Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

52
3 Strömungstheoretische Grundlagen 3.1 Grundgleichungen Die Grundgleichungen, die das Verhalten eines strömenden Fluids beschreiben, for- mulieren die Gesetze, die den Vorgang bestimmen. In einem cartesischen Koordinaten- system Xl> X2, x a ' Abb. 3.1.1, lautet die Kontinuitätsgleichung allgemein oe + 1: O(eCi) = 0, i = 1, 2, 3. 3.1(1) ot i OXi Abb. 3.1.1 Zur Kontinuitätsbetrach- tung am Raumelement. Xz Das Bewegungsgesetz ist für die drei Koordinatenrichtungen zu formulieren und hat für jede Richtung i die Form oC; + 1: Cj OCi = F; - ..!. op +..!. 1: OTij, j = 1 ... 3. 3.1(2) ot j OXj e OXi e; OXj Hier ist Fi die i-Komponente einer allfälligen Feldkraft (auf die Masseneinheit bezogen). Weiter ist Tij im betrachteten Punkt des Strömungsfeldes die in die Richtung i weisende Schub- spannung auf ein Flächenelement, dessen Flächennormale in die Richtungj weist. Die Schub- spannungen kennzeichnen die Reibung. Dem ist die Hauptgleichung der Thermodynamik dp Tds=dh-- 3.1(3) e beizufügen. Zusammen mit der Definition der Entropie spricht sie den ersten Hauptsatz aus, und mit der zusätzlichen Aussage, daß ds vollständiges Differential ist, hat man auch den zweiten Hauptsatz eingeführt. Die thermische und die kalorische Zustandsgleichung e = e(p, T), 3.1(4) h = h(p, T) 3.1(5) beschreiben das thermodynamische Verhalten des Fluids und ihre gegenseitige Abstim- mung (Gleichung von Clausius) impliziert wiederum den zweiten Hauptsatz. Das damit gegebene System von Grundgleichungen ist insofern noch nicht vollstän- dig, als noch eine Information benötigt wird über die Verteilung der Schubspannungen im Strömungsraum und über die Entropieänderung, die das einzelne Fluidteilchen erfährt. Letztere ist selbst wiederum Funktion der Schubspannungsverteilung, da diese mit dem W. Traupel, Thermische Turbomaschinen © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001

Transcript of Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

Page 1: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3 Strömungstheoretische Grundlagen

3.1 Grundgleichungen

Die Grundgleichungen, die das Verhalten eines strömenden Fluids beschreiben, for­mulieren die Gesetze, die den Vorgang bestimmen. In einem cartesischen Koordinaten­system Xl> X2, xa' Abb. 3.1.1, lautet die Kontinuitätsgleichung allgemein

oe + 1: O(eCi) = 0, i = 1, 2, 3. 3.1(1) ot i OXi

Abb. 3.1.1 Zur Kontinuitätsbetrach­tung am Raumelement.

Xz

Das Bewegungsgesetz ist für die drei Koordinatenrichtungen zu formulieren und hat für jede Richtung i die Form

oC; + 1: Cj OCi = F; - ..!. op +..!. 1: OTij, j = 1 ... 3. 3.1(2) ot j OXj e OXi e; OXj

Hier ist Fi die i-Komponente einer allfälligen Feldkraft (auf die Masseneinheit bezogen). Weiter ist Tij im betrachteten Punkt des Strömungsfeldes die in die Richtung i weisende Schub­spannung auf ein Flächenelement, dessen Flächennormale in die Richtungj weist. Die Schub­spannungen kennzeichnen die Reibung.

Dem ist die Hauptgleichung der Thermodynamik

dp Tds=dh-- 3.1(3)

e beizufügen. Zusammen mit der Definition der Entropie spricht sie den ersten Hauptsatz aus, und mit der zusätzlichen Aussage, daß ds vollständiges Differential ist, hat man auch den zweiten Hauptsatz eingeführt. Die thermische und die kalorische Zustandsgleichung

e = e(p, T), 3.1(4)

h = h(p, T) 3.1(5)

beschreiben das thermodynamische Verhalten des Fluids und ihre gegenseitige Abstim­mung (Gleichung von Clausius) impliziert wiederum den zweiten Hauptsatz.

Das damit gegebene System von Grundgleichungen ist insofern noch nicht vollstän­dig, als noch eine Information benötigt wird über die Verteilung der Schubspannungen im Strömungsraum und über die Entropieänderung, die das einzelne Fluidteilchen erfährt. Letztere ist selbst wiederum Funktion der Schubspannungsverteilung, da diese mit dem

W. Traupel, Thermische Turbomaschinen© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001

Page 2: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

94 3 Ströillungstheoretische Grundlagen

Geschwindigkeitsfeld zusammen die Energiedissipation bestimmt; außerdem hängt sie ab vom Wärmetransport im Feld. In turbulenter Strömung, die in Turbomaschinen praktisch stets vorliegt, müssen solche Angaben immer mindestens teilweise aus der Empirie gewon­nen werden. Bei der Laminarströmung läßt sich ein streng begründeter Schubspannungs­ansatz angeben in der Form

_ [OCi Oej 2 15 '" OCa] "Cij - 1) <>: + <>: - -3 ij ""';:;- ,

uXJ uX, '" uX", 3.1(6)

wo 1) die Zähigkeit ist und Gij = 1 für i = j, bzw. Gij = 0 für i =l= j. Im turbulenten Bereich sind alle in den Gleichungen stehenden Strömungsgrößen aufzufassen als statistische Mittel­werte, denen sich noch Fluktuationen überlagern, die durch einen Akzent gekennzeichnet seien, z.B. c~. Im vollturbulenten Bereich ist dann die Schubspannung "Cij gegeben durch

"Cij = - (e + e') cic;, ;3.1(7) wobei der Querstrich die zeitliche l\1ittelung andeutet. In Bereichen des Feldes, wo die zä­higkeitsbedingte und die turbulente Schubspannung vergleichbare Größenordnungen an­nehmen, sind die Ausdrücke nach GI. 3.1(6) und (7) zu addieren. Die Angabe der Geschwin­digkeitsfluktuationen und damit solcher Ausdrücke wie 3.1(7) in Funktion der Bedingun­gen im Strömungsfeld ist das Problem der Turbulenztheorie, die indessen noch nicht einen Stand erreicht hat, der den Rückgriff auf die direkte Empirie überflüssig machen würde. Das gleiche gilt bezüglich der Ansätze über den turbulenten Wärmetransport.

3.2 Integralbeziehungen und Folgerungen aus den Grundgleichungen

Wenn wir die Bewegung des Fluidteilchens längs eines Wegstückes da verfolgen und die Bewegungsgleichung 3.1(2) in Richtung der momentanen und lokalen Geschwindigkeit formulieren (über turbulente Schwankungen ist gemittelt), lautet sie

OC c oc _ F _ ~ op F ot + oa - a e oa + 'H •

3.2(1)

Fa ist dabei die in die Bewegungsrichtung weisende Komponente der Feldkraft, Fa. die entsprechende Komponente der von den Schubspannungen herrührenden Kraft. Die Multi­plikation dieser Gleichung mit dem Wegdifferential da = c dt liefert

[ e oe dt + e oe da] = P da _ ~ 8p da + P da = Bt oa a e oa a.

[ 1 Bp 1 BP] 1 Bp = da, - - -da + - -dt + - -;::-dt + das. e Ba e Bt e öt 3.2(2)

Hier ist da, die spezifische Arbeit der Feldkräfte, das = Fa. da die spezifische Arbeit der Resultierenden der Schubspannungen, die sog. Schlepparbeit. Die beiden in eckiger Klam­mer geschriebenen Ausdrücke sind offensichtlich die Differentiale d(d'f2) und dpfe, so daß die Gleichung auch in der Form

(C2 ) dp 1 op d - =daf---t---dt+da 2 e e ot 8

3.2(3)

geschrieben werden kann. 'Wenn man weiter beachtet, daß

T ds = dq + dad' 3.2(4)

wo dad die spezifische am Fluidteilchen geleistete Dissipationsarbeit der Reibungskräfte ist, wird GI. 3.1(3)

dp = dh _ dq - dad' e

3.2(5)

Page 3: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.2 Integralbeziehungen und Folgerungen aus den Grundgleichungen 95

womit GI. 3.2(3) in die Form

( C2) 18p d h + "2 = e 8t dt + da, + da. + daa + dq 3.2(6)

übergeht. Damit ist eine sehr allgemeine differentielle Energierelation gewonnen, die im stationä­

ren Falle auch sogleich in Integralform gebracht werden kann. Zeichnet man in diesem Falle längs einer raumfesten Bahnkurve, Stromlinie genannt, einen Punkt durch Index 0 aus, so liefert die Integration von 3.2(6) längs dieser Kurve vom Punkt 0 bis zu einem beliebigen Laufpunkt

c2 c~ h + 2" = ho + 2" + a, + q + a. + aa, 3.2(7)

wo a" q, aB und aa vom Punkt 0 zum Laufpunkt zu rechnen sind. Wenn ein kanalartiger Strömungsraum, Abb. 3.2.1, betrachtet wird, kann GI. 3.2(7)

auf die Strömung als Ganzes angewendet werden, sofern man unter den darin auftretenden Größen Mittelwerte über die einzelnen Querschnitte versteht. über die korrekte Art der Mittelwertsbildung vgI. Abschnitt 3.14. Bezüglich der Arbeitsbeträge a. und atl ist dabei folgendes zu beachten. Die innerhalb eines Raumgebietes zwischenfo undf gebildete al­gebraische Summe der an den einzelnen Raumelementen geleisteten Reibungsarbeiten ist gleich der gesamten Reibungsarbeit an den Grenzflächen des Raumgebietes. An den Kanal­wänden verschwindet diese, weil dort c = 0, und in den Querschnittenfo undfverschwindet sie mit g~ter Näherung, sofern c nahezu senkrecht steht auf den Schnittflächen. Daraus folgt aber, daß im Integral über das Raumgebiet die Summe a. + aa vernachlässigbar klein wird oder gänzlich verschwindet. In der Tat gibt es Teilchen, die Schlepparbeit an andere, langsamer strömende abgeben. Wegen des Geschwindigkeitsunterschiedes hat das negative a. der Arbeit abgebenden Teile einen größeren Betrag als das positive der Arbeit aufnehmenden. Die Differenz ist aber gerade gleich der Dissipationsarbeit, so daß im Inte­gral Null übrigbleibt.

~h ~~"/,, J

" I I I I I I , , , , 'k -Abb. 3.2.1 Kanalartiger Strömungs·

raum, Kontrollflächen. , I ,

~-}.

In der Regel ist es nun hinreichend genau, die Summe aB + aa für den einzelnen Strom­faden Null zu setzen, also GI. 3.2(7) zu ersetzen durch

c2 c~ h + "2 = ho + 2' + a, + q, 3.2(8)

wobei mindestens im Integral kein wesentlicher Fehler entstehen kann. Es gibt aber auch Fälle, wo dies für eine genauere Analyse der Strömung nicht mehr genügt. Man wird dann zweckmäßig an Stelle einzelner Ausdrücke a, und aa ein summarisches Glied einführen, du.s den Quertransport der Energie zwischen den einzelnen Stromfäden beschreibt, denn dieser ist es ja, der bei der Form 3.2(8) vernachlässigt wird.

Mit 3.2(8) wird nicht etwa die Reibung vernachlässigt, denn diese geht in den Zusam­menhang zwischen hund p ein. Im allgemeinsten Falle ist hier das durch 3.1(4) und (5) gegebene Zustandsverhalten des Fluids einzuführen. Darf idealer Dampf vorausgesetzt wer-

Page 4: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

96 3 Strämungstheorctische Grundlagcn

den, was ideales Gas als Sonderfall einschließt, so ist h zweckmäßig durch die Normal­enthalpie j zu ersetzen, und es gelten die Relationen

t = (.J!...)n~l, e = _x_ 1: , 3.2(9) Jo Po x-I J

wobei der Wert des Polytropenexponenten n die Reibung berücksichtigt. - Beim idealen Gas ist j = cpT.

Im Falle der reibungsfreien, adiabatischen, mithin isentropen Strömung, fällt in 3.1(2) der Schubspannungsterm weg, womit das Gleichungssystem in Vektorschreibweise die Form

8c ~ ~ ~ 1 ~ -8 + (c, grad) c = F - - grad P = F - grad h

t e 3.2(10)

annimmt. Dies wiederum geht vermöge einer vektoranalytischen Identität über in

8c ~ (~) Tl - [c X rot c] = .P - grad h + 2" . 3.2(11)

Wenn weiter die Voraussetzung eines wirbelfreien Strömungsfeldes, der sog. Potentialströ­mung gemacht wird, fällt das Vektorprodukt mit rot c weg. Bei stationärer Strömung bleibt dann übrig

( C2) ~ grad h + 2 =.P. 3.2(12)

Damit die Voraussetzung der Wirbelfreiheit überhaupt erfüllt sein kann, muß das Kraft­feld j gemäß

F = -grad rI> 3.2(13)

von einem Potential rI> ableitbar sein. Das Einsetzen dieses Ausdruckes in 3.2(12) führt nach Integration auf

3.2(14)

da ja rI>0 - rI> = aj die spezifische Arbeit der Feldkräfte ist. Bemerkenswerterweise gilt nun diese Gleichung im ganzen Feld, während die unter allgemeinen Voraussetzungen her­geleiteten GIn. 3.2(7) und (8) nur jeweils längs einer Stromlinie angewendet werden dürfen. 01. 3.2(9) kann übernommen werden, wobei n = x. - Im Sonderfall inkompressiblen Verhaltens geht 3.2(14) über in

P c2 Po c~ e + 2 = e + 2 + aj' 3.2(15)

womit die Bernoullische Druckgleichung gewonnen ist. Die Kontinuitätsgleichung wird bei stationärer Strömung oft zweckmäßig für den

einzelnen Stromfaden oder gar für einen Kanal als Ganzes formuliert. Mit ofo als Quer­schnitt im Punkt 0 und of als Querschnitt im Laufpunkt lautet sie dann

ec of = eoco ofo. 3.2(16)

Was aus den Ausführungen dieses Abschnittes insbesondere erhellt ist, daß mit der Energie­gleichung wie sie durch die Formen 3.2(6), (7), (8), (14), (15) gegeben ist, zusammen mit der Hauptgleichung der Thermodynamik stets auch das Bewegungsgesetz in Richtung der Geschwindigkeit erfüllt ist. - Über die Ausführungen der Abschnitte 3.1 und 2 vgl. ins­besondere [1] bis [5].

3.3 Wirbelsätze, Zirkulation

Im allgemeinen ist ein Strömungsfeld wirbeldurchsetzt, d. h. rot c *" O. Es besteht also in jedem Punkt des Feldes ein durch Größe und Richtung gekennzeichneter Wirbelvektor. Schreitet man, in einem beliebigen Punkt des Feldes beginnend, stets in Richtung des

Page 5: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.4 Stromfunktion 97

lokalen Wirbelvektors weiter, so erhält man eine Wirbellinie, analog einer Stromlinie, und in der Gesamtheit dieser Wirbellinien lassen sich Wirbelfäden bilden, die den Stromfäden vergleichbar sind.

Unter der Zirkulation längs einer geschlossenen Kurve C (Abb. 3.3.1) versteht man die Größe

r = ~ C, da = ~ 2J Ci dXi· c c i

Abb. 3.3.1 Geschlossene Kurve C zur Bildung der Zirkulation.

3.3(1)

Nach dem Stokesschen Integralsatz ist sie zugleich das Integral der Normalkomponente (rot c)n des Wirbelvektors, erstreckt über jede Fläche f, die C zur Berandung hat, also

r = J(rot c)n df. 3.3(2) f

Herrscht im ganzen Gebiet Potentialströmung, so verschwindet folglich r. Davon ausgehend lassen sich die folgenden sog. Wirbelsätze aussagen.

1. Wirbellinien können inmitten eines Feldes weder anfangen noch enden; sie schließen im Feld oder an dessen Grenzen in sich zurück.

2. Wird die Bewegung eines zähigkeitsfreien Mediums aus der Ruhe heraus lediglich durch Druckkräfte und/oder ein konservatives Kraftfeld erzeugt, so entsteht eine Potentialströ­mung (rot C = 0).

3. Ist die Strömung eines zähen Mediums eine Potentialströmung, so wird ihr wirbelJieier Charakter durch die Zähigkeitskräfte im Inneren nicht gestört; eine Störung kann nur von den Begrenzungswänden oder von nicht konservativen Feldkräften herkommen.

4. In der isentropen Strömung eines zähigkeitsfreien Mediums ist die Zirkulation längs e·iner mitbewegten geschlossenen Kurve (sog. "flüssige Linie") zeitlich unveränderlich, wenn keine anderen als konservative Kraftfelder einwirken.

5. In der isentropen Strömung eines zähigkeitsfreien Mediums besteht ein Wirbelfaden immer aus den gleichen Fluidteilen, sofern andere als konservative Kraftfelder nicht einwirken.

6. In einer stationären, adiabaten Strömung gilt [eXrote] = -Tgrads, 3.3(3)

sofern keine anderen als konservative Kraftfelder einwirken. Die Sätze 1, 2, 3, 5 bezeichnet man als Helmholtzsche Wirbelsätze, Satz 4 ist der Thomson­sehe Satz, Satz 6 der Croccosche Wirbelsatz. Satz 1 ist ein rein mathematischer Sachverhalt, der für jedes Vektorfeld gilt und aus dem keine physikalischen Konsequenzen abgeleitet werden können. Alle anderen Sätze fußen auf dem Bewegungsgesetz, der Croccosche Satz zudem auf der thermodynamischen Hauptgleichung. Über die Ausführungen dieses Ab­schnittes vgl. insbes. [3], [15], [31].

3.4 Stromfunktion In einem Koordinatensystem x, y möge eine stationäre, ebene Strömung mit den Ge­

schwindigkeitskomponenten u, v (Abb. 3.4.1) verfolgt werden. Die raumfesten Bahnkurven der Fluidteilchen sind hierbei die sog. Stromlinien. Der zwischen zwei Stromlinien a und b

Page 6: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

98 3 Strämungstheoretische Grundlagen

pro Breiteneinheit (senkrecht zur Bildebene) durchtretende Massenstrom ist für jeden Querschnitt des durch a und b begrenzten Stromfadens gleich groß. Wenn auf einer y­parallelen Kontrollfläche k ein Festpunkt A und ein Laufpunkt P gewählt wird, ist der zwischen A und P durchtretende Massenstrom V' gegeben durch

p

'IjJ = Jeu dy. A

!J

Jl'cconst

"1'=0

3.4(1)

Abb.3.4.1 Ebenes Stromlinienbild zur Definition der Stromfunktion 'P.

Im Schnittpunkt irgendeiner Stromlinie (z.B. der Linie a) mit k findet man so einen be­stimmten Wert 'IjJ. Wiederholt man dasselbe für eine zweite Kontrollfläche k' und legt dort den Festpunkt A' auf die gleiche Stromlinie wie A, so findet man im Schnittpunkt zwischen a und k' das gleiche 'IjJ wie im Schnittpunkt zwischen a und k. Somit ist der Stromlinie a ein fester 'IjJ-Wert zugeordnet, und das gleiche gilt demnach für jede Stromlinie. Man nennt 'IjJ die Stromfunktion Sie hat längs jeder Stromlinie einen festen Wert und ist in einer gege­benen Strömung nur bis auf eine additive Konstante bestimmt, denn man kann irgendeine Stromlinie 'IjJ = 0 wählen.

Längs einer Stromlinie ist nun

d1jJ = 01jJ dx + ~1jJ dy = ~1jJ u dt + ~1jJ v dt = 0, ox uy uX uy

mithin

3.4(2)

Da gemäß GI. 3.4(1) O'IjJ -=eu , oy 3.4(3)

gilt folglich

3.4(4)

Bei inkompressiblem Verhalten kann e, weil konstant, aus der Kontinuitätsbetrachtung weggelassen werden. An Stelle des Massenstromes betrachtet man den Volumenstrom, läßt dementsprechend e aus GI. 3.4(1) weg und erhält an Stelle von GIn. 3.4(3) und (4)

O'IjJ O'IjJ u = - , v = - - . 3.4( 5) oy OX

Für allgemeine räumliche Strömungen läßt sich keine Stromfunktion definieren, doch ist dies möglich für die rotationssymmetrische Strömung, da auch dort die Bedingungen im Felde nur von zwei Koordinaten rund z, Abb. 3.4.2, abhängen. An die Stelle von Strom-

Page 7: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.5 Potentialströmung 99

linien treten dort Stromflächen, die Rotationsflächen sind. Jeder Stromfläche kann ein den Massenstroni. kennzeichnender Parameter P, die Stokessche Strom funktion zugeordnet werden, und an Stelle von Gln. 3.4(3) und (4) gelten die Beziehungen

1 8P 1 8P ecz = r 8r' eCr = - r Tz' 3.4(6)

Im inkompressiblen Falle kann wiederum zum Volumenstrom übergegangen werden, wo­bei dann zu setzen ist

1 8P Cz = rar'

Abb. 3.4.2 Rotationssymmetrisches Stromlinienbild zur Definition der

Stokessehen Stromfunktion 'P.

cr =

o I I I I I I I J

1 8P r 8z

3.5 Potentialströmung

3.4(7)

z

Nach Definition liegt eine Potentialströmung dann vor, wenn der Wirbelvektor rot c im Inneren des Strömungsfeldes überall verschwindet. Irgendein Vektorfeld, das diese Struktur aufweist, hat zugleich die Eigenschaft, als Gradient einer skalaren Funktion q; des Ortes darstellbar zu sein. Das Geschwindigkeitsfeld einer Potentialströmung kann also durch

c = grad q; 3.5(1)

wiedergegeben werden. Unter Beschränkung auf stationäre Strömung hat damit die Kon­tinuitätsgleichung die Form

div (ec) = div (e grad q;) = O. 3.5(2)

Hier hat man sich die Dichte als Funktion des Quadrates der Geschwindigkeit, also der Größe (grad q;)2 ausgedrückt zu denken, womit GI. 3.5(2) eine partielle Differentialglei­chung für die Funktion q; allein darstellt. Ihr Aufbau ist indessen derart verwickelt, daß sie fast stets entsprechend den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Problems verein­facht werden muß. Weitaus die größte Bedeutung hat die Theorie der Potentialströmung im Grenzfall der Inkompressibilität, wo (.! als konstanter Faktor aus der Differentialglei­chung weggelassen werden kann. Da die Operation div (grad) nichts anderes ist als die durch das Symbol \j2 angedeutete Laplacesche Ableitung, geht die Differentialgleichung über in

3.5(3)

d.h. sie hat die Gestalt der Laplaceschen Differentialgleichung. Ihr linearer Oharakter er­laubt die Superposition von Lösungen, was das mathematische Problem wesentlich erleich­tert.

Besonders günstige Voraussetzungen zur Anwendung der Theorie der Potentialströ­mung bietet die ebene Strömung, wobei die Laplacesche Differentialgleichung in cartesischen

Page 8: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

100 3 Strömungstheoretische Grundlagen

Koordinaten lautet 02rp 02rp ox2 + oy2 = 0, 3.5(4)

während das Geschwindigkeitsfeld mit seinen Koordinaten u, v nach GI. 3.5(1) durch

u = orp, v = orp 3.5(5) ox oy gegeben ist.

Nun läßt sich aus dem Potential rp und der Stromfunktion 1p durch die Definition

X == rp + i1p 3.5(6)

eine komplexe Funktion der komplexen Veränderlichen z = x + iy konstruieren. Für sie gilt

dX = ~;dx + ~~dY = (~: + i ~=)dX + (:: + i ~~)dY, was unter Beachtung der Relationen 3.4(5) und 3.5(6) auch in der Form

dX = (u - iv) dx + (v + iu) dy = (u - iv) (dx + i dy) = (u - iv) dz

geschrieben werden kann. Somit gilt allgemein

dX . /iZ=u-w, 3.5(7)

d.h. die Ableitung des komplexen Potentials liefert unmittelbar den zum Geschwindigkeits­vektor konjugiert komplexen Vektor c = u - iv. Abb. 3.5.1 zeigt das rp - 1p-Liniennetz, das nach der Theorie der analytischen Funktionen ein Orthogonaltrajektoriennetz ist, Abb. 3.5.2 den Geschwindigkeitsvektorc und den dazu konjugierten Vektor c.

tU

z

o x Abb.3.5.1 Komplexe Zahlenebene. Kurven konstanten Realteiles Ip und konstanten Ima­ginärteiles 1p einer beliebigen analytischen Funktion X(z) bilden ein Orthogonaltrajekto-

riennetz.

t~~::} .~......... I

" I .......... C I-iu

........ I ..... , I

"...J 3:-

Abb. 3.5.2 Als komplexer Vektor dargestellte

Geschwindigkeit c und kon· jugiert komplexe Geschwin­

digkeitc.

Die Berechnung eines Strömungsfeldes läuft also in einem Falle darauf hinaus, durch Lösung der Laplaceschen Differentialgleichung mit den jeweiligen Grenzbedingungen rp zu bestimmen. Insbesondere muß dabei die Ableitung von rp nach der Normalen an festen Begrenzungswänden verschwinden. Ein anderer, nur bei ebener Strömung gangbarer Weg besteht darin, eine analytische Funktion X zu bestimmen (deren Real- und Imaginärteil nach den Sätzen der Funktionentheorie die Laplacesche Differentialgleichung erfüllen), derart daß die mit dxldz gegebene Strömungsrichtung an den Begrenzungswänden mit der dort vorgeschriebenen Richtung übereinstimmt. - Bei diesen Methoden mag man die direkte Einführung der physikalischen Gesetze vermissen. Dazu ist indessen folgendes zu beachten.

Page 9: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.5 Potential strömung 101

Daß eine Potentialströmung unter gewissen Bedingungen grundsätzlich möglich und damit eine sinnvolle Näherung einer wirklichen Strömung ist, geht aus den Wirbelsätzen hervor. Darf aber einmal der wirbelfreie Charakter angenommen werden, so ist mit der Laplaceschen Gleichung bereits die Kontinuitätsgleichung erfüllt. Bestimmt man dann noch die Druckverteilung aus der Geschwindigkeitsverteilung nach der Bernoullischen Gleichung, dann ist nach den Ausführungen unter 3.2 auch das Bewegungsgesetz im ganzen Raum erfüllt. Somit ist allen Gesetzen Genüge getan, welche die Bewegung einer reibungs­freien, inkompressiblen Flüssigkeit bestimmen.

Trotzdem hat die klassische Hydrodynamik, die auf dieser Grundlage beruht, erst be­friedigende Resultate geliefert, als auch die Grundtatsachen der durch Prandtl entdeckten Grenzschichttheorie mit herangezogen wurden. Nach dieser beschränken sich die Reibungs­effekte bei einem glatt umströmten Körper im wesentlichen auf eine wandnahe Zone. An einem hinten stumpf endigenden Körper findet eine Ablösung der Strömung statt, vgl. Abb. 3.5.3a), womit die Potentialtheorie höchstens noch teilweise anwendbar ist; man kann etwa das Ablösungsgebiet als einen Raum stagnierenden Fluids betrachten, das durch eine Trennfläche begrenzt ist. Aber auch bei einem scharf endigenden tragflügelartigen Körper nach Abb. 3.5.3 b) bedarf die Potentialtheorie einer Ergänzung, wenn sie wirklichkeitsnahe Resultate ergeben soll. Sie würde von sich aus das in Abb. 3.5.3b) dargestellte Strömungs­bild liefern, bei dem die Hinterkante umströmt würde und die Geschwindigkeit örtlich sogar unendlich würde. Bei einer noch so kleinen Zähigkeit des Fluids entstünde dort eine un­endlich hohe Schubspannung, was physikalisch unmöglich ist. Deshalb muß in der wirk­lichen Strömung der Staupunkt mit der scharfen Hinterkante zusammenfallen, Abb. 3.5.3c) und er bleibt dort, wenn man die Zähigkeit gegen Null streben läßt und die den Körper umgebende Grenzschicht zu einer unendlich dünnen Wirbelschicht (Diskontinuitäts­fläche) degeneriert. Betrachtet man so die reibungsfreie Strömung als Grenzfall der rei­bungsbehafteten, so erhält man die Kuttasche Abflußbedingung, die aussagt, daß der hintere Staupunkt an der scharfen Austrittskante liegt.

\ W dd / " / ........... _-~-_ ..... /

a b C c

Abb. 3.5.3 Typische Stromlinienbilder.

a) Strömung mit Ablösung völlig verändert gegenüber Potentialströmung am gleichen Körper; b) Zirkulations· freie Potentialströmung am tragflügelartigen Körper. Unendlich rasches Umströmen der Hinterkante gibt selbst bei noch so kleiner Zähigkeit unendliche Schubspannungen, weshalb dieser Strömungstyp nicht auftritt; c) Potentialströmung, die Kuttasche Abflußbedingung an Hinterkante erfüllt. Korrekter Grenzfall der rei­bungsbehafteten Strömung bei gegen Null strebender Zähigkeit, gibt im allgemeinen von Null verschiedene

Zirkulation und dementsprechend Auftrieb.

Mit der Kuttaschen Abflußbedingung liefert die Potentialtheorie an scharf endenden tragflügelartigen Körpern eine Auftriebskraft A, Abb. 3.5.3c (eigentlich richtiger Quer­triebskraft genannt), die senkrecht auf der allgemeinen Strömungsrichtung steht, in über­einstimmung mit der Erfahrung. - Ohne Kuttasche Abflußbedingung käme man zu dem für die ältere Hydrodynamik typischen d' Alembertschen Paradoxon zurück, nach dem ein Körper in einer Potentialströmung im feldfreien Raume überhaupt keine resultierende Kraft erfährt.

Page 10: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

102 3 Strämungstheoretische Grundlagen

Die Einhaltung der Kuttaschen Abflußbedingung in reihungsfreier Strömung führt dazu, daß die an der Profilherandung gebildete Zirkulation (vgl. Abb. 3.5.3c)

F=: Jetdu :1.5(8)

nicht verschwindet, denn man umfährt dabei die den Körper einhüllende Wirbelschicht. Aus dem Stokessehen Integralsatz, GI. 3.3(2) geht dann hervor, daß auch die Zirkulation längs einer in gleicher Ebene weiter außen liegenden Kurve C den gleichen Wert hat, also

F' = J ei du' = F. 3.5(9)

Mit der Zirkulation r hängt nach dem Satz von Kutta und Joukowski der Auftrieb un­mittelbar zusammen. Bei ebener Strömung und einer Breite b senkrecht zur Bildebene wird

A = enoobr, 3.5(10)

wo U oo die Anströmgeschwindigkeit in großem Abstand vom Körper ist. Dieser Satz ist eine Folge der Bewegungsgleichungen, vgl. etwa [8].

3.6 Strömung bei hoher Geschwindigkeit

Es möge eine eindimensionale, isoenergetische Strömung betrachtet werden, bei der das Fluid aus einem Behälter abströmt, in dem der Zustand Po' T o herrscht und die Strömungs­geschwindigkeit vernachlässigbar klein ist, vgl. Abb. 3.6.1. Für den Anfangszustand gilt also auch Po = pg, To = Tg. Soll nun längs des Weges a der Druck immer mehr abgesenkt werden, wobei die Geschwindigkeit c immer mehr ansteigt, so muß der Strömungskanal die in Abb. 3.6.1 dargestellte konvergent-divergente Gestalt haben, denn strebt p gegen Null, so gilt das auch für e, doch bleibt c endlich, so daß also von einem gewissen Punkt an ec abnimmt und folglich der Querschnitt f zunehmen muß. Beachtet ma,n, daß

po,To

--------<;>------_._. I I I I

I I

--d---i I I I

p~ ~~

e = V2(ho - h) 3.6(1)

(j

Abb. 3.G.l Expansion eines Gases oder Dampfes, ausgehend vom Zustand Po' T o bis auf verschwindend kleinen Druck,

Verlauf des Querschnittes.

und bestimmt man Enthalpie und Dichte nach einem Polytropengesetz mit Exponent n (womit man Reibung einschließt), so findet man für die Massenstromdichte den durch fol­gende Gleichungen gegebenen Wert:

V~po ec = Vi ---x-I Vo

3.6(2)

- V(P)~ (P )n+l 1f1= _n __ n

Po Po 3.6(3)

Die Funktion 1f1 ist in Abb. 3.6.2 dargestellt. Ihr Maximum liegt beim Druckverhältnis

p+ ( 2 )...!!:..... Po = n + 1 n-l 3.6(4)

Page 11: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.G Strömung bei hoher Geschwindigkeit 103

wobei die Geschwindigkeit den Wert

V n -1 x c+ = 2 ---1 ---1 PoVo n+ x-

3.6(5)

annimmt. Diese Relationen setzen strenggenommen den idealen Dampf voraus, was das ideale Gas mitumfaßt. Im isentropen Falle wird n = x, wobei die Gleichungen völlig all­gemein gelten. Die dem maximalen (!C entsprechenden kritischen Werte des Druckverhält­nisses und der Geschwindigkeit sind dann

p* ( 2 )_X Po = ~ x-I 3.6(6)

* _ 1/ 2x I c - V x + 1 Povo' 3.6(7)

wobei das Zeichen * auf den kritischen Strömungszustand in isentroper Strömung ver­weist.

o 1

/

J W, 1// ~ V V

0,9

/

/" ~ ,/ '/

0,8

....-- ..........

/ i'-. n~1.85 n~UI '\

V - -........ 1,J5 \. V V .......... il" V .......... ~ -!I \ V ......... r-... ~

"-1,25 i'-. '" \.\ 1\

'" ~ ~ \ '\ :\\

"\ ~\I\ r-...~'

\1\ I\'

0,7 0,6 0,5 17,1f --P!Pa

0,3 0,2 0,1 o

Abb. 3.6.2 Durchflußfunktion 'P, abhängig vom Druckverhältnis p!Po (genaue Zahlentafel dazu siehe z. B K~enan-Kaye [13], S. 138, V' dort mit

1 1/ n-l r n VI-rn

bezeichnet, wo r = p!Po)'

Beginnt eine polytrope Zustandsänderung in einem Punkt, wo bereits eine Geschwin­digkeit Co herrscht, so tritt größte Massenstromdichte beim Druckverhältnis

_ = 1 - 0 x-I n-l ___ n-l p+ [ (x - 1) C2](_X __ n ) ( 2 )..!!:-~ 2~~ n+1

3.6(8)

auf. Aus dem Polytropengesetz ergeben sich Dichte und Enthalpiedifferenz, somit auch die Geschwindigkeit. Im isentropen Falle kommt man wieder auf 3.6(6) und (7) zurück, wenn man dort Po und Vo durch pg und vg ersetzt.

Außer der kritischen Geschwindigkeit c* sind in der Gasdynamik vor allem noch die Schallgeschwindigkeit a und die Grenzgeschwindigkeit Cmax bedeutsam, die gegeben sind

Page 12: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

104 3 Strömungstheoretische Grundlagen

durch

3.G(9)

cmax = V u ~ 1 pOvo. 3.6(10)

Die Schallgeschwindigkeit ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer kleinen Störung und vom lokalen Zustand im Fluid abhängig, während Cmax die Geschwindigkeit bei Entspan­nung ins absolute Vakuum darstellt, in isoenergetischer Strömung alRo ein Festwerl iRt. Da sich beim idealen Dampf 3.6(7) auch schreiben läßt

c* = 1/ 2u povo, V u + 1

3.6(11)

gilt auch

c* = cmax V: ~ ~ . 3.6(12)

Auch c* ist ein Festwert im isoenergetischen Feld. In Punkten, wo die lokale Geschwindig­keit den Wert c* erreicht, hat pv einen solchen Wert, daß dort (und nur dort!) a = c* wird. Man nennt c* auch die Lavalge8chwindigkeit. Ihrer besonderen Bedeutung wegen seien die Ausdrücke für a, c* und Cmax auch für den Sonderfall des idealen Ga8e8 angegeben:

V RT * = l/~RTO - 1/ 2u RTO 3.6(1.") a = u ,c V u + 1 'Cmax - V U _ 1 .J

Mit diesen charakteristischen Geschwindigkeiten lassen sich dimensionslose Kennzahlen bilden:

c M=-,

a M * _ C =-,

c* c=_c_.

Cmax 3.6(14)

Mund M* heißen Machzahlen. Sie sind im allgemeinen voneinander verschieden, nehmen aber stets gleichzeitig den Wert 1 an. C ist die Croccozahl.

Der lokale Charakter einer Strömung hängt maßgebend davon ab, ob die Strömungs­geschwindigkeit unter oder über der Schallgeschwindigkeit liegt. Die Unterschallströmung (M und M* unter 1) und die Überschallströmung (M und M* über 1) unterscheiden sich nicht nur dadurch, daß im Unterschallbereich einer Geschwindigkeitszunahme eine Kon­vergenz der Stromlinien entspricht, im Überschallbereich aber eine Divergenz. Vielmehr kann im Überschallbereich eine kleine Störung in einem Punkte P des Feldes, da sie sich ja mit der Schallgeschwindigkeit a ausbreitet, nicht das ganze Strömungsfeld erreichen, son­dern nur ein Gebiet, das durch zwei von Pausgehende Mach8che Linien begrenzt ist, vgl. Abb. 3.6.3. Sie bilden mit der allgemeinen Strömungsrichtung den Mach8chen Winkel IX,

der gegeben ist durch

M>1

. a 1 SITIIX =c= M'

Abb.3.6.3 Ausbreitung einer klei· nen Störung in einer überschall. strömung. Vom Störungspunkt P gehen die Machlinien mit dem Machsehen Winkel iX ab und be· grenzen das durch die Störung be.

einflußte Gebiet.

3.6(15)

Page 13: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.7 Verdichtungsstoß, Verdichtungs- und Verdünnungswellen 105

Dies gilt für kleine Störungen. Man kann die Ausbreitung von Störungen mit Überschall­geschwindigkeit erzwingen (z. B. stumpfer Körper, der mit Überschallgeschwindigkeit durch ein Fluid bewegt wird). Dann nimmt die Störung den Charakter eines Verdichtun(Jsstoßes an und wird damit eine "große" Störung.

3.7 Verdichtungsstoß, Verdichtungs- und Verdünnungswellen

Es möge eine erzwungene, mit Überschallgeschwindigkeit relativ zum Fluid fortschrei­tende Störung betrachtet werden, und zwar sei vorausgesetzt, daß es sich um eine ebene Störungsfront handle, die in Richtung ihres Lotes in das Medium eindringe. Man unter­sucht diesen Vorgang am einfachsten in einem Koordinatensystem, das sich mit der Stö­rungsfront bewegt. Gegenüber diesem kommt das Fluid mit einer über der Schallgeschwin-

Abb. 3.7.1 Senkrecht zu ihrer Ebene mit überschallgeschwindig­keit fortschreitende Störungsfront

(Verdichtungsstoß).

p,q,j

c -A A ..

P,q,J

digkeit liegenden Geschwindigkeit c an (Abb. 3.7.1) und dringt so in die schraffiert angege­bene Störungszone ein. Da der Vorgang in der Störungszone isoenergetisch ist, kann man über die Strömungsbedingungen nach dieser Zone, gekennzeichnet durch das Zeichen ., sogleich die folgenden Aussagen machen:

Kontinuität: ec = §c, Impuls: ecz - §cz = p - p,

. cZ ~ CZ Energie: J + 2" = J + 2"'

Zustand: . ~ p ~ ~ P J = ~ _ 1 e' J = ~ - 1 -r.

3.7(1)

3.7(2)

3.7(3)

3.7(4)

Hier ist sogleich der ideale Dampf vorausgesetzt. Es liegt ein Gleichungssystem für die vier Unbekannten e, p, j~ c vor. Unter Verwendung der durch GI. 3.6(13) und (14) gegebenen Definitionen schreibt sich die nichttriviale Lösung

~ = ~ = 1 - ~! 1 (1 - ~2)' 3.7(5)

P=1+~(M2-1). P ~+1

3.7(6)

Die Änderung der durch GI. 1.6(12) definierten Größe y* wird

1 • y* - y* = -- [ln E. + ~ ln~] .

~ - 1 P e 3.7(7)

y* hat wie die Entropie die Eigenschaft, nicht abnehmen zu können, woraus folgt, daß die durch die Gln. 3.7(5) und (6) gegebene Lösung nurfür M ~ 1 möglich ist. Im Unterschall-

Page 14: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

106 3 Strämungstheoretische Grundlagen

bereich bleibt nur die triviale Lösung des Gleichungssystems 3.7(1)-(4) übrig, bei der die sämtlichen Größen nach der Störungszone gleich den vor ihr sind. - Es ist weiter leicht zu verifizieren, daß mit der Definition der Lavalgeschwindigkeit c* auch gilt

3.7(8)

Die Vorgänge innerhalb der Störungszone können mit klassischer Thermodynamik nicht erfaßt werden, denn sie ist derart schmal und die Zustandsänderung daher so schnell, daß die molekularstatistischen Bedingungen nicht mehr diejenigen sind, die der makroskopi­schen phänomenologischen Thermodynamik zugrunde liegen. Vom makroskopischen Standpunkt aus ist die Zonenbreite verschwindend klein und der Vorgang unstetig. Man nennt ihn bekanntlich Verdichtungsstoß. Er ist stets mit Entropievergrößerung, folglich mit Verlusten verbunden und beim hier betrachteten geraden Verdichtungsstoß herrscht hinter diesem stets Unterschallgeschwindigkeit.

Von hier aus kann man in sehr einfacher Weise die Theorie des schiefen Verdichtungs­stoßes gewinnen, indem man den gleichen Vorgang in einem Koordinatensystem betrachtet, das sich in der Richtung der Stoßebene, also in Abb. 3.7.1 senkrecht von oben nach unten gleichförmig bewegt. Dann entsteht die Situation nach Abb. 3.7.2, wo die bisherigen Ge-

p,q,j p,q,]

LJ Ll, cn cn Abb. 3.7.2 Schiefer Verdichtungsstoß.

schwindigkeiten c und c als Cn und cn bezeichnet sind und die Translationsgeschwindigkeit mit ct • Damit erhält man in einfachster Weise die Zu- und Abströmgeschwindigkeiten c und c im neuen Koordinatensystem, in welchem nun zwischen der Zuströmrichtung und der Stoßfront der Winkel y besteht. Da es sich um eine einfache Koordinatentransformation handelt, lassen sich die Beziehungen sogleich angeben:

~ = 1 - +2 1 [1 - MI! ~ 2] = MI! ~ 2 [1 + " +- 11 (MI! sinl! y - 1) ] , 3.7(9) (!" sm Y sm Y "

: = 1 + " ~ 1 (MI! sin2 y - 1), 3.7(10)

3 ( a )2 1 [2" ] [ " - 1 ] T = a = MI! si nl! y 1 + " + 1 (MI! sin2 y - 1) 1 + " + 1 (M2 sin2 y - 1) , 3.7(11)

3.7(12)

Offensichtlich ist der schiefe Stoß mit einer Ablenkung der Strömung verbunden. Für den Ablenkungswinkel (J findet man

[ ~M2 1 cot (J = tan y M2 ~ 2 1 - 1 . sm y -

3.7(13)

Man beachte, daß die Geschwindigkeit hinter dem schiefen Stoß sehr wohl über der Schall­geschwindigkeit liegen kann, im Gegensatz zum geraden Stoß.

Page 15: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.7 Verdichtungsstoß, Verdichtungs- und Verdünnungswellen 107

Jeder Stoß vorgang ist mit Entropieproduktion verbunden, folglich verlustbehaftet, und zwar um so stärker, je größer M. Trägt man den Verlust über M auf, so beginnt die Kurve in M = 1 mit horizontaler Tangente. Schwache Stöße sind also noch sehr verlustarm, und geht man zum Grenzfall eines infinitesimalen Stoßes über, so wird dieser reversibel. Deshalb ist im Bereich des Infinitesimalen - und nur dort - auch der umgekehrte Vorgang mög­lich, den man Verdünnungswelle nennt. Abb. 3.7.3 stellt eine Überschallströmung an einer flachen konvexen Ecke dar. Bei der Darstellung a) wird der Vorgang quasi als ein schwacher Verdünnungsstoß aufgefaßt. Das ist streng genommen unmöglich; der wirkliche Vorgang entspricht vielmehr der Darstellung b), wo ein Verdünnungsfächer angegeben ist, der aus einer Folge von infinitesimalen Verdünnungswellen entsteht. Die Vereinfachung nach Abb. 3. 7.3a) ist aber eine sehr gute Näherung, solange der Winkel e klein bleibt. Werte VOll

Abb. 3.7.3 Flache konvexe Ecke in überschallströmung. a) erste Näherung; b) genauerer Verlauf.

1-2° sichern eine hohe Genauigkeit. Die Behandlung des Vorganges geschieht dann derart, daß man Isentropengesetz, Energiegleichung und Kontinuitätsgleichung wie folgt formu­liert:

:: ~= (::)~, c~ - ci = __ u_ PI [1 _ (P2 ),,:1,] ,

2 u - 1 el PI

elCl sin iX = e2c2 sin (iX + e).

3.7(14)

3.7(15)

3.7(16)

Wenn man beachtet, daß e ein kleiner Winkel ist und sin iX = I/M1> kann man mit

P2 = PI + Llp 3.7(17)

hieraus folgende Beziehungen gewinnen:

Llp uMie

PI (1+0VMi-1)VMi-1 ::;:;; -

uMi V e, Mi - 1 3.7(18)

C2 = 1 _ ~ LI P ;0;:,; 1 + e , Cl uM 1 PI V MI - 1

3.7(19)

(1 + u - 1 ""2) IJ (1 + u -2 1 M21) IJ M ~JJ'LI u u

_2 = 1 + --:-:-:J-~=:::;-:-:~;;;=====:=- ;0;:,; 1 + ---;==~-MI 2(1 + 0 V MI - 1) V Mi - 1 2 V Mi - 1

3.7(20)

Die GIn. 3.7(18) -(20) bestimmen den Zustand nach der von der Ecke ausgehenden Mach­linie vollständig. Sie können auch für den Fall einer konkaven Ecke - also negatives e -benutzt werden, solange der Betrag von e sehr klein bleibt. Die Gleichungen geben dann eine brauchbare Näherung für den schwachen schiefen Verdichtungsstoß, Abb. 3.7.4a), der genauer durch die GIn. 3.7(9)-(13) beschrieben wird.

Wenn der Ablenkwinkel e an einer konvexen Ecke größer wird als etwa 2°, ist die Ab­lenkung in mehrere Teilschritte zu unterteilen und jeder entsprechend den Gin. 3.7(18) -(20) zu behandeln. So kann auch die Überschallströmung über eine konvex gekrümmte

Page 16: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

108 3 Strömungstheoretische Grundlagen

'Wand berechnet werden, indem man sie als eine Folge flacher konvexer Ecken betrachtet und für jede die angegebenen Gleichungen anwendet. Dies ü,t die Theorie der Prandtl­lYJeyer-ExJ!ansion, bei der eine Zuordnung zwischen Richtung und Geschwindigkeit be­steht. - Auch eine stetige Verdichtung, wie sie in Abb. 3.7.4b) dargestellt ist, läßt sich so verfolgen, allerdings nur so weit, als sich die Machlinien nicht gegenseitig schneiden, denn dort summieren sich die Störungen wieder zum unstetigen Stoß auf.

a b

Abb.3.7.4 Abbiegen einer Überschallströmung an konkaver Wand. a) Ecke erzeugt schiefen Stoß; b) Rundung erzeugt stetige Verdichtung, weiter außen aber Stoß.

Diese für die Überschallströmungen typischen Zusammenhänge führen zu entsprechen­den mathematischen Methoden. Vor allem haben Prandtl und Busemann [18] das Oharak­teristikenverfahren vorgeschlagen, das später weiterentwickelt wurde. Theoretische Grund­lagen und Tabellen über Gasdynamik finden sich z.B. bei [6], [8], [9], [13], [14].

3.8 Die Lavaldüse

Will man ein Fluid durch Entspannung auf verlustarme Weise von Unterschallge­schwindigkeit auf Überschallgeschwindigkeit bringen, so ist hierzu ein konvergent-diver­genter Kanal, eine sog. Lavaldüse 1 notwendig, vgl. Abb. 3.8.1. Dies folgt aus den Aus­führungen unter 3.6, gemäß denen die :Massenstromdichte bei einer Geschwindigkeit c+, die

Abb.3.8.1 Lavaldüse.

im isentropen Falle gleich der Schallgeschwindigkeit wird, ein Maximum annimmt, womit der Querschnitt dort am kleinsten wird. Wenn Index 0 den Zuströmzustand kennzeichnet und Index 1 den Austrittszustand, lassen sich die für die Dimensionierung maßgebenden Gleichungen wie folgt schreiben:

p+ - r 2j(n + 1) ln~l - 2 '

Po 1 _ _c....:o:...-.,,-;::-2[jo + c5j2]

3.8(1)

( P )1.. e = eo Po n, 3.8(2),(3)

1 De Laval wandte diese Düse 1893 bei seiner Turbine an. Ernst Körting hat sie 1878 bereits für Dampf. strahlapparate benutzt.

Page 17: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.8 Die Lavaldüse

e+C+ = eo (~:){Vc~ + 2jo [1 - (~r~l elCI = eo (::){ Vc~ + 2jo [1 - (::r~l

109

3.8(4)

3.8(5)

j - m j+ _ ~ f - m 3.8(6) - ec' - e+c+' I - eici .

In der Reihenfolge (1), (4), (5), (6) liefern diese Gleichungen für einen vorgeschriebenen Massenstrom m und einen Enddruck PI die maßgebenden Durchflußquerschnittej+ undfl. Zustände und Querschnitte in anderen Punkten werden durch die restlichen Gleichungen bestimmt. Insbesondere liefert GI. 3.8(2) auch Cl' wenn dort P = el eingesetzt wird.

In der praktischen Anwendung ist stets auch die Frage wichtig, welcher Strömungszu­stand sich in der Lavaldüse einstellt, wenn das Druckverhältnis PI/PO von demjenigen ab­weicht, für das die Düse ausgelegt wurde. Um dies zu verfolgen, stelle man sich zunächst vor, das Fluid sei in einen Behälter im Zustand Po' eo in Ruhe (also Co = 0) und werde durch die Lavaldüse in einen zweiten Behälter übergeleitet, in welchem ein beliebiger Druck PI aufrechterhalten werde, vgl. Abb. 3.8.2. Beginnend mit PI = Po möge PI allmählich ab­gesenkt werden. Dabei herrscht zunächst bei kleinem Druckunterschied in der Düse eine reine Unterschallströmung mit Geschwindigkeitsmaximum im engsten Querschnitt; der divergente Teil arbeitet dabei als Diffusor, vgI. die Druckkurven in Abb. 3.8.2. Bei weiterer

~ ~

PoJo ~~Pt

co=~~

~~}tJ. o m

Abb.3.8.2 Druckverlauf in der Lavaldüse bei verschiedenen Werten des Gegendruckes Pi.

Druckabsenkung erreicht schließlich die Geschwindigkeit im engsten Querschnitt den Wert c+ (also isentrop die Schallgeschwindigkeit). Dies tritt dann ein, wenn die Bedingung

fieici = f+1J!max V U ~ 1 Pol!o, Cl = V 2't).jo [1 - (::)"-;;-1] , 3.8(7)

erfüllt ist. Dabei ist 1J'max der Höchstwert von 1J' nach Abb. 3.6.2, während der isentrope Wirkungsgrad 17. alle Verluste in der Düse umfaßt. - Damit hat nun der Massenstrom seinen Höchstwert bereits erreicht, und eine weitere Absenkung von PI vergrößert ihn nicht mehr, siehe auch Abb. 3.8.2 unten rechts. Hingegen tritt dann im divergenten Teil ein gerader Verdichtungsstoß auf, wie bereits die klassischen Versuche von Stodola [12] ge­zeigt haben. Die in der Abbildung eingetragenen Druckkurven zeigen dies. Strömungszu­stände mit Stoß sind wie folgt zu bestimmen.

Man nimmt die Lage des Stoßes an und berechnet die Düse bis zu dieser Stelle wie im Auslegungspunkt. Der an der Stoß stelle vorhandene Querschnitt übernimmt in den Glei­chungen die Rolle vonf1. Zustand und Geschwindigkeit nach dem Stoß sind durch GI. 3.7(5) und (6) gegeben. Die nachfolgende Unterschallströmung ist eine Diffusorströmung. Der Austrittszustand ist durch die Kontinuitätsgleichung gegeben, die sich in der Form

3.8(8)

Page 18: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

110 3 Strömungstheoretische Grundlagen

schreiben läßt. Hierin ist nur PI unbekannt, kann also bestimmt werden, womit man den Gegendruck gefunden hat, welcher der angenommenen Stoß stelle entspricht. Der Wurzel­ausdruck in dieser Gleichung ist zugleich Cl' Führt man dies für mehrere Lagen des Stoßes durch, so erhält man die vollständige Zuordnung zwischen PI' Cl und der Stoßlage. Äußer­stenfalls kann der Stoß in!I selbst liegen, wobei dann p = PI'

Bei noch weiterer Absenkung von PI geht der Stoß über in ein System von schiefen Stößen, vgl. Abb. 3.8.3a), wobei sich der Vorgang in der Düse selbst nicht mehr von dem im Auslegungspunkt unterscheidet. Der Strahlgrenze wird der Druck PI aufgeprägt, wäh­rend im Strahl selbst Felder konstanten Druckes entstehen, wie dargestellt. Dieser Vorgang wird allerdings in Wirklichkeit durch Mischeffekte am Strahlband rasch verwischt. -Wird schließlich PI auf den Auslegungswert abgesenkt, so tritt der Strahl störungsfrei in den Raum über.

b

P1

Abb. 3.8.3 Ausbildung des Strahles nach einer Lavaldüse.

a) Gegendruck größer als Druck im Aus­trittsquerschnitt ;

b) Gegendruck kleiner als Druck im Aus­trittsquerschnitt.

Endlich läßt sich PI selbst unter den Auslegungswert bringen, wobei wieder periodische Störungen im Strahl entstehen, die jetzt aber mit von der Mündung ausgehenden Verdün­nungswellen beginnen und auch im weiteren Verlauf keine Verdichtungsstöße aufweisen (Abb. 3.8.3b). Ein Sonderfall des zuletzt betrachteten Strömungszustandes liegt vor bei einer konvergenten Mündung, wenn dort der Gegendruck tiefer abgesenkt wird, als dem Schalldruckverhältnis entspricht. Im Mündungsquerschnitt herrscht dann Schallgeschwin­digkeit und es schließt sich ein Strahl von welliger Struktur an, wie in Abb. 3.8.4 darge­stellt. Während beim Strahl nach Abb. 3.8.3b) das Fluid schon mit Überschallgeschwin­digkeit ankommt, ist dies bei der konvergenten Mündung nicht der Fall.

Abb. 3.8.4 Strahlmwh einer kon­vergenten Mündung, wenn Gegen­

druck unter Schall druck.

Abb. 3.8.5 faßt Ergebnisse der Berechnung der Strömung durch Lavaldüsen zusammen, und zwar für den Isentropenexponenten 1,3 (typisch für Heißdampf). Dabei ist Reibungs­freiheit vorausgesetzt, so daß Verluste nur durch den Verdichtungsstoß entstehen; die Düse arbeite mit dem maximalen beim gegebenen Eintrittszustand möglichen Massen­strom. Dann herrscht im engsten Querschnitt die Lavalgeschwindigkeit c*, weshalb dieser Querschnitt 1* genannt sei. Ist der Austrittsdruck PI vorgeschrieben, so geht man mit dem damit gegebenen PI/P* oben links in das Diagramm ein und schreitet wie gestrichelt an­gegeben horizontal weiter, bis man die Kurve !1/1* trifft, die der Geometrie der Düse ent­spricht. Indem man von hier aus senkrecht nach unten geht, findet man auf der Abszisse

Page 19: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.8 Die Lavaldüse 111

die StelleJIf*, wo der Stoß liegt und weiter im unteren Teil des Diagrammes die Werte p, p, M, M vor und nach dem Stoß. Schließlich liefert der obere, gestrichelte Teil des Dia­grammes den isentropen Wirkungsgrad des ganzen Vorganges, mit dem die Austrittsge­schwindigkeit vermöge

3.8(9) zusammenhängt, wenn .dh. die aus Eintrittszustand und Gegendruck gegebene isentrope Enthalpiedifferenz der Druckabsenkung ist.

2 ,......... * 9 ,~ .... r.,lf =1,2 , \" I' ....

\ ,8 \"

\~, ~'n. --7 6'r=::::t---.. ',r-i. ..... ..... _ 1~ , r--.r--...I"'~" r--_ _ _ 1,6'

t 1

* 1. ~

5 .......... I,~ ~1 ~k----~ ..;:::- - - ----

'I ~ I.......... f'........... -- -t--~,

1,2 I 1'.... r---... 1\- - -3

l' r;,'f t--. I"- -.... 1'--1-- frlf*= 1,8

2 r-......

1

0

3

21/ 1

0

\ \

7 I 0,5

4" 0,

0,3

0,2

0, 1

v

/v

'" " t--

1,1

I ~ I I

I

I I

I

I

I I

i V 11

i I I

I

N.-I ,

I

1 I I

I t--I

: 1,2

rt,$'- r---... 1"--r---...

V J....-

J,/" V M

1-- V ,

V, -I--h r--p/p* ~ t--

PO~P1 I ~ I

P*~ ~ * c*. f1

r-..... -r- 12/1/' r--l"-r-

t--l-I- M

1,3 1,* 1,5 1,6 1,7 flf*-

i

--

t--

t--

-

1,0

0,9

0,8

0,7

0,6'

0,5

'" 0,4 ~

0,3

0,2

0,1

o 20

9 1.

1, 8

~ 7

1, 6'

1. 5

1,

1,

1,

1.

1,

0,

0,

0,

0,

0,

Abb.3.8.5 Verhältnisse bei reibungsfreier Strömung mit geradem Stoß in Lavaldüse für" = 1,3.

Für eindimensionale gasdynamische Untersuchungen wird manchmal mit Vorteil die Fannokurve herangezogen. Geht man aus von einem mit Index 0 gekennzeichneten Ruhe­zustand und betrachtet die Verhältnisse in einem Querschnitt J eines Kanals, so gilt dort

mv = cJ, c = V2(ho - h),

folglich

Page 20: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

112 3 Strömungstheoretische Grundlagen

Für ein festes m liefert diese Gleichung einen Zusammenhang zwischen h und v, der im Entropiediagramm als Kurve erscheint, die sog. Fannokurve des Querschnittes I, vgl. Abb. 3.8.6. Sie ist demnach definiert als der geometrische Ort aller Zustandspunkte im Entropiediagramm, die bei gegebenem Ausgangsruhezustand Po' Vo und gegebenem Massen­strom in einem Querschnitt 1 möglich sind. Nur der in Abb. 3.8.6 ausgezogen angegebene Teil der Kurve entspricht physikalisch möglichen Zuständen, denn es ist zu fordern s - So > O. Schreibt man sich etwa PI am Austritt einer Lavaldüse vor, so liefert der Schnitt der Drucklinie Pt mit der Fannokurve des Querschnittes 11 sogleich die Enthalpie h1 und somit auch die zugehörige Geschwindigkeit Cl. Die Zustände vor und nach einem geraden Verdichtungsstoß liegen stets auf den beiden Ästen einundderselben Fannokurve.

So Abb. 3.8.6 Fannokurvc. S-

3.9 Ähnlichkeitstheorie und Modellgesetze

Bei der Durchführung strömungstechnischer Versuche an Modellen und Versuchs­maschinen ist es notwendig, die Modellgesetze zu kennen, um die Übertragbarkeit der Ver­suchsergebnisse zu sichern. Diese lassen sich auffinden, indem man die Grundgleichungen in dimensionslose Form überführt. Selbstverständlich müssen Modell und Ausführung ein­ander geometrisch ähnlich sein. Bei der in Abb. 3.9.1 dargestellten allgemeinen Situation erhält man dimensionslose Koordinaten und Längenangaben, indem man durch eine charakteristische Länge 1 des Systems dividiert. Es ist also

Xi == Xli, 8 ~ ~ 3.9(1) 8xi I 8Xi ·

r 22

LX1

Abb. 3.9.1 Angeströmter Körper; zur Herleitung der ModeHgesctzc.

Page 21: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.9 Ähnlichkeitstheorie und Modellgesetze 113

Dimensionslose Geschwindigkeiten 0i entstehen, indem man die ci durch eine charakteri­stische Geschwindigkeit Co dividiert, also

0 - Ci i--,

Co

womit sich auch ein dimensionsloser Zeitparameter r nach

_cot 8 co 8 r=T' 8i=T 8r

ergibt. Eine dimensionslose Druckvariable kann in der Form

3.9(2)

3.9(3)

P ..L 3.9(4) eo c2 2"0

gebildet werden, wobei eo gegebenermaßen die Dichte im gleichen Raum- und gegebenen­falls Zeitpunkt ist, in dem auch Co auftritt.

über den thermodynamischen Charakter des Fluids muß eine einschränkende Annahme getroffen werden, wenn hinreichend einfache Modellgesetze erhalten werden sollen. Es werde der ideale Dampf vorausgesetzt, womit sich eine Enthalpievariable J gemäß

J = .L -- peo - Peo 3.9(5) - jo - poe - P oe

definieren läßt. Damit ist das Dichteverhältnis durch

3.9(6)

auszudrücken. Wenn man nun die Kontinuitätsgleichung 3.1(1) mit Hilfe der so eingeführten Variablen

schreibt, lautet sie

Cl :r (~:5) + f + 8~i (~:5 COoi) = 0

oder, da eo, Po' Co Festwerte sind

8~ (5) + f ~ (;0;) = o. 3.9(7)

In gleicher Weise ist das System der Bewegungsgleichungen 3.1(2) umzuformen. Besondere Beachtung verlangt dabei das Glied

..!. L: 8T;j

e j 8xj'

in dem rij im allgemeinsten Falle aus einer Summe von Ausdrücken nach GI. 3.1(6) und (7) entsteht. Nach der Theorie der Turbulenz ergibt sich, ·daß der Ausdruck GI. 3.1(7) propor­tional der lokalen (gemittelten) Geschwindigkeit, dem lokalen Geschwindigkeitsgradienten, einer für die Turbulenzstrliktur charakteristischen Länge 1m ("Mischweg") und dem Tur­bulenzgrad Tu ist. Dieser ist definiert durch

VC' 2 Tu=--,

c 3.9(8)

wo C'l! der quadratische Mittelwert der Schwankungen ist. So ergibt sich für den turbulenten Anteil des Schubspannungsgliedes ein Ausdruck der Form

1 8r" - J; -8 ., = clm Tu Wj(Cl> C2' cs), 3.9(10) e j Xj

wo Wj einen Differentialoperator zweiter Ordnung darstellt, also zweite Ableitungen der Ci

Page 22: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

114 3 Strömungstheoretische Grundlagen

nach den Xj enthält. Der laminare Anteil hat nach GI. 3.1(6) die Form

1 07:-- 'fJ - J; ~ = -- WI(CV Cl' Ca)' 3.9(11) (! j uXj (!

wobei Wl wiederum ein Differentialoperator zweiter Ordnung ist. Das gesamte Reibungs­glied nimmt also die Gestalt

1 O-C" 'fJ - J; ~ = - WI(Ch C2, cs) + clm Tu Wt(Cl. C2. ca) 3.9(12) (! j uXj (!

an. Nun seien Ql und Qt Differentialoperatoren von gleichem Aufbau wie Wl und Wt, nur daß sie aus Ableitungen nach den Xi gebildet sind und deren genaue Definition durch folgende Setzungen gegeben sei:

Ql (!o 'fJ Qt 1m Tu 1ä = e 'fJo Wl, 1ä = 1 Tuo Wt·

Hier sind 'fJo und Tuo dem Referenzpunkt zugeordnet. Damit wird

1 07:ij co'fJo c~ Tuo - J;- = -12 Ql('" Oi"') + -l-OQt( ... 0i ... ). (! j OXj (!o

So läßt sich die Bewegungsgleichung 3.1(2) wie folgt schreiben:

2 0 ((!O C5P) Co [OOi + J; Oj OOi] = F i _ PoJ 2 + 1 07: j oXj (!oPl oXi

co'fJo n c~ Tuo 0 -I- (!o12 ~~l('" Oi"') + -l-OQt(... i ... ).

Nun werden folgende Definitionen eingeführt:

Be == (Jocoi = col • 'fJo vii

F - Co

r = VF;;i' M2- c~ _ 2

0= l{Po/(!o - l{Po .

3.9(13 )

3.9(14)

3.9(15)

3.9(16)

3.9(17)

3.9(18)

Re ist die Reyno1dszahl, Fr die mit der Feldkraft Fo im Referenzpunkt gebildete Froude­zahl, Mo die charakteristische Machzahl. Damit geht die Bewegungsgleichung über in

OOi 00, 1 (F,) 1 J oP "'8T + f Oj oXj = Fr2 F o - l{M~ P oX, +

Ql('" 0i ... ) T on ( 0 ) + Re + Uo ~~I'" i .. ·· 3.9(19)

Schließlioh ist noch die thermodynamische Hauptgleichung beizufügen, die für die adiabat vorausgesetzte Strömung in der Form

dp d' d -= ::J - ad (!

13.9(20)

geschrieben werden kann mit dad als spezifischer Dissipationsarueit. Mit den eingeführten dimensionslosen Größen geht sie in die Form

dP l{ dJ l{MÖ dad P=x-1J- JcÖ 3.9(21)

über. Die Dissipationsarbeit ist gegeben durch die gleichen Schubspannungen 7:ij. die in der Bewegungsgleichung das Reibungsglied bilden. Man erhält Ausdrücke, die in gleicher

Page 23: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.9 Ähnlichkeitstheorie und Modellgesetze 115

Weise dimensionslos gemacht werden können wie dort und ist durch die analoge überlegung auf folgende Form geführt

d~d = [;! + Tuo ~t] drt*. 3.9(21)

Hier ist du* = da/l das dimensionslose Wegstück und die ~I und IXt sind Ausdrücke, die aus den Ci und ihren Ableitungen nach dimensionslosen Koordinaten gebildet sind. Es wird also schließlich

dP _ x dJ xMä [ ~I T ] d * - - --- -- - -- -- + Uo ~t a. P x - 1 J J Re

3.9(22)

Die Gln. 3.9(7), (19), (22) beschreiben den Strömungsvorgang. Für gegebene geometrische und gegebenenfalls auch zeitabhängige Bedingungen und eine gegebene Kraftfeldstruktur hängt die Lösung des Gleichungssystems ab von den Werten der in ihm enthaltenen Para­meter, also von den Größen x, llr, Mo, Re, Tuo' Diese müssen also in Modell und Ausfüh­rung gleich sein, wenn Übertragbarkeit gewährleistet sein soll. - Allfällige zeitliche Varia­tionen müssen in Modell und Ausführung im dimensionslosen Zeitmaß .. gleich verlaufen. - Die Gleichheit der x ist meist apriori hinreichend erfüllt. Da das Schwerefeld die Strö­mung in thermischen Turbomaschinen nicht fühlbar beeinflußt, hat die Bedingung gleicher Froudezahlen nur für die Relativströmung durch Laufräder Bedeutung, die dem starken Zentrifugalfeld unterworfen sind. Wenn ein Radius ro als Bezugslänge gewählt wird, ist die Feldkraft pro Masseneinheit Fo = u~/ro, mithin die Froudezahl

Gleichheit der Fr in Modell und Ausführung bedeutet also gleiche co/uo' d. h. man ist auf die selbstverständliche Bedingung zurückgeführt, daß gleichartige Betriebszustände mit­einander verglichen werden müssen.

Solange die Dichteänderungen klein bleiben, ist der Einfluß von Mo vernachlässigbar, wird aber bei starkem Kompressibilitätseinfluß dominierend, vollends im transsonischen und supersonischen Gebiet. - Da die Reibungsglieder der Gleichungen nur zum Teil von der Reynoldszahl abhängen und diese zudem im Nenner steht, wird verständlich, daß ihr Einfluß mit zunehmendem Wert immer mehr zurückgeht; in dem Bereich, in dem Turbo­maschinen arbeiten, verschwindet er oft vollständig. Daher muß Gleichheit der Re-Werte für Modell und Ausführung oft nicht gefordert werden, sondern es genügt, wenn nur die Reynoldszahl im Modellversuch hi1ll'eichend groß ist. - Gleichheit der Turbulenzgrade ist eine Bedingung, die sehr wesentlich sein kann, was lange Zeit wenig beachtet wurde. Das hängt damit zusammen, daß die Strömungslehre in einer entscheidenden Phase ihrer Ent­wicklung vor allem als flugtechnische Aerodynamik entwickelt worden ist. In diesem besonderen Anwendungsfall ist die Vorturbulenz praktisch Null, und die Turbulenz ent­steht erst in der Grenzschicht am Flugzeugkörper. Ihre Entstehung ist dann maßgebend durch die Reynoldszahl beeinflußt, so daß man wieder auf diese Kenngröße zurückgeführt ist.

Allgemein zeigt diese Untersuchung, daß die Einhaltung aller Modellgesetze gleichzeitig fast immer unmöglich ist, wogegen es aber in der Regel auch völlig genügt, sie nur teilweise zu erfüllen. Immerhin sind hier auch die Grenzen der Möglichkeiten des Modellversuchs­wesens zu sehen. So kommt es z.B. nicht nur auf den Wert des Turbulenzgrades an, son­dern auch auf die Struktur der Turbulenz, die in die mit Dt und ~t bezeichneten Ausdrücke eingeht. Gerade die Bedingung gleicher Turbulenzstruktur ist aber im Modellversuch oft nicht erfüllbar.

Page 24: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

116 3 Strämungstheoretische Grundlagen

3.10 Grundlagen der Grenzschichttheorie

Wenn ein Körper durch ein Medium kleiner Zähigkeit angeströmt wird, haftet dieses an der Körperoberfläche, und es entsteht eine Zone, innerhalb der die Geschwindigkeit c bis auf den vollen im Felde herrschenden Wert ansteigt, vgl. Abb. 3.10.l. Die Dicke b dieser Zone nimmt im allgemeinen längs des Weges immer mehr zu, ist aber oft auch noch am Ende des Körpers klein im Vergleich zu den Körperabmessungen. Es war der grund­legende Gedanke von Prandtl [27], daß der unmittelbare Einfluß der Reibung nur merklich sei innerhalb dieser dünnen Zone, die er Grenzschicht nannte; außerhalb ihr könne die Strö­mung als reibungsfrei betrachtet werden. - Es sei schon hier bemerkt, daß diese Idealisie­rung den wirklichen Verhältnissen nicht in allen Fällen genügend nahekommt. Insbeson­dere bei Diffusorströmungen beeinflussen starke turbulente Fluktuationen die Strömung schon na,ch verhältnismäßig kurzer Lauflänge im ganzen Querschnitt.

Abb. 3.10.1 Entwicklung der Grenzschicht.

Wenn wir uns der Einfachheit halber auf stationäre ebene Strömungen inkompressibler Medien beschränken, die Wegkoordinate längs der Wand mit x, die Normale dazu mit y und die entsprechenden Geschwindigkeitskompollenten mit u und v bezeichnen, schreibt sich die Bewegungsgleichung 3.1(2) in x-Richtung

8u 8u 1 8p 1 81' 1l 8x + v 8y = - e 8x + e 8y . 3.10(1)

Hier ist l' die Schubspannung in einem wandparallelen Flächenelement, die unter den ver· einfachenden Voraussetzungen einzig Bedeutung hat. Naheliegenderweise hat innerhalb der Grenzschicht gerade dieses Reibungsglied entscheidende Bedeutung, weshalb es wesentlich ist, welcher Ansatz für l' gemacht wird. Allgemein läßt sich setzen

8u l' = (1] + e) 8y' 3.10(2)

wo 1] die Zähigkeit ist und e die turbulente Austauschgröße, eine der Zähigkeit analoge Größe, welche die turbulente Impulsübertragung beschreibt. Im Gegensatz zu 1] ist e nicht ein Stoffwert, sondern hängt von den Bedingungen im Strömungsfeld ab. An einem angeström­ten Körper entwickelt sich in der Regel die Grenzschicht zuerst ein Stück weit rein lami­nar; dort ist also e = O. Dann folgt der Übergang zur Turbulenz, vgl. Abb. 3.10.2. Hierbei überwiegt in ganz unmittelbarer Wandnähe noch 17, während mit zunehmendem Abstand e immer größer wird und schließlich völlig dominiert.

Abb. 3.10.2 Umschlag der Grenzschicht in den turbulenten Strömungszustand.

Page 25: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.10 Grundlagen der GrenzBchichttheorie 117

Exakte allgemeingültige Unterlagen über e besitzen wir nicht, doch leisten gewisse Ansätze in begrenztem Umfang gute Dienste. Prandtl setzte

t= eIS I :; I, 3.10(3)

wo 1 eine charakteristische Länge, der Mischweg ist, der mit dem Wandabstand zunimmt. Patankar und Spalding [53] machen für 1 den Ansatz

Z=KY[l-exp(-y~;e)] 3.10(4)

mit A = 28, K = 0,435. Dies gilt bis y = A. !5/K, wo !5 die Grenzschichtdicke ist und A. ~ 0,09. Für größere y bleibt Z konstant. Mit solchen Ansätzen geht die Bewegungsglei­chung über in

u ou + v ou = _.2. op .!l.. 82u + ~ (zsi ou I OU) OX oy e OX + e oy2 oy oy oy , 3.10(5)

wozu die Kontinuitätsgleichung

3.10(6)

beizufügen ist. Diese bei den Gleichungen bestimmen u und v in der Grenzschicht. Man beachte, daß

3.10(7)

wobei 1 die Schubspannung "t" nach 3.10(4) selbst enthält, so daß eine Iteration in die Rech­nung eingeht.

Für die Diskussion grenzschichttheoretischer Zusammenhänge erweist sich die fol­gende dimensionslose Darstellung als zweckmäßig. Es ist

u u+=-=

V"t"ole 3.10(8)

ein dimensionsloses Geschwindigkeitsverhältnis. Der Wurzelausdruck, in dem "t"o die Waodschubspannung bedeutet, hat die Dimension einer Geschwindigkeit. Mit der weiteren Definition

3.10(9)

ist ein dimensionsloser Wandabstand gegeben (die Größe hat den Aufbau einer Reynolds­zahl). Solche Setzungen für die turbulente Schubspannung, wie oben angegeben, implizie­ren dann, daß der Funktionalzusammenhang

u+ = !(y+) 3.10(10)

bis zu einem gewissen Grade universellen Charakter hat ("universelles Wandgesetz"), was die EIfahrung über weite Gebiete einigermaßen bestätigt, nicht aber wirklich streng und allgemein.

Die Berechnung von Grenzschichtströmungen mit Hilfe der partiellen Differentialglei­chungen 3.10(5) und (6) war ohne sehr leistungsfähige Rechengeräte von wenigen Sonder­fällen abgesehen unmöglich, woraus sich die Notwendigkeit summarischer Rechenverfah­ren ergab, die auch heute noch ihre Bedeutung beibehalten haben. An der Stelle x längs der Körperoberfläche sei U die Geschwindigkeit in der durch Reibung nicht gestörten Strömung und das von y abhängige u die Geschwindigkeit in der Grenzschicht, Abb. 3.10.3. Als Grenzschichtdicke !5 bezeichnet man in der Regel den y-Wert, in dem sich u dem asymp­totischen Wert U auf 99% genähert hat. Daneben definiert man drei weitere charakteri-

Page 26: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

118 3 Strömungstheoretische Grundlagen

stische Größen 01> 02 und 03 durch die Gleichungen

y

u (j -------- -

u{y)

00

0lU= !(U-ll)dy, o

00

02U2= !u(U-1t)dy, o

co

Ö3U3 = ! 11( U2 - 1[2) dy. o

p,{aplaxldx \

A bb. 3.10.3 Zur Impllisbetrachtung an der Grenzschicht.

3.10(1 t)

3.10(12)

3.1 0(13)

Das in GI. 3.10(11) rechts stehende Integral ist offensichtlich die Verminderung des Volu­menstromes durch die Gegenwart der Grenzschicht. Das durch die Gleichung definierte 01 ist demnach die Dicke einer gedachten Zone, innerhalb der die Geschwindigkeit Null wäre und welche die gleiche Verdrängungs wirkung hätte wie die wirkliche Grenzschicht; man nennt 01 daher Verdrängungsdicke. - Der Integralausdruck 3.10(12), mit e multi­pliziert, ist der durch die Grenzschicht bedingte Defekt an Impulsstrom, die damit defi­nierte Größe 02 also die Dicke einer gedachten Schicht, in der die Geschwindigkeit Null wäre und die gleichen Impulsdefekte ergäbe; sie wird Impulsmangeldicke genannt. - In gleicher Weise kennzeichuet die durch 3.10(13) definierte Größe 03 den durch die Grenzschicht gegebenen Defekt an Energiestrom und wird demgemäß als Energiemangeldicke bezeichnet.

Nun möge ein Kontrollgebiet herausgegriffen werden, das die Länge dx hat und in Richtung y so weit reicht, daß die Schubspannungen an seiner Grenzfläche AB verschwin­den. Für dieses Kontrollgebiet wird das Bewegungsgesetz global formuliert, also ohne auf die Einzelheiten der Strömung innerhalb des Gebietes einzutreten. Es lautet dann

d 2 [jh U - U ] 8p e dx (02 U ) dx = '0 dx + 0 -U- dy 8x dx. 3.10(14)

'---.--' '-,,-' ------.----.,;:----' abc

Dabei ist a die Zunahme des Impulsdefektes gegenüber der reibungsfreien Strömung. Glied b ist die bremsende Reibungskraft. Glied c ist der Anteil der Resultierenden der Druckkräfte, der eine Veränderung des Impulsdefektes in der Grenzschicht bewirkt. Nach der Bernoullischen Gleichung ist ja

p U2 g-+'T=C, 3.10(15)

Der Ausdruck U dUjdx kennzeichnet die Änderung des Impulsstromes der Hauptströ­mung. Was aber interessiert ist der Unterschied zwischen der Impulsstromänderung in der Hauptströmung und in der Grenzschicht, denn dies gibt die Änderung des Impulsstrom­defektes. Dieser ist gegeben durch die Abweichung zwischen U und u, so daß (U - u)jU

Page 27: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.11 Grenzschichten an der ebenen Platte 119

den maßgebenden lokalen Anteil der Druckkraft kennzeichnet. Wenn man 8p/8x durch den Ausdruck nach GI. 3.10(15) ersetzt, geht GI. 3.10(14) über in

d dU h e -d (b 2 U2) = '0 - e -d J (U - u) dy. 3.10(16)

x x o Dieser Integralausdruck hat den gleichen Wert wie derjenige, der 151 definiert, womit sich ergibt

.:!....Ib U2) + 15 U dU = '0. dx l2 1 dx e 3.10(17)

Hier führen wir noch die Definitionen des Reibungskoeffizienten c;

3.10(18)

und des Formfaktors Ru

3.10(19)

ein. Ru ist offensichtlich ein Charakteristikum für die Gestalt der Geschwindigkeitsvertei­lung in der Grenzschicht. Damit läßt sich die Gleichung in die folgende Form bringen:

db2 + (2 + R ) 152 dU = cf. 3.10(20) dx . 12 U dx 2

Diese Gleichung, auch Karmansche Integralbedingung genannt, ist eine Differentialglei­chung für die Funktion b2(x). Ihre Lösung verlangt die Eingabe empirischer Unterlagen über ci und Ru. Theorien, die diesen Weg beschreiten, werden als Impulsintegralmethoden bezeichnet.

3.11 Grenzschichten an der ebenen Platte Einfachste und übersichtlichste Verhältnisse bestehen bei der ebenen Platte, die mit

gleichförmiger Geschwindigkeit U angeströmt wird. Im Falle der laminaren Grenzschicht ist dann sogar eine st.renge Lösung möglich. In GI. 3.10(5) fehlt hierbei das letzte, die tur­bulent.e Schubspannung beschreibende Glied, und es ist zudem 8p/8x = O. Die Lösung u(x, y), v(x,y) läßt sich dann aus GI. 3.10(5) und (6) gewinnen, damit aber auch die vis­kose Schubspannung an der Wand und daraus c;. Man findet

ferner

Cf = 0,664 = 0,664 , 3.11(1)

V~x VRex

l/n 151 = 1,73 V U '

l/VX b~ = 0,664 V U ' 3.11(2)

vg1. Schlichting [21]. Dabei ist v = 'I'J/e die kinematische Zähigkeit. Der integrale Mittel­wert von c;, über beide Seiten einer Platte von der Längserstreckung 1 gebildet, also der eigentliche Widerstandskoeffizient der Platte wird

Cf - W _ 1,328 _ 1,328 , 3.11(3)

bl .!L U2 VUl V Re 2 -;-

wo W die Widerstandskraft und b die Plattenbreite ist. Der Übergang zur turbulenten Grenzschicht hängt stark von der Vorturbulenz ab, kann

etwa bis Rex = 3 . 105 herabrücken und durch künstliche Störungen selbst noch früher herbeigeführt werden. Unter Voraussetzung des Prandtlschen Mischwegansatzes und durch Vergleich mit Meßergebnissen kann bei glatter Wand für die Abhängigkeit der Geschwin-

Page 28: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

120 3 Strämungstheoretische Grundlagen

digkeit u+ von der Koordinate y+ GI. 3.10(8) und (9), gefunden werden u+=y+ wennO<y+< 11,71} 71+= 2,5Iny+ + 5,56 wellll y+ > 11,71.

3.11( 4)

Bei rauher Wand ist auf die Untersuchungen von Nikuradsc [24] zurückzugreifen. Es sei ks die mittlere Höhe der Rauhigkeitserhebungen ("Sandrauhigkeit", da die Rauhigkeit durch Aufbringen von Sandkörnern künstlich erzeugt wurde). Mit dem dimensionslosen Rauhigkeitsparameter

b*= k; V~o 3.11(5)

wird darm als Geschwindigkeitsgesetz y+

U+ = 2,5 In b* + 8,5 3.11(6)

gefunden. Dies gilt für y+ ~ b*, für kleinere y+ läßt sich keine sinnvolle Geschwindigkeits­angabe machen, da man innerhalb der Rauhigkeitserhebungen ist.

Mit der Definitionsgleichung von b2 und der Grenzschichtgleichung 3.10(20) ergibt sich wegen dU Idx = 0

cf = db2 =.!!....[jU(U - .3!:ldy] = . v .!!.... j+U+(U+2- u+)dy+. 2 dx dx 0 U2 VToig dxo U +

Hier sind U + und h+ wieder sinngemäß die mit V Toll! dimensionslos gemachten Größen. Aus dieser Relation läßt sich das lokale c; erschließen und hieraus wiederum durch Inte­gration über x der mittlere Widerstandsbeiwert Cf' den man zweckmäßig wieder auf beide Plattenseiten zusammen bezieht. Für die glatte Platte läßt er sich durch die Interpolations­formel

('f = (log Re )2,58'

0,455 3.11(7)

für die rauhe durch

( l )-2,5 Cf = 1,89 + 1,62 log ks

3.11(8)

wiedergegeben. Bei der rauhen Platte wird also Cf von der Reynoldszahl unabhängig. Das trifft zu, wenn <5* ~ 70, während für <5* ~ 2,85 hydraulisch glattes Verhalten vorliegt; dazwischen besteht ein Übergangsgebiet. Die Umrechnung wirklicher Rauhigkeitserhe­bungen auf äquivalente Sandrauhigkeit fußt im Einzelfall auf experimentellen Unter­lagen.

10 9 B 7

8

5

t ~

5

z

1,5

~ "" ~

a

'" '\. 1~ o~~

~ ~. . ~~,

~ Ja '-1i!i~ . '"

I

~ I

Me.rS'ungen • Wie.rel.rberger e Gebef's c Ff'oude o Kempf o Schoenhef'f'

lIt" ~~ ~ i

3 -.... '';:;b f:1ltt J If .

T -

I

. ....:; :-:-~ --

i '-1 105 1,5 Z 2,5 J 11 5 Ö 8 10. 1,5 2 2,5 J 'I 5 Ö 8 107 1,5 23,5 J 1f 50' B 108 1,5 Z 3,6 J 1f 5 Ö 8 109 t5 2 3,5 J 4' 5

U. ·l Re=-V-~

Abb. 3.11.1 Widerstandsbeiwert Cf der glatten ebenen Platte, Vergleich zwischen Theorie und Messung 1 nach GI. 3.11(3), 3 nach GI. 3.11(7).

Page 29: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.12 Grenzschichtberechnung bei beliebiger Druckverteilung 121

Abb. 3.11.1 zeigt gemessene Werte des Widerstandsbeiwertes der glatten ebenen Platte und den Vergleich mit theoretischen Werten, insbes. Kurve 1 nach GI. 3.11(3) (laminar), Kurve 3 nach GI. 3.11(7) (voll turbulent), während Kurve 3a dem Fall entspricht, wo die Grenzschicht teilweise laminar, teilweise turbulent strömt.

Die typische Aufeinanderfolge von drei verschiedenartigen Widerstandsgesetzen, näm­lich laminar, turbulent-glatt, turbulent-rauh, die für die Platte gefunden wird, ist auch beim Rohr bekannt, wo die Widerstandszahl 1fJ in der Rohrreibungsformel

ALe 2 LJP = 1fJ--c D 2

3.11(9)

ein analoges Verhalten zeigt wie der Widerstandsbeiwert der Platte. Für die Einzelheiten der hier nur skizzierten Zusammenhänge sei auf das einschlägige Schrifttum verwiesen, insbes. Schlichting [21].

3.12 Grenzschichtberechnung bei beliebiger Druckverteilung

Zur Berechnung von Grenzschichten bei beliebiger Geschwindigkeits- und damit Druckverteilung längs x bewährt sich mindestens bei laminarer Grenzschicht die Impuls­integralmethode gut. Das Geschwindigkeitsprofil der Grenzschicht kann so angegeben wer­den, daß man u/U in Funktion von y/b aufträgt. Eine fundamentale Annahme der Theorie ist, daß die sämtlichen in laminaren Grenzschichten überhaupt möglichen Geschwindig­keitsprofile in dieser normierten Darstellung eine einparametrige Kurvenschar bilden. Welches dieser Geschwindigkeitsprofile an einer gegebenen Stelle x angetroffen wird, hänge einzig ab von den in x herrschenden Bedingungen (eine weitere Annahme, die sicher nur näherungsweise erfüllt ist). Der maßgebende Parameter, der diese Bedingungen beschreibt, muß Geschwindigkeitsgradient und Zähigkeit berücksichtigen und läßt sich in der Form

b2 dU A = - - 3.12(1)

- 'V dx

angeben. Bereits Pohlhausen [27] hat nun versucht, eine solche Schar von Profilen durch einen Polynomansatz wiederzugeben und Launder [28] hat dieses Verfahren noch ver­feinert. Diese Schar muß folgende Bedingungen erfüllen:

y = 0: u = 0, 'V a2u _ ~ dp - _ U dU 3.12(2) oy2 - e dx - dx '

OU 02U Y = b: 1t = U, oy = 0, oy2 = O. 3.12(3)

Die zweite der GIn. 3.12(2) folgt aus der Bewegungsgleichung. - Dazu ist noch der fol­gende empirische Befund beizufügen. Dasjenige Geschwindigkeitsprofil, das der beginnen­den Grenzschichtablösung entspricht, hat in y = 0 den Gradienten 8u/8y = O. Das tritt

Abb. 3.12.1 Geschwindigkeitsprofile nach Launder.

1,0

0.8

0.2

o

V /' /' /" /'

,." V / / r--

t / / ~ J --Ii ~ V

I 'F>/ 1/ 1/ ~

'/ I j

rt/ /

'I / ./

0.2 0.' 0.6 0.0 1,0 y/6-

Page 30: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

122 3 Strömungstheoretische Grundlagen

nach experimentellem Befund ein, wenn der Parameter A den Wert -6 hat. Die Profil­scha,r von Launder erfüllt alle diese Bedingungen und ist in Abb. 3.12.1 dargestellt. Da diese Kurven festliegen, kann man für jede auch ~1/~2' ~2/~ und folglich auch H1a berech­nen. Der Neigung in y = 0 entspricht die dort auftretende Schubspannung 't'o. Als charak­teristische Angabe dafür findet man die Größe

1 (UV~2). Diese und H 12 können also in Funktion von A, mithin aber auch in Funktion der Größe

r = ~~ dU 3.12(4) - v dx

dargestellt werden, da ja die Zuordnung von ~2/~ undA bekannt ist. Abb.3.12.2 stellt diese Funktionalzusammenhänge dar.

11

~ 1 -0.1

I'

V I'

l'fl1

1'-- I-'" Pr--

v

o 0.1

I I ~ 11 .1

1c(12)(U61//I) v-I-'"

~

I-'"

I-r-, r-I-t-

0.2 0.3 r-

I ! I ! ! J ! ! I ! I ! I I I

0.7

0.6

0.1

o

-6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 20 30 40 50 60 80 A-

Abb.3.12.2 Grenzschichtgrößen nach Launder.

Damit ist nun aber folgendes Berechnungsverfahren für eine laminare Grenzschicht mög­lich. Nach der Grenzschichtgleichung 3.10(20) ist

d~2 _ Cf _ (2 + H ) ~2 dU 3.12(5) dx - 2 12 U dx'

Kennt man in einem Punkt x die Größen ~2' U, dU/dx, so liefern die Kurven Abb. 3.12.2 c; und H1a, folglich GI. 3.12(5} d~aldx. Damit folgt aus

d~ ~2(X + Llx} = ~2(X} + d; Llx 3.12(6)

die Impulsmangeldicke in x + Llx, und so kann die Differenzenrechnung weiterschreiten. In x = 0 ist wie Schlichting [21] zeigt

~2(0} = 0,292 V(dU/~X}z=o . 3.12(7}

Für einen mit der Geschwindigkeit U 00 querangeströmten Kreiszylinder vom Ra,dius R (Profilnase ) liefert dies

3.12(8}

Page 31: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.12 Grenzschichtberechnung bei beliebiger Druckverteilung 123

Durch das Differenzenverfahren ist also eine laminare Grenzschicht von x = 0 an berechen­bar und dies kann fortgesetzt werden bis zur Stelle x rr ' wo der übergang in die turbulente Grenzschicht erfolgt; über die Lage von X u vgl. die Ausführungen unter 3.13.

Zur Berechnung der turbulenten Grenzschicht bestehen Impulsintegralmethoden in großer Zahl, ohne daß sich irgendeine als den anderen klar überlegen erwiesen hätte, vg1. [42]. Unter ihnen gibt es wiederum "einparametrige" Verfahren, die annehmen, daß die sämtlichen in turbulenten Grenzschichten möglichen Geschwindigkeitsprofile in geeignet normierter Darstellung eine einparametrige Schar bilden (was durch die Experimente mindestens näherungsweise gestützt wird, wenn auch nicht in voller Allgemeinheit). Unter­stellt man dies, so ist eines der möglichen Vorgehen das folgende.

Ludwieg und Tillmann [32] geben für c; die auf experimentellem Material basierende Interpolationsformel

c' (U ° )-0,286 ; = 0,123· 10-0,678H" ~, 3.12(9)

vg1. auch[21]. Doenhoffund Tetervin [33] haben auf Grund umfangreichen Versuchsmate­rials eine Gleichung für H 12 angegeben, die von Garner [34] in die Form

dH12 _ _ e5(H12-1,4) [~ dU. 0,0135(H12 - 1,4)] dx - U dx + (U ( 2)°'167

°2 --V

3.12(10)

gebracht worden ist. Setzt man den Ansatz 3.12(9) in die Grenzsohichtgleichung 3.10(20) ein, so lautet sie

d02 = 0,123' 10-o,678Hu (U ( 2)-°,286 _ (2 + H ) 02 dU. 3.12(11) ~ v HU~

Aus den bekannten Bedingungen an einer Stelle x kann man also dHH/dx und d02/dx aus GI. 3.12(10) und (11) berechnen und hat damit

02(X + Llx) = 02(X) + ~; Llx, H 12(X + Llx) = H 12 (X) + d!12 Llx. 3.12(12)

So kann ausgehend von der Stelle x u, wo der übergang zum turbulenten Zustand erfolgt, im Differenzenverfahren um Intervalle Llx weitergeschritten werden bis zum Ende des Körpers. In X u selbst verlangt das Bewegungsgesetz, daß 02 keinen Sprung macht. Hin­gegen gestaltet sich das Grenzschichtprofil um, was sich in einer Veränderung von H 12

äußert. Demgemäß ist

°2turbulent(XU) = 021aminar(XU) 1 H12tnrbulent(XU) = Hl21aminar(XU) - LlH12, J 3.12(13)

wobei der Sprung LlH12 nach Truckenbrodt [31] aus Abb. 3.12.3 zu entnehmen ist. Somit sind in X u die Ausgangswerte für die Differenzenrechnung bekannt. Die Rechnung lie­fert z. B. im Falle des Schaufelprofils einer Turbomaschine 02 an der Austrittskante und dies ist, was für die Bestimmung des sog. Profilverlustes benötigt wird.

Abb.3.12.3 Sprung des Formparameters beim Umschlag zum turbulenten Strö­

mungszustand.

1,4

1,0

I ,.-~f-

:/ ...... -1

I

V

/'

W2 2 '6 WJ 2 4 6 W' 2 '6 WS Ulizlv-

Page 32: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

124 3 Strömungstheoretische Grundlagen

Verfahren, die sich auf die partiellen Differentialgleichungen der Grenzschicht stützen, sind ebenfalls bekannt. Dasjenige von Patankar und Spalding [53] fußt auf folgendem Gedanken. Die Stromfunktion 1Jl und ihr vVert 1Jla am Außenrand der Grenzschicht sind gegeben durch

y 0

1Jl = f eu dy, 1Jla = f eu dy. 3.12(14) o 0

Davon ausgehend wird eine verallgemeinerte Stromfunktion CI) = 1Jl/1Jla definiert. Sie er­laubt es, die Grenzschichtgleichungen 3.10(5) und (6) zu der Form

ou + wmE on = ~ ~ op + ~ [eu('Yj + c) on] OX 1Jla OW eu OX ow 1Jl~ OW

3.12(15)

zusammenzufassen. Diese partielle Differentialgleichung wird mit den jeweiligen Grenz­bedingungen durch Übergang zur Differenzenrechnung numerisch gelöst. Der pro Längen­einheit des Weges aus der Außenströmung in die Grenzschichtzone eintretende Massen­strom mE ("entrainment rate") wird beim Lösungsverfahren laufend mitbestimmt. Für die Austauschgröße c kann der Ansatz nach GI. 3.10(3) und (4) eingeführt werden, aber ebenso gut auch jeder andere. Es ist selbst möglich, c durch besondere, aus der Turbulenz­theorie gewonnene Differentialgleichungen zu beschreiben. - Die Theorie kommt also mit einem Minimum an einschränkenden Voraussetzungen aus und ist äußerst anpassungsfähig. Der Rechenaufwand ist demgegenüber ungleich größer als bei Impulsintegralmethoden.

3.13 Ergänzendes zur Grenzschichttheorie

Die Anwendung der angegebenen Verfahren verlangt Angaben darüber, bei welchen Werten U 02/V der Umschlag in den turbnlenten Zustand zu erwarten ist. Die in der Grenz­schichtliteratur üblichen Kriterien (vgI. etwa [21]) haben sich im Turbomaschinenbau nicht bewahrheitet. Abb. 3.13.1 zeigt demgegenüber den kritischen Wert von U 02/V für Schaufelgitter nach Hodge [35], vgI. auch Horlock [37]. Demnach erfolgt der Übergang zur Turbulenz bei Beschleunigungsgittern früher als theoretisch zu erwarten wäre. Besonders komplizierte Verhältnisse herrschen. in Verzögerungsgittern, wo in Gitterversuchen selbst Ablösen und Wiederanliegen laminarer Grenzschichten beobachtet worden ist vgI. [35], [38]. Ein hinreichendes Maß an Vorturbulenz bringt solche Ablösungs blasen zum Verschwin­den. Bei der Lückenhaftigkeit unserer Kenntnisse sei empfohlen, bei Verzögerungsgittern den Punkt höchster Übergeschwindigkeit, also den Verzögerungsbeginn, als Umschlags-

10 ~ B

~6

3

2 10 -0,10

I ,

-- - - - - -- --,---

I

TUl;:v' 0,01~q"

.t/ .1, ~r - J~OJ~ ~

-0,05 o r-

0,01,00

T",,!,'- Abb. 3.13.1 Kritischer Wert von U 02!V nach Hodge [35]. Kurven für verschiedene

0,05 0, 10 Turblllenzgrade Tu.

Page 33: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.13 Ergänzendes zur Grenzschichttheorie 125

punkt zu wählen, womit man die Verluste eher überschätzt. - Ganz allgemein beobachtet man, daß der übergang laminar-turbulent sich bei Schaufelprofilen oft (in der Maschine wahrscheinlich immer!) über eine größere Zone erstreckt, also nicht den Charakter eines scharfen Umschlages hat. Theorien des Typus [53] sind dieser Situation eher angemessen als die Impulsintegralmethoden.

Die Grenzschichttheorie war von je her bestrebt, Ablösungskriterien anzugeben, vor allem um die Mittel zur Vermeidung der Ablösung in die Hand zu bekommen. Bei der la­minaren Grenzschicht wurde bereits das Ablösekriterium A = -6 angegeben. Bei turbu­lenten Grenzschichten wird H 12 als maßgebendes Kriterium betrachtet, doch schwanken die Angaben über den kritischen Wert zwischen 1,8 und 2,4. Grundsätzlich muß. bei der Berechnung von Grenzschichten in kanalartigen Gebilden die Rückwirkung der Verdrän­gungswirkung der Grenzschicht auf den U-Verlaufberücksichtigt werden. Aber auch damit ist eine genaue Voraussage der Ablösung nicht möglich. Kline [46] und seine Mitarbeiter haben aufgezeigt, daß in Kanälen die Ablösung oft nicht scharf bei einem bestimmten Strömungszustand einsetzt, sondern allmählich. Da vor allem Diffusoren in solchen über­gangszuständen am günstigsten arbeiten, ist ihre grenzschichttheoretische Berechnung bis heute nicht erfolgreich.

Die empirischen Angaben, die in die Berechnung turbulenter Grenzschichten eingehen, seien sie von der durch GI. 3.10(3) und (4) oder von der durch GI. 3.12(9) und (10) gegebenen Art, gelten für hydraulisch glatte Wände. Zuverlässige allgemeine Methoden zur Berück­sichtigung der Rauhigkeit scheinen bis heute zu fehlen. Nach Feindt [40] verschiebt die Rauhigkeit den Umschlagspunkt nach vom (asymptotisch etwa bis U tJdv = 400, was bei ksltJ8 = 1 erreicht), doch dürfte er bei Schaufelgittern der hohen Vorturbulenz wegen ohne­hin noch weiter vorn liegen.

Der Einfluß der Machzahl auf die Grenzschichtentwicklung ist - abgesehen von der Rückwirkung auf die Geschwindigkeitsverteilung U(x) - bis Machzahlen von etwa 2 gering, vollends im subsonischen Gebiet, vgl. Abb. 3.13.2.

1,0

~ f Dhawan Co/es (ebene Strömung) _

'\ 6 ... 8rinich, Diacoms (Axiatstr.J + Chapman, Kester (Axia/str.J _

1\'-.0 2 0 Seift (Axia/strömung) 3{ x v .lobb, Wink/er, Persh (eb. Str.J _

~ o. Hili (Axia/strömung) f\-..o

0.8

i'\': 1"-~ ~, ~

......

~'''''' ~ xi'--~~-x

0.2 -- Theorie Wilson, ahne Wärme/eitung

r- -1'-Tiorie r UniS!, mitl Wärj/eitunr

o 2 6 8 10 M",-

Abb.3.13.2 Verhältnis des Reibungsbeiwertes bei kompressibler und inkompressibler Strömung. M 00 = Mach­zahl der Anströmung.

In den vorangehenden Ausführungen ist stets angenommen, die Grenzschichtdicke sei gegenüber dem Krümmungsradius der Wand so klein, daß ein Krümmungseinfluß auf die Grenzschichtentwicklung nicht spürbar sei. Das ist indessen nicht stets der Fall. Kon-

Page 34: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

126 3 Strömullgstheoretische Grundlagen

vexe Wandkrümmung wirkt stabilisierend, konkave labilisierend auf die Grenzschicht, wobei nach [21] der Einfluß konvexer Krümmung klein ist, während bei konkaver Taylor­Görtler-Wirbel auftreten können. Dies sind wandnahe Wirbel, deren Achsen, wie in Abb. 3.13.3 dargestellt, in Strömungsrichtung verlaufen und die in laminaren Grenzschich­ten auftreten. Mit R als Krümmungsradius der Wand ist etwa

UVtJ2 V~ ~ 0,28 3.13(1)

das Kriterium für das Erscheinen solcher Wirbel, eine Bedingung, die bei Turbinenschau­feln erfüllt sein kann.

"­ "-"-,~--~~v=~~~~

y

x

Abb.3.13.3 Görtler-Wirbel an einer konkaven Wand.

Trotz der großen Zahl der bekannten Verfahren zur Grenzschichtberechnung, vgl. [21], [31], [41], [42], [53], verfügen wir über keine, deren Treffsicherheit in allen Fällen befriedigte, vgl. auch die Diskussion von Kline [39]. - Bei dem hier gegebenen Überblick ist stets ebene Strömung vorausgesetzt worden. Sinngemäß lassen sich die Verfahren auf den Fall der Rotationssymmetrie anwenden, während eigentliche dreidimensionale Grenzschichten eine wesentliche Verallgemeinerung der Theorie verlangen, vgl. etwa [37]. Sie sind für den Tur­bomaschinenbau wesentlich (Seitenwandgrenzschichten, Einfluß der Fliehkraft auf Lauf­schaufelgrenzschichten), haben aber noch nicht einen Stand erreicht, der sichere Voraus­sagen erlaubt.

3.14 strömung in Kanälen

Die technische Strömungslehre behandelt die Strömung durch kanalartige Gebilde aller Art aus naheliegenden Gründen bevorzugt in eindimensionaler Näherung. Größen wie Geschwindigkeiten, Enthalpien usw., die in den Gleichungen auftreten, müssen dabei als Mittelwerte über die betrachteten Kanalquerschnitte aufgefaßt werden. Damit stellt sich die Frage, ob es möglich sei, diese Mittelwerte so zu definieren und gegebenenfalls die Theo­rie formal so auszugestalten, daß strenge Aussagen über Relationen zwischen solchen Mittel­werten entstehen. Dies ist in der Tat auf mehrere Arten möglich, wobei aber stets gewisse willkürliche Setzungen gemacht werden müssen.

Page 35: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.14 Strömung in Kanälen 127

Da Mittelungen thermodynamischer Zustandsgrößen gemacht werden müssen, sei über diese letzteren die folgende Betrachtung vorausgeschickt. Das thermodynamische Verhalten des Fluids wird beschrieben durch die folgenden Gleichungen:

thermische Zustandsgleichung v = v(p, ~),

kalorische Zustandsgleichung h = h(p, ~) .

3.14(1)

3.14(2)

Hier ist ~ die zweite unabhängige Zustandsvariable, in der Regel die Temperatur T, beim Naß dampf aber z.B. der Dampfgehalt x, da dort T mit p bereits gegeben ist. - Vermöge der Hauptgleichung der Thermodynamik bestimmen diese beiden Zustandsgleichungen auch den Zusammenhang

8 = 8(p, ~). 3.14(3)

Durch Elimination von ~ aus je zwei dieser Gleichungen erhält man die Funktionalzu­sammenhänge

}i\(p, v, h) = 0,

}i\(1J, h, 8) = 0,

}i\(p, v, 8) = 0

und durch Elimination von paus F 1 und F 2 oder aus F 2 und F 3 auch

F4(v, h, 8) = O.

3.14(4)

3.14(5)

3.14(6)

3.14(7)

Irgend zwei dieser Funktionen F i enthalten zusammen die ganze Information, die durch die beiden Zustandsgleichungen 3.14(1) und (2) gegeben ist. Jede der Funktionen läßt sich auch nach einer beliebigen ihrer Variablen auflösen, womit insbesondere die folgenden Darstellungen möglich werden:

v = rpl(P, h), 8 = u2(p, h),

v = rp4(h, 8),

P = 1l2(h, 8),

8 = U4(h, 'v),

p = 1l1(h, v).

3.14(8)

3.14(9)

3.14(10)

3.14(11)

3.14(12)

3.14(13)

Die Indices der Funktionalzeichen deuten an, aus welcher der Funktionen F i die betref­fende Funktionaldarstellung abgeleitet ist. Die Gleichungspaare (8)-(9), (10)-(11), (12)-(13) beschreiben das thermodynamische Verhalten des Fluids erschöpfend.

Abb. 3.14.1 Zur Mittelwertsbildung bei Kanalströmungen.

z

Cz C y

Page 36: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

128 3 Strömungstheoretische Grundlagen

Nun betrachten wir die Strömung durch einen Kanal, Abb. 3.14.1, und stellen uns das Problem, die maßgebenden Mittelwerte in einem ebenen Querschnitt f zu bestimmen. Wie im Bild dargestellt, errichten wir auf diesem Querschnitt ein Koordinatensystem x, y, z mit z als Normalenrichtung. Die entsprechenden Geschwindigkeitskomponenten sind c"" cy' cZ' Es sei angenommen, daß sich einer zeitunabhängigen Grundströmung regellose (turbulente) und gegebenenfalls auch periodische Störungen überlagern. Weiter seien L eine dem Zustand bzw. der Bewegung des Fluids zugeordnete extensive Größe und 1 die zugehörige spezifische Größe. In einem Zeitintervall to trete durchf die Masse m(to) und der Betrag L(to) der Größe L. Dann ist der Mittelwert von 1 für das Zeit intervall to

L(t ) 1 t. l(to) = -( 0) = -('- J [J J (jc,! clf] dt =

1n to 'In to)o t.

J [J J (jczl df]dt o

t.

J [J J ecz dfl dt o

3.14(14)

Hier ist das Doppelintegral über die ganze Fläche f zu erstrecken. Unter dem stationären Mittelwert I verstehen wir den Wert

I - lim \ l(to) \ . to --700

3.14(15)

Stets lassen sich endliche Zeitintervalle to finden, für die mit jedem wünschbaren Masse von Genauigkeit

r = l(to) 3.14(16)

wird. Diese Gleichung ist erfüllt, wenn to groß ist gegenüber dem Zeit intervall , das eine einzelne Schwankung im Mittel einnimmt und wenn es zudem (bei Überlagerung mehrerer periodischer Vorgänge) gleich der kleinsten vollständigen Periode oder einem ganzzahligen Vielfachen derselben ist. Ist to auch sehr lang gegenüber der kleinsten vollständigen Periode, so kann die Bedingung des ganzzahligen Vielfachen entfallen. Wenn man to so wählt, daß GI. 3.14(16) erfüllt ist, so liefert GI. 3.14(14) unmittelbar I. Für die Dreifach­integrale benutzen wir nachfolgend die vereinfachte Schreibweise

t.

J [J J eCzl df] dt - J eCzl df dt . o

3.14(17)

Dann läßt sich stets ein to finden, für welches

-l - _1_, J' 1 drr ,1 _ J (jczl clf dt - ecz :J ut - , m(to) J ecz df clt

3.14(18)

und zwar genügt es praktisch, wenn to nur hinreichend groß ist. Wenn wir noch beachten, daß

in = m(to) = ~ J (!Cz df dt, to to

3.14(19)

können wir in GI. 3.14(18) m(to) durch mto ersetzen. Anschließend wenden wir diese Glei­chung auf die verschiedenen interessierenden Mittelwerte an. Bei den Geschwindigkeits­mittelwerten kennzeichnet Index k das Kontinuitätsmittel, Index b das Impulsmittel (Bewegungsgröße ), Index e das EnergiemitteL Es ist alsdann

v = -2- J (!CzV df dt = -2- J Cz df dt, mto mto

- 1 h = -. -J (!cib df dt,

mto

- 1 J .., == -, - (!Cz8 cl! dt , mto

3.14(20)

3.14(21)

3.14(22)

Page 37: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.14 Strömung in Kanälen

CbZ = J:-t f (!CzCz df dt , m o

cby = J:- f (!CZCy df dt , mto

Cbz = J:- f (!C; df dt , mto

::2Ce - 1 f 2 2 2 d" d - 1 f 2" - -. -t (!Cz(c", + Cy + Cz ) 'J t - -;-t (!CzC dJ dt. m o m o

129

3.14(23)

3.14(24)

3.14(25)

3.14(26)

Man beachte, daß cz ' cy' Cz als spezifische Impulse, C;/2 als spezifische Bewegungsenergie aufgefaßt werden können. Von der kontinuitätsgemittelten Geschwindigkeit kann nur die z-Komponente sinnvoll definiert werden, nämlich

Wir setzen weiter

_ mv Ckz =T'

CC=~z+C~y+Ctz Ckz = (1 - Ck) Cbz,

Ce = (1 + ce) Cb'

3.14(27)

3.14(28)

3.14(29)

3.14(30)

Damit sind die Formfaktoren (1 - Bk) und (1 + ce) definiert. Für die Mittelung des Druckes setzen wir die Gleichung

- 1 f p = tof p dfdt, 3.14(31)

die nicht aus GI. 3.14(18) hervorgeht. Jene Gleichung ist hier nicht verwendbar, da p keine extensive, sondern vielmehr eine intensive Zustandsgröße ist. Die durch GI. 3.14(31) gege­bene Mittelung ist dadurch begründet, daß pf den korrekten zeitlichen Mittelwert der Nor­malkraft auf f liefert und daß im Sonderfall des konstanten p der Mittelwert mit diesem konstanten Wert identisch wird.

Beachtenswert ist nun, daß man diese Mittelungsgleichungen nicht alle gleichzeitig ver­wenden kann, wenn man noch verlangt, daß die Mittelwerte thermodynamischer Zustands­größen die thermische und die kalorische Zustandsgleichung erfüllen müssen. Vor allem kommen die folgenden drei Mittelungsverfahren in Frage:

a) Aus GI. 3.14(31) bestimmt man p, aus GI. 3.14(21) h. Weiter ist

v = IPl(P, h), '8 = o'2(P, h).

b) Aus GI. 3.14(21) bestimmt man h, aus GI. 3.14(22) s. Weiter ist

v = IP4(h, '8), p = nih, '8).

c) Aus GI. 3.14(20) bestimmt man V, aus GI. 3.14(21) h. Weiter ist

'8 = ulk, v), P = nl(h, v).

3.14(32)

3.14(33)

3.14(34)

Beim Verfahren a) sind die GIn. 3.14(20) und (22) verletzt, beim Verfahren b) sind es die GIn. 3.14(20) und (31) und beim Verfahren c) die Gln. 3.14(22) und (31). Alle übrigen Glei­chungen lassen sich in allen Fällen streng erfüllen.

Was es praktisch bedeutet, daß einzelne Gleichungen nicht erfüllt sind, erkennt man am leichtesten aus einem idealisierten Beispiel. Es sei angenommen, ein Querschnitt, in dem konstanter Druck herrscht, werde durch zwei gleich große Anteile eines Massenstromes durchsetzt, die verschiedene Temperaturen und damit verschiedene Enthalpien h1 und hz haben mögen. Abb. 3.14.2 stellt dar, was die drei Mittelungsverfahren in diesem Falle lie· fern. - Verfahren a) führt auf den Zustandspunkt A, denn es gibt die korrekten Mittel-

Page 38: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

130 3 Strömungstheoretische Grundlagen

werte hund p. Hingegen entsprechen dem Punkt A andere Werte von v und 8, als sie aus einer direkten Mittelung erhalten werden. - Verfahren b) gibt den Zustandspunkt B, also korrektes hund 8, hingegen einen vom tatsächlichen Wert abweichenden Druck und ebenfalls ein gefälschtes mittleres spezifisches Volumen. - Verfahren c) schließlich liefert den Zustandspunkt 0, d.h. korrektes h und v, hingegen geHUschte Mittelwerte p und 8.

h

------------------------~--~

----------~~~--~------h

~~-----/~--+--------------h, P / /

I -" V,

s Abb.3.14.2 Entropiediagramm zur Gegenüberstellung verschiedener Mittelungsverfahren.

Besonders instruktiv ist der Unterschied der s-Mittelwerte zwischen Punkt A und B. Die Mischung der beiden verschiedenen Ströme ist ein irreversibler Prozeß, also mit Entro­pievergrößerung verbunden, und dies ist der Unterschied der Entropiewerte im A und B. Man könnte sich den Mischvorgang reversibel durchgeführt denken, indem man aus der ursprünglich vorhandenen Temperaturdifferenz Arbeit gewänne und diese zur Verdich­tung des Fluids benutzte. So entsteht der höhere Druck in B. Die Rechnung nach Verfah­ren a) nimmt also die Energiedissipation durch Mischung, die in Wirklichkeit erst nach dem Querschnittffolgt, vorweg und vergrößert dementsprechend den Entropiestrom inf.

Schon in dem hier besprochenen idealen Grenzfall werden die Unterschiede der Ergeb­nisse der drei Mittelungsverfahren sehr gering, und das gilt noch in weit höherem Maße in den praktisch vorkommenden Fällen. Die Differenzen liegen dann in der Regel weit unter den günstigsten Meßtoleranzen. Vom praktischen Standpunkt aus liefern also alle drei Verfahren dasselbe. Verfahren a) dürfte tür die Handhabung das zweckmäßigste sein.

t,\ \ \ -.o:{;\ \ ~

Kll \ \ \ \

Abb. 3.14.3 Kanalstück, zur Aufstellung der eindimensionalen Mittelwertsgleichungen.

Page 39: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.14 Strömung in Kanälen 131

Bei der Berechnung der Strömung durch einen Kanal, Abb. 3.14.3, lassen sich nun in quasi-eindimensionaler Behandlungsweise folgende Relationen zwischen den maßgebenden Größen im Querschnitt!1 und denjenigen im Querschnitt!2 herstellen: Die Kontinuitäts­gleichung lautet

(1 - Bk2) cbzd2 (1 - Ba) cbzdl V2 VI

3.14(35)

Weiter sei Af die während des Zeitintervalles to durch Feldkräfte am Fluid innerhalb des Raumes zwischen!1 und!2 geleistete Arbeit, AT die während to an der Oberfläche des glei­chen Raumgebietes durch Schubspannungen geleistete Arbeit und Q die während to dem Raumgebiet zugeführte Wärme. Wenn wir dann setzen

- _ Af af = into'

-- Q q=-.-, mto

so schreibt sich die Energiegleichung - 1 2 -2 - 1 2 -2 - - -hz + '2(1 + Ee2 ) Cb2 = h1 + '2(1 + Eel ) Cbl + aj + a T + q.

Insbesondere wird daher im isoenergetischen Falle

h2 + t(l + E.2)2 C~2 = h1 + t(l + E.1)2 C~1' Weiter seien

3.14(36)

3.14(37)

3.14(38)

:!. 1 t._ :!. 1 te _ :!. 1 t .... Rf -- J Rfdt, Rp -- J Rp dt, R T - - J R.dt 3.14(39)

to 0 to 0 to 0

die zeitlichen Mittelwerte der Resultierenden iif , Rp , R. der Feldkräfte, Drucke und Schubspannungen, die am Raumgebiet angreifen. Dann lautet der Impulssatz

3.14(40)

Aus Kontinuitätsgleichung und Energiegleicbung ergibt sich die Zustandsänderung erst, wenn noch eine Angabe über die Energiedissipation beigefügt wird. Dies kann dadurch erfolgen, daß ein polytroper oder isentroper Wirkungsgrad beigefügt wird, vgl. die Ab-schnitte 1. 7 und 1.8; diese Wirkungsgrade sind hier mit den p, v und h zu bilden. Mit der Angabe eines solchen Wirkungsgrades und der Größen Ek und Ee sind die empirischen Unter­lagen in die Rechnung eingeführt. Die so entstehende quasi-eindimensionale Theorie ist -von praktisch bedeutungslosen Feinheiten abgesehen - eine strenge Beschreibung der Kanalströmung.

Die Tatsache, daß Formfaktoren in der Theorie auftreten, bedeutet natürlich eine Komplikation und setzt die Bereitstellung zusätzlicher empirischer Unterlagen voraus. Man kann diese Erschwerung teilweise oder ganz vermeiden, entfernt sich dabei aber von einer genaueren Beschreibung der Verhältnisse. Dabei können wesentliche Aspekte verloren gehen, und es besteht in gewissen Fällen sogar die Gefahr von Trugschlüssen. - Die Ver-meidung des Faktors 1 + Ee gelingt mit der Einführung eines ideellen Mittelwertes h* der statischen Enthalpie durch die Definition

~ -2 - Cb - cb - - ~ h* + 2 = h + (1 + E.)2 2'" h* ~ h + E.Cb' 3.14(41)

Dann lautet die Energiegleichung

allgemein 3.14(42)

-2 -2

isoenergetisch h2* + Cb2 - h* + ChI 2 -1 2 .

Page 40: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

132 3 Strömungstheoretische Grundlagen

Die entsprechenden ideellen Mittelwerte der übrigen thermodynamülchen Zustandsgrößen sind

v* = 'PIep, h*), Die Kontinuitätsgleichung schreibt sich

(1 - Ck2) cbzd2 (1 - Ckl) cbzdl -------*----=-------*----, V2 VI

3.14(43)

3.14(44)

während die Impulsgleichung unverändert bleibt. Man beachte, daß der allerdings meist verschwindend kleine Unterschied zwischen v und v* in Ck eingeschlossen werden kann. Abb. 3.14.4 veranschaulicht die Abweichung zwischen der wirklichen und der ideellen Zustandsänderung, mit der man bei dieser Betrachtungsweise rechnet. Die Energiebilanz wird korrekt, doch werden statische Enthalpie und Geschwindigkeitsenergie um entgegen­gesetzt gleiche Beträge gefälscht. - Diese vereinfachte Berechnungsart ist in sehr vielen Fällen zweckmäßig.

h

JJz

-hz* ß7"----nz

s

Abb. 3.14.4 Wirkliche und ideelle mittlere Zustandsänderung in einem Kanal bei isoenergetischer Strömung, dargestellt im Entropiediagramm.

Eine weitere Vereinfachung entsteht durch Weglassen des Faktors 1 - Ck' doch ist diese Beschreibung der Strömung bereits weniger befriedigend. Man muß dann die durch

C'2 ~ qx + C~y + cIz 3.14(44')

definierte mittlere Geschwindigkeit einführen. Dann erhält man mi.t

-;;2 -'2

h' h + (1 + c.)2 c~ - C2 ' 3.14(45)

v' = 'Pkp, h'), '8' = akp, h') 3.14( 46)

Page 41: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.14 Strömung in Kanälen

die folgenden Energie- und Kontinuitätsgleichungen:

allgemein

-'2 -'2

isoenergetisch h2 + C~ = hi. + C~ ,

C;d2 _ C;dl V2 - VI .

133

3.14(47}

3.14(47}

Die Impulsgleichung 3.14(40} ist nun aber nicht mehr erfüllt. Sie lä~t, sich erfüllen durch

Einführen einer ideellen, vom wahren Wert abweichenden Kraft ii~, d.h. man hat mit einer ideellen Wandreibung zu rechnen. Außerdem bilden die drei Komponenten von C' zusammen keinen echten Vektor, da eine Komponente nach einem anderen Gesetz gebildet wird als die beiden anderen.

Dzung [51] führt konsistente Mittelwerte ohne Formfaktoren ein, wobei er durch einen Kunstgriff alle Gesetze erfüllt. Sein Verfahren läßt sich, in sinngemäßer Weise auf die Kanalströmung übertragen, wie folgt beschreiben. Der Mittelwert der Totalenthalpie ist

Ferner ist

Cy = -!-J flczcy dJ dt , mto

niii cz = T' c2 = c; + ~ + C~,

-2 h = hO -~.

2

3.14(48}

3.14(49}

3.14(50}

3.14(51}

3.14(52}

3.14(53}

Um auch den Impulssatz zu erfüllen und die wahren Kräfte zu erhalten, wird ein ideeller Druckmittelwert p eingeführt durch die Setzung

Jp + mcz = Jift + ~ f (f!Cz) Cz dJ dt, to

wo p der Mittelwert nach GI. 3.14(31} ist. Damit ist

- - - 1 f 2 drF d m;cz p - p + Jto flcz 'J t - T' 3.14(54}

Mit

3.14(55}

liegen dann alle benötigten Relationen vor. Die Mittelung erfordert hier ein Iterations­verfahren, denn wendet man die GIn. 3.14(48}-(55} (z.B. bei der Auswertung von Ver­suchsergebnissen) der Reihe nach an, so muß man in GI. 3.14(51) einen geschätzten Wert v einführen und erhält schließlich aus GI. 3.14(55} einen genaueren usw. Numerische Schwierigkeiten entstehen bei dieser Iteration in der Nähe der Schallgeschwindigkeit, was bei Mittelungen mit festem (physikalisch reellem) p vermieden wird.

Page 42: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

134 3 Strömungstheoretische Grundlagen

Energie- und Kontinuitätsgleichung lauten hier: -2 -2

i C2 t + Cl - + - +-1/2 + 2 = 111 2 + aj a. q, allgemein 3.14(56)

3.14(57)

3.14(58)

Die Impulsgleichung ist erfüllt ohne Einführung eines ideellen Wertes der Wandreibung, dafür aber mit dem ideellen Druck p.

Die Einführung dieses ideellen Druckes ist der Kunstgriff, durch den unter Wahrung theoretischer Strenge formale Einfachheit (keine Formfaktoren) erzielt wird. Dies ist aber auch gerade die Schwäche des Verfahrens. Man beachte, daß GI. 3.14(54) auch in der Form

- - m [- -] - mehz [1 (1 ) v ] p = P + T Chz - Cz = P + T - - ek V 3.14(59)

geschrieben werden kann. Hier entspricht ek genau der Definition nach GI. 3.14(29). Sobald also der Zusammenhang zwischen dem physikalisch reellen Druckmittelwert p und dem ideellen Mittelwert p hergestellt werden soll, ist man auf eine Operation geführt, die nichts anderes als die Bestimmung eines Formfaktors ist und darüber hinaus noch die interative Berechnung von v verlangt. Das Verfahren verletzt die physikalisch reellen Mittelungs­gleichungen 3.14(20), (21), (22) und (31), und zwar oft um Beträge, die - im Gegensatz zu den hier mit a), b) und c) angegebenen Mittelungsverfahren - bedeutsam sein können.

Unbedingt abzuraten ist von diesem Mittelungsverfahren bei der Behandlung von Diffusorströmungen, weil dort, wie in Abb. 3.14.5 veranschaulicht, im Austrittsquerschnitt stets eine ungleichmäßige Geschwindigkeitsverteilung auftritt, die die Differenz zwischen Ghz und Cz groß macht. Also wird p wesentlich größer als p, d. h. die Rechnung täuscht einen zu hohen Druckrückgewinn vor. Die Fälschung der thermodynamischen Zustandsände­rung, die durch solche Mittelungen bedingt ist, wirkt sich hier sehr störend aus.

Abb. 3.14.5 Geschwindigkeitsprofile in einem Diffusor.

3.15 Reibungsverluste in Kanälen

Um einige grundlegende Einsichten in den Mechanismus der reibungsbehafteten Strö­mung durch Kanäle zu erhalten, betrachten wir der Einfachheit halber die stationäre, ebene Strömung durch einen Kanal mit gerader Achse. Die Lage eines Raumelementes kennzeich­nen wir durch die Koordinaten (J und y, Abb. 3.15.1. Weiter sei 7: die an der Oberseite des Raumelementes angreifende Schubspannung, die wir positiv rechnen, wenn sie in Richtung der Bewegung weist.

Page 43: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.15 Reibungsverluste in Kanälen 135

~~~~~~~~ +7:0

Abb. 3.15.1 Zur Berechnung der Schubspannungsverteilung in einem Kanal.

Über den Verlauf von l' längs y läßt sich folgende allgemeine Aussage machen. An der oberen Begrenzungswand ist die Schubspannung, die den Betrag 11'01 hat, sicher negativ, denn die an der Oberseite der Teilchen angreifende Reibungskraft ist der Bewegung ent­gegen gerichtet. An der unteren Wand hat die Schubspannung den gleichen Betrag, ist aber positiv, denn hier ist sie ja die Reibungskraft, die vom Medium auf die Wand ausgeübt wird. Die Symmetrie der Anordnung hat weiter zur Folge, daß die Kurve T(Y) einen zentral­symmetrischen Verlauf nimmt, wie in Abb. 3.15.1 dargestellt. Es ergibt sich aus dieser Überlegung sogleich, daß der FallT = const ausgeschlossen werden kann, da die Kurve ja auf alle Fälle einen stetigen Verlauf nehmen muß.

Nach dieser Vorbereitung setzen wir nun für ein beliebiges Teilchen die Bewegungsglei­chung 3.1(2) an, und zwar sogleich für die Richtung der Bewegung. Für den feldfreien Raum lautet sie

woraus

8.c c-=

oa 1 op 1 Oi ---+--9 oa !! oy'

3.15(1)

3.15(2)

Unter den vorausgesetzten Bedingungen ist in der Tat l' das einzige der in GI. 3.1(2) auf­tretenden TiJ , das eine von Null verschiedene Ableitung hat. Nun betrachten wir die drei folgenden Fälle:

a) Beschleunigte Strömung, oc/oa > 0, op/oa < 0. b) Ausgebildete Kanalströmung (konstanter Kanalquerschnitt), oc/oa = 0, op/oa < ° we­

gen Reibung. c) Dijjusorströmung, oc/oa < 0, op/oa > 0.

In allen drei Fällen ist also cp/ca =l= 0. Damit läßt sich aber sagen, daß man mit Sicher­heit längs der Begrenzungswände stets Zonen findet, innerhalb derer die Bedingung

lee \ \ op 1 !!c ca < ou I 3.15( 3)

erfüllt ist, denn der Ausdruck rechts ist von Null verschieden, während derjenige links beliebig klein wird, wenn man sich nur der Wand hinreichend stark nähert; er verschwindet ja an der Wand selbst. Greifen wir längs der unteren Begrenzungswand diejenige Zone her­aus, innerhalb welcher die Relation 3.15(3) gilt, so können wir sogleich die in der nachfol­genden Tabelle zusammengestellten Aussagen über die Vorzeichen der einzelnen Größen machen:

oe op 01: ee-

00' 00' Gy

a) Beschleunigte Strömung pos. neg. neg. b) Ausgebildete Kanalströmung 0 neg. neg. c) Diffusorströmung neg. pos. pos.

Page 44: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

136 3 Strömungsthcoretische Grundlagen

Das Vorzeichen Br/By ergibt sich unmittelbar aus den Relationen 3.15(2) und (3). Beacht­lich ist insbesondere, daß bei der Diffusorströmung der Betrag der Schubspannung in unmittelbarer Wandnähe mit zunehmendem Wandabstand größer wird.

Weiter beachten wir folgendes. Für die ausgebildete Kanalströmung reduziert sich GI. 3.15(2) auf Br/By = Bp/Ba, und da die rechte Seite von y unabhängig ist, gilt dies auch für die linke, so daß Br/By = const. Bei der beschleunigten Strömung gilt Br/8y = 8p/Ba nur an den Wänden (wegen c = 0), während überall sonst I Br/By I < I Bp/Ba I, da ja in GI. 3.15(2) das Geschwindigkeitsglied mit umgekehrtem Vorzeichen dazukommt. So er­gibt sich schließlich zwingend, daß der Verlauf von r über y in den drei betrachteten Fällen jeweils den Charakter hat, der durch die Kurven Abb. 3.15.2a), b), c) dargestellt ist.

y y

+

a b

+ +'(0 c

y

+'(0

Abb. 3.15.2 Schubspannungsverteilung in einem Kanal: a) beschleunigte Strömung; b) konstante Geschwindigkeit; c) verzögerte Strömung.

Daraus läßt sich weiter eine allgemeine Aussage über Reibung und Energiedissipation in Kanalströmungen gewinnen. Wir suchen die Dissipationsarbeit für das Raumgebiet zwischen fund f', Abb. 3.15.3, zu bestimmen. Sie ist das Integral der Gestaltänderungs-

f'

-kfz df Abb. 3.15.3 Zur Bestim· mung der Energiedissipation

in einem Kanal.

arbeiten der einzelnen Teilchen dieses Gebietes. Gemäß dem, was unter 3.2 über Kanal­strömungen ausgesagt wurde, ist das Integral der Gestaltänderungsarbeiten entgegen­gesetzt gleich dem Integral der Schlepparbeiten der Schubspannungen. Der Symmetrie wegen können wir uns bei dieser Betrachtung z.B. auf die untere Hälfte unseres Raum­gebietes beschränken. Das Integral der Schleppleistungen pro Masseneinheit ist für dieses Raumgebiet

wo dF die Grundfläche des quasiprismatischen Raumes ist. - Dieser Ausdruck folgt un­mittelbar aus den Ausführungen unter 3.2. Damit wird die Energiedissipationsleistung pro Masseneinheit für unseren Halbraum

. dF 0 Br dD = - - f c 8- dy.

e h y 3.15( 4)

Page 45: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.15 Reibungsverluste in Kanälen 137

Zur weiteren Auswertung dieses Ausdrucks machen wir für unsere drei Fälle a), b), c) die folgenden Ansätze für .(y), vg1. Abb. 3.15.4:

Abb.3.15.4 Darstellung des Ver-laufes von r und der daraus gebil-

deten Funktionen fa und fe. a) beschleunigte Strömung;

b) konstante Geschwindigkeit; c) verzögerte Strömung.

a) T= 2y

- -,;: TO - fa(Y),

b) 2y 8.

7:= - -,;:TO' 8y

c) T= 2y

--,;: '0 + fe(Y),

\Venn wir nun setzen

a

y

o

y

y

0---

h -l 7:0

b

Y Y

D

h 7' to

c

OT _ 27:0 l' ( ) 8y - - T - a Y ,

2'0 -T ,

OT 2To l' ( ) 8y -T+ e y.

2 ° h J c dy = Ck' h 2

so wird der Integralausdruck in GI. 3.15(4) für unsere drei Fälle:

foJyJ

a) - l C 88T dy = Ck'O + / cf~(y) dy = CkTO + I a , h y h

b)

o c) J cf~(y) dy = CkTO - I c •

h

3.15(5)

Die damit eingeführten Integralausdrücke I a und I e lassen sich noch weiter analysieren. Wäre c = const, so würden beide verschwinden, denn es wäre dann (vg1. Abb. 3.15.4)

I = c {f'(Y) dy = c (1(0) - f ( - ~ )] = O.

-2'

Page 46: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

138 3 Strömungstheoretische Grundlagen

In Wirklichkeit ist aber in beiden Fällen c im Bereich des positiven!, (Wandnähe) kleiner als im Bereich des negativen!, (Kanalmitte). Deshalb überwiegen bei der Integration die negativen Anteile, und es folgt

1a < 0, 1e < O.

Daraus ergibt sich, wenn wir noch die Wandschubspannung 7:0 vermöge

e -2 7:0 = cf2' ck 3.15(6)

durch den Wandreibungskoeffizienten cf und durch ck ausdrücken

? EJ'I: d e -3 11 1 a) - Jh C 8y Y = Cf 2' Ck - a'

-2"

b) f 87: d e -3 - Jh C 8y Y = Cf 2' ck>

-2"

(0 87: d e -3 1 I 1 c) - J _ C -8 Y = Cf -2 Ck + -C •

h Y -2"

Nun können wir die gesamte Dissipationsleistung formal wiedergeben durch einen Dissi­pationskoeffizienten Cd gemäß der Setzung

e dD = Cd ~ c~ dF. 3.15(7)

Führt man dies in Gl. 3.15(4) ein und ersetzt den Integralausdruck durch die Ausdrücke, die wir dafür erhalten haben, so folgt

oder schließlich

21 1al a) Cd = Cf - ecZ '

b) Cd = Cf'

c)

Cd < Cf für beschleunigte Strömung, Cd = Cf für ausgebildete Kanalströmung , Cd > Cf für Diffusorströmung .

3.15(8)

Dieses Ergebnis ist für das Verständnis der Reibungsverluste in durchströmten Kanälen von grundlegender Bedeutung. Es bleibt übrigens unverändert, wenn Cf und Cd mit einem anderen Geschwindigkeitsmittelwert gebildet werden. Wenn man im Rahmen einer ein­dimensionalen Theorie die Reibungsverluste durch Reibungskoeffizienten einführt, so meint man damit in Wirklichkeit Dissipationskoeffizienten. Das durch GI. 3.15(7) ein­geführte cll ist in der Tat nichts anderes als der Reibungskoeffizient, der bei der eindimen­sionalen Berechnung eingesetzt werden muß, wenn der korrekte Wert des Energieverlustes erhalten werden soll. Er ist - und das ist das wesentliche Ergebnis - nicht identisch mit dem Koeffizienten Cf' der die korrekte Reibungskraft liefert. Vielmehr ist Cd für die be­schleunigte Strömung kleiner, für die ausgebildete Kanalströmung (z.B. Rohrströmung) gleich, für die Diffusorströmung aber größer als der effektive Oberflächenreibungskoeffi­zient Cf' Der Unterschied kann besonders im letzteren Falle sehr groß werden. Die korrekte Zustandsänderung erhält man nach den Ausführungen unter 3.14, wenn man in die Energie­gleichung den Geschwindigkeitswert

einführt.

- 1 + Be - (1 ) - (1 ) -Ce = -1-- Ck ~ + Be + Bk Ck = + B Ck

- Bk 3.15(9)

Page 47: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.1G Strömung durch Diffusoren 139

Damit klärt sich das scheinbare Paradoxon, daß bei der beschleunigten Strömung die Grenzschichten dünn, die Wandschubspannungen also groß 1 und trotzdem die Reibungs­verluste klein, bei der verzögerten Strömung die Grenzschichten dick, die Wandschub­spannungen klein und trotzdem die Reibungsverlm;te groß sind.

Die Überlegungen wurden hier durchgeführt am Beispiel der ebenen Strömung durch einen Kanal mit gerader Achse, weil hier die Verhältnisse am einfachsten zu überblicken sind. Das grundlegende Ergebnis ist aber unabhängig von diesen besonderen Annahmen.

3.16 strömung durch Diffusoren

Unter den Kanalströmungen hat naturgemäß die Strömung durch Diffusoren technisch eine besondere Bedeutung. Über den Mechanismus solcher Strömungen geben bereits die Ausführungen des Abschnittes 3.15 einen Aufschluß, indem sie zeigen, daß die Schubspan­nungen in \Vandnähe gegen das Strömungsinnere zunehmen, wodurch die wandnahen Teilchen in die Lage versetzt werden, den Druckanstieg zu überwinden, und daß dieser Vorgang mit einer großen Energiedissipation verbunden ist. Trotzdem ist unser Verständ­nis dieser Strömungsvorgänge lückenhaft, denn wir haben keine gesicherten theoretischen Einsichten darüber, wie diese Schubspannungsverteilung zustande kommt, unter welchen Umständen sie sich so einstellt, daß die Strömung an den Wandungen anliegt und wie im Einzelfall die Verluste minimalisiert werden können. In einer Reihe von Forschungsarbei­ten haben Abbot, Pox und Kline (vgl. [46] -[ 48] und die zusammenfassende Darstellung in [49]) das Problem auf empirischem Wege behandelt. Wir fassen anschließend einige ihrer wichtigsten Forschungsergebnisse zusammen.

Während man bei umströmten Körpern die anliegende und die abgelöste Strömung klar als zwei verschiedene Strömungszustände unterscheiden kann (die Grenzschichttheorie vermag hier mit einem gewissen Erfolg Ablösungskriterien anzugeben, vgl. die Angaben unter 3.12 und 13), ist diese strenge Unterscheidung bei der Diffusorströmung nicht mög­lich, und man beobachtet vier Strömungszustände. Abb. 3.16.1 stelle einen ebenen Diffu­sor dar, d. h. man hat sich zur Bildebene parallele Begrenzungswände zu denken. Ist der halbe Öffnungswinkel IX hinreichend klein, so ist makroskopisch keine Ablösung zu er­kennen, d.h. ma.n hat die anliegende Strömung, Fall a). Überschreitet IX einen gewissen Grenzwert, so beobachtet man ein ständiges Entstehen und Verschwinden makroskopi­scher Ablösungsgebiete, also einejluktuierende, teilabgelöste Strömung, Fall b). Bei weiterer Vergrößerung von IX wird wiederum eine Grenze erreicht, oberhalb welcher auf einer Seite des Diffusors ein großes stationäres Ablösungsgebiet entsteht und die Strömung ihren pul­sierenden Charakter wieder verliert, die voll abgelöste Strömung, Fall cl. Schließlich gibt es bei Kanälen mit gerader Achse bei sehr großem IX noch einen weiteren Strömungszu­stand, bei dem ein gerader Strahl entsteht, der beidseitig von Totwassergebieten begrenzt ist, Fall d).

Für die Praxis ist es wichtig, die Grenzwerte des ~Winkels IX zu kennen, wo der Übergang von einem Strömungszustand zum anderen erfolgt. Hierüber konnten die genannten Auto­ren verhältnismäßig zuverlässige und universell verwendbare Angaben machen, die in Abb. 3.16.2 zusa.mmengestellt sind. Bedeutsam ist insbesondere die Grenze zwischen der anliegenden und der teilabgelösten Strömung. Erfahrungsgemäß arbeitet nämlich ein Diffu­sor dann am verlustärmsten, wenn sein halber Öffnungswinkel etwa 2° über diesem Grenz­winkelliegt, d. h. wenn die fluktuierende Ablösung eben einsetzt. In Abb. 3.16.2 sind auch Angaben über Diffusoren mit gekrümmter Achse zu finden. In diesem Falle muß noch definiert werden, was unter dem Winkel IX verstanden wird. Für den geradachsigen Diffu­sor ist, wie leicht nachzuprüfen

3.16(1)

1 Häufig behält hierbei allerdings die Grenzschicht sogar den laminaren Charakter bei, so daß die Schub· spannung klein bleibt, womit eine besonders verlustarme Strömung vorliegt.

Page 48: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

140

~~~--~-~----------~-I

__ 1 ____________ -----I

~d ~:~--~--~-I I

~i.-------L--------~ Abb. 3.16.1 Vier Strömungszu­

stände im Diffusor.

3 Strömungstheoretische Grundlagen

50"

W

30"

" 20 78" 7e"

f 7~o

12"

~ 10'

/ 2«\ K

"-..

W

I

-- t---

:::::::::: I-----:::::::: ~ :=:::= :::::--r--- r----r---i-r- :--,~ , ~ j ~

~ iL r---- o • +-" xvr 8" ~

//[' 1

0 _

10 ~ /' ß~"./

,/IfJ"/ ~.~

r I

" I

5"

3"

!

1J~oo

i .::::: - r-- ~_JO"i - r-I--I-::::::: r--r-- )--20" - - -JO" -- ---- r- r--:: SO" - r--l- r- r---r---I- 1--70" - -90'

I

:---". . - r:::; 12a ' ~ .

~ ~ ~ - .L 1 ~ i'-- K "

i"'- ~"?O ~

'\ '\ "" "-.., ~ '\ '\ ~ ~ 2 2 3 5.6 8 70 72 79 7e 18 ZO

L/h7 bzw. Llr, -JO 90 SO

Abb. 3.16.2 Grenzwinkel für die einzelnen Strömungszustände in Diffusoren.

rx' Winkel, bei dem Übergang von anliegender Strömung (Fall a) zur teilabgelösten Strömung (Fall b) erfolgt; rx" Winkel, bei dem Übergang von teilabgelöster Strömung (Fall b) zur vollabgelösten

Strömung (Fall c) erfolgt.

WO h1 und h2 die Höhen der Ein- und Austrittsquerschnitte und L die Länge des Diffusors sind. Wir verwenden dieselbe Gleichung als Definitionsgleichung für den Winkel IX beim ebenen Diffusor mit gekrümmter Achse. - Weiter gibt Abb. 3.16.2 Angaben über den Winkel, bei dem der Übergang zur voll abgelösten Strömung erfolgt.

Die Kurven der Abb. 3.16.2 gelten primär für ebene Diffusoren. Die Überprüfung des vorliegenden Versuchsmaterials zeigt aber, daß sie in gewissem Maße auch auf andere Querschnittsgeometrien übertragbar sind, mindestens für mäßige Ablenkungswinkel (etwa bis {} = 30°). Es erweist sich als eine brauchbare Regel, zwei geradachsige Diffusoren als äquivalent zu betrachten, wenn sie gleichen Erweiterungswinkel IX und gleiches Quer­schnittsverhältnis f2/f1 (Austrittsquerschnitt/Eintrittsquerschnitt) aufweisen. Für den ebe­nen Diffusor ist

f2 L . -f = 1 + 2 -} sm IX . 1 LI

:3.16(2)

Für einen Kegeldiffusor, dessen Ein- und Austrittsquerschnitte die Radien r 1 und r2 auf­weisen, ist das Querschnittsverhältnis

f2 = 1 + 2(~)sinlX + (~)\2Sin2IX. 3.16(3) fl r 1 r1

Bei günstig ausgebildeten Diffusoren ist das Glied zweiter Ordnung verhältnismäßig klein. Es geht dann aus dem Vergleich der Formeln 3.16(2) und (3) hervor, daß beim Kegeldiffu-

Page 49: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

3.17 Abschätzung von Verlusten durch Dissipationskoeffizienten 141

sor lediglich Lh an die Stelle von Ljh] tritt. Demgemäß können die Kurven Abb. 3.16.2 auch für den geradachsigen Kegeldiffusor angewandt werden, wenn man als Abszisse den Wert Ljr l wählt. Die Übertragung auf Kegeldiffusoren mit gekrümmter Achse ist unsiche­rer und gelingt nur etwa bis () = 30°.

Selbst bei makroskopisch anliegender Strömung beobachtet man mikroskopisch kleine Ablösungsgebiete, die ständig entstehen und wieder weggewischt werden, ein Vorgang, der als starke Turbulenz erscheint, vgL z. B. die Meßergebnisse von Sprenger [50J, Abb. 3.16.3. Es sind für Verdrängungsdicken 01 am Diffusoreintritt von 0,61 bzw. 2,33% des Radius Geschwindigkeiten angegeben und Turbulenzgrade c' jc (mittlere Geschwindigkeitsschwan­kung/örtliche Geschwindigkeit) am Diffusoraustritt. Derart hohen Turbulenzgraden ent-

1--------- L-I~,3 r7 ---------~

Abb. 3.16.3 Ergebnisse der Diffusormessungen von Sprenger [50].

sprechen große turbulente Schubspannungen und demgemäß eine starke Energiedissipa­tion. Nach den unter 3.15 durchgeführten Überlegungen läßt sich für den ganzen Diffusor ein globaler mittlerer Dissipationskoeffizient ausrechnen. Es sei Cd dieser Koeffizient, wenn man die tatsächliche Energiedissipation einsetzt, cd der Wert, wenn man noch zusätzlich die Dissipation addiert, die bei einem Ausgleich des sehr ungleichmäßigen Geschwindig­keitsprofiles am Austritt auftreten würde. Die erhöhte Geschwindigkeitsenergie am Austritt gegenüber dem Fall einer ausgeglichenen Geschwindigkeit ist ja praktisch nicht rückge­winnbar, also als Verlust zu betrachten. So erhält man folgende Zahlen:

0,0061 0,0233

Zahlentajel 3.16.1

0,0085 0,0178

0,0143 0,0304

Damit ist z.B. der Reibungskoeffizient der Strömung in einem glatten Rohr zu ver­gleichen, der bei gleicher Reynoldszahl Cf = 0,0034 beträgt.

Mit den Ablösungserscheinungen dürfte es zusammenhängen, daß bei Diffusorströmun­gen grenzschichttheoretische Voraussagen nicht erfolgreich sind, denn bei solchen Vor­gängen macht sich stets auch der Einfluß der gegenüberliegenden Wand bemerkbar, der in der Grenzschichttheorie fehlt.

3.17 Abschätzung von Verlusten durch Dissipationskoeffizienten

Bei Strömungen durch Kanäle können die Verluste durch Dissipationskoeffizienten Cd

erfaßt werden. Bei einem Kanal, Abb. 3.17.1 seien Jl und J2 die Strömungs querschnitte , Cl und C2 die nach der Kontinuitätsgleichung gemittelten Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt. An der durch die Wegkoordinate 8 gekennzeichneten Stelle sei der Querschnitt J, die Geschwindigkeit C und der Kanalumfang U. Für den Strömungsweg ds wird die Dissi­pationsleistung nach GI. 3.15(7)

. (! dPd = (! dD = cr2 c3U ds, 3.17(1)

Page 50: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

142 3 Strömungstheoretische Grundlagen

somit die Dissipationsarbeit pro Masseneinheit, d. h. die Enthalpieerhöhung rihd durch die Verluste

3.17(2)

u

Abb.3.17.1 Schematische Darstellung eines Kanals.

Für den ganzen Verlust pro Masseneinheit in der Strömung von 0 bis sa erhalten wir, wenn wir einen Mittelwert für Cd einsetzen

Cd B, U Llhd =2[ c2 ,ds. 3.17(3)

Wenn wir Verlustzahlen Cl und Ca einführen durch die Definitionsgleichungen

Llhd

Cl = cV2' Llhd

Ca = c~/2' 3.17(4)

können wir setzen

Cl = clP l , Ca = clPa 3.17(5)

mit

8,( cr u rpl = [ c;:- ,d8, 8,( c r u

rp2 = [ C; ,d8. 3.17(6)

Diese rp sind also gegeben durch die Kanalgeometrie und den Verlauf der Geschwindigkeit längs des Kanals. Dieser Verlauf ist seinerseits durch Kanalgeometrie, Kontinuitätsglei­chung und Zustandsänderung festgelegt. Im Grenzfall der Inkompressibilität wird z. B. für den kegligen Diffusor mit Eintrittsdurchmesser d, Austrittsdurchmesser D und halbem Kegelwinkel IX

3.17(7)

Beim Rohr mit Länge 1 und Durchmesser d ist rpl = rpa = 41/d, denn es ist hier Cd = Cf = "P/4, wo "p der Rohrreibungskoeffizient üblicher Definition ist. - Bei der hier gegebenen formalen Darstellung läuft die ganze Verlustberechnung darauf hinaus, den Dissipations­koeffizienten zu kennen. Dieser läßt sich aber oft leichter auf Grund ähnlich gelagerter Fälle abschätzen, als wenn man Verlustzahlen C unmittelbar schätzen wollte.

Literatur zu Kap. 3

1. Truckenbrodt, E.: Strömungsmechanik. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1968. 2. Lamb, H.: Hydrodynamics. 6. Auf!. Cambtidge: Univ. Press 1932. 3. Milne-Thom80'n, L. M.: Theoretical Hydrodynamies. 5. Aufl. London: Macmillan 1968. 4. Tietjens, 0.: Strömungslehre. Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1960. 5. Goldstein, S. (Hrsg.): Modern Developments in Fluid Dynamics, 2 Bde. 4. Auf!., Oxford: Univ. Press 1952.

Page 51: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

Literatur zu Kap. 3 143

6. Howarth, L. (Hrsg.): Modern Developments in Fluid Dynamics, High Speed Flow .. 2 Bde. 3. Auf!., Oxford: Clarendon Press 1964.

7. Sauer, R.: Einführung in die theoretische Gasdynamik, 3. Auf!. Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1960.

8. Oswatitsch, K.: Gasdynamik. Wien: Spriuger 1952. 9. Sears, W. R. (Hrsg.): General Theory of High Speed Aerodynamics, Bd. 6. Princeton: Univ. Press 1964.

10. Zierep, J.: Vorlesungen über theoretische Gasdynamik. Karlsruhe: Braun 1962. 11. Zierep, J.: Theorie der schallnahen und·der Hyperschallströmung. Karlsruhe: Braun 1966. 12. Stodola, A.: Dampf- und Gasturbinen. 6. Aufl. Berlin: Springer 1924. 13. Keenan, J. H.; Kaye, J.: Gas Tables. New York: Wiley 1948. 14. Jordan, D. P.; Mintz, M. D.: Air Tables. New York: McGraw-Hill1965. 15. Lohr, E.: Vektor- und Dyadenrechnung für Physiker u. Techniker. 2. Aufl. Berlin: de Gruyter 1950. 16. Rothe, R.; Ollendorff, F.; Pohlha,usen, K.: Funktionentheorie und ihre Anwendung in der Technik. Berlin:

Springer 1931. 17. Riemann/Weber: Die partiellen Differentialgleichungen dcr mathematischen Physik. 6. Auf!. Bd. 1. Braun­

schweig 1925. 18. Prandtl, L.; Busemann, A.: Näherungsverfahren zur zeichnerischen Ermittlung von ebenen Strömungen mit

Überschallgeschwindigkeit. Stodola-Festschrift, Zürich 1929. 19. Kovasznay, J. S. G.: Turbulence Measurements. In: Ladenburg, R. W.; Lewis, B.; Pease, R. N.; Taylor,

H. S. (Hrsg.): Physical Measurements in Gas Dynamics and Combustion. Princeton: Univ. Press 1954. 20. Prandtl, L.: Über Flüssigkeitsbewegung mit sehr kleiner Reibung. Verh. III. Int. Math. Kongreß, Heidel-

berg 1904. Wieder abgedruckt in: Vier Abh. zur Hydrodynamik u. Aerodynamik, Göttingen 1927. 21. Schlichting, 11.: Grenzschichttheorie. 5. Aufl. Karlsruhe: Braun 1965. 22. Prandtl, L.; Schlichting, 11.: Das Widerstandsgesetz rauher Platten. Werft, Reed u. Hafen Bd. 1 (1934). 23. Nikuradse, J.: Untersuchungen über Strömungen des Wassers in konvergenten und divergenten Kanälen.

VDI-Forschungsheft 289 (1929). 24. Nikuradse, J.: Strömungsgesetze in rauhen Rohren. Forsch. Ing.-Wes. 1933, H. 361. 25. Nikuradse, J.: Turbulente Reibungsschichten an der Platte. München, Berlin: OIdenbourg 1942. 26. v. Karman, Th.: Über laminare und turbulente Reibung. ZAMM 1 (1921) 233. 27. Pohlhausen, K.: Zur näherungsweisen Integration der Differentialgleichung der laminaren Reibungsschicht.

ZAMM 1 (1921) 252-268. 28. Launder, B. E.: An Improved Pohlhausen-Type Method of Calculating the Twodimensional Laminar

Boundary Layer in aPressure Gradient. Trans. ASME, Series C, J. Heat Transf. 86 (1964) 360-364. 29. Buri, A.: Eine Berechnungsgrundlage für die turbulente Grenzschicht bei beschleunigter und verzögerter

Strömung. Diss. ETH Zürich 1931. 30. Gruschwitz, E.: Die turbulente Reibungsschicht in ebener Strömung mit Druckabfall und Druckanstieg.

Ing.-Arch. 2 (1931) 321. 31. Truckenbrodt, E.: Ein Quadraturverfahren zur Berechnung der laminaren und turbulenten Reibungsschicht

bei ebener und rotationssymmetrischer Strömung. lng.-Arch. 20 (1952) 211. 3') Ludwieg, H.; Tillmann, W.: Untersuchungen über die Wandschubspannungen in turbulenten Reibungs­

schichten. Ing.-Arch. 17 (1949) 288- 299. 33. v. Doenho//, 11. E.; Tetervin, N.: Determination of General Relations for the Behaviour of Turbulent

Boundary Layers. NACA-Rep. 772 (1943). 3±. Garner, H. C.: The Development of Turbulent Boundary Layers. ARC RM 2133 (1944). 35. 11odge, R. I.: A Turbine Nozzle Cascade for Cooling Studies. Aeron. Res. Counc. C. P. 493 (1960). 36. Dzung, L. S. (Hrsg.): Flow Research on Blading. Amsterdam, London, New York: Elsevier 1970. 37. 11orlock, J. H,: Boundary Layer Problems in Axial Turbomachines. In [36]. 38. Schlichting, 11.; Das, A.: On the Influence of Turbulence Level on the Aerodynamic Lasses ofAxial Turbo­

machines. In [36]. 39. Kline, S. J.: Turbulent Boundary Layer Prediction and Structure-The State of the Art. In [36]. 40. Feindt, E. G.: Untersuchungen über die Abhängigkeit des Umschlages laminar-turbulent von der Ober­

flächenrauhigkeit und der Druckverteilung. Diss. TH Braunschweig 1956. Jahrb. Schiffbautech. Ges. 50 (1956) 180-203.

41. Walz, A.: Strömungs- und Temperaturgrenzschichten. Karlsruhe: Braun 1966. 42. Kline, S. J.; Coles, D. E. et al. (Hrsg.): Computation of Turbulent Boundary Layers. AFOSR-IFP-Stanford

Conference, Bd. I u. H. Stanford: Univ. Press 1968. 43. Crocco, L.: Eine neue Stromfunktion für die Erforschung der Bewegung der Gase mit Rotation. ZAMM 17

(1937) 17. 44. Vaszonyi, A.: On rotational Gas Flow. Quart. Appl. Math. HI/l (1945) 29. 45. Betz, A.: Konforme Abbildung. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1964. 46. Kline, S. J.: On the Nature of Stall. Trans. ASME, Series D. J. Bas. Eng. 81 (1959) 305. 47. Kline, S. J.; Abbot, D. H.; Pox, R.: Optimum Design of Streight Walled Diffusors. Trans. ASME, Series D.

J. Bas. Eng. 81 (1959) 321. 48. Fox, R. W.; Kline, S. J.: .Flow Regimes in Curved Subsonic Diffusors. Trans. ASME, Series D. J. Bas. Eng.

84 (1962) 303.

Page 52: Thermische Turbomaschinen || Strömungstheoretische Grundlagen

144 Litera.tur zu Kap. 3

49. Traupel, W.: Die Theorie der Strömung durch Radialmaschinen. Karlsruhe: Braun 1962. 50. Sprenger, H.: Experimentelle Untersuchungen an geraden und gekrümmten Diffusoren. Diss. ETH Zürich'

Zürich: Leemann 1959. 51. Dzung, L. S.: Konsistente Mittelwerte in der Theorie der Turbomaschinen für kompressible Medien. BBC­

Mitt. 58 (1971), Nr. 10. 52. Poh/hauBen, E.: Der Wärmeaustausch zwischen festen Körpern und Flüssigkeiten bei kleiner Reibung und

kleiner Wärmeleitung. ZAMM 1 (1921) 115. 53. Patankar, S. V.; Spalding, D. B.: Heat a.nd Mass Transfer in Boundary Layers. London, Intertext Books

1970.