TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid...

4
This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid-Thalliiimhalogenid-Systemen TleX 4 S - A New Chalcogeno Halide Type in Thallous Sulphide-Thallous Halide Systems R. Blachnik und H. A. Dreisbach Anorganische Chemie FB 8, Universität Siegen, D-5900 Siegen 21 Z. Naturforsch. 36b, 1500-1503 (1981); eingegangen am 31. Juli 1981 Phase Diagram, Thallous Halide-Thallous Chalcogenide Systems, Thallous Chalcogeno Halides Phase studies were performed in the system H2S + T1X (X = CI, Br, I) and showed the existence of a new type of compound TleXjS in the quasibinary systems. In addition, in the iodide system a high temperature compound TI3SI exists. The enthalpy of melting of TleLjS is given. Einleitung In früheren Untersuchungen haben wir uns mit der Natur der Schmelzen und der Existenz von Phasen in Metallhalogenid-Metallchalkogenidsyste- men beschäftigt [1, 2]. Dabei zeigten Ag- bzw. Pb- [3] und Sn-haltige Systeme deutliche Unterschiede. Während in den silberhaltigen Systemen nicht nur mit Ag2S, sondern auch mit Ag 2 Te Verbindungs- bildung auftritt, zeigen die zinn- bzw. bleihaltigen Systeme mit den entsprechenden Telluriden weit- gehende Unmischbarkeit. Um zu klären, ob dies auf den Einfluß des inerten s 2 -Paares zurückzuführen ist, untersuchten wir die Thallium(I)chalkogenid- Thallium(I)halogenid-Systeme. Experimentelles Präparation der Ausgangskomponenten TI2S wurde durch Zusammenschmelzen stöchio- metrischer Mengen der hochreinen Elemente Thal- lium (99,99%, Preussag) und Schwefel (99,95%, Merck) in evakuierten Quarzampullen dargestellt. Die Reinheitsprüfung erfolgte durch Differenz - thermoanalyse, Röntgenaufnahmen und metallo- graphische Untersuchungen. In der Literatur beste- hen Unklarheiten über die Stabilität dieser Verbin- dung. Neben der normalen Modifikation soll nach Chaus et al. [4, 5] eine Hochtemperaturmodifikation mit wesentlich höherem Schmelzpunkt existieren, die nicht durch thermische Präparation, sondern durch Fällen aus alkalischer T1N03-Lösung mit H2S darstellbar sein soll. Diese sogenannte Hochtem- peraturmodifikation ist jedoch die Hochtemperatur- form des TI2SO4, wie ein Vergleich mit bekannten * Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. Roger Blachnik. 0340-5087/81/1200-1500/$ 01.00/0 Röntgendaten [7] zeigt. Wie Reuter [6] nachwies, wird frischgefälltes T1 2 S durch Luft oxidiert, nach eigenen Befunden reagieren diese Produkte beim Aufschmelzen weitgehend zu TI2SO4. Die verwendeten Thalliumhalogenide T1C1, TIBr und T1I (Merck, Optipur) wurden nach Trocknung bei 130 °C und 10~ 2 Torr direkt eingesetzt, da ein Reinigungsverfahren, bestehend aus Vakuumsubli- mation mit nachfolgender Filtration im trockenen HCl-Strom keine thermoanalytisch nachweisbare Verbesserung des Reinheitsgrades brachte. Die er- mittelten Schmelzpunkte stimmten auf ± 3 °C mit den Literaturdaten überein [8]. Mischungen der jeweiligen Randkomponenten wurden in Schritten von 5 Mol-% entsprechend der berechneten Zusammensetzung in Quarzampullen (0 a 8 mm, Länge ca. 30 mm) eingewogen, auf 10" 2 Torr evakuiert und abgeschmolzen. Zur Homo- genisierung wurden die Proben aufgeschmolzen, gut durchgeschüttelt und im Regelfall ca. 30 °C unter ihrer Solidustemperatur, die durch Vorversuche grob abgeschätzt wurde, getempert. Die Temperzeit lag zwischen einer Woche und 3 Monaten. Apparatives Die differenzthermoanalytischen Messungen er- folgten in evakuierten Quarzampullen ( 0 a 3 mm, Länge ca. 35 mm, Probenmenge ca. 200 mg) in einer umgebauten Linseisapparatur [9] mit einer Auf heiz- und Abkühlgeschwindigkeit von 10°C/min und Sili- zium als Referenzprobe. Zur Temperaturmessung winden Thermoelemente des Typs Pt/Pt-f- Rh 10 verwendet. Die Signale wurden nach Gäumann [10] ausgewertet. Zur Trennung von thermischen Effek- ten mit geringen Temperaturunterschieden wurde die DTA-Apparatur „990 Thermal-Analyser" der Fa. Du Pont verwendet. Dabei erfolgten die Mes- sungen in evakuierten Quarzampullen (0 a 4 mm, Länge ca. 20 mm, Probenmenge ca. 200 mg) mit Heizraten von 1 °C/min bzw. 2 °C/min und a-Al 2 03 als Referenz. Die Schmelzenthalpie wurde auf einem DSC II (Perkin-Elmer) ermittelt. Als Tiegelmaterial wurde

Transcript of TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid...

Page 1: TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/36/ZNB-1981-36b-1500.pdf · TI6I4S tetragonal 9,176 ±0,003 9,608 ±0,001 P4/mnc 2 11,1

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid-Thalliiimhalogenid-Systemen

TleX4S - A New Chalcogeno Halide Type in Thallous Sulphide-Thallous Halide Systems

R. Blachnik und H. A. Dreisbach Anorganische Chemie FB 8, Universität Siegen, D-5900 Siegen 21

Z. Naturforsch. 36b, 1500-1503 (1981); eingegangen am 31. Juli 1981

Phase Diagram, Thallous Halide-Thallous Chalcogenide Systems, Thallous Chalcogeno Halides Phase studies were performed in the system H2S + T1X (X = CI, Br, I) and showed the

existence of a new type of compound TleXjS in the quasibinary systems. In addition, in the iodide system a high temperature compound TI3SI exists. The enthalpy of melting of TleLjS is given.

Einleitung

In früheren Untersuchungen haben wir uns mit der Natur der Schmelzen und der Existenz von Phasen in Metallhalogenid-Metallchalkogenidsyste-men beschäftigt [1, 2]. Dabei zeigten Ag- bzw. Pb-[3] und Sn-haltige Systeme deutliche Unterschiede. Während in den silberhaltigen Systemen nicht nur mit Ag2S, sondern auch mit Ag2Te Verbindungs-bildung auftritt, zeigen die zinn- bzw. bleihaltigen Systeme mit den entsprechenden Telluriden weit-gehende Unmischbarkeit. Um zu klären, ob dies auf den Einfluß des inerten s2-Paares zurückzuführen ist, untersuchten wir die Thallium(I)chalkogenid-Thallium(I)halogenid-Systeme.

Experimentelles

Präparation der Ausgangskomponenten TI2S wurde durch Zusammenschmelzen stöchio-

metrischer Mengen der hochreinen Elemente Thal-lium (99,99%, Preussag) und Schwefel (99,95%, Merck) in evakuierten Quarzampullen dargestellt. Die Reinheitsprüfung erfolgte durch Differenz -thermoanalyse, Röntgenaufnahmen und metallo-graphische Untersuchungen. In der Literatur beste-hen Unklarheiten über die Stabilität dieser Verbin-dung. Neben der normalen Modifikation soll nach Chaus et al. [4, 5] eine Hochtemperaturmodifikation mit wesentlich höherem Schmelzpunkt existieren, die nicht durch thermische Präparation, sondern durch Fällen aus alkalischer T1N03-Lösung mit H2S darstellbar sein soll. Diese sogenannte Hochtem-peraturmodifikation ist jedoch die Hochtemperatur-form des TI2SO4, wie ein Vergleich mit bekannten

* Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. Roger Blachnik.

0340-5087/81/1200-1500/$ 01.00/0

Röntgendaten [7] zeigt. Wie Reuter [6] nachwies, wird frischgefälltes T12S durch Luft oxidiert, nach eigenen Befunden reagieren diese Produkte beim Aufschmelzen weitgehend zu TI2SO4.

Die verwendeten Thalliumhalogenide T1C1, TIBr und T1I (Merck, Optipur) wurden nach Trocknung bei 130 °C und 10~2 Torr direkt eingesetzt, da ein Reinigungsverfahren, bestehend aus Vakuumsubli-mation mit nachfolgender Filtration im trockenen HCl-Strom keine thermoanalytisch nachweisbare Verbesserung des Reinheitsgrades brachte. Die er-mittelten Schmelzpunkte stimmten auf ± 3 °C mit den Literaturdaten überein [8].

Mischungen der jeweiligen Randkomponenten wurden in Schritten von 5 Mol-% entsprechend der berechneten Zusammensetzung in Quarzampullen ( 0 a 8 mm, Länge ca. 30 mm) eingewogen, auf 10"2 Torr evakuiert und abgeschmolzen. Zur Homo-genisierung wurden die Proben aufgeschmolzen, gut durchgeschüttelt und im Regelfall ca. 30 °C unter ihrer Solidustemperatur, die durch Vorversuche grob abgeschätzt wurde, getempert. Die Temperzeit lag zwischen einer Woche und 3 Monaten.

Apparatives Die differenzthermoanalytischen Messungen er-

folgten in evakuierten Quarzampullen ( 0 a 3 mm, Länge ca. 35 mm, Probenmenge ca. 200 mg) in einer umgebauten Linseisapparatur [9] mit einer Auf heiz-und Abkühlgeschwindigkeit von 10°C/min und Sili-zium als Referenzprobe. Zur Temperaturmessung winden Thermoelemente des Typs Pt/Pt-f- Rh 10 verwendet. Die Signale wurden nach Gäumann [10] ausgewertet. Zur Trennung von thermischen Effek-ten mit geringen Temperaturunterschieden wurde die DTA-Apparatur „990 Thermal-Analyser" der Fa. Du Pont verwendet. Dabei erfolgten die Mes-sungen in evakuierten Quarzampullen ( 0 a 4 mm, Länge ca. 20 mm, Probenmenge ca. 200 mg) mit Heizraten von 1 °C/min bzw. 2 °C/min und a-Al203 als Referenz.

Die Schmelzenthalpie wurde auf einem DSC II (Perkin-Elmer) ermittelt. Als Tiegelmaterial wurde

Page 2: TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/36/ZNB-1981-36b-1500.pdf · TI6I4S tetragonal 9,176 ±0,003 9,608 ±0,001 P4/mnc 2 11,1

eloxiertes Aluminium verwendet, als Eichsubstanz diente Zink.

Die Mischungsenthalpien wurden in einem Hoch-temperaturmikrokalorimeter Typ Calvet (Fa. Seta-ram) bei einer Meßtemperatur von 747 K bestimmt. Als Eichsubstanz wurde a-Al2C>3 (NBS-Standard-material) verwendet. Röntgendaten von Pulver-proben wurden aus Guinier-4- (Strahlung CuKa) bzw. Huber-Guinier-Aufnahmen (Strahlung CrKa) mit SiÜ2 als innerem Standard erhalten. Die aufge-führten Intensitäten wurden mit einem Pulver-diffraktometer Typ „PW 1050/20" (Philips) ermit-telt. Einkristallaufnahmen erfolgten mit einer integrierenden Precession-Kamera ,,FR 504 A 52" (Enraf-Nonius). Quantitative Analysen sowie Ge-fügeanalysen wurden mit einer Mikrosonde des Typs „Superprobe 733" (Jeol) durchgeführt. Sämt-liche Proben wurden differenzthermoanalytisch, röntgenographisch und metallographisch unter-sucht.

>^0

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 HCl TltCI4S Moi% TI2S TI,S

Abb. 1. Das System T1C1-T12S.

Ergebnisse Die erhaltenen Zustandsdiagramme sind in den

Abbn. 1-3 dargestellt. Alle Systeme zeichnen sich durch einen quasi-binären Kristallisationsverlauf aus. Im TlCl-Tl2S-System hegt der eutektische Punkt bei einem Thalliumchloridgehalt von 35 ± 5 Mol-% und einer Temperatur von 407 ± 3 °C. Die Bestimmung der eutektischen Zusammensetzung erfolgte metallographisch über die Auswertung von Schliffen. Durch Röntgenanalyse wurde in dem System eine peritektische Verbindung gefunden. Die Temperatur der Peritektikalen liegt bei 410 ± 3 °C. Die genaue Zusammensetzimg konnte diffe-renzthermoanalytisch nicht ermittelt werden, da die Temperaturdifferenzen zwischen Eutektikale und Peritektikale mit ca. 3-5 °C innerhalb der Fehlerbreiten der verwendeten Meßgeräte hegen.

Diese Meßdaten unterscheiden sich von den von H. C. Brookes [11] im Abkühl verfahren ermittelten Werten, der ein einfach eutektisches System vorge-schlagen hatte. Dieses System entspricht unseren Ergebnissen zufolge einem Ungleichgewichtszu-stand, da die Bildung der peritektischen Verbindung TUCLiS kinetisch gehemmt ist (Proben der Zu-sammensetzung TleCUS, die mit einer Abkühlge-schwindigkeit von 10 °C/min aus der Schmelze er-halten wurden, zeigten röntgenographisch nur die Randkomponenten T1C1 und TI2S).

Das in Abb. 2 gezeigte System TlBr-Tl2S ist ebenfalls peritektisch. Die Peritektikale der Ver-bindung der Zusammensetzung TleB^S hegt bei 444 ± 3 °C. Die eutektische Zusammensetzung

500

Abb. 2. Das System TlBr-Tl2S.

500

0 's 450 3 O

10

o \ • O. £

400 421

f 0 c*00

• O. £

400

365

TU TUS TVJS T^S MOL % TI,S

Abb. 3. Das System T1I-T12S.

Page 3: TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/36/ZNB-1981-36b-1500.pdf · TI6I4S tetragonal 9,176 ±0,003 9,608 ±0,001 P4/mnc 2 11,1

wurde zu 33 ± 2 Mol-% Thalhumbromid ermittelt. Die Eutektikale liegt bei einer Temperatur von 418 ± 3 °C.

In Abb. 3 ist das Zustandsdiagramm TII-TI2S wiedergegeben. Es weist eine kongruent bei 440 ± 3 °C schmelzende Verbindung der Zusammenset-zung Tl6l4S und eine peritektisch bei 400 ± 5 °C zerfallende und sich bei 365 ± 10 °C bildende Hoch-temperaturverbindung TI3IS auf.

Die eutektischen Zusammensetzungen wurden zu ca. 45 ± 2 Mol-% und 90 ± 2 Mol-% Thalliumiodid gefunden. Die eutektischen Temperaturen betragen 397 ± 3 °C bzw. 421 ± 3 °C.

Die Temperatur der Eutektoiden konnte diffe-renzthermoanalytisch nicht ermittelt werden, da die Bildungsgeschwindigkeit der Verbindung gering ist. Proben der Zusammensetzung TI3IS waren erst nach 3^4-monatigem Tempern vollständig durch-reagiert. Sie wurde deshalb durch Röntgenanalyse von Proben, die von unterschiedlichen Temperatu-ren abgeschreckt worden waren, ermittelt und kann aus diesem Grunde nur auf ± 10 °C angegeben wer-den. Die exakten Zusammensetzungen der Verbin-dungen wurden durch Analyse mit der Mikrosonde ermittelt; das Analysenergebnis der Verbindung

Tab. I . Analysenergebnisse.

Verbindung T13IS Element Gew.-% (gef.) Gew.-% (ber.) T1 79,0 79,4 I 17,2 16,4 S 4,1 4,2 Total 100,3 100,0

Verbindung TI6I4S Element Gew.-% (gef.) Gew.-% (ber.) T1 69,1 69,4 I 28,6 28,8 S 1,6 1,8 Total 99,3 100,0

Tab. I I . Gitterkonstanten der Verbindungen TI6X4S.

TI6I4S wird stellvertretend für sämtliche aufgeführ-ten TlßXiS-Verbindungen angegeben (Tab. I).

Mischungsenthalpien im System Thalliumchlorid-Thalliumsulfid

Der flache Verlauf der Liquiduskurve im System TICI-TI2S (Abb. 1) läßt bereits die Tendenz zur Entmischung im flüssigen Zustand erkennen. Zur Verifizierung wurden die Mischungsenthalpien im flüssigen Zustand gemessen. Sie sind, wie erwartet, im gesamten Konzentrationsbereich endotherm. Das Maximum wurde bei der Zusammensetzung X T I 2 S = 6 0 ± 5 Mol-% mit H E = 2 , 5 ± 0 , 5 kJ/mol gefunden.

Diskussion In den bearbeiteten Systemen tri t t eine neue

Verbindungsklasse der Zusammensetzung TI6X4S (X = CI, Br, I) auf. Die Darstellung erfolgte durch Reaktion stöchiometrischer Mengen von Thallium-halogenid und Thalliumsulfid in evakuierten Quarz -ampullen mit nachfolgendem Tempern (2-6 Wochen) ca. 30 °C unterhalb ihrer Schmelz- bzw. Zersetzungs-temperatur. Die erhaltenen Produkte sind farbige kristalline Substanzen, wobei sich die Farbe von gelb-orange (TUCkS) über orange-rot (Tl6Br4S) bis rubinrot (TI6I4S) mit steigender Polarisierbarkeit des Halogens ändert. Weitere thermodynamische und röntgenographische Untersuchungen wurden mit Kristallen vorgenommen, die unter einem Stereomikroskop (Leitz) ausgelesen wurden.

Röntgenaufnahmen zeigten zunächst, daß sämt-liche Verbindungen der Klasse TI6X4S isotyp sind. Mit der Bridgeman-Technik konnten von der Ver-bindung TleBr4S Einkristalle erhalten werden, die zur Strukturaufklärung verwendbar waren. Aus Drehkristall-, Weißenberg- und Precession-Aufnah-men wurden die Auslöschungsbedingungen 0 k l : k + l = 2n und hhl :l = 2n ermittelt.

Formel-Ver- Kristall- Gitterkonstanten Raum- einheit/ A H m T m Farbe bindung system gruppe Elementar-

a [Ä] c[A] zelle [kJmol-i] [°C]

T16C14S tetragonal 8,433 ± 0,002 9,172 ±0,002 P4/mnc 2 - 410 (per) gelb-orange Tl6Br4S tetragonal 8,721 ±0 ,003 9,328 ±0 ,001 P4/mnc 2 - 444 (per) orangerot TI6I4S tetragonal 9,176 ±0 ,003 9,608 ±0 ,001 P4/mnc 2 11,1 440 rubinrot

Page 4: TlcXaS - ein neuer Chalkogenhalogenidtyp in Thalliumsulfid ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/36/ZNB-1981-36b-1500.pdf · TI6I4S tetragonal 9,176 ±0,003 9,608 ±0,001 P4/mnc 2 11,1

Diese Auslöschungsbedingungen sind für die Raumgruppen P4/mnc = D®v u n d P 4 n c = C®v charak-teristisch. Von den erhaltenen Verbindungen wurden FIR-Spektren aufgenommen, durch diese schwin-gungsspektroskopischen Ergebnisse konnte über das Aiternati w e r bot die Raumgruppe P4nc ausgeschlos-sen werden. Die in Tab. I I gegebenen Gitterkonstan-ten wurden mit Hilfe von Pul verdaten verfeinert. An-hand der bislang ermittelten röntgenographi sehen (identische Raumgruppe, Tendenz der Gitterkon-stanten) und spektroskopischen Daten (Abhängig-keit der Absorptionsfrequenzen vonHalogen-Substi-tution) vermuten wir, daß die Struktur im wesentli-chen vom Thalhumhalogenid-Gitter bestimmt wird und der Aufbau evtl. der von Brodersen et al. [12] erstmals anhand der Verbindung TUHgBre aufge-klärten Struktur der Thalliumhalogenomercurate TLiHgXe entspricht. Vermutlich besetzen T^S-Mole-küle die Plätze der HgBr2-Moleküle in der TLjHgBre-Struktur (cmta'-AiBXe-Typ). Die Hochtemperatur-phase TI3IS ist im Gegensatz zu den farbigen TI6X4S-Vertretern schwarz, sie konnte noch nicht in einkristalliner Form erhalten werden, aus Pul ver-daten wurden lediglich die Netzebenenabstände be-stimmt, die Intensitäten sind visuell abgeschätzt (Tab. III) .

Die Thalliumhalogenid-Thalhumsulfidsysteme unterscheiden sich wesentlich von den Silber-halogenid-Silbersulfidsystemen. Die in letzteren

Tab. t U . d-Werte von T13IS.

d-Wert [A] Intensität d-Wert [Ä] Intensität

4,82 schw. 1,93 m. 3,62 st. 1,84 m. 3,18 m. 1,64 schw. 2,92 s. st. 1,56 schw. 2,41 m.

s. st. = sehr stark, st. = stark, m. = mittel, schw. = schwach.

Systemen bevorzugte Verbindungsklasse Ag3XS wird in den Thalliumsystemen nur noch mit wesent-lich verminderter Stabilität im System TI2S-TII gefunden. Die Thalliumtellurid-Thalliumhalogenid-systeme sind im Unterschied zu den entsprechenden Silbersystemen völlig unmischbar [13]. Als neuer Verbindungstyp tri t t das T16X4S mit der T1X-Struktur als Basis auf. Dieser Befund erinnert an die Zinnhalogenid-Zinnchalkogenidsysteme, in de-nen ebenfalls zinnhalogenidreiche Verbindungen ge-funden wurden. Die Analogie zu den Zinnsystemen zeigt, daß das unterschiedliche Verhalten wahr-scheinlich auf den Einfluß des inerten s2-Paares am Tl+ zurückzuführen ist.

Wir danken dem Minister für Wissenschaft und Forschung und dem Fonds der Chemischen Industrie für großzügige Förderung.

[1] R. Blachnik und G. Kudermann, Z. Naturforsch. 28b, 1 (1973).

[2] R. Blachnik und F. W. Kasper, Z. Naturforsch. 29b, 159 (1974).

[3] A. V. Novoselova, I . N. Odin, V. A. Trifonov und B. A. Popovkin, Izv. Akad. Nauk SSSR, Neorg. Mater. 3, 2101 (1967).

[4] I. S. Chaus, Russ. J . Inorg. Chem. 22, 1262 (1977). [5] I. S. Chaus, Russ. J . Inorg. Chem. 24, 346 (1979). [6] B. Reuter, Z. Anorg. Allg. Chem. 271, 321 (1952).

[7] A. J . Majumdar und R. Roy, J . Phys. Chem. 69, 1684 (1964).

[8] K. Wade, in: Comprehensive Inorganic Chemistry, Pergamon Press, Oxford 1973.

[9] B. Gather, Dissertation TU Clausthal 1976. [10] A. Gäumann, Chimica 21, 421 (1967). [11] H. C. Brookes, J . Chem. Soc. Farad. Trans. I , 74,

2195 (1978). [12] K. Brodersen, G. Thiele und G. Görz, Z. Anorg.

Allg. Chem. 401, 217 (1973). [13] H. A. Dreisbach, Diplomarbeit Siegen 1981.