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Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baumgart Hochschule Darmstadt Massivbau University of Applied Sciences torsion.doc 18.05.16 Seite 1 Torsion 1. Einführung 1.1 Allgemeines Eine Torsionsbeanspruchung liegt dann vor, wenn sich der Querschnitt eines Balkens entlang seiner Schwerachse unterschiedlich stark verdreht. Das kann nur dann geschehen, wenn z.B. die Vertikalbelastung auf einen Balken nicht durch den Schubmittelpunkt geht. Je nach Querschnitt können Schubmittelpunkt (M) und Schwerpunkt (S) eines Querschnitts verschieden sein! Bild: Querschnitte Die Torsionsbelastung (Torsionsmoment) eines Querschnitts ergibt sich somit als Moment aus der Vertikalbelastung mal dem Hebelarm zum Schubmittelpunkt. Eine stabile Lagerung kann nur gewährleistet werden, wenn am Auflager zusätzlich eine Querschnittsverdrehung verhindert wird. Dies wird durch ein sog. Gabellager sichergestellt (siehe folgende Bilder). Bild: Torsionsbelastung eines Einfeldträgers unter Gleichstreckenlast Je nach der Geometrie des Querschnitts können infolge Torsion sowohl Schubspannungen als auch Längsspannungen entstehen. Wenn nur Schubspannungen existieren, dann spricht man von St. Venant´scher Torsion (reiner Torsion). Längsspannungen können nur entstehen, wenn eine freie Verformung in Längsrichtung nicht möglich ist, das ist die sog. Wölbkrafttorsion (Verwölbung = Verschiebung in Längsrichtung infolge Torsion). Bild: Stab mit übertrieben dargestellter Verwölbung

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Torsion

1. Einführung

1.1 Allgemeines Eine Torsionsbeanspruchung liegt dann vor, wenn sich der Querschnitt eines Balkens entlang seiner Schwerachse unterschiedlich stark verdreht. Das kann nur dann geschehen, wenn z.B. die Vertikalbelastung auf einen Balken nicht durch den Schubmittelpunkt geht. Je nach Querschnitt können Schubmittelpunkt (M) und Schwerpunkt (S) eines Querschnitts verschieden sein!

Bild: Querschnitte Die Torsionsbelastung (Torsionsmoment) eines Querschnitts ergibt sich somit als Moment aus der Vertikalbelastung mal dem Hebelarm zum Schubmittelpunkt. Eine stabile Lagerung kann nur gewährleistet werden, wenn am Auflager zusätzlich eine Querschnittsverdrehung verhindert wird. Dies wird durch ein sog. Gabellager sichergestellt (siehe folgende Bilder).

Bild: Torsionsbelastung eines Einfeldträgers unter Gleichstreckenlast Je nach der Geometrie des Querschnitts können infolge Torsion sowohl Schubspannungen als auch Längsspannungen entstehen. Wenn nur Schubspannungen existieren, dann spricht man von St. Venant´scher Torsion (reiner Torsion). Längsspannungen können nur entstehen, wenn eine freie Verformung in Längsrichtung nicht möglich ist, das ist die sog. Wölbkrafttorsion (Verwölbung = Verschiebung in Längsrichtung infolge Torsion).

Bild: Stab mit übertrieben dargestellter Verwölbung

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Als nahezu wölbfrei erweisen sich Kompaktquerschnitte wie z.B. Rechteckquerschnitte und geschlossenen Hohlquerschnitte, insbesondere wenn sie dickwandig sind.

Bild: Nahezu wölbfreie Querschnitte Offensichtlich nicht wölbfrei sind offene Querschnitte mit mindestens 2 Flanschen. Hier wird das Torsionsmoment hauptsächlich durch Wölbkräfte aufgenommen, da der Hebelarm bei der Kreisflusstorsion zu klein ist.

Bild: Profile mit Wölbkrafttorsion Wölbfrei sind Quadrat-, Kreis- und Kreisringquerschnitte, außerdem dünnwandige Querschnitte, die sich aus 2 Rechtecken zusammensetzen lassen. Die Zusammenhänge bei reiner Torsion können gemäß der technischen Mechanik folgendermaßen berechnet werden:

Änderung der Querschnittsverdrehung: T

Ed

IG

T

dx

d

´ (1.1)

Max. Schubspannung infolge Torsion: T

EdT W

T (1.2)

Die Querschnittswerte IT und WT können aus Tafelwerken entnommen werden.

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1.2 Torsion im Stahlbetonbau Die Aufnahme von Torsionsmomenten TEd ist nur dann nachzuweisen, wenn sie für das Gleichgewicht erforderlich ist (Gleichgewichtstorsion). Der Nachweis umfasst dann sowohl den Grenzzustand der Tragfähigkeit als auch den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit. Wenn Torsion in statisch unbestimmten Tragwerken nur zur Erfüllung der Verträglichkeitsbedingungen auftritt, dann spricht man von Verträglichkeitstorsion. In diesem Fall ist es im Allgemeinen nicht erforderlich, die Torsion im Grenzzustand der Tragfähigkeit zu berücksichtigen. Dies liegt hauptsächlich darin begründet, dass sich die Torsionssteifigkeit durch Rissbildung stark reduziert (um ca. 70%). Dafür ist dann eine konstruktive Bewehrung in Form von Bügeln und Längsbewehrung vorzusehen. Zur Vermeidung übermäßiger Rissbildung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit allerdings kann es erforderlich werden, die Torsion in die Nachweise mit einzubeziehen. Der Fall a im folgenden Bild zeigt ein solches Beispiel: Ohne Torsionsmoment (= gelenkige Lagerung) ist das Gleichgewicht nicht gefährdet, es ergibt sich nur eine etwas größere Durchbiegung der Decke. Im Fall b kann das Torsionsmoment offensichtlich auf keinen Fall entfallen, da dann der Kragarm einstürzen würde, d.h. hierbei handelt es sich um Gleichgewichtstorsion.

Bild: Gleichgewichts- und Verträglichkeitstorsion Da im Stahlbetonbau meist dickwandige Querschnitte verwendet werden, ist die Wölbbehinderung relativ klein. Die trotzdem noch auftretenden Längsspannungen infolge Wölbbehinderung werden durch die Rissbildung zusätzlich noch stark abgebaut. Da immer konstruktive Maßnahmen (z.B. Anordnung einer Mindestbewehrung) ergriffen werden, braucht die Wölbkrafttorsion in der Regel im Stahlbetonbau nicht rechnerisch nachgewiesen zu werden.

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Versuche mit bewehrten Stahlbetonbalken unter Torsion haben gezeigt, dass sich Vollquerschnitte wie Hohlquerschnitte verhalten, d.h. das Innere des Vollquerschnitts kann rechnerisch unberücksichtigt bleiben, da es kaum zur Tragwirkung beiträgt. Näherungsweise kann mit einem gedachten Hohlquerschnitt mit konstanter Schubspannungsverteilung gerechnet werden.

Bild: Schubspannungen vor und nach der Rissbildung Der Kraftfluss nach der Rissbildung kann analog zur Bemessung auf Querkraft mit Hilfe eines Fachwerks modelliert werden (Zugstreben durch Stahl, Druckstreben durch Beton). Allerdings ist in diesem Fall ein räumliches Fachwerk erforderlich, dessen Zug- und Druckstreben entsprechend den Hauptspannungen geneigt sein müssen:

Bild: Fachwerk für Torsion mit schrägen und vertikalen Zugstreben.

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Da gegenüberliegende schräge Zugstreben gegenläufig sind, wäre eine praktische Ausführung sehr umständlich. Deshalb werden die Zugkräfte in 2 Komponenten zerlegt, eine in Achsrichtung und eine senkrecht dazu. Diese Komponenten werden durch Längs- und Bügelbewehrung aufgenommen.

Bild: Bügel- und Längsbewehrung für die Zugstreben infolge Torsion Eine Seite des Hohlquerschnitts kann dann wie eine Wand betrachtet werden, die durch Querkräfte belastet ist: Man nennt sie deshalb Schubwand.

Bild: Ausbildung von Schubwänden bei Torsionsbelastung Die Bemessung der einzelnen Schubwände des gedachten Hohlquerschnitts erfolgt im Prinzip genauso wie die Bemessung auf Querkraft. Folgende Unterschiede sind zu beachten:

- Das Fachwerk ist räumlich, d.h. auch die horizontalen Bügelschenkel werden voll benötigt. Das bedeutet, dass die Bügel zugfest geschlossen werden müssen !

- Die Zugkräfte auf gegenüberliegenden Seiten sind entgegengerichtet, d.h. in Kombination mit Querkraft wird die Belastung einer Seite erhöht, die der anderen Seite vermindert !

- Da Zug- und Druckstreben wendelförmig um den Querschnitt herumlaufen, ist außer der Bügel- auch immer eine Längsbewehrung erforderlich, die in Kombination mit Biegung zur Biegezugbewehrung hinzuaddiert werden muss. In der Biegedruckzone kann die Torsionslängsbewehrung entsprechend reduziert werden.

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2 Nachweise für Torsion nach EC 2

2.1 Nachweis für reine Torsion Der Nachweis des Grenzzustandes der Tragfähigkeit erfolgt analog aller anderen Nachweise: Das infolge der Belastungen einwirkende Torsionsmoment muss kleiner oder gleich dem Bauteilwiderstand bleiben, der sich aus den Zug- und Druckstreben ergibt: Widerstand Druckstrebe: max,RdEd TT (2.1.1) Widerstand Zugstrebe: syRdEd TT , (2.1.2)

2.1.1 Herleitung der Bemessungsformeln Wie oben schon allgemein erläutert, wird die Torsionstragfähigkeit anhand eines räumlichen Fachwerkmodells ermittelt. Grundlage ist ein echter oder gedachter Hohlquerschnitt mit der Wandstärke tef. Die Mittellinie des Hohlquerschnitts geht durch die Schwerpunkte der Ecklängsbewehrung (vgl. Bild unten), wobei tef natürlich nicht größer als eine echte Wandstärke werden darf.

Bild: Querschnitt für Torsion Die folgenden geometrischen Größen werden definiert: Kernquerschnitt Ak = von der Mittellinie des Hohlquerschnitts umschlossenen Fläche Kernumfang uk = Länge aller Mittellinien Am Beispiel Rechteckquerschnitt (siehe Bild oben) ergibt sich: Kernquerschnitt: kkk dbA (2.1.3)

Kernumfang: )(2 kkk dbu (2.1.4)

Mit dem Torsionsmoment: 2

)(22

)(2 kkefEd

kkefEdEd

dbt

bdtT

folgt die Schubspannung: ef

Ed

efk

EdEd ttA

T

2

mit k

EdEd A

T

2

in kN/m (2.1.5)

Ed ist die Schubspannung, Ed ist der Schubfluss in den Schubwänden des

Querschnitts. Die Ermittlung von Schubfluss und Schubspannung gilt allgemein für alle Querschnitte mit den Querschnittsgrößen Ak und tef. Damit ergibt sich die Querkraft in einer vertikalen Wand des Rechteckquerschnitts zu:

kk

EdkEdEd d

A

TdV

2

. und damit allgemein ik

EdiEdiEd z

A

TzV

2, (2.1.6)

zi ist hierbei die Länge der Schubwand i, gemessen zwischen den Schwerpunkten der Eckstäbe.

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Für den Nachweis der Zug- und Druckstreben ist es ausreichend, das Krafteck eines Knotens in einer Schubwand zu betrachten:

Bild: Räumliches Fachwerkmodell und Krafteck in einer Schubwand Höhe einer Druckstrebe: cos ii zc (2.1.7)

Abzudeckende Schubkraft vertikal: iEdEdv zV (2.1.8)

Abzudeckende Schubkraft horizontal: cot iEdEdh zV (2.1.9)

Druckstrebenkraft: eficdcd tcF (2.1.10)

:0V mit (2.1.8)(2.1.10) sin cdEdv FV sin eficdiEd tcz

daraus folgt: cdefik

iEd

efi

iEdcd f

tzA

zT

tc

z

sincos2sin

Daraus ergibt sich der Querschnittswiderstand aufgrund der Druckstrebenfestigkeit (= das maximal aufnehmbare Torsionsmoment TRd):

)2sin(cossin2max, efkcdefkcdRd tAftAfT (2.1.11)

Dabei ist ν ein Abminderungsbeiwert für die Betonfestigkeit bei Schubrissen: ν = 0,525 für Torsion allgemein ν = 0,675 für Querkraft ν = 0,75 für Kastenquerschnitte mit Bewehrung an den Innen- und Außenseiten der Wände Ab C55/67 sind die Werte mit ν2 = (1,1 – fck/500) zu multiplizieren. Empfohlener Wert nach EC 2: )2500,1(6,0 ckf

Bei einem idealisierten Hohlkasten liegt die Bügelbewehrung an den Wandaußenseiten, wodurch eine ungleichmäßige Spannungsverteilung entsteht, da die Druckstrebe exzentrisch zur Zugstrebe verläuft. Die ausnutzbare Betondruckspannung ist deshalb gegenüber der Querkraftbemessung auf ca. 70 % reduziert. Dagegen kann sich die Druckkraft bei echten Hohlkastenkonstruktionen zentrisch in eine beidseitig angeordnete Bügelbewehrung einhängen und darf dann höher belastet werden.

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Abzudeckende Schubkraft vertikal: iEdEdv zV (2.1.8)

Abzudeckende Schubkraft horizontal: cot iEdEdh zV

(2.1.9)

Stahlzugkraft horizontal: iydslsld zfaF (2.1.12)

Stahlzugkraft vertikal: )cot( iydswswd zfaF (2.1.13)

Berechnung des Querschnittswiderstandes infolge Stahlversagen: 1) Berechnung mit der Bügelbewehrung: mit (2.1.8)(2.1.13) und (2.1.6)

:0V swdEdv FV )cot( iydswiEd zfaz cot2

iydswi

k

Ed zfazA

T

daraus folgt: cot2, swydksyRd afAT (2.1.14)

Bemessung: cot2

ydk

Edsw fA

Ta cm²/m je Schubwand (2.1.15)

2) Berechnung mit der Längsbewehrung mit (2.1.9)(2.1.12) und (2.1.6)

:0H sldEdh FV iydsliEd zfaz cot iydslik

Ed zfazA

T

cot

2

daraus folgt: tan2, slydksyRd afAT (2.1.16)

Bemessung: tan2

ydk

Edsl fA

Ta cm²/m Umfang uk (2.1.17)

Gesamtlängsbewehrung auf uk : kslsl uaA (2.1.18)

Durch gleichsetzen der beiden Lösungen für TRd,sy ergibt sich: 2cot swsl aa (2.1.19)

Wie man sieht ist für einen Druckstrebenneigungswinkel von 45° die Längsbewehrung gleich der Bügelbewehrung.

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Der Druckstrebenneigungswinkel ist genau wie bei der Bemessung auf Querkraft auf einen bestimmten Bereich zu begrenzen. Hierbei sind nur die Querschnittsbreite bw und der innere Hebelarm z durch die Breite und die Länge der Schubwand zu ersetzen:

kVV

f

EdccRd

cdcd

,1

4,12,1cot0,1

(2.1.20)

k = 3,0 für Normalbeton, d.h. 454,18 (Empfehlung EC 2: k = 2,5) Bei geneigter Querkraftbewehrung darf cotθ bis 0,58 (60°) ausgenutzt werden. Der Betontraganteil VRd,cc in der Schubwand wird analog zur Querkraft wie folgt berechnet:

iefcd

cdckccRd zt

ffcV

2,1148,0 31

, (2.1.21)

5,0c Rauigkeitsbeiwert für die Querkraftübertragung in verzahnten Fugen.

c

Edcd A

N Betonlängsspannung im Schwerpunkt des Querschnitts

EdN Bemessungswert der Längskraft des Querschnitts infolge äußeren

Einwirkungen oder Vorspannung (Druck > 0). Die Querkraft VEd ist hierbei die Querkraft in einer Schubwand nach 2.1.6.

2.1.2 Effektive Wanddicke bei Hohlkästen Bei Hohlkästen mit Wanddicken hw ≤ b/6 bzw. hw ≤ h/6 und beidseitiger Wandbewehrung darf die gesamte Wanddicke für tef,i angesetzt werden.

Schlanker Hohlkasten gedrungener Hohlkasten

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2.1.3 Zusammengesetzte Querschnitte Querschnitte von komplexer Form wie z.B. T-Querschnitte können in Teilquerschnitte (meist Rechtecke) aufgeteilt werden. Die Gesamttorsionstragfähigkeit berechnet sich dann aus der Summe der Tragfähigkeit der Einzelelemente. Praktisch bedeutet dies, dass das angreifende Torsionsmoment auf die einzelnen Teilquerschnitte verteilt wird, die dann getrennt nachgewiesen werden können. Die Aufteilung darf im Verhältnis der Steifigkeiten des ungerissenen Zustandes erfolgen:

iT

iTEdiEd I

ITT

,

,,

Bild: Aufteilung des Schubflusses in Einzelschubflüsse

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2.2 Nachweis für kombinierte Beanspruchung aus Querkraft und Torsion Der Nachweis für eine kombinierte Beanspruchung aus Querkraft und Torsion erfolgt ebenfalls wie bei reiner Torsion für die ungünstigste Schubwand des Hohlquerschnitts. Die in der Schubwand wirkende Querkraft setzt sich jetzt aus 2 Anteilen zusammen:

w

efEdi

k

EdVEdTEdVTEd b

tVz

A

TVVV

2,,, (2.2.1)

Mit dieser Querkraft ist eine Bemessung durchzuführen, die ermittelte Bewehrung ist zu der Bewehrung aus der Querkraftbemessung zu addieren. Der gewählte Druckstrebenneigungswinkel gilt sowohl für den Nachweis der Querkraft wie auch für den Nachweis der Torsion. Der Nachweis der Druckstrebentragfähigkeit erfolgt für jeden Teilquerschnitt wie folgt: Für Kompaktquerschnitte:

1

2

max,

2

max,

Rd

Ed

Rd

Ed

V

V

T

T (2.2.2)

Für Kastenquerschnitte:

1max,max,

Rd

Ed

Rd

Ed

V

V

T

T (2.2.3)

Für die Querkraftbeanspruchung steht die gesamte Stegbreite bw zur Verfügung, dagegen dürfen die Torsionsdruckspannungen lediglich im Randbereich tef angesetzt werden. Damit verbleiben bei den Kompaktquerschnitten Umlagerungsmöglichkeiten, die die Interaktions-gleichung für Kompaktquerschnitte ausnutzt. Diese Umlagerungsmöglichkeiten sind bei Hohlkastenquerschnitten nicht mehr gegeben, da die Druckspannungen infolge Torsion und Querkraft gemeinsam in dem Wandquerschnitt wirken. Aus diesem Grund ist die zweite Interaktionsgleichung konservativer aufgebaut. Vereinfachungsmöglichkeit: Die Bewehrung für Torsion allein kann mit einem Druckstrebenneigungswinkel von 45° ermittelt werden und muss dann wie gehabt zur ermittelten Querkraftbewehrung aufaddiert werden.

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2.3 Entfall der Bemessung für Querkraft und Torsion Für einen näherungsweise rechteckigen Vollquerschnitt ist nur die Mindestbewehrung erforderlich, wenn die folgende Bedingung eingehalten ist:

1,,

cRd

Ed

cRd

Ed

V

V

T

T (EC2 6.31) (2.3.3)

cRdT , Das Torsionsrissmoment, das mit ctdit f, berechnet werden darf, d.h.

ctdtcRd fWT ,

cctkctctd ff 05,0; Bemessungswert der Betonzugfestigkeit (αct = 0,85)

Ergänzung durch den NA: Bei geringer Torsions- bzw. geringer Querkraft+Torsions-Beanspruchung darf unter gewissen Umständen bei einem näherungsweisen rechteckigen Querschnitt auf einen rechnerischen Nachweis der Bewehrung verzichtet werden. Dazu ist sicher zu stellen, dass im ungerissenen Querschnitt (Zustand I) die näherungsweise ermittelten Schubspannungen

infolge Torsion mit zbT wEdT 2/5.4 nicht größer werden als die Schubspannungen

infolge Querkraft mit zbV wEdV / und bei kombinierter Beanspruchung infolge

Torsion+Querkraft darf es nicht zu einem Versagen infolge Schrägrissbildung ( cRdV , )

kommen. Deshalb sollte neben dem Einbau der Mindestbewehrung der Nachweis auf Querkraft und Torsion geführt werden, wenn die folgenden beiden Bedingungen nicht eingehalten sind:

Für Torsion: 5,4

wEdEd

bVT

(EC2 NA.6.31.1) (2.3.1)

Für Querkraft + Torsion: cRdwEd

EdEd V

bV

TV ,

5,41

(EC2 NA.6.31.2) (2.3.2)

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2.4 Konstruktive Anforderungen Die Torsionsbewehrung ist in Form eines rechtwinkligen Bewehrungsnetzes aus Bügeln und Längsstäben auszuführen. Die Bügel sind hierbei zugfest zu schließen. Der Längsabstand der Bügel muss den Anforderungen für die Querkraftbewehrung genügen (vgl. Kap. Querkraft). Zusätzlich darf der Längsabstand der Torsionsbügel den Wert uk/8 nicht überschreiten. Die Längsstäbe sollten gleichmäßig über den Umfang innerhalb der Bügel verteilt werden, wobei in jedem Knickpunkt der Bügel mindestens ein Längsstab vorhanden sein muss. Der Abstand der Längsstäbe darf 35 cm nicht überschreiten.

Höchstabstände: 8k

w

us bzw. Vww ss , cmsl 35 (2.4.1)

Bild: Beispiele für eine Torsionsbewehrung Bei Verträglichkeitstorsion darf im Grenzzustand der Tragfähigkeit auf einen rechnerischen Nachweis der Torsionsbeanspruchung verzichtet werden. Hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit, insbesondere um eine übermäßige Rissbildung zu vermeiden und eine angemessene Robustheit zu gewährleisten, sollte eine konstruktive Bewehrung in Form von geschlossenen Bügeln und einer über den Umfang verteilen Längsbewehrung vorgesehen werden. Diese Forderung ist als Anwendungsregel gekennzeichnet. Das heißt, es darf davon abgewichen werden, es ist jedoch eine vom Prinzip gleichwertige Lösung zu gewährleisten. Die in diesem Kapitel beschriebenen konstruktiven Regeln sollten jedoch als Mindestgrundlage zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit auch bei nicht nachzuweisender Verträglichkeitstorsion angewendet werden.