TK-Position: Mehr Patientensicherheit durch verbesserte Hygiene im Krankenhaus (Februar 2015)

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Die Diskussion über die Hygiene in deutschen Krankenhäusern ist nicht neu und bewegt seit Jahren das

deutsche Gesundheitswesen. Vor dem Hintergrund der Patientensicherheit nimmt sie berechtigterweise

einen immer größeren Stellenwert in der gesundheitspolitischen Debatte ein.

Das Bundesministerium für Gesundheit geht davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 400.000 bis

600.000 Patientinnen und Patienten an Infektionen erkranken, die im Zusammenhang mit einer medizini-

schen Maßnahme stehen. Bis zu 15.000 Menschen würden sogar daran sterben, obwohl 20 bis 30 Prozent

dieser Infektionen durch die Einhaltung von adäquaten Hygienemaßnahmen vermeidbar wären.

Unter Experten gelten diese Zahlen jedoch keineswegs als gesichert. Sie streiten vehement über die tat-

sächlichen Infektionsraten in deutschen Krankenhäusern und über die in diesem Zusammenhang stehen-

den Todesfälle. Dies alleine zeigt, dass hier ein erheblicher Mangel an Transparenz besteht, den es zu

beseitigen gilt.

Unabhängig von der Diskussion um die richtigen Zahlen besteht Einigkeit darüber, dass die Hygiene in

deutschen Krankenhäusern verbessert werden kann und dringend verbessert werden muss. Auch der Ge-

setzgeber sieht hier offensichtlich Nachholbedarf und hat bereits in den vergangenen Jahren versucht, mit

gezielten Regelungen gegenzusteuern.

Im Jahr 2011 wurde eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes vorgenommen. Auf dieser Grundlage

haben die Bundesländer bis Ende 2012 Krankenhaus-Hygieneverordnungen erlassen, die die Erfassung

und Bewertung von Infektionen, die hygienischen Mindestanforderungen und das benötigte Fachpersonal

festschreiben. Außerdem wurde die Rolle des Robert Koch-Instituts gestärkt. Die Empfehlungen der dort

ansässigen Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention bilden die fachliche Grundlage

der länderspezifischen Hygieneverordnungen. Bezüglich der Meldeverpflichtungen bei nosokomialen Infek-

tionen bestehen allerdings große Interpretationsspielräume.

Um die Krankenhäuser in die Lage zu versetzen, die hygienischen Anforderungen umzusetzen, wurden im

Jahr 2013 Änderungen im Krankenhausentgeltgesetz beschlossen. Ziel war es, rasch das notwendige

ärztliche und pflegerische Hygienepersonal in den Kliniken aufzustocken sowie die Fort- und Weiterbildung

zu qualifiziertem Hygienepersonal zu fördern.

1 ǀ Positionen der TK zur Klinikhygiene Februar 2015

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Für eine verbesserte Transparenz und Qualitätssicherung wurde der Gemeinsame Bundesausschuss

beauftragt, Kriterien zur Messung der Hygienequalität zu definieren, die eine Vergleichbarkeit der Hygiene-

situation in den Kliniken ermöglichen und die Ergebnisse in die Qualitätsberichte aufzunehmen.

Diese vom Gesetzgeber bereits beschlossenen Regelungen zur Verbesserung der Krankenhaushygiene

werden von der TK ausdrücklich begrüßt. Allerdings zeigt die aktuelle Situation, dass sie bei weitem nicht

ausreichen.

Die Qualität der medizinischen Versorgung muss im Mittelpunkt aller Maßnahmen stehen, mit dem Ziel die

Patientensicherheit zu erhöhen.

Um die Infektionsraten in deutschen Krankenhäusern zu reduzieren, sieht die TK in den nachfolgend be-

schriebenen Bereichen Handlungsbedarf:

Transparenz

Zunächst einmal gilt es, die erforderliche Transparenz über den Umfang der Risiken herzustellen. Dies

setzt eine einheitliche Dokumentation voraus, die verbindlich umzusetzen ist. Sie bildet die Grundlage für

alle weiteren Maßnahmen.

Die gewonnenen Informationen müssen den Patienten zugänglich sein, damit diese sich ein objektives Bild

über die Situation im jeweiligen Krankenhaus verschaffen können. Zudem wird es dadurch möglich, Kran-

kenhäuser miteinander zu vergleichen und somit einen Beitrag zum angestrebten Qualitätswettbewerb zu

leisten. Erst Transparenz wird die Krankenhäuser in die Lage versetzen, sich und ihre eigenen Ergebnisse

einordnen zu können.

Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die Angaben der Krankenhäuser wirksam überprüfen zu

können. Gleichzeitig sind Anreize zu setzen, die eine hohe Transparenz belohnen. Nur so kann der Weg in

eine andere Fehlerkultur beschritten werden.

Dokumentation

Das notwendige Maß an Transparenz ist wiederum nur dann erreichbar, wenn die Krankenhäuser zu einer

bundeseinheitlichen, ausführlichen Dokumentation verpflichtet werden. Die Dokumentation muss anhand

einheitlicher Vorgaben erfolgen, nur so wird es möglich, die Ergebnisse der einzelnen Krankenhäuser mit-

einander zu vergleichen.

Es sind Differenzierungsmerkmale hinsichtlich der multiresistenten Erreger (MRE), der Infektionsquellen,

der Pforten und der Infektionswege erforderlich. Ganz entscheidend ist hierbei die Unterscheidung, ob

Patienten den MRE bereits vor ihrem Krankenhausaufenthalt erworben haben oder erst während der stati-

onären Leistungserbringung durch den Erreger befallen wurden.

2 ǀ Positionen der TK zur Klinikhygiene Februar 2015

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Da sich MRE heute nicht ausreichend differenziert kodieren lassen, sind entsprechende Anpassungen im

ICD- und OPS-Katalog durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information unab-

dingbar. Die genannten Differenzierungsmerkmale bilden eine neue Kodierbasis. Sie ermöglicht es dem

mit der Weiterentwicklung des DRG-Systems beauftragten Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus,

MRE und ihre Behandlung im DRG-System differenzierter abzubilden.

Wünschenswert wäre zudem innerhalb der weiteren Entwicklung eine sektorenübergreifende Betrachtung

der MRE-Problematik. Dazu sollten die Melde- und Dokumentationspflichten auf andere Institutionen wie

z.B. Pflegeheime, niedergelassene Ärzte und andere ambulante Leistungserbringer ausgeweitet und in-

nerhalb der Behandlungskette weitergegeben werden.

Maßnahmen

Hygienestandards müssen verbindlich und bundeseinheitlich für alle Sektoren der medizinischen Versor-

gung eingeführt werden. Hygiene darf nicht an Landes- oder Sektorengrenzen halt machen.

Ein verpflichtendes Screening ist für alle Risikopatienten einzuführen, die im Krankenhaus behandelt wer-

den. Bei planbaren Leistungen ist dies bereits vor der Aufnahme möglich. So können Erreger frühzeitig

eliminiert oder die Patienten sachgerecht isoliert werden. Bei Notfallpatienten kann dies im Rahmen der

Aufnahme erfolgen. Einige Krankenhäuser haben bereits eindrucksvoll bewiesen, dass durch eine solche

Maßnahme wesentliche Effekte erzielt werden können. Durch ein Screening aller Patienten und der daraus

abgeleiteten Maßnahmen ließ sich die Rate der Patienten mit MRSA-Infektionen deutlich reduzieren

Die Ergebnisse der beschriebenen Dokumentationspflicht müssen als gesonderter Teil in die Qualitätsbe-

richte der Krankenhäuser einfließen. Dadurch wird ihre Bedeutung herausgestellt und die Informationen

können einfacher aufgefunden werden.

Sämtliche MRE-Infektionen sollten verpflichtend gemeldet werden Die derzeitige Regelung lässt einen zu

großen Interpretationsspielraum für die meldenden Einrichtungen.

Gleichzeitig sollten die Gesundheitsämter mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden, um als

Kontrollinstanz wirken zu können. Für Einrichtungen, die die vorzugebenden Hygienerichtlinien nicht ein-

halten, sollen Sanktionsmechanismen greifen können.

Zudem sollte Hygiene einen deutlich größeren Anteil in der Aus- und Weiterbildung des medizinischen

Personals einnehmen.

Hygiene muss als Aufgabe des Krankenhausmanagements verstanden werden und kann in Verbindung

mit der geforderten Transparenz als Wettbewerbsinstrument eingesetzt werden.

3 ǀ Positionen der TK zur Klinikhygiene Februar 2015

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Anreizsystem

Bei den Krankenhäusern muss ein Eigeninteresse geweckt werden, die hygienischen Verhältnisse in ihren

Häusern transparent zu machen und die Einhaltung der Hygienestandards sicherzustellen. Ein positiv ge-

leitetes Anreizsystem, das zusätzlich Verbesserungen belohnt, kann diesen Prozess befördern.

Durch eine dezidierte Dokumentation, z.B. in Form von Hygienecodes, wird es möglich, den besonderen

Aufwand in solchen Fällen im DRG-System abzubilden.

Auf der Basis solider Daten lassen sich dann Anreizsysteme aufsetzen, die auf kollektiver und selektiver

Ebene liegen könnten. So z.B. durch Veröffentlichung von positiven und negativen Ergebnissen in der Um-

setzung der Hygienemaßnahmen oder von hygienischen Verhältnissen in einzelnen Krankenhäusern. Im

positiven Fall bedeutet dies eine Stärkung der Wettbewerbsposition des Krankenhauses durch die Mög-

lichkeit einer standardisierten Veröffentlichung, beispielsweise auf der Homepage der Klinik oder in Klinik-

portalen der Krankenkassen.

Auch gezielt ausgerichtete monetäre Anreizsysteme könnten hierbei in Betracht gezogen werden.

Perspektivisch sollte die Krankenhaushygiene als Zulassungsvoraussetzung zur Leistungserbringung

etabliert werden.

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