuchsteil 1.1 bereits die

vier im Versuchsteil 1.2 erforderlichen Messinstrumente und die Induktivität L (wie in Abb.

7.31 dargestellt) enthalten.

Die Induktivität kann dann, wenn sie nicht erforderlich ist, einfach kurzgeschlossen werden.

Die Schaltung zu Versuchteil 2 ist in Abb.

7.32 dargestellt. Hier muss der Spannungsab-

fall am Amperemeter mit gemessen werden.

Beide Instrumente sollen Drehspulinstrumen-

te sein, wobei als Voltmeter das

hochohmigere verwendet wird.

Abb. 7.32: Schaltung zu Versuchsteil 2

A

+

RLast

Shunt

-

V

1 2

3

44

103

___________________________________________________________________________

Versuch 8: Untersuchung eines Transformators

8.1. Theoretische Grundlagen

8.1.1 Allgemeine Betrachtungen

8.1.1.1 Einführung

Die wichtigste Aufgabe der Transformatoren (kurz: Trafo) in unseren Energieversorgungsnet-

zen ist die Umformung der Spannung auf Werte, die für die Größen von Übertragungsleistung

und -entfernung zweckmäßig sind.

Abb. 8.1: Prinzipdarstellung einer Energieübertragung

Um einen guten Wirkungsgrad und einen geringen Spannungsabfall bei der Übertragung der

Energie vom Erzeuger zum Verbraucher zu erzielen, wird die hohe Spannung auf der Über-

landleitung erst in der Nähe des Verbrauchers heruntertransformiert. Daneben finden Trans-

formatoren noch vielfältige Verwendung wie z.B. als Übertrager, zur Potentialtrennung, für

Messzwecke usw.

S

Primär- Sekundärseite Ober- Unter-

Spannungsseite

Generator Trafo Überlandleitung VerbraucherTrafo

104 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

8.1.1.2 Aufbau eines Transformators

Die beiden wesentlichen Teile des Transformators sind der Eisenkern und die Wicklungen.

Der Kern hat die Aufgabe, den magnetischen Wechselfluss zu führen und die Wicklungen zu

tragen. Der Eisenkern wird aus gegeneinander isolierten, kaltgewalzten und kornorientierten

Blechen (Trafoblech) aufgebaut. Die bewickelten Teile des Eisenkerns heißen Schenkel, die

sie verbindenden Teile sind die Joche.

Für die allgemeine Aufgabe der Umspannung und Potentialtrennung werden zwei Wicklun-

gen benötigt. Die Aufnahmewicklung – auch Primärwicklung genannt- nimmt aus dem vor-

handenen Netz bei der Spannung 1U Leistung auf, während in der Abgabewicklung - der Se-

kundärwicklung - die Spannung 2U erzeugt und Leistung abgegeben wird. Ferner ist noch

eine Unterscheidung der Wicklungen in Oberspannungs- und Unterspannungswicklung ge-

bräuchlich. Die für ein einphasiges Netz gebauten Transformatoren heißen

Einphasentransformatoren. Durch eine konstruktive Zusammenfassung dreier

Einphasentransformatoren entsteht ein Drehstromtransformator.

a) b) c)

Abb. 8.2: Einphasentransformatoren

a), b) Kerntransformatoren c) Manteltransformator

lFe… mittlere Eisenlänge lm… mittlere Windungslänge

Abb. 8.2 zeigt zwei Bauarten für Einphasentransformatoren, den Kerntransformator und den

Manteltransformator. Beim Manteltransformator befinden sich die Wicklungen auf dem Mit-

telschenkel. Sie werden von den Seitenschenkeln und Jochen mantelförmig umschlossen.

Durch diese Rückführung wird der durch den Mittelschenkel gehende Fluss aufgeteilt. Bei

Fel

ml

Fel

ml

Fel

ml

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 105

___________________________________________________________________________

gleicher Induktion wie beim Joch des Kerntransformators braucht hier das Joch nur die halbe

Querschnittsfläche zu haben. Das ergibt eine geringere und damit günstigere Bauhöhe.

Abb. 8.3: Bauformen für Drehstromtransformatoren

Abb. 8.3 zeigt die entsprechenden Bauformen für Drehstromtransformatoren, Drei- und Fünf-

schenkeltransformatoren genannt.

Wie in allen elektrischen Bauteilen treten auch in Transformatoren Verluste auf, die zur Er-

wärmung der Wicklungen und des Eisens führen. Bei Trockentransformatoren ist die Luft das

Kühlmittel und bei Öltransformatoren das Öl, welches eine große Wärmeleitfähigkeit und

auch eine hohe Spannungsfestigkeit (6-mal größer als Luft) besitzt. Ferner wird der Trans-

formator durch das Öl gegen Feuchtigkeit geschützt.

Die Erwärmung des Transformators geschieht auf zwei verschiedene Arten:

1.) In den ohmschen Widerständen der Spulen wird ein Teil der übertragenen Wirkleis-

tung in Wärme umgesetzt und geht damit verloren.

2.) Im Kern des Transformators entstehen die so genannten „Eisenverluste“.

Die Eisenverluste setzen sich zusammen aus den Hystereseverlusten, die infolge der periodi-

schen Ummagnetisierung des Kerns entstehen und aus den Wirbelstromverlusten, die von den

im Kern fließenden elektrischen Wirbelströmen verursacht werden.

Die Fläche, die von der Hystereseschleife umschlossen wird, gibt die für einen vollen Magne-

tisierungsumlauf erforderliche Ummagnetisierungsarbeit pro Volumeneinheit des Eisens an.

Dreischenkeltransformator Fünfschenkeltransformator

106 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 8.4: Hystereseschleife

Bei einer Frequenz f in Hz erfolgen f Umläufe pro Sekunde, woraus sich die Hysterese-

Verlustleistung ergibt.

Nach dem Induktionsgesetz ruft eine Änderung des magnetischen Feldes auch im Eisen eine

elektrische Spannung hervor. Da das Eisen ein elektrischer Leiter ist, treten unter Wirkung

dieser Spannung im Eisen nach dem Ohmschen Gesetz elektrische Ströme auf, die das Eisen

erwärmen. Diese Ströme werden wegen ihrer geschlossenen Bahnen Wirbelströme genannt.

Die Strombahnen liegen senkrecht zu den magnetischen Feldlinien. Um die Wirbelströme und

die damit verbundenen Verluste klein zu halten, wird der Kern des Transformators aus einzel-

nen, gegeneinander isolierten Blechen aufgebaut, so dass die Kreisbahnen der Wirbelströme

nur innerhalb der einzelnen Bleche liegen können.

Nähere Einzelheiten über die heute

verwendeten Bleche sind aus dem

Normblatt DIN 46400 zu entnehmen. Im

Allgemeinen wird nur die Verlustziffer

V (in Watt/kg) für eine Induktion von 1T

(V1,0) und für 1,5T (V1,5) angegeben, die

die Hysterese- und Wirbelstromverluste

beinhaltet.

Abb. 8.5: Wirbelströme in gegenei-

nander isolierten Blechen

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 107

___________________________________________________________________________

Beispiel: Beste Blechsorte: 0,35mm Dicke; bei f=50Hz

mit folgende Verlustziffern: V1,0 = 0,75 W/kg

V1,5 = 2 W/kg

8.1.1.3 Definition verschiedener Transformatordaten -VDE 0532-

Ein Transformator wird für einen bestimmten Arbeitspunkt ausgelegt. Der Betrieb in diesem

Arbeitspunkt wird als Nennbetrieb bezeichnet. Bei Nennbetrieb ist der Transformator in der

Lage, die erzeugte Verlustleistung abzuführen, ohne sich dabei im Dauerbetrieb über die

Grenztemperatur zu erwärmen. In den Bestimmungen des Verbandes Deutscher Elektrotech-

niker (VDE) wird definiert:

Es liegt Nennbetrieb vor, wenn auf der Primärseite mit Nennspannung eingespeist und auf der

Sekundärseite Nennstrom abgegeben wird.

Die Nennspannung auf der Sekundärseite ist die Spannung, die im Leerlauf gemessen wird,

wenn auf der Primärseite die Nennspannung mit der Nennfrequenz anliegt. Primäre und se-

kundäre Nennspannung werden bei Drehstromtransformatoren als Leiterspannungen angege-

ben.

Als Nennleistung des Transformators wird die Scheinleistung N N NS U I bzw. bei Dreh-

strom 3 N N NS U I in VA, kVA, MVA oder GVA angegeben.

Das Typenschild enthält folgende Größen:

Nennspannung, Nennleistung, Nennstrom, Nennfrequenz, relative Kurzschlussspannung und

Schaltungsart. Dazu kommen noch Hersteller, Modellbezeichnung und Fertigungsnummer.

8.1.2 Grundlagen

Die nachfolgenden theoretischen Überlegungen werden an einem Einphasentransformator

durchgeführt. Die Verhältnisse gelten bei symmetrisch aufgebauten Drehstromtransformato-

ren für jede Phase in gleicher Weise.

8.1.2.1 Der ideale Transformator

Der ideale Transformator erfüllt folgende Bedingungen.

1.) Im Transformator entstehen keine Verluste, d.h. es gibt keine ohmschen Wicklungs-

widerstände sowie keine Eisenverluste.

108 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

2.) Der gesamte erzeugte Fluss Φ verläuft im Eisen, d.h. der magnetische Widerstand

RmFe des Eisens ist sehr klein gegenüber dem magnetischen Widerstand der Luft RmL

wegen μrFe >> μrL = 1:

FemFe

Fe 0 rFe

lR

A

(8.1)

mit lFe = mittlere Eisenlänge und AFe = Querschnitt der Eisens

Das magnetische Verhalten des idealen Transformators wird durch zwei Gleichungen be-

schrieben:

Zum Einen durch das ohmsche Gesetz des magnetischen Kreises, das aus dem Durchflu-

tungsgesetz abgeleitet ist:

m m

I w

R R (8.2)

Daraus folgt, dass bei sehr kleinem RmFe der zur Erzeugung des Flusses Φ erforderliche Mag-

netisierungsstrom I sehr klein ist und im Grenzfall gegen Null geht (idealer Transformator).

Zum anderen ist das Induktionsgesetz zu nennen:

( )

d

u t wdt

(8.3)

Dieses liefert bei sinusförmigem Flussverlauf sin t

folgendes Ergebnis:

( ) cos

d

u t w w tdt

(8.4)

Mit dem Effektivwert der Spannung U :

1ˆ4,44 4,44

2

FeU w f w f w B A

(8.5)

Diese Gleichung wird in der Literatur auch als Trafoentwurfsgleichung bezeichnet. Sie enthält

den Effektivwert der Spannung (weil dies der für den Leistungsumsatz relevante Wert einer

Wechselspannung ist) und den Scheitelwert des Flusses (weil dieser, verbunden mit dem Ei-

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 109

___________________________________________________________________________

senquerschnitt AFe bestimmt, wie weit das Eisen gesättigt wird). Wenn ein Transformatorkern

mit vorgegebenem AFe und bekannter Sättigungsinduktion vorliegt, kann aus der Transforma-

torentwurfsgleichung für eine vorgegebene Frequenz die Windungsspannung (U/w) ermittelt

werden. Für die gewünschten Anschlussspannungen ergeben sich daraus die Windungszahlen.

Der Eisenquerschnitt ist eine das Volumen und Gewicht bestimmende Größe und verhält sich

proportional zur Spannung. Die zweite Größe, die Volumen und Gewicht eines Transforma-

tors bestimmt, ist das Fenster im Eisenkern, das von den Wicklungen ausgefüllt wird. Dieses

bestimmt über den Drahtquerschnitt den zulässigen Strom der Wicklungen. Daher bestimmt

bei konstanter Frequenz die Größe eines Transformatorkerns (Volumen, Gewicht) in erster

Näherung die von diesem übertragbare Leistung (U·I). Mit steigender Frequenz nimmt diese

zu. Dies ist der Grund für die geringe Größe von Schaltnetzteilen, da diese mit einer höheren

Frequenz als die Netzfrequenz betrieben werden.

Der magnetische Fluss durchsetzt sowohl die primäre Wicklung w1, als auch die sekundäre

Wicklung w2. Für beide Wicklungen gelten sowohl das Induktionsgesetz (8.3) als auch die

Trafoentwurfsgleichung (8.5) mit demselben Fluss Φ aber den jeweiligen Spannungen U1 und

U2 sowie Windungszahlen w1 und w2.

Wenn man z.B. die Trafoentwurfsgleichung für beide Wicklungsseiten aufstellt und diese

durcheinander dividiert, ergibt sich:

1 1

2 2

U w

U w (8.6)

Das Windungszahlverhältnis 1 2w w wird auch als Übersetzungsverhältnis ü bezeichnet:

1

2

w

üw

(8.7)

Das Ersatzschaltbild, für Primär- und Sekundärwicklung getrennt aufgestellt, hat folgende

Form:

110 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Abb. 8.6: Ersatzschaltbild, Primär- und Sekundärwicklung getrennt

Hierin sind die Wicklungen als Induktivitäten dargestellt. Das Ziel ist aber, für den Transfor-

mator nur ein einziges Ersatzschaltbild aufzustellen. Das ließe sich leicht durchführen, wenn

U1 = U2 wäre; was gleichbedeutend ist mit der Forderung w1 = w2. Unter dieser Annahme

hätte das Ersatzschaltbild folgende Form:

Abb. 8.7: Ersatzschaltbild, Primär- und Sekundärwicklung zusammengefasst

Die Induktivitäten der Primär- und Sekundärwicklung sind dabei zu einer einzigen so genann-

ten Hauptinduktivität Lh zusammengefasst.

Geht nach Gleichung (8.1) der magnetische Widerstand Rm → 0, so ergibt sich mit

2 1 h

m

L wR

(8.8)

die Hauptinduktivität Lh → ∞. Im Ersatzschaltbild ist zu erkennen, dass dann folgende Bezie-

hung gilt:

I1 = I2. (8.9)

2U

1I

1U Z

2I

hL

2U

1I

1U Z

2I

1L2L

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 111

___________________________________________________________________________

Nun hat aber normalerweise die Sekundärwicklung des Transformators eine andere Win-

dungszahl als die Primärwicklung. Das bedeutet: U2 besitzt einen anderen Wert als U1. Das

eben abgebildete Ersatzschaltbild kann beibehalten werden, wenn die elektrischen Größen der

Sekundärseite auf die Primärseite umgerechnet werden. Die umgerechneten Größen werden

mit einem ´ gekennzeichnet. Es muss also folgende Beziehung erfüllt sein:

1 2U U (8.10)

Oder unter Berücksichtigung von Gleichung (8.6)

12 2 2

2

w

U U ü Uw

(8.11)

Bei Belastung fließt auf der Sekundärseite der Strom I2. Bei der Transformation darf sich die

Scheinleistung S2 nicht ändern. Somit gilt:

2 2S S

2 2 2 2U I U I

2 22 2 2 2

2 1

1

U wI I I I

U w ü (8.12)

Ein Verbraucher wird nach folgender Überlegung umgerechnet:

2 2

2 22

U US

Z Z

22

22 1

2

2 2

U wZ Z Z ü Z

U w (8.13)

Da sich auch die Größen Wirk- und Blindleistung nicht ändern dürfen, bleibt auch deren Ver-

hältnis zu einander konstant und es gilt:

Z R jX

Z R jX

(8.14)

2

21

2

wR R ü R

w

(8.15)

112 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

2

21

2

wX X ü X

w

(8.16)

Widerstände werden mit dem Quadrat des Übersetzungsverhältnisses transformiert.

Das Ersatzschaltbild hat nun folgendes Aussehen:

Abb. 8.8: Ersatzschaltbild mit umgerechneten Größen

Auf der umgerechneten Sekundärseite fließt der Strom 2I . Da die Induktivität Lh unendlich

groß ist, fließt durch sie kein Strom. Es gilt deshalb:

1 2I I

Aus 12 2

2

wI I

w ergibt sich dann

12 1 1

2

w

I I ü Iw

. (8.17)

Der ideale Transformator arbeitet wie ein verlustloses Getriebe. Er übersetzt die Spannung im

Windungszahlverhältnis und die Ströme im umgekehrten Windungszahlverhältnis.

8.1.2.2 Der verlustbehaftete Transformator

Der verlustbehaftete reale Transformator unterscheidet sich vom idealen Transformator in

folgenden Punkten:

1.) Primär- und Sekundärwicklung besitzen einen ohmschen Widerstand.

2U

1I

1U Z

2I

hL

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 113

___________________________________________________________________________

2.) Nur ein Teil des in den Windungen erzeugten Flusses, der so genannte Hauptfluss,

verläuft vollständig im Eisen und ist mit beiden Wicklungen verkettet. Der andere

Teil, der Streufluss, schließt sich über Nebenwege.

3.) Die relative Permeabilität µr ist nicht unendlich groß. Der magnetische Widerstand Rm

ist deshalb größer Null. Es muss ein Magnetisierungsstrom Iµ fließen, damit ein Fluss

aufgebaut werden kann.

4.) Auf Grund der Ummagnetisierung entstehen im Eisen Verluste.

Es wird vom Ersatzschaltbild des idealen Transformators ausgegangen und die unter 1 – 4

aufgeführten Besonderheiten auf folgende Weise berücksichtigt:

Die Wicklungswiderstände R1 und R2 der Primär- und Sekundärwicklung werden herausgezo-

gen und als Vorwiderstände in die Zuleitungen zu den Wicklungen gelegt. Die Spulen haben

dann keinen Widerstand mehr. Wenn beide Wicklungen Strom führen, besitzen beide Wick-

lungen einen Streufluss. Dies wird berücksichtigt, indem als Maß für den Streufluss ein

Streublindwiderstand X L definiert und dieser in die Zuleitungen zu den Wicklungen

gelegt wird; auf der Primärseite Xσ1, auf der Sekundärseite Xσ2.

Wird an die Primärseite eines Transformators eine Spannung U1 gelegt, so fließt der Strom I1.

Dieser erzeugt mit den w1 primären Windungen die magnetische Erregung

1 1 1 I w

Nach Gleichung 8.2 wird dadurch ein Fluss aufgebaut

1 11

m

I w

R

0

Fem

Fe rFe

lR

A

Bei unterschiedlichen Querschnitten und Längenabschnitten im Eisenkreis setzt sich der Ge-

samtwiderstand Rm additiv aus den einzelnen Teilwiderständen zusammen.

Der magnetische Widerstand Rm ist beim realen Transformator nicht konstant, sondern eine

veränderliche Größe. µr stellt eine Funktion der Induktion B dar und ist somit auch von Φ

abhängig.

( ) ( )

r f B fA

(8.18)

Der Zusammenhang ist in der Magnetisierungskurve gegeben. Daraus folgt, dass zwischen

dem Fluss Φ und dem Strom I1 kein linearer Zusammenhang besteht.

114 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Der von 11 wI erzeugte Fluss verläuft nur zu einem Teil im Eisen und durchsetzt die Sekun-

därspule. Diesen Fluss bezeichnet man als Hauptfluss Φh. Der Teil, der sich über magnetische

Nebenwege (Luft) schließt und die Sekundärspule nicht durchsetzt, wird als Streufluss Φσ

bezeichnet. Der Hauptfluss Φh durchsetzt Primär- und Sekundärwicklung und induziert

in der Wicklung 1 die Spannung 1 1( )

h

du t w

dt (8.19)

und in der Wicklung 2 die Spannung 2 2( )

h

du t w

dt. (8.20)

Es stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein, indem die induzierte Spannung U1h geometrisch

mit den Spannungsabfällen an R1 und Xσ1 addiert, gleich der angelegten Spannung U1 wird.

Aus Gleichung (8.19) und (8.20) ergibt sich nach der Darstellung der Spannungen u1h(t) und

u2h(t) wie in der Trafoentwurfsgleichung die Beziehung:

1 1

2 2

h

h

U wü

U w

Der reale Transformator kann jetzt dargestellt werden durch einen idealen Transformator mit

der Eingangsspannung U1h, der Ausgangsspannung U2h und vorgeschalteten Widerständen R1,

Xσ1 und nachgeschalteten Widerständen R2, Xσ2.

Abb. 8.9

Für die Eisenverluste wird noch ein Ersatzwiderstand RFe eingeführt, der parallel zur Haupt-

induktivität liegt. Durch ihn fließt der Eisenverluststrom Iv.

Beim vollständigen Ersatzschaltbild müssen wie beim Ersatzschaltbild des idealen Transfor-

mators die Größen der Sekundärseite auf die Primärseite umgerechnet werden.

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 115

___________________________________________________________________________

Abb. 8.10:Ersatzschaltbild realer (verlustbehafteter) Transformator

Damit in jedem Augenblick die für den Aufbau des Flusses notwendige Durchflutung Θ0 auf-

gebracht wird, muss für die Augenblickswerte der Durchflutung folgendes garantiert werden:

201

1 1 0 1 2 2 I w I w I w (8.21)

Diese Gleichungen stellen die Magnetisierungsbedingungen des Transformators dar. Θ1 ist

also von der sekundären Belastung des Transformators abhängig.

Die Transformation der Sekundärseite auf die Primärseite geschieht in der gleichen Weise,

wie sie schon beim idealen Transformator abgeleitet wurde. Es gelten dabei die gleichen Be-

ziehungen:

12 2

2

h h

wU U

w

2

212 2 2

2

wR R ü R

w

12 2

2

wU U

w

2

212 2 2

2

wX X ü X

w

(8.22)

Aus dem Ersatzschaltbild lassen sich jetzt leicht die Spannungsgleichungen aufstellen. Dabei

wird für den Primärkreis das gleiche Zählsystem zugrunde gelegt wie für den Sekundärkreis.

1 11 11 1 hU R I jX I U (8.23)

2 22 2 2 2hU U R I jX I (8.24)

1I

0I

I

2I '

2 'U1U

FeI

hX

1R X X

2R

FeR 1h 2h'U U

116 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Bei ohmsch-kapazitiver Last sieht das Zeigerbild dann wie folgt aus:

Abb. 8.11:Zeigerbild für ohmsch-kapazitiven Last

Die dargestellten Spannungsabfälle in Abbildung 8.11 sind dabei stark übertrieben dargestellt.

In der Realität bewegen sich die Unterschiede zwischen U1 und U2 typischerweise im einstel-

ligen Prozentbereich. Die Zahlenwerte der Widerstände im Ersatzschaltbild sind stark von der

Nennleistung des Transformators abhängig. Einen größenordnungsmäßigen Anhalt geben

folgende Zahlen:

1 2 1 2: : : : : 1:1: 2 : 2 :1000:10000. h FeR R X X X R

8.1.3 Betriebsverhalten des Transformators

8.1.3.1 Leerlauf

Unter Leerlauf versteht man: Die Sekundärseite ist offen. Der Strom I2 ist 0. Der Sekundär-

kreis übt keine Rückwirkung auf den Primärkreis aus.

Im Ersatzschaltbild sind die Spannungsabfälle an R2’ und Xσ2’ gleich 0. Das Ersatzschaltbild

hat dann folgende vereinfachte Form nach Abb. 8.12:

Es gilt: 2 2 1h hU U U

FeI

I

0I

1I2I

1U

2U

1h 2h'U UR2U

R1U

XU

h Re

Im

X'U

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 117

___________________________________________________________________________

Im Primärkreis fließt jetzt der Leerlaufstrom I0. Der Leerlaufstrom braucht nur die zum Auf-

bau des Flusses notwendige Durchflutung Θ0 zu erzeugen. Er ist deshalb sehr klein. Die

Spannungsabfälle an R1 und Xσ1 sind gegenüber U1 bzw. U1h zu vernachlässigen.

Deshalb gilt: 1 1 2hU U U 21

Dabei ist 12 2

2

wU U

w

Wir erhalten: 11 2

2

w

U Uw

Abb. 8.12: Ersatzschaltbild und Zeigerbild für den Leerlauffall

In Abb. 8.12 sind die Spannungsabfälle UR1 und UXσ1 stark übertrieben dargestellt. Üblicher-

weise können sie, wie in Abb. 8.13 dargestellt, vernachlässigt werden.

Abb. 8.13: Ersatzschaltbild und Zeigerbild für den Leerlauffall (zusammengefasst)

IFeI

FeR 1hUhX

1U

FeI

I

0I

1 1hU U

hRe

Im

1 0I I

I

1U

FeI

hX

1R X

FeR 1hU

FeI

I

0I

1U

1hU

R1U

XU

h Re

Im

118 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Im Leerlauf verhalten sich Primär- und Sekundärspannung wie die Windungszahlen. Sie wer-

den wie beim idealen Transformator übersetzt. Da das Verhältnis der Spannungen gemessen

werden kann, die Windungszahlen aber nicht, ist in VDE 0532 das Verhältnis der Leerlauf-

spannungen als Nennübersetzung ü festgelegt.

8.1.3.2 Kurzschluss

Kurzschluss bedeutet: Die Sekundärwicklung ist kurzgeschlossen. U2 = 0. Es fließt ein hoher

Strom I2. In jedem Augenblick muss gelten:

1 0 2

Das bedeutet: auf der Primärseite muss ebenfalls eine hohe Durchflutung vorhanden sein. Im

Ersatzschaltbild kann dann I0 gegenüber 2I und I1 vernachlässigt werden.

Abb. 8.14: Ersatzschaltbild für den Kurzschlussfall

Oder zusammengefasst:

Abb. 8.15: Ersatzschaltbild und Zeigerbild für den Kurzschlussfall (zusammenge-

fasst)

1I 2I '1R X X

2R

1U

1U

KI KR KX

1UKI

KXU

Re

Im

KRU

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 119

___________________________________________________________________________

1 2KR R R

1 2KX X X

1 2KI I I (8.26)

Aus der Beziehung: 1 2 folgt

1 1 2 2 w I w I

21 2

1

w

I Iw

(8.27)

Im Kurzschlussfall werden die Ströme wie beim idealen Transformator übersetzt.

8.1.4 Berechnung und Messung der Größen des Ersatzschalt-bildes

8.1.4.1 Leerlaufversuch

Der Leerlaufversuch wird normalerweise (z.B. bei Untersuchung eines in der Energievertei-

lung üblichen 20 kV/400 V Transformators) von der Unterspannungswicklung aus gefahren,

um auf den Einsatz eines Hochspannungsspeisetransformators verzichten zu können. Dabei

wird an den Transformator seine Nennspannung gelegt:

0 NU U

Dabei werden der Leerlaufstrom I0 und die Wirkleistung P0 gemessen. Die gemessenen Ver-

luste entsprechen den Eisenverlusten V0 des Transformators, da die in R1 entstehenden Kup-

ferverluste wegen des geringen Leerlaufstromes vernachlässigt werden können. Aus dem ver-

einfachten Ersatzschaltbild (Abb. 8.13) können RFe und Xh berechnet werden:

0 0cos FeI I 0 00

0 0

cos

N

P P

U I S

0 0sin I I

120 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

2

0 0

0

Fe

Fe

U UR

I P (8.28)

0

h

UX

I 2 h hX f L (8.29)

Das Verhältnis 0 NI I wird mit dem relativen Leerlaufstrom i0 gekennzeichnet und in % ange-

geben.

8.1.4.2 Kurzschlussversuch

Der Kurzschlussversuch wird meistens von der Oberspannungsseite durchgeführt, da andern-

falls ein Speisetransformator notwendig wäre, der sehr hohe Ströme bei niedrigen Spannun-

gen bereitstellen kann. Da nicht die volle Höhe der Nennspannung an die Oberspannungsseite

angelegt werden muss, kann im Idealfall der Kurzschluss- und Leerlaufversuch mit einem

speisenden Stelltransformator durchgeführt werden.

Während des Versuchs ist die Unterspannungsseite kurzgeschlossen ist. Die angelegte Span-

nung UK wird so eingestellt, dass auf der Sekundärseite der Nennstrom I2N fließt. Da der Leer-

laufstrom I0 bei der Spannung UK sehr klein ist, wird er vernachlässigt. Auf der Primärseite

fließt dann ebenfalls der Nennstrom I1N. Eine Vernachlässigung von I0 bedeutet gleichzeitig

eine Vernachlässigung der Eisenverluste. Die in einem Wattmeter gemessene Wirkleistung

stellt die in den ohmschen Widerständen R1 und R2 entstehende Verlustleistung dar. Für den

Kurzschluss gilt das Ersatzschaltbild nach Abb. 8.15. Dabei ist:

1 2KR R R , 1 2KX X X , K K KZ R jX

cos

KK

K K

P

U I

1 2 2cos K

K K

K

PR R Z

I (8.30)

1 2 sinK KX X Z (8.31)

Es lassen sich also nur die Summen der Wirk- und Blindwiderstände bestimmen. Wenn man

die meist zulässige Annahme macht, dass

1 2R R und 1 2X X

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 121

___________________________________________________________________________

ist, so kann man1R ,

2R , 1X , 2X des Transformators bestimmen.

Das Verhältnis aus der bei Nennstrom angelegten Spannung UK zur Nennspannung UN wird

als relative Kurzschlussspannung uK bezeichnet:

KK

N

Uu

U (8.32)

Da der Transformator sich im Kurzschluss wie ein linearer Scheinwiderstand ZK verhält, stellt

die relative Kurzschlussspannung gleichzeitig das Verhältnis von Nennstrom IN zu Dauer-

kurzschlussstrom IK dar, der bei angelegter Nennspannung fließt.

K K NU Z I

N K KU Z I

NKK

N K

IUu

U I (8.33)

Die relative Kurzschlussspannung uK liegt z.B. bei Transformatoren mit einer Leistung von 30

– 40000kVA nach DIN 42502 in einer Größenordnung von 3,5 bis 11%.

8.1.4.3 Wirkungsgrad

Im Transformator treten bei Belastung zwei Gruppen von Verlusten auf; die Eisen- und die

Wicklungsverluste. Sie werden durch den Leerlauf- und den Kurzschlussversuch ermittelt.

Der Wirkungsgrad errechnet sich aus dem Verhältnis der an den Verbraucher abgegebenen

Wirkleistung Pab zu der aus dem Netz aufgenommenen Wirkleistung Pzu.

100 % ab

zu

P

P

Oder anders geschrieben:

ab

ab ges

P

P V.

Wenn der Wirkungsgrad für Nennbetrieb bestimmt werden soll, so müssen im Leerlauf- bzw.

Kurzschlussversuch die jeweiligen Verluste so ermittelt werden, wie sie später bei Nennbe-

trieb auftreten.

Der Leerlaufversuch zur Ermittlung der Eisenverluste muss bei Nennspannung erfolgen.

122 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

Unter zulässiger Vernachlässigung des Spannungsabfalls an R1 und Xσ1 liegt im Ersatzschalt-

bild am Eisenverlustwiderstand die Spannung U1. Im Nennbetrieb also U1N.

Der Kurzschlussversuch muss bei Nennstrom durchgeführt werden. Die Wicklungsverluste

PK errechnen sich nach der Formel:

2 K K KP I R (8.34)

Im Nennbetrieb also:

2 KN N KP I R

Die Eisenverluste errechnen sich nach

2

1 hFe

Fe

UP

R.

Da auch bei Belastung des Transformators die Spannungsabfälle an R1 und Xσ1 gegenüber U1

zu vernachlässigen sind, ist 1 1 hU U und die Eisenverluste sind bei angelegter Netzspannung

annähernd konstant. Bei angelegter Nennspannung sind die Eisenverluste weitgehend unab-

hängig von der Größe der sekundären Belastung.

2

0

ges cu

N

IV V V

I

Mit dieser Formel können die Gesamtverluste bei bekannten Nennverlusten für verschiedene

Belastungen umgerechnet werden

2

2

2 0

cos

cos

N

ab N

ab ges

N cu

N N

IS

P I

P V I IS V V

I I

(8.35)

8.1.5 Transformatoren für besondere Zwecke

Beim Messen von hohen Wechselspannungen und -strömen sind die Messgeräte oft nicht

mehr in der Lage, diese unmittelbar zu erfassen. Es werden also Wandler sowohl für Ströme

als auch für Spannungen benötigt, die diese Größen herunter transformieren. Transformatoren

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 123

___________________________________________________________________________

sind unter bestimmten Bedingungen dazu geeignet, als Strom- und Spannungswandler mit

möglichst kleinem Messfehler zu fungieren.

8.1.5.1 Stromwandler

Es wird die Forderung gestellt, dass die Beziehung

1 2

2 1

1

I w

I w ü

möglichst exakt erfüllt sein muss. Aus dem Ersatzschaltbild wird deutlich, dass dies nur der

Fall ist, wenn 0 0 ist. Diese Bedingung ist, wie schon früher gezeigt, im Kurzschlussfall

erfüllt.

Ein Stromwandler arbeitet jedoch nur angenähert im Kurzschluss, denn er wird mit einem

kleinen ohmschen Widerstand (Bürde) belastet, der entweder aus den Innenwiderständen der

Strompfade eines Amperemeters besteht oder an dem eine dem Sekundärstrom proportionale

Spannung zu Messzwecken abgegriffen wird. Der Stromwandler arbeitet mit einer eingepräg-

ten Durchflutung, die durch den zu messenden Strom hervorgerufen wird. Der Stromwandler

darf nie im Leerlauf betrieben werden, weil sonst auf Grund der fehlenden sekundären Ge-

gendurchflutung Θ2 die primäre Durchflutung den Wandler schnell in die Sättigung treiben

würde. Außerdem würden an den Klemmen der Sekundärseite Überspannungen auftreten. Der

Wandler würde dann durch unzulässige Erwärmung zerstört. Man definiert die

Wandlerkonstante zu

i

primärer Nennstromc

sekundärer Nennstrom.

Liegt im Sekundärkreis ein Amperemeter, so ergibt

sich der tatsächliche Strom aus der Beziehung:

1 i A AI c c (8.36)

cA… Amperemeterkonstante in A/Skt

αA… Ausschlag des Amperemeters in Skt

Abb. 8.16: Stromwandler

K

L

k

l

2I

1I

A

124 8.1. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

___________________________________________________________________________

8.1.5.2 Spannungswandler

Wir stellen die Forderung, dass die Beziehung

1 1

2 2

U w

üU w

möglichst exakt erfüllt ist. Aus dem Ersatzschaltbild wird deutlich, dass dies nur bei I2=0 zu

erreichen ist und wenn die Spannungsabfälle an R1 und an Xσ1 zu vernachlässigen sind. Ein

Spannungswandler arbeitet fast im Leerlauf.

Die Bürde besteht aus dem hohen Innenwidertand des Spannungspfades eines Spannungsmes-

sers. Damit ist fast der Leerlauffall gegeben.

Man definiert die Spannungskonstante:

u

primäre Nennspannungc

sekundäre Nennspannung

1 u v vU c c (8.37)

cv… Voltmeterkonstante in V/Skt

αv… Ausschlag des Voltmeters in Skt

Abb. 8.17: Spannungswandler

8.1.5.3 Drehstromtransformator

Ein Drehstromtransformator kann aus drei gleichen Einphasentransformatoren aufgebaut

werden (Transformatorbank). Deutlich weniger Gesamtvolumen und -masse erhält man durch

Zusammenfassung der Eisenkreise zu einem gemeinsamen Transformator nach Bild 8.3.

Für einen symmetrischen Transformator, der symmetrisch belastet wird, kann ein einpoliges

Ersatzschaltbild aufgestellt werden, das Bild 8.10 entspricht. Die darin enthaltenen Spannun-

gen (U1, U2’, Uh) entsprechen der Sternspannungen und die Ströme (I1, I2’) den Leiterströmen

des Drehstromsystems. Damit wird in dem einpoligen Ersatzschaltbild ein Drittel der gesam-

ten Drehstromleistung umgesetzt.

V1U

U

V

u

v

2U

8. VERSUCH: UNTERSUCHUNG EINES TRANSFORMATORS 125

___________________________________________________________________________

Die Primär- und Sekundärseiten eines Drehstromtransformators können unabhängig vonei-

nander in Dreieck, Stern oder Zickzack (spezielle Sternschaltung mit auf zwei Schenkeln ver-

teilter Strangwicklung) geschaltet sein. Die sich daraus ergebenden speziellen Eigenschaften

des Drehstromtransformators werden in der Vorlesung „Elektrische Energietechnik“ behan-

delt.

126 8.2. AUFGABEN UND HINWEISE ZUM VERSUCHSTAG

8.2 Aufgaben und Hinweise zum Versuchstag

8.2.1 Versuchsdurchführung

A

W V AV V

A

0...50V

50Hz 300

Wdg150

Wdg

Abb. 8.18: Versuchsschaltung

1.) Bauen Sie die oben angegebene Versuchsschaltung auf. Schalten Sie nichts ein, bevor

der Betreuer Ihren Aufbau geprüft hat.

2.) Messen Sie im Leerlauf U20, I10 und P10 in Abhängigkeit von U10. U10 = 20…40V in

5V-Schritten.

3.) Messen Sie im Kurzschlussversuch U1K, I1K und P1K in Anhängigkeit von IK2.

IK2 = 1…2A in 0,25A-Schritten.

4.) Belasten Sie den Transformator bei U1 = 40V mit einem Kondensator und messen Sie

I1, P1, U2 und I2.

8.2.2 Versuchsauswertung

1.) Berechnen Sie für alle Messungen 1S und cos

2.) Tragen Sie U20 und 0cos als Funktion von U10 und I1K und cos K als Funktion von

I2K jeweils in ein Diagramm ein.

3.) Beziehen Sie alle Sekundärgrößen auf die Primärseite und zeichnen Sie je ein Zeiger-

diagramm für den Leerlauf-, den Kurzschluss- und den kapazitiven Belastungsfall.