Tourismus in Nordkorea

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  Hintergrund: Nordkorea Nr. 13 / März 2015 | 1 Tourismus in Nordkorea Lars-André Richter und Rainer Rippe Eine Reise nach Nordkorea? Das mag zunächst exotisch klingen. Zu häufig ist das Land internatio- nal in den Negativschlagzeilen. Von konsequenter Selbstisolation kann dabei längst keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Die Führung in Pjöngjang hat den Tourismus längst als Devisenquelle erkannt. Eine Million Touristen pro Jahr will sie ins Land locken. Das klingt verwegen. Der Ansatz ist dennoch bemerkenswert. Seit Ende Oktober letzten Jahres mussten Reisende nach Nordkorea drei Wochen Quarantäne auf sich nehmen, bevor sie sich im Land bewegen durften. Der Grund: die Angst vor einem Ausbruch des Ebola-  Virus. Dadurch kam der Tourismus monatelang zum Erliegen. Eigentlich wollte die Führung in Pjöngjang in der laufenden Wintersaison Touristen aus dem Ausland in das erst zur Jahreswende 2013/14 neueröffnete Skigebiet Masikryong locken. Durch die Abschot- tung blieb den wenigen, die gekommen wären, die Einreise faktisch verwehrt, obwohl es keinen einzi- gen Ebola-Fall in Ostasien gab und die Weltgesundheitsorganisation die Reisebeschränkungen für übertrieben hielt. Hintergrund: Nordkorea Nr. 13 / 04. März 2015 Die Skyline der Hauptstadt Pjöngjang

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Eine Reise nach Nordkorea? Das mag zunächst exotisch klingen. Zu häufig ist das Land international in den Negativschlagzeilen. Von konsequenter Selbstisolation kann dabei längst keine Rede mehr sein. Im Gegenteil: Die Führung in Pjöngjang hat den Tourismus längst als Devisenquelle erkannt. Eine Million Touristen pro Jahr will sie ins Land locken. Das klingt verwegen. Der Ansatz ist dennoch bemerkenswert.

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  • Hintergrund: Nordkorea Nr. 13 / Mrz 2015 | 1

    Tourismus in Nordkorea

    Lars-Andr Richter und Rainer Rippe

    Eine Reise nach Nordkorea? Das mag zunchst exotisch klingen. Zu hufig ist das Land internatio-

    nal in den Negativschlagzeilen. Von konsequenter Selbstisolation kann dabei lngst keine Rede

    mehr sein. Im Gegenteil: Die Fhrung in Pjngjang hat den Tourismus lngst als Devisenquelle

    erkannt. Eine Million Touristen pro Jahr will sie ins Land locken. Das klingt verwegen. Der Ansatz

    ist dennoch bemerkenswert.

    Seit Ende Oktober letzten Jahres mussten Reisende nach Nordkorea drei Wochen Quarantne auf sich

    nehmen, bevor sie sich im Land bewegen durften. Der Grund: die Angst vor einem Ausbruch des Ebola-

    Virus. Dadurch kam der Tourismus monatelang zum Erliegen.

    Eigentlich wollte die Fhrung in Pjngjang in der laufenden Wintersaison Touristen aus dem Ausland

    in das erst zur Jahreswende 2013/14 neuerffnete Skigebiet Masikryong locken. Durch die Abschot-

    tung blieb den wenigen, die gekommen wren, die Einreise faktisch verwehrt, obwohl es keinen einzi-

    gen Ebola-Fall in Ostasien gab und die Weltgesundheitsorganisation die Reisebeschrnkungen fr

    bertrieben hielt.

    Hintergrund:

    Nordkorea

    Nr. 13 / 04. Mrz 2015

    Die Skyline der Hauptstadt Pjngjang

  • Hintergrund: Nordkorea Nr. 13 / Mrz 2015 | 2

    Auf festgelegten Routen

    Erst seit 1984 ist es berhaupt mglich, die Demokratische Volksrepublik Korea, so der offizielle Na-

    men des Landes, als gewhnlicher Tourist zu bereisen, wenn auch in stndiger Begleitung staatlich-

    offizieller Reiseleiter und auf festgelegten

    Routen. Fotografieren und der Kontakt zu

    Einheimischen sind nur eingeschrnkt

    mglich. 2012 kamen Schtzungen zufolge

    przise Zahlen liegen nicht vor lediglich 4.000 Touristen aus Europa und Amerika

    sowie rund 20.000 aus China. Zum Ver-

    leich: Im selben Jahr zhlte Sdkorea gut

    11 Millionen Besucher.

    Was motiviert sie? Die Chinesen machen

    eher Stippvisiten, bleiben hufig nur zwei

    Tage oder krzer. Laut Lim Eul-chul vom

    Institute for Far Eastern Studies (IFES) in

    Seoul kommen sie vor allem aus nostalgi-

    schen Grnden. Das heutige Nordkorea

    nmlich habe groe hnlichkeit mit dem sozialistischen China vor zwanzig oder dreiig Jahren. Im Falle der Europer und Amerikaner hingegen spiele Neugier auf den letzten sozialistischen Staat und die am strksten abgeschottete Nation der Welt die entscheidende Rolle.1

    Auch in entlegene Gegenden des Landes

    Inzwischen hat sich die

    Zahl der Touristen aus Chi-

    na auf beinahe 100.000

    und die aus westlichen

    Lndern auf knapp 6.000

    erhht. Dieser Anstieg hatte

    bei Reiseveranstaltern, die

    auf Nordkorea spezialisiert

    sind, Hoffnungen geweckt,

    die Zahl ihrer Kundschaft

    weiter zu erhhen. Welche

    Folgen der viermonatige

    Reisebann fr sie hat bleibt

    abzuwarten, aber viele In-

    teressenten haben zwi-

    schenzeitlich andere Reise-

    plne geschmiedet, so dass

    sie mit Einbuen rechnen

    mssen.

    1 Auf einer Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit und des Institute for Far Eastern Stu-

    dies am 11. Juni 2014 in Seoul. http://ifes.kyungnam.ac.kr/eng/EVT/EVT_0101V.aspx?code=EVT140522_0001

    Eine Maschine der Nordkoreanischen Fluggesellschaft Air Kroyo am

    Flughafen von Pjngjang

    U-Bahnstation in Pjngjang

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    Das Leben der Nordkoreaner. Eine Siedlung und die angrenzende Obstplantage.

    Von den mittlerweile zahlreichen Anbietern von Nordkoreareisen haben sich einige in Beijing nieder-

    gelassen, da man meist von dort aus nach Nordkorea reist, z. B. das bereits 1993 von Briten gegrnde-

    te Koryo Tours. Young Pioneer Tours, ebenfalls mit Sitz in der chinesischen Hauptstadt, hat seit 2008

    Reiselnder im Angebot, in die, so der Slogan, deine Mutter dich lieber nicht fahren lassen wrde.2 Beide Unternehmen bringen Touristen auch in entlegene Gegenden Nordkoreas, z. B. nach Nord-

    Hamgyong, die rmste Provinz des Landes. Dass man Touristen einfach Zugang zu dieser Provinz ge-whrt, trotz der damit verbundenen Herausforderungen, zeigt ein Verstndnis fr die Vorteile, die Tou-

    rismus mit sich bringen kann, so Young Pioneers Geschftsfhrer Gareth Johnson und Nordkorea-Manager Troy Collings.

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    Sonderwirtschaftszonen fr Tourismus

    Als im Mrz letzten Jahres die neue Oberste Volksversammlung, das nordkoreanische Scheinparlament, zu ihrer ersten Sitzung zu-

    sammenkam und der Staatshaushalt abgeseg-

    net wurde, tauchte darin erstmals ein Posten

    mit der Bezeichnung Einnahmen aus Sonder-wirtschaftszonen auf. Dieses Novum lsst vermuten, dass Pjngjang von den Zonen wich-

    tige Impulse fr die wirtschaftliche Gesamt-

    entwicklung erwartet.4 Folgerichtig wurde die

    Anzahl der Sonderwirtschaftszonen in den

    letzten beiden Jahren erhht, auf mittlerweile

    ber zwanzig. Die meisten befinden sich aller-

    dings noch in der Planungsphase.

    2 Einwchige Gruppenreisen gibt es ab 845 Euro (www.youngpioneertours.com). Bei anderen Anbietern zahlt man allerdings durchaus auch das Doppelte. 3 Auf einer Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit und des Institute for Far Eastern Stu-dies am 11. Juni 2014 in Seoul. http://ifes.kyungnam.ac.kr/eng/EVT/EVT_0101V.aspx?code=EVT140522_0001 4 Die Erwartungen lassen sich nicht genau beziffern. Offizielle Budgetzahlen werden schon seit langem nicht mehr verffentlicht.

    Grab des Knigs Kongmin in Kaesong

  • Hintergrund: Nordkorea Nr. 13 / Mrz 2015 | 4

    Zu den vier schon vor lngerer Zeit eingerichteten Zonen gehrt die Touristenregion Kumgang-san, zu

    Deutsch: Diamantgebirge. Ihre Existenz verdankt sie dem Grnder des sdkoreanischen Hyundai-

    Konzerns, der 1915 auf dem Gebiet des heutigen Nordkorea geboren wurde. 1998 verstndigte er sich

    mit dem damaligen nordkoreanischen Fhrer Kim Jong-il darauf, dass Hyundai fr fnfzig Jahre das

    Monopol auf alle grenzberschreitenden Reisen von Sdkorea aus erhlt. Die Reisen begannen in der

    Zeit der Sonnenscheinpolitik, der Phase der wesentlich mit dem damaligen sdkoreanischen Prsi-denten Kim Dae-jung verbundenen koreanisch-koreanischen Annherung.

    Grenzbertritt fr Sdkoreaner

    Zwischen 1998 und 2008 besuchten knapp zwei Millionen Sdkoreaner und rund 13.000 Auslnder

    das unmittelbar nrdlich der innerkoreanischen Grenze gelegene Gebirge. Zunchst wurde ausschlie-

    lich per Schiff gereist. Wegen der hohen Kosten blieben die Touristenzahlen allerdings hinter den in

    Pjngjang gehegten Erwartungen zurck.5 2003 einigten sich Nord- und Sdkorea darauf, die Touris-

    ten auf dem Landweg ins Diamantgebirge zu bringen eine militrisch hochbrisante Angelegenheit. Dennoch: Ab Mrz 2008 konnten Sdkoreaner sogar mit dem eigenen Wagen ins Diamantgebirge fah-

    ren.

    Im Juli desselben Jah-

    res kam es zu einem

    tdlichen Zwischen-

    fall, eine sdkoreani-

    sche Touristin wurde

    von einem nordkorea-

    nischen Soldaten un-

    ter noch ungeklrten

    Umstnden erschos-

    sen. Sdkoreanern ist

    es seither nicht mehr

    mglich, nach Nord-

    korea zu reisen. Nur

    fr ein Jahr konnten

    sie die historischen

    Sttten in und um

    Kaesong besuchen.

    Von der 300.000 Ein-

    wohner-Stadt nrd-

    lich der innerkoreanischen Grenze ist nur noch die gleichnamige Sonderwirtschaftszone zugngig,

    allerdings ausschlielich fr dort ttige sdkoreanische Firmenmitarbeiter.

    5 Das Hyundai-Tochterunternehmen Asan hatte fr den Zugang um Diamantgebirge zunchst einen monatli-

    chen Pauschalbetrag von zwlf Millionen US-Dollar zu zahlen. Spter vereinbarte man einen Pro-Kopf-Betrag von einhundert Dollar. Nordkorea erhielt Einnahmegarantien in Hhe von 942 Millionen Dollar fr die Zeit bis 2005, zuzglich 308 Millionen fr die Erschlieungsrechte. Die sdkoreanische Regierung subventi-onierte die Reisen schlielich mit bis zu siebzig Prozent, um die Verluste von Hyundai-Asan zu kompensie-ren das politische Interesse an dem Projekt war gewaltig.

    Panmunjom. Die gemeinsame Sicherheitszone ist in der Demilitarisierten Zone (DMZ) gelegen.

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    Erster Schritt in Richtung Wirtschaftsreformen und ffnung

    Internationale Touristen hingegen knnen mittlerweile beinah alle Provinzen bereisen, nicht nur die

    Hauptstadt Pjngjang. Dort scheint man den Nutzen des Tourismus fr die Entwicklung auch der lnd-

    lichen Regionen erkannt zu haben. Lim Eul-

    chul hlt die Tatsache, dass Nordkorea einen

    Schwerpunkt auf die Entwicklung des Tou-

    rismus legt, fr einen ersten Schritt in Richtung Wirtschaftsreformen und ff-

    nung6.

    Eines der groen geplanten Infrastruktur-

    projekte ist die 2013 beschlossene Um-

    wandlung des Militrflughafens von

    Wonsan in einen internationalen Zivilflug-

    hafen. Nicht nur die an einem durchaus

    reizvollen Kstenabschnitt des Japanischen

    Meers gelegene Hafenstadt knnte dadurch

    Sommergste anlocken. Auch das Skigebiet

    Masikryong ist von Wonsan aus schnell erreichbar. Und rund 150 km sdlich liegt das Diamantgebirge.

    Acht Milliarden US-Dollar Investitionen

    Wonsan wurde im vergangenen Jahr zur Tourismus-Sonderwirtschaftszone ernannt. Die Schwerin-

    dustrie mit ihren veralteten Fabrikanlagen soll verschwinden. Der Umwelt drfte es guttun. Pjngjang

    beabsichtigt, Wonsan und das Diamantge-

    birge zu einer gemeinsamen Tourismuszo-

    ne zu verbinden. Eine Million auslndische

    Gste sollen pro Jahr angelockt werden. In

    den kommenden zehn Jahren sollen acht

    Milliarden US-Dollar investiert werden,

    unter anderem in die Modernisierung der

    Strae, die das Gebirge mit der Hafenstadt

    verbindet. Davon drften nicht nur ausln-

    dische Touristen, sondern auch die regio-

    nale Wirtschaft profitieren.

    Der Tourismus hat lngst auch Spuren in

    der nationalen Gesetzgebung hinterlassen.

    Fr die Tourismus-Sonderwirtschaftszonen

    gelten eigene Regeln. Auslndische Investitionen sollen erleichert werden, privates unternehmerisches

    Engagement ist erlaubt, anders als auerhalb der Zonen wo es freilich mittlerweile zumindest ge-duldet wird.

    6 Auf einer Konferenz der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit und des Institute for Far Eastern Stu-dies am 11. Juni 2014 in Seoul. http://ifes.kyungnam.ac.kr/eng/EVT/EVT_0101V.aspx?code=EVT140522_0001

    Wasserpark in Pjngjang

    Bahnhof in Pjngjang

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    Visumsfreier Zugang ins Dreilndereck

    Aber auch an der nrdlichen Grenze tut sich einiges: China plant eine internationale Tourismuszone in

    der Provinz Jilin im Grenzgebiet zu Nordkorea und Russland. Besucher sollen ohne Visum Zugang ins

    Dreilndereck erhalten und dort zollfrei einkaufen knnen. Langfristig soll die Zone auch aus Sdko-

    rea, Japan und der Mongolei per Auto, Bahn oder Flugzeug erreichbar sein.

    Kim Jong-un, Nordkoreas oberster Fhrer, setzt in vielen seiner

    ffentlichen Verlautbarungen auf eine nachhaltige Strkung

    der Volkswirtschaft. Tourismus ist dabei ein Baustein. Das

    Zeitalter des Massentourismus steht natrlich nicht unmittel-

    bar bevor. Nordkorea ist eben auch ein Land, das es immer

    wieder in die Negativschlagzeiten schafft. Einparteien-

    Herrschaft, Personenkult, Atomprogramm, Energieknappheit,

    natrlich der Menschrechtsbericht der Vereinten Nationen,

    vorgelegt im Februar vergangenen Jahres7 kaum jemand, der

    das nicht vor Augen htte.

    Tourismus bringt Vernderung

    Andererseits hat der Tourismus Nordkorea bereits ein Stck

    weit aus seiner Selbstisolation herausgeholt. Er hat Ablufe

    und Verhaltensmuster verndert. Wer in der Tourismusbrache

    ttig ist und permanent mit Auslndern in Berhrung kommt,

    braucht Kenntnisse in Betriebswirtschaft und Marketing, muss

    neue Sprachen lernen und interkulturelle Kompetenzen erwer-

    ben. All das hat Konsequenzen fr das Bildungswesen.

    Touristen selbst knnen dem offiziell vermittelten Bild ber Auslnder durch entsprechendes Verhalten

    viel entgegensetzen. Auerdem stellen sie durch schiere Prsenz etwas dar, das nach wie vor nicht zu

    unterschtzen ist: ein mobiles Schaufenster der Auenwelt.

    Dr. Lars-Andr Richter ist Leiter des Bros Korea der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit.

    Rainer Rippe ist ist fr Nordkorea zustndiger Senior Program Officer im Bro Korea der FNF.

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)

    Bereich Internationale Politik

    Referat fr Querschnittsaufgaben

    Karl-Marx-Strae 2

    14482 Potsdam

    7http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/CoIDPRK/Pages/CommissionInquiryonHRinDPRK.aspx

    Wiedervereinigungsdenkmal in Pjngjang