Thieme: Taschenatlas Notfallmedizin · 2.2 Chirurgie Traumatologie Luxationen Pathophysiologie...

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2.2 Chirurgie Traumatologie Luxationen Pathophysiologie Die Luxation (Verrenkung) ist eine Verschiebung gelenkbildender Knochen aus der funktionsge- rechten Stellung. Luxationen entstehen nach Gewalteinwirkung besonders bei Kontaktsportarten (traumatische Luxationen) oder bei schwachem Stütz- und Bindegewebe (habituelle Luxationen). Eine Kompression von Gefäßen und Nerven kann distal der Luxation die Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS) beeinträchtigen. Luxa- tionen können sich spontan reponieren; sie sind nur radiologisch sicher von Luxationsfrak- turen zu differenzieren. Anamnese und Befund Zunächst werden der Unfallmechanismus und weitere Beschwerden erfragt. Bei der Untersuchung findet sich meist ein fehlgestelltes Gelenk mit schmerzhaft fe- derndem Widerstand. Neben der Inspektion und Palpation der Lu- xation werden die proximalen und distalen Strukturen auf evtl. weitere Verletzungen untersucht. Speziell sind Durchblutung, Mo- torik und Sensibilität (DMS) der distalen Ext- remitätenabschnitte zu untersuchen. Therapie Grundsätzliches Behandlungsziel ist die Ruhig- stellung und schnellstmögliche Reposition der Luxation. Luxationen und Luxationsfrakturen mit Zeichen der neurovaskulären Kompression oder massiver Weichteilspannung erfordern schon präklinisch einen schonenden Reposi- tionsversuch. Klassische Beispiele sind die Ellenbogen- oder Kniegelenkluxation mit fehlenden peripheren Pulsen. Ziel ist die Längsausrichtung der Extre- mität; multiple Repositionsversuche sind zu unterlassen. Eine Reposition soll nur unter suffizienter Analgesie erfolgen. Dazu kann Esketamin in einer Dosis von 0,1250,25 mg/kg KG (RDE 1020 mg) i. v. injiziert werden. Ggf. kann eine vorangehende Sedierung mit Midazo- lam (titrierende Zufuhr in Boli von 12 mg i. v.) erfolgen. Die Reposition in die physiologische Stellung erfolgt unter Zug und Gegenzug. Die Patella luxiert durch eine Drehbewegung meist nach lateral. Zur Reposition (Abb. 2.2.1) wird das Bein im Kniegelenk gestreckt und die Patella gleichzeitig nach medial gedrückt. Nach der ggf. spontanen Reposition bleibt die Beweglichkeit im Kniegelenk oft schmerzbe- dingt eingeschränkt. Besonders durch Sturz auf den ausgestreck- ten Arm kann eine Schulterluxation entstehen. Je nach Richtung werden in abnehmender Häu- figkeit die Luxatio axillaris, erecta, subcoracoi- dea und dorsalis unterschieden. Die Patienten unterstützen den Arm in der luxierten Stellung, und es ist eine leere Gelenkpfanne zu tasten. Die Luxatio axillaris wird unter Analgesie wie folgt reponiert (Abb. 2.2.2): Reposition nach Hippokrates: Beim liegen- den Patienten wird der Arm des Patienten mit beiden Händen aus der Außenrotation und Abduktion in die Innenrotation und Ad- duktion gezogen; dabei wird mit dem unbe- schuhten Fuß ein Gegendruck in die Axilla des Patienten ausgeübt. Bei der Reposition nach Arlt wird der Arm über eine Stuhllehne (Hypomochlion) gela- gert und durch Zug am rechtwinklig gebeug- ten Arm reponiert. Nach der Reposition kann der betroffene Arm mit Dreiecktuch oder Schlauchverband am Kör- per ruhiggestellt werden. Patienten mit Hüftluxation müssen zur Ver- meidung einer Hüftkopfnekrose analgetisch versorgt zur umgehenden Reposition in Nar- kose ins Krankenhaus gebracht werden. Schnitt- und Weichteilverletzungen Pathogenese Durch scharfe oder spitze Gewalt können Haut, Muskulatur, Sehnen, Gefäße und Nerven durch- trennt werden. Stumpfe Gewalt kann insbeson- dere zu Weichteilquetschungen mit Schwel- lung und nachfolgender Ischämie sowie zu Frakturen führen. Im Extremfall kommt es zur Amputation. 2.2 Chirurgie 2 Spezielle Notfallmedizin 120 aus: Adams u.a., Taschenatlas Notfallmedizin (ISBN 9783131311528) © 2011 Georg Thieme Verlag KG

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2.2 ChirurgieTraumatologieLuxationenPathophysiologie

Die Luxation (Verrenkung) ist eine Verschiebunggelenkbildender Knochen aus der funktionsge-rechten Stellung.

Luxationen entstehen nach Gewalteinwirkungbesonders bei Kontaktsportarten (traumatischeLuxationen) oder bei schwachem Stütz- undBindegewebe (habituelle Luxationen). EineKompression von Gefäßen und Nerven kanndistal der Luxation die Durchblutung, Motorikund Sensibilität (DMS) beeinträchtigen. Luxa-tionen können sich spontan reponieren; siesind nur radiologisch sicher von Luxationsfrak-turen zu differenzieren.

Anamnese und Befund● Zunächst werden der Unfallmechanismusund weitere Beschwerden erfragt.

● Bei der Untersuchung findet sich meist einfehlgestelltes Gelenk mit schmerzhaft fe-derndemWiderstand.

● Neben der Inspektion und Palpation der Lu-xation werden die proximalen und distalenStrukturen auf evtl. weitere Verletzungenuntersucht. Speziell sind Durchblutung, Mo-torik und Sensibilität (DMS) der distalen Ext-remitätenabschnitte zu untersuchen.

Therapie

Grundsätzliches Behandlungsziel ist die Ruhig-stellung und schnellstmögliche Reposition derLuxation. Luxationen und Luxationsfrakturenmit Zeichen der neurovaskulären Kompressionoder massiver Weichteilspannung erfordernschon präklinisch einen schonenden Reposi-tionsversuch.

Klassische Beispiele sind die Ellenbogen- oderKniegelenkluxation mit fehlenden peripherenPulsen. Ziel ist die Längsausrichtung der Extre-mität; multiple Repositionsversuche sind zuunterlassen.● Eine Reposition soll nur unter suffizienterAnalgesie erfolgen. Dazu kann Esketamin ineiner Dosis von 0,125–0,25mg/kg KG (RDE10–20mg) i. v. injiziert werden. Ggf. kanneine vorangehende Sedierung mit Midazo-

lam (titrierende Zufuhr in Boli von 1–2mgi. v.) erfolgen.

● Die Reposition in die physiologische Stellungerfolgt unter Zug und Gegenzug.

Die Patella luxiert durch eine Drehbewegungmeist nach lateral. Zur Reposition (Abb. 2.2.1)wird das Bein im Kniegelenk gestreckt und diePatella gleichzeitig nach medial gedrückt. Nachder – ggf. spontanen – Reposition bleibt dieBeweglichkeit im Kniegelenk oft schmerzbe-dingt eingeschränkt.Besonders durch Sturz auf den ausgestreck-

ten Arm kann eine Schulterluxation entstehen.Je nach Richtungwerden in abnehmender Häu-figkeit die Luxatio axillaris, erecta, subcoracoi-dea und dorsalis unterschieden. Die Patientenunterstützen den Arm in der luxierten Stellung,und es ist eine leere Gelenkpfanne zu tasten.Die Luxatio axillaris wird unter Analgesiewie

folgt reponiert (Abb. 2.2.2):● Reposition nach Hippokrates: Beim liegen-den Patienten wird der Arm des Patientenmit beiden Händen aus der Außenrotationund Abduktion in die Innenrotation und Ad-duktion gezogen; dabei wird mit dem unbe-schuhten Fuß ein Gegendruck in die Axillades Patienten ausgeübt.

● Bei der Reposition nach Arlt wird der Armüber eine Stuhllehne (Hypomochlion) gela-gert und durch Zug am rechtwinklig gebeug-ten Arm reponiert.

Nach der Reposition kann der betroffene Armmit Dreiecktuch oder Schlauchverband amKör-per ruhiggestellt werden.Patienten mit Hüftluxation müssen zur Ver-

meidung einer Hüftkopfnekrose – analgetischversorgt – zur umgehenden Reposition in Nar-kose ins Krankenhaus gebracht werden.

Schnitt- und WeichteilverletzungenPathogeneseDurch scharfe oder spitze Gewalt können Haut,Muskulatur, Sehnen, Gefäße undNervendurch-trenntwerden. Stumpfe Gewalt kann insbeson-dere zu Weichteilquetschungen mit Schwel-lung und nachfolgender Ischämie sowie zuFrakturen führen. Im Extremfall kommt es zurAmputation.

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Abb. 2.2.1 Patellaluxation

Abb. 2.2.2 Schulterluxation

Nach Tasten der Lage der nach lateralluxierten Patella (a) wird diese unterAnalgesie am gestreckten Bein durchDruck/Zug nach medial reponiert (b)

– Die Reposition der luxierten Schulter erfolgt im Liegen oder Sitzenüber ein gepolstertes Widerlager

– Der Arm wird aus Abduktion und Außenrotation in Adduktion undInnenrotation bewegt

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AnamneseDurch die Eruierung des Traumamechanismuswerden wertvolle Hinweise auf Art und Aus-maß der Verletzung gewonnen. Dabei – sowiebei der eigentlichen Versorgung – ist auf Eigen-sicherung zu achten:● Maschinen müssen sicher ausgeschaltetsein.

● Bei Delikten ist frühzeitig die Polizei hinzu-zuziehen. Ggf. kann dieVersorgung erst nachSicherung der Einsatzstelle erfolgen.

BefundNach Untersuchung von Bewusstsein, Atmungund Kreislauf wird die verletzte Region inspi-ziert. Distal der Verletzung werden Durchblu-tung, Motorik und Sensibilität (DMS) unter-sucht. Bei der anschließenden orientierendenGanzkörperuntersuchung ist nach begleiten-den Verletzungen zu suchen.

Therapie● Eine Blutungwirdmit Druckverband gestillt.● Die Basisüberwachung erfolgt durch EKG-Ableitung, Blutdruckmessung und Pulsoxy-metrie.

● Bei drohendem oder manifestem Schocksind mindestens zwei leistungsfähige Ve-nenzugänge zur Volumensubstitution erfor-derlich (1.5 Schock und Schockbekämpfung).

● Weiter ist Sauerstoff über Maske oder auchNasensonde (mindestens 5 l/min) zuzufüh-ren.

● Zur Analgesie kann Esketamin in einer Dosisvon 0,125–0,25mg/kg KG (RDE 10–20mg)i. v. injiziert werden. Ggf. kann eine vorange-hende SedierungmitMidazolam (titrierendeZufuhr in Boli von 1–2mg i. v.) erfolgen.

Eingedrungene Gegenstände sind in situ zu be-lassen und situationsgerecht zu fixieren; ggf. zukürzen. Bei Amputationsverletzungen ist derschnellstmögliche Transport in ein Replanta-tionszentrum – ggf. unter Einsatz des RTH –erforderlich.

Frakturen der ExtremitätenPathogeneseFrakturen (Knochenbrüche) entstehen durchäußere Gewalteinwirkung und – vor allem beiSubstanzminderung – auch durch Bagatelltrau-men. Perfusionsstörungen, bakterielle Konta-mination, Mediatorfreisetzung und Nervenlä-sionen können sekundäre Schäden verursa-chen (Abb. 2.2.3).

Anamnese und BefundPatientenalter, Jahreszeit und sportliche Aktivi-tät gehen gehäuft mit bestimmten Fraktureneinher. Weiter sind sowohl eine Fremdeinwir-kung als auch internistische oder neurologischeStörungen (Synkope, Hypoglykämie) zu erwä-gen.

Nach Erhebung der Anamnese wird die verletzteExtremität vorsichtig inspiziert und palpiert, da-bei ist insbesondere auf Durchblutung, Motorikund Sensibilität (DMS) zu achten.

Wichtige Frakturzeichen sind Fehlstellung mitschmerzhafter Bewegungseinschränkung so-wie ggf. sichtbare Knochenfragmente. Eine ab-norme Beweglichkeit und Krepitationen sollennicht geprüft werden. Innerklinisch muss jederFrakturverdacht durch bildgebende Diagnostikgeprüft werden.

Therapie● Die Basisüberwachung erfolgt durch EKG-Ableitung, Blutdruckmessung und Pulsoxy-metrie.

● Die Patienten werden mit einem venösenZugang – grundsätzlich nicht an der betrof-fenen Extremität – versorgt.

● Weiter ist Sauerstoff über Maske oder auchNasensonde (mindestens 5 l/min) zuzufüh-ren.

● Zur Analgesie kann Esketamin in einer Dosisvon 0,125–0,25mg/kg KG (RDE 10–20mg)i. v. injiziert werden. Ggf. kann eine vorange-hende SedierungmitMidazolam (titrierendeZufuhr in Boli von 1–2mg i. v.) erfolgen.

Die präklinische Immobilisierung der Frakturerfolgt meist mit Schienenmaterial oder auf ei-ner Vakuummatratze.

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2.2 Chirurgie

Oberarm bis 800ml

Unterarm bis 400ml

Oberschenkel bis 2000ml

Unterschenkel bis 1000ml

Abb. 2.2.3 Anhaltswerte für Blutverlust bei geschlossenen Frakturen

Abb. 2.2.4 Präklinische Polytraumaversorgung

Meldung Polytrauma

OxygenierungKreislaufHWSggf. Anästhesie

Der erste BlickUnfallstelle absichern

UnfallmechanismusVerkehrsunfall– hohe Geschwindigkeit– Fahrzeugdeformierung >50 cm– Tod eines Unfallbeteiligten– eingeklemmter Fahrzeuginsasse– Überrolltrauma

Rückmeldung an Rettungs-leitstelle (RLS)Nachfordern– Rettungsmittel– Gefahrenabwehr

(Feuerwehr/Polizei)– Ggf. MANV

Ggf. Presse

2. Rückmeldung anRettungsleitstelle– Patientenverteilung– Ggf. Seelsorger

Lagebeurteilung– Patientenanzahl– Verletzungen, Lage– Gefahren

Sturz aus >6 m HöheVerschüttungExplosionVerbrennungPenetrierende Verletzung

Vitalparameter prüfen undVitalbedrohung abwenden– Bewusstsein/GCS– Atmung– psaO₂– Kreislauf

Sichern

GanzkörperuntersuchungBegleitumstände nur, wennohne Zeitverlust zu erheben– Vorerkrankungen– Antikoagulanzien– Schwangerschaft

Becken bis 5000ml

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PolytraumaDefinition

Bei einem Polytrauma liegen gleichzeitige Ver-letzungen von mindestens zwei Körperregionenvor, von denen eine oder die Kombination ver-schiedener Verletzungen lebensbedrohlich ist.

PathogenesePolytraumatisierte Patienten entwickeln auf-grund innerer bzw. äußerer Blutverluste einentraumatisch-hämorrhagischen Schock und sindinsbesondere durch Hypoxie und Hypovolämiegefährdet. Bei wachen Patienten können dieZeichen des Volumenmangels durch die sym-pathoadrenerge Gegenreaktion maskiert wer-den. Nach dem Überleben des unmittelbarenTraumas wird die Prognose mittelfristig durchInfektionen, SIRS sowie Sepsis und MOV limi-tiert.

Anamnese, Befund und Abwenden einer Vital-bedrohungEinzelheiten 1.2 Untersuchung und Überwa-chung“. Unter Beachtung der Eigen- undFremdsicherung ist der Patient zunächst orien-tierend – mit gleichzeitiger Abwendung vonVitalbedrohungen – zu untersuchen; daranschließt sich im Rettungsmittel ggf. die einge-hende körperliche Untersuchung an. Beglei-tend dazu wird der Unfallmechanismus eruiert(Abb. 2.2.4). Zur Abwendung einer unmittelba-ren Lebensbedrohung folgt die Versorgungdem ABCDE-Schema mit● A= Airway and Cervical Spine Control –Atemwegsproblem

● B= Breathing and Ventilation –Ventilations-problem

● C= Circulation and Hemorrhage Control –Kreislaufproblem

● D= Disability and Neurological Status – SHT● E = Exposure and Environment – allgemeineBegleitverletzungen

Die initiale Analyse der Vitalfunktionen soll in-nerhalb kürzester Zeit erfolgen.

Therapeutisch kommen zu diesem Zeitpunktnur folgende akut lebensrettende Maßnahmenin Betracht:● Freimachen der Atemwege und Stabilisie-rung der HWS,

● endotracheale Intubation, ggf. alternativeAtemwegssicherung,

● Nadeldekompression bei Spannungspneu-mothorax (fehlendes Atemgeräusch, Dys-pnoe, gestaute Halsvenen, Hypotonie, hoherBeatmungsdruck), ggf. durch Thoraxdrai-nage zu erweitern,

● Blutstillung durch manuelle Kompressionoder Druckverband.

Erstes Ziel ist die Abwendung der Lebensbedro-hung – auch ohne definitive Kenntnis von Diag-nose und Anamnese des Patienten. Erst nachAbwendung der Vitalgefährdung wird derTraumamechanismus evaluiert und die vollstän-dige körperliche Basisuntersuchung durchge-führt.

TherapieZur Basisversorgung gehören:● Überwachung mit EKG-Ableitung, Pulsoxy-metrie und Blutdruckmessung,

● Anlage mehrerer leistungsfähiger peripher-venöser Zugänge,

● Sauerstoffzufuhr (mindestens 5 l/min) überMaske oder auch Nasensonde,

● Lagerung auf Vakuummatratze oderWirbel-säulenbrett (Spineboard).

Polytraumatisierte Patienten sind zur Sicherstel-lung einer ausreichenden Oxygenierung grund-sätzlich zu intubieren und mit einer FiO2 von 1,0zu beatmen.

Die Schockbekämpfung erfolgt vorwiegendmitkolloidalen Lösungen (1.5 Schock und Schock-bekämpfung). Blutungen werden mit einemDruckverband versorgt und offene Verletzun-gen steril abgedeckt. Der Patient wird lageab-hängig auf demBoden- oder Luftweg bevorzugtin eine Klinik des lokalen Traumanetzwerks ge-bracht, die rechtzeitig zu alarmieren ist. Grund-sätzlich ist jedoch jedes Krankenhaus zur initia-len Stabilisierung des Patienten verpflichtet(Abb. 2.2.5).

ThoraxtraumaPathogeneseThoraxtraumen entstehen durch stumpfe oderspitze Gewalt gegen den Brustkorb und seineOrgane. Eine Verletzung von Lungenparen-chym oder Atemwegen kann durch Kontusion,

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2.2 Chirurgie

NotarztÜbergabe an Chirurgieund Anästhesie

Chirurgie1 Facharzt1 Assistenzarzt2 PflegekräfteKörperliche Untersuchung– Sonographie– Röntgen– Vorläufige Verbände

Anästhesie1 Facharzt1 Assistenzarzt1 Pflegekraft– Atemwegssicherung– Gefäßzugänge– Schockbekämpfung

und Transfusion– Narkose

Weitere– MTA, RTA– Operative Fächer nach

Verletzungsmuster(z. B. Neurochirurgie,Thoraxchirurgie)

Abb. 2.2.5 Klinische Polytraumaversorgung

Sicherung derVitalfunktionen

Behandlung desGrundleidens

Schockraum

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Durchtrennung von Strukturen, Ischämie,Ödem oder inhalative Schädigung zur Ein-schränkung von Ventilation, Diffusion und Per-fusion und in der Folge zum Lungenversagenmit ARDS (Adult RespiratoyDistress Syndrome)führen. Ein Pneumothorax tritt insbesonderebei Patienten mit Rippenfrakturen auf; unterBeatmung bildet sich häufig ein Spannungs-pneumothorax aus. Das Myokard kann mittel-bar durch Hypotonie und Anämie, aber auchdirekt durch stumpfe (Contusio cordis) oderscharfe Gewalt (Stichverletzungen) geschädigtwerden.

Anamnese und BefundDer Unfallmechanismus wird eruiert, der Pati-ent zu seinen Beschwerden befragt und körper-lich untersucht.● Prellmarken, „Nachschleppen“, ein Weich-teilemphysem, tastbare Krepitationen derRippen sowie abgeschwächtes oder fehlen-des Atemgeräusch mit hypersonorem Klopf-schall der betroffenen Seiteweisen auf einenPneumothorax hin (Abb. 2.2.6).

● Bei einem Spannungspneumothorax liegenzusätzlich schwere Dyspnoe, gestaute Hals-venen und Hypotonie vor.

● Bei einem Hämatothorax ist das Atemge-räusch ebenfalls abgeschwächt, der Klopf-schall jedoch verkürzt (Schenkelschall).

● Eine Contusio cordis kann sich in Hypotonieund Arrhythmien zeigen.

● Ein toxisches Lungenödem manifestiert sichmit feuchten Rasselgeräuschen sowie ggf.Zeichen der Bronchospastik (Giemen).

Bei einer Lungenkontusion kann sich – auchnach einer weitgehend asymptomatischen Ini-tialphase – rasch eine respiratorische Insuffi-zienz entwickeln.

TherapieDie Basisüberwachung erfolgt mit EKG-Ablei-tung, Pulsoxymetrie und Blutdruckmessung.Wiederum ist die Anlage mehrerer leistungs-fähiger periphervenöser Zugänge erforderlich.Die weitere Behandlung konzentriert sich aufdie Sicherung der Oxygenierung unter Vermei-dung einer weiteren mechanischen Belastungder Lunge:● Zunächst erfolgt die Zufuhr von Sauerstoff

über eine Maske (mindestens 5 l/min).

● Eine zurückhaltende Analgesie – z. B. mit0,125–0,25mg/kg KG Esketamin i. v. (RDE10–20mg) – kann die respiratorische Ge-samtsituation verbessern.

● Bei spontan atmenden Patienten ist einSpannungspneumothorax unverzüglichdurch Nadeldekompression im 2. ICR in derMedioklavikularlinie zu entlasten, die ggf.durch Thoraxdrainage zu erweitern ist.

Die Indikation zur Intubation und Beatmung istgroßzügig zu stellen.

● Bei Verdacht auf Pneumothorax oder Span-nungspneumothorax ist beim beatmeten Pa-tienten die unverzügliche Anlage einer Tho-raxdrainage (etwa 24Ch) indiziert. Sie wirdüber eine Minithorakotomie im 2. ICR in derMedioklavikularlinie oder im 4. ICR in dervorderen Axillarlinie eingebracht.

● Ein Hämatothorax kann durch alleinige kli-nische Untersuchung nicht sicher diagnosti-ziert werden. Daher soll eine Drainage (etwa32Ch) präklinisch nur bei sonst nicht zu si-chernder Ventilation (z. B. steigender Beat-mungsdruck, fallende psaO2) gelegt werden.Sie wird über eine Minithorakotomie im4. ICR in der vorderen Axillarlinie einge-bracht (Abb. 2.2.7 und 2.2.8).

● Eingedrungene Fremdkörper sind in situ zufixieren und allenfalls zu kürzen.

AbdominaltraumaPathogeneseEs werden offene und stumpfe Bauchtraumenunterschieden, wobei insbesondere Anprall-und Dezelerationstraumen zu ausgedehntenVerletzungen von Organen und großen Gefä-ßen führen können. Daraus resultierende int-raabdominelle Blutverluste sind schlecht abzu-schätzen.

Anamnese und BefundDie Unfallanamnese kann wichtige Hinweiseergeben. Bei der Inspektion des Abdomens istbesonders auf Prellmarken (Hämatome) zuachten.

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Pleurablätter:

Pleura parietalis

Pleuraspalt

Pleura visceralis

Lunge

Normalbefund

Instabiler Thorax(Rippenserienfraktur)

Inspiration Exspiration

Spannungspneumothorax

Zunehmende Mediastinalverlagerung

Abb. 2.2.6 Thoraxtrauma

Abb. 2.2.7 Thoraxdrainage: Stichinzision und Präparieren zum Rippenoberrand

Abb. 2.2.8 Thoraxdrainage: Eröffnen der Pleura parietalis, Einbringen der Drainage2Spezielle

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Eine lokale Abwehrspannung bei Verletzung derBauchdecken setzt schnell ein, während ein Peri-tonismus – etwa bei Darmverletzung – sich erstnach gewisser Zeit ausprägt.

Die definitive Abklärung kann nur im Kranken-haus erfolgen, wobei stets auf gleichzeitigeVer-letzungen anderer Körperregionen zu achtenist.

TherapieZur Basisversorgung gehören:● Überwachung mit EKG-Ableitung, Pulsoxy-metrie und Blutdruckmessung,

● Anlage mehrerer leistungsfähiger peripher-venöser Zugänge,

● Schockbekämpfung mit kolloidalen Lösun-gen,

● Sauerstoffzufuhr (mindestens 5 l/min) überMaske oder auch Nasensonde,

● Patientengerechte Lagerung, regelmäßig miterhöhtem Oberkörper und Knierolle,

● eine Analgesie kann mit 0,125–0,25mg/kgKG Esketamin i. v. (RDE 10–20mg) erfolgen,

● eingedrungene Fremdkörper sind in situ zufixieren und allenfalls zu kürzen.

BeckentraumaPathogeneseSchwere Beckentraumen entstehen besondersbei Anprall („dashboard injury“), Sturz oderÜberrollen. Neben knöchernen Verletzungen –auch derWS und des Femurs – können Begleit-verletzungen an Urogenitaltrakt und Rektumsowie Gefäßverletzungen vorliegen.

Anamnese und BefundBei der klinischen Untersuchung ist auf offeneLäsionen und Prellmarken sowie Fehlstellun-gen und Krepitationen zu achten.

Der Blutverlust wird meist unterschätzt.

TherapieZur Basisversorgung gehören:● Überwachung mit EKG-Ableitung, Pulsoxy-metrie und Blutdruckmessung.

● Sauerstoffzufuhr (mindestens 5 l/min) überMaske oder auch Nasensonde; häufig auchIntubation und Beatmung.

Die frühzeitige und energische Schockbekämp-fung ist unerlässlich:● Minimierung weiterer Blutverluste durchTamponade von Blutungsquellen sowieGrobreposition mit nachfolgender Gurt-oder Tuchfixation (Abb. 2.2.9), was jedocheine suffiziente Analgesie – regelmäßigeine Narkose – erfordert.

● Anlage von mindestens zwei großlumigenZugängen und forcierte Volumentherapiemit kolloidalen Lösungen.

● Flach- bzw. Schocklagerung.● Bei Patienten ohne Allgemeinanästhesiekann im Einzelfall eine Analgesie mit0,125–0,25mg/kg KG Esketamin i. v. (RDE10–20mg) erfolgen.

Gastrointestinaler NotfallPathogenese

Der gastrointestinale Notfall (früher Akutes Ab-domen) ist ein heterogenes Krankheitsbild mitdem führenden Symptom des akuten, schwerenAbdominalschmerzes (Abb. 2.2.10).

Ursachen sind entzündliche, ischämische,mechanische, metabolisch-toxische und neo-plastische Erkrankungen sowie Traumen undgeburtshilflich-gynäkologische Befunde. Auchextraabdominelle Erkrankungen können dasBild eines gastrointestinalen Notfalls auslösen.● Ösophagus- und Fundusvarizen bei portalerHypertension können starke Blutungen mithämorrhagischem Schock auslösen.

● Blutungen aus Ulzera verlaufen selten fulmi-nant.

● Passagehindernisse wie Tumoren, Kompres-sion von außen sowie Verwachsungen odereine neurogene Störung können einen Sub-ileus oder Ileus auslösen.

● Durch anhaltende Flüssigkeitsverluste,Volu-menverschiebungen und mangelnde Flüs-sigkeitszufuhr können die Patienten einenhypovolämischen Schock im engeren Sinneentwickeln. Besonders Säuglinge und Hoch-betagte sind durch Exsikkose gefährdet.

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2.2 Chirurgie

Abb. 2.2.9 Open-Book-Beckenverletzung

Abb. 2.2.10 Gastrointestinaler Notfall: Schmerzintensität und häufige Diagnosen

Appendizitis Pankreatitis Cholezystitis

Ulkusperforation

Mesenterialinfarkt

Perforation

Gallenblasen-perforation

Gallenkolik

Uretersteinkolik

Ileus

Entzündung

Kolik

Bei der Erstversorgung istdurch Kompression vonaußen möglicher Blutverlustnach innen zu begrenzen

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Anamnese● Charakteristik, Dauer und Lokalisation derSchmerzen werden eruiert, ebenso evtl. Be-gleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen,Durchfall und Fieber.

● Weiter werden internistische und chirurgi-sche Vorerkrankungen sowie die Vormedi-kation und der Konsum von Alkohol undNikotin usw. erfragt.

Patientinnen im gebärfähigen Alter werdennach der letzten Regelblutung, Kontrazeptionund Schwangerschaft gefragt.

Befund● Es ist auf Foetor ex ore, Schwitzen oder Ikte-rus zu achten.

● Das Abdomen einschließlich der Bruchpfortenwird sorgfältig inspiziert, palpiert und aus-kultiert, wobei insbesondere auf lokaleDruckschmerzhaftigkeit, Resistenzen, Ab-wehrspannung und „hochgestellte“ Darm-geräusche (bei Subileus und Ileus) zu achtenist.

● Eine peritoneale Reizung bzw. eine ausge-prägte Abwehrspannung (Peritonismus)liegt insbesondere bei einer Entzündungoder der Perforation eines Hohlorgans vor.Als Ursachen kommen u. a. perforierte Ul-zera, die Appendizitis oder eine Extrauterin-gravidität infrage.

● Kolikartige Schmerzen werden durch Peris-taltikwellen inHohlorganen, etwa beimAus-treiben eines Steins, verursacht. Sie könnenbei Gallen- und Nierensteinen, aber auchbeim Ileus auftreten.

Extraabdominelle Ursachen des gastrointestina-len Notfalls können insbesondere ein Myokard-infarkt oder ein Aortenaneurysma sein. AuchErkrankungen von Hoden und Nebenhodenwie Hodentorsion oder Epididymitis sind auszu-schließen.

Aus Anamnese und Befund ist eher selten einesichere Diagnose zu stellen. Die genauere Klä-rung mit bildgebender und laborchemischerDiagnostik erfolgt im Krankenhaus.

TherapieZur Basisversorgung gehören die Überwachungmit EKG-Ableitung, Pulsoxymetrie und Blut-druckmessung, die Sauerstoffzufuhr (mindes-tens 5 l/min)überMaske oder auchNasensondesowie die Analgesie und ggf. Schockbekämp-fung.

Nach der klinischen Untersuchung ist ein Ver-zicht auf Analgetika nicht zu rechtfertigen. DieRücksicht auf eine „Verschleierung der Diag-nose“ ist bei korrekter Dokumentation des Aus-gangsbefundes und angesichts der diagnosti-schen Möglichkeiten obsolet.

● Bei Kolikschmerz ist vorrangig Metamizol(Novalgin; 12,5–30mg/kg KG i. v.) indiziert.

● Zusätzlich werden 20–40mg Butylscopola-min (Buscopan) i. v. injiziert.

● Bei starkem Erbrechen können 10–20mgMetoclopramid (Paspertin) oder 62,5mg Di-menhydrinat (VomexA) als Kurzinfusion ge-geben werden.

Eine evtl. Intubation muss wegen der massiverhöhten Aspirationsgefahr als Blitzeinleitungerfolgen. Insbesondere bei Ileus oder Subileusist eine vorherige Entlastung über eine Magen-sonde dringend geboten.

GefäßnotfälleAortenaneurysmaPathogeneseAls Aneurysma (Abb. 2.2.11) wird die umschrie-bene Aussackung der Wand einer Arterie be-zeichnet:● Beim echten Aneurysma (Aneurysma verum)sind alle dreiWandschichten (Intima,Media,Adventitia) betroffen.

● Beim Aneurysma dissecans kommt es nacheinem Riss der Intima zu einer Einwühlungdes Blutes in die Gefäßwand.

Bei beiden Formen kann es zur Perforation mitbedrohlicher Blutung kommen. BegünstigendeFaktoren sind Atherosklerose und arterielle Hy-pertonie sowie Erkrankungen des Bindegewe-bes wie das Marfan-Syndrom.

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2.2 Chirurgie

Abb. 2.2.11 Aneurysma

Abb. 2.2.12 Stanford-Klassifikation der Aortendissektion

Abweichend vom dreischichtigen Aufbau der Gefäßwand (a) sind notfallmedizinisch relevant:b) das Aneurysma dissecans mit einem oder mehreren Intimadefekten undc) das Aneurysma verum mit Aussackung aller Wandschichten

a b c

Typ ADissektion unter Beteiligung der Aorta ascen-dens ohne Berücksichtigung der Eintrittstelle

Typ BAorta ascendens ist nicht betroffen; die Dissek-tion kann bis in die abdominale Aorta reichen

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aus: Adams u.a., Taschenatlas Notfallmedizin (ISBN 9783131311528) © 2011 Georg Thieme Verlag KG

Anamnese und BefundLeitsymptom der thorakalen Dissektion(Abb. 2.2.12) oder auch Perforation ist ein plötz-lich einsetzender scharfer Schmerz mit Enge-gefühl und Luftnot, der spontan oder nachpunktueller Anstrengung (Heben, Pressen) auf-tritt. Differenzialdiagnostisch ist insbesondereein Myokardinfarkt abzugrenzen.Die abdominelle Dissektion (Abb. 2.2.13) oder

Perforation kann sich als gastrointestinalerNotfall manifestieren. In seltenen Fällen kannbei einer noch anhaltenden Dissektion ein pul-sierender abdomineller Tumor getastet wer-den.

TherapieZur Basisversorgung gehören wiederum:● Überwachung mit EKG-Ableitung, Pulsoxy-metrie und Blutdruckmessung,

● Anlage mehrerer leistungsfähiger peripher-venöser Zugänge und Sauerstoffzufuhr(mindestens 5 l/min) über Maske oder auchNasensonde,

● Analgesie, z. B. mit 0,05–0,1mg/kg KG Mor-phin (RDE 4–8mg) i. v.

Stets ist der schnellstmögliche Transport in einegefäßchirurgische Abteilung erforderlich. Diebegleitende Blutdruckregulierung und Schock-bekämpfung müssen sich am Einzelfall orientie-ren.

● Sofern bei Verdacht auf fortschreitende Dis-sektion ohne Perforation einmassiver Hyper-tonus besteht, wird dieser durch Zufuhr von

Glyceroltrinitrat (initial 2 Hübe zu je 0,4mgsublingual) sowie – bei unzureichenderWir-kung – durch Bolusgaben von Urapidil(Ebrantil; 12,5–25mg i. v.) behandelt.

● Patienten im hämorrhagischen Schock wer-den durch zurückhaltende Zufuhr von kol-loidalen Lösungen im Sinne der „permissi-ven Hypotonie“ behandelt (1.5 Schock undSchockbekämpfung).

Arterieller GefäßverschlussPathogeneseEingeschwemmtes Thrombusmaterial und dieAblösung lokaler Plaques können zum akutenarteriellen Gefäßverschluss führen. Es könnenpraktisch alle endarteriellen Stromgebiete be-troffen sein.

Anamnese und BefundFührendes Symptom ist der ischämiebedingteSchmerz (Abb. 2.2.14). Zwischen dem akutenVerschluss mit punktuellem Schmerzereignisund andauernden Beschwerden kann einsymptomarmes Intervall liegen. Ein ischämi-scher Extremitätenschmerz wird typischer-weise durch Tieflagerung gebessert; die Extre-mität ist darüber hinaus blass und kalt.

TherapiePräklinisch kommt neben der Basisversorgung(EKG-Ableitung, Pulsoxymetrie, Blutdruckmes-sung, periphervenöser Zugang, Sauerstoffzu-fuhr) nur die Analgesie z. B. mitMetamizol (No-valgin; RDE 500–1000mg i. v.) in Betracht.

2.2 Chirurgie2Spezielle

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2.2 Chirurgie

Abb. 2.2.14 Akuter Verschluss einer Extremitätenarterie

Abb. 2.2.13 Typische Rupturlokalisationen des infrarenalen Bauchaorten-Aneurysmas

1. Freie Ruptur in die Bauchhöhle

2. Aorto-kavale Fistel

3. Aorto-duodenale Fistel

4. Gedeckte Ruptur ins Retroperitoneum

5. Gedeckte Ruptur um die Wirbelsäule

1.2.

3.

5.

4.

Für die unteren und oberen Extremitäten gilt die Regel der 6 großen „P“ nach Pratt:

Pain Schmerz

Paleness Blässe

Paresthesia Gefühlsstörung

Pulselessness Pulslosigkeit

Paralysis Bewegungsunfähigkeit

Prostration Erschöpfung, Schock

1.

2.

3.

4.

5.

6.

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