Tom Segev Es war einmal ein Palästina - · PDF fileUmschlaggestaltung: Jorge Schmidt,...

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  • Tom Segev

    Es war einmal ein PalstinaJuden und Araber vor der

    Staatsgrndung Israels

    Aus dem Amerikanischen von Doris Gerstner

    Pantheon

  • Verlagsgruppe Random House fsc-deu-0100Das fr dieses Buch verwendete fsc-zertifizierte

    Papier EOS liefert Salzer, St. Plten

    Der Pantheon Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH.

    2. Auflage

    1999 by Tom SegevCopyright der deutschsprachigen Ausgabe

    2005 by Siedler Verlag, Mnchen,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

    Umschlaggestaltung: Jorge Schmidt, Mnchen, nach einer Idee von Rothfos + Gabler, Hamburg

    Satz: Ditta Ahmadi, BerlinDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pneck

    Printed in GermanyISBN-10: 3-570-55009-5

    ISBN-13: 978-3-570-55009-0

    www.pantheon-verlag.de

    Die internationale Ausgabe erschien 2000 unter dem Titel One Palestine, Complete: Jews and Arabs Under the British Mandate

    bei Metropolitan Books, New York. Die deutsche Ausgabe wurde mit Zustimmung des Autors leicht gekrzt.

    SGS-COC-1940

  • Inhalt

    Einleitung: Bis wir uns wiedersehen 7

    ILLUSION(19171927) 19

    1Khalil as-Sakakini bekommt Besuch 212Ein Pakt mit dem Judentum 433Selbstbedienung 704Ego kontra Ego 975Zwischen Mohammed und Mr. Cohen 1136Nabi Musa 1920 1427Alles ruhig 1628Jaffa 1921 1889Kulturkmpfe 21810Jefim Gordin kommt nach Palstina 24311Ein neuer Mensch 27012Verhandlungen mit Freunden 293

  • TERROR(19281938) 321

    13Die Nerven Jerusalems 32314Hebron 1929 34315Frhstck in Chequers 35916Hamlet in Bir Zeit 37317Khalil as-Sakakini baut ein Haus 39118Made in Palestine 40819Die Sache mit dem Esel 43420Irland in Palstina 455

    ENTSCHEIDUNG(19391948) 485

    21Jagdsaison 48722Gebt mir ein Land ohne Kriege 51223Der letzte Salut 534

    Dank 573

    ANHANG 577

    Abkrzungen 579Anmerkungen 581Literaturauswahl 655Personenregister 661Abbildungen 671

    INHALT6

  • Einleitung: Bis wir uns wiedersehen

    Am Sdhang des Berges Zion, gleich neben den Ruinen des biblischenJerusalem, liegt ein kleiner, protestantischer Friedhof. Der Weg dahinfhrt vorbei an Pinien, Zypressen, Oliven- und Zitronenbumen und istgesumt mit rosa- und weiblhenden Oleanderbschen. Schlielichsteht man vor einem von Weinreben umrankten, schwarzen Eisentor.Etwa tausend Grber liegen verstreut auf dem terrassenfrmig angelegtenHgel, zum Teil versteckt unter roten Anemonen. Nicht weit entfernt,auf der Kuppe des Berges, befinden sich eine Sttte, die von Juden als dasGrab Knig Davids verehrt wird, sowie ein Saal, von dem Katholikenglauben, dass in ihm das letzte Abendmahl stattfand; in einer nahe gele-genen unterirdischen Kammer soll die Jesusmutter Maria ewige Ruhe ge-funden haben. Auch die Muslime verehren mehrere heilige Grabstttenauf dem Berg.

    Bischof Samuel Gobat weihte den Friedhof in den vierziger Jahrendes neunzehnten Jahrhunderts fr eine kleine Gemeinde von Mnnernund Frauen, die sich Jerusalem tief verbunden fhlten. Wenige von ihnenwaren hier geboren worden; die berwiegende Mehrheit war fremderHerkunft zugereist von fast berall auf der Welt von Amerika bis Neu-seeland. Die Grabsteine tragen englische, deutsche, hebrische, arabischeund altgriechische Inschriften; eine Inschrift ist polnisch.1

    Als die ersten Toten hier bestattet wurden, war Palstina eine ent-legene Region des Osmanischen Reiches ohne eigene Zentralregierungund mit nur wenigen verbindlichen Normen. Die Uhren tickten lang-sam das Tempo wurde bestimmt vom Schreiten des Kamels und denZgeln der Tradition. Dann begannen gegen Ende des Jahrhunderts ver-mehrt Fremde in das Land zu strmen, und es schien aus seiner levantini-schen Betubung zu erwachen. Muslime, Juden und Christen gleicherma-en fhlten sich vom Land Israel emotional angezogen. Manche bliebennur kurze Zeit, andere lieen sich fr immer nieder. In der von ihnen an-

  • gestoenen multikulturellen Revolution, die fast hundert Jahre andauerte,gingen Prophetentum und Wunschdenken, Unternehmertum, Pionier-geist und Abenteurertum eine magische Verbindung ein. Die Grenzezwischen Hirngespinst und Realitt war oft verschwommen. Es gabScharlatane und Exzentriker aller Nationalitten. Im Groen und Gan-zen zeichnete sich diese Periode jedoch durch Unternehmungsgeist undWagemut aus den Mut, etwas zum ersten Mal zu tun. Eine Zeit lang gaben sich die Neuankmmlinge dem berauschenden Wahn hin, alles seimglich.

    Ein Amerikaner fhrte 1908 das erste Automobil ein. Kreuz und querfuhr er damit durchs Land und sorgte berall fr Aufsehen. Ein hollndi-scher Journalist trumte davon, den Einwohnern Galilas Esperanto beizu-bringen. Ein jdischer Pdagoge aus Rumnien erffnete einen Kinder-garten in der kleinen zionistischen Siedlung Rischon le-Zion und warMitherausgeber der ersten hebrischen Kinderzeitung. Simcha Whitman,der auch den ersten Kiosk Tel Avivs betrieb, begann mit der Herstellungvon Speiseeis. Ein Mann namens Abba Cohen grndete eine Feuerwehr,und ein aus Berlin gebrtiger Unternehmer stellte die ersten Bienenst-cke auf. Ein ukrainischer Dirigent rief eine lokale Operngesellschaft insLeben, und ein Antwerpener Geschftsmann erffnete eine Diamant-schleiferei. Ein russischer Agronom, der in Zrich studiert hatte, pflanzteEukalyptusbume an, und ein Industrieller aus Wilna baute Barzelit, dieerste Nagelfabrik, auf. Der russische Arzt Dr. Arieh Leo Boehm schuf das Pasteur-Institut, und ein Mann namens Smiatitzki aus Polen ber-setzte Alice in Wonderland ins Hebrische.2 George Antonius, ein bekann-ter palstinensischer Araber, trumte von einer arabischen Universitt undbemhte sich bis dahin um finanzielle Untersttzung fr die Verffent-lichung eines arabischen technischen Wrterbuchs.3 Antonius stammteaus dem gyptischen Alexandrien. Andere der in Palstina lebenden Ara-ber kamen aus der Trkei, Marokko, Persien, Afghanistan sowie aus einem halben Dutzend anderer Lnder. Es gab auch ehemalige schwarzeSklaven, die von ihren Besitzern freigelassen worden waren oder fliehenkonnten.4

    Zehntausende von Menschen, berwiegend Juden, wanderten ausMittel- und Osteuropa ein, die meisten von ihnen unfreiwillig, als Flcht-linge vor Verfolgung oder Armut. Andere kamen als mutige Rebellen, dieunter dem Einfluss der zionistischen Ideologie nach einer neuen Identittsuchten. Der weibrtige Sozialist Aharon David Gordon, eine Art loka-

    EINLEITUNG: BIS WIR UNS WIEDERSEHEN8

  • ler Tolstoi, predigte Erlsung durch krperliche Arbeit und Rckkehr zurNatur in Galila. Er stammte aus der Ukraine und war einer der Grn-dungsvter des Arbeiterzionismus, jener politischen Bewegung, die denJuden zur Unabhngigkeit verhalf. Eine fanatische junge Frau ritt in ara-bischen Gewndern durch die galilischen Berge. Ihr Name war ManjaWilbuschewitz. Sie stammte aus Russland, wo sie sich unter groen inne-ren Qualen der kommunistischen Revolution verschrieben hatte. In Pals-tina gehrte sie zu den Mitbegrndern einer lndlichen Kommune, einerfrhen Form des Kibbuz, sowie zu den ersten Mitgliedern des ha-Schomer(Der Wchter), Vorlufer der israelischen Verteidigungsstreitkrfte.5

    Manche jdischen Einwanderer fingen in den gerade entstehenden zio-nistischen Drfern ein neues Leben an; andere entschlossen sich, an derMittelmeerkste eine neue Stadt zu grnden: Tel Aviv.

    Die Christen wiederum brachten die imperialen Bestrebungen ihrerHeimatlnder mit und lieen sich weitgehend in Jerusalem nieder. Undso entwickelte sich Palstina und insbesondere Jerusalem zu einem wah-ren Turm von Babel, wie der Kopf der zionistischen Bewegung, ChaimWeizmann, fand.6 Tatschlich bemhten sich alle Christen, die Stadt nachihren jeweiligen nationalen Vorbildern zu gestalten. Die russische Kirchesah mit ihren Zwiebeltrmen dem Kreml in Moskau hnlich; die Italienerbauten ein Krankenhaus und gleich daneben einen Turm wie den des Pa-lazzo Vecchio in Florenz. Auf dem Berg Zion errichteten die Deutscheneine Kirche, die dem Aachener Dom, der Krnungskirche Karls des Gro-en, nachempfunden war, whrend die deutsche Kolonie im Sdteil derStadt mit ihren schindelgedeckten, kleinen Steinhusern einem Schwarz-walddorf hnelte. Die Mitglieder dieser kleinen Gemeinde gehrten zumgrten Teil der Templer-Sekte an. Sonderbare Menschen sind in Pals-tina sicher, schrieb Estelle Blyth, die Tochter jenes Mannes, der die angli-kanische Kathedrale in Jerusalem errichten lie, die wiederum vom NewCollege in Oxford inspiriert war.7 Nicht weit davon lie sich ein Anwaltaus Chicago nieder. Mit den Anhngern seiner Sekte grndete er dieamerikanische Kolonie und trumte davon, Liebe, Mitgefhl und Friedenin der Welt zu verbreiten.8

    Die Grndungsvter der amerikanischen Kolonie sind ebenfalls aufBischof Gobats kleinem Friedhof beerdigt. Ganz in ihrer Nhe liegt derSohn jenes deutschen Bankiers, der die erste Eisenbahnverbindung zwi-schen Jaffa und Jerusalem finanzierte. Daneben befindet sich die letzteRuhesttte eines polnischen Arztes. Er erffnete in der Strae der Pro-

    EINLEITUNG: BIS WIR UNS WIEDERSEHEN 9

  • pheten das erste Kinderkrankenhaus. In genau derselben Strae lie Con-rad Schick, der neben dem Arzt begraben ist, die Gebude errichten, dieseinen Ruf als bedeutendster Architekt des modernen Jerusalem begrn-deten. In seiner Schweizer Heimat hatte Schick Kuckucksuhren herge-stellt. Etwas weiter oben liegt William Matthew Flinders Petrie begraben,ein Englnder, der von manchen als der Vater der modernen Archologieangesehen wird. Er arbeitete lange Zeit in gypten, fhrte aber auch Aus-grabungen in Palstina durch. Spter lie er sich in Jerusalem nieder, wo erim Alter von fast neunzig Jahren starb. Vor der Beerdigung lie die Witweden Kopf des Verstorbenen abtrennen, in Formaldehyd konservieren undin einer Holzkiste nach London schicken, wo man durch eine pathologi-sche Untersuchung dem Genie des Verstorbenen auf die Spur kommenwollte.*

    Auf dem protestantischen Friedhof sind auerdem die vielen Fremd