Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

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Horst Gischer, Peter Reichling, Thomas Spengler, Alois Wenig (Hrsg.) Transformation in der Ökonomie

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Horst Gischer, Peter Reichling, Thomas Spengler, Alois Wenig (Hrsg.)

Transformation in der Ökonomie

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GABLER EDITION WISSENSCHAFT

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Horst Gischer, Peter Reichling, Thomas Spengler, Alois Wenig (Hrsg.)

Transformation in der ÖkonomieFestschrift für Gerhard Schwödiauer zum 65. Geburtstag

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Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Claudia Jeske

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Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/MainGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-8349-1058-5

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Prof. Dr. Dr. h. c. Gerhard Schwödiauer

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Inhaltsverzeichnis

Teil I Zu diesem Band und zur Person Gerhard Schwödiauers

Horst Gischer, Peter Reichling, Thomas Spengler und Alois Wenig Wandel und Anpassungsverhalten .................................................................................... 3

Alois Wenig Zum Lebenslauf von Gerhard Schwödiauer...................................................................... 9

Helmut Steiner Gerhard Schwödiauer und das Deutsche MBA-Programm Moskau............................... 15

Teil II Arbeitsmarkt und Qualifizierung

Benjamin Bental and Dominique Demougin Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power................................................. 19

Stefan Felder Optimal Tax Deductions for Educational Expenses........................................................ 33

Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg Flexicurity Capitalism..................................................................................................... 45

Horst Gischer und Thomas Spengler Personalplanung bei demographischem Wandel: Einzel- und gesamtwirtschaftliche Aspekte ........................................................................................................................... 67

Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel and Sebastian Wenzke Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison ......................... 91

Leonid Tovazhnyanskyy, Sergii Arkhiiereiev, Peter Pererva, Elena Reshetnyak and Tatiana Ryabova The Role of University Economic Education in the Transformational Process in Ukraine ..................................................................................................................... 113

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VIII Inhaltsverzeichnis

Teil III Ökonomisches Verhalten und Verhalten von Ökonomen

Alois Wenig Optimizing Trust........................................................................................................... 129

Violeta Matovi und Andreas Wörgötter Was könnte Terrorismus mit Ökonomie zu tun haben? ................................................ 145

J. Philipp Reiß und Abdolkarim Sadrieh Ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens......................................................... 159

Ludwig von Auer Gestaltungspolitik oder Kuhhandel? Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik ..................................................................................................... 189

Jeannette Brosig, Timo Heinrich, Thomas Riechmann, Ronnie Schöb und Joachim Weimann Was macht Ökonomen „anders“? Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln .................................................................................................... 201

Teil IV Kapitalmärkte und Investitionskalkül

Peter Reichling, Mirela Stefanova and Bodo Vogt Return Patterns on the Bulgarian Stock Market............................................................ 221

Alfred Luhmer, Barbara Schöndube-Pirchegger und Jens Robert Schöndube Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung ................................ 239

Elena Moskalenko and Peter Reichling “Sell in May and Go Away” on the Russian Stock Market .......................................... 257

Karl-Heinz Paqué Zins, Zeit und Zukunft – Zu Ökonomie und Ethik globaler Klimamodelle.................. 269

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Inhaltsverzeichnis IX

Teil V Operations Research, Organisation und Information

Heike Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg – Eine Fallstudie ........................................................................................ 289

Horst Albach Zerrissene Netze und produktive Netzwerke ................................................................ 311

Oleg D. Prozenko Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten ............ 329

Anne Chwolka und Matthias Raith Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess......................................................................................................... 347

Ausgewählte Schriften von Gerhard Schwödiauer ....................................................... 371

Die Autoren................................................................................................................... 375

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Teil I

Zu diesem Band und zur Person Gerhard Schwödiauers

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Horst Gischer, Peter Reichling, Thomas Spengler und Alois Wenig

Wandel und Anpassungsverhalten

Eine wesentliche Eigenschaft (hoch) entwickelter Marktwirtschaften ist ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Flexibilität. Angetrieben durch bedürfnisorientierte Konsumentensouverä-nität und innovative Pionierunternehmer ändern sich die verfügbaren Produkte und Dienstleistungen ebenso kontinuierlich wie die Zahl oder die Struktur der Marktteilneh-mer. Wettbewerblich organisierte Ökonomien zeichnen sich mithin durch Wandel einer-seits und korrespondierendes Anpassungsverhalten andererseits aus. Der jeweilige Blick auf die temporären Gegebenheiten ist daher zumeist nur eine Momentaufnahme. Viel-mehr findet beinahe permanent die eine oder andere Art von Transformation in der Öko-nomie statt: einzel- oder gesamtwirtschaftlich, strukturell oder regional, verhaltensbe-dingt oder regelbezogen.

Was für entwickelte Volkswirtschaften gilt, trifft nicht selten auch auf einzelne Personen zu, auf Menschen etwa, die Herausforderungen suchen, hohe Ansprüche erfüllen wollen, gestalten und entwickeln möchten, Visionen haben und Mitmenschen begeistern können. Ganz ohne Frage gehört Gerhard Schwödiauer zu dieser besonderen Spezies. Sein beruf-lich-akademischer Lebensweg ist gekennzeichnet von Wandel und Flexibilität. Dem Studium folgte schon bald die Tätigkeit als Direktor eines namhaften Forschungsinsti-tuts, sein vitales Forschungsinteresse führte Schwödiauer bereits in jungen Jahren auf eine Universitätsprofessur, seine umfangreiche Lehr- und Verwaltungserfahrung machte ihn schließlich zum idealen Kandidaten für den (Wieder-) Aufbau einer Fakultät nach der Wiedervereinigung. Wandel und Flexibilität im Denken sowie Anpassungsfähigkeit und Gestaltungsanspruch zeichnen Schwödiauer aus – „Bereitschaft zur Transformation“ könnte das Motto seines akademischen Wirkens lauten. Die Herausgeber und Autoren dieser Schrift sind vom Ziel geleitet, der Band möge ihre hohe persönliche Wertschät-zung für den Akademiker und Menschen Schwödiauer geeignet zum Ausdruck bringen und den Jubilar beim Blättern durch die Seiten an manche zurückliegende Begegnung erinnern.

Den Forschungsfeldern Gerhard Schwödiauers trägt der Aufbau dieser Festschrift Rech-nung. Mit Fragestellungen der Gestaltung und Organisation von Arbeitsmärkten hat er sich ebenso befasst wie mit Problemen der Qualifizierung, vor allem im Kontext mit der Bedeutung von Ausbildung für das Wachstumspotential von Transformationsökonomien oder hoch entwickelten Volkswirtschaften. Als ausgewiesener Spieltheoretiker, zweifel-

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los geprägt durch die persönliche Begegnung mit Oskar Morgenstern, ist Schwödiauer seit Beginn seiner akademischen Forschung zudem am ökonomischen Verhalten von Akteuren interessiert. Dass dies nicht zwingend identisch mit dem Verhalten von Öko-nomen ist, wird dem ausgewiesenen Dogmenhistoriker Schwödiauer bereits früh klar geworden sein. Wesentliche Beiträge seines wissenschaftlichen Œuvres befassen sich darüber hinaus mit Kapitalmärkten und Investitionskalkülen. Als Makroökonom lag ihm die Untersuchung von Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung von konjunkturellen Schwankungen besonders am Herzen. Die außergewöhnliche Breite seiner Forschungs-interessen spiegeln nicht zuletzt die Arbeiten Schwödiauers zum Thema Operations Research wider. Die formalisierte Analyse von konkreten ökonomischen Fragen gerät dabei nicht zum Selbstzweck, sondern dient vielmehr der Herleitung umsetzbarer Hand-lungsempfehlungen.

Das erste Themenfeld „Arbeitsmarkt und Qualifizierung“ beleuchten zunächst Benjamin Bental und Dominique Demougin unter dem Aspekt „Labor Market Frictions and Opti-mal Bargaining Power“. Ausgehend von der Feststellung, dass Arbeitsmärkte nicht den Standardannahmen der neoklassischen Theorie genügen, fokussieren sie die Allokation von Verhandlungsmacht in Lohnverhandlungen sowie deren Einfluss auf Output, Er-werbsbeschäftigung und Arbeitslosigkeit. Auf modelltheoretischer Basis leiten die Auto-ren wichtige Ergebnisse über die Zusammenhänge dieser Schlüsselvariablen ab.

Der Beitrag von Stefan Felder ist „Optimal Tax Deductions for Educational Expenses“ gewidmet. Zunächst werden hier ein über zwei Perioden angelegtes Lebenszyklus-Konsum-Modell vorgestellt und die resultierenden Optimalitätsbedingungen erster Ord-nung für Sach- und Humankapitalentscheidungen hergeleitet. Anschließend wird eine Pareto-effiziente Steuerreform untersucht und es wird eine optimale Besteuerungsregel diskutiert. Dabei zeigt sich unter anderem, dass die volle steuerliche Abzugsfähigkeit von Ausbildungsaufwendungen bei gleichzeitiger Besteuerung von Kapitaleinkommen nicht optimal ist.

Unter dem Titel „Flexicurity Capitalism“ beschäftigen sich Peter Flaschel, Alfred Greiner und Sigrid Luchtenberg mit einem arbeitsmarkt- bzw. sozialpolitischen Kom-promissmodell, das nicht erst seit der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs starke Beach-tung findet. Flexicurity steht dabei für die Kombination von Flexibility und Security und damit für eine hoch wettbewerbsfähige Wirtschaft, die das Recht des Menschen auf (existenzsichernde) Arbeit sowie die Befriedigung basaler Bedürfnisse gewährt. Die Au-toren argumentieren, dass in einem flexicurity-kapitalistischen System nachhaltig aus-gewogene Wertschöpfung möglich ist, sofern hinreichend viel für Bildung, Chancen-gleichheit und Demokratieverständnis getan wird.

Horst Gischer und Thomas Spengler unterbreiten Vorschläge für die betriebliche „Per-sonalplanung bei demographischem Wandel“ und beleuchten dabei „einzel- und ge-samtwirtschaftliche Aspekte“. Sie skizzieren zunächst die quantitativen Auswirkungen des demographischen Wandels auf den aggregierten deutschen Arbeitsmarkt und leiten

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daraus (relative) Knappheitsprobleme für die zukünftig zu erwartende Arbeitsnachfrage her. Anhand eines stilisierten, auf den Daten eines namhaften deutschen Unternehmens beruhenden Beispiels übertragen sie die gewonnenen Erkenntnisse auf die einzelwirt-schaftliche Ebene. Vor diesem Hintergrund wird eine Planungsmethode entwickelt, mit deren Hilfe Unternehmen ihre individuellen strategischen Belegschaftsszenarien simulie-ren und über geeignete Anpassungsmaßnahmen entscheiden können.

Während der vorhergehende Beitrag die personalwirtschaftliche Verfügbarkeitsproble-matik in den Mittelpunkt stellt, konzentriert sich der folgende auf den Problemkreis personeller Wirksamkeit. Er trägt die Überschrift „Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison”. Obwohl lebenslanges Lernen eine der Hauptbedin-gungen für die Bewältigung der mit dem demographischen (Altersstruktur-) Wandel verbundenen Herausforderungen darstellt, fallen in Deutschland öffentliche wie private Bildungsinvestitionen im Vergleich zu Japan und den Vereinigten Staaten gering aus. Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel und Sebastian Wenzke zeigen, dass der in Deutschland gesetzte institutionelle Rahmen mit den korrespondierenden Regelungen hinsichtlich (Früh-) Verrentung und Arbeitslosenunterstützung offenbar verbesserungswürdig ist, da er keine genügenden Anreize für erforderliche Humankapitalinvestitionen setzt.

„The Role of University Economic Education in the Transformational Process in Ukraine“ ist Gegenstand des Beitrags von Leonid Tovazhnyanskyy, Sergii Arkhiiereiev, Peter Pererva, Elena Reshetnyak und Tatiana Ryabova. Dabei zeigen die Autoren den Wandel des Systems universitärer Bildung während des Transformationsprozesses in der Ukraine auf, beschreiben die Evolution ökonomischer Ausbildung sowie deren Bedeu-tung für den wirtschaftlichen Reformprozess und betrachten den spezifischen Fall des National Technical University Kharkiv Polytechnic Institute (NTU KhPI).

Dem Problemkreis „Ökonomisches Verhalten und Verhalten von Ökonomen“ sind die Aufsätze im nachfolgenden Teil gewidmet. In seinem Beitrag „Opimizing Trust“ befasst sich Alois Wenig mit der Bedeutung von Vertrauen für Marktgleichgewichte. Für Akteu-re stellt Vertrauen eine besondere Form von Versicherung dar, die nicht kostenlos erhält-lich ist. Es zeigt sich, dass das gesellschaftlich optimale Niveau von Vertrauen eine Obergrenze im Verhaltenskalkül eines Individuums bildet, diese Schwelle aber häufig unterschritten wird.

Violeta Matovi und Andreas Wörgötter leiten in ihrem Beitrag „Was könnte Terroris-mus mit Ökonomie zu tun haben?“ Bedingungen her, die das Fortbestehen terroristischer Strukturen begünstigen. Neben einer außergewöhnlich prekären wirtschaftlichen Situa-tion muss nach Ansicht der Autoren vor allem die Mobilität der betroffenen Bevölke-rungsgruppe stark eingeschränkt sein. Am Beispiel palästinensischer Terrorgruppen überprüfen sie ihre Hypothesen.

Eine ähnliche Fragestellung analysieren J. Philipp Reiß und Abdolkarim Sadrieh unter der Überschrift „Ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens“. In einem allgemei-

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nen, an insgesamt sieben unterschiedlichen Nutzenkomponenten ansetzenden Modell prüfen sie die Bedingungen und ökonomischen Begründungen alternativer Formen des Selbstopfers. Die Verfasser können zeigen, dass eine verstärkte staatliche Kontrolle zur Vermeidung von terroristischen Selbstopfern nicht zwingend die beste Strategie darstellt.

Um (mutmaßlich) ökonomisches Verhalten besonderer Art geht es im Beitrag „Gestal-tungspolitik oder Kuhhandel? Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik“, für den Ludwig von Auer verantwortlich zeichnet. Der Autor belegt in einem ökonometri-schen Schätzmodell, dass sich die Entscheidungen über die Ausgaben der EU 25 weni-ger an sachlichen Kriterien orientieren als an einem konzertierten Abstimmungsverhal-ten („Kuhhandel“), das langjährige kleinere Mitgliedsstaaten begünstigt und größere Neumitglieder benachteiligt.

Die Besonderheiten der Spezies „Ökonomen“ nehmen Jeanette Brosig, Timo Heinrich, Thomas Riechmann, Ronnie Schöb und Joachim Weimann unter die Lupe. In ihrer Stu-die „Was macht Ökonomen ‚anders’? Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magde-burg und Köln“ nehmen sie ein Experiment von Ariel Rubinstein zum Anlass, einen möglichen Reformbedarf bei der ökonomischen Hochschulausbildung zu verneinen. Die Autoren kommen vielmehr zu der Erkenntnis, dass die gegenwärtige Ökonomieausbil-dung durchaus sachgerecht und erfolgreich ist.

Die dritte Gruppe von Aufsätzen stellt „Kapitalmärkte und Investitionskalkül“ in den Fokus ihrer Betrachtung. Den Einstieg bilden Peter Reichling, Mirela Stefanova und Bodo Vogt mit einer Studie zu „Return Patterns on the Bulgarian Stock Market“. Das Augenmerk der Verfasser gilt den empirischen Abweichungen der bulgarischen Börsen-kurse von ihren (mutmaßlichen) Fundamentalwerten. Es zeigt sich eine starke Paralleli-tät der Ergebnisse zu Phänomenen auf hoch entwickelten Finanzmärkten, z. B. die Ge-fahr einer Blasenbildung oder der Ausprägung überdurchschnittlicher Volatilitäten. Es scheint daher, dass Transformationsländer die schmerzhaften Lektionen über Finanz-märkte erst noch selbst lernen müssten.

Alfred Luhmer, Barbara Schöndube-Pirchegger und Jens Robert Schöndube analysieren „Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung“. Die Diskrepanz zwi-schen Kapitalmarktbewertung und Fundamentalanalyse wird in diesem Beitrag theore-tisch analysiert. Die Autoren sehen die Bedeutung der Fundamentalwerte vor allem unter längerfristigen Gesichtspunkten und betonen den Mangel von Kapitalmarktmodellen vor allem bei der adäquaten Berücksichtigung von Lerneffekten sowie beim Zeitfaktor der Informationsbeschaffung und -analyse.

„‚Sell in May and Go Away’ on the Russian Stock Market“ lautet der Titel der folgen-den Studie von Elena Moskalenko und Peter Reichling. Die Autoren prüfen, inwiefern diese weit verbreitete Anlageregel empirisch für den russischen Aktienmarkt zutrifft. Immerhin sprechen die Daten für die Jahre von 1995 bis 2006 für die Gültigkeit in Russ-land, freilich gekoppelt an den (adäquaten) Einstieg im September des jeweiligen Vor-

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jahrs. Die untersuchte Börsenregel birgt indes auch Risiken, insbesondere wenn von ih-rer wiederholten Gültigkeit ausgegangen wird.

Karl-Heinz Paqué beschäftigt sich in seinem Beitrag „Zins, Zeit und Zukunft – Zu Öko-nomie und Ethik globaler Klimamodelle“ mit einer aktuellen umweltpolitischen Frage-stellung. Im Mittelpunkt steht das ökonomische Problem der angemessenen Berücksich-tigung von Zeit, z. B. durch einen (geeigneten) Zinssatz. Der Verfasser regt eine Diskussion an, die auf ökonomische und ethische Fragen heutiger und künftiger Genera-tionen sowie zwischen Armen und Reichen der Gegenwart fokussiert.

Mit Fragestellungen zu „Operations Research, Organisation und Information“ beschäfti-gen sich die Beiträge im abschließenden Teil. Zunächst entwickeln und analysieren Hei-ke Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher im Rahmen einer „Fallstudie“ eine „Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg“. Dazu spezifizieren Sie den in Rede stehenden Fall, formulieren ein entsprechendes (ganzzahliges) Optimierungsmodell und entwickeln eine geeignete Lösungsroutine. Für den Fall des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg ergeben sich dabei Rationalisie-rungspotentiale, die dem entstehenden Modellierungs- und Lösungsaufwand gegenüber-zustellen sind.

„Zerrissene Netze und produktive Netzwerke“ sind Gegenstand des von Horst Albach verfassten Beitrags. Er zeigt auf, dass mit dem Zusammenbruch der DDR bis dato wert-volle Netzwerke zerrissen wurden und im Zuge des Transformationsprozesses neue Formen von Netzwerken entstanden, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in den neuen Bundesländern fördern. Im Anschluss an klassifizierende Überlegungen zu unternehmensinternen und -externen Netzwerken wird empirisch die Evidenz für die Produktivität von Netzwerken analysiert, und zwar sowohl im Hinblick auf EU-Förderungen als auch bezüglich vom Land Brandenburg geförderter Unterneh-mens-Cluster.

Mit der „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten“ beschäftigt sich Oleg D. Prozenko. Er argumentiert, dass künftiger Geschäftserfolg von der ständigen Suche nach Verbesserung abhängt. Dazu analysiert er die Wettbewerbsfä-higkeit der russischen Wirtschaft und kommt auf die Bedeutung sowohl der Fristigkeit der Unternehmensstrategie als auch insbesondere des Einkaufs- und Beschaffungs-managements zu sprechen.

Last but not least beschreiben Anne Chwolka und Matthias Raith den „Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungprozess“. Im Rahmen einer ent-scheidungstheoretischen Analyse wird der Einfluss der Prognosequalität des Business-plans auf die Gründungsentscheidung des Entrepreneurs erörtert, und zwar zunächst un-ter Vernachlässigung weiterer Investoren. Anschließend wird die Beteiligung eines Risikokapitalgebers in die Überlegungen integriert. Darüber hinaus werden Implikatio-nen für die Gründungsförderung hergeleitet.

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Die zeitgerechte Fertigstellung einer Festschrift hängt von der wertvollen Mitarbeit vie-ler Personen und von der „Liefertreue“ der beteiligten Autoren ab. Auf beide Faktoren haben die Herausgeber vertraut – wie sich herausgestellt hat, zu Recht. Allen am Gelin-gen dieses ambitionierten Projekts Beteiligten gilt unser aufrichtiger Dank. Die Druckle-gung hätte indes ohne großzügige finanzielle Unterstützung nicht erfolgen können. Be-sondere Erwähnung verdienen daher die Sponsoren dieses Bandes: die Hauptverwaltung Hannover der Deutschen Bundesbank, vertreten durch ihren Präsidenten, Gerd Alexan-der Loch, sowie das Wolfgang-Schüler-Institut für Internationale Management-Studien, vertreten durch seinen Schatzmeister, Helmut Steiner. Dank geht auch an den Gabler-Verlag, namentlich Ute Wrasmann, für die Betreuung dieses Bandes.

Magdeburg, im Mai 2008

Horst Gischer

Peter Reichling

Thomas Spengler

Alois Wenig

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Alois Wenig

Zum Lebenslauf von Gerhard Schwödiauer

Gerhard Schwödiauer wurde am 12. Mai 1943 in Linz an der Donau als einziges Kind der Familie eines Bahnbeamten geboren. Er besuchte in seiner Heimatstadt die Volks- und Hauptschule und legte dort im Jahr 1961 nach dem Besuch der Handelsakademie (Wirtschaftsgymnasium) das Abitur (Matura) ab.

Das Studium führte ihn nach Wien, wo er sich an der Hochschule für Welthandel für das Fach Betriebswirtschaftslehre einschrieb. Der Studienrichtung entsprechend schloss er dort im Jahr 1965 mit dem akademischen Grad eines Diplom-Kaufmanns ab. Schon als Student allerdings interessierte er sich mehr für die Volkswirtschaftslehre als für be-triebswirtschaftliche Fragestellungen. Sein damals wichtigster akademischer Lehrer in der Nationalökonomie, Walter Heinrich, vertrat die Disziplin jedoch in einer Weise, die der Student Schwödiauer zunehmend unattraktiv fand und die mit der analytisch orien-tierten Nationalökonomie von heute kaum etwas gemein hatte.

Walter Heinrich war der Lieblingsschüler von Otmar Spann, dessen Vorstellung von Volkswirtschaftslehre man wohl mit dem Begriff „historisierend“ beschreiben kann. Spann und mit ihm Heinrich standen in der Tradition von Adam Müller, dem wichtigsten Vertreter der deutschen romantischen Schule der Nationalökonomie, die in Österreich später allerdings durch die weitaus bedeutendere, analytisch geprägte „österreichische“ Schule verdrängt wurde. Die Hochschule für Welthandel war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der letzten Bastionen einer Volkswirtschaftslehre im Sinne von Adam Müller und Otmar Spann.

Gerhard Schwödiauer war das Defizit in der volkswirtschaftlichen Ausbildung an der Hochschule für Welthandel noch während des Studiums bewusst geworden. Gleich nach dem Diplom wechselte er zur Universität Wien, wo er sich in der Rechts- und Staatswis-senschaftlichen Fakultät als Doktorand einschrieb. Gleichzeitig besuchte er an der Uni-versität auch die grundlegenden Vorlesungen an der mathematischen Fakultät, da ihm sehr schnell klar wurde, dass es ohne solide Mathematikkenntnisse keinen Zugang zur modernen Volkswirtschaftslehre geben würde. Noch vor seiner Promotion zum Dr. rer. pol. im Jahr 1970 bewarb er sich am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien (der früheren Ford Foundation) um die Annahme als Scholar. Dem Antrag wurde statt-gegeben und Schwödiauer verbrachte zunächst zwei Jahre, von 1966 bis 1968, an dieser

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10 Zum Lebenslauf von Gerhard Schwödiauer

Einrichtung, die man als ein sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut mit einem um-fangreichen Programm für Graduierte und Postgraduierte beschreiben kann.

Der damalige Leiter des Instituts, Walter Toman von der Universität Erlangen-Nürnberg, war zwar kein Nationalökonom, sondern ein empirisch orientierter Sozialpsychologe. Er sorgte jedoch dafür, dass die volkswirtschaftliche Abteilung ihr bereits Ende der sechzi-ger Jahre bestehendes hohes Ansehen im In- und Ausland noch mehren konnte. Der erste Direktor des IHS, Paul F. Lazarsfeld, hatte es verstanden, gerade auf dem Gebiet der Nationalökonomie von Anfang an die höchsten internationalen Standards zu setzen. Dies war ihm gelungen, indem er die namhaftesten Forscherpersönlichkeiten seiner Zeit nach Wien holte. In den Anfangsjahren des Instituts lehrten dort so bedeutende Ökonomen wie Oskar Morgenstern, John Hicks, Friedrich Hayek, Karl Popper, Martin Shubik und Lawrence Klein – um nur einige zu nennen, aber auch junge aufstrebende Wissenschaft-ler aus dem deutschen Sprachraum wie der spätere Nobelpreisträger Reinhard Selten, der deutsche Ökonometriker Hans Schneeweis und der österreichische Statistiker Johann Pfannzagl.

In dieser Welt der „strengen“ Wissenschaft fühlte sich Gerhard Schwödiauer auf Anhieb wohl. Er betrachtet noch heute seine Zeit als Scholar am Institut für Höhere Studien als die eigentliche Studienzeit, in der er den Zugang zur modernen, theoretisch orientierten Nationalökonomie suchte und fand. In der Volkswirtschaftstheorie war es unter dem Einfluss Oskar Morgensterns in erster Linie die Spieltheorie, die sein Forscherinteresse weckte. Aus seiner Position als Scholar heraus wurde Schwödiauer 1968 Wissenschaftli-cher Assistent am Institut.

Die erste Phase am IHS war für Gerhard Schwödiauer auch ein persönlich wichtiger Le-bensabschnitt. Er lernte dort die junge slowakisch-ungarische Scholarin Erika Mory aus Bratislava kennen, die er im Jahr 1968 heiratete. Aus der Ehe mit Erika Mory sind zwei Töchter und ein Sohn hervorgegangen, die alle drei musikalisch besonders begabt sind. Eine Tochter wurde sogar Berufsmusikerin (Harfe), die beiden anderen Kinder betreiben die Musik als Hobby. Dies ist auch den musikalischen Interessen Schwödiauers geschul-det, der selbst ein großer Freund der klassischen Musik und insbesondere der Oper ist.

Nach Abschluss der Assistentenzeit ging Gerhard Schwödiauer 1971 als Research Associate an die New York University. Beinahe wäre er dort geblieben, denn man bot ihm am Ende des Jahres in New York eine Professur als Associate Professor an. Dann allerdings kam ein Angebot aus Wien, Beigeordneter Direktor (d. h. Stellvertreter des Leiters) des IHS zu werden. Dieser Versuchung konnte Schwödiauer nicht widerstehen. Er nahm dieses Amt an und hatte es von 1971 bis 1973 inne.

Wie viele Einrichtungen im Österreich der damaligen Jahre musste auch die Leitung des IHS politisch austariert sein. Dem „bürgerlichen“ Direktor Gerhart Bruckmann sollte ein „SPÖ-Sympathisant“ als Vizedirektor zur Seite gestellt werden. Neben der fachlichen Qualifikation erfüllte Gerhard Schwödiauer diese Voraussetzung. Erhard Fürst, einer der

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späteren Beigeordneten Direktoren des Instituts, beschreibt die Zeit am IHS in dieser Konstellation als spannungsgeladen. Nicht nur gab es vorprogrammierte Konflikte im Direktorium sowie zwischen dem Direktorium und dem Kuratorium, das ebenfalls pari-tätisch besetzt war. Auch die Mitarbeiter, die auf den Institutsversammlungen ihre For-derungen vortrugen, versuchten ihre „politischen“ Konzeptionen durchzusetzen. Das für ein Forschungsinstitut ungewöhnliche Mittel des Streiks war dabei durchaus eine Opti-on. Gegenseitiges Misstrauen und Geheimniskrämerei waren an der Tagesordnung.

Im Jahr 1973 schied Bruckmann als Direktor des Instituts aus. Im jungen Alter von 30 Jahren rückte Schwödiauer als Institutsdirektor nach. Schwödiauer zögerte zunächst mit der Annahme des Amts, weil er Zweifel hatte, ob er in so jungen Jahren eine Stelle aus-füllen konnte, die bisher von Professoren gesetzten Alters wahrgenommen worden war. Auf Zuraten und Drängen seines väterlichen Freundes Oskar Morgenstern übernahm er schließlich die Institutsführung.

In der Zeit vor Schwödiauer hatten die Konflikte am Institut zwischen den beteiligten Personen und Gremien ein fast schon destruktives Ausmaß angenommen. „Mit Gerhard Schwödiauer, einem Mann von beeindruckender Persönlichkeit und unbestechlichem Charakter, änderte sich dies fundamental“, schreibt der als „bürgerlicher“ Beigeordneter Direktor nachgerückte Erhard Fürst in seinen Erinnerungen. Und er fährt fort: „Von An-fang an zog er mich voll zu allen Direktionsagenden zu, in keinem einzigen Fall hat er wesentliche Entscheidungen getroffen, ohne sich vorher mit mir zu beraten, nie hat er sich mir gegenüber illoyal verhalten. Diese sechs Jahre währende bedingungslose und uneingeschränkte Zusammenarbeit machte vieles möglich, was andernfalls weder beim Kuratorium, noch im Haus durchzusetzen gewesen wäre. Waren wir von der Notwen-digkeit einer Maßnahme überzeugt, berieten wir zusammen, wie wir sie in unserer jewei-ligen Kuratoriumsfraktion durchsetzen könnten. Schwödiauer scheute sich auch nie, im Interesse der Sache Konflikte mit ‚seinen Kuratoren’, insbesondere auch Dr. Kreisky, in Kauf zu nehmen.“1 Ich kenne keine schriftliche oder mündliche Äußerung über Gerhard Schwödiauer, die ihn besser beschreiben würde, als es Erhard Fürst mit diesen Worten getan hat.

In der Zeit von 1973 bis 1979, in der Gerhard Schwödiauer dem Institut für Höhere Stu-dien vorstand, gab es eine Reihe von fundamentalen Neuerungen, die den Charakter des Instituts bis heute prägen. Die wichtigste davon ist die damals sehr umstrittene Positio-nierung der Abteilung Ökonomie als eines zweiten empirischen Wirtschaftsforschungs-instituts mit einer regelmäßigen eigenen Prognose, die neben die traditionelle Wirt-schaftsprognose des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung trat. Das IHS erlebte damit auch eine deutliche Zunahme der volkswirtschaftlichen Auftragsforschung.

1 Fürst, E. (1993): 10 Jahre IHS-Direktion: Rückblick und Ausblick; in: Felderer, B. (Hrsg.): Wirtschafts-

und Sozialwissenschaften zwischen Theorie und Praxis – 30 Jahre Institut für Höhere Studien in Wien,Heidelberg, S. 86.

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Unter anderem wurde zudem eine neue Abteilung für Betriebswirtschaftslehre und Operations Research gegründet. Das Institut war unter Schwödiauer auch maßgeblich an der Herausgabe wissenschaftlicher Zeitschriften wie des International Journal of Game Theory und des Journal of Empirical Economics beteiligt. Dem in der österreichischen Presse gern gepflegten Vorurteil, das Institut sei eine rote Kaderschmiede (wegen der vielen SPÖ-Mitglieder beim Personal), setzte Schwödiauer mit Erfolg eine ständige Er-höhung der wissenschaftlichen Standards entgegen; eine Situation, die sich nach dem Abgang von Schwödiauer leider nicht fortsetzte. Sein Nachfolger als Institutsdirektor, der kanadische Volkswirt Anatol Rapoport, war zwar ein Nationalökonom von internati-onaler Reputation. In seiner Fähigkeit, den Wissenschaftsprozess am Institut zu organi-sieren und zu koordinieren sowie die Finanzierung der vielfältigen Aktivitäten sicherzu-stellen, konnte er die Erfolge Schwödiauers jedoch nicht erreichen.

Obwohl ganz dem Aufbau des Instituts für Höhere Studien verschrieben, leistete sich Gerhard Schwödiauer 1976 dennoch „Auszeiten“ in Form von zwei kurzen Gastprofes-suren, eine an der New York University und eine am Institut für Mathematische Wirt-schaftsforschung an der Universität Bielefeld. Er wollte nicht völlig in der Tätigkeit des Institutsleiters aufgehen, sondern gelegentlich auch Zeit für konzentriertes wissenschaft-liches Arbeiten bekommen.

Bei seinem Besuch an der Universität Bielefeld war der Kontakt entstanden, der 1979 zu einem Ruf auf einen volkswirtschaftlichen Lehrstuhl an der dortigen Wirtschaftsfakultät führte. Es war ein schwerer Schritt, Wien zu verlassen. Die mathematische und theoreti-sche Ausrichtung der Volkswirtschaftslehre in Bielefeld war für Gerhard Schwödiauer jedoch so attraktiv, dass er den Ruf in die deutsche „Provinz“ annahm. Der damalige Kanzler der Universität Bielefeld, Eberhard Firnhaber, hatte es nicht für möglich gehal-ten, dass jemand aus einer so wichtigen Position in Wien zu einer jungen Reformuniver-sität im Westfälischen wechseln würde. Nach sechs Jahren Institutsleitung aber waren die wissenschaftlichen Interessen Schwödiauers schließlich doch stärker als seine Bin-dungen an das IHS und die Stadt Wien.

Fachlich passte Gerhard Schwödiauer perfekt in das Profil der Bielefelder Fakultät. Er integrierte sich sofort in das Lehr- und Forschungsprogramm, das seinen wissenschaftli-chen Interessen entsprach. Seine Anwesenheit bei den wöchentlichen Forschungssemi-naren stellte sich als eine große Bereicherung für die Kollegen, insbesondere aber auch für die jungen Doktoranden heraus. Auch seine organisatorischen Fähigkeiten sprachen sich herum, so dass er rasch Mitglied vieler Universitätsgremien wurde. Zu den Kollegen entwickelte sich bald ein freundschaftliches Verhältnis, wenngleich ihm als Wahlwiener die westfälische Art, Hochschulpolitik zu betreiben, zunächst fremd war. Ich erinnere mich, wie Schwödiauer einige Wochen nach seiner Ankunft in Gedanken verloren über den langen Flur der volkswirtschaftlichen Abteilung der Bielefelder Universität schritt. Meine Frage, worüber er so angestrengt nachdenken würde, beantwortete er nach einer

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Alois Wenig 13

kurzen Pause mit dem Satz „Entweder gibt es hier keine Intrigen oder ich verstehe sie nicht.“ Später musste er feststellen: es gab sie doch, sie waren nur anders als in Wien.

In der Lehre erwies sich Gerhard Schwödiauer als ein Professor, der seinen Studenten besondere Leistungen abverlangte. Es dauerte nicht lange und sie verliehen ihm den „Silbernen Schraubstock“, eine Ehrung, die ihm später mehrmals zuteil wurde. Zunächst als Wanderpokal gedacht, war es schließlich ein Schwödiauer-Pokal. Im Nachhinein sollten sich die Studenten nicht beschweren. Sie haben bei ihrem strengen Lehrer viel gelernt. Ein ehemaliger Student Schwödiauers ist nunmehr sogar Kollege an der Magde-burger Fakultät. Berüchtigt waren auch seine „Würfelseminare“: Die Seminarthemen waren im Voraus bekannt (und immer schwierig), nicht jedoch die Referenten. Diese wurden am Anfang einer Seminarsitzung durch Auswürfeln bestimmt. Die Professoren mussten auch würfeln – und auch sie hofften manchmal inständig, der Zufall möge sie verschonen, weil sie sich nicht ausreichend vorbereitet hatten. Immerhin: durch diese Art der Seminarorganisation hielt sich der Andrang bei den Studenten in Grenzen. Aber stets kamen die Besten.

Während seiner Zeit in Bielefeld hatte Gerhard Schwödiauer so ziemlich jedes Amt inne, das es an der Fakultät gab. Hervorzuheben ist seine Tätigkeit als Dekan von 1987 bis 1989 sowie als Programmbeauftragter für das Integrierte Auslandsstudium von 1987 bis Ende 1992. Gerade das zweite Amt lag ihm besonders am Herzen, denn Studenten die Möglichkeit eines Auslandsstudiums zu eröffnen, erschien ihm unerlässlich für eine Fa-kultät, die in der Ausbildung von Forschungsnachwuchs einen ihrer Schwerpunkte sieht. Schwödiauer selbst pflegte während seiner Zeit in Bielefeld intensive wissenschaftliche Kontakte mit dem Ausland. Er war nicht nur ein fleißiger Teilnehmer internationaler Fachtagungen, sondern nahm auch eine Reihe von Einladungen zu Gastprofessuren wahr. So ging er unter anderem noch zweimal als Gastprofessor an die New York University (1982 und 1991), besuchte als Gastprofessor ebenfalls zweimal sein früheres Institut in Wien (1982 und 1989) und lehrte an der Universität Siena (1986) sowie an der Technischen Universität Wien (1985). Die vielen Einladungen zu Vorträgen an anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen können hier nicht einzeln aufgezählt wer-den.

Gerhard Schwödiauer hat den Wissenschaftsprozess immer als eine länderübergreifende Veranstaltung verstanden. Die Verleihung der Ehrendoktorwürde an ihn durch die Wirt-schaftsfakultät der Nationalen Technischen Universität Charkow im Jahr 2005 ist des-halb nicht nur eine Würdigung seiner wissenschaftlichen Verdienste, sondern auch Folge seines Bemühens, die Nationalökonomie – entgegen der engen Wortbedeutung – im in-ternationalen Kontext zu betreiben. In der Verleihungsurkunde zum Doktor der Wissen-schaften honoris causa wird neben den wissenschaftlichen Leistungen ausdrücklich auch die große Hilfe erwähnt, die Schwödiauer beim Aufbau der Wirtschaftsfakultät in Charkow geleistet hat.

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14 Zum Lebenslauf von Gerhard Schwödiauer

Die deutsche Wiedervereinigung war für viele Professoren nicht nur eine politische Zä-sur, sondern oftmals auch eine Chance, noch einmal etwas Neues zu beginnen und auf-zubauen. Im Jahr 1992 erhielt Gerhard Schwödiauer einen Ruf auf eine volkswirtschaft-liche Gründungsprofessur an der neu errichteten Wirtschaftsfakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im Januar 1993 übernahm er den Lehrstuhl in Magde-burg, wobei ihm nach eigenem Bekunden der Fortgang aus Bielefeld nicht leicht gefal-len war. Die Herausforderung war groß, denn in dieser neuen Fakultät musste man bei allem von vorn anfangen. Die Talente Schwödiauers kamen dabei voll zur Geltung. Er ergriff in vielen Bereichen die Initiative, wurde unter anderem Dekan und hat die Fakul-tät über Jahre im Universitätssenat vertreten. Mit dem Tod des Magdeburger Kollegen Wolfgang Schüler fiel ihm auch die Funktion des Leiters des Deutschen MBA-Programms in Moskau zu, das dank seiner umsichtigen Leitung bis heute fortbesteht. Dem Moskauer Programm ist in diesem Band ein gesonderter Beitrag gewidmet.

Wie schon in Bielefeld ist Gerhard Schwödiauer an der Magdeburger Fakultät eine her-ausragende Persönlichkeit, die Anstöße gibt, vermittelt, bewegt und die wie kein anderer die Wirtschaftsfakultät zu repräsentieren versteht. Mit dem nunmehr erreichten 65. Le-bensjahr wird sich Schwödiauer sicher nicht von seinen vielfältigen Aktivitäten zurück-ziehen. Es ist der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg zu wünschen, dass er ihr noch viele Jahre mit seiner vollen Tatkraft erhalten bleibt. Dem Jubilar selbst gönnen wir von Herzen Gesundheit und Freude bei all dem, was er noch unternehmen wird.

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Helmut Steiner

Gerhard Schwödiauer und das Deutsche MBA-Programm Moskau

Die Russisch-Deutsche Management-Hochschule wurde im Zuge verschiedener Regie-rungsvereinbarungen – zuletzt wohl am 1. November 1993 von den Staatssekretären H. Waffenschmidt und S. Schachraj in Sankt Petersburg unterzeichnet – bei der Akade-mie für Volkswirtschaft in Moskau eingerichtet. Die anschließende Suche nach deut-schen Kooperationspartnern beantworteten die Universität Bielefeld und die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit einer Zusage. Ihre Rektoren unterzeichneten im Sommer 1994 eine gemeinsame Kooperationsvereinbarung mit der Moskauer Institution über die Durchführung eines deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Aufbau-studiums (Master of Business Administration) in Moskau. Die ursprünglich für zwei Jahre geschlossene Vereinbarung wurde im Sommer 1996 angesichts des Erfolgs durch ein Ergänzungsabkommen verlängert.

Die Vereinbarungen wiesen die inhaltliche und organisatorische Verantwortung für das Aufbaustudium einem Kuratorium zu, dessen Mitglieder durch den Bielefelder und den Magdeburger Rektor gemeinsam bestellt wurden. Dem Kuratorium gehörte von Anfang an auch Gerhard Schwödiauer an. Am 5. Juni 1997 gründeten die bisherigen Kuratori-umsmitglieder das Institut für Internationale Management-Studien e. V. In den erweiter-ten Vorstand wurde am gleichen Tag auch Schwödiauer gewählt. Am 18. Oktober 1998 verstarb der Vorsitzende des Instituts, Wolfgang Schüler. Ihm zu Ehren wurde der Ver-ein in Wolfgang-Schüler-Institut für Internationale Management-Studien umbenannt. Am 2. Juni 1999 wählte die Mitgliederversammlung Schwödiauer zum Direktor des In-stituts.

Seit diesem Tag leitet Gerhard Schwödiauer mit großem Einsatz und Verantwortung die Geschicke des Deutschen MBA-Programms. Heute ist das Institut in das Deutsch-Russische Zentrum für Wirtschaftswissenschaften (DRZW) eingegliedert. Schwödiauer wurde zum deutschen Projektkoordinator bestellt. Er vertritt damit mit großem Geschick die Interessen des Vereins gegenüber den russischen Partnern und löste immer wieder mit Erfolg auftretende Schwierigkeiten. Nicht minder leicht sind die alljährlich wieder-kehrende Aufstellung des Vorlesungsprogramms und die Gewinnung deutscher Dozen-ten für die Vorlesungen in Moskau. Wenn nun der im Herbst 2007 begonnene 13. Jahr-

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16 Gerhard Schwödiauer und das Deutsche MBA-Programm Moskau

gang mit gleicher Qualität des Lehrangebots und qualifizierten Dozenten starten konnte, ist dies in erster Linie auf den unermüdlichen Einsatz von Schwödiauer zurückzuführen.

Die Verbindung zu seiner Universität und Fakultät ermöglichte die Immatrikulierung unserer russischen Studierenden an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und den Erlass einer deutschen Studien- und Prüfungsordnung. Zu den Höhepunkten gehört alljährlich die Übergabe der Urkunden des staatlich und international anerkannten deut-schen universitären Abschlusses Master of Business Administration und des vergleich-baren russischen Masters der Akademie für Volkswirtschaft bei der Regierung der Rus-sischen Föderation an unsere Studierenden in der Deutschen Botschaft in Moskau.

Das deutschsprachige MBA-Programm in Moskau ist in der Russischen Föderation zu einem Markenzeichen geworden. Der Abschluss Master of Business Administration ist für unsere Absolventen eine gute Voraussetzung für den Start in deutschen und russi-schen Unternehmen. Daran hat Gerhard Schwödiauer einen großen Anteil und er hat sich dabei einen ausgezeichneten Namen als Wissenschaftler und Organisator des Programms erworben.

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Teil II

Arbeitsmarkt und Qualifizierung

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Benjamin Bental and Dominique Demougin

Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

1. Introduction

2. The Model

3. Equilibrium

4. Comparative Statics

5. The Benevolent Social Planner

6. Concluding Remarks

References

Appendix

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1. Introduction

There is a growing recognition of the fact that labor markets do not satisfy the standard neoclassical competitive structure and, moreover, that the institutional design of these markets plays a major role. Here we focus on the allocation of bargaining power in wage negotiations between employers and employees and its impact on output, labor force participation, and unemployment rates. We analyze a labor market environment charac-terized by some frictions. Following the Diamond-Mortensen-Pissarides (DMP) litera-ture, we assume that workers searching employment and firms seeking employees are randomly matched.1 Moreover, firms decide on an irreversible capital investment before the resolution of the matching process. Finally, once matched, labor contracts are deter-mined through bargaining.

We represent the contracting process by a Nash-bargaining game. Naturally, the out-come of the game is affected by the respective bargaining power of the parties. While not explicitly modeled, we view the allocation of bargaining power as being embodied in the institutional setup of the economy. The institutions we have in mind include em-ployment laws (regulating dismissal procedures and employment conditions), collective labor relation laws (co-determination, conflict resolution mechanisms, and contract ex-tension laws), and social security laws.2

Facing the above environment, workers decide whether to enter the labor market or stay out of it and obtain the output they can produce on their own. Similarly, potential entre-preneurs decide whether to incur an entry cost into the market and invest capital. These decisions are clearly affected by the institutional environment as captured by the alloca-tion of the bargaining power. Altogether, the model allows us to discuss the impact of that allocation on variables such as wages, unemployment, labor force participation, in-vestment, and total output.

Specifically, we find that the workers’ bargaining power should be the highest if we con-sider maximizing ex-post wages. However, we find that this level of bargaining power also maximizes the unemployment rate. Maximizing labor force participation involves lowering the bargaining power of labor. Finally, we show that a benevolent central plan-ner who is maximizing social welfare (defined as total output) also maximizes invest-ment. Moreover, the optimal institutional setup satisfies the Hosios (1990) rule, whereby the bargaining power of labor equals the elasticity of the matching function with respect to the vacancy/unemployment ratio.

1 See Pissarides (2000) and Rogerson/Shimer/Wright (2005) for summaries of this literature. 2 See Botero et al. (2004) for a list of various labor market institutions and Caballero et al. (2004) for an

attempt to assess the growth impact of such institutions. See also OECD (2007).

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22 Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

This note is related to Acemoglu/Shimer’s (1999) extension of the DMP model that uses a similar investment friction. Among other things Acemoglu/Shimer (1999) show that the Hosios (1990) result holds also in their environment. Further, this note is affiliated with Bental/Demougin (2007) who use a setting akin to the one described above to in-vestigate the relationship between factor shares and technology.

The remainder of the paper includes a description of the model in Section 2. Section 3 derives the equilibrium. The main results are presented in Section 4. The following Sec-tion 5 discusses the social planner’s problem, and Section 6 offers some concluding re-marks.

2. The Model

We consider an economy that is populated by a continuum of identical risk-neutral workers of measure 1, each endowed with one unit of labor. Each worker can either en-ter the labor market or produce with a home technology obtaining c units of output. In addition, there are two production technologies requiring capital. The first technology solely employs capital and yields a constant return of r units of output per unit em-ployed. The other technology employs capital and one unit of labor and generates an output per worker of f (k) where f (k) satisfies the Inada conditions and k is the capital-labor ratio. Hereafter we reserve the term “firms” to entities operating the technology f (k). Potential firms are indexed on the unit interval and are also risk-neutral. If firm ienters the market, it pays a firm specific setup cost of z(i) units of output. Without loss of generality, we order the potential entrants according to their entry cost in an ascending order, i.e., 0( )z i . Moreover, we assume z(0) 0, (1)z , and 0z .

Let m and n denote the respective measure of workers and firms entering. We assume there is a matching technology M (n,m) giving the measure of matches for any pair m and n. We impose standard requirements on the matching technology, whereby Mn, Mm > 0, M homogeneous of degree one, and M (0,m) = M (n,0) = 0. Let p and q denote the re-spective matching probabilities for firms and workers. Denoting by x the workers to firms ratio, and using the matching function, we obtain

(1) ( ) (1, )p x M x and ( )( ) p xq xx

where mxn

It is easily verified that p' > 0 and q' < 0. The first result follows directly from Mm(1, x) > 0. The second claim is obtained by using the homogeneity assumption that yields q(x) = M (1/x,1) together with the requirement Mn > 0.

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Benjamin Bental and Dominique Demougin 23

The sequence of events is as follows. First, taking the institutional and economic envi-ronment as given, firms and workers decide whether to enter. Upon entering, firm ipays the setup cost z(i). Second, firms which entered hire operating per-worker capital at the rental rate r. Third, firms are matched with workers according to the matching tech-nology M. Parties that are not matched receive zero at this stage. In the case of a match, the firm and worker bargain over the potential quasi-rent. We assume that the outcome of the bargaining process can be represented by the Nash-bargaining solution and pa-rameterize the bargaining power of the workers by . Fourth, agreements are imple-mented and payments are made.

3. Equilibrium

We proceed by backward induction, starting at the third stage with a representative firm-worker match. At that stage the operating capital-labor ratio k is given and the worker’s outside opportunity is zero. The bargaining problem amounts to

(2) 1max ( )w

f k w w

Observe that both parties are in a hold-up position. They split the quasi-rent f (k), taking the firm’s capital and setup cost as well as the worker’s initial alternative option as sunk. The solution to the negotiations stage allocates to each party a fraction of the quasi-rent according to its respective bargaining power. Specifically, the worker obtains

(3) ( )w f k

Moving to the second stage, each entering firm decides on operating capital anticipating the outcome of bargaining if a match occurs and taking the probability p of the latter as given. The problem of a typical firm becomes

(4) max (1 ) ( )k

p f k rk

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24 Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

Firms determine operating capital to satisfy

(5) (1 ) '( ) 0p f k r

In the first stage, parties decide whether or not to enter. Workers enter if

(6) qw c

Firm i will enter if its expected profit is non-negative, i.e.,

(7) (1 ) ( ) ( ) 0p f k rk z i

Definition 1

Given r, an equilibrium is a vector ( , , , , , , )k x p q m n w defined by the following conditions:

At the firm level:

1. Wage w solves the Nash-bargaining problem form (3).

2. The operating capital k satisfies (5).

At the aggregate level:

3. The probability q of a worker being matched is determined by the work-ers’ entry decision (6) which is satisfied as an equality.

4. The worker-firm ratio x is determined by ( )q x q .

5. The probability of firms being matched is given by ( )p p x .

6. Entry decision for the marginal firm (7) is satisfied as an equality, thus de-termining n .

7. Worker participation rate m is given by x n .

The above definition indicates that the system is block-recursive. In fact, the pair x and k is jointly determined by the following conditions:

(8) ( ) ( ) 0 and ( )(1 ) '( ) 0q x f k c p x f k r

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Benjamin Bental and Dominique Demougin 25

All other variables are following in a block-recursive way. From (8) and using x = p/q,we obtain

(9) ( )'( ) 1 ( ) 1

f k r k rxf k c k c

where (k) denotes the elasticity of f with respect to k.

4. Comparative Statics

Here we use the above characterization of the equilibrium to derive the impact of the bargaining power allocation on some key variables of the economy. For simplicity, we specify the production function to be Cobb-Douglas:

(10) ( )f k k

so that output elasticity with respect to capital becomes a constant, i.e. (abusing nota-tion), (k) = . Accordingly, in equilibrium the number of workers x per firm becomes a linear function of k. Altogether, the equilibrium level of capital-per-worker must satisfy

(11) ( ) 01

k rq k cc

Applying the implicit function theorem, we find (see Appendix 1)

(12) 1 ( ) 11 ( )

dk xd k x

where (x) is the elasticity of q with respect to x.

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26 Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

Assumption 13

( ) 0x

According to this assumption, the denominator in (12) is negative and the sign of k

follows from the sign of ( ) 1x . For 0 , we know that '( )( ) 1 0( )

p xxq x

.4

Moreover, for 1 , ( ) 1 0x . Thus, we find that ( )k has a maximum at kbetween zero and one.5 From (9) and (10), we obtain (see Appendix 2)

(13) 1 11 ( )

dxd x x

The sign of (13) is determined by the sign of 1 . Accordingly, for small values of , the sign is positive, while large values turn it into a negative expression.6 Conse-

quently, ( )x attains a maximum at x which is between zero and one. Note, however, that due to Assumption 1, k < x. Moreover, since p and q depend only on x and are respectively increasing and decreasing in that variable, we find that p is initially increas-ing and then decreasing in , while q displays the opposite behavior. Naturally, p attains a maximum, while q attains a minimum at x. As a direct consequence of this observa-tion, notice that in equilibrium condition (6) implies that the wage w also attains a maximum at x.

In order to find the effect of a variation in on the number of firms entering, note that n follows from the zero profit condition (7). Taking the capital optimization condition of the firms (5) into account, we have

3 The assumption appears empirically plausible. If one takes to be around 1/3, the condition actually re-

quires to be larger than 1/3. Petrolongo/Pissarides (2001, Table 3) report the elasticity of the matching function with respect to unemployment which in most cases satisfies the foregoing requirement (keep in mind that, in terms of our notation, is one minus the elasticity reported in that table).

4 This result follows from the fact that q = p/x.5 It is easy to verify that under the above assumptions (in particular on the matching function), k is

bounded. 6 Labor bargaining power is generally estimated to be around 0.3; see, e.g., Yashiv (2000). With a com-

monly used value of = 0.3, we obtain that dx*/d is positive.

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Benjamin Bental and Dominique Demougin 27

(14) 1 1 ( ) 0rk z n

which implies

1 10

'

rdn

zdk. Thus, the effect any exogenous variable has on n ,

in particular , follows directly from the effect of that variable on k . In particular, nattains a maximum at k.

Finally, we turn to the effect of changes in on worker participation m . By construc-tion, we have m n x . From the above we can conclude that m is increasing in for sufficiently small values of this parameter and decreasing when is sufficiently large (see Appendix 3). In addition, it attains a maximum at m with k < m < x.

5. The Benevolent Social Planner

Here we introduce a social planner who maximizes social welfare subject to the match-ing friction, the wage bargaining process, and the irreversibility of investment. Specifi-cally, the social planner chooses the workers’ bargaining power so as to maximize overall surplus:

(15)0

( ) ( ) (1 )n

W n pf k rk z i di m c

The first bracketed term in (15) represents the expected contribution of a firm that enters. The second term is the total setup cost of the entering firms, so that the sum of the first two terms yields the average net contribution to output of firms. Finally, the last term is the contribution of the workers who decide not to enter the labor market. We take the derivative of (15) with respect to , subject to the foregoing results, including the deci-sion rules of workers and firms, the equilibrium conditions, and Assumption 1. We ob-tain (see Appendix 4)

(16) (1 ) (1 )( )a

pnkW

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28 Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

Comparing (16) to (12) reveals that the welfare function follows the pattern of k and, in particular, takes its maximum at the same point. The immediate consequence is summa-rized as a proposition.

Proposition 1

The labor bargaining power W that maximizes the social welfare satisfies W = k.

Thus, the heuristic message to the social planner is to choose an institutional environ-ment that maximizes the number of entering firms as well as the capital-labor ratio. Since k < m < x, notice that this rule implies that neither is labor force participation maximized nor the unemployment rate minimized.

Remark 1

Let denote the elasticity of p with respect to x. Since 1 , the optimal bargaining power obtained in Proposition 1 amounts to setting * . This is precisely the optimal bargaining power obtained by Hosios (1990) in a setup that involves matching but is otherwise very different from ours.

Remark 2

Proposition 1 is likely to be mitigated once the model is extended to include unemploy-ment benefits. Including such benefits would affect the bargaining stage by introducing a positive outside option at the negotiations stage. While this change would have an im-pact on workers’ entry decisions, its influence on the respective margins is probably mi-nor and would not involve sign changes. On the other hand, the existence of unemploy-ment compensation may substantially affect the central planner’s decision particularly if its financing requires distortive taxation. Under such circumstances we should expect Wto be between k and x.

6. Concluding Remarks

The environment we have analyzed in this paper introduces several frictions. The labor market is not cleared by competitive wages. Instead, workers and firms are randomly matched by some technology. Furthermore, wages are determined by a bargaining proc-ess over the surplus that is generated by this match. In addition, irreversible investment decisions have to be made before the realization of the matching process. The effect of these frictions on the outcome turns out to depend in important ways on the allocation of bargaining power in the labor market. Giving labor more bargaining power increases the incentive of workers to enter the labor market, but reduces their likelihood of being

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Benjamin Bental and Dominique Demougin 29

matched. From the point of view of the firms, their probability of being matched with a worker increases, thereby reducing the probability that the capital investment will not be productive. On the other hand, the share of the firms in the generated surplus is reduced.

The allocation of bargaining power affects the key variables of the model in different ways. Looking at the key variables one at a time, the bargaining power should be the highest if we consider maximizing ex-post wages. However, this level of bargaining power minimizes the matching probability of workers, because in equilibrium their ex-pected wage is a constant, equal to the exogenously given output of the “home technol-ogy”. This, in turn, means that the institutional environment maximizing ex-post wages also maximizes unemployment (defined as 1 – q).

Next, maximizing labor force participation requires a reduction of the bargaining power of labor. This result is due to the fact that the reduced bargaining power of labor induces the individual firm to increase capital in order to increase its profits. Consequently, more firms are attracted into this industry, increasing the demand for workers, thus raising the number of workers in equilibrium. Finally, we have shown that a benevolent social plan-ner who is maximizing social welfare is choosing a bargaining power that is even lower. In fact, the optimal institutional setting chosen by the social planner is also maximizing firm entry and the investment level in the economy. This result follows because the risk-neutral workers obtain the expected value of their outside option under any circum-stances. Consequently, when choosing labor bargaining power, the social planner can focus solely on rectifying the under-investment problem that results from the economy’s frictions.

References

Acemoglu, D.; Shimer, R. (1999): Holdups and Efficiency with Search Frictions, Inter-national Economic Review 40, pp. 827–849.

Bental, B.; Demougin, D. (2007): Do Factor Shares Reflect Technology?, Journal of Macroeconomics.

Botero, J.; Djankov, S.; La Porta, R.; Lopez-de-Silanes, F.; Shleifer, A. (2004): The Regulation of Labor, Quarterly Journal of Economics 44, pp. 1339–1382.

Caballero, R. J.; Covan, K.; Engel, E. M.; Micco, A. (2004): Effective Labor Regulation and Microeconomic Flexibility, MIT Discussion Paper 04-30.

Hosios, A. (1990): On the Efficiency of Matching and Related Models of Search and Unemployment, Review of Economic Studies 57, pp. 279–298.

OECD (2007): OECD Economic Outlook.

Page 35: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

30 Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

Petrolongo, B.; Pissarides, C. (2001): Looking Into the Black Box: A Survey of the Matching Function, Journal of Economic Literature 39, pp. 390–431.

Pissarides, C. A. (2000): Equilibrium Unemployment Theory, 2nd ed. Rogerson, R.; Shimer R.; Wright, R. (2005): Models of the Labor Market: A Survey,

Journal of Economic Literature 30, pp. 959–988. Yashiv, E. (2000): Hiring as Investment Behavior, Review of Economic Dynamics 3,

pp. 486–522.

Appendix

Appendix 1

Applying the implicit function theorem to (11), we find

2

2 21

1 1' '(1 ) 1 1

1 1' '1 1

1'1'

1 ( ) 11 ( )

k r k rq k qk q k qkcdk c

d r rq k q k q k qc c

q x k qk

q x qdk xd k x

Appendix 2

Using (9) and (10), we find

2 21 1 1 1 ( ) 1 1

1 (1 ) (1 ) ( )

1 11 ( )

1 11 ( )

dx r dk r xk kd c d c x

xx

dxd x x

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Benjamin Bental and Dominique Demougin 31

Appendix 3

Observing that m nx , we have

1 11 1 1 11' 1

1 1 1 1 1' 1 1

1 1 1 1 11

dm dn dk dxx nd d ddk

rk xx n

z

z xx nz

x nv

where v is the elasticity of z with respect to n which is, by assumption, a positive num-ber. The term outside the bracket is negative by Assumption 1. Observe that at k we have 0dm d , whereas at x it becomes negative. Thus, m peaks for an interme-diary value of .

Appendix 4

Taking the first-order condition of (15) yields

1

( ) ( ) ( '( ) ) ( )

( ) ( ) ( )

( ) ( )

x

x

x

W n pf k rk n p x f k pf k r k z n n m c

n pf n p x f k p f k k n x nx c

n p k xc n x p k c p k k

Observing that the first term is zero by the worker’s entry condition, we have

1 1( ) ( ) (1 )xkW n x p k c p k k pnk x

x k

where we use 1xxp p by Remark 1 in the text.

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32 Labor Market Frictions and Optimal Bargaining Power

Finally, applying the results from Appendix 1 and 2, we obtain

1 1 ( ) 1 1 1(1 ) 11 ( ) ( )

xW pnk x pnkx x x

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Stefan Felder

Optimal Tax Deductions for Educational Expenses

1. Introduction

2. Taxation and an Individual’s Decisions on Financial and Human Capital Investments

3. The Optimal Tax Deduction Rate for Educational Expenses

4. The Model with Endogenous Labor Supply

5. Discussion

6. Conclusion

References

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1. Introduction

On January 25, 1999, Gerhard Schwödiauer addressed a large crowd that was assembled before the parliament of Saxony-Anhalt demonstrating against cutbacks for universities and technical schools. Borrowing from insights of endogenous growth theory,1 he ar-gued for public investments in education. The present paper abstracts from aggregate human capital investments, focusing instead on private investment in human capital and its treatment by the tax code. Tax reforms in many countries tend to lower marginal tax rates and to broaden the tax base, e.g., by restricting the range of admissible tax deduc-tions. Germany, for instance, lowered the tax deductibility of commuting expenses in 2004, and eliminated subsidies to first-time homeowners in 2006. It plans to delete fur-ther itemized deductions and to compensate tax payers by increasing the flat tax deduc-tion.

The current policy of tax deductibility of work-related educational expenses and free public education favors human capital investments. Moreover, as was first observed by Heckman (1976), capital income taxation discriminates against financial investments and encourages people to acquire too much human capital. Nielsen/Sorensen (1997) demon-strate that a progressive labor income tax is third best, as it alleviates the distortionary effect of the capital income tax on human capital investments. The present paper takes up the Nielsen-Sorensen life-cycle model to study tax deductibility of educational ex-penses. Unlike Nielsen/Sorensen (1997), it includes the monetary cost of education in addition to the foregone wage, while not considering progressive taxation.

The organization of the paper is as follows. Section 2 presents the two-period life-cycle consumption model and characterizes the first-order conditions for optimal decisions on financial and human capital investments given the tax rates on capital and labor income and a tax deduction rate for educational expenses. Section 3 studies a Pareto-efficient tax reform that optimally sets the labor income tax rate and the tax deduction rate for educa-tional expenses. Section 4 considers endogenous labor supply, while Section 5 discusses the optimal tax rule. Section 6 concludes.

1 See, e.g., Sorensen (1993).

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36 Optimal Tax Deductions for Educational Expenses

2. Taxation and an Individual’s Decisions on Financial and Human Capital Investments

The lifetime utility of a representative individual is given by a utility function of the form

(1) 1 2 1 2 11 22 12( , ), 0, 0, 0, 0, 0u u c c u u u u u ,

where c1 and c2 are consumption in the first and the second period of life, respectively. In the first period, the individual faces the budget constraint

(2) 1(1 )(1 ) (1 )s w t e q d e c

with s denoting financial savings, w denoting the pre-tax real wage rate, t being the flat labor income tax rate and e indicating the time spent on education. The individual’s total time endowment is normalized to one, so that 1 e represents the time spent working in the labor market in the first period of life. q denotes the pecuniary price per unit of time spent learning and d the tax deductibility rate for educational expenses. The total cost of education and training are equal to foregone after-tax wages plus pecuniary expenses for education subsidized by the tax deductibility rate; hence total cost of education amount to (1 ) (1 )e w t q d . Rewriting (2) as

11(1 ) (1 )1

ds t w e q e ct

reveals that d = t (d < t) implies (less than) full deductibility of educational expenses from the tax base. In the second period of life the individual’s consumption possibilities are determined by her financial and human capital investments in the first period, giving rise to the budget constraint

(3) 2 1 (1 ) (1 ) ( ), 0, (0) 1, ' 0, '' 0,c r s w t h e e h h h

where r is the pre-tax real interest rate and the tax rate on capital income. The human capital production function h(e) implies positive but diminishing returns to scale spent

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Stefan Felder 37

on education and training. Combining equations (2) and (3) gives the lifetime budget constraint

(4) 1 21(1 ) 1 ( ) 1 , ,

1 (1 )c pc w t e ph e q d e p

r

where p is the relative price of future consumption in terms of present consumption. The individual maximizes lifetime utility (1) subject to the budget constraint (4). The first-order conditions for the solution can be combined to yield

(5) 1

2

(1 ) '( ) 1 (1 ) 1(1 ) (1 )

w t uh e rw t q d u

.

This equation states that the tax-adjusted rate of return on human capital investment, the after-tax rate of return on financial investment, and the rate of time preference will all be identical in the individual’s optimum. Equation (5) reveals the effect of taxation on the individual’s decision. When no distortionary taxes and subsidies apply, the private and social returns to financial and human capital investments are both equal to the interest rate. Even a pure labor income tax can produce a first-best outcome when it comes with full deductibility of educational expenses (i.e., d = t).

By contrast, the capital income tax drives the social return to human capital investments below the social return on financial investments and, thus, distorts the individual’s deci-sions. The deduction rate for educational expenses, then, has to be lowered to partly off-set the adverse effect of the capital income tax.

3. The Optimal Tax Deduction Rate for Educational Expenses

Assume a small open economy where the real pre-tax interest rate is fixed at the world level. With capital and labor as production inputs, optimal production plans ensure that the marginal product of capital is equal to the pre-tax real interest rate and that the mar-ginal product of effective labor input is equal to the pre-tax real wage rate. With a linear homogenous production function f (k) and a stationary population, this leads to

'( )f k r and ( )w f k rk , where k is the capital intensity of production, per capita effective labor input being 1 + e + h(e). The exogenous world real interest rate thus de-

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38 Optimal Tax Deductions for Educational Expenses

termines domestic capital intensity and the domestic pre-tax real wage rate. The first-order condition (5) and the budget constraint (4) of the individual’s maximization prob-lem imply respective demand functions for consumption and education:

(6)1 1

2 2

(1 ), (1 ), ,

(1 ), (1 ), ,

(1 ), (1 ), .

c c w t q d p

c c w t q d p

e e w t q d p

With these equations, we gain the individual’s indirect utility function:

(7) 1 2(1 ), (1 ), (1 ), (1 ), , (1 ), (1 ),V w t q d p u c w t q d p c w t q d p .

The derivatives of the indirect utility function with respect to the income tax rate and the tax deduction rate for educational expenses can be found to be

(8) (1 ) andV Vw e ph qet d

,

respectively, where denotes the marginal utility of income earned in the first period of life. The government finances its fixed per capita expenditures g and the subsidies for education by taxing labor and capital income. Let us consider a tax reform in which the government optimizes the labor income tax rate t and the tax deductibility rate d given the capital income tax rate .

Welfare of the old generation in the pre-reform period is held constant by an unchanged “old” labor income tax rate to. Moreover, the government optimally sets t and for the current and future generations. More specifically, it issues (or retires) public debt to bal-ance the budget in the reform period and keeps the corresponding deficit (surplus) con-stant in subsequent periods. The public budget constraint in all periods following the reform, then, is

(9) (1 ) ( ) 1 ( )o o og dqe r g dqe tw e t wh e rs tw e h e rs ,

where the term in brackets on the left-hand side of (9) represents public net savings in the reform period. The government’s goal is to maximize indirect utility of the represen-

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Stefan Felder 39

tative individual (7) subject to (9). Using the savings equation (2) and equation (8), the first-order conditions for the solution of this problem can be written as

(10)1

(1 ) ( 1 ) (1 ) (1 ) (1 )

(1 )(1 ) (1 ) 0

ew e ph tw h r dq r r w t q dt

cw e r h r w et

and

(11)1

( ' 1 ) (1 ) (1 ) (1 )

(1 ) 0,

eqe tw h r dq r r w t q dd

cqe r r qed

where denotes the shadow price associated with the public budget constraint (9). Eli-minating the shadow prices and from (10) and (11) as well as inserting the first-order condition (5) and transformations lead to

(12)1 1

1( ) ' (1 )1

(1 ) .

r e eq t d rph w qe w e pht t d

c cr qe w e pht d

A comparative static analysis yields

(13)

1 111 112 222 22

2

(1 ) 0, 0,1 1

(1 ) 0, 0.'' (1 )'' (1 )

c w e ph c qeu ut dp pu u

e q d e qt d ph w tph w t

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40 Optimal Tax Deductions for Educational Expenses

Combining (12) and (13) and using the budget constraint (4), we find

(14) 1 2( ) (1 ) ' (1 ) 0'' (1 )

c pct d q r rph w tph w t

.

Since the fraction in (14) is positive ( '' 0h ), the bracketed term must be zero. It follows that d t due to ' 0h . Hence, less than full deductibility of educational expenses is optimal when capital income is taxed. If the capital income tax rate is zero, the optimal tax deductibility rate equals the labor income tax rate, implying that full deductibility of educational expenses applies. In this case the human capital investment is undistorted by the labor income tax since the return is reduced by the same amount as the price of the investment. Introducing a capital income tax favors human capital investments and low-ers the social return to human capital investments below the social (pre-tax) return to financial investments. To counteract this distortion, it is optimal to reduce the tax de-ductibility rate of educational expenses below the labor income tax.

Note that the case for less than full tax deductibility of educational expenses is equiva-lent to the argument for a progressive labor income tax schedule. Both measures have a negative effect on human capital investments, and this counteracts the (distortionary) positive effect of the capital income tax on human capital.

4. The Model with Endogenous Labor Supply

When one introduces demand for leisure in the two periods of life, l1 and l2, lifetime util-ity of the individual is given by

(15) 1 2 1 2( , , , )u u c c l l ,

where marginal utility is positive, but declining, in all four arguments. The lifetime budget constraint in the extended model is

(16) 1 2 1 2(1 ) 1 ( ) (1 ) (1 )c pc w t e l ph e l q d e .

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Stefan Felder 41

The government’s budget constraint for the periods following the period of a Pareto-efficient tax reform modifies to

(17) 1 2

1 2

(1 ) (1 )

1 (1 ) .

oo og dqe r g dqe tw e l t wh l rs

tw e l h l rs

Maximizing indirect utility of the representative individual subject to (17) leads to

(18)

2 1 2

1 11 2

1 11 2

2 21 2

( ) (1 ) '(1 ) 1 (1 )1

1 (1 )

(1 ) (1 ) 1 (1 )

1 (1 ) 0.

q t d e er rph l w qe w e l ph lt t d

c cr qe w e l ph lt d

l lw t r r t qe w e l ph lt d

l ltw qe w e l ph lt d

The effects of marginal changes in tax and deductibility rates on education demand re-main qualitatively unchanged when endogenous labor is introduced:

(19) 1 21 2 22

1 (1 ) 0'' (1 ) (1 )

e e c pcqe w e l ph l qt d ph w l t

.

If one assumes additive utility across periods and regular conditions regarding intratem-poral substitution between leisure and consumption, then the terms in brackets in lines two, three, and four of (18) are all negative. Since the second bracketed term in line one is positive (due to (19)), the first bracketed term must be positive as well. This, in turn, again implies that d < t.

Nielsen/Sorensen (1997) characterized the conditions under which endogenous labor supply strengthens the case for progressivity of the labor income tax schedule. As long as second-period labor supply is not too elastic, and cross substitution or complementary effects are not too strong, it is optimal to further increase the tax rate on second-period labor supply.

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42 Optimal Tax Deductions for Educational Expenses

In our model progressivity of the labor tax is not considered, but can be mimicked by choosing the deduction rate for educational expenses. Not granting full deductibility negatively affects labor supply in the second period of life. If first-period labor supply is relatively elastic, then, in order to minimize the deadweight loss from the tax system, it is optimal to tax second-period labor supply more heavily. This can be achieved by low-ering the tax deduction rate for educational expenses. In other words, the case for less than full deductibility is strengthened when labor supply is endogenous.

5. Discussion

Nerlove et al. (1993) offer a model where a comprehensive income tax discriminates against investments of human capital. Their model includes depreciation of human capi-tal that is not tax deductible, but abstracts from tax deductibility of educational expenses. Our model can easily be extended to include depreciation of human capital. When is the depreciation rate, the total price of education becomes (1 ) (1 )w t q d . In the absence of capital income taxation, the optimal deductibility rate for educational ex-penses is d t t ; hence, the labor income tax is no longer an upper bound on the optimal deductibility rate for educational expenses. In other words, the optimal tax de-ductible exceeds the individual’s educational expenses. It should also include the depre-ciation of human capital. If capital income taxation is considered, we will find d t ,which could imply less or more than full tax deductibility, depending on the size of the capital income tax rate and the human capital depreciation rate, respectively.

Nielsen/Sorensen (1997) demonstrate the efficiency of the so-called dual income tax system in Scandinavia which combines a flat capital income tax rate with a progressive tax rate on labor income. Taxing income from skilled labor at a higher rate than that from unskilled labor counteracts the discrimination of financial investments stemming from the capital income tax. Nielsen/Sorensen (1997) only consider foregone wages by assuming free education. But the government has alternatives as it could consider impos-ing tuition fees and restricting tax deductibility of educational expenses. As already noted, to some extent tax deductibility of educational expenses and progressive labor income taxation are equivalent. Full equivalence does not hold when labor supply is en-dogenous. A progressive income tax distorts the intertemporal allocation of leisure, while deductions for educational expenses are neutral in this respect. Thus, from an effi-ciency standpoint, having people partly pay for their education should be preferred over a progressive labor income tax.

A series of papers that analyze education subsidies in models with skilled and unskilled labor has been published recently. Wigger (2004) proves that it is never optimal to com-bine a non-linear income tax with a subsidy to educational expenses. Bovenberg/Jacobs

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Stefan Felder 43

(2005) come to opposite conclusions claiming that “redistribution and education subsi-dies are Siamese twins”. Richter (2007) uses the difference in the structure of the models employed by the authors to explain these opposing results. He then shows that “effi-ciency in education decisions requires subsidizing (taxing) the monetary cost of educa-tion if labor income is taxed progressively (regressively) with respect to qualification.” However, he can prove that the regressive regime with a tax on education is the domi-nant strategy, as the revenue from the education tax can be used to reduce the overall distortion of the tax system. This result is analogous to the (weak) double dividend in environmental economics where taxing the polluters is preferred to subsidies granted for curbing emission levels.2

6. Conclusion

In many countries public education is free and private expenses for work-related educa-tion are tax deductible. This policy favors human capital investments at the cost of fi-nancial investments, a distortion that is exacerbated by the taxation of capital income. This paper shows that the labor income tax justifies tax deductions of educational ex-penses. However, the corresponding deduction rate should, in general, not exceed the labor income tax rate. In other words, granting full tax deductibility for educational ex-penses is not optimal when capital income is taxed.

References

Bovenberg, A. L.; Jacobs, B. (2005): Redistribution and Education Subsidies are Sia-mese Twins, Journal of Political Economy 89, pp. 2005–2035.

Bovenberg, A. L.; De Mooij, R. A. (1994): Environmental Levies and Distortionary Taxation, American Economic Review 94, pp. 1085–1089.

Goulder, L. H. (1995): Environmental Taxation and the ‘Double Dividend’: A Reader’s Guide, International Tax and Public Finance 2, pp. 157–183.

Heckman, J. J. (1976): A Life-Cycle Model of Earnings, Learning, and Consumption, Journal of Political Economy 84, pp. 11–44.

2 See Goulder (1995) and Bovenberg/De Mooij (1994).

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44 Optimal Tax Deductions for Educational Expenses

Nielsen, S. B.; Sorensen, P. B. (1997): On the Optimality of the Nordic System of Dual Income Taxation, Journal of Public Economics 63, pp. 311–329.

Nerlove, M.; Razin, A.; Sadka, E.; Weizsäcker R. K. (1993): Comprehensive Income Taxation, Investments in Human and Physical Capital, and Productivity, Journal of Public Economics 50, pp. 397–406.

Richter, W. F. (2007): Taxing Human Capital Efficiently: The Double Dividend of Tax-ing Nonqualified Labour More Heavily than Qualified Labour, Working Paper, Uni-versity of Dortmund.

Sorensen, P. B. (1993): Human Capital Investment, Government, and Endogenous Growth, Finanzarchiv 50, pp. 73–93.

Wigger, B. U. (2004): Are Higher Education Subsidies Second Best?, Scandinavian Journal of Economics 106, pp. 65–82.

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg

Flexicurity Capitalism

1. Sustainable Social Evolution Through the Reserve Army Mechanism?

2. Flexicurity Capitalism: National Accounts

3. Dynamics: Convergence Towards Balanced Reproduction

4. Company Pension Funds

5. Education, Equal Opportunities, and Democracy

References

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1. Sustainable Social Evolution Through the Reserve Army Mechanism?

This paper starts from the hypothesis that Goodwin’s (1967) classical growth cycle, modeling the Marxian reserve army mechanism, does not represent a process of social reproduction that can be considered as adequate and sustainable in a social and democ-ratic society in the long run. The paper derives on this background a basic macrody-namic framework where this form of cyclical growth and economic reproduction of capi-talism is overcome by an employer of “first” resort, added to an economic reproduction process that is highly competitive and flexible and thus not of the type of the past East-ern socialism. Instead, there is high capital and labor mobility (concerning hiring and firing in particular), and thus flexibility, whereby fluctuations of employment in this first labor market of the economy (the private sector) are made socially acceptable through the security aspect of the flexicurity concept by a second labor market where all remain-ing workers (and even pensioners) find meaningful occupation.

The resulting model of flexicurity capitalism with its detailed transfer payment schemes is in its essence comparable to the flexicurity models developed for the Nordic welfare states and Denmark in particular. We show that this economy exhibits a balanced growth path that is globally attractive. We add here that credit financed investment, and thus more flexible investment behavior, can be easily added without disturbing the prevailing situation of full capacity growth.1 We thus do not yet get demand- but only supply-driven business fluctuations in such an environment with both factors of production al-ways fully employed.2 This combines flexible factor adjustments in the private sector with high employment security for the labor force and shows that the flexicurity variety of a capitalist economy, protected by the government, can work in a fairly balanced manner.

Solow’s (1956) famous growth model is to a certain degree also of the flexicurity type, since competitive firms are always operating on their profit-maximizing activity level and since the labor market is assumed to always guarantee full employment. We thus have employment flexibility again coupled with income security, through the assumed behavior of firms and through the assumption of perfectly flexible money wages. The monetarist critique of Keynesianism and recent work by Blanchard/Katz (1999) in par-ticular suggest, however, a wage Phillips curve which, when for example coupled with the assumption of myopic perfect foresight regarding the price inflation rate, implies a

1 See Flaschel et al. (2007) for details. 2 See, however, the related paper of Flaschel et al. (2007) for the occurrence of Keynesian business cycles

in such a framework.

Page 51: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

48 Flexicurity Capitalism

real wage Phillips curve where the growth rate of real wages depends positively on the employment rate and negatively on the level of the real wage rate. Adding such empiri-cally supported real wage rigidity to the Solow model then gives rise to two laws of mo-tion, now for labor intensity and the real wage, a dynamical system which approaches the situation of the overshooting Goodwin growth cycle mechanism if factor substitution in production is sufficiently inelastic and if the Blanchard/Katz (1999) real wage error correction term in the Phillips curve is sufficiently weak. Solow’s growth model thus becomes a variant of the classical distributive growth cycle and its overshooting reserve army mechanism, the adequacy of which for a democratic society is questioned in this paper. An empirical example of what is meant by this latter statement is provided by Figure 1.

Figure 1: UK distributive cycles 1870 to 2004; WS = wage share, ER = employment rate

The important insight that can be obtained from Figure 1 for the UK from 1855 to 1965 is that the Goodwin cycle must have been significantly shorter before 1914 (with larger fluctuations in employment during each business cycle), and that there has been a major

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 49

change in it after 1945. This may be explained by significant changes in the adjustment processes of market economies for these two periods: primarily price adjustments before 1914 and primarily quantity adjustments after 1945. Based on data until 1965 one could have expected that the growth cycle had become obsolete (and maybe also the business cycle as it was claimed in the late 1960’s). Yet, extended by the data shown in Figure 1, taken from Groth/Madsen (2007), it is now obvious that nothing of this sort took place in the UK economy. In fact, we see in Figure 1 two periods of excessive over-employment (in the language of the theory of the NAIRU) which were followed by periods of dra-matic underemployment, both started by periods of the more or less pronounced occur-rence of stagflation.

Generating order and economic viability in market economies by large swings in the unemployment rate (mass unemployment with human degradation of part of the families that form the society), as shown above, is one way to make capitalism work, but it must surely be critically reflected with respect to its social consequences. Such a reproduction mechanism is not compatible with an educated and democratic society in the long run, as we shall describe it in this paper, which is supposed to provide equal opportunities to all of its citizens.

This situation must therefore be contrasted with an alternative social structure of accu-mulation that allows combining the situation of a highly competitive market economy with a human rights bill that includes the right (and the obligation) to work and to get income from this work that at the least supports basic needs and basic happiness. The Danish flexicurity system may provide an example on the way to such an alternative. By contrast, a laissez-faire capitalistic society that ruins family structures to a considerable degree (through alienated work, degrading unemployment, and education- and value-decomposing visual media) cannot be made compatible with a democratic society in the long run, since it produces conflicts that may range from social segmentation to class clashes, racial clashes and more. By contrast, we argue in this paper that stable balanced reproduction is possible under a social regime of flexicurity capitalism that is backed by reflected educational principles concerning skill formation and citizenship education in a democratic society.

2. Flexicurity Capitalism: National Accounts

We now design as an alternative to the Goodwin growth cycle a model of economic growth that rests in place of overaccumulation (in the prosperity phase) and mass unem-ployment (in the stagnant phase) on a second labor market which through its institutional setup guarantees full employment in its interaction with the first labor market, the em-ployment in the industrial sector of the economy, which is modeled as highly flexible

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50 Flexicurity Capitalism

and competitive. We first reconsider the sector of firms in such an economy (see Ta-ble 1).

Uses Resources

K K

1 1 1p

d d YL Lz

1 2 rC C C

2 2w

fL G

( )fY ( )fI Y

1R R 1S

pY pY

Table 1: Firms: production and income account

This account is a simple one. Firms use their capital stock (at full capacity utilization as we shall show later on) to employ the amount of labor 1

dL (in hours) at the real wage 1,the law of motion of which is to be determined from a model of the wage-price interac-tion in the manufacturing sector. They in addition employ labor force

12 constw df ffL L from the second labor market at the wage 2 which is a con-stant fraction of the market wage in the first labor market. This labor force 2

wfL is

working the normal hours of a standard workday, while the workforce 1wL from the first

labor market may be working overtime or undertime depending on the size of the capital stock in comparison to its own size. The rate 1 1

d wwu L L is the utilization rate of the workforce in the first labor market, the industrial workers of the economy (all other em-ployment originates from the work of households occupied in the second labor market).

Firms produce full capacity output31 1 2p rY R C C C I K G that is sold to

the two types of consumers (and the retired households), the investing firms, and the government. The demand side of the model is formulated in a way such that this full ca-pacity output can indeed be sold. Deducting from this output Y p of firms their real wage payments to workers from the first and the second labor market (and depreciation) – the term S1 is equal to 1R R –, we get the profits of firms which are here assumed to be invested fully into capital stock growth K I We thus have classical (direct) in-vestment habits in this model with an employer of first resort.

3

Augmented by company pension payments 1 R.

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 51

We assume a fixed proportions technology with p py Y K the potential output-capital ratio and with 1

dpz Y L the given value of labor productivity (which determines the employment 1

dL of the workforce 1wL of firms). We next consider the households sector

which is composed of worker households working in the first labor market and the re-maining ones that are all working in the second labor market (see Table 2).

Income account (households I)

Uses Resources

1 1 1 1(1 ) dh hC c L

2 2 1 12 (1 )w dh hhL c L

1 1dhT L

2 1 22 2w w w w

gf hL L L L L

2 r r rL L L

1S 1 1dL

11 1w dY L 11 1

w dY L

Income account (households II)

Uses Resources

2C 2 2 2 1w w wL L L L

2wY 2

wY

Table 2: Households I and II (primary and secondary labor market)

Households of type I consume manufacturing goods of amount C1 and services from the second labor market 2

whL They pay (all) income taxes T and in addition – via further tax

transfers – all workers’ income in the labor market that is not coming from firms, from them, and from government (which is equivalent to an unemployment insurance). More-over, they pay the pensions of the retired households, 2 rL , and accumulate their re-maining income S1 in the form of company pensions into a fund R that is administrated by firms (with inflow S1, see the sector of households, and with outflow 1R ).

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52 Flexicurity Capitalism

The transfer 2 1 22 2( ( ))w w w wgf hL L L L L can be considered as solidarity payments,

since workers from the first labor market that lose their job will automatically be em-ployed in the second labor market where full employment is guaranteed by the govern-ment (as employer of first resort). We consider this employment as skill preserving, since it can be viewed as ordinary office or handicraft work (subject only to learning by doing when such workers return to the first labor market). The second sector of house-holds is modeled here in the simplest way that is available: Households employed in the second labor market, i.e., 2 22 2

w w w wgf hL L L L pay no taxes and totally consume their

income. We have thus classical saving habits in this household sector, while households of type I may have positive or negative savings S1 as residual from their income and ex-penditures. We assume as law of motion for pension funds R:

(1) 1 1R S R

where 1 is the rate by which these funds are depreciated through company pension payments to the “officially retired” workers Lr assumed to be a constant fraction of the “active” workforce r rL L These worker households are added here as not really in-active, but they offer work according to their still existing capabilities that can be con-sidered as an addition to the supply of work organized by the government

1 2 2( )w w wf hL L L L , i.e., the working potential of the officially retired persons remains

an active and valuable contribution to the working hours that are supplied by the mem-bers of the society. It is obvious that the proper allocation of the work hours under the control of the government needs thorough reflection from the microeconomic and the social point of view, which however cannot be a topic in a paper on the macroeconomics of such an economy. The income account of the retired households, shown in Table 3, shows that they receive pension payments as if they would work in the second labor market and they get in addition individual transfer income (company pensions) from the accumulated funds R in proportion to the time they have been active in the first labor market as portion of 1 R by which the pension funds R are reduced in each period.

Uses Resources

rC 2 1r r rL R L L

rY rY

Table 3: Income account (retired households)

There is finally the government sector which is also formulated in a very simple way in Table 4.

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 53

Uses Resources

gG T 1 1dhT L

2 2 (1 )w ggL T

2 1 22 2w w w w

gf hL L L L L 2 wrL

2 rL 2 r L

gY gY

Table 4: Government: income account (fiscal authority / employer of first resort)

The government receives income taxes, the solidarity payments (employment benefits) for the second labor market paid by workers in the first labor market, and old-age pen-sion payments. It uses the taxes to finance government goods demand G and the surplus of taxes over these government expenditure to actively employ workers in the govern-ment sector. In addition, it employs the workers receiving unemployment benefits and it in fact also employs the “retired” persons to the extent they can still contribute to the various employment activities.

We thus have that the total labor force in the second labor market is employed by firms, by households of type I, and the remainder through the government. We thus have that the income payments to workers in the second labor market, 2 2

wL , that are not originat-ing from their services to firms, to households of type I or through an excess of income taxes over government commodity expenditures are paid out of transfers from the household sector that works in industrial production to the government, and that on the basis of these payments the remaining work in the second labor market is organized by the government (in the way it does this in the administration of the state in all modern market economies).

In sum we get that workers are employed either in the first labor market and if not there then by doing auxiliary work within firms, services for households of type I or services in the government sector concerning public administration, infrastructure services, edu-cational services or other public services (in addition, there is potential labor supply r Lfrom the retired households, which due to the long-life expectancy in modern societies can remain effective suppliers of specific work over a considerable span of time). In this way the whole workforce is always fully employed in this model of social growth (and the retired persons according to their capabilities and willingness) and thus does not suf-fer from human degradation in particular. Of course, there is a variety of issues concern-ing state organized work that point to problems in the organization of such work, but all

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54 Flexicurity Capitalism

such problems exist also in actual industrialized market economies in one way or an-other. We thus have a classical growth model of the economy where full employment is not assumed, but actively constructed and where – due to the assumed expenditure struc-ture – Say’s law holds true, i.e., the capital stock of firms is also always fully utilized.

3. Dynamics: Convergence Towards Balanced Reproduction

Based on Flaschel et al. (2007), we have in this model type a real wage Phillips curve as it was described here in the introductory section which can be represented in stylized form as follows:

(2) 1 2 1' 2 '1 1 1ˆ ( ) ( ) 0 0wG G l G G

The first term on its right hand side represents the Blanchard/Katz (1999) real wage error correction term, while the second one derives from the utilization rate 1

wdwu l l of the workforce employed by firms (expressed in per unit of capital form) where dl is here assumed a given magnitude due to fixed proportions in production and due to full capac-ity growth. The assumption 2 ' 0G thus simply states that real wage dynamics depends on the utilization rate of the workers of firms from the first labor market. The growth rate of the workforce of firms (the recruitment of new workers), 1ˆ

wl , also depends posi-

tively on 1wdwu l l as suggested by Okun’s law and thus also negatively on its own

level. Moreover, since 1wl is measured per unit of capital, we get a negative effect from

the rate of profit on the growth rate of this term (through the investment behavior of firms) and thus a positive effect of real wages in the second law of motion of the econ-omy which in general terms therefore reads

(3) 1 2 1' 2 '11 1ˆ ( ) ( ) 0 0w wl H H l H H

Such 2D dynamics allows for the application of the following Liapunov function to be used in the stability proof that follows:

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 55

(4)1 1

1 1

211 1

1 11 11 1

( )( )( )w

o wo

l ww w

wl

GH lV l d dll

This function describes by its graph a 3D sink with the steady state of the economy as its lowest point, since the above integrates two functions that are negative to the left of the steady state values and positive to their right. For the first derivative of the Liapunov function along the trajectories of the considered dynamical system, we moreover get:

(5)

211 11 11 1

1 11 21 1 1 11 1 2 2 1 21 1 11 1 1

1 1 2 21 1 1 11 1 2 21 1 1 1

1 1 1

( ( ) ( )) ( )( )

ˆ( ) ( )ˆ

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )

( ) ( ) ( ) ( )

( ) ( ) ( ) ( )

0 ( 0 if and only if

w ww

w

ww

w w w

w w

w w

o w

dV t l t G lHV ldt l

H G l l

H G G l G l H H l

H G G l H l

H G G l H l

l 1 )wol

since the multiplied functions have the same sign to the right and to the left of their steady state values and thus lead to positive products with a minus sign in front of them (up to the situation where the economy is already sitting in the steady state). We thus have proved that the following proposition holds.

Proposition

The interior steady state of the dynamics (2), (3) is a global sink of the function V, de-fined on the positive orthant of the phase space, and is attracting in this domain, since the function V is strictly decreasing along the trajectories of the dynamics in the positive orthant of the phase space, i.e., its economic part.

4. Company Pension Funds

There is a further law of motion in the background of the model that needs to be consid-ered in order to provide a complete statement on the viability of the considered model of

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56 Flexicurity Capitalism

flexicurity capitalism. This law of motion describes the evolution of the pension fund per unit of the capital stock = R/K and is obtained from the defining equation

1 1R S R as follows:

(6)1 1

11 1 1ˆ ˆˆ i.e., ( ) ( )

S RR K SKR K sK R K

with savings of households of type I and profits of firms per unit of capital being given by

(7)

1 2 11 1

1 22 2

1 ( )(1 )( )

( )

ph h h h w rx

w w w wwx gf hr r

c c ys l l

zl l l l l l

l l

i.e., due to the financing of the employment terms 22w w

ghl l

(8)

1 11 11 2

2

1

1 (1 )(1 ) ( )

(1 )1

ph h g h w wr f

pfwf

fp

c ys l l l

zy

lz

yz

For analytical simplicity we assume that the government pursues an immigration policy that ensures the condition ˆn K for the growth rate of the labor force, i.e., the labor supply grows by this migration policy at the same rate as the capital stock. This keeps the ratio l = L/K constant, a simplifying assumption that must be accompanied by the assumption that the actual l must be chosen in a certain neighborhood of a base value

ol that is to be determined later on in order to guarantee the viability of the economy.

Since we are now no longer able to determine the steady state value of the real wage 1from the law of motion for l, we have to supply it from the outside now:

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 57

11o given. This also provides us with the steady state value of the rate of profit

11 (1 )fo pyz

which in turn determines the steady value of natu-

ral growth on . Moreover, we also assume 1 for the depreciation rates of the capital stock and the stock of pension funds for simplicity. This gives for the law of mo-tion of the pension-capital ratio the following differential equation:

(9)

1 111

1

(1 (1 ) )(1 )

(1 )

p ph h g h fwr

pfp

c y yl l

z z

yy

z

We thus get that the trajectory of the pension fund ratio is driven by the autonomous evolution of the state variables 1 1

wl that characterize the dynamics of the private sec-tor of the economy and that has been shown to be convergent to the steady state values

1 ( 1wo pl y z as usual). Assuming that these variables have reached their steady state

positions then gives

(10) 1 111

(1 (1 ) )(1 ) ( )

p ph h g h fworc y y

l lz z

which gives a single linear differential equation for the ratio . This dynamic is globally asymptotically stable around its steady state position ( 1

wo pl y z ):

(11)

1 11

1 (1 ) (1 )(1 )

p ph h g h fr

o

c y yl

z z

In the considered simple case we thus have monotonic adjustment of the pension fund capital ratio to its steady state position, while in general we have a non-autonomous ad-justment of this ratio that is driven by the real wage and employment dynamics of the first labor market. The steady state level of is positive if and only if it holds for the full employment labor intensity ratio that

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58 Flexicurity Capitalism

(12)

1 11

1

1 (1 ) (1 )

( )(1 )

p ph h g h f

r

c y yz zl

Moreover, we now assume that the additional company pension payments to pensioners should add the percentage 100 c to their base pension 2 r l per unit of capital. We thus have a further restriction on the steady state position of the economy if there is an ctarget given: 2

oo c r l and 12o . Inserting the value for o then gives

(13)

1 11

2

(1 (1 ) ) (1 )(1 )

( )

p ph h g h fr

c or

c y yl

z z

l

We thus get that a target value for c demands a certain labor intensity ratio l and vice versa. For a given labor intensity ratio, there is a given percentage by which company pensions are related to base pension payments. This percentage is the larger the smaller the ratio 1

wol l due to the following reformulation of the c formula:

(14)

1 1 1 11

1

(1 (1 ) ) (1 )(1 )

( )

woh h g h fr

cr

c l

l

If this value of the employment labor intensity ratio prevails in the considered economy (where it is of course as usual assumed that 1(1 ) 1h h g hc holds), we have that core pension payments to pensioners are augmented by company pension payments by a percentage that is given by the parameter c (these extra pension payments are distrib-uted to pensioners in proportion to the time they have worked in the private sector). There is thus a negative trade-off between the ratios l and c as expressed by relation-ship (14). This also shows that the total working population must have a certain ratio to the capital stock in order to allow for a given percentage of extra company pension pay-ments.

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 59

5. Education, Equal Opportunities, and Democracy

In this section we extend the model towards the integration of an educational sector. We have to be brief here and assume for simplicity that there are only two types of workers, skilled (S ) and high-skilled (H ) ones. Moreover, we assume that the number of school students P grows with the same rate as the workforce L. Finally, it is assumed that the current system allows a fraction U of P to be at university to become high-skilled work-ers, while the remainder enters the workforce as a member of S after having finished school with a final certificate.

All these subpopulations of the total population therefore grow at the same rate n, that may have failure rates in its background, and is therefore calculated as net rate. Two types of skills are considered, each as a homogenous group, so that all differences be-tween their members are neglected. H persons are employed in industry and in the gov-ernment sector (lawyers, doctors, teachers etc.): Government employs all who are not needed by industry. There are thus two segmented labor markets now (two in industry and two in the area of the employer of first resort). Workers of type H remain in their segment of the labor market throughout their working life (in industry or as government employee), as do workers of type S in their segment of the labor market, i.e., the society is now a segmented one in this single respect. We do not deny that there are jobs for which no long schooling and training is demanded even if more and more so-called sim-ple work also demands solid training nowadays. We here also neglect the possibility that some people elude work or are unable to work and are thus depending on social welfare.

Is there unskilled labor? We reject this concept as an inhumane way of thinking since there is no work that does not demand at least some skills and estimation. Thus, in our model there exists only skilled labor though in the two forms of skilled and high-skilled labor. It is a main educational task to school all students as far as possible and to allow them to find a job according to their skills.

Even though we divide the working population into two groups – skilled and high-skilled workers –, it should be taken into consideration that skilled workers have finished their school time on the same level as high-skilled ones, only with lower results in their final examinations which are equal to “Abitur” in Germany, “Baccalauréat” in France or “A-Level” in Great Britain. Thus, it is guaranteed that the workforce as a whole is well educated and trained far above basic skills. To gain such high qualifications might be regarded as an exaggerated aim, but examples, especially from the Scandinavian coun-tries, show that a strict concept of demand and support will be able to get such results in the school population.

In this section we will first discuss the conditions of a suitable educational system (pre-school and school). To gain the described results demands a strict support of the rules of

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60 Flexicurity Capitalism

equal opportunities in order to eliminate all hindrances for children to participate in an education that fits their abilities and allows them to meet the requirements of the schools. Furthermore, we will discuss the competitive way in which students in their final exams gain university access or not. This concludes the relationship of equal opportunities and competition in a more general aspect.

Secondly, we will deal with the demand of lifelong learning assuming that part of all the people’s leisure time is used for keeping their skills up to date as well as accepting skill enhancements offered by their employers. A generally accepted necessity of lifelong learning will allow for a continuous high skill level in all sectors where skilled or high-skilled workers are doing their job, but it holds true in a similar way for all pensioners who still feel fit to take an active part in the workforce.

We will finally deepen our reflections on education by discussing the role of equal op-portunities in its close relationship to human rights which are strongly related to democ-racy. This leads to the discussion of democracy and citizenship education as well as hu-man rights education. It should be clarified that we can only outline these questions here which will be discussed in more detail in future work.

The School System

To become – and to be – a member of the workforce demands great engagement al-though employment is guaranteed, though the industrial sector is free to hire and fire, since the employer of first resort will take over the worker, both skilled and high-skilled persons. All workers owe their education and welfare expenses to the tax payers, the industrial workers in this model type. Thus, the system is extremely supportive by giving work to all, but it is also highly demanding by expecting full commitment by everyone due to the fact that it depends on the mutual giving and taking in this society. This de-mands a high consensus within the society with regard to the necessity of work and the working conditions. It is the task of education to provide students in (pre-) schools not only with the necessary skills to become adequate workers in their later professions and jobs but also to help them to understand this system and to integrate themselves into it. This kind of integration is not to be misunderstood as a simple adaption, but it con-cludes – as socialization does – the development of an independent, mature, and respon-sible personality which is part of the aim of education as described in this paper.

As we have made clear above, all students will be led to leave school on the level of “Abitur”. Therefore, in our society “school” starts in an early stage, also due to the fact that the mother will normally return to work two years after the birth of the child. Our educational system – named school system for reasons of simplicity – begins for chil-dren at the age of two though nursery schools may be available for younger kids if par-ents prefer so. All forms of schooling are thought to be all-day institutions though fami-lies may have a choice of less schooling until the child is three years old. In nursery schools children are cared for by trained personnel. Even if there is no formal training,

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 61

they already learn first – mainly social – skills which include first behavior rules in a community such as how to share toys, how to behave during meals in an age-adequate way etc.

Further skills that are learnt in this age are linguistic and communicative ones. This hap-pens in families, too, but in an educational setting as in a nursery school more support will be given by guiding the children. As in kindergarten, children also learn at the age of two to use materials and thus train their fine motor skills. They are also trained to use their bodies and exercise their movements. This demands caretakers with a good training on a university level. This holds as well true for the following kindergarten period which should last for three years. Skills which are already trained in a first approach in the nursery schools will now be deepened in a more and more systematic way though, of course, the stages of development of a child have to be kept in mind as well as the neces-sity of formal and especially informal play. When the last kindergarten year is either transferred to primary schools or organized together with them, it is possible to allow for a gradual transition into school.

Following the Scandinavian role model, all children will be together in a general school at least until grade eight or nine when they are about 15 or 16 years old.4 Any earlier division into different school types would not only demand a selection before all main abilities will be developed, but also a selection before or just when they have reached puberty. When students have to opt for different types of secondary or high school there-after, they can be aware that all types will lead them to a matriculation certificate though with different focuses (either more academic or more technical) and a different length of schooling (between two and four years depending on the preferences of a student) so that they are able to plan their secondary school time with the help of their teachers, follow-ing their individual abilities and interests.

This school system needs to bring to light all abilities and interests a child may have, since otherwise the ambitious aim of a final certificate for all cannot be reached. This means that the school education works in a way such that educational support for the differently talented students obeys the principle of equal opportunities. We have a dou-ble task resulting from the principles of equal opportunities where each child will be given the optimal support. The one task is to eliminate social or structural hindrances such as family income, level of education of the parents, social stratum, migration back-ground etc. In our system, these forms of disadvantages should become less important when all – or at least most – parents will be skilled or high-skilled persons with an ade-quate income. Yet, disadvantages – which are often connected with discrimination – may remain due to the background of a family. Here it is an important task of all forms of schooling to overcome these disadvantages by giving the necessary support.

4 See, e.g., Ministry of Education and Science of Sweden (2004).

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62 Flexicurity Capitalism

While this is also a task to be fulfilled by the state and the society, it is the domain of schools and education to find the special abilities of a child and support them as the sec-ond task. Education has to improve its didactics and methods, so that each child can be supported in its special competencies, and furthermore that each child can be supported individually so that he or she will be able to pass a successful school career. This strong focus on individual support in relationship with the common aim of reaching the final certificate demands not only a well equipped school with regard to teaching personnel, further personnel such as social workers, psychologists, librarians, medical helpers and close relationships with professionals from outside such as sport trainers, artists etc., but it also demands a well equipped school with attractive rooms and interior. Special sup-port will be given for students with disabilities within integrative classes.5 Equal oppor-tunities are thus an aim in the school system, but also the way in which the ambitious aim of a final certificate for all can be reached.

It has to be asked how the competitive end of school, when only those with the best re-sults will be allowed to go to university, fits into this approach. This is surely a more general question of whether equal opportunities are compatible and if so, in which way, with competition. Competition is part of school life and in most cases it is a planned part of education, e.g., in those sports where naturally a winner will be declared at the end, such as sprinting or high jumping, where students are not equally quick. In schools where individual abilities are detected and supported, competition in this sense will do no harm since students learn that they have different abilities which make them winners in different disciplines, yet education has to make sure that there are no obvious losers.

This attitude is supported when students are not ranked within their class but measured by their individual progress. Then there will be a winner after the 100-meter sprinting, but each child will learn about his or her individual successes or be supported to further improve itself, since all children will take part in sports even if their main abilities are, e.g., in music. The competition at the end of the school time is of a different character, since it is a competition due to the fact that there are not enough university places and subsequent job opportunities for all – following the idea that the society needs only a certain amount of high-skilled persons with university degrees.

Tertiary Education, Lifelong Learning, and Equal Opportunities

This is not the place to discuss the question whether one can imagine a society and work-force where all persons may go to university mainly to complete their personal educa-tion, though the division into skilled and high-skilled positions will not be abandoned. The graded high school where students attend different types of either mainly academic or mainly technical education will already lead to a kind of preliminary decision between those who want to go to university and those who will enter only the skilled workforce

5 See Report of the Special Rapporteur on the Right to Education (2006).

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 63

after receiving their certificate. It will certainly be a task of school education to prepare students to such situations of competition and the possibility of not gaining the wanted position. This has to be compensated by developing individual abilities and skills some of which may be more valid for leisure time, e.g., playing an instrument without reach-ing the top level for orchestra music.

The selection for university will be based on school results in the final certificate, though entry exams are also an option. According to recent results by OECD, there exist realis-tic expectations of about 50 percent of students going to university.6 About half of the students with the final certificate can thus be supposed to become high-skilled workers in our model. This is not the place to go into the details of university education and the distribution of students to different studies, but concluding this discussion of the school system, we want to stress the necessity of an education that allows for individual devel-opment and support under the principles of equal opportunities.

Students who finish school with the final certificate and enter the workforce as well as those who do so after having finished university are already well trained in organizing their learning processes, since one of the principles of teaching will be to teach students how to learn leading them to an independent learning style that fits best for the individ-ual learner. Learning portfolios may be a recommendable way to keep records of this learning process. It can be assumed that young adults will be able to continue with this procedure as well as to continue documenting it.

The European Union had already declared the year 1996 as the European year of lifelong learning and passed a resolution on lifelong learning in 2002.7 It is here stressed that learning starts in the pre-school age and lasts until post-retirement. Furthermore, it is relevant here that the resolution refers not only to all kinds of learning, including the entire spectrum of formal, non-formal, and informal learning, and that the aim of learn-ing is not restricted to skills and competencies with regard to later employment. Instead, it is regarded as important within a personal, civic or social perspective as well. While school education and thus learning in schools follows a common curriculum where the highest possible grade of individualization and interest-dependence is guaranteed, life-long learning after school and university is far more guided by individual interests and the needs of a person, though there will also be on-the-job training in most professions, since skills and knowledge have to be updated on a regular basis.

The idea of lifelong learning adds to the concept of equal opportunities, since the per-sonal access to knowledge and competencies is increased by the possibilities of learning independently of age or position. Therefore, it is necessary that the educational system offers a variety of learning procedures after school and university, such as adult educa-

6 See OECD (2007). 7 See Council (2002).

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64 Flexicurity Capitalism

tion centers, but also the possibility of access to arts, museums, nature and its learning opportunities. Mobility will add to lifelong learning of languages and cultures, but also of professional skills. Lifelong learning includes all forms of social learning and is also highly important for political learning.

Political learning plays an important role in education, especially in a model where the state has a major role as employer and provider of social services. Furthermore, the prin-ciples of equal opportunities on which we have commented above are integrated in po-litical concepts such as human rights so that the necessity of political learning is again underlined. Political learning will be part of school education as well as of lifelong learn-ing. Human rights education provides all necessary contents and skills to cope with in a democratic society, especially since human rights and democracy are inseparably inter-connected. Thus, democracy as the underlying state model as well as equal opportunities as the adequate principle for social justice can be deduced from human rights. Democ-racy education, citizenship education, and human rights education are well-established and partly overlapping forms of education which provide not only an introduction into the necessary knowledge of political structures, but prepare furthermore for different kinds of participation in democratic procedures. Additionally, they intend to increase media competence to allow students as well as adult learners to understand actual politi-cal decision making processes.

We close this paper by the observation that it does not say anything on how the modeled situation can in fact be reached in actual economies, in our view, at current primarily in the Nordic countries.8 Here we simply assume that the individual experience with pro-gress in educational systems, with the need for flexibility as well as security during the working life, and with democratic institutions on all levels of the society will implement ratchet effects in individual and social choice mechanisms which prevent return to the Marxian reserve army mechanism as it has been and continues to be discussed in the many contributions to the original Goodwin growth cycle model.

References

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Blanchard, O. J.; Katz, L. (1999): Wage Dynamics: Reconciling Theory and Evidence, American Economic Review, Papers and Proceedings 89, pp. 69–74.

8 For literature considering social progress paths with endogenous preferences see Binder (2006) and

Weizsäcker (2005).

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Peter Flaschel, Alfred Greiner and Sigrid Luchtenberg 65

Council (2002): Council Resolution of 27 June 2002 on Lifelong Learning, Official Journal of the European Communities C 163/1, http://europa.eu.

Flaschel, P.; Greiner, A.; Luchtenberg, S.; Nell, E. (2007): Varieties of Capitalism – The Flexicurity Model; in: Flaschel, P.; Landesmann, M. (eds): Mathematical Economics and the Dynamics of Capitalism, London, Routledge.

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Groth, C.; Madsen, J. B. (2007): Medium-Term Fluctuations and the “Great Ratios” of Economic Growth, Working Paper, University of Copenhagen.

Ministry of Education and Science of Sweden (2004): Equity in Education, Thematic Review, Country Analytical Report, Sweden, www.oecd.org.

OECD (2007): Education at a Glance 2007, www.oecd.org. Report of the Special Rapporteur on the Right to Education (2006), Vernor Muñoz, on

his Mission to Germany (13 – 21 February), www.netzwerk-bildungsfreiheit.de. Solow, R. (1956): A Contribution to the Theory of Economic Growth, Quarterly Journal

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Paper, University of Cologne.

Page 69: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

Horst Gischer und Thomas Spengler

Personalplanung bei demographischem Wandel: Einzel- und gesamtwirtschaftliche Aspekte

1. Motivation

2. Gesamtwirtschaftliche Perspektive

2.1 Demographische Effekte in der Bundesrepublik Deutschland 2.2 Altersabhängige Beschäftigtenquoten

3. Einzelwirtschaftliche Sichtweise

3.1 Grundprobleme 3.2 Personalbedarfs- und Personalausstattungsanalysen 3.3 Betriebliche Entscheidungen über die Vielfalt von

Beschäftigungsverhältnissen

4. Fazit

Literatur

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1. Motivation

Für viele westliche Industrieländer stellt die fundamentale Veränderung der Altersstruk-tur der Bevölkerung eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte dar. Wenngleich seit geraumer Zeit sowohl erwartet als auch hinreichend plausibel begrün-det, wird dieser demographische Wandel in breiten Teilen der Öffentlichkeit ebenso ig-noriert wie von vielen Unternehmen. Auch in der Politik haben sich die Reaktionserfor-dernisse erst mit beträchtlicher Verzögerung Raum geschaffen.1 Bis dato sind in der Bundesrepublik Deutschland vor allem die Auswirkungen der sich ändernden Alters-struktur auf die sozialen Sicherungseinrichtungen, insbesondere die Rentenversicherun-gen, wahrnehmbar diskutiert worden.

Die ökonomischen Konsequenzen demographischer Prozesse reichen freilich erheblich weiter. Eine im Durchschnitt alternde Gesellschaft wird unter anderem mit dem Problem konfrontiert, in den Altersruhestand wechselnde Arbeitskräfte durch junge Nachrücker zu ersetzen. Dabei steht nicht nur der „reine“ Ersatz des Arbeitsvolumens an, sondern auch (oder besser: primär) die Aufrechterhaltung der in einer Arbeitskraft gebundenen Expertise, also des unternehmensspezifisch thesaurierten Wissens. „Der“ Arbeitsmarkt wird aus der Sicht der Unternehmen in (mehr oder weniger) absehbarer Zukunft nicht nur in Bezug auf die „Menge“ knapp, vielmehr werden zunehmend spezifische „Qualifi-kationen“ in nicht hinreichendem Umfang verfügbar sein.

Der vorliegende Beitrag will die anstehenden Anpassungsvorgänge sowohl aus der ein-zel- als auch aus der gesamtwirtschaftlichen Perspektive beleuchten. Wir skizzieren zu-nächst die quantitativen Auswirkungen des demographischen Wandels auf den aggre-gierten deutschen Arbeitsmarkt und leiten daraus (relative) Knappheitsprobleme für die zukünftig zu erwartende Arbeitsnachfrage ab. Anhand eines stilisierten, auf den Daten eines namhaften deutschen Unternehmens beruhenden Beispiels übertragen wir die ge-wonnenen Erkenntnisse auf die einzelwirtschaftliche Ebene. Vor diesem Hintergrund wird eine Planungsmethode entwickelt, mit deren Hilfe Unternehmen ihre individuellen strategischen Belegschaftsszenarien simulieren und über geeignete Anpassungsmaßnah-men entscheiden können.

1 Immerhin hat die amtierende Bundesregierung die Bewältigung des demographischen Wandels zum Poli-

tikschwerpunkt erhoben.

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70 Personalplanung bei demographischem Wandel

2. Gesamtwirtschaftliche Perspektive

2.1 Demographische Effekte in der Bundesrepublik Deutschland

Statistische Grundlage der Diskussion über demographische Veränderungen in Deutsch-land ist die so genannte elfte koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung.2 Insgesamt werden zwölf Varianten der möglichen Entwicklung des Altersaufbaus bis zum Jahr 2050 diskutiert, regelmäßige Verwendung finden vor allem die Szenarien „1-W1“ bzw. „1-W2“, die auch als „mittlere Bevölkerung, Untergrenze“ respektive „mittlere Bevölke-rung, Obergrenze“ bezeichnet werden. Ohne auf nähere Details eingehen zu wollen, dif-ferieren die verschiedenen Varianten in Bezug auf die unterstellte durchschnittliche Le-benserwartung, den Nettozuzug ausländischer Einwohner (Wanderungssaldo) sowie die Annahmen über die zukünftige Geburtenhäufigkeit. Im Folgenden werden wir uns auf die Variante 1-W2 beschränken, die abgeleiteten Zusammenhänge gelten (mutatis mu-tandis) auch für die übrigen Szenarien.

Für die Analyse der Arbeitsmarktfolgen demographischer Veränderungen ist zunächst einmal zu klären, in welcher Altersspanne Personen grundsätzlich und regelmäßig als Arbeitsanbieter auftreten. Die Altersobergrenze wird durch die gesetzlichen Regelungen für den Eintritt in den Ruhestand festgelegt, die untere Altersgrenze ist vornehmlich durch die Dauer der Schulausbildung bestimmt. Mit Hilfe dieser beiden Grenzen werden (einfache) Indikatoren (Altersquotienten) definiert, die hilfreich sind, um

relative Veränderungen innerhalb eines Landes im Zeitablauf zu beschreiben bzw.

unterschiedliche Gesellschaften (oder Länder) hinsichtlich ihres Altersaufbaus mit-einander zu vergleichen.

Den Nenner der Quotienten bilden 100 Personen der Altersspanne, in der sie annahme-gemäß dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Im Zähler der Quotienten wird darge-stellt, wie viele Personen jünger bzw. älter sind als die im Nenner aufgeführten. Der ein-zelne Altersquotient gibt damit an, wie viele Personen im Durchschnitt von 100 prinzipiell Erwerbstätigen „miternährt“ werden müssen, da diese keine eigenen Erwerbs-einkünfte aufweisen.

Abbildung 1 veranschaulicht die Zusammenhänge unter den Annahmen, dass der regel-mäßige Eintritt in den Altersruhestand mit 65 Jahren erfolgt und das Erwerbsleben mit 20 Jahren beginnt.3 Schon im Jahr 2005 kamen mithin auf 100 Personen im Alter zwi-

2 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006). 3 Eine (mehr oder weniger) marginale Änderung des Beginns des Erwerbslebens, z. B. auf 18 Jahre, ändert

an den Altersquotienten wenig, die hier gewählten Abgrenzungen sind die in der Diskussion gängigen.

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Horst Gischer und Thomas Spengler 71

schen (über) 20 und (unter) 65 Jahren insgesamt 65 Personen, die in einem Alter außer-halb der angenommenen Altersspanne der Erwerbstätigen waren. In der Sprache der Rentenversicherer wird das Ergebnis für 2005 auch dahingehend interpretiert, dass drei Erwerbstätige mit ihren Beiträgen ins Rentensystem rechnerisch einen Altersruhegeld-empfänger „finanzieren“ müssen.

3330 28 3032 34

38

50

65 64 66

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0

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80

100

2005 2010 2020 2030

unter 20 65+ insgesamt

Abbildung 1: Altersquotienten bei Ruhestandsalter 65 Jahre

Der Grafik ist weiterhin zu entnehmen, dass die grundsätzliche Situation zwar bis zum Jahr 2020 insgesamt im Wesentlichen konstant bleibt, freilich hinter dem aggregierten Altersquotienten deutliche Strukturänderungen verborgen sind: Die relative Zahl der jungen Bundesbürger geht deutlich zurück, während der Anteil der Bürger im Alter von über 65 Jahren erkennbar zunimmt. Im Jahr 2030 ist die Zahl der Jungen (relativ) zwar wieder leicht gewachsen, die starke Alterung der Gesamtbevölkerung schlägt sich aber überproportional im kräftig gestiegenen (gesamten) Altersquotienten nieder. Statistisch müsste jetzt ein Rentenempfänger von nur noch zwei Beitragszahlern finanziert werden. Einen denkbaren – und in der Praxis unlängst auch beschrittenen – Ausweg aus diesem Überalterungsproblem stellt die Verlängerung der Lebensarbeitszeit z. B. auf 67 Jahre dar (vgl. Abbildung 2).

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72 Personalplanung bei demographischem Wandel

31 29 27 282630 32

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57 59 59

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0

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2005 2010 2020 2030

unter 20 67+ insgesamt

Abbildung 2: Altersquotienten bei Ruhestandsalter 67 Jahre

Selbstverständlich ändert sich an den grundlegenden Verhältnissen nichts, allerdings erscheint die Situation im Jahr 2030 nunmehr im Vergleich zur Gegenwart (mit einer gesetzlichen Altersgrenze von 65(!) Jahren) noch durchaus tragbar. Der Anstieg des ge-samten Altersquotienten von 65 (aus Abbildung 1) auf 70 über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten sollte verkraftbar sein, auch wenn die Zahl der Ruhegeldempfänger selbst in diesem Szenario bezogen auf 100 Erwerbstätige um zehn Personen (oder rund 30 v. H.) zugenommen hat.

Was die Quotenbetrachtung allerdings verschleiert, ist die Entwicklung der absoluten Bevölkerungszahlen. Zwar bleiben durch die Anpassung des gesetzlichen Rentenalters auch 2030 noch rund 59 v. H. der Bevölkerung in der Altersspanne der Erwerbstätigen (nach knapp 61 v. H. in 2005), die Gesamtbevölkerung ist aber in diesem Zeitraum um mehr als drei v. H. oder knapp 2,7 Mio. Personen gesunken. Allein dieser Effekt führt zu einem (rechnerischen) Rückgang des Arbeitsangebots im Jahr 2030 verglichen mit 2005 um rund 3,2 Mio. Personen.

Die Weiterungen für die strategische Personalplanung von Unternehmen sind offenkun-dig. Je früher die Arbeitgeber ihre jeweilige Beschäftigtenstruktur an die sich ändernden Verhältnisse anpassen, desto geringer werden die Friktionen ausfallen. Gleichwohl kön-nen tendenzielle Engpässe am Arbeitsmarkt auch bei zeitnaher Reaktion auf den bevor-stehenden demographischen Wandel nicht ausgeschlossen werden. Ob eine vollständige

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Horst Gischer und Thomas Spengler 73

Kompensation des rückläufigen Arbeitsangebots über arbeitssparenden technischen Fortschritt, d. h. die Erhöhung der (einzelwirtschaftlichen) Kapitalintensität, möglich sein wird, erscheint zumindest fraglich.

2.2 Altersabhängige Beschäftigtenquoten

Um einen tieferen Einblick in die zu erwartenden Strukturveränderungen zu gewinnen, sollen die bisher hoch aggregierten Bevölkerungsangaben in Fünf-Jahres-Kohorten ge-gliedert werden. Im Vergleich mit der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit4 können sodann altersabhängige Beschäftigtenquoten ermittelt werden, mit deren Hilfe Simulationsrechnungen für die Arbeitsmarktkonsequenzen des demographischen Wandels durchführbar sind.

Die grundlegenden Zusammenhänge stellen sich wie folgt dar: Bezeichnen B die Zahl der Beschäftigten und N die Zahl der Personen in einer Ökonomie sowie der Index j eine beliebig vorgegebene Lebensalterskohorte, dann sei

der Beschäftigtenanteil bj der Anteil der Beschäftigten Bj der Alterskohorte j an der Zahl der Beschäftigten B aller Alterskohorten;

der Bevölkerungsanteil nj der Anteil der Bevölkerung Nj der Alterskohorte j an der Gesamtbevölkerung N aller Alterskohorten;

die Beschäftigtenquote qj der Anteil der Beschäftigten Bj der Alterskohorte j an der Bevölkerung Nj der Alterskohorte j.

Anders formuliert:

(1)

mit ;

mit ;

mit .

jj j

j

jj j

j

j j jj

j j j

BB B b

B

NN N n

N

B b B bBQ q QN N n N n

Durch die Gegenüberstellung der beschriebenen Indikatoren lassen sich Schlussfolge-rungen ableiten, in welchen Alterskohorten noch ein nicht ausgeschöpftes Arbeitskräfte-

4 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007).

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74 Personalplanung bei demographischem Wandel

potential zu vermuten ist. Ebenso kann identifiziert werden, welche Altersgruppen be-reits überproportional im aktiven Erwerbsleben eingebunden sind. Abbildung 3 ver-schafft einen ersten Überblick.

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4

55-5

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Y1

in

v.

H.

0

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50

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Y2

in

v.

H.

Beschäftigtenanteil (Y1)Bevölkerungsanteil (Y1)Beschäftigungsquote (Y2)

Abbildung 3: Arbeitsmarktindikatoren – Status Quo 2006

Der Grafik sind die Problemgruppen des (aggregierten) Arbeitsmarktes unmittelbar zu entnehmen: die Bevölkerungsgruppen im Alter von weniger als 20 Jahren sowie ab dem 55. Lebensjahr. Freilich sind einige ergänzende Erläuterungen erforderlich. Beginnen wir mit den Berufsanfängern (im weiteren Sinne). Selbstverständlich ist in diesem Seg-ment zu berücksichtigen, dass sich ein beträchtlicher Teil der Kohorte noch in der (Hoch-) Schulausbildung befindet, gleichwohl ist die Beschäftigungsquote in dieser Al-tersgruppe mit knapp 22 v. H. gerade einmal halb so groß wie im Durchschnitt (rund 44 v. H.). Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Zahl der Jugendlichen mit schlechter oder sogar abgebrochener Schulausbildung in der Tendenz eher zu- als ab-nimmt, so fehlen in den kommenden Jahren gerade in diesem Alterssegment qualifizierte Arbeitskräfte. Dies ist vor allem unter langfristigen Aspekten besonders tragisch, da die statistische Verweilzeit dieser Problemgruppe am Arbeitsmarkt sehr lang ist, die damit verbundene zu erwartende Dauer der Arbeitslosigkeit angesichts fehlender Beschäfti-gungsmöglichkeiten für Nicht- oder Geringqualifizierte aber ebenfalls überdurchschnitt-lich sein wird.

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Horst Gischer und Thomas Spengler 75

Dass auch die Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen als kritische Kohorte bezeichnet wird, erschließt sich, wenn man sich der absoluten Beschäftigungsquote, hier rund 44 v. H., näher widmet. Zwar stimmen für diese Bevölkerungsgruppe die Anteile an der Gesamtbevölkerung bzw. der Gesamtbeschäftigten überein, gleichwohl ist die Zahl der in dieser Kohorte nicht in das Erwerbsleben integrierten Personen deutlich höher als die der Berufstätigen. Anders ausgedrückt, 56 v. H. der 55- bis 59-Jährigen arbeiten nicht (mehr), das sind immerhin rund 2,8 Mio. Bürgerinnen und Bürger.

Der rapide Abfall der Beschäftigungsquoten für die noch älteren Kohorten spricht für sich. Weniger als ein Fünftel der 60- bis 64-Jährigen geht noch einer regelmäßigen Be-schäftigung nach, in der Gruppe der 65- bis 69-Jährigen sogar nur jeder Fünfzigste. Die Personalpolitik vieler Unternehmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten spiegelt sich in diesen Ergebnissen deutlich wider. Regelmäßig wurden den älteren Beschäftigten, häufig mit staatlicher Unterstützung, Vorruhestandsregelungen zu attraktiven Konditio-nen angeboten. „Teure“ Arbeitskräfte konnten von den Lohn- und Gehaltslisten gestri-chen werden, gegebenenfalls junge, nicht selten billigere, traten – zudem meist in gerin-gerer Zahl – an deren Stelle. Es ist im höchsten Maße fraglich, ob sich eine alternde Gesellschaft einen derartigen Luxus wird weiterhin leisten können.

Bemerkenswert ist aber auch, dass selbst in den überdurchschnittlich „erwerbstätigen“ Altersgruppen die Beschäftigungsquoten die Marke von 60 v. H. nicht übersteigen. Da es sich darüber hinaus um durchweg zahlenmäßig ergiebig besetzte Kohorten handelt, kann in diesen Segmenten durchaus aktivierbares Arbeitskräftepotential vermutet wer-den. Erfolg versprechend erscheint eine arbeitsmarktkonforme Familienpolitik, die den bis dato in diesen Altersgruppen unterdurchschnittlich erwerbstätigen Frauen den (Wie-der-) Eintritt in das Berufsleben ermöglicht.

Welche Konsequenzen hat vor diesem Hintergrund die zu erwartende Änderung der Be-völkerungsstruktur über die nächsten rund zwei Dekaden? Die folgenden Abbildungen 4 und 5 sind das Ergebnis sehr einfacher Simulationen. Die erste Variante hält die in der Ausgangssituation erhobenen Beschäftigungsquoten der Altersgruppen konstant und ermittelt die unter dieser Annahme in den kommenden Jahren zu erwartende Zahl der „verfügbaren“ Arbeitskräfte.

Für eine grundsätzliche Trendbeurteilung ist es ausreichend, die jeweils äußersten linken bzw. rechten Säulen jeder Altersgruppe zu betrachten. Bis auf die Kohorte der 60- bis 64-Jährigen wären die Beschäftigtenzahlen im Jahr 2030 (ceteris paribus) signifikant niedriger als in der Ausgangssituation des Jahres 2006. In der Altersgruppe zwischen 40 und 44 Jahren fehlten in diesem Szenario im Vergleich zu 2006 rund 1 Mio. Beschäftig-te. Summiert man über alle Kohorten, ergibt sich für das Jahr 2030 ein rechnerischer Bedarf von rund 4 Mio. zusätzlichen Arbeitskräften.

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76 Personalplanung bei demographischem Wandel

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2006 2010 2020 2030

Abbildung 4: Simulation I (konstante Beschäftigungsquoten)

Diese (hypothetische) Lücke ließe sich durch eine kompensierende Anpassung der Be-schäftigtenquoten in den jeweiligen Kohorten (rechnerisch) schließen. Die zweite Simu-lation hält mithin die Beschäftigtenzahlen der einzelnen Altersgruppen konstant und va-riiert geeignet die Quoten. Die Weiterungen sind – mit Blick auf Abbildung 5 – gravierend.

Es zeigt sich, dass die relativen „Belastungen“ einzelner Kohorten bereits im Jahr 2020 die höchste Ausprägung aufweisen: In der Gruppe der 40- bis 44-Jährigen müssten dann beinahe 85 v. H. der Bevölkerung beschäftigt werden. Dies entspräche einem Zuwachs der Beschäftigungsquote um rund 25 Prozentpunkte oder knapp 45 v. H. Zwischen 2006 und 2030 wäre ein Anstieg der durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Beschäfti-gungsquote von rund fünf Prozentpunkten oder circa zehn v. H. erforderlich.

Selbstverständlich ist die deutsche Wirtschaft dieser Entwicklung nicht hilflos ausgelie-fert, im Gegenteil, mit geeigneten Anpassungsmaßnahmen kann schon heute denkbaren Personalengpässen in der Zukunft vorgebeugt werden. Zu nennen wären hier die konse-quente Aus- und Fortbildung von jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Suche nach Substitutionsmöglichkeiten von Arbeit durch Kapital sowie die Abkehr von der häufig beobachtbaren Strategie, erfahrene und nicht selten hoch qualifizierte Beschäftig-te nach Vollendung der fünften Lebensdekade mehr oder weniger konsequent aus dem Unternehmen zu „entfernen“.

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Horst Gischer und Thomas Spengler 77

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55-5

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v.

H.

2006 2010 2020 2030

Abbildung 5: Simulation II (konstante Beschäftigtenzahlen)

Wie einschneidend die erforderlichen Korrekturen an der Personalausstattung ausfallen können, soll zum Abschluss dieser kursorischen Überlegungen der Blick auf ein real existierendes Unternehmen aus der Versorgungswirtschaft zeigen. Abbildung 6 stellt die einzelwirtschaftlichen altersbezogenen Beschäftigungsquoten den gesamtwirtschaftli-chen gegenüber. Die Unterschiede sind offensichtlich.

Es gehört wenig Phantasie dazu, sich vor Augen zu führen, dass das betrachtete Unter-nehmen in den kommenden zwei Dekaden vor außergewöhnliche Anpassungsprobleme gestellt wird. Bis 2030 erreicht knapp die Hälfte der gegenwärtigen Belegschaft die (der-zeitige) Altersgrenze, gleichzeitig ist der Anteil der jungen Arbeitnehmer in den vergan-genen Jahren offenkundig unzureichend gesteigert worden. Gleichwohl: Das betroffene Unternehmen hat seine Defizite erkannt, andere Arbeitgeber ahnen dagegen bisweilen nicht einmal, welche demographische Zeitbombe in ihrer Belegschaft tickt. Wie den An-forderungen an den Wandel der gesellschaftlichen Altersstruktur grundsätzlich Rech-nung getragen werden kann, soll im nächsten Schritt diskutiert werden.

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78 Personalplanung bei demographischem Wandel

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55-5

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4

in v

. H

.

einzelwirtschaftlich

gesamtwirtschaftlich

Abbildung 6: Einzel- und gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsquoten

3. Einzelwirtschaftliche Sichtweise

3.1 Grundprobleme

Die mit dem demographischen Wandel verbundenen Konditionen und Effekte sind nicht nur gesamtwirtschaftlich einschlägig, sondern freilich auch betriebswirtschaftlich rele-vant. Auf beiden Seiten des Arbeitsmarktes wird sich – wie bereits angedeutet – in den nächsten Jahren die Schere öffnen: Auf der Seite des Arbeitsangebots werden ebenso wie auf der Nachfrageseite vor allem zwei Gruppen dominant, nämlich die Gruppen der hoch und der gering qualifizierten Arbeitskräfte einerseits sowie die zur Personalbe-darfsdeckung fähigen und die nicht dazu fähigen Unternehmen andererseits. Unterneh-men sind gut beraten, sich frühzeitig auf die korrespondierenden Herausforderungen ein-zustellen und sich mit diesen proaktiv auseinander zu setzen.

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Horst Gischer und Thomas Spengler 79

Personalwirtschaftliche Probleme gliedern sich in die Teilprobleme der Herstellung und Sicherung der Verfügbarkeit (Disponibilität) über und der Wirksamkeit (Funktionalität) von Personal.5 Im Kontext des Disponibilitätsproblems geht es vor allem um die De-ckung aktueller und künftiger Personalbedarfe durch hinreichende Bereitstellung bzw. Verwendung von Arbeitskräften, und zwar in quantitativer, qualitativer, temporaler so-wie lokaler Hinsicht. Im Zuge der Funktionalitätsproblematik hingegen ist für hinrei-chende Um- bzw. Durchsetzung betrieblicher Ansprüche an das Personalverhalten zu sorgen. Der demographische Wandel verstärkt diese beiden Probleme, und zwar vor al-lem dadurch, dass

1. Arbeitskräfte verschiedener Altersgruppen zu Teilnahme- und besonderen Verhal-tensentscheidungen motiviert werden müssen und

2. die betrieblichen Möglichkeiten der Personalbedarfsdeckung tendenziell erschwert werden.

Ad 1.

In den kommenden Jahren werden die Unternehmen aufgrund des relativen Mangels gut qualifizierter jüngerer verstärkt auf die Beschäftigung älterer Mitarbeiter angewiesen sein. Da gleichzeitig der technische Fortschritt eher zu- als abnehmen und dieser jedoch nicht ausreichen wird, die Mangeleffekte hinreichend zu kompensieren, müssen die An-gehörigen der älteren Generation nicht nur zum Beitritt zur oder Verbleib in der Unter-nehmung, sondern auch zu solchen Verhaltensweisen motiviert werden, die den betrieb-lichen Verhaltensansprüchen genügen. Dazu gehört auch, dass man Mitarbeiter höheren Alters zur Teilnahme an Schulungen und damit zu permanenter Anpassungsqualifizie-rung motiviert. Dafür wiederum sind unter anderem qualifizierte Erhebungen der korres-pondierenden Anreiz-Bedürfnis-Zusammenhänge unabdingbar. Im vorliegenden Beitrag können wir uns jedoch nicht weiter mit solcherlei Facetten der Funktionalitätsthematik befassen.

Ad 2.

Vielmehr wollen wir uns auf die korrespondierenden Disponibilitätsprobleme konzent-rieren. Um zu ökonomisch rationalen Problemlösungen in diesem Bereich zu gelangen, muss der Betrieb zunächst den aktuellen Ist-Zustand durch adäquate Personalbedarfs- und Personalausstattungsanalysen erheben. Darauf aufbauend sind simulativ alternative Szenarien zu entwickeln, um letztendlich geeignete Strategien der Personalbereitstellung deduzieren und evaluieren zu können.

5 Vgl. Kossbiel (2006, S. 518ff).

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80 Personalplanung bei demographischem Wandel

3.2 Personalbedarfs- und Personalausstattungsanalysen

Im Zuge der Personalbedarfsanalyse wird der gesamte Betrachtungszeitraum in Teilperi-oden t = 1,2,...,T zerlegt. Für die ersten t* Teilperioden ist der Verlauf des Personalbe-darfs PBt* bekannt, da dieser Zeitraum entweder bereits vergangen ist oder die sich erst noch realisierenden Personalbedarfe bereits feststehen. Für den darauf folgenden Zeit-raum t** müssen alternative Entwicklungsszenarien des Personalbedarfs prognostiziert werden, wobei wir (wie in Abbildung 7 exemplarisch skizziert) die Generierung eines Best-Case-, eines Worst-Case- sowie eines mittleren Szenarios empfehlen.

Szenario 1

Szenario 2

Szenario 3

t

PBt

t**t*

Szenario 1

Szenario 2

Szenario 3

t

PBt

t**t*

Abbildung 7: Personalbedarfsszenarien

Daneben ist auch die Personalausstattung einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen. Zu diesem Zwecke sollte sie – je nach verfügbarer Datenbasis – nach diversen Struktur-merkmalen differenziert und die korrespondierenden Zusammensetzungen für mehrere zurückliegende Perioden festgestellt werden. Als Strukturmerkmale kommen beispiels-weise Alters-, Qualifikations- und Tarifgruppen, hierarchische Ränge, betriebliche Sek-toren, Dienstaltersstufen etc. in Betracht. Dabei empfiehlt es sich, die Personalausstat-tung einer Periode t als Vektor

1PA , ,PA , , PAi mt t t tPA

zu formulieren. Der Index i = 1,2,...,m steht dabei für eine bestimmte Konstellation der Strukturmerkmale, wie z. B. eine Konstellation aus hierarchischem Rang, betrieblichem

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Horst Gischer und Thomas Spengler 81

Sektor und Qualifikationsgruppe. Vergleicht man diese Vektoren über mehrere Perioden, so lassen sich die vollzogenen internen und externen Flüsse (z. B. Beförderungen, Ver-setzungen, Schulungen und Austritte) ermitteln. Sofern diese Flüsse als stochastische Prozesse aufgefasst werden und sofern man unterstellt, dass es sich dabei um diskrete, endliche Prozesse vom Markov-Typ6 handelt, können so genannte Markov-Ketten-Modelle7 formuliert werden, die sich unseres Erachtens besonders gut zur simulativen Entwicklung alternativer Personalausstattungsszenarien eignen.

Als zentrales Element dieser Modelle fungiert die so genannte Matrix der Übergangs-wahrscheinlichkeiten P mit

11 1 1

1

1

j m

i ij im

m mj mm

p p p

p p p

p p p

P .

Für den Fall i = j gibt pij die Wahrscheinlichkeit des Verbleibens auf Position i im Zeit-raum von t bis t + 1 und für den Fall i j die Wahrscheinlichkeit des Wechsels von Posi-tion i zu Position j im Zeitraum von t bis t + 1 an. Zudem symbolisiert wi die Wahr-scheinlichkeit des Ausscheidens des i-ten Systemelements, mit

11 .

mi ij

jw p

Zur differenzierten Berücksichtigung betrieblicher Eingriffe in die Personalausstattung empfiehlt sich die Verwendung eines Vektors der Einstellungen und Entlassungen

1, , , , ,i mt t tt g g gg

6 Ist der Zustand, in dem sich ein Systemelement im Zeitpunkt t befindet, ausschließlich davon abhängig, in

welchem Zustand es sich in t – 1 befand, spricht man von einem Markov’schen Prozess. 7 Vgl. Kossbiel (1988, S. 1078ff).

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82 Personalplanung bei demographischem Wandel

wobei positive (bzw. negative) Elemente dieses Vektors die Anzahl der jeweiligen Ein-stellungen (bzw. Entlassungen) darstellen. Damit kann die Grundgleichung für die Per-sonalausstattungsprognose wie folgt formuliert werden:

(2) 01

tt ttPA PA P g P .

Auf Basis dieser Grundgleichung lassen sich vielfältige Simulationen durchführen. Bei-spielsweise kann über (2) berechnet werden, wie sich die Personalausstattung nach t Pe-rioden verändern wird, wenn man von einer stabilen Beförderungs-, Versetzungs- und Schulungspolitik (Stabilität von P) ausgeht und auf Einstellungen sowie Entlassungen verzichtet oder Einstellungen und Entlassungen gemäß der jeweils gültigen Vektoren vornimmt. Man kann aber z. B. auch berechnen, mit welcher Personalanfangsausstattung man starten müsste, um nach t Perioden zu einer vordefinierten Zielausstattung zu ge-langen. Über die aus (2) abgeleitete Gleichung

(3) 1 mit Einheitsmatrixttg PA E P E

lässt sich – um ein letztes Beispiel zu nennen – bestimmen, welche Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen sind, damit Personalanfangs- und Personalzielausstattung übereinstimmen. Neben der Vorgabe von Ziel- oder Gleichgewichtsausstattungen eignen sich vor allem Variationen der Einstellungs- und Entlassungsvektoren aber auch der Übergangsmatrizen P als Simulationsparameter. Auf den letztgenannten Aspekt wollen wir etwas ausführlicher eingehen: Die Matrix P kann nach Maßgabe der betrieblichen Beschäftigungspolitik unterschiedlich gestaltet sein. Geht man ohne Beschränkung der Allgemeinheit davon aus, dass die Wertigkeit der Positionen von i = 1 nach i = m steigt, dann sieht man, dass die in Abbildung 8 skizzierten Matrizen verschiedene idealtypische Beschäftigungspolitiken repräsentieren (die schraffierten bzw. linierten Bereiche symbo-lisieren positive Übergangswahrscheinlichkeiten, die nicht schraffierten Bereiche solche in Höhe von null).

Solche Muster alternativer Beschäftigungspolitiken und die korrespondierenden Matri-zen der Übergangswahrscheinlichkeiten liefern wertvolle Hinweise für die jeweils resul-tierenden Szenarien. Die Wahl der durch demographische Konditionen restringierten optimalen Personalpolitik sollte jedoch das Ergebnis einer rationalen betrieblichen Ent-scheidung sein. Wie man solche Entscheidungen treffen kann, wollen wir im nächsten Unterabschnitt thematisieren.

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Horst Gischer und Thomas Spengler 83

Abstieg Aufstieg Verbleib

Tendenz zu Extrema

Tendenz zur Mitte

Vielfalt

Abstieg Aufstieg Verbleib

Tendenz zu Extrema

Tendenz zur Mitte

Vielfalt

Abbildung 8: Idealisierte Übergangsmatrizen bei alternativen Beschäftigungspolitiken

3.3 Betriebliche Entscheidungen über die Vielfalt von Beschäftigungsverhältnissen

Um die Vielfalt von Beschäftigungsverhältnissen und damit das entsprechende Ent-scheidungsfeld analysieren zu können, sei zunächst die Abgrenzung so genannter Nor-malarbeitsverhältnisse von so genannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen erläu-tert. Arbeitsverhältnisse basieren auf Arbeitsverträgen, die nach herrschender Meinung8

unter Bezugnahme auf §§ 611 und 620 BGB als privatrechtliche, gegenseitige (Dienst-) Verträge zur Begründung von Dauerschuldverhältnissen definiert sind und eindeutig von anderen einschlägigen Vertragstypen – wie dem freien (selbstständigen) Dienstvertrag (§ 611 BGB), dem Werkvertrag (§ 631 BGB) und dem Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) – unterschieden werden können. Charakteristisch für Arbeitsverträge sind demzufolge die Heteronomie, Weisungsgebundenheit sowie die Schutzrechte der Ar-beitnehmer und deren Eingliederung in den Produktionsbereich des Arbeitgebers sowie dessen Bereitschaft zur Risikoübernahme.

Demgegenüber sind freie Dienstverträge durch eine relative Autonomie bezüglich der Arbeits- (zeit-) gestaltung auf Seiten des Beschäftigten charakterisiert, Werkverträge lassen sich als tendenziell erfolgszentriert kennzeichnen und bei Gesellschaftsverträgen

8 Vgl. z. B. v. Hoyningen-Huene (1992).

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84 Personalplanung bei demographischem Wandel

erfolgt eine unmittelbare Risikoübernahme durch alle Vertragspartner. Darüber hinaus lassen sich Beschäftigungsverhältnisse in rechtlicher Hinsicht danach unterscheiden, ob sie befristet oder unbefristet eingegangen werden (§§ 14ff TzBfG). In temporaler Hin-sicht sind Beschäftigungsverhältnisse in solche auf Vollzeit- oder Teilzeitbasis (§§ 2ff TzBfG) sowie in solche mit fester oder variabler Lage der Arbeitszeit zu diffe-renzieren (§ 12 TzBfG). Darüber hinaus können wir in lokaler Hinsicht Beschäftigungs-verhältnisse mit oder ohne Abteilungsbindung (Springer) und solche mit so genannter betrieblich lozierter bzw. dislozierter Arbeit (z. B. Teleheimarbeit) unterscheiden.

Auf der Basis dieser Differenzierungskriterien können wir nun alle Beschäftigungsver-hältnisse als atypisch bezeichnen, die befristet, in Teilzeit oder als (un-) echte Leihar-beitsverhältnisse abgeschlossen werden, nicht auf Arbeitsverträgen beruhen oder mit betrieblich dislozierter Arbeit verbunden sind (linke Seite in Abbildung 9). Unternehme-rische Beschäftigungspolitik der Zukunft bedeutet, den betrieblich effizienten Mix der Beschäftigungsformen zu finden. Dazu ist es erforderlich zu wissen, wovon dieser (in seiner Vielfalt) determiniert wird. Hierzu wiederum ist ein Rekurs auf arbeitsmarkttheo-retische Erkenntnisse sinnvoll.

ohne Arbeits-vertrag

ohne Abteilungs-

bindung

Teilzeit

befristet

dislozierteArbeit

(un)echtes Leiharbeits-verhältnis mit fester Lage

der Arbeitszeit

mit Arbeits-vertrag

mit Abteilungs-bindung

Vollzeit

unbefristet

lozierte Arbeit

originäres Arbeits-

verhältnis

mit variabler Lage der

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Atypische Beschäf-tigungs-verhält-

nisse

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verhältnis

ohne Arbeits-vertrag

ohne Abteilungs-

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mit Arbeits-vertrag

mit Abteilungs-bindung

Vollzeit

unbefristet

lozierte Arbeit

originäres Arbeits-

verhältnis

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Arbeitszeit

Atypische Beschäf-tigungs-verhält-

nisse

Normal-arbeits-

verhältnis

Abbildung 9: Beschäftigungsverhältnisse

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Horst Gischer und Thomas Spengler 85

Arbeitsmarkttheoretische Forschungsgegenstände sind, neben der Bedeutung des Lohns, der Erklärung von Arbeitslosigkeit oder der Amortisation von Humankapitalinvestitio-nen und vielem anderen mehr, in der Effizienz persistenter Beschäftigungsverhältnisse und der Untersuchung von Arbeitsmarktsegmenten zu sehen. Die beiden letztgenannten Aspekte werden vor allem in den so genannten Segmentationstheorien angegangen, de-ren Ausgangspunkt die Erkenntnis des (teilweisen) Versagens des Lohnmechanismus als Markträumungsinstrument ist und die sich mit der Differenzierung von Teilarbeitsmärk-ten beschäftigen. Dabei werden Teilarbeitsmärkte definiert als „durch bestimmte Merk-male von Arbeitsplätzen oder Arbeitskräften abgegrenzte Struktureinheiten des Arbeits-marktes, innerhalb derer die Allokation, Gratifizierung und Qualifizierung der Arbeitskräfte einer besonderen, mehr oder weniger stark institutionalisierten Regelung unterliegt.“9

Ein Beispiel für einschlägige Segmentationsansätze ist der so genannte Münchener An-satz, der mit dem betrieblichen (Markt für betriebsspezifische Qualifikationen), dem berufsfachlichen (Markt für fachspezifische Qualifikationen) und dem so genannten Je-dermannsarbeitsmarkt (Markt für unspezifische Qualifikationen) von drei Marktsegmen-ten ausgeht.10

Wenn wir nun die Vielfalt des Arbeitsmarktes aus einer Gestaltungs- (und nicht etwa aus der Erklärungsperspektive) betrachten wollen, stellt sich die Frage nach der Effizienz alternativer betrieblicher Beschäftigungssysteme. Mit anderen Worten, in welchem Um-fang, warum und in welchen Fällen sollte ein Betrieb z. B. unbefristete oder befristete Mitarbeiter, Teilzeit- oder Vollzeitarbeitskräfte sowie Stamm- oder Randbelegschafts-mitglieder beschäftigen? Zur Beantwortung dieser Frage erachten wir es als sinnvoll, segmentationstheoretische Überlegungen mit Ansätzen der Personalplanung zu kombi-nieren, da Letztgenannte dem Gestaltungsaspekt in besonderer Weise Rechnung tragen und mittlerweile vom Entwicklungsstand her als relativ ausgereift bezeichnet werden können.

Erste Überlegungen in diese Richtung wurden von Kossbiel (1997) angestellt, der Ar-beitsplatzsegmente (z. B. Jedermanns-, berufsfachliche und betriebsspezifische Arbeits-plätze) von Arbeitskraftsegmenten (z. B. Rand-, Übergangs- und Stammbelegschaft) sowie von Arbeitsmarktsegmenten (z. B. Arbeitskräfte mit niedriger, hoher und offener Bindungserwartung) unterscheidet. In personalplanerischer Diktion sind die Arbeits-platzsegmente an den Personalbedarf, die Arbeitskraftsegmente an die Personalausstat-tung und die Arbeitsmarktsegmente an das (betriebliche) Arbeitsmarktpotential gekop-pelt.

9 Sengenberger (1978). 10 Vgl. z. B. Alewell (1993).

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86 Personalplanung bei demographischem Wandel

Wir wollen nun ein Entscheidungsmodell aus der Klasse der linearen Optimierungsmo-delle skizzieren (jedoch aufgrund der gebotenen Kürze nicht formal ausführen),11 das unter anderem Entscheidungen über die Zahl der einzustellenden, der zu entlassenden, der zu schulenden, der „outgesourcten“ sowie der freien Mitarbeiter und damit die Kom-position betrieblicher Arbeitskraftsegmente und Qualifikationsspektren unterstützt. Die Aufgabe eines solchen Ansatzes besteht (unter anderem) darin, die Problembereiche der Personalplanung (Personalbedarf, -ausstattung und -einsatz) und die korrespondierenden Arbeitsplatz-, Arbeitskraft- und Arbeitsmarktsegmente möglichst effizient zu koordinie-ren. Der Ansatz basiert unter anderem auf den Annahmen, dass

die Schulung von Mitarbeitern in begrenztem Umfang möglich ist;

die Arbeitskraftsegmente nach Maßgabe diverser Arbeitszeit- (z. B. 15-, 20- oder 40-Stundenwoche) und Befristungsmuster (z. B. unbefristet, Befristung nach TzBfG oder AÜG) sowie Belegschaftskategorien (z. B. Stamm-, Übergangs- und Randbe-legschaft) gebildet werden können;

Versetzungen von Mitarbeitern zwischen den einzelnen Arbeitskraftsegmenten möglich sind;

arbeitskraftsegmentspezifische Bindungserwartungen, Fluktuationsraten und Leis-tungsfaktoren der Arbeitnehmer existieren;

durch den Einsatz freier Mitarbeiter Unterhaltskosten für Betriebsmittel eingespart werden können;

freie Mitarbeiter entweder vom betriebsexternen Markt oder durch Outsourcing ei-gener Betriebsbereiche (Versetzung in „Outsourcing“) „rekrutiert“ werden können.

Dieses Modell ist wie folgt aufgebaut: Über die Zielfunktion streben wir die Minimie-rung der Summe aus Nettoeinsatz-, Gehalts-, Einstellungs-, Freisetzungs- und Weiterbil-dungskosten an. Über Restriktionen zur Abstimmung von Arbeitskräftebedarf und -einsatz wird gewährleistet, dass der betriebliche Arbeitskräftebedarf durch den Einsatz von zum Personal des Betriebs gehörenden (voll- und teilzeitbeschäftigten) Arbeitskräf-ten sowie durch den Einsatz freier Mitarbeiter in jeder Periode gedeckt werden kann, und zwar unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Leistungsfaktoren. Die Restriktionen zur Abstimmung von Personaleinsatz und -ausstattung berücksichtigen das Erfordernis, dass in jeder Periode mindestens so viele Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, wie in betrieblichen Leistungsprozessen oder in Schulungsprozessen eingesetzt werden sollen.

Des Weiteren wird gefordert, dass die Ausstattung mit externen sowie mit „outgesourc-ten“ freien Mitarbeitern in jeder Periode mindestens so groß ist wie die Anzahl der zum Einsatz vorgesehenen freien Mitarbeiter. Darüber hinaus werden die Ausstattungen mit

11 Zur formalen Darstellung vgl. Spengler (2008).

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„outgesourcten“ freien Mitarbeitern und mit Personal (unter Berücksichtigung der je-weils gültigen Fluktuationsraten) von Periode zu Periode fortgeschrieben. Zusätzliche Restriktionen stellen die Einhaltung entsprechender Obergrenzen für die Anzahl der ein-zustellenden, der externen freien, der „outgesourcten“ freien sowie der zu entlassenden Mitarbeiter sicher. Das Modell endet mit den obligatorischen Nichtnegativitätsbedin-gungen für die Entscheidungsvariablen.

Das hier skizzierte lineare Optimierungsmodell ist zugegebenermaßen relativ komplex und kompliziert. Dies liegt jedoch weder am formulierten Modell noch an der gewählten Modellierungstechnik, sondern an der Komplexität und der Kompliziertheit des in Rede stehenden Entscheidungsproblems. Gleichwohl ist das Modell in der Lage, die Personal-planung sinnvoll zu strukturieren und Ergebnisse abzuleiten, die den individuellen Ne-benbedingungen eines Unternehmens begründet und nachvollziehbar Rechnung tragen. Die („technische“) Lösung eines (mehr oder weniger formalen) Modells führt nicht in jedem Fall zu einer eins zu eins umsetzbaren Personalpolitik (z. B. weil es faktisch an den erforderlichen Arbeitskräften mangelt), sie offenbart aber Engpässe oder Flexibilitä-ten, die ohne Modellierung unerkannt geblieben wären.

4. Fazit

Manager tragen Verantwortung gegenüber den verschiedenen Stakeholdern ihres Unter-nehmens. Zu diesen zählen die Investoren und die Belegschaft. Beide verfolgen Erhal-tungs- und Entfaltungsinteressen. Die Investoren streben nach nachhaltiger Verzinsung ihrer Investments, die Mitarbeiter nach Arbeitsplatzsicherheit und guten Arbeitsbedin-gungen. Damit man beiden Anspruchsgruppen gerecht werden kann, sind rationale Ent-scheidungen über die Bereitstellung und Verwendung des Personals zu treffen, die auf-grund der wachsenden Komplexität, Kontingenz und Dynamik der betrieblichen und überbetrieblichen Arbeitsmärkte sorgsam vorbereitet, austariert und umgesetzt werden sollten. Dies ist mit schlichtem Fingerspitzengefühl und auf Basis von Intuition nicht zu schaffen. Man benötigt mehr, namentlich eine systematische, modellgestützte, moderne Personalplanung.

Wie wichtig die systematische Vorausschau ist, zeigt sich auch an der – hier nicht näher beleuchteten – Entwicklung der Studierendenzahlen. Aus dem Pool der Hochschulabsol-venten rekrutieren Unternehmen ihren Führungsnachwuchs und die hoch qualifizierten Arbeitnehmer, die im internationalen Wettbewerb um Marktanteile in technologisch an-spruchsvollen Branchen benötigt werden. Um die heutigen Verhältnisse auch in den kommenden Dekaden zumindest nicht zu verschlechtern, müsste die Studierendenquote, d. h. der Anteil der Personen eines Altersjahrgangs, der ein Studium aufnimmt, bis zum Jahr 2030 um rund zehn Prozentpunkte gegenüber dem derzeitigen Niveau zunehmen.

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88 Personalplanung bei demographischem Wandel

Selbst wenn diese Steigerung erreicht werden sollte, was angesichts der wenig zielfüh-renden Hochschulpolitik in Deutschland eher bezweifelt werden darf, zeigt sich das Di-lemma der sich ändernden Bevölkerungsstruktur erneut an einer anderen Stelle: Der Rückgang der absoluten Zahl von jungen Bürgern führt bei einem Zuwachs der Studie-rendenquote zwangsläufig zu einer weiteren Verringerung des Angebots an Nachwuchs-kräften auf dem betrieblichen Ausbildungsmarkt. Inwiefern der Bedarf an gut ausgebil-deten Arbeitnehmern über attraktive Zuwanderungsangebote gedeckt werden kann, bleibt abzuwarten.

Da Unternehmen bereits heute, jedoch aufgrund der tiefgreifenden durch demographi-schen Wandel verursachten Effekte vor allem in Zukunft, zudem nicht mehr nur auf eine dominierende Spielart von Beschäftigungsverhältnissen setzen können, ist viel Phantasie bei der Komposition betrieblicher Beschäftigungspolitik gefragt. Künftige Beschäfti-gungspolitik ist auf Variantenreichtum der Beschäftigungsverhältnisse angewiesen, da-mit die immensen demographisch bedingten Rekrutierungsprobleme überwunden wer-den können. Zur fundierten Generierung, Evaluierung und Analyse der korrespondierenden Entscheidungen ist der Betrieb auf intelligente Analyse- und Ent-scheidungsprozeduren angewiesen, die veränderten Rahmenbedingungen flexibel Rech-nung tragen.

Literatur

Alewell, D. (1993): Interne Arbeitsmärkte – Eine informationsökonomische Analyse,Berlin.

Bundesagentur für Arbeit (2007): Arbeitsmarkt in Zahlen – Beschäftigungsstatistik: So-zialversicherungspflichtig Beschäftigte – Zeitreihen ab Juni 1999, Nürnberg.

Kossbiel, H. (1988): Personalbereitstellung und Personalführung; in: Jacob, H. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 5. Aufl., Wiesbaden, S. 1045–1253.

Kossbiel, H. (1997): Überlegungen zur ökonomischen Legitimierbarkeit betrieblicher Personalausstattungen, Working Paper, Frankfurt am Main.

Kossbiel, H. (2006): Personalwirtschaft; in: Bea, F. X.; Friedl, B.; Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 3, 9. Aufl., Stuttgart, S. 517–622.

Sengenberger, W. (1978): Der gespaltene Arbeitsmarkt – Probleme der Arbeitsmarkt-segmentation, Frankfurt am Main.

Spengler, T. (2008): Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt: Personalplanerische und arbeits-markttheoretische Überlegungen zur „Erosion“ des Normalarbeitsverhältnisses, FEMM Working Paper, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

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Statistisches Bundesamt (2006): Bevölkerung Deutschlands bis 2050. Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden.

v. Hoyningen-Huene, G. (1992): Arbeitsvertrag; in: Gaugler, E.; Weber, W. (Hrsg.): Handwörterbuch des Personalwesens, 2. Aufl., Stuttgart, Sp. 415–427.

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Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel and Sebastian Wenzke

Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

1. Introduction: Challenges of an Aging Workforce

2. Workforce Participation and Spending on Education or Job Creation

2.1 Workforce Participation 2.2 Public and Private Investments in Educating the Potential Workforce 2.3 Public Expenditures in Labor Market Programs

3. Institutional Frameworks and Investment in Human Capital

3.1 Unemployment Benefits 3.2 Corporate Training 3.3 Mandatory and Early Retirement

4. Conclusion and Outlook

References

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1. Introduction: Challenges of an Aging Workforce

In Germany, as almost everywhere in the world, the working population is aging. It is predicted that in the year 2020 almost 40 percent of the working population will be more than 50 years old.1 This demographic change in the labor force calls for action: The ag-ing workforce needs to be kept up to date with modern technologies and developments. Investments in human capital become an unavoidable expense. Lifelong learning will be inevitable. This seems to provide challenges for governments, firms, and employees, which – at least in Germany – are not yet been met.

According to the Eurostat statistics, the participation rate of German employees in train-ing measures is one of the lowest in Europe: 42 percent of the 25 to 64 years old German workforce participated in any kind of learning, whereas the participation rate, for exam-ple, in Scandinavian countries was higher than 70 percent.2 Also in comparison among OECD countries, the percentage of the German 25 to 64 years old workforce who par-ticipated in non-formal job-related education and training is low. In the US, for instance, more than 40 percent of the workforce participated in such training, whereas in Germany the participation rate was less than 15 percent.3

OECD statistics show that public and private investments in education at all levels are low in Germany, albeit lifelong learning seems to be one of the key factors for the future competitiveness given the demographic changes. We propose that possible reasons for the low investments in human capital can be located in the German institutional frame-work: relatively high unemployment benefits and early retirement of the workforce. We will approach our topic empirically by analyzing and comparing human capital invest-ments and the respective frameworks in three countries: Germany, Japan, and the US. The data will be interpreted by using simple personnel economics models.

Section 2 will provide an overview of human capital investments and other relevant la-bor market data. Section 3 will compare the respective regulatory frameworks, and Sec-tion 4 will conclude some need for action in Germany: Low investments in human capi-tal, especially among older workers, and poor workforce participation of older people do seem, to some extent, to be caused by Germany’s institutional framework. With different rules on mandatory retirement and unemployment income, there would most likely be more human capital investments in Germany’s older workforce.

1 See Staudinger/Kühler (2006, p. 10). 2 See Eurostat (2005, p. 2). 3 See OECD (2005, p. 50).

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94 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

2. Workforce Participation and Spending on Education or Job Creation

2.1 Workforce Participation

In order to compare the levels of human capital investments in Japan, Germany, and the US, we will provide some data on labor force participation and expenditure on education in these three countries.4

Labor Force Participation by Age

As can be drawn from OECD data summarized in Tables 1 and 2,5 people in the age group of 25 to 54 have by far a larger workforce participation rate than those older than 54. In all three countries the rate lies above the OECD average which is slightly above 80 percent. With an almost constant rate of about 82 percent, Japan faces the lowest rates of the three countries we are comparing during the time period of 2001 to 2004. Ger-many’s rate is the highest among the three with an increase in the respective time inter-val to 87.7 percent in 2004. In contrast to that, participation in the US has been, while still above OECD average, steadily declining from 83.7 percent in 2001 to 82.8 percent in 2004.

Table 1: Labor force participation by selected age groups (25 to 54), both sexes

Investigating the participation rates in the age group from 55 to 64 reveals an entirely different picture (see Table 2). Labor force participation is clearly lower in this age group compared to the younger employees between 25 and 54. Ranging from 65.4 per-cent in 2002 to 66.0 percent in 2004, Japan has the highest rate among the three coun-tries. The data for the US represent a gradual increase within the time period starting at 60.4 percent in the year 2001 and increasing up to 62.3 percent in 2004. Germany re-

4 See OECD (2005, p. 50). 5 See OECD (2005, pp. 241–243).

Country 2001 2002 2003 2004

Japan 82.2 82.0 82.1 82.2

Germany 85.5 85.8 86.0 87.7

US 83.7 83.3 83.0 82.8

Total OECD 80.2 80.3 80.2 80.6

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veals by far the lowest participation rates: from 42.9 percent in 2001 to 44.2 percent in 2004. These rates are not only far below the respective rates in the other two countries, they also lie clearly below the OECD average which increased from 50.6 percent in 2001 to 53.1 percent in 2004.

Table 2: Labor force participation by selected age groups (55 to 64), both sexes

Result

Compared to Japan and the US, Germany has a slight lead in labor force participation in the age group of the 24 to 54, but is well behind Japan and the US in the age group above 54. These data seem to provide a puzzle that deserves some more analysis. How come the labor force participation among older people is particularly low in Germany?

One standard argument in labor market and personnel economics is that employment is related to education:6 The higher the level of an individual’s education, the more likely he or she will be active in the workforce as his or her opportunity cost of not participat-ing will be higher.

Impact of Education on Labor Force Participation

The second step of the analysis of the workforce leads to the investigation of the effect that educational achievement has on labor market participation. As it can be drawn from the comparative OECD statistics of the year 2003, achievements in education and quali-fications do have a positive impact on the participation. In all three countries labor force participation increases very clearly with the level of education attained.7

Again, there are also clear differences between the three countries: Table 38 shows that people who attained less than upper secondary education have a participation rate of 71.3 percent in Japan, while only 64.1 percent in the US. Germany’s rate is even lower at 61.2 percent and, thus, below the OECD average of 63.0 percent. Labor force participa-tion in the group with upper secondary education is below the OECD average of

6 See Backes-Gellner/Lazear/Wolff (2001, pp. 1–47). 7 See OECD (2005, pp. 250–252). 8 See OECD (2005, pp. 250–252).

Country 2001 2002 2003 2004

Japan 65.8 65.4 65.8 66.0

Germany 42.9 43.3 43.1 44.2

US 60.4 61.9 62.4 62.3

Total OECD 50.6 51.7 52.6 53.1

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96 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

78.1 percent in all three countries, Germany displays again the lowest percentage of 77.7. In the group of people that completed tertiary education, however, Germany has the highest labor force participation rate with 87.5 percent. This lies above the OECD and the US level with participation rates of 85.2 percent and 85.1 percent, respectively. Japan, with only 82.3 percent, has the lowest rate in this group. Japan also reveals the lowest increase in labor force participation depending on level of education: There is a difference of only 11 percentage points from less than upper secondary education to ter-tiary education. The biggest difference in labor force participation between the lowest and the highest educational level can be found in Germany: 26.3 percentage points.

Table 3: Labor force participation by educational achievement, both sexes in 2003

Result

Participation rates are increasing with the level of education in all three countries. Ger-many has the lowest participation rate among people with less than tertiary education, while it has the highest rate among people with tertiary education. A question that we will have to answer in this paper is why the labor force participation in Germany is so low among people with little education. We will propose an institutional answer to this question later on.

The German labor market seems to react particularly strong to education. It looks like education improves individual employment perspectives as well as the economy’s em-ployment rates in all countries, but in Germany much stronger than in Japan or the US. If it is true that the German labor market reacts so positively to education, one might won-der why Germany does not simply increase its investments in education in order to in-crease workforce participation, especially among older people (see Table 2). The next section will analyze educational expenditures in the three countries.

Country Less than upper secondary education

Upper secondary education

Tertiaryeducation

Japan 71.3 77.8 82.3

Germany 61.2 77.7 87.5

US 64.1 78.0 85.1

Total OECD 63.0 78.1 85.2

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2.2 Public and Private Investments in Educating the Potential Workforce

In this section differences in actual public and private expenditures between the three countries will be investigated. Data on spending as a percentage of the GDP and public expenditures for education as percentage of total public spending will be provided. We will also look at where the money that goes into education comes from: public or private sources.

Public Spending

As a matter of fact, total public expenditures as a percentage of GDP have increased in each of the three countries from 2001 to 2003 for all levels of education combined. While Japan’s was the lowest percentage, at 3.64 in 2001, and still remained the lowest in 2003 at 3.71 percent, the US had the highest with a steady increase from 4.94 percent in 2000 up to 5.43 percent in the year 2003. The data for Germany reveal expenditures of 4.45 percent in 2000 and 4.71 percent in 2003. This lies below the level of the US and also below the EU 15 average as can be seen in Table 4.9

Table 4: Total public expenditure on education as percent of GDP (all levels of education)

The public expenditures on education as a percentage of total public expenditures are highest in the US. Also, as shown in Table 5, shares of 15.49 percent in 2000 and 15.69 percent in 2003 of public spending were dedicated to education. This is much higher than the shares in Japan with 10.49 percent in the year 2000 and 10.64 percent in 2003. Germany’s shares with 9.88 percent and 9.72 percent, for the respective periods, lie be-low every reference group: clearly below the shares in the US and Japan, and also below the steadily rising EU 15 average of 10.45 percent in 2000 and 10.98 percent in 2003.11

9 See Eurostat (2006a). 10 Data for EU 15 are estimates by Eurostat.11 See Eurostat (2006a).

Country 2000 2001 2002 2003

Japan 3.82 3.64 3.66 3.71

Germany 4.45 4.49 4.70 4.71

US 4.94 5.08 5.36 5.43

EU 1510 4.73 5.01 5.13 5.21

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98 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

Table 5: Total public expenditure on education in percent of total public expenditure (all levels of education)

Result

Germany lies in between Japan and the US with respect to public expenditure on educa-tion as a percentage of the GDP, while, at the same time, Germany ranks lowest in the list of public spending on education as a percentage of total public spending. This might suggest two interpretations: Firstly, Germany’s share of government spending as a per-centage of the GDP is higher than elsewhere. Secondly, within Germany’s public spend-ing, education seems to have a lower priority than it has in Japan and the US. To express it drastically: The government share of the GDP in the US might be smaller than in Germany. However, among the things which governments spend money on, education ranks much higher in the priority list of the US-American or Japanese government than of the German one.

Private Spending

When looking at the expenditures on educational institutions from private sources as a percentage of GDP, the US is leading once more (see Table 6). With 2.23 percent in the year 2000 and 2.06 percent in 2003, the ratio was more than twice as high as in Germany in the same period. With a decline from 0.97 percent in 2000 to 0.92 percent of GDP in 2003, Germany faces the lowest percentage among the three countries. However, the EU 15 average of 0.6 percent looks even worse.13

12 Data for EU 15 are estimates by Eurostat. 13 See Eurostat (2006a).

Country 2000 2001 2002 2003

Japan 10.49 10.54 n/a 10.64

Germany 9.88 9.43 9.77 9.72

US 15.49 17.15 n/a 15.68

EU 1512 10.45 10.81 10.95 10.98

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Table 6: Expenditure on educational institutions from private sources as percentage of GDP (all levels of education)

The data for the private expenditures on education as a percentage of total expenditures on education in Table 7 reveal once more that the respective activity level seems to be lower in Germany than in Japan and the US. In the US, 31.8 percent of educational funds in 2000 and 27.7 percent in 2003 come from private sources. That is, though at a slightly negative trend, far more than one fourth. Japan has the second highest share of private funding at an increasing rate from 24.8 percent in 2000 up to 25.9 percent in 2003. This implies that less than three quarters of the expenditures on education come from public sources in both the US and Japan. In Germany, only 18.9 percent and 17.4 percent came from private sources of funds during the same years.15 That is below one fourth of spending on education coming from public sources.

Table 7: Expenditures of private sources of funds on educational institutions as percent of public and private sources of funds on educational institutions (all levels of education)

Result

Germany is lagging behind Japan and the US in the share of spending on education as a share of public spending, and Germany has by far the lowest share of private spending in

14 Data for EU 15 are estimates by Eurostat.15 See Eurostat (2006b). 16 Data for EU 15 are estimates by Eurostat.

Country 2000 2001 2002 2003

Japan 1.23 1.16 1.22 1.26

Germany 0.97 0.96 0.87 0.92

US 2.23 2.26 1.90 2.06

EU 1514 0.60 0.58 0.58 0.63

Country 2000 2001 2002 2003

Japan 24.8 25.0 25.5 25.9

Germany 18.9 18.6 16.7 17.4

US 31.8 30.8 26.2 27.7

EU 1516 11.5 10.9 10.8 11.4

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the educational sector of the three countries. It looks like neither the government nor private individuals or firms invest enough in human capital in Germany. This is even more surprising considering how sensitive the German labor market seems to react to an increase in education (see Table 3). If not improving education, what does the German government do in order to improve workforce participation, especially among older workers?

2.3 Public Expenditures in Labor Market Programs

Germany is commonly known as a social market economy. This implies that the German government spends substantial amounts of money in order to secure a relatively high minimum standard of living for economically challenged people.17 Social expenditures such as unemployment benefits provide a certain amount of income to people that fall into the social security net. OECD statistics about expenditures in labor market programs show that Germany is indeed the leading country compared to Japan and the US with respect to subsidies that flow into post-educational programs. Spending on start-up in-centives, direct job creation, employment incentives, and out-of-work income mainte-nance, for example, are significantly higher than in Japan and the US.18

Subsidizing the Creation of Jobs

Expenditures on start-up incentives were ten times larger in Germany than in Japan and the US. At the same time, less than 0.005 percent of GDP was spent on direct job crea-tion in Japan and only 0.01 percent of GDP in the US, whereas 0.17 percent and 0.12 percent of GDP have been spent in Germany in the years 2002 and 2003, respec-tively. Moreover, expenditures on employment incentives, which include recruitment and employment maintenance incentives, amounted to 0.11 percent of the GDP in Ger-many. At the same time, only 0.02 percent has been spent in Japan and even less than 0.005 percent of GDP in the US for the same purpose.19

Result

German policies seem to set relatively great emphasis on creating and maintaining jobs by direct subsidies, while Japan and the US place greater importance on education when deciding about public spending. This suggests that Germany might be curing the symp-toms of low workforce participation rates rather than its reasons.

17 See Wolff (1996). 18 See OECD (2005, pp. 266–275). 19 See OECD (2005, pp. 266–275).

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Unemployment Benefits

Germany spent more than four times as much on unemployment benefits in the years 2002 to 2003 than Japan or the US. 2.14 percent in 2002 and 2.27 percent of the GDP in 2003 were dedicated to economically inactive people as can be seen in Table 8. Japan spent 0.48 percent and 0.46 percent and the US 0.51 percent and 0.37 percent for the fiscal years of 2002/03 and 2003/04, respectively.20

Country 2002 / 2003 2003 / 2004

Japan 0.48 0.46

Germany21 2.14 2.27

US 0.51 0.37

Table 8: Out-of-work income maintenance and support as percentage of GDP

A further analysis of the composition of out-of-work income maintenance and support discloses that most of it originates from full unemployment benefits. In Germany, 94 percent of the income maintenance are full unemployment benefits of which almost a hundred percent come from unemployment insurance. In the US, total expenditures pre-sented in Table 8 stem from unemployment insurance, exclusively.22 In Germany, how-ever, other payments within this category exist. Partial and part-time benefits make up 0.03 percent and 0.04 percent of GDP in the two years, and redundancy and bankruptcy compensation of 0.09 percent and 0.08 percent, respectively, were paid as well.

Result

Again, it looks like the German institutions address the symptoms rather than the causes of low workforce participation among certain groups of people. In addition: The German system of unemployment support seems to be not only more generous but also more complex than in the other states.

Let us now analyze, why Germany has these particularly severe problems employing people of low educational background as well as older workforce, while in Japan and the US the situation seems to be less severe.

20 See OECD (2005, pp. 266–275). 21 Fiscal years 2002 and 2003, respectively. 22 See OECD (2005, pp. 266–275).

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102 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

3. Institutional Frameworks and Investment in Human Capital

3.1 Unemployment Benefits

The OECD data reveal a very high level of spending in labor market programs in Ger-many in comparison to Japan and the US. Also, out-of-work income maintenance and support is comparatively high in Germany (see Table 8). As the data reveal, the higher the education level of the employees, the higher is the workforce participation rate, par-ticularly in Germany (see Table 3). This suggests that it pays off to invest in human capi-tal in Germany. There should be strong incentives for individuals to invest into their education in order to get into or stay in the workforce. But then, private spending in edu-cation is also strikingly low in Germany (see Table 7). The comparatively generous un-employment benefit system prevailing in Germany might help to explain this puzzle. Table 923 summarizes the unemployment payment systems in the three countries.

Table 9: Unemployment benefits in Germany, Japan, and the US

Unlike in Japan and the US, the German employees are eligible for continuous unem-ployment support for an unlimited period of time. Since the possibility of unemployment does not lead to as substantial a loss of income in Germany as in Japan and the US, the incentive to invest in human capital is lower in Germany. That is, in Germany individu-als have a guaranteed income, even in case of unemployment for the rest of their lives. For people with a very low education and, thus, productivity, the level of the govern-ment’s out-of-work support (often in combination with inofficial jobs) might actually be more attractive than accepting a regular job at their productivity and pay-level (see Fig-

23 See Gunkel (2006, p. 85) and Social Security Programs throughout the World (2005b, p. 100).

Germany Japan US

Depending on social status, about 60 % of the earnings for an individual without children for up to max. 32 months; after that a monthly lump sum pay-ment varying from 331 to 345 € per month

Between 50 and 80 % of the average daily wage for six months; additional days of unemployment benefit are possible for special cases, such as unemploy-ment from an industry in recession, mental or physi-cal illness of the employee or undergoing training

According to different state regulations about 50 % of earnings for on average 20 weeks

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Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel and Sebastian Wenzke 103

ure 1). This applies in particular to people who have been out of the workforce for a long time.24

Wage/hour

Alternativeincome

Qualification/productivity

Figure 1: Out-of-work income as de facto minimum wage

It is plausible to assume an upward sloping curve with decreasing marginal returns to education because from the first units of education, e.g. learning how to read and write, the benefits will be much higher than from learning, for instance, the 27th foreign lan-guage.

Result

The de facto minimum wage that is provided through Germany’s unemployment policy makes it unattractive for people at the very lowest educational level to invest in their education. They will rather accept alternative sources of income.

Let us now see, if this argument also helps to explain the low workforce participation rate among older people in Germany. Maybe, there is a disproportionately high rate of poorly qualified people among the group of people older than 54.

24 In Germany, long-term unemployment is substantially higher than in the US and Japan.

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104 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

3.2 Corporate Training

As discussed above, low-skilled labor does not have any incentives to invest in its hu-man capital because of the relatively attractive outside options provided by non-labor-market income. However, private spending in human capital does not only come from individuals, it can also come from firms. Thus, in order to understand the low level of private investments in education, it will be interesting to analyze the perspective of em-ployees as well as the perspective of employers. Whom do corporations invest in?

A study of the practices regarding the employment of older workers among Germany’s 100 biggest corporations reveals that 86 percent of those corporations hardly ever recruit workforce older than 50, 14 percent report that they do so “occasionally”.25 No one re-ports to be recruiting from this age group “often”. Table 10 summarizes the results for the different age groups:26 95 percent of the corporations seem to recruit the absolute majority of their workforce in the youngest age group. Every corporation recruits in that group.

Table 10: Recruiting of Germany’s 100 biggest firms

Another revelation is provided by the responses regarding training practices.27 Table 1128 summarizes the data: While 86 percent and 89 percent, respectively, report to often have the youngest or the middle age group participating in training programs, only 25 percent say so for the age group above 50. Every firm trains the youngest and the middle age group. However, 16 percent report, that they never have workers older than 50 par-ticipating in training programs.

25 See Becker/Bobrichtchev/Henseler (2006, p. 80). 26 See Becker/Bobrichtchev/Henseler (2006, p. 80). 27 See Becker/Bobrichtchev/Henseler (2006, p. 81). 28 See Becker/Bobrichtchev/Henseler (2006, p. 81).

Age group Often Occasionally Rarely

< 30 95 % 5 %

30 – 50 62 % 36 % 3 %

> 50 14 % 86 %

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Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel and Sebastian Wenzke 105

Age group Often Occasionally Rarely

< 30 86 % 14 %

30 – 50 89 % 11 %

> 50 25 % 59 % 16 %

Table 11: Training of employees by age group

Also, 86 percent of the firms state that they do not have any specific training programs for older employees, and only 14 percent report to be planning such programs.29 At the same time, 59 percent of the corporations state that these programs will mainly be of-fered to managerial employees, i.e., workforce that is already on a high skill level. Other studies provide a similar picture and conclude that German corporations are no way pre-pared to handle the upcoming demographic challenges.30

Does the German government with all its existing subsidy programs also subsidize train-ing programs for older workforce? For instance, the government-run old age pension insurance can, in principle, subsidize training measures for people who are unemployed. However, a German court ruled recently that the standard practice of not granting such retraining to people older than 45 is illegal.31 Instead, there has to be an individual as-sessment of how much a proposed retraining program will actually increase a person’s chance to get back into the labor market. It is interesting to understand the logic behind this: Firstly, there seems to be the general assumption that investments in older people’s human capital do not pay off. Secondly, even if this general assumption has been out-lawed, investments in older people do still require special scrutiny and proof that they actually do have some positive effect.

Result

It seems to be standard practice to be very reluctant to invest in older people’s human capital in Germany. This applies to all, the individuals themselves, corporations, and government organizations.

The question now is: Why is everybody so reluctant to invest in older people’s skills? The comparison of institutional rules might provide an answer.

29 See Becker/Bobrichtchev/Henseler (2006, p. 82). 30 See, e.g., IZA Compact (2006, p. 6). 31 See Sozialgericht Koblenz, AZ S 3 RI 131/04.

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106 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

3.3 Mandatory and Early Retirement

In all three countries an official retirement age for employees exists. That means, after reaching a certain age, the employees are eligible for a full public pension or a minimum guaranteed pension. In Germany, Japan,32 and the US33 the standard retirement age is 65 years.34 However, the official retirement age does not give the full picture of the situa-tion in the three countries. Unlike in Japan and the US, in Germany comprehensive, pub-licly subsidized early retirement schemes are in practice. Such schemes were introduced to fight the increasing unemployment especially among young people. These early re-tirement schemes provide employees with an opportunity to retire from their jobs earlier than the official retirement age. In addition to that, the schemes provide unemployed individuals aged 58 and older the right not to search for new employment opportunities and not to accept job offers anymore. In the year 2004, 75 percent (392 000 individuals) of the unemployed individuals of 58 years and older used this right in Germany.35

Such institutional practices might help to explain the low level of employment of older individuals in Germany and, at the same time, explain, why especially older employees do not have much incentives to invest in their human capital: For them the de facto alter-native income is particularly high (see Figure 1). Nor do firms have strong incentives to invest in older workers’ human capital. The closer the retirement is, the more unlikely is the amortization of given investment cost. This is illustrated by equation (1) that de-scribes the returns of higher education.36 R is the discounted return on the human capital investment; K describes the income on a better educational level, J the income on the existing skill level. K – J is, thus, the difference between income with and without train-ing. r describes the interest rate and T the time horizon, i.e., the time that is left in the person’s work life to capture the returns from the investment:

(1)1 1

t tT

tt

K JRr

32 With some exceptions for women and individuals with the right to early pension. The pension can also be

deferred up to age of 69. 33 The pension can be deferred up to age of 70. See Social Security Programs throughout the World (2005c,

p. 179). 34 See Social Security Programs throughout the World (2005a, p. 89, 2005b, p. 94, and 2005c, p. 179). 35 See OECD (2006, pp. 60-62). 36 See Backes-Gellner/Lazear/Wolff (2001, p. 8).

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Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel and Sebastian Wenzke 107

Equation (1) explains, why, ceteris paribus, investments will be less likely, if there is not much work time left. But why now is the situation in Japan and the US different from what we observe in Germany? In Japan, exactly the opposite is subsidized than in Ger-many. The Japanese government provides wage subsidy schemes for hiring and retaining workers between the ages of 60 and 64. Also, even though German firms are now subsi-dized for hiring older workers, the age limit for the subsidy is substantially lower than in Japan – 50 years and older.37 In addition, strict employment protection regulations are prevailing in Germany, which are a major barrier for hiring any employee.38 If dismiss-ing employees is costly, employers think twice before they sign an employment contract. And if employees are considered unlikely to retrain and adjust their skills to changing conditions, they will think harder still.

Figure 239 shows that the effective retirement age in Japan, for both female and male, is substantially higher than the official retirement age.40 In the US, the workforce seems to retire just a bit earlier than the official retirement age, whereas German employees retire substantially earlier than the official retirement age. Neither Japan nor the US apply the rigid practice of virtually forcing people older than the official retirement age out of the labor market: In Japan as well as in the US, people may still accept legal employment, even if they are older than 65 – in Germany only under very restrictive, exceptional rules, and at a loss of income from the government pension plan. In Japan and in the US, many older people actually remain in the workforce, because they still want to improve their income and/or pension entitlements. In Germany, this is legally impossible for most of the workforce. Over all, Germans retire by far earlier than both Japanese and US-Americans.

Alternative income options can, once more, help to explain different decisions in differ-ent countries: The level of the retirement payments can be assumed to influence the de-sire to retire. If the retirement payments are relatively high, the incentive to keep work-ing – or retraining – past the official retirement age decreases. Figure 341 presents the net pension benefits in OECD countries as a percentage of net pre-retirement earnings at the level of 100 percent of average production worker earnings.

37 See OECD (2006, p. 111). 38 See OECD (2006, p. 64). 39 Adapted from OECD (2006, p. 32). 40 Note that here the official retirement age is the earliest age at which the employees are entitled to full old

age public pensions. 41 Adapted from OECD (2006, p. 58).

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108 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

Men

50

55

60

65

70

75

Japan US Germany

Effective age

Official age

Women

50

55

60

65

70

75

Japan US Germany

Effective age

Official age

Figure 2: Official and effective retirement age for male and female in OECD countries

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Birgitta Wolff, Marjaana Gunkel and Sebastian Wenzke 109

0

25

50

75

100

Germany OECD Japan US

Mandatory schemes

Including voluntary schemes

Figure 3: Net pension replacement rates (percent) in OECD countries

The pensions out of mandatory retirement plans are higher in Germany than the OECD average. Employees in Japan and the US receive lower retirement benefits from public pension plans than the employees in Germany do. However, in the US there is substan-tial additional income from voluntary pension plans, which lifts the total pension enti-tlements. However, these private pension plans are typically not held by low-skilled workers. Thus, for a large group of workers, retirement can be assumed to be a more desirable state in Germany than in Japan and the US with respect to alternative income.

Result

The German labor force appears to retire earlier and with higher pensions than employ-ees in Japan and the US. In addition, there is mandatory retirement in the sense that con-tinuing to work is usually not an option. The effective retirement age in Germany is clearly below the ones in Japan and the US (see Figure 2). This and relatively high pen-sions lead to reduced incentives to invest in older workforce’s human capital at an even earlier age than in other countries. Neither the prospective retiree, nor her (potential) employer have an interest to invest if there is no time left to recover some adequate re-turn to the investment and pensions are acceptable anyway.

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110 Incentives for Lifelong Learning? German Institutions in Comparison

4. Conclusion and Outlook

According to our analysis, it does not seem to be true that individuals and firms do harm to themselves by “underinvesting” into older workers human capital. From their utility maximizing perspectives, it might be perfectly rational to do exactly what they are doing given the institutional frameworks they are embedded in. The low level of private in-vestment in education in Germany seems to be influenced by the German institutional framework. Especially the regulations related to the retirement of employees as well as unemployment benefits seem to have an influence on the willingness to invest in human capital, especially on the level of workforce that is low-skilled to begin with. Even though the data show that investments in human capital have positive effects in form of higher workforce participation rates, private as well as public spending on education re-mains lower in Germany than in Japan and the US. The data reveal that, particularly in Germany, more investments in education could greatly increase workforce participation in general. At the same time, there are particularly little incentives to invest in older peo-ple’s skills. This provides one possible explanation of the low workforce participation among older people in Germany.

The discussion presented is, at this stage, exploratory, and further research is still re-quired. However, to draw a preliminary conclusion: The German institutional framework does not seem to offer enough incentives for lifelong learning. In some cases, it actually seems to provide disincentives to firms and individuals for investing in human capital, for example, in form of relatively generous retirement and unemployment benefit sys-tems. Providing better incentives for lifelong learning of the aging population in Ger-many will require changes in the German institutions. Blaming firms will sure not cure the disease.

References

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Leonid Tovazhnyanskyy, Sergii Arkhiiereiev, Peter Pererva, Elena Reshetnyak and Tatiana Ryabova

The Role of University Economic Education in the Transformational Process in Ukraine

1. Introduction

2. The Change of Science and University Education During Transition in Ukraine

3. The Evolution of Economic Education Toward a New Role in the Process of Economic Reforms in Ukraine

4. The Case of NTU KhPI Economists’ Partnerships with Western Colleagues

References

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1. Introduction

After the collapse of the so-called socialist camp, which happened in the last decade of the 20th century, many European countries including Ukraine chose the path of market transformation of the economy. Representatives of the Ukrainian political elite and do-mestic economists were naive to think that the country with good prerequisites of rapid reformation would be able to overcome the transition process in such a short time with-out significant social and economic losses. However, practically none of the post-socialistic countries managed to realize such optimistic expectations. Many of them had been experiencing a decrease in output for a long time. For Ukraine, it finally reached more than 50 percent of the GDP (see Table 1).

Year Hungary Poland Romania Latvia Ukraine

1992 96.9 102.6 91.2 65.1 90.1

1993 96.3 106.5 92.6 58.6 77.3

1994 99.2 112.0 96.2 60.0 59.6

1995 100.7 128.3 103.1 44.2 52.3

1996 102.0 136.0 107.2 45.9 47.1

1997 105.7 145.2 100.7 49.7 45.7

1998 111.4 152.2 95.8 52.1 44.8

1999 116.4 158.4 94.7 53.8 44.7

2000 122.4 164.7 96.8 57.5 47.4

2001 127.1 166.3 102.3 62.1 51.7

2002 131.7 168.6 107.6 66.1 54.4

2003 135.5 175.1 113.1 65.6 59.6

2004 141.3 184.5 122.5 77.1 66.9

2005 146.5 190.7 128.9 84.1 68.6

Table 1: Indices of GDP volume (in fixed prices) in CEE countries and Ukraine (percent to 1991)1

1 See Umanskij/Artamonova (2007).

Page 113: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

116 The Role of University Economic Education in the Transformational Process

Looking back at the traversed path, researchers name a variety of reasons and factors which played a significant role in the reforming process. One of the aspects of successful transformation was the change of the higher education system including economic edu-cation. At the same time, the role of economic theory and the system of higher education in the transformation process were still not clearly defined. This paper attempts to fill some gaps in analyzing this problem.

2. The Change of Science and University Education During Transition in Ukraine

It is not a secret that the success of economically developed countries in many respects is a result of powerful development in science and technology. We have to state that in Ukraine, which has a high scientific and educational potential, this factor did not prevent the severe recession of the economy and substantial fall in standards of living in the 1990’s. In this respect it is remarkable that up to recent times economic education in Ukraine did not play a significant role in economic transformation. In order to under-stand this phenomenon, it is necessary to examine the influence of transition on the edu-cational system and science in general.

In the Soviet Union, the share of science financing in the GDP was never less than 2.2 to 2.5 percent. If we analyze the figures of the Ukrainian budget, we obtain the following data: the GDP share of research and development expenditures was 0.31 percent in 1998; 0.24 percent in 1999; 0.32 percent in 2000; 0.34 percent in 2001.2 The spending on sci-ence in 2007 comprised 0.30 percent of the GDP. The number of specialists undertaking scientific research has decreased from 295 000 in 1991 to 160 000 in 2006.

At the same time, the financing of education was kept at a relatively high level (see Ta-ble 2). In 2003 the share of higher education expenditures in the GDP of Ukraine made up 1.8 percent, whereas the average percentage for the European Union totaled 1.2 per-cent.3 However, taking into account that average income per capita lies significantly be-low the EU level, expenditures per student make up not more than one tenth of such ex-penditures in the European Union.

2 See Semenozhenko (2006). 3 See www.europa.eu.int.

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L. Tovazhnyanskyy, S. Arkhiiereiev, P. Pererva, E. Reshetnyak and T. Ryabova 117

Year Ukraine Finland Latvia Poland

1990 5.1 5.5 3.8

1991 6.2 6.5 4.1 5.2

1995 7.2 7.1 6.7 4.8

1996 7.1 6.3 7.0

1998 4.4 5.8 5.0

1999 3.6 6.2 5.5 4.6

2001 4.7 6.2 5.7 5.4

2002 5.4 6.4 5.3 5.4

2003 5.6 6.4 5.6

2004 5.3 6.5 5.4

Table 2: Public education expenditure as a percentage of GDP4

The number of higher education institutions (HEI) of accreditation levels III to IV (which represents institutions awarding at least a bachelor level degree) has considerably increased: from 149 in 1990 to 350 in 2007.5 More than 30 percent of them are private universities. This fact represents a very significant change in the university system of Ukraine, which similarly to other former Soviet countries was completely composed of state universities before transition. At the same time, there is a proportionally small share of population per HEI in Ukraine compared to other European countries (see Table 3).

It is also possible to forecast that these disproportions will get even bigger very soon due to the baby bust at the beginning of the 1990’s, provided the number of HEI’s will re-main the same. The number of school students, who started their school education in 2006, was practically equal to the number of students enrolled at the universities in Ukraine in the same year. The dynamics of the share of population receiving higher edu-cation in Ukraine looks positive (see Table 4). These indicators reached and often ex-ceeded the respective indicators in developed countries. This is a very positive factor, since according to some studies, the level of the national well-being meeting European standards will be achieved only by countries with a share of population with higher edu-cation equaling 40 to 60 percent.6

4 See Derzhcomstat of Ukraine (2004) and Canning/Godfrey/Holzer-Zelazewska (2007). 5 See www.ukrstat.gov.ua. 6 See Azariadis/Drazen (1990).

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118 The Role of University Economic Education in the Transformational Process

Country Number of HEI’s Population per HEI (million of persons)

Ukraine 350 0.136

Great Britain 96 0.622

France 78 0.769

Italy 65 0.889

Spain 47 0.904

Poland 11 3.472

Table 3: Comparison of population per university in Ukraine and other European countries7

Year Ukraine Finland Latvia Poland

1990 48.1 47.6 25.5 22.1

1991 46.6 48.9 25.6 21.7

1995 41.7 70.4 27.2 35.0

1996 41.8 74.1 33.3 39.3

1997 42.1 73.9 37.3 44.3

1998 45.2 80.3 42.2

1999 47.5 82.4 50.1 44.4

2001 53.2 84.3 63.3 54.4

2002 57.8 84.8 67.3 57.7

2003 61.6 86.9 71.0 59.5

2004 65.5 89.5 74.3 61.0

2005 69.0 91.7 74.4 63.4

Table 4: Gross enrollment rate (percent), tertiary, total8

7 See Sayenko (2007). 8 See Canning/Godfrey/Holzer-Zelazewska (2007) and www.ukrstat.gov.ua.

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Another positive trend in Ukrainian university education is the growing number of for-eign students. In 2006/2007 more than 36 600 students from 131 countries of the world have been studying in Ukraine.9 The share of non-budget sources in the Ukrainian uni-versity education sector is surprisingly high. Of the total budget, 55 percent of HEI’s are provided by private persons and this number continues to grow. For example, in Poland, Lithuania, and Hungary this source of financing does not exceed 30 to 35 percent and it is constantly decreasing. In other countries of the European Union and the US it is below 15 percent (see Table 5).

Budget structure of HEI’s

Country State budget and local budgets

Payment for education

Othersources

Great Britain 62 12 26

Canada 70 – 85 11 4 – 19

Netherlands 90 10

Germany 95 5

US – state HEI’s 59 14 27

US – private HEI’s 20 38 42

Ukraine 40 55 5

Poland 69 31

Lithuania 62 34 5

Hungary 79 22

Table 5: Sources of higher education financing (percent)10

The structure of specialists’ training has changed severely over the last 15 years. The tendency of change in Ukraine coincides with changes in other post-socialist countries. The increasing role of social sciences and the decreasing role of engineering education are expressed more explicitly in Table 6. One of the new trends in university education is the growing number of new majors in classical universities and technical HEI’s, mainly in management and economics.

9 See Boljubash (2007). 10 See Nicolayenko (2005).

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120 The Role of University Economic Education in the Transformational Process

Ukraine Estonia Hungary Lithuania Slovak Republic

Gra

du

ate

s fi

eld

o

f st

ud

y

19

99

20

05

19

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19

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20

05

Agriculture 4.4 5.5 2.8 2.4 4.0 2.7 4.1 2.0 3.6 3.6

Education 8.8 9.2 9.3 10.7 25.2 18.3 16.8 16.0 20.3 15.2

Engineering, manufactur-ing, con-struction

31.9 21.1 14.1 9.6 14.0 6.9 21.7 16.6 13.6 16.7

Health care 8.8 7.6 6.3 10.8 6.9 7.7 9.5 10.1 16.0 13.9

Humanities and arts

7.8 4.7 8.9 11.1 9.0 6.9 8.6 6.5 6.9 6.0

Science 4.9 3.2 4.4 10.6 2.9 3.5 5.1 5.3 7.5 9.1

Services 3.3 5.1 8.1 8.1 4.6 10.1 5.6 3.2 5.1 6.7

Social sci-ence, busi-ness, law

29.9 41.9 46.1 36.7 33.4 43.9 28.6 40.3 27.0 28.8

Table 6: The structure of specialists’ training at HEI’s, percent of total graduates, tertiary11

Besides new quantitative characteristics in the area of science and education, a number of qualitative changes has occurred. We could observe a dramatic change of priorities in the research areas. There is no massive defense industry-related research today; the ideo-logical restrictions are left in the past; many barriers of international cooperation are eliminated; a new normative and legal base for regulating science and education has been created; and the organizational structure for research has changed. Thus, for the period of Ukrainian independence there have been both positive and negative tendencies in the field of science and education.

Nevertheless, the influence of science and education on transformation processes re-mains ambiguous. According to the objectives of this paper, let us have a closer look at the roots of the inadequate role of economic science and the whole education system in the economic transformation of the country.

11 See www.worldbank.org.

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3. The Evolution of Economic Education Toward a New Role in the Process of Economic Reforms in Ukraine

There is a number of aspects in the development of university economic education in transition countries and appropriate university research which are essential to understand the relatively poor role of onomic theory in the reforms of the early 1990’s.

One of the obvious factors that has contributed to a specific role of economic education is the nature of Soviet economists’ training. Some economists specialized in political economy focused on the critique of the capitalist economic system and the achievements of the Soviet economy. Other economists were mathematically oriented, emphasizing mathematics, not economics, in their studies. Courses in economics and management tended to be theoretical and did not involve a combination of theory and real economic practices. Textbooks were developed based on scientific research of theoretical nature exclusively. Due to the fact that the Ukrainian higher education system did not encour-age the relationship between educational institutions and businesses, a great gap arose between practical needs of the economy and educational programs and research. Serious changes were gradually implemented in university economic education in the 1990’s.

The second factor, preventing Ukrainian economic research from remarkable input at the beginning of the transitional process, was the disconnection of Ukrainian economists of the Soviet time from the achievements of Western economics, i.e. the isolation of social-ist political economy. As a result, not only students, who studied economics, but also many professors did not have any access to recognized economics journals and even to Western economic textbooks. Those resources were not even presented in the libraries of the leading universities. Tom Coupe, who leads the best master level economics program in Ukraine at Kiev Mohila University, provides the following facts: An analysis of the visibility of Ukrainian economists for the period 1969 to 1994 shows their almost com-plete absence in internationally refereed journals. The situation improved significantly starting from the middle of the 1990’s because of a sharp increase in the number of PhD’s in economics awarded at Western universities – at least 35 between 1995 and 2005. However, less than ten percent of these economists returned back to Ukraine.12 As a result, very few local economists at the beginning of the 1990’s could understand and advise on the development of market economy in the country.

It is also important to take into consideration that the Ukrainian educational and research elite was remote from the reforming process. Important decisions regarding the trans-

12 See Coupe (2006).

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122 The Role of University Economic Education in the Transformational Process

formation methods were often made by people, who did not have an appropriate eco-nomic understanding, which often resulted in the usage of the most primitive methods of liberalization of the economy. It is also worth noting that the financing of education and science was decreased drastically due to serious problems and difficulties of transforma-tion. This created additional barriers to full-fledged participation of economics in elabo-rating the methods of transformation.

Despite the initial difficulties of the first years of transformation, research in economics was developing actively. The recognition of the fact that market economy is an efficient mechanism to achieve a higher level of economic development of a society formed rather quickly. The national economic science was accumulating the wisdom of the best achievements of the world economic thoughts; the role of the government in the eco-nomic system was reexamined; and special attention was paid to problems of forming the institutional infrastructure of transition economies. At the same time, the mecha-nisms of interaction of science, education, businesses, and governmental agencies have not been established at all levels and that hinders the development of the economic sys-tem of the country as a whole. Hence, we are back to the broadly discussed problem of ensuring an adequate institutional structure.

The misunderstanding of the institutional factor by the economic knowledge community in Ukraine at the beginning of the transformational process added its input in the overall downturn of the economy, and it still continues to affect the development at the current stage. At the same time, we are evidencing a quick change of the priorities of economic development and in research interests of our economists. As a result, we are seeing a change in the role of our university economic science.

The role of higher education today is not only to provide a highly qualified workforce for the labor market, but more and more to conduct research which contributes to the development of enterprises and serves as a guide for further developments and research in the interest of the whole economy. The increasing role in research progress is played by successful partnerships among specialized research institutions, international organi-zations, and Ukrainian universities.

Nowadays, more than half of the Doctor-of-Science and Candidate-of-Science degree holders are working in higher educational establishments. It may look like the situation is improving in this area. However, this is the case only for the leading universities. Ac-cording to the Government Committee of Statistics, in 2005 only 166 out of 347 higher educational establishments were undertaking scientific research. The share of higher educational establishments in scientific and technical programs does not exceed 20 per-cent. At the same time, we know from the experience of countries where the implemen-tation level of research is significant that the biggest part of this research is traditionally concentrated in the university system.

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The transformation of the nature and content of education requires an adequate restruc-turing at universities. Among new trends are the following: creation of interdisciplinary research laboratories, research parks, and innovative enterprises in addition to traditional departments. Step by step, universities are increasing their real input into the country’s economic competitiveness. Thus, the role of Ukrainian economists has changed from that of a weak participant in the economic transformation of the early 1990’s to someone having a significant input. This happened due to the ability of Ukrainian economists to learn from the lessons of early transformation processes and to realize that the applica-tion of the key principles of economic theory is indispensable for these processes. In this connection the case of enhancement of education and research programs in the economic area by one of the Ukrainian universities can be considered as one of the best practices.

4. The Case of NTU KhPI Economists’ Partnerships with Western Colleagues

The National Technical University Kharkiv Polytechnic Institute (NTU KhPI) provides substantial input into the development of the Kharkiv region and Ukraine as a whole. Scientists of the university are involved in fundamental and applied research under sev-eral priorities. At the moment, the university works on 94 governmental contracts and 300 contracts with companies, mostly in the fields of science and technology. The uni-versity is recognized as a leader in the field of international partnerships. At present, 25 international research and educational grants are under way. Applied research is con-ducted on the request of more than 100 national and international companies, including businesses from Russia, Austria, Switzerland, India, Italy, and South Korea.

Being in the first place as a technical research university, NTU KhPI at the same time pays a lot of attention to the development of economic education. The university was among the first institutions in the country offering degrees in economics and manage-ment. As analyzed above, the changes in economic education in the 1990’s required to improve professional skills of economic instructors. The university was an active par-ticipant in a number of international educational programs of different size and length conducted in Ukraine in the 1990’s. Substantial input was done by the National Council on Economic Education (NCEE) which conducted the train-the-trainer program, devel-oping an active learning approach to teach economics. The role of the Consortium for Enhancement of Ukrainian Management Education (CEUME), funded by the United States Agency for International Development (USAID), was devoted to achieve signifi-cant and measurable progress in the ability of the Ukrainian educational system to create and transfer knowledge. This contributed to the growth of small and medium-sized en-terprises in their use of effective management practices.

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124 The Role of University Economic Education in the Transformational Process

But the most crucial role was played by university-university cooperation. The first suc-cessful case of such a partnership started thanks to a long-time cooperation with Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany. From 1993 to 1994 the joint project “Educational Program and Improvement of Professional Skills in Economic Theory” was conducted in the framework of TEMPUS under the leadership of Gerhard Schwödi-auer (at that time dean of the Faculty of Economics and Management at Otto-von-Guericke-University Magdeburg).

Successful implementation of the project resulted in establishing the Faculty of Econom-ics at NTU KhPI, updating the teaching of economic theory and further extending frames and forms of international cooperations. New curricula and syllabi were developed in accordance with European standards; new training courses were prepared; German and Ukrainian instructors jointly coordinated the development of student diplomas; and Ukrainian students received access to the international study programs at Otto-von-Guericke-University Magdeburg.

From 1998 to 2000 research had been carried out within a INTAS project on restructur-ing the Ukrainian economy. Coordinators of this project were Gerhard Schwödiauer and Peter Pererva. Investigations of property restructuring processes and opportunities of attracting foreign investments to Ukraine were summarized in more than 20 publications, which were presented on international conferences and seminars. The value of the in-volvement of Gerhard Schwödiauer and his colleagues in the project was not only in bringing high standards in research and guiding the development of excellent instruc-tional materials, but also in helping Ukrainian economists to get access to the European educational network. The width of scientific interests of Gerhard Schwödiauer, including macroeconomic theory and policy, economics of transition and policy reform, applied game theory, history of economic thoughts, and many other areas, has made his advices and consultations especially valuable to Ukrainian doctoral students and instructors.

Due to such cooperation, about 40 instructors of economics have greatly improved their professional skills and the level of teaching; have advanced in preparing textbooks; sev-eral PhD theses have been defended; and some instructors have been invited to work in international organizations. This demonstrates the high multiplier effect of the interna-tional study programs implemented at NTU KhPI in cooperation with Otto-von-Guericke-University Magdeburg.

From 2003 to 2006 the European Studies project was elaborated and implemented with partner universities from France, Spain, Belgium, and Finland. The project’s goals were institutional development, individual mobility, and participation in international and re-gional university networks. The project resulted in establishing a new specialization “Economics and Management of the European Community” at the Faculty of Economics in the framework of the major Management of Organizations. Another achievement un-der this grant was to publish three textbooks in International Management, International Economics, and Economics of European Integration.

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The project “Development of University Policy in Quality Assurance”, 2005 to 2006, conducted with Technical University Hamburg-Harburg and Autonomous University of Barcelona, reflected the NTU KhPI commitment to lead the process of quality assurance implementation in Ukrainian management and economic education.

One of the key priorities caused by the changing role of the university is to establish suc-cessful partnership with businesses. Two current TEMPUS projects are devoted to this sphere:

The TEMPUS project “University-Industry Centers: Models for Cooperation”, 2005 to 2008, is run under coordination of Vienna University of Economics and Business Administration (WU), Austria, and active participation of the French company EURESIS. The goal of the project is to develop a university-industry cooperation model in order to stimulate and enhance the interaction between universities and in-dustry. “Practical Project Studio in Finance” is successfully implemented under this project. Also, “Advisory Board for Master Program in Finance” with participation of business representatives was launched.

The most recent project, which started in fall 2007, is “Development of Mechanisms of Cooperation between Universities and Firms in Eastern Ukraine to Teach Eco-nomics and Management”, conducted with partners from France, Germany, and Finland. The project is aimed at studying the best European practices to develop new forms of cooperation between professors of economics and management and enterprises, to facilitate regional economic development under new economic condi-tions, and to improve adaptation of young specialists on enterprises.

The university maintains successful cooperation with Miskolc University, Hungary, es-pecially in the field of economics and management. Besides teachers’ training and or-ganization of student internships, which take place both in Hungary and Ukraine, joint preparations of several textbooks in economic disciplines are under way. The years of fruitful international partnership have led to the ability of the Business and Finance Fac-ulty to launch a Bachelor Program in International Business and Finance offered in Eng-lish starting in 2007. It opens new opportunities for cooperation in the future.

The case described above clearly shows the new role of university economic education in Ukraine, which goes beyond the research area and practically influences economic processes in the local community and the national economy. University economic educa-tion and research are undoubtedly becoming a significant factor in the successful devel-opment of the market economy.

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126 The Role of University Economic Education in the Transformational Process

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Teil III

Ökonomisches Verhalten und Verhalten von Ökonomen

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Alois Wenig

Optimizing Trust

1. Introduction

2. The Model

3. The Dynamics of the Market

4. The Profit Maximizing Steady State Level of Trust

5. Market Surplus

6. Summary

References

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1. Introduction

Trust is a relation between two or several agents which is comparable to an insurance contract. If a person A trusts a person (or an institution) B then A expects that B will ei-ther help to avert a damage that may occur to A, or A may expect to be compensated by B for the damage if it happens. Such an insurance “contract”, which we call trust and which exists only as an anticipation of B’s behavior, is not legally recoverable. But it could well be rational for A to rely on trust because it may be in the interest of B to meet A’s expectations. If, for example, a passenger A trusts an airline B then in a dispute with A the airline is not unlikely to make concessions far beyond legal requirements in order not to lose a good customer. Or a child may in a difficult situation expect to be helped by the parents because the parents love their child, and the child knows this.

The damage against which A expects to be insured by B is, in general, only vaguely de-fined in a trustful relation. However, from the circumstances it is often clear which dam-ages B is unlikely to cover. The airline, for example, will normally not help A in a car accident on the way to the airport. Also the degree to which B will assist or compensate A in a case of damage is a matter of experience or convention rather than agreement. A trusting person may ex post be wrong in his or her assessment of how the trustee B will actually behave when help is needed. But the degree of assistance A can expect from Bcan be learned from the past experience if A can observe B’s behavior for some time or if A gets information on B from other persons who have known B long enough to predict his or her actions. In the latter case, trust is built on reputation.

Trust is a powerful device to make life easier. People who trust each other need not ne-gotiate complicated arrangements in advance. They know that their partner whom they trust will not only protect his or her own utility whenever a situation of conflicting inter-ests arises. The trustee is, under these circumstances, expected to act such that also the trusting person’s welfare is sufficiently taken care of. In market relations, trust may, for this reason, enable both parties to save transaction cost. If a buyer trusts a seller then the buyer can walk away with a purchased good without having defined in a detailed con-tract what is going to happen if he or she is ex post not satisfied with the product. A trusting buyer is convinced that the seller will in this case offer some sort of warranty. Anticipating this, the sellers risk to lose their customers when they disappoint them. Since, on the other hand, the buyers know this, it is rational for them to forego time con-suming negotiations. Obviously, the trust of the buyers in the sellers is, like every insur-ance contract, mutually beneficial because it saves resources on both sides.

A seller, however, whom buyers trust cannot only collect an insurance premium by re-ducing transaction cost. Another benefit is an increase in the buyers’ willingness to pay if they expect trouble with a seller in the future. An increase in trust thus shifts the de-mand curve: the same quantity can be sold at a higher price. But building trust is not

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132 Optimizing Trust

free. The seller must, to some degree at least, meet the trustful expectations of the buyers which may be costly. Again, the analogy to an insurance contract applies. If a damage occurs then the insurance company must pay. Otherwise the customers will look for al-ternatives.

In this paper we will analyze a model of a monopoly market in which the seller “pro-duces” trust among the buyers by being more or less lenient to them if they complain about the product. As it always happens that some of the products delivered are either flawed or simply not in the line with the customers’ expectations, the monopolist must choose a warranty policy which can range from very generous to extremely restrictive: A customer who complains about the product may, for example, get a new one without charge. The extreme alternative to this policy is to brush the customers off. Every policy in between is, of course, also possible. The buyers will learn about the seller’s behavior and form their level of trust accordingly.

Whether or not we can trust someone is based on either one’s own experience or on reputation. If reputation is the source of trust then we use the information of others that the person or organization we trust is helpful rather than doing us harm. While the spe-cific role of trust in market relations has not yet been analyzed in much detail, both the formation and the function of reputation in general has been intensively studied in the context of models of repeated games.1 Trust as a specific type of expectation has, on the other hand, been a topic of particular interest in treatises in sociology, psychology, and philosophy.2 Our paper concentrates on one aspect of the function of trust in market in-teraction: the reduction of transaction cost on both sides of a market as a consequence of the buyers’ trust in a seller.3

Obviously, firms face an optimization problem. Building trust may be expensive, but it has its benefits. We will, in this paper, analyze a model of a monopoly market in which sellers maximize long run profits by choosing an optimal warranty policy. We will be able to describe the main features of a policy which maximizes steady state profits by choosing an optimal level of trust. Further, we will compare the market solution to the socially desirable level of trust. We will show that markets will never bring about too much trust while too little trust is not unlikely to happen.

1 See, e.g., Akerlof (1970), Kreps/Wilson (1982), Allen (1984), and Tirole (1988). 2 See, e.g., Gambetta (1988), Pettit (1995), and Noteboom (2002). 3 See Tirole (1988).

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Alois Wenig 133

2. The Model

We consider a monopoly market in which the price pt of period t = 1,2,… is a function of the quantity xt sold in this period:

(1)2t t tbp T a x

a and b are positive parameters. Tt is an endogenously determined shift parameter which depends on actions taken by the monopolist. We assume that the “stock of trust” Tt in period t is Tt 1 minus depreciation Tt 1 plus an increase in trust given by xt 1:

(2) 1 1(1 )t t tT T x

where is a positive parameter. xt 1 describes the reaction of potential buyers to the warranty policy of the firm. Let us assume that a certain fraction of the products sold in period t – 1 does not have the properties which the buyers have actually or allegedly ex-pected. In order to avoid an expensive conflict with the buyers, the monopolist replaces

xt 1 units without charge. This policy adds to the stock of trust the firm has been able to accumulate up to period t – 1. The positive factor translates the replacement policy into the gross increase of Tt in the period t.

In order to remain credible, the monopolist cannot change the replacement policy from period to period. Building trust makes it, therefore, necessary to keep the factor con-stant over a long period of time once it is chosen. In the subsequent section we will dis-cuss the optimal choice of .

If is sufficiently high then xt 1 exceeds depreciation Tt 1 and Tt > Tt 1. Being leni-ent to its customers by choosing a sufficiently high is, however, not only trust enhanc-ing but also costly. Replacing xt 1 units free of charge in the subsequent period cost c xt 1 currency units in t. The unit cost of production c is assumed to be constant over time. There is no fixed cost.

Total cost in period t is the sum of the cost of producing the units sold in t, the cost of replacing xt 1 units free of charge, and the unit cost of transaction in period t which we assume to be (Tt):

(3) 1Total cost ( )t t t tcx c x T x

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134 Optimizing Trust

It has been argued in the introduction that more trust implies lower unit cost of transac-tion. On the other hand, transaction cost cannot fall below a certain minimum level. Hence, we assume

(4)if

( )if

t tt

t

T T TT

r T T

where and are positive parameters and rT so that ( )tT is a continuous func-

tion of Tt. There is no big “jump” in transaction cost when Tt should happen to rise be-yond the level T . The relation between unit transaction cost and trust can be described by Figure 1.

Level of trust

(Tt)

r

T

Figure 1: Unit transaction cost and trust

In period t, the profit Gt of the monopolist is

(5) 1 ( )2t t t t t t t tbG T a x x cx c x T x

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Alois Wenig 135

Given the selection of the parameter and the level of trust Tt determined by the choices in previous periods, the firm determines xt (and hence pt) such that Gt is maximized.

From !

0t

t

Gx

we derive

(6) tot

t

uT vx

bT

where u a and v c for tT T and u a and v c r if Tt exceeds T .With this distinction between the two cases for u and v, the optimal profit o

tG can be cal-culated to be

(7)2

12to tt

t

uT vG c x

bT

3. The Dynamics of the Market

The equations 2 and 6 together yield the nonlinear difference equation of first order

(8)

11 1

11

11 1

1

( )1 for

( )1 for

tt t

tt t

tt t

t

a T cT T T

bTT f TaT c rT T T

bT

which describes the dynamics of the market. Since T r , the function f is continu-ous at T (and, of course, everywhere else). For 1 0tT we have 1tf T and

1 11t taf T Tb

for 1tT . At T the slope of f jumps from

2 2(1 ) to (1 )c c rbT bT

if 1tT passes T from the left to the right hand side.

Thus, T the function f is steeper before than after this point.

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136 Optimizing Trust

In Figure 2 the function f is shown together with the 45-degree line and the function

11 taTb

. Obviously, the function f must intersect the 45-degree line twice

provided that, for example, a is sufficiently large (which we assume because equation (7) shows that a large a also guarantees the existence of positive profits).

Tt 1

Tt

T

a/b

T

f (Tt 1)

a/b + (1 ) Tt 1

45°

Figure 2: “Stock of trust” of the monopolist

The two intersection points are stationary solutions of the difference equation (8). The lower intersection point is unstable, the higher one – which we denote by T – is stable. For every initial value of (8) which is smaller than the value of the lower intersection point the level of trust falls from period to period without a lower bound. If there is no intersection point at all (very low ) then Tt falls steadily to for any initial value. Thus, it requires both a minimum of and a minimum level of initial trust for the market not to break down.

The lowest min which can be chosen in order to avoid the market to suffer a col-

lapse can be calculated to be min 24bv

a. For this value of the two intersection

points in Figure 2 shrink to one, and the function 1tf T becomes tangent to the 45-degree line. The T corresponding with min is min 2T av .

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Alois Wenig 137

In the following, we assume min and, further, that the initial level of trust is larger than the lower stationary level. Then, for every such initial value, the sequence {Tt} ap-proaches T monotonically either from below or from above. Of course, if the initial value is T then Tt = T for all t. Given the choice of the parameter , the stable steady state level of trust is uniquely determined by the equation T = f (T ) which is equivalent to the quad-ratic equation

(9) 2 0b T uT v

The larger one of the two roots of this equation, the more stable is the steady state level of trust. Without solving (9) explicitly we see from Figure 2 that the upper solution of (9) is a strictly increasing function of the policy parameter . The more generous the firm is to its customers, the higher is together with the long run level of trust T = T( ).

4. The Profit Maximizing Steady State Level of Trust

Subsequently, we assume that the market is in a steady state and that T T . Then u = aand v c r . For T T we could have u a and v c and the reader can eas-ily verify that different values for u and v do, in principle, not affect our results. From (6), (7), and (8) we learn that the profit in steady state is

(10)2 2 2( )( ) with

2 2 2aT v c a c av vG G T T T v c r

bT b b bT

G is a function of because T depends on . But as we know that T is strictly increasing in it suffices to find the optimal T, i.e., the level of trust which maximizes the long run level of profits. By choosing the appropriate parameter , the firm can generate the cor-responding optimal T. Calculating the first and the second derivative of G with respect to T, we obtain

(11)2 2

2'( )2 2a c vG T

b bT and

2

3''( ) vG TbT

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138 Optimizing Trust

!'( ) 0G T implies

(12) 2 2 22bcT a v

with the solution

(13) mvT with 2 2bca

In order to allow Tm to be a real number we must again assume a to be sufficiently large,

i.e., 2 2bca . The solution Tm is, however, not a steady state profit maximum, as one

might expect, but a minimum of the function G (T ) because the second derivative G''(T )is positive everywhere. This minimum is unique so that for T < Tm the function G (T )declines while for T > Tm profits rise as T increases. The situation is described in Fig-ure 3.

T

G

Tmin Tm

G(T)

Figure 3: Profit function of the monopolist

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Alois Wenig 139

As we have argued in Section 3, the policy parameter cannot be smaller than min and, correspondingly, T must be not smaller than Tmin. For T = Tm the system is structurally unstable, i.e., a small change of the parameters of the model may substantially alter the behavior of the variables. In particular, such a parameter change may trigger a down-ward spiral from trust to distrust. Hence, the firm will always choose a somewhere above min so that the T chosen is larger than Tmin.

Starting from Tmin, profits decline as T increases until they reach a minimum at T = Tm.After this point, G (T ) increases without upper limit. It is, however, difficult to imagine that the accumulation of trust allows for a permanent outward shift of the demand curve. There must be a level of trust – let us assume at T = S – such that more trust does no

longer increase the willingness to pay off the customers, i.e., 2bp S a x for T S.

Then for T S, a higher level of trust implies more cost but the same revenue so that, under this assumption, G (T ) starts again declining for T S. This can be seen from

(14) ( )2b cG T S a x x vx T for T S

This part of the profit function is derived from (2), (5), and (8), together with

2bp S a x x , the steady state assumption, and the assumption that T T . Obvi-

ously, for T S the profit function is linear in T with the slope c .

From Figure 4 it is obvious that a profit maximizing level of trust is a corner solution. If min( ) ( )G S G T then the firm chooses S (by appropriately selecting ). For

min( ) ( )G T G S the firm is better off by taking a level of T close to Tmin. Our theory predicts that we are likely to observe two types of firms. There are firms which are gen-erous to their customers this way building up and maintaining a high level of trust. And there is another group of firms which choose a level of trust just high enough to avoid a collapse of the market. Our theory excludes the cases in between. The following proposi-tion gives a necessary and sufficient condition for, respectively, T = Tmin and T = S:

(15) min( ) ( )G S G T if and only if 22 ( 2 ) ( )Sa a bc c r v

These inequalities can be derived from T T , the profit function (10), and from min 2T av .

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140 Optimizing Trust

T

G

Tmin Tm

G(T)

S

Figure 4: Profit maximizing level of trust

In order to interpret (15), we have to remember that S is the level of trust beyond which the consumers’ willingness to pay cannot be enhanced by building up more trust. a is a parameter which grows with the size of the market. is the factor that translates the war-ranty policy of the firm into trust. b measures the reaction of the price to changes in the quantity. c and r are the unit cost of, respectively, production and transaction. is the rate of depreciation of the stock of trust. Hence, a monopolist chooses, for example, a high level of trust if – ceteris paribus – S, , and a are large while c, r, b, and are small. For T = Tmin to be optimal this statement must be reversed.

5. Market Surplus

The surplus (quasi-rent) of a market is the sum of the buyers’ reservation prices minus the cost of production. Within our framework, the market surplus in steady state can be written as

(16) 2

0with

2 4

x b c b cR T a d vx T T ax x vx T v c r

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Alois Wenig 141

Since the monopolist produces aT vxbT

, the market surplus becomes a function of

the level of trust T only:

(17)2 2 23 ( ) 3 3 3( )

4 4 2 4aT v c a c av vR T T T

bT b b bT

This function has properties similar to those of the profit function G (T ) of the previous section. R (T ) is defined on the interval min( , )T S where it is U-shaped. R (T ) reaches its minimum earlier than the function G (T ). Since R (T ) is the sum of both profits G (T )and the consumer surplus C, the function R (T ) lies above G (T ) in the whole interval

min( , )T S . The consumer surplus 2( )( ) ( ) ( )

4aT vC T R T G T

bT is also U-shaped on

the interval min( , )T S . Its minimum is located at aT that is even smaller than the level of trust at which R (T ) attains its lowest value. The maximum of R (T ) is either on the left hand side or on the right hand side of the interval (Tmin,S). Let SR denote the level of T at which min( ) ( )RR T R S . Analogous to the calculation of S we get

(18) 23

2 (3 4 )RvS

a a bc

For S smaller than SR, the market surplus is larger when T is close to Tmin, i.e., min( ) ( )R T R S . For S larger than SR, the opposite holds. The proof is simple and can be

omitted. It is easy to check that SR < SG. The two functions G (T ) and R (T ) are drawn in Figure 5 without, however, explicitly showing the right hand boundary S of the interval (Tmin,S).

Will a monopolist who maximizes profits also select the socially optimal level of trust? If S is in the interval (Tmin,SR) then the firm goes to the left hand corner and chooses a level of trust close to Tmin. This implies that R (T ) attains its maximum as well, because

min( ) ( )R T R S for min( , )RS T S . For S > SG the monopolist chooses the right hand corner this way also maximizing the market surplus R (T ) since for S > SG > SR we have

min( ) ( ) ( )RR S R S R T .

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142 Optimizing Trust

T

R(T)

Tmin SR

G(T)

SG

G(T)

R(T)R(SR)=R(Tmin)

R(SG)=G(Tmin)

Figure 5: Profit function of the monopolist and market surplus

However, if S lies in the interval (SR,SG) then the monopolist still chooses a level of trust close to Tmin (i.e., the left hand corner) while the social optimum would require the level of trust S located on the right hand side. This holds true because for ( , )R GS S S we have min( ) ( )G T G S but min( ) ( )R T R S . Hence, if S is between SR and SG then the monopolist fails to “produce” enough trust. It is, however, an open question whether any other market structure could always guarantee an optimal level of trust.

6. Summary

If a buyer trusts a seller then the buyer feels “insured” by the seller against every sort of disutility which may arise from poor handling of a purchasing contract. A trusting buyer, for example, assumes that he or she will be in some way compensated by the seller if the goods delivered do not have the quality agreed upon or if the service of the firm in gen-eral turns out to be bad.

Trust is an expectation and not a legal title. However, both the buyers and the sellers may be interested in maintaining a trustful relationship because it is mutually beneficial. It helps to save transaction cost on either side. Buyers who trust a firm need not negoti-ate a purchasing contract in every detail because they expect to find an acceptable ar-rangement with the seller if a conflict develops while the contract is implemented. But

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Alois Wenig 143

quick transactions mean low cost for the sellers, too. And there is a second part of their “insurance premium”: trust increases the buyers’ willingness to pay (reservation prices).

The benefits of trust are, however, not free of charge to the seller. To build up and main-tain, trust may be costly to a firm. It must to some extent meet the trustful expectations of its customers. There is an optimization problem: trust is optimal for the firm if the benefit of a little increase in trust is offset by the additional cost of generating more trust.

In our paper we consider a monopolist who “produces” optimal trust in the long run by choosing a profit maximizing warranty policy for the commodity offered. We show that there is a minimum level of trust necessary to avoid the market to collapse. The model also predicts that we are likely to see two types of warranty policy: either firms are very generous whenever a customer complains about the product or firms try to stick to a level of trust just a little bit above the minimum required to avert a break-down of the market. Every policy in between is sub-optimal. It is also shown in the paper how the parameters of the model affect the long run level of trust chosen by the firm.

Since trust is beneficial to both the buyers and the sellers, it also helps to enhance the surplus (quasi-rent) of the market. We show that a profit maximizing monopolist may choose a level of trust which is also optimal from a social point of view. There are, how-ever, situations in which the monopolist prefers to select a low level of trust while the social optimum would require a high level of trust. There is no answer to the question so far whether there exist other market structures in which profit maximization implies a level of trust which also maximizes the market surplus.

References

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Cheltenham. Pettit, P. (1995): The Cunning of Trust, Philosophy and Public Affairs 14, pp. 202–225. Tirole, J. (1988): The Theory of Industrial Organization, Cambridge, London.

Page 139: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

Violeta Matovi und Andreas Wörgötter

Was könnte Terrorismus mit Ökonomie zu tun haben?

1. Vorbemerkungen

2. Terrorismus in der sozialwissenschaftlichen Literatur

3. Der Zusammenhang zwischen Terrorismus und wirtschaftlicher Entwicklung ist nicht offensichtlich

4. Warum ist Terrorismus die Ausnahme und nicht die Regel?

5. Welche Faktoren begünstigen das Fortbestehen terroristischer Strukturen?

6. Wie passen diese Bedingungen auf bestehende terroristische Gruppen?

Literatur

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1. Vorbemerkungen*

„Ökonomie ist nicht alles, aber ohne Ökonomie ist auch militärisch Alles nichts.“ Bruno Staffelbach

Gerhard Schwödiauer hat sich in seinen Schriften sowohl den Grundlagen wie auch den wirtschaftspolitischen Anwendungen der Ökonomie gewidmet. Obwohl ihm eine ein-deutige Bevorzugung von mathematischer Exaktheit und logischer Schlussfolgerung nicht fremd ist, hat er sich doch auch in den letzten Jahren viel mit Fragen beschäftigt, die auf Grund ihres polit-ökonomischen Charakters keine eindeutigen Antworten zulas-sen. Dazu gehört auch die Bedeutung der Bildung und des Funktionierens von Institutio-nen in Wirtschaften im Übergang zu dezentralen Marktwirtschaften mit privatem Eigen-tum am Produktionskapital.

Seine Vorlesungen über Allgemeine Gleichgewichtstheorie und Außenhandelstheorie an der Technischen (damals) Hochschule Wien waren Offenbarungen einer Ökonomie, die einen Beitrag zu einer Vergrößerung von Wahlmöglichkeiten liefern kann – Wahlmög-lichkeiten, deren Realisierung schließlich durch das politische und institutionelle Umfeld geprägt wird. Gerhard Schwödiauer ist nie im Elfenbeinturm heimisch geworden, sein Anspruch war immer die Nutzbarmachung logischen Denkens und konsequenten Model-lierens für den gesellschaftlichen Fortschritt. In diesem Sinn ist dieser Beitrag ein Ver-such eines seiner vielen Schüler das Gelernte auszuprobieren.

Terroristische Bewegungen und Selbstmordterroristen finden sich in vielen verschiede-nen Gesellschaften und gehören unterschiedlichen Religionen an. Immer gab es Men-schen, die es vorzogen zu sterben anstelle unter einer ungeliebten Herrschaft zu leben. Dieser Beitrag beschäftigt sich damit herauszufinden, ob die Ökonomie zum besseren Verständnis der Hintergründe und Beweggründe für terroristische Aktivitäten beitragen kann.1

* Dieser Beitrag ist eine überarbeitete deutsche Fassung des Kapitels „How Does the Economy Matter for

Terrorism“ in Matovi (2007). 1 Die Bedeutung der – fehlenden – wirtschaftlichen Entwicklung der islamischen Welt wird von Abdullah

Badawi, Premierminister von Malaysia, unterstrichen; vgl. Badawi (2007). Noland/Pack (2007) argumen-tieren, dass für Länder mit islamischer Bevölkerung gute und schlechte wirtschaftliche Entwicklungen möglich sind, im letzteren Fall aber schlimme negative externe Effekte für die nicht-islamische Welt be-fürchtet werden müssen.

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148 Was könnte Terrorismus mit Ökonomie zu tun haben?

2. Terrorismus in der sozialwissenschaftlichen Literatur

In der Folge der Angriffe auf das World Trade Center in New York kam es zu einer ra-schen Ausbreitung der Anwendung ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Metho-den auf Fragestellungen mit einem terrorspezifischen Hintergrund.2 Viele wertvolle Ein-sichten wurden durch die Anwendung strategischer, ökonometrischer und ökonomischer Methoden gewonnen. Allerdings beschäftigen sich die meisten dieser Arbeiten mit indi-viduellen Aspekten terroristischen Verhaltens. Kosten-Nutzen-Rechnungen, Nutzenma-ximierungsverfahren und die Spieltheorie werden angewendet um herauszufinden, unter welchen Umständen es sich „auszahlt“, ein Terrorist zu werden.3

Nur wenige Autoren betonen die Rolle von Institutionen, politischen Strukturen und so-zialen Schichtungen. Kitschelt (2004) findet, dass sich im Mittleren Osten eine einmali-ge Kombination von Faktoren findet, die eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen ausbeuterischen und unterdrückenden Regimen und einer gewaltbereiten Widerstands-bewegung fördert. Allerdings sind die meisten terroristischen Bewegungen nicht gegen interne Strukturen einer ansonsten homogenen Gesellschaft gerichtet (wie das etwa für die bürgerlichen Revolutionen und Revolutionsversuche Europas der Fall war), sondern stehen in Zusammenhang mit einem Konflikt zwischen verschiedenen, klar abgegrenzten Gruppen, Ethnien, Religionen oder einem klar definierten äußeren Feind.

3. Der Zusammenhang zwischen Terrorismus und wirtschaftlicher Entwicklung ist nicht offensichtlich

Die Beziehung zwischen Ökonomie und Terrorismus erschließt sich nicht auf offensicht-liche Weise. Krueger/Maleckova (2003) finden, dass dieser Zusammenhang wenn über-haupt dann nur indirekt festgestellt werden kann. Das kommt sehr schön in einem Zitat vom amerikanischen Präsidenten George Bush zum Ausdruck: „Nicht Armut verwandelt arme Menschen in Terroristen und Mörder. Aber Armut, Korruption und Unterdrückung sind eine giftige Mixtur in vielen Gesellschaften, die zu schwachen Regierungen führen, die nicht in der Lage sind, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten und Grenzkon-

2 Benmelech/Berrebi (2007) analysieren die Beziehung zwischen Humankapital und der Produktivität von

Selbstmordattentätern. Sie finden, dass gebildetere Attentäter weniger leicht abgefangen werden und er-folgreicher im Sinne der Anzahl verletzter und getöteter Opfer sind. Die Basis für ihr theoretisches Mo-dell ist Beckers Theorie des rationalen Verbrechers.

3 Vgl. Becker/Posner (2005).

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Violeta Matovi und Andreas Wörgötter 149

trollen durchzuführen und anfällig gegenüber Drogenkartellen und Terrornetzwerken sind.”4 Dieser Eindruck wird auch von Abadie/Gardeazabal (2005) bestätigt, die finden, dass es keine Korrelation zwischen Terrorismus und wirtschaftlicher Entwicklung gibt. Allerdings findet sich eine signifikante buckelförmige Beziehung zwischen Terrorismus und politischer Unterdrückung.

Was in der gegenwärtigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur fehlt, ist eine Erklä-rung, warum es Terrorismus überhaupt gibt und warum terroristische Organisationen genügend Unterstützung finden, um ihre Aktionen durchzuführen. Scheckenecker (2002) analysiert erfolgreiche und misslungene Fälle von Lösungsversuchen ethnischer Konflik-te in Europa und kommt zum Schluss, dass ein friedlicher Ausgang solcher Konflikte möglich ist, wenn ein Machtausgleich zwischen der Mehrheit und der Minderheit mög-lich ist und wenn dieser Ausgleich durch starke Regeln untermauert wird. Ein Macht-ausgleich macht dann Sinn, wenn er die Verteilung von mehr Einkommen an alle Kon-fliktparteien ermöglicht als dies im Konfliktfall der Fall gewesen wäre.

Terrorismus ist ein gewaltsamer Versuch, eine legitime Regierung zu stürzen oder zu-mindest sie davon abzuhalten, ihr Gewaltmonopol gegenüber bestimmten Regionen, Gruppen oder Transaktionen auszuüben. Als wesentliches Strategieelement wird dabei Gewalt gegenüber einer unbeteiligten Zivilbevölkerung angewendet, um Angst und Schrecken zu verbreiten.5 Rein technisch betrachtet wird daher Terrorismus immer ein Negativsummenspiel definieren.6 Selbst im „erfolgreichen“ Fall wird weniger zur Ver-teilung übrig bleiben, weil ja durch terroristische Aktionen jedenfalls eine Reduzierung von Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten erfolgt. Terrorismus ist daher immer ein Kampf um Eigentumsrechte und dieser Kampf wird mit erheblichen Mitteln geführt.7Dabei geht es auch um die Verteilung von Statusrechten und Privilegien in der Gesell-schaft. Eine Rolle spielt oft die Kontrolle über Rohstoffe oder auch über die Verteilung humanitärer Hilfe.8

Die Ökonomie als Wissenschaft ist eine junge Disziplin, die sich mit wirtschaftlichen Wahlhandlungen in Überflussgesellschaften befasst, in denen zwar mehr als zum Über-leben notwendig vorhanden ist, aber trotzdem (grundsätzlich unbeschränkte) Bedürfnisse

4 New York Times, 11. September 2002. 5 Terrorismus hat immer einen politischen Hintergrund wie von Krueger/Maleckova (2003) festgestellt

wird. Sie schlussfolgern daraus, dass es nur eine schwache Beziehung zwischen der wirtschaftlichen Ent-wicklung, Armut oder Ausbildung und Terrorismus gibt.

6 Abadie/Gardeazabal (2003) schätzen, dass Terrorismus das Bruttoinlandsprodukt der Baskenregion (Spa-nien) um zehn Prozent vermindert hat.

7 Schneider (2002) schätzt, dass El Kaida über ein Vermögen von fünf Milliarden US-Dollar verfügen kann.

8 Vgl. Addison/Murshed (2001), die argumentieren, dass gewaltsame interne Konflikte oft mit dem Zu-sammenbruch (impliziter) sozialer Kontrakte und solcher zur Bereitstellung öffentlicher Güter zusam-menhängen.

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150 Was könnte Terrorismus mit Ökonomie zu tun haben?

die vorhandenen Mittel übersteigen. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass der politische Entscheidungsrahmen vorgegeben ist.9 In solchen Gesellschaften kann grund-sätzlich davon ausgegangen werden, dass die Eigentumsrechte definiert sind. Insbeson-dere ist auch festgelegt, wie der Staat sein Gewaltmonopol ausübt und unter welchen Umständen Vermögensübertragungen erfolgen können. Außerdem geht man grundsätz-lich davon aus, dass alle Akteure darüber informiert sind, was gut oder schlecht für sie ist. Es ist daher vorstellbar, dass wirtschaftliches Handeln vollkommen unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen ist. Mit anderen Worten, es ist vorstellbar, dass die Produktion und Verteilung voneinander getrennt werden können.

Ein ökonomischer Ansatz, der zum besseren Verständnis des Terrorismus beiträgt, un-terstellt daher implizit, dass Terroristen und ihre Hintermänner eine bewusste Entschei-dung für diesen Weg getroffen haben und davon ausgehen, dass die damit zusammen-hängenden Erträge die Aufwendungen übersteigen.10 Definitionsgemäß akzeptieren Terroristen und die dazugehörigen Organisationen nicht das Gewaltmonopol des Staates. Derartige Organisationen akzeptieren auch nicht die Wirkungsweise von Institutionen, wie etwa Gerichten, die Entscheidungen über Vermögensübertragungen durchführen.

4. Warum ist Terrorismus die Ausnahme und nicht die Regel?

In einem ersten Schritt einer ökonomischen Analyse des Terrorismus muss daher zuerst einmal verstanden werden, warum der Terrorismus die Ausnahme und nicht die Regel ist. Die Bedeutung dieser Überlegungen liegt in ihren daraus abgeleiteten Schlussfolge-rungen. Wenn der Terrorismus auch ökonomische Grundlagen hat, dann führen militäri-sche Lösungen alleine nicht zum Ziel, außer sie führen zu einer vollständigen Vernich-tung der terroristischen Bewegungen und ihrer gesamten Hintergrundgesellschaft. Es bedeutet natürlich nicht, dass eine friedliche (ökonomische) Lösung immer existiert. Ganz im Gegenteil, in einem Konflikt über Eigentumsrechte wird immer davon auszu-gehen sein, dass die Konfliktparteien nicht freiwillig einlenken. In solchen Fällen wird die ökonomische Analyse aufzeigen, was auf dem Spiel steht. Skaperdas (1992) hat ge-

9 Der Begründer der modernen Ökonomie ist Adam Smith (1723 – 1790), dessen Analyse über die Vorzü-

ge des freien Marktes, des privaten Eigentums und der Möglichkeiten, die Produktivität durch Spezialisie-rung zu steigern, wurde mit dem Gleichnis von der „unsichtbaren Hand“ popularisiert, die unkoordiniert handelnde, eigennützige Akteure so steuert, dass dabei ein soziales Optimum herauskommt.

10 Dieser Ansatz wurde auch von Sander/Endlers (2002) verfolgt und angewendet. Allerdings konzentrieren sie sich auf individuelle Rationalität, ohne einen breiteren sozialen Kontext in Betracht zu ziehen.

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Violeta Matovi und Andreas Wörgötter 151

zeigt, dass im Fall des Fehlens klarer Eigentumsrechte ein gewaltsamer Konflikt eine rationale Folge sein kann.

Damit wird auch bereits klar, innerhalb welchen Rahmens die Ökonomie einen Beitrag zum Phänomen Terrorismus leisten kann. Gesellschaften, die von selbstverantwortlichen Akteuren gebildet werden, die die Rahmenbedingungen und Verteilung der Eigentums-rechte akzeptieren, können nicht terroristisches Verhalten hervorbringen. Gesellschaften, in denen die Bestimmung von Einkommen über den Markt zulässig ist und gesetzeskon-form ablaufen kann, werden nicht daran interessiert sein, die Ergebnisse freiwilliger und nutzenverbessernder Wahlhandlungen zu unterminieren.11 Selbst wenn es für eine Ein-zelperson vorteilhaft wäre, einen Kontrakt nicht einzuhalten, so würde das nicht von an-deren unterstützt werden. Der wesentliche Grund für eine allgemeine Präferenz für ge-setzeskonformes Verhalten besteht darin, dass im Vorhinein nicht klar ist, wer möglicherweise gewinnt oder verliert und daher jeder ex ante als potentieller Gewinner betrachtet werden kann. Erfolg und Niederlage in derartigen Gesellschaften ist individu-ell und nicht Folge gesellschaftlicher Zwänge oder Umstände.

Frey (2004) hat Recht, wenn er betont, dass Terrorismus in einer funktionierenden Marktwirtschaft weniger Aussicht auf Erfolg hat. Wie bereits festgestellt, hat Terroris-mus immer eine negative soziale Ertragsrate (selbst wenn die individuelle Ertragsrate positiv ist). Frei entscheidende und selbstbestimmte Akteure werden sich einen instituti-onellen Rahmen geben, der verhindert, dass terroristische Aktivitäten (selbst bei mögli-chen positiven individuellen Erträgen) Bestandteil des Entscheidungsraums werden kön-nen.

Es hat zwar terroristische Bewegungen in entwickelten Marktwirtschaften gegeben, sie sind aber erfolglos geblieben und haben keinen dauerhaften Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können. Sowohl die Baader-Meinhof-RAF-Gruppe in Deutschland als auch die Roten Brigaden in Italien konnten ihre Ziele nicht erreichen und haben daher auch kei-nen Bestand gehabt. In erfolgreichen Marktwirtschaften wird Terrorismus als Negativ-summenspiel identifiziert und findet nicht die notwendige Unterstützung in der Gesell-schaft. Sobald die Menschen erkennen, dass sie ihre Situation eher durch Sparen, Investieren und Innovationen verbessern können als mit Terrorismus Angst und Schre-cken zu verbreiten, werden sie auch keine terroristischen Organisationen unterstützen.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für eine abgebrochene terroristische Anstrengung findet sich in Südtirol nach dem zweiten Weltkrieg. Diese Region hätte alle Vorausset-zungen für das Entstehen terroristischer Aktivitäten mit sich gebracht: ein repressives, zuerst totalitäres Regime (unter Mussolini), dessen kulturelle und ökonomische Benach-teiligung der deutschsprachigen ansässigen Mehrheitsbevölkerung auch unter den wie-

11 Li/Schaub (2004) finden, dass transnationaler Terrorismus zurückgeht, wenn es zu mehr Handel und

ausländischen Investitionen kommt.

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152 Was könnte Terrorismus mit Ökonomie zu tun haben?

derhergestellten demokratischen Bedingungen nicht sofort und glaubhaft beseitigt wur-de. Die entstehende gewaltsame Unabhängigkeitsbewegung führte eine Reihe von spek-takulären Anschlägen durch, vor allem gegen Infrastruktureinrichtungen, allerdings auch immer wieder mit unbeteiligten Opfern. Diese Bewegung erfreute sich durchaus signifi-kanter Unterstützung in Deutschland und Österreich sowie in Südtirol selbst. Durch Ver-handlungen zwischen Österreich und Italien im Rahmen der Vereinten Nationen konnten aber Kompromisse erzielt werden, die zu einer weitgehenden kulturellen Autonomie beitrugen und insbesondere auch bestehende wirtschaftliche Nachteile für die deutsch-sprachige Bevölkerung beseitigten. Mittlerweile gehört diese Region zu den reichsten der Europäischen Union. Terrorismus hätte sicherlich die wirtschaftliche Attraktivität dieser Region, insbesondere für den so erfolgreichen Tourismus, aber auch für andere ertragreiche unternehmensnahe Dienstleistungen sowie eine hochproduktive Obst- und Weinbauwirtschaft dramatisch geschmälert. Eine wirtschaftlich erstarkende lokale Mehrheitsbevölkerung hat daher Abstand von weiteren Unterstützungen für gewaltsame Aktionen genommen, auch wenn anfangs alle Voraussetzungen für die Verfestigung ei-ner terroristischen Bewegung bestanden.12

Ein anderer Fall, für den argumentiert werden könnte, dass die Aussicht auf „normale“ wirtschaftliche Bedingungen einer Fortsetzung terroristischer Aktivitäten das Wasser abgegraben hat, sind Nordirland und die IRA. Über Jahrzehnte haben die verfeindeten Religionsgemeinschaften einander mit Hass und Gewalt überschüttet. Erst die spektaku-läre wirtschaftliche Entwicklung im benachbarten Irland hat zu einer offensichtlichen Ermüdung der Begeisterung für gewaltsame Aktionen geführt. Nach vielen erfolglosen Anläufen wird Nordirland mittlerweile von einer Koalitionsregierung aus Protestanten und Katholiken geführt.13

Im Gegensatz dazu stehen die ungebrochenen terroristischen Aktivitäten in Mindanao (Süd-Philippinen) und den Palästinensergebieten. Cragin/Chalk (2003) erwähnen diese Fälle als Beispiele für misslungene Entwicklungsanstrengungen. Die Gründe für diese Misserfolge werden einerseits in der Anfälligkeit für Korruption und repressive Taktiken der Besatzungsmacht sowie andererseits in der Unzuverlässigkeit von Finanzierungs-möglichkeiten gesehen. Mit anderen Worten, Arbeit und Unternehmergeist sind weniger aussichtsreich als die (gewaltsame) Aneignung eines größeren Anteils am bestehenden Kuchen. Sharansky (2006) argumentiert, dass die Unfähigkeit Israels und seiner Ver-bündeten, zur Entstehung einer freien und prosperierenden palästinensischen Gesell-

12 Vgl. Steininger (1998) für eine gründliche Analyse des Entstehens und der Lösung gewaltsamer Konflikte

in solchen Fällen. 13 Cragin/Chalk (2003) argumentieren, dass die massive und zweckgerichtete Verfügbarkeit von Entwick-

lungshilfsmitteln zur Verbesserung eines gerechten und gleichen Zugangs zu Bildung, Gesundheit und unternehmerischen Möglichkeiten für nordirische Protestanten und Katholiken eine entscheidende Rolle beim Zustandekommen eines Ausgleichs („Karfreitagsabkommen“) gespielt hat.

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Violeta Matovi und Andreas Wörgötter 153

schaft beizutragen, einen wesentlichen Grund für das Fortbestehen terroristischer Struk-turen und Aktivitäten darstellt.

5. Welche Faktoren begünstigen das Fortbestehen terroristischer Strukturen?

In welchen Situationen würden daher rationale Akteure sich dafür entscheiden, terroristi-sche Vereinigungen zu unterstützen oder gar selbst terroristische Handlungen auszufüh-ren?14 Wann können terroristische Gruppen genügend Mittel requirieren, um ihre Akti-vitäten finanzieren zu können? Wann fällt die Entscheidung gegen eine offene Gesellschaft und eine dezentrale Marktwirtschaft? Warum werden liberale Demokratien und ihre Vertreter Ziele hinterhältiger Anschläge?15

Man kann davon ausgehen, dass Gruppen mit terroristischem Hintergrund homogen zu-sammengesetzt sind, entweder in Bezug auf die Religion,16 als ethnische Minderheit,17

vielleicht auch über eine Ideologie,18 typischerweise konzentriert in einer Region. Zwei

14 Frey (2004) wendet ein neoklassisches Standardnutzenmaximierungsmodell an um zu erklären, wie „ter-

roristisch“ rationale Akteure werden können. Im Optimum wendet ein rationaler Akteur soviel Terroris-mus an, dass der Grenznutzen gerade so groß wie die Grenzkosten ist. Zwar liefert dieser Ansatz interes-sante Einsichten, ist aber durch die üblichen – weitreichenden – Annahmen der Nutzenmaximierung beschränkt. Überdies bleibt dieser Ansatz ebenso in der individuellen Analyse stecken und kann keine so-zialen oder institutionellen Fragestellungen berücksichtigen.

15 Endlers/Sander (2006) argumentieren, dass liberale Demokratien verletzbarer sind, weil sie bei der Wahl der Gegenmaßnahmen eher an Menschenrechtsüberlegungen gebunden sind als dies in undemokratischen Regimen der Fall wäre.

16 Das Ausmaß, in dem der Islam mit marktwirtschaftlichen oder demokratischen Prinzipien verträglich ist, wird in der Literatur nicht eindeutig beantwortet. Allerdings gibt es bestimmte Neigungen und Institutio-nen im Islam, die zu einer Begünstigung von Rahmenbedingungen beitragen, die eher zur Entstehung von terroristischen Aktivitäten beitragen. Die wichtigste Institution in diesem Zusammenhang ist sicherlich die immer bestehende Bereitschaft, eine Dominanz von religiösem Recht gegenüber weltlichem Recht zuzulassen.

17 Viele Minderheiten haben Elemente von Rechtstraditionen, die neben dem allgemeinen Recht der Mehr-heitsbevölkerung bestehen. Solche Einrichtungen können tiefe Konflikte hervorrufen, weil es oft zu In-kompatibilitäten beider Rechtssysteme kommt. Ein Beispiel dafür ist die Blutrache, die in der albanischen Bevölkerung am Balkan tief verwurzelt ist.

18 Viele Gruppen, die terroristische Aktivitäten durchführen, verwenden die eine oder andere Variante mar-xistischer Ideologien, auch wenn die objektiven Rahmenbedingungen (fehlende Industrialisierung) ei-gentlich keinen Übergang zu einem sozialistischen System nahe legen würden. Beispiele dafür sind die PKK in der Türkei, Maoistische Rebellen im Süd-Nepal sowie die meisten terroristischen Gruppierungen, die in Lateinamerika aktiv sind oder waren.

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154 Was könnte Terrorismus mit Ökonomie zu tun haben?

Bedingungen müssen dann zusammenkommen, um das Entstehen oder Fortbestehen einer terroristischen Vereinigung zu begünstigen:

Erstens, die Gesellschaft befindet sich in einem „Endspiel“ über die Verteilung von ver-marktbaren Eigentumsrechten: Die alternative Beteiligung an einem offenen leistungs-orientierten Tauschsystem (also einer freien Marktwirtschaft, in der der Tausch von Gü-tern immer freiwillig und vertragstreu erfolgt) – auch auf Kosten der Integration in eine Mehrheitsgesellschaft ohne kulturellen Hegemonieanspruch – muss eine negative Aus-wirkung auf den Wert der Eigentumsrechte der betroffenen Gruppe haben. Das könnte z. B. dadurch entstehen, dass diese Gruppe Einkommen auf Grund der Kontrolle über Zutrittsbarrieren erzielt. Ökonomisch gesehen haben diese Einkommen den Charakter einer Rente, also eines Einkommenstransfers, dem keine wirtschaftliche Gegenleistung gegenübersteht. Beispiele dafür sind die Kontrolle über die Ausbeutung von Rohstoffen, die Kontrolle von Transitrouten oder aber auch der Zugang zu Entwicklungshilfe. Diese Situation kann weiter durch die Präsenz von organisierter Kriminalität verkompliziert werden. Derartige Gruppen nutzen das allgemeine Chaos und die Gesetzlosigkeit für ihre eigenen Zwecke unter dem Deckmantel politischer Ziele. Die Interessen organisierter Verbrecherbanden können sich daher mit separatistischen Gruppen überlappen, weil bei-de letztlich von der Verhinderung der Durchsetzung bestehenden Rechts zu profitieren versuchen.19

Zweitens, die Mobilitätsbeschränkung: Es muss ein Mechanismus existieren, der verhin-dert, dass die Mitglieder dieser Gruppe sich einfach in eine bessere Welt verabschieden. Extreme Formen solcher Mobilitätsbeschränkungen finden sich etwa durch das Fortbe-stehen von Flüchtlingslagern noch Jahrzehnte nach Ausbruch eines Konflikts mit Ver-treibung der betroffenen Bevölkerung. Eine zusätzliche Rolle können auch religiöse oder ethnische Zugehörigkeiten spielen, die Loyalitäten erzwingen. Dann wird es für die betreffenden Gruppenmitglieder schwierig, ihre Leidensgenossen zu „verraten“, auch wenn das im Interesse aller liegen würde.20 Natürlich spielen dann auch Gewalt und Drohung eine Rolle. Dadurch wird es auch wahrscheinlicher, dass organisiertes Verbre-chen eine Rolle spielt.21 Strikte Eintrittsbarrieren in attraktiven Zielländern spielen eine weitere Rolle. In diesem Zusammenhang könnte auch kritisiert werden, dass insbesonde-re die USA ihre Einwanderungsbestimmungen für Immigranten aus Ländern mit intensi-ver terroristischer Tätigkeit (Irak, Afghanistan, Somalia, Algerien, Palästina, Türkei)

19 Bezüglich der engen Verbindungen zwischen Terrorismus und organisiertem Verbrechen vgl.

Préfontaine/Dandurand (2004). 20 Das Hawala-Transfersystem wird häufig von islamistischen Terrorgruppierungen verwendet. Es beruht

auf einer absoluten Loyalität aller Beteiligten, die auch durch ein striktes und diskretes privates Sankti-onssystem gefördert wird. Vgl. Schramm/Taube (2002) für eine Beschreibung der Wirkungsweise dieses Systems.

21 Schneider (2002) weist auf die rasch wachsende nicht-registrierte Wirtschaft in westlichen Ländern wie Deutschland und Italien hin.

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restriktiver gemacht haben. Die unbeteiligte Zivilbevölkerung ist ein unverzichtbares „Betätigungsfeld“ für Terroristen, sowohl für die Geldbeschaffung als auch als „Schlachtopfer“. Würden alle oder zumindest die Mehrzahl der Betroffenen die Mög-lichkeiten haben, sich eine bessere Welt zu suchen, könnten Terroristen ihr Handwerk nicht mehr ausüben.

6. Wie passen diese Bedingungen auf bestehende terroristische Gruppen?

Kann ein ökonomischer Ansatz den Fortbestand terroristischer Gruppen in Palästina, Tschetschenien, Kaschmir oder der Türkei erklären? Finden sich die zwei Bedingungen, die ein friedliches kulturelles oder religiöses Nebeneinander mit wirtschaftlicher Integra-tion verhindern, in solchen Fällen bestätigt? Selbstverständlich wäre in jedem Fall eine tiefere Prüfung der Umstände, auch inklusive primärer Datenerhebungen, notwendig, um ein klares Bild über den ökonomischen Hintergrund terroristischer Aktivitäten zu erhal-ten. Die folgenden Ausführungen über den palästinensischen Terrorismus und seine ökonomischen Hintergründe sind notgedrungenerweise oberflächlich und können ledig-lich als skizzenhafte Illustrationen angesehen werden.

Die palästinensische Bevölkerung lebt fast ausschließlich von Zuwendungen von außen. Die heimische Wirtschaft ist verkrüppelt und der größte Teil der Bevölkerung ist arbeits-los. Die Lebensbedingungen sind armselig und nur eine kleine Oberschicht lebt in „Saus und Braus“. Die Zuwendungen von außen werden von einem korrupten Regierungsappa-rat verwaltet. Der Zufluss dieser Geldmittel ist an den Flüchtlingsstatus der palästinensi-schen Bevölkerung gebunden. Flüchtlingslager bestehen zum Teil bereits seit drei Gene-rationen. Die Kontrolle über die Flüchtlingslager ist immer wieder Gegenstand interner gewaltsamer Auseinandersetzungen.

Die Bedeutung der Kontrolle über diese Geldströme wurde auch durch die bürgerkriegs-ähnlichen Konflikte zwischen verfeindeten palästinensischen Fraktionen deutlich. Es ist daher offensichtlich, dass es in Palästina ein Interesse am Fortbestand eines Umfelds gibt, das eine Aufrechterhaltung von Geldströmen ermöglicht, die ohne wirtschaftliche Gegenleistung (also ohne Arbeit und unternehmerischen Einsatz) zustande kommen. Diese Geldquellen würden versiegen, wenn die palästinensische Bevölkerung friedlich ihrer Arbeit nachgehen und vom selbst erzielten Einkommen leben könnte.

Die Mobilität der palästinensischen Bevölkerung ist ernsthaft eingeschränkt. Palästinen-ser können sich nicht frei bewegen und auch ihre internationale Mobilität ist einge-schränkt. Das gilt natürlich auch für die Palästinenser, die im Ausland leben. Im Libanon gibt es nach wie vor Flüchtlingslager und viele arabische Länder verweigern Palästinen-

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sern die Niederlassung, wie z. B. Jordanien, das die palästinensischen Flüchtlinge ge-waltsam vertrieb. Das ist ein starker Kontrast zu anderen Beispielen gewaltsamer Ver-treibung, wie etwa der Millionen deutschen Umsiedler nach dem zweiten Weltkrieg.

Diese Gruppe wurde ebenfalls gewaltsam vertrieben und aller Vermögensmittel beraubt. Allerdings hat eine relativ rasche Integration in eine florierende deutsche Nachkriegs-wirtschaft eingesetzt und Lager waren nur kurze Zeit in Betrieb.22 Die Schwierigkeit für Palästinenser, sich in anderen arabischen Ländern niederzulassen, deutet wieder darauf hin, dass die Verteilung von Renteneinkommen im Vordergrund steht. Neuankömmlinge stören ein über lange Zeit hinweg ausbalanciertes System von Privilegien. Länder, in denen Arbeitseinkommen im Gegensatz zu Renteneinkommen eine dominierende Rolle spielen, profitieren immer vom Zuzug neuer Arbeitskräfte (so lange deren Produktivität über dem sozial bestimmten Existenzminimum liegt). Renteneinkommensbestimmte Systeme tendieren dagegen von vornherein zu einer geschlossenen Form. Wenn dann auch marktwirtschaftliche, im Inneren offene Systeme sich gegenüber dem Zuzug der Palästinenser verschließen, dann verschärft das die Abhängigkeit gegenüber Strukturen, die den Fortbestand terroristischer Aktivitäten begünstigen.

Im Fall des palästinensischen Terrorismus scheinen damit die wirtschaftlichen Voraus-setzungen für das Fortbestehen terroristischer Strukturen eindeutig erfüllt zu sein. Große Geldsummen fließen, so lange die Bevölkerung im Elend der Flüchtlingslager festgehal-ten wird. Die eingeschränkte Mobilität erleichtert die Rekrutierung von Attentätern und Kämpfern.

Zusammenfassend könnte man daher sagen, dass die Dominanz von Renteneinkommen und die eingeschränkte Mobilität der palästinensischen Bevölkerung den Fortbestand terroristischer Strukturen fördern. Eine militärische Lösung dieses Konflikts scheint nicht in Sicht, weil jeder noch so eindrucksvolle Feldzug der überlegenen israelischen Armee nicht zu einer endgültigen Niederlage des bewaffneten palästinensischen Kamp-fes führen kann. So lange die palästinensischen Eliten Zugang zu Geldmitteln haben, die nicht auf Arbeit und wirtschaftliche Aktivität angewiesen sind, so lange wird der Terro-rismus ein Instrument bleiben, das potentiell beim Kampf um die Verteilung dieser Mit-tel eingesetzt wird.

22 Damit soll nicht unterstellt werden, dass die deutschen Flüchtlinge nicht auch unter der Vertreibung gelit-

ten haben. Auch heute noch versammeln sich die Angehörigen dieser Volksgruppen im Gedenken an den Verlust der Heimat und pflegen das alte Brauchtum.

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J. Philipp Reiß und Abdolkarim Sadrieh

Ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens

1. Einleitung

2. Das allgemeine Modell

2.1 Der Entscheidungsbaum 2.2 Die Nutzenkomponenten

2.2.1 Der Restlebenszeitnutzen – Lebensfreude und Lebensleid 2.2.2 Der Vorbereitungsnutzen – Erfüllung in der Tatvorbereitung 2.2.3 Der Ausstiegsnutzen – Schande des Abbrechers 2.2.4 Der Aktionsnutzen – Der große Moment 2.2.5 Der Überlebensnutzen – Glück gehabt? 2.2.6 Der altruistische Nutzen – Sich opfern für andere 2.2.7 Der metaphysische Zusatznutzen – Das Heil im Jenseits

3. Die ökonomische Analyse

3.1 Die allgemeinen Bedingungen

3.1.1 Bedingungen für die Vorbereitung in der Absicht auszusteigen 3.1.2 Bedingungen für die Durchführung der Selbstopferaktion

3.2 Fallbeispiel klassischer Suizid 3.3 Fallbeispiel klassische Rettungsaktion 3.4 Fallbeispiel Schulhofattentat 3.5 Fallbeispiel Selbsttötungsattentat

3.5.1 Die Selbstopferbereitschaft in einer Gesellschaft 3.5.2 Das optimale Niveau von Kontrollmaßnahmen 3.5.3 Die Bewertung optimaler Kontrollmaßnahmen 3.5.4 Training als Antwort auf ausgeweitete Sicherheitskontrollen 3.5.5 Optimale Kontrollmaßnahmen bei der Berücksichtigung von

Training3.5.6 Die Lösung des Selbstopferspiels

4. Fazit

Literatur

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1. Einleitung

Es vergeht kaum noch eine Woche, in der sich nicht irgendwo auf der Erde mindestens ein Mensch dazu entschließt, einen selbsttötenden Anschlag oder einen selbsttötenden Amoklauf durchzuführen. Die negativen externen Effekte eines solchen Selbstopferver-haltens sind zwar sehr unterschiedlicher Art, aber ohne Zweifel in jedem Fall stark wohl-fahrtsreduzierend. Im schlimmsten Fall kann es bei einer ständigen Bedrohung durch immer wiederkehrende Anschläge zu einer gesamtwirtschaftlichen Lähmung des Investi-tionsverhaltens kommen, die einen Zerfall des Produktionskapitals – insbesondere auch des Humankapitals – nach sich zieht. Gerade weil das Schädigen Dritter das Hauptziel der Anschläge und Amokläufe ist, sind symptombekämpfende Maßnahmen zur Redukti-on der negativen externen Effekten des Selbstopferverhaltens fast aussichtslos. Das Ver-halten wird jeweils unter Berücksichtigung der Maßnahmen bezüglich der Schadensma-ximierung re-optimiert. So entsteht ein Wettlauf der Schadensbegrenzungs- und Schadensmaximierungsmaßnahmen, der seinerseits Wohlfahrtsverluste mit sich bringt, wie man leicht anhand der Auswirkungen erhöhter Sicherheitsmaßnahmen bei Fernrei-sen beobachten kann. Selbstopferverhalten ist aber nicht nur mit Schadensmaximierung (d. h. mit negativen externen Effekten) in Verbindung zu bringen, sondern kann auch die Minimierung des Schadens anderer zum Ziel haben. Das klassische Beispiel hierfür ist jener Held, der sich opfert, indem er sich schützend vor andere stellt, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren. Das eigene Leben wird für die Erhöhung der Nutzen anderer eingebracht, wodurch positive externe Effekte entstehen.

Ungeachtet dessen ob schadensenkend oder -erhöhend, der spezifische Aspekt des Selbstopferverhaltens, der dieses vom klassischen Suizid unterscheidet, ist die Tatsache, dass beim Selbstopferverhalten die externen Effekte des Selbsttötungsakts die entschei-dende Rolle im Nutzenkalkül des Entscheidungsträgers spielen, während sie im klassi-schen Suizid eher als nebensächlich einzuschätzen sind. So muss sich jede ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens insbesondere mit dem Aspekt der Nutzengewinnung aus den Umständen der Selbsttötung und aus der Interaktion mit anderen Menschen be-fassen, während im klassischen Suizid die Art und die Umstände der Tat für die Selbst-tötungsentscheidung nicht ausschlaggebend sein sollten.1

1 Selbstverständlich spielen die Umstände der Selbsttötung auch dort eine Rolle, sofern es um die Verfüg-

barkeit, die Effektivität und die Schmerzfreiheit des Akts geht. Auch die Interaktion mit anderen kann ei-ne gewisse Rolle spielen, sofern der Entscheidungsträger die Verwirklichung des Selbsttötungsplans unter Zuhilfenahme anderer oder entgegen dem Willen anderer durchführen muss. Obwohl auch solche Interak-tionen externe Effekte erzeugen können, entstehen diese Effekte eher beiläufig und sind kein zentraler Aspekt der Selbsttötungsentscheidung.

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Der Begriff des Selbstopferverhaltens umfasst alle Handlungen, von denen ein substan-tielles Todesrisiko für den Handelnden ausgeht und die darauf ausgerichtet sind, externe Effekte zu erzeugen.2

Gerade dieser Unterschied macht eine institutionelle Andersbehandlung der Selbsttö-tungsarten erforderlich. Während ein staatlicher Eingriff zur Regulierung des klassischen Suizids wegen der Geringfügigkeit der externen Effekte aus ökonomischer Sicht kaum notwendig sein wird, scheint er im Fall des Selbstopferverhaltens dringend erforderlich, um die substantiellen externen Effekte soweit wie möglich zu internalisieren und Wohl-fahrtsverluste zu vermeiden. Die besondere Schwierigkeit dieser Aufgabe ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Ex-post-Internalisierung der externen Effekte nicht mit den übli-chen staatlichen Instrumentarien möglich ist. So kann der Nutzen eines toten Attentäters genauso wenig mit den üblichen staatlichen Sanktionen gesenkt werden, wie der Nutzen eines toten Helden mit Staatspreisen und -ehrungen erhöht werden kann. Da im allge-meinen Verständnis posthum weder Information wahrgenommen, noch Entscheidungen getroffen werden können, existiert im Sinne der Nutzentheorie posthum kein Nutzenträ-ger. Ohne die Möglichkeit des Phänomens ausschließen zu wollen, nehmen wir in dieser Arbeit davon Abstand, posthumen Nutzen zu modellieren.

Da wir posthumen Nutzen ausschließen, müssen sich alle institutionellen Maßnahmen auf den Nutzen des Täters zu Lebzeiten beziehen. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass auch Ex-post-Maßnahmen den Ex-ante-Nutzen des Täters beeinflussen, z. B. wenn der Nutzen des Täters von seiner Erwartung über die zukünftige Wohlfahrt anderer abhängt.3 In der Tat liegt die Vermutung nahe, dass einige Selbstopferakte von altruisti-schen Motiven bezüglich heutiger und zukünftiger Generationen geprägt sind. Der Altru-ismus stellt aber nur eines der möglichen Elemente der Motivation des Selbstopferver-haltens dar.

In diesem Beitrag stellen wir insgesamt sieben unterschiedliche Elemente der Motivation des Selbstopferverhaltens vor und fügen sie in einem allgemeinen Modell zusammen. Wir zeigen, dass neben dem intergenerationalen Altruismus auch die Schande des Wei-terlebens und das Glück des großen Moments zu Selbstopferverhalten führen können. Anhand von vier Fallbeispielen veranschaulichen wir, dass interessanterweise die Effek-tivität institutioneller Anpassungen auf die Tat davon abhängen, welche der aufgezählten

2 Unter einem substantiellen Todesrisiko verstehen wir Risiken, die weit über das gewöhnliche Risiko

gefährlicher Berufe hinausgehen. Insofern zählen wir den alltäglichen Einsatz von Rettungs- und Sicher-heitskräften (Feuerwehr, Polizei, Armee usw.) nicht zum Selbstopferverhalten. Besonders todesgefährli-che Handlungen dagegen, vor allem solche, die nicht aus einem Einsatzplan hervorgehen, fallen aber ein-deutig in den Bereich des Selbstopferverhaltens.

3 Eine solche Überlegung ist wohl der Grund für Kriegsheldenehrungen und die dazugehörige finanzielle Absicherung der hinterbliebenen Angehörigen. Eine ähnliche Wirkungsweise aber mit entgegengesetzter Zielsetzung kann man der Praxis der israelischen Armee unterstellen, die nach Selbsttötungsanschlägen oft massiv in das Vermögen (vor allem in Form von Wohngebäuden) der Täterfamilien eingreift.

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Motive für die Durchführung der Tat jeweils ausschlaggebend sind. Konkret verwenden wir unser allgemeines Modell, um den klassischen Suizid, die klassische Rettungsaktion sowie Schulhof- und Selbsttötungsattentate einer ökonomischen Analyse zuzuführen und einige Ergebnisse zu gewinnen, die bisher keinen Eingang in die Literatur gefunden ha-ben oder mit dem Ansatz von Hamermesh/Soss (1974) nicht erklärbar waren.

Die drei erstgenannten Fallbeispiele zeigen, wie unser allgemeines Modell zu kontextbe-zogenen Partizipationsbedingungen für die jeweilige Selbsttötungsaktion führt und auf welche Weise gesellschaftspolitische Handlungsempfehlungen für institutionelle Anpas-sungen gewonnen werden können. Das letztgenannte Beispiel der Selbsttötungsattentate soll demonstrieren, dass letztlich jede theoretische Analyse, die den Anspruch der Rele-vanz erhebt, die Eigenschaft der Theorieabsorption erfüllen muss wie von Morgenstern/ Schwödiauer (1976) vorgeschlagen. Dazu wird eine einfache spieltheoretische Modellie-rung vorgestellt, um die grundsätzlichen Effekte sicherheitspolitischer Interventions-maßnahmen zu untersuchen, die auf unserem allgemeinen Modell zum rationalen Selbst-opferverhalten aufbaut.

2. Das allgemeine Modell

2.1 Der Entscheidungsbaum

Mit dem hier vorgestellten allgemeinen Modell sollen möglichst viele Arten des Selbst-opferverhaltens erfasst werden. Die Spanne der Verhaltensformen, die wir in diesem Modell zusammenführen, ist weit, denn sie umfasst nicht nur die klassischen Rettungsta-ten, bei denen das eigene Leben eingesetzt wird, um ein anderes zu retten, sondern auch jegliches Märtyrerverhalten, bei dem das eigene Leben eingesetzt wird, um in scheinbar aussichtlosen Situationen ein Signal der Entschlossenheit zu setzen und/oder den Gegner maximal zu schädigen. So gehören Selbsttötungsattentate, Kamikazemissionen und To-deskommandos genauso zum Märtyrerverhalten wie unbewaffneter Widerstand und symbolische Selbstverbrennungen an öffentlichen Plätzen. Des Weiteren können sowohl gewalttätige Amokläufe als auch friedfertige Selbsttötungen ohne Selbstopferverhalten als spezielle Ausprägungen des Modells erklärt werden.

Das Modell identifiziert eine grundlegende Entscheidungsstruktur aller aufgeführten Verhaltensformen. Wie der Entscheidungsbaum in Tabelle 1 zeigt, steht am Anfang die prinzipielle Entscheidung darüber an, ob überhaupt Ressourcen zur Vorbereitung einer Aktion eingebracht werden sollen. Diese Initialentscheidung ist insofern wichtig, als dass sie den erwarteten Nutzen aus der noch verbleibenden Lebenszeit gravierend beein-flussen kann. In vielen der betrachteten Situationen geht nämlich die Initialentscheidung

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mit beträchtlichen persönlichen Investitionen einher, die alle folgenden Nutzenströme sowohl durch materielle als auch durch immaterielle Verflechtungen unwiderruflich ver-ändern. So kann z. B. die Mitgliedschaft in einer fanatischen Gruppierung einerseits mit materiellen und immateriellen Vorteilen verbunden sein (finanzielle Zuschüsse, Zusam-mengehörigkeitsgefühl, Humankapitalbildung usw.), aber andererseits auch mit Ver-pflichtungen gegenüber der Gruppe, denen mittels starker Sanktionsdrohungen der Gruppe Nachdruck verliehen wird.

Tabelle 1: Entscheidungsbaum des allgemeinen Modells

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Falls zum Entscheidungszeitpunkt t die Initialentscheidung negativ ausfällt, wird das „normale“ Leben fortgesetzt und der erwartete Restlebenszeitnutzen Rt realisiert. An-dernfalls beginnt die Vorbereitungsphase und das Individuum realisiert die Kosten und Nutzen der Vorbereitung V. Die Dauer der Vorbereitungsphase fällt je nach Art des Selbstopferverhaltens sehr unterschiedlich aus. Bei einigen Selbsttötungsattentaten sind mehrjährige Vorbereitungsphasen bekannt, wobei die Betroffenen in dieser Zeit zum Teil erheblich in Humankapital investiert haben. Bei vielen situationsbedingten Ret-tungstaten dagegen fällt die Vorbereitungsphase sehr kurz aus, denn es bleibt meist nur wenig Zeit zwischen der Initialentscheidung und der Aktion.

Dennoch erscheint es auch in solchen Fällen sinnvoll, zwischen der Initialentscheidung und der eigentlichen Durchführung der Aktion zu unterscheiden, denn ein Ausstieg nach der Vorbereitung ist auch in solchen Fällen oft noch möglich. So kann sich z. B. ein Pas-sant, der beobachtet, wie Kinder auf dünnem Eis einbrechen, zwar darauf vorbereiten, zur Rettung auf das Eis zu laufen, dann aber – vielleicht nachdem er ein paar Schritte über das dünne Eis gegangen ist – die Aktion abbrechen und einfach nach Hause gehen. Das Entscheidende ist, dass durch die positive Initialentscheidung zur Vorbereitung der Aktion eine Rückkehr zur ursprünglichen Situation nicht mehr möglich ist. Einerseits können in der Vorbereitungsphase physische und psychische Nutzen und Kosten entste-hen, die bei einer negativen Initialentscheidung nicht entstanden wären. Andererseits kann der nachträgliche Abbruch der Aktion zu einer substantiellen Veränderung der in der Zukunft zu erwartenden Nutzenströme führen. Deshalb wird sich der Ausstiegsnut-zen x(Rt+ ), der den erwarteten Nutzenstrom der Restlebenszeit nach einem Ausstieg dar-stellt, in der Regel vom erwarteten Nutzenstrom der Restlebenszeit Rt vor dem Ausstieg unterscheiden.

Sofern die Vorbereitungsphase mit der Entscheidung zur Durchführung der Aktion en-det, entsteht ein unmittelbarer Nutzen aus der Aktion. Dieser Aktionsnutzen A umfasst alle im Verlauf der Aktion verspürten Schmerzen und Glücksgefühle. Die Durchführung der Aktion endet in der Regel mit dem Tod, da die Überlebenswahrscheinlichkeit p bei einer Selbstopferhandlung definitionsgemäß extrem niedrig ist. Sollte das Individuum aber dennoch überleben, so entsteht ein anderes Nutzenszenario als im Tod. Zwar sind in beiden Fällen der Vorbereitungs- und der Aktionsnutzen bereits konsumiert worden und der altruistische Nutzen L und der metaphysische Zusatznutzen M stehen gleichermaßen zur Verfügung, aber nur der Überlebende kann den Überlebensnutzen s(Rt+ ) realisieren,der den erwarteten Nutzenstrom der Restlebenszeit nach der Aktion darstellt.

2.2 Die Nutzenkomponenten

Die Nutzenkomponenten, die im allgemeinen Modell zusammengeführt und abgewogen werden, sind für die Beschreibung einzelner Verhaltensformen von unterschiedlicher

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Bedeutung. Gerade dies macht den gezielten Einsatz dämpfender oder verstärkender In-strumente möglich, die gezielt eine dieser Komponenten beeinflussen. Im Folgenden werden die Nutzenkomponenten zunächst allgemein beschrieben, bevor dann im folgen-den Abschnitt auf die unterschiedlichen Verhaltensformen eingegangen wird.

2.2.1 Der Restlebenszeitnutzen – Lebensfreude und Lebensleid

Der Restlebenszeitnutzen Rt umfasst den erwarteten Nutzen aus der noch verbleibenden Lebenszeit gemessen vom jeweiligen Entscheidungszeitpunkt t. Die klassische Spezifi-zierung von Hamermesh/Soss (1974) basiert auf dem Erwartungswert der diskontierten Nutzen aus dem Konsum eines permanenten Einkommens abzüglich der Kosten der Le-benserhaltung. Da angenommen wird, dass die Kosten der Lebenserhaltung mit dem Le-bensalter steigen, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Opportunitätskosten der Selbsttötung einerseits mit steigendem Lebensalter und andererseits mit fallendem Ein-kommen sinken. In der Tat zeigen Hamermesh/Soss (1974) und einige nachfolgende Studien, dass Selbstmordraten mit Armut und Alter zunehmend sind.4

Hierbei ist anzumerken, dass die nicht-monetären Nutzenkomponenten in der klassi-schen Modellierung unberücksichtigt bleiben. So werden etliche Einflussfaktoren der Lebensfreude, die in der psychologischen und soziologischen Forschung identifiziert worden sind, außer Acht gelassen. Unter anderem können Gesundheit, Eheleben, Religi-osität, Extrovertiertheit und Optimismus einen starken positiven Einfluss auf den erwar-teten Restlebenszeitnutzen haben.5 Auch der Grad der Diskrepanz zwischen persönli-chen Zielen und realen Möglichkeiten scheint eine besonders wichtige Rolle dafür zu spielen, welche Erwartungen an die Restlebenszeit geknüpft werden. So neigen vor al-lem enttäuschte, pessimistische Menschen dazu, den Wert des Weiterlebens als eher ge-ring einzuschätzen.

Die Tatsache, dass sich Menschen mit starker religiöser Bindung in fast allen bekannten Studien als glücklicher einschätzen als andere, deutet allem Anschein nach darauf hin, dass positive Erwartungen an metaphysische Erscheinungen in der Lebenszeit antizipa-torischen Nutzen induzieren können. Interessanterweise zeigen neuere Studien, dass das entscheidende Merkmal nicht der von den Befragten angegebene Grad der Religiosität ist, sondern der Grad der tatsächlichen Ausübung der Religion, z. B. die Häufigkeit der Kirchenbesuche.6 So kann ökonomisch von einem Aufwand und einem Nutzen der Reli-

4 Dies trifft allerdings nicht für typische Selbstmordattentäter zu, die meist überdurchschnittlich jung und

gebildet sind und häufig über ein relativ hohes Einkommen und teilweise auch über ein substantielles Vermögen verfügen; vgl. Krueger/Male ková (2003) und Benmelech/Berrebi (2007).

5 Vgl. Diener et al. (1999). 6 Vgl. Diener et al. (1999).

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giosität gesprochen werden, wobei es keine Rolle spielt, ob das Individuum nur die An-tizipation der metaphysischen Belohnung in der Lebenszeit konsumiert oder zusätzlich auch noch posthum einen Nutzengewinn daraus zieht. Wir unterscheiden jenen Teil des metaphysischen Nutzens, den das Individuum im Verlauf des gewöhnlichen Lebens – also auch ohne eine Selbstopferaktion – erwartet, von jenem Teil, der nur durch eine Selbstopferaktion induziert wird. Der erstgenannte Teil, der „gewöhnliche“ metaphysi-sche Nutzen, ist Bestandteil des Restlebenszeitnutzens. Den letztgenannten Teil bezeich-nen wir als metaphysischen Zusatznutzen und behandeln ihn als separate Nutzenkompo-nente.

2.2.2 Der Vorbereitungsnutzen – Erfüllung in der Tatvorbereitung

Der Vorbereitungsnutzen V umfasst den gesamten Nutzen, der dem Individuum während der Vorbereitung der Selbstopferaktion, d. h. vom Zeitpunkt der Initialentscheidung t bis zum Zeitpunkt der Durchführungsentscheidung t + , entsteht. Wenn die Dauer der Vorbereitungszeit, wie im Fall situationsbedingter Rettungstaten, kurz ausfällt, dann sind weder hohe Kosten noch Nutzen in der Vorbereitungszeit zu erwarten. Aber wenn Selbstopferaktionen langfristig geplant und mit hohen Investitionen verbunden sind, wie bei einigen der spektakulären Schulhofattentate und terroristischen Selbsttötungsan-schläge, dann kann der Vorbereitungsnutzen von substantieller Bedeutung für Nutzen-abwägungen sein. Beispielsweise macht Ferrero (2006) darauf aufmerksam, dass viele Selbstmordattentäter während der Vorbereitung ihrer Tat in eine Gemeinschaft aufge-nommen werden, in der sie neben den (meist geringfügigen) finanziellen Vorteilen vor allem substantiellen psychologischen Nutzen aus der Gruppendynamik schöpfen. Auch Schulhofattentate sind in der Regel mittel- bis langfristig geplant.7 Diese Attentäter schöpfen meist einen Vorbereitungsnutzen nicht nur aus der Spannung und der Vorfreu-de der Tatvorbereitung, sondern auch aus der prahlerischen Ankündigung der Tat bei einem Kreis von Mitwissern.8 Solche Ankündigungen bergen allerdings die Gefahr, ent-deckt zu werden, und können somit den erwarteten Vorbereitungsnutzen senken.

2.2.3 Der Ausstiegsnutzen – Schande des Abbrechers

Wenn eine Selbstopferaktion in der Vorbereitungsphase abgebrochen wird, hat das Indi-viduum den Vorbereitungsnutzen V, der unter Umständen auch negativ sein kann, schon

7 Vgl. Vossekuil et al. (2004). 8 Vgl. Vossekuil et al. (2004).

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realisiert.9 Darüber hinaus erwartet das Individuum die Realisation des Restlebenszeit-nutzens, da das Leben nach dem Abbruch weitergeht. Allerdings ist für die meisten Selbstopferarten zu vermuten, dass das Leben nach dem Abbruch der Vorbereitungspha-se anders verläuft als nach einer anfänglichen Nicht-Partizipationsentscheidung. Der veränderte Lebensverlauf führt in der Regel zu einer anderen Realisation der zukünftigen Nutzenströme. Der Ausstiegsnutzen umfasst die veränderten zukünftigen Nutzenströme, die nach dem Abbruch der Vorbereitungen erwartet werden. Wir modellieren den Aus-stiegsnutzen als Funktion x(Rt+ ), die den erwarteten Restlebenszeitnutzen Rt+ in dem Nutzenraum abbildet.

Es gibt eine Reihe plausibler und gut belegter Gründe, warum wir in der Regel davon ausgehen können, dass der Ausstiegsnutzen kleiner ist als der entsprechende Restlebens-zeitnutzen bei einer Nicht-Partizipationsentscheidung, d. h. x(Rt+ ) < Rt+ . Die wichtigs-ten Gründe hierfür beruhen darauf, dass die Initialentscheidung, sich auf eine Selbstop-feraktivität vorzubereiten, eine Selbstbindung erzeugt, deren Bruch mit einem Gesichtsverlust und einer Stigmatisierung bzw. Sanktionierung durch das soziale Umfeld einhergeht. Einige Autoren10 berichten z. B., dass terroristische Vereinigungen ihre po-tentiellen Selbstopferaktivisten in der Vorbereitungsphase durch finanzielle Zuwendun-gen und gesellschaftliche Anerkennung intensiv unterstützen, aber im Fall eines Aus-stiegs effektive psychologische und physiologische Sanktionen herbeigeführt werden. Ähnliches gilt wohl auch für die Mitglieder von Guerillaorganisationen, religiösen Sek-ten und kriminellen Vereinigungen. Gerade um die negativen Effekte der Sanktionierun-gen von Aussteigern aus solchen Organisationen zu dämpfen, werden häufig Amnestie- und Zeugenschutzprogramme angeboten, die eine Möglichkeit zur Identitätsänderung beinhalten.

Aber auch Individuen, die keiner Vereinigung angehören, können beim Abbruch der Vorbereitungen unter einer Stigmatisierung leiden. Beispielsweise haben Schulhofatten-täter in aller Regel Mitwisser, denen sie die Selbstopferaktion im Vorfeld als „Helden-tat“ ankündigen.11 Je mehr sie prahlen, desto größer scheint ihr Vorbereitungsnutzen, aber umso größer wird auch die Schmach, die Tat nicht zu vollbringen. Der Gesichtsver-lust beim Ausstieg ist umso höher, je besser die Vorbereitung dokumentiert wird (bei-spielsweise über das Internet) und je mehr Mitwisser es gibt. Da die große Mehrheit der Schulhofattentäter bereits vor der Tat den Hänseleien ihrer Mitschüler ausgesetzt ist,12

9 Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass der Abbruch immer nur am Ende der Vorbereitungszeit stattfin-

det, d. h. zum Zeitpunkt t + .10 Vgl. Ferrero (2006) und Benmelech/Berrebi (2007). 11 Vgl. Vossekuil et al. (2004). 12 Vgl. Leary et al. (2001).

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könnte der Abbruch einer angekündigten Tat das (ersehnte) Ansehen in der Gruppe noch weiter beschädigen.13

Abgesehen von der Stigmatisierung und der offenen Sanktionierung durch das gesell-schaftliche Umfeld kann der Abbruch auch deshalb mit einem Ausstiegsleid verbunden sein, war der Abbruch die Selbstachtung des Individuums schädigt. Gerade weil Selbst-opferverhalten emotional motiviert ist, kann davon ausgegangen werden, dass ein Aus-stieg emotionale und kognitive Kosten der Dissonanzreduktion verursachen wird.

2.2.4 Der Aktionsnutzen – Der große Moment

Der Aktionsnutzen beschreibt den Nutzen, den das selbstopfernde Individuum während der Durchführung der Aktion realisiert. Es ist außerordentlich schwierig, den Zeitpunkt festzulegen, ab dem der Aktionsverlauf von der Vorbereitung in die Durchführung wechselt. Insofern sind Vorbereitungs- und Aktionsnutzen nicht leicht trennbar. Das ent-scheidende Merkmal sollte die Unumkehrbarkeit der Tat sein, wobei sich dies wohl hauptsächlich auf die Unumkehrbarkeit von Konsequenzen der Tat bezieht. Ein Selbsttö-tungsattentäter, der mit angegurtetem Sprengstoff in das Zielgebiet hinein und wieder hinaus geht ohne zu zünden und ohne erfasst zu werden, ist dieser Auffassung nach noch in der Vorbereitungsphase, denn in dieser Situation ist ein Ausstieg noch möglich. Sollte er also nur das Gefühl genießen, einen Anschlag verübt haben zu können, dann ist der daraus entstandene Nutzen ein Teil des Vorbereitungsnutzens.14

Mit der ersten Sprengung oder mit dem ersten Schuss, der abgefeuert wird, entstehen unumkehrbare Folgen zumindest für den Täter, denn auch wenn kein anderer durch den Anschlag zu Schaden kommt, so hat sich doch zumindest der Täter offenbart. Spätestens ab diesem Zeitpunkt entsteht der Aktionsnutzen. Selbstverständlich wird in einigen Fäl-len, wie z. B. bei Selbstsprengungsattentaten, nur wenig Zeit für die Entstehung des Ak-tionsnutzens vorliegen. Ob die Dauer der Aktionsdurchführung für die Intensität des Nutzens ausschlaggebend ist, ist noch ungeklärt. Wir modellieren den Aktionsnutzen deshalb als einen von der Dauer unabhängigen Nutzenwert, der unmittelbar durch die Durchführung der Aktion induziert wird.

Aufzeichnungen von Selbstopferaktionen, deren Durchführung eine längere Zeitspanne umfasste (z. B. ausgedehnte Schulhofattentate), zeigen, dass die Täter sich häufig in ei-nem Hochgefühl befinden und ihre situationsbedingte Überlegenheit sichtlich genie-

13 Es ist allerdings auch vorstellbar, dass das Ansehen bereits so niedrig ist, dass der Ausstieg keinen großen

Gesichtsverlust mit sich bringen würde. 14 Es ist bekannt, dass viele Schulhofattentäter bereits vor der Tat Waffen bei sich tragen und diese ihren

Mitwissern als Demonstration der Stärke und der Entschlossenheit zeigen; vgl. Vossekuil et al. (2004).

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Ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens 170

ßen.15 Diese Evidenz scheint darauf hinzuweisen, dass die Durchführung der Selbstop-feraktion – zumindest für einige Täter – mit dem „erhebenden“ Gefühl eines „großen Moments“ verknüpft ist.

2.2.5 Der Überlebensnutzen – Glück gehabt?

Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach der Durchführung der Selbstopferaktion ist defi-nitionsgemäß extrem niedrig. Wie niedrig sie tatsächlich ist, hängt von der Art der Selbstopferaktivität und den äußeren Umständen der Tat ab.16 Falls ein Überleben mög-lich ist und sich bewahrheitet, dann ist anzunehmen, dass die Restlebenszeit anders ver-läuft als nach einer negativen Initialentscheidung oder nach einem Abbruch in der Vor-bereitungsphase. Aufgrund der durchgeführten Aktion kann der Überlebende unter Umständen als Held gefeiert und unter anderen Umständen als Straftäter verfolgt wer-den. Wie bereits beim Ausstiegsnutzen modellieren wir den Überlebensnutzen s(Rt+ ) als eine Funktion des erwarteten Restlebenszeitnutzens Rt+ im Nutzenraum.

2.2.6 Der altruistische Nutzen – Sich opfern für andere

Eines der meistgenannten Motive für das Selbstopferverhalten ist der Altruismus.17

Beim Vorliegen positiver externer Effekte – wie im Fall einer klassischen Rettungsakti-on – liegt der Altruismus klar auf der Hand, denn das eigene Leben wird für das Leben anderer geopfert. In den Fällen, in denen die Selbstopferaktivität negative externe Effek-te auslöst, muss der Begriff des Altruismus genauer spezifiziert werden. In diesen Fällen ist der Altruismus offensichtlich nicht als eine Neigung zur globalen Philanthropie zu werten, sondern als ein zielgerichtetes Interesse am Wohlergehen einer spezifischen Gruppe. So sind einige politisch motivierte Selbstopferaktivitäten explizit darauf ausge-richtet, bessere Lebensbedingungen für die eigene ethnische Gruppe herbeizuführen. Selbst einige Schulhofattentäter begründen ihre Tat unter anderem damit, dass sie andere Schüler vor Hänseleien seitens ihrer Opfer bewahren wollen.

15 Vgl. Vossekuil et al. (2004). 16 Eine Komplikation, auf die wir hier nicht näher eingehen werden, ergibt sich daraus, dass die Überle-

benswahrscheinlichkeit p unter Umständen vom Verhalten des Täters beeinflusst werden kann. So kann ein Attentäter so lange in die Menge schießen, bis er von den Sicherheitskräften unschädlich gemacht wird. Falls er dann noch lebt, nutzt er unter Umständen – wie es bei Schulhofattentaten oft der Fall ist – noch die Möglichkeit, sich selbst zu töten. Wir gehen davon aus, dass die Möglichkeit zur Selbsttötung wann immer noch möglich auch genutzt wird, sodass p auch die Wahrscheinlichkeit der Fälle umfasst, bei denen die Selbsttötung nicht mehr möglich ist.

17 Vgl. Azam (2005), Ferrero (2006) und Benmelech/Berrebi (2007).

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Die theoretischen Schwierigkeiten, die aus der Modellierung des Altruismus als interde-pendenter Nutzen entstehen, sind hinlänglich bekannt.18 Des Weiteren deuten empiri-sche Studien darauf hin, dass altruistisches Verhalten eher vom „Warm-Glow“-Nutzen geprägt ist als von direkter Nutzeninterdependenz.19 Dieser Literatur folgend modellie-ren wir den altruistischen Nutzen L als einen von dem Ausmaß der externen Effekte un-abhängigen Nutzen. Es wird also unterstellt, dass das Individuum unabhängig vom Wir-kungsgrad beim Empfänger Freude daran hat, Gutes zu tun (Warm Glow).

Im Kontext der klassischen Rettungsaktion bedeutet die Annahme, dass ein Retter je-dem, der Hilfe braucht, gleichermaßen hilft, ohne vorher abzuwägen, welche Nutzenge-winne sich bei dem einen oder anderen ergeben. Dies scheint empirisch recht plausibel. Im Kontext der Selbsttötungsanschläge mit politischem Hintergrund wäre aber eine Ab-hängigkeit des altruistischen Nutzens von den Lebensumständen derer, denen geholfen werden soll, durchaus vorstellbar. Der altruistische Nutzen L könnte z. B. mit der wirt-schaftlichen Situation der Zielgruppe negativ korreliert sein, was implizieren würde, dass es befriedigender ist, ärmeren Zielgruppen zu helfen.

2.2.7 Der metaphysische Zusatznutzen – Das Heil im Jenseits

Der metaphysische Zusatznutzen M beschreibt jenen Nutzen, den das Individuum durch die Antizipation einer metaphysischen Belohnung oder Bestrafung erfährt. Einige Auto-ren weisen darauf hin, dass bei vielen Selbsttötungsanschlägen und Schulhofattentaten keine Hinweise auf einen starken Glauben an posthume Belohnung gefunden werden konnten. So ist die in Selbsttötungsanschlägen aktivste Gruppierung, die Black Tigers der tamilischen Befreiungsarmee auf Sri Lanka, genauso wenig eine religiöse Gruppie-rung wie die Gruppe der berüchtigten Kamikazepiloten der japanischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg.20 Auch bei einer Mehrzahl der Schulhofattentate lassen sich nur we-nige Hinweise auf die Antizipation metaphysischer Zusatznutzen finden. So sind unter den 16 bei Leary et al. (2001) untersuchten Fällen nur zwei Fälle, in denen die Schulhof-attentäter eine Todesfaszination zeigten, wobei es sich in beiden Fällen um die Beschäf-tigung mit Satanskulten handelte.

Trotz der recht mageren empirischen Evidenz bezüglich der Bedeutung metaphysischen Nutzens für das Selbstopferverhalten scheint die explizite Modellierung hilfreich, um eine Analyse der theoretischen Bedeutung zu ermöglichen. Immerhin spielt die Vorstel-lung, dass Selbstopferverhalten oft vom Versprechen des Heils im Jenseits getrieben

18 Vgl. Sugden (1982), Andreoni (1988), Bergstorm (1989) und Monroe (1994). 19 Vgl. Andreoni (1988) und Nunes/Schokkaert (2003). 20 Vgl. Ferrero (2006).

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wird, in Teilen der Literatur21 und in der öffentlichen Meinung eine wichtige Rolle.22

Zweifellos gibt es Beispiele für stark religiös geprägtes Selbstopferverhalten, die so von unserem Modell erfasst werden können.

3. Die ökonomische Analyse

3.1 Die allgemeinen Bedingungen

In diesem Abschnitt leiten wir zunächst die allgemeinen Bedingungen für unterschiedli-che Entscheidungen im Rahmen des oben vorgestellten allgemeinen Modells her. Das Modell separiert die Individuen entsprechend ihrer Entscheidungen in drei Klassen:

1. diejenigen, die in die Vorbereitung einer Selbstopferaktion eintreten, aber die Akti-on nicht durchführen;

2. diejenigen, die eine Selbstopferaktion vorbereiten und durchführen;

3. diejenigen, die eine Selbstopferaktion weder vorbereiten noch durchführen.

Die Klasse 3 umfasst zwar die große Mehrheit aller Menschen, ist aber theoretisch weni-ger ergiebig, da es sich bei ihr schlicht um die Residualmenge nach Abzug der Klassen 1 und 2 handelt. Deshalb werden wir uns im Folgenden damit begnügen, die Bedingungen für die Klassen 1 und 2 herzuleiten und darauf hinzuweisen, dass die Klasse 3 aus jenen Individuen besteht, für die weder die Bedingungen von 1 noch von 2 zutreffen.

3.1.1 Bedingungen für die Vorbereitung in der Absicht auszusteigen

Es ist vorstellbar, dass manche Individuen in die Vorbereitung einer Selbstopferaktion mit der Absicht eintreten, den Vorbereitungsnutzen zu realisieren, aber die Selbstopfer-aktion nicht durchzuführen. Für diese Individuen gilt:

(1a) ( ) undt tV R x R

(1b) ( ) ( ).t tA L M ps R x R

21 Vgl. Benmelech/Berrebi (2007). 22 Vgl. Warraq (2002).

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Bedingung (1a) stellt die Partizipationsbedingung für den Einstieg in die Vorbereitung dar, denn sie besagt, dass der Vorbereitungsnutzen V den erwarteten Nutzenverlust für die Restlebenszeit übersteigen muss. Dieser Nutzenverlust, der dadurch entsteht, dass der Ausstiegsnutzen x (Rt+ ) in der Regel niedriger ausfällt als der Restlebenszeitnutzen Rt,23 entspricht den Opportunitätskosten der Vorbereitung.

Bedingung (1b) stellt sicher, dass der erwartete Nutzen aus der Durchführung der Selbstopferaktion kleiner ist als der Nutzen des Abbruchs. Wäre diese Bedingung nicht erfüllt, hätte das Individuum einen Anreiz statt des Abbruchs die Durchführung der Selbstopferaktion zu wählen. Der Kern der Bedingung ist der Vergleich der Nutzenkom-ponenten, die erst durch die Durchführung induziert werden, mit dem Ausstiegsnutzen, der durch das Weiterleben im Fall des Abbruchs realisiert wird. Je größer der Aktions-nutzen A, der altruistische Nutzen L und der metaphysische Nutzen M sind, umso un-wahrscheinlicher wird der Abbruch. Ob eine Erhöhung der Überlebenswahrscheinlich-keit p die Abbruchwahrscheinlichkeit steigert oder senkt, hängt davon ab, ob ein Weiterleben nach der Durchführung der Tat einen negativen oder positiven Überlebens-nutzen s(Rt) mit sich bringt.

3.1.2 Bedingungen für die Durchführung der Selbstopferaktion

Die Partizipationsbedingung für den Fall, dass das Individuum die Selbstopferaktion tatsächlich durchzuführen plant, sieht etwas anders aus als im obigen Fall, in dem nur die Vorbereitung, aber nicht die Durchführung geplant ist. Es spielt in diesem Fall keine Rolle, ob ein Abbruch nach der Vorbereitung im Vergleich zur Nicht-Teilnahme vorteil-haft ist oder nicht, denn der Ausstieg ist nicht geplant. Es gilt:

(2a) ( ) undt tV A L M R ps R

(2b) ( ) ( ).t tA L M ps R x R

Bedingung (2a) stellt die Partizipationsbedingung für die Vorbereitung und Durchfüh-rung der Selbstopferaktion dar. Für eine Partizipation muss die Summe der erwarteten Nutzen aus der Vorbereitung und der Aktion zusammen mit den antizipatorischen Nut-zen aus den altruistischen und metaphysischen Auswirkungen der Selbstopferaktion grö-ßer sein als der Nutzennachteil der Restlebenszeit im Vergleich zur Nicht-Teilnahme. Es wird deutlich, dass die Opportunitätskosten der Selbstopferaktion aus dem erwarteten entgangenen Nutzen der Restlebenszeit bestehen.

23 Vgl. Abschnitt 2.2.3.

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Bedingung (2b) ist das Pendant zu Bedingung (1b), das in diesem Fall sicherstellt, dass der Vorteil der Durchführung der Selbstopferaktion größer ist als der Nutzen des Ab-bruchs. Wäre die Bedingung nicht erfüllt, hätte das Individuum einen Anreiz, statt der Durchführung der Selbstopferaktion den Abbruch zu wählen.

3.2 Fallbeispiel klassischer Suizid

Der klassische Suizid stellt kein Selbstopferverhalten dar, denn es ist nicht das primäre Ziel des selbsttötenden Individuums, einen externen Effekt herbeizuführen, sondern nur dem eigenen Leben ein geplantes Ende zu bereiten. Insofern kann man davon ausgehen, dass das Individuum, das entscheidet, ob es einen Suizid begehen soll, in der Regel nicht erwartet, einen altruistischen Nutzen zu erzielen, d. h. wir können davon ausgehen, dass L = 0 gilt. Es ist ebenso anzunehmen, dass die meisten Selbstmörder weder einen positi-ven Vorbereitungs- noch Aktionsnutzen erwarten, denn im Gegensatz zu Selbstopferak-tionen sind die Vorbereitung und Durchführung klassischer Selbsttötungsakte meist nicht von dem Gefühl geprägt, etwas Wichtiges und Erhabenes zu vollbringen. Es scheint also plausibel anzunehmen, dass V = 0 und A = 0 gelten. Schließlich gibt es auch keine Indizien dafür, dass klassische Selbstmörder einen zusätzlichen metaphysischen Nutzen aus dem Akt ihrer Selbsttötung antizipieren.24 Somit kann wohl in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass für die meisten Selbstmörder bestenfalls M = 0 gilt.

Gegeben die oben angeführten Annahmen reduzieren sich die beiden Bedingungen (2a) und (2b) für die Durchführung der Selbsttötungstat im Fall des klassischen Suizids auf:

(2aSuizid) ( ) undt tps R R

(2bSuizid) ( ) ( ).t tps R x R

Unter der Annahme, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit p = 0 ist, bedeuten die bei-den Bedingungen einfach nur, dass es zur Selbstmordentscheidung kommt, wenn sowohl der erwartete Restlebenszeitnutzen Rt als auch der Ausstiegsnutzen x(Rt+ ) kleiner als null sind. Dies entspricht der Analyse von Hamermesh/Soss (1974), die davon ausgehen, dass Selbstmordentscheidungen auf eine negative Einschätzung des Restlebens-zeitnutzens zurückzuführen sind. Somit lassen sich die Ergebnisse von Hamermesh/Soss (1974) auch im Rahmen unseres Modells erklären, denn es ist plausibel anzunehmen,

24 Der Selbstmord gilt in vielen Religionen als unmoralisch oder zumindest unerwünscht. Gläubige Selbst-

mörder werden also eher einen metaphysischen Nachteil ihrer Tat antizipieren.

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dass der Restlebenszeitnutzen Rt mit zunehmendem Alter und abnehmendem Einkom-men des Entscheidungsträgers abnimmt.

Mit unserem Modell lässt sich aber auch ein weiteres Phänomen erklären, das mit der bisherigen Modellierung in der Literatur nicht erfasst worden ist. Es gibt Hinweise dar-auf, dass, während jüngere Überlebende häufig hoffen, dass ihr Leben nach dem Selbst-tötungsversuch besser werde, ältere Überlebende meist fürchten, dass ihre Lebens-umstände sich weiter verschlechtern. Hawton et al. (2005) berichten z. B., dass die Todesintention mit dem Alter der untersuchten Überlebenden signifikant zunimmt. Im Rahmen unseres Modells bedeutet dies, dass für jüngere der Überlebensnutzen s(Rt+ )größer ist als für ältere Menschen. Dies impliziert, dass die Bedingungen (2aSuizid) und (2bSuizid) bei jungen Menschen eher erfüllt sind und es damit häufiger zu Selbsttötungs-versuchen in dieser Alterskohorte kommt. In der Tat haben Selbsttötungsversuche bei jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren die bei weitem höchste Prävalenz.25

Allerdings zeigt es sich auch, dass sich die Überlebenswahrscheinlichkeiten für Jung und Alt unterscheiden. Von circa 100 bis 200 Selbsttötungsversuchen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren verläuft nur einer tödlich, während die Quote für die Altersgruppe der über 65-Jährigen bei vier zu eins liegt.26 Berücksichtigt man die unterschiedlichen Über-lebenswahrscheinlichkeiten (pjung 0,99 versus palt 0,75) in den Bedingungen (2aSuizid)und (2bSuizid), so verwundert es noch weniger, dass Selbsttötungsversuche bei 15- bis 24-jährigen Menschen circa 20-mal so häufig sind wie bei über 65-jährigen Menschen.27

Eine interessante Implikation des Modells für den gesellschaftlichen Umgang mit der Selbsttötungsproblematik bei Jugendlichen ist, dass jede Verbesserung der Rettungs-maßnahmen zu einer Erhöhung der Anzahl von Selbstmordversuchen führen wird. Dies liegt daran, dass verbesserte Rettungsmaßnahmen die Überlebenswahrscheinlichkeit perhöhen, was bei dem angenommenen positiven Überlebensnutzen junger Menschen zu einer Erhöhung der linken Seiten der Bedingungen (2aSuizid) und (2bSuizid) führt. So gilt hier, wie bereits von Morgenstern/Schwödiauer (1976) festgestellt, dass eine Verbesse-rung der Rettungsmaßnahmen im Rahmen der strategischen Anpassung der Betroffenen so lange absorbiert wird, bis ein gleichgewichtiger Zustand erreicht ist. Offenbar ist es der Konkavität der Kosten zu verdanken, dass die Rettungsmaßnahmen nicht unendlich ausgedehnt werden.

25 Vgl. Hawton et al. (2005) und National Center for Injury Prevention and Control (2007). 26 Vgl. National Center for Injury Prevention and Control (2007). 27 Vgl. Hawton et al. (2005).

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3.3 Fallbeispiel klassische Rettungsaktion

Für den Fall klassischer Rettungsaktionen sind leider kaum empirische Daten vorhanden. Dennoch lassen sich mithilfe einiger plausibler Annahmen empirisch überprüfbare Vor-hersagen treffen. Da klassische Rettungsaktionen im Allgemeinen ohne lange Vorberei-tungszeit stattfinden, werden wir zunächst annehmen, dass es keinen substantiellen Vor-bereitungsnutzen gibt, d. h. V = 0. Ob der Aktionsnutzen positiv oder negativ ist, hängt wohl entscheidend von der Rettungssituation ab. Es gibt Rettungssituationen, die unter so schwierigen, schmerzhaften und unspektakulären Umständen ablaufen, dass der Ak-tionsnutzen sicherlich negativ ausfallen wird. Andere Situationen, z. B. Rettungen bei laufenden Fernsehkameras, können durchaus „große Momente“ darstellen, die bei den Rettern Selbstdarstellungsnutzen induzieren.

Der altruistische Nutzen L und der Überlebensnutzen s(Rt+ ) sind bei Rettungsaktionen im Allgemeinen positiv, da eine Rettung immer mit der Nutzenerhöhung eines anderen Individuums einhergeht und der überlebende Retter hohes Ansehen genießt. Ob die Ret-tungsaktion darüber hinaus noch einen antizipatorischen metaphysischen Zusatznutzen M erzeugt, hängt von der Religiosität des Retters ab. Es kann aber sicherlich ausge-schlossen werden, dass M bei einer Rettungsaktion negativ wird. Alles in allem kann mithilfe der Bedingungen (2a) und (2b) vorhergesagt werden, dass selbstopfernde Ret-tungsaktionen umso wahrscheinlicher sind,

je größer die Öffentlichkeit der Aktion ist (A steigt),

je größer die Überlebenswahrscheinlichkeit ist (p steigt),

je größer die materielle und immaterielle Anerkennung des überlebenden Helden ist (s(Rt+ ) steigt) und

je mehr der Retter an metaphysische Belohnungssysteme glaubt (M steigt).

Die gesellschaftspolitische Handlungsanweisung, die sich aus dieser recht allgemeinen Analyse ergibt, betrifft hauptsächlich die Verbesserung der Anerkennung überlebender Helden sowie die Ausdehnung der Information der Öffentlichkeit in Notfallsituationen, d. h. dass die Katastrophenberichterstattung, die häufig wegen der Erzeugung von Sensa-tionslust kritisiert wird, möglicherweise heldenhaftes Selbstopferverhalten unterstützt.

3.4 Fallbeispiel Schulhofattentat

Im Fall von Schulhofattentaten sind häufig lange Vorbereitungszeiten mit wiederholten Ankündigungen der Tat beobachtet worden.28 Zum Teil haben die Täter über Monate

28 Vgl. Vossekuil et al. (2004).

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ausgefeilte Internetauftritte inszeniert und sich selbst und die angekündigte Tat gefeiert. Hieraus lässt sich folgern, dass solche Taten substantiellen Vorbereitungsnutzen induzie-ren, d. h. V > 0. Inwieweit der Abbruch einer so intensiv vorbereiteten Tat zu einer Ver-ringerung des Ausstiegsnutzens führt, ist bislang nicht erforscht. Allerdings scheint es plausibel anzunehmen, dass der Ausstiegsnutzen kleiner sein wird als der Restlebens-zeitnutzen, d. h. x(Rt+ ) < Rt. Aufzeichnungen und Augenzeugenberichte lassen vermu-ten, dass viele der Schulhofattentäter die Durchführung der Aktion regelrecht „genie-ßen“. Sie wirken häufig konzentriert, aber gelassen und selbstsicher. Dies alles deutet auf einen relativ großen Aktionsnutzen A > 0 hin.

Dagegen scheint der Überlebensnutzen vieler Schulhofattentäter recht gering zu sein. Obwohl sie häufig genügend Zeit haben, die Aktion zu beenden und sich vom Tatort zu entfernen, führen fast alle die Tat so lange fort, bis sie von den Betroffenen oder von den Sicherheitskräften gestoppt werden. In vielen Fällen nutzen die Täter dann die letzte Ge-legenheit, sich selbst zu töten. Ferner ist der Grad des altruistischen Nutzens, den Schul-hofattentate induzieren, wahrscheinlich eher gering. Zwar spielt in fast allen Fällen die Bestrafung vermeintlicher Übeltäter zur Wiederherstellung der subjektiv empfundenen Gerechtigkeit eine zentrale Rolle, aber es scheint, dass es sich hauptsächlich um die Ra-che für früher erlittenes eigenes Leid handelt und nicht um die Erzeugung positiver ex-terner Effekte für andere.29 Ebenso wenig scheinen Schulhofattentate von der Erwartung an metaphysischen Zusatznutzen motiviert zu sein, denn entsprechende Evidenz ist in den Hinterlassenschaften der meisten Attentäter nicht gefunden worden. Somit scheint es sinnvoll zu sein, das Modell mit s(Rt+ ) = 0, L = 0 und M = 0 zu vereinfachen. Das für Schulhofattentate angepasste Modell führt zu den folgenden Bedingungen:

(2aSchul) undtV A R

(2bSchul) ( ).tA x R

Es wird deutlich, dass Schulhofattentate allem Anschein nach hauptsächlich von dem Bedürfnis der Täter nach einem „großen, glorreichen Moment“ in ihrem Leben motiviert sind, wobei der Selbstdarstellung und Selbstverherrlichung in der Tatvorbereitungszeit ebenfalls eine wichtige Rolle zufällt. Der Aktionsnutzen allein muss ausreichend groß sein, um den erwarteten Ausstiegsnutzen zu kompensieren. Das bedeutet, dass Schulhof-attentäter höchstwahrscheinlich bereits unter derart großen Depressionen leiden, dass ihre mit dem Weiterleben verknüpften Erwartungen extrem niedrig sind. Diese Interpre-tation deckt sich mit den vorliegenden Persönlichkeitsanalysen, die den meisten Schul-hofattentätern eine Vorgeschichte von Depressionen, Minderwertigkeits- und Ausge-

29 Vgl. Leary et al. (2001).

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schlossenheitsgefühlen attestieren. Es scheint, dass Schulhofattentäter häufig bereits lan-ge vor der Tat selbsttötungsgefährdet sind (sowohl Rt als auch x(Rt+ ) nehmen bereits sehr niedrige Werte an). Da sie kaum noch einen Grund zum Weiterleben sehen, ent-schließen sie sich zu einem „Finale Furioso“.

Diese Konstellation lässt wenig Spielraum für eine gesellschaftspolitische Handlungs-empfehlung, denn die entscheidenden Variablen, der Vorbereitungsnutzen V und der Aktionsnutzen A, sind schwer zu beeinflussen. Ebenso schwer ist es, die Erwartungen eines Heranwachsenden bezüglich seines Restlebenszeitnutzens positiv zu beeinflussen. Dennoch scheint dieser letztgenannte Ansatz der praktikabelste zu sein. Hierzu müssten gefährdete Individuen rechtzeitig erkannt werden, damit ihre Erwartungen durch gesell-schaftliche und therapeutische Angebote optimistischer geprägt werden.

3.5 Fallbeispiel Selbsttötungsattentat

Wie bereits ausgeführt, werden Selbsttötungsattentate typischerweise zur Freisetzung substantieller negativer externer Effekte im Sinne der Schadensmaximierung durchge-führt. Daraus ergibt sich für einen betroffenen Staat unmittelbar der Anreiz, Schadens-begrenzungsmaßnahmen einzuleiten.

Im Folgenden verwenden wir zunächst unser allgemeines Verhaltensmodell, um die Selbstopferbereitschaft innerhalb einer Gesellschaft zu charakterisieren und dann sicher-heitspolitische Interventionsmaßnahmen in einem interaktionslosen Rahmen zu untersu-chen. Anschließend machen wir die Defizite der Annahme der strategischen Interakti-onslosigkeit deutlich, indem wir unser Verhaltensmodell einer spieltheoretischen Analyse zuführen und die Ergebnisse nebeneinander stellen.

3.5.1 Die Selbstopferbereitschaft in einer Gesellschaft

Um den Anteil von Menschen in einer Gesellschaft zu quantifizieren, die zu einer Selbst-tötungsaktion bereit sind, nehmen wir an, dass die in einer Gesellschaft vorherrschenden Restlebenszeitnutzen durch die Verteilungsfunktion F(Rt|K,P,.) beschrieben sind. Dabei deutet das Auslassungszeichen bereits an, dass die Restlebenszeitnutzen von einer Viel-zahl an Bestimmungsfaktoren abhängen. Dazu zählen beispielsweise die äußere und in-nere Sicherheit, der Liberalisierungsgrad der Gesellschaft und die erwarteten zukünfti-gen Einkommensströme. In der folgenden Analyse beschäftigen wir uns ceteris paribus insbesondere mit den beiden Aspekten sicherheitspolitischer Kontrollmaßnahmen und perspektivischer Verbesserungen der Lebensumstände.

Es bezeichne K das Niveau sicherheitspolitischer Kontrollmaßnahmen, die zur Abwehr von Selbstopferaktionen durchgeführt werden, z. B. Grenzkontrollen und die polizeiliche

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und militärische Präsenz für Sicherungs- und Inspektionsmaßnahmen. Eine Einschrän-kung der Kontrollmaßnahmen geht mit einer gesellschaftlichen Öffnung einher und führt mutmaßlich dazu, dass sich die Restlebenszeitnutzen verbessern. Umgekehrt führen aus-geweitete Kontrollmaßnahmen zu einer Verringerung der Restlebenszeitnutzen, da etwa die Freiheit der Gesellschaft eingeschränkt wird. Um dies zu formalisieren, gelte, dass jede beliebige Verteilung von Restlebenszeitnutzen unter geringeren Kontrollmaßnah-men jede andere Verteilung unter höheren Kontrollmaßnahmen im Sinne stochastischer Dominanz erster Ordnung dominiert.

Weiter bezeichne P einen Indikator für perspektivische Verbesserungen der Lebensum-stände. Perspektivische Verbesserungen der Lebensumstände, etwa bessere Berufsaus-sichten oder Reisefreiheit, führen vermutlich zu höheren vorherrschenden Restlebens-zeitnutzen, sodass wir in Analogie zur Modellierung der Effekte von Kontrollmaßnahmen auf die Verteilung von Restlebenszeitnutzen annehmen, dass jede Verteilung von Restlebenszeitnutzen unter besseren Lebensaussichten jede andere Ver-teilung unter schlechteren Lebensaussichten ebenfalls im Sinne stochastischer Dominanz erster Ordnung dominiert.

Um den Modellierungsaufwand so gering wie möglich zu halten, treffen wir die Annah-me, dass allein die Restlebenszeitnutzen in der Bevölkerung variieren und gleichzeitig alle weiteren Nutzenkomponenten identisch sind. Weiter sei die Überlebenswahrschein-lichkeit, die ohnehin weitgehend irrelevant, da minimal, sein wird, durch p = 0 gegeben. Ebenso sei angenommen, dass der Ausstiegsnutzen hinreichend klein ist, um den Ab-bruch der Selbsttötungsaktion zu vermeiden.30 Damit ergibt sich, dass jedes Gesell-schaftsmitglied zum Selbstopfer bereit ist, sofern folgende Bedingung erfüllt ist:

(2a’) .tV A L M R

Es bezeichne R# das Niveau des Restlebenszeitnutzens, bei dem ein Individuum indiffe-rent zwischen der Durchführung und der Nicht-Teilnahme an der Selbstopferaktion ist. Aus Bedingung (2a’) erhalten wir:

(3) # ,R V A L M

wobei alle Individuen mit einem Restlebenszeitnutzen Rt < R# zum Selbstopfer bereit sind und alle Individuen mit Rt > R# persönliche Selbstopfer ablehnen.

30 Vgl. Ferrero (2006) zu einer Diskussion des Ausstiegsnutzens als strategische Variable einer terroristi-

schen Gruppierung.

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Es folgt, dass der Anteil der Individuen einer Gesellschaft, die zum Selbstopfer bereit sind, durch

(4) #( ) ( | )K F R K

gegeben ist, wobei typischerweise '(K ) > 0 im relevanten Bereich der Restlebenszeit-nutzen gilt, so dass die Ausweitung von Kontrollmaßnahmen zu einer größeren gesell-schaftlichen Bereitschaft zum Selbstopfer führt.

3.5.2 Das optimale Niveau von Kontrollmaßnahmen (bei naiver Betrachtung)

Nachdem der Effekt von Kontrollmaßnahmen auf die gesellschaftliche Bereitschaft zum Selbstopfer herausgearbeitet wurde, wird in diesem Abschnitt das optimale Niveau von Kontrollmaßnahmen bestimmt, das ein von wiederkehrenden Anschlagsserien heimge-suchter Staat wählen könnte. Die Präferenzen der durch den Staat perfekt repräsentierten gesellschaftlichen Gruppierung, die durch randgesellschaftliche Selbstopferaktionen be-einträchtigt werden sollen, seien durch die soziale Wohlfahrtsfunktion SWF beschrieben. Diese setzt sich ihrerseits aus der Differenz sozialer Bruttowohlfahrt und gesellschaftli-cher Kosten von Kontrollmaßnahmen zusammen. Dabei hängt die soziale Bruttowohl-fahrt SB( , ) in dieser Betrachtung von der Durchschnittseffektivität der Selbsttö-tungsanschläge und der Häufigkeit von Selbstopfern ab, wobei wir als Approximation der Anschlagshäufigkeit auffassen.

Eine Ausweitung der Kontrollmaßnahmen K hat zwei Effekte. Einerseits setzen intensi-vere Kontrollmaßnahmen die Effektivität der Selbstopferaktionen herab und andererseits erhöhen sie die Häufigkeit, mit der es zu Selbstopferaktionen kommt, da sie die vorherr-schenden Restlebenszeitnutzen negativ beeinflussen. Somit hängt die Bruttowohlfahrt SB( (K ), (K )) mit '(K ) < 0 und '(K ) > 0 letztendlich von den Kontrollmaßnahmen ab. Selbstverständlich senkt eine höhere Anschlagseffektivität die soziale Wohlfahrt, SB(.) / < 0, genauso wie eine größere Anschlagshäufigkeit, SB(.) / < 0.

Wenn die gesellschaftlichen Kosten, die dem Staat durch Kontrollmaßnahmen K entste-hen, mit CS (K ) bezeichnet werden, so ergibt sich das Maximierungsproblem des Staates wie folgt:

(5) max{ }: SWF SB ( ), ( ) ( ).SK K K C K

Dabei nehmen wir aus Gründen der Einfachheit an, dass das Problem wohldefiniert ist und zu einer inneren Lösung führt, was durch einen hinreichend konvexen Verlauf der

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Kostenfunktion sichergestellt werden kann. Das optimale Niveau der Kontrollmaßnah-men K* löst somit die folgende Bedingung erster Ordnung:

(6) 'SB(.) SB(.)'( *) '( *) ( *).sK K C K

Die linke Seite der Bedingung (6) repräsentiert die Vorteile einer marginalen Auswei-tung der Kontrollmaßnahmen, die durch eine Herabsetzung der Anschlagseffektivität entstehen, und ist demgemäß strikt positiv. Der erste Summand auf der rechten Seite gibt die negativen Auswirkungen marginal ausgeweiteter Kontrollmaßnahmen an, die aus der Zunahme der Anschlagshäufigkeit resultieren. Der zweite Summand misst die Grenzkos-ten vermehrter Kontrollmaßnahmen. Demzufolge wiegen im Optimum die Vorteile staatlicher Kontrollmaßnahmen deren Kosten auf, welche nicht allein aus direkten ge-sellschaftlichen Kosten bestehen, sondern die indirekten Kosten durch eine Erhöhung der Anschlagshäufigkeit einschließen.

3.5.3 Die Bewertung optimaler Kontrollmaßnahmen (bei naiver Betrachtung)

Im vorangegangenen Unterabschnitt wurde das optimale Niveau von Kontrollmaßnah-men insbesondere unter der Annahme bestimmt, dass das Verhalten der Umgebung von Variationen der strategischen Variablen „Kontrollmaßnahmen“ unbeeinflusst bleibt. Darauf, dass implizite Unterstellungen dieser Art vollkommen unangebracht sind und zu irreführenden Ergebnissen führen können, haben Morgenstern/Schwödiauer (1976) be-reits früh in einem Beitrag hingewiesen, der die bahnbrechende Idee der Theorieabsorp-tion in die Literatur einführt. Danach wird eine theoretische Lösung nur dann als brauch-bar betrachtet, sofern sie ihre eigene Bekanntmachung (Absorption der Theorie durch beteiligte Agenten) ohne Ergebnisverlust übersteht.

Als Illustration mag das Beispiel eines theoretischen Resultats dienen, nach dem Arbi-tragegewinne möglich sind. Konkret sei unterstellt, dass bei einer Erhöhung des bisher unbeachteten Indikators X Kursgewinne der Aktie Y mit Sicherheit zu erwarten sind. Selbstverständlich führt die Bekanntmachung dieses Resultats unmittelbar dazu, dass die Arbitragemöglichkeiten im Anschluss an Erhöhungen des Indikators eliminiert werden, da nunmehr der Aktienkurs auf erwartete Veränderungen des nun besonders beachteten Indikators X reagiert. Damit überdauert das theoretische Ergebnis zu sicheren Kursge-winnen seine Veröffentlichung nicht.

In unserem Kontext kann eine Absorption der vorgestellten Theorie und ihrer Ergebnisse dazu führen, dass diejenigen, die zu Selbstopfern bereit sind und Schadensmaximierung betreiben, mutmaßlich auf die veränderte Situation durch die Gegenwart staatlicher Kon-

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trollmaßnahmen reagieren und Gegenmaßnahmen ergreifen, um die Wirksamkeit des Selbstopfers weiterhin aufrecht zu erhalten. Beispielsweise könnten diejenigen, die zum Selbstopfer bereit sind, selbst Trainingsmaßnahmen ergreifen oder sich einer terroristi-schen Gruppierung anschließen, die diese anbietet, um die Durchschnittseffektivität des Selbstopfers nicht absinken zu lassen.

Diese Überlegungen zeigen, dass die optimale staatliche Interventionspolitik alle Teil-nehmer und deren Handlungsspielräume berücksichtigen muss, um irreführende Ergeb-nisse zu vermeiden, da ihr Erfolg nicht allein vom Niveau der Kontrollmaßnahmen de-terminiert wird, sondern insbesondere auch durch Gegenmaßnahmen anderer, nicht-staatlicher Akteure beeinflusst wird, so dass tatsächlich eine Situation strategischer In-teraktion vorliegt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Anschlagssituation mit den Parteien Staat und Individuen, die zum Selbstopfer bereit sind, als Spiel zu formulieren und einer Lösung zuzuführen, die sich gegen den Brauchbarkeitstest von Morgenstern/ Schwödiauer (1976) behaupten kann. Ein robustes Lösungskonzept, das dies erlaubt, ist das Nash-Gleichgewicht der nicht-kooperativen Spieltheorie, das davon ausgeht, dass die im Gleichgewicht gewählten Strategien allen relevanten Spielern bekannt sind und sich diese ebenfalls dieses Umstands bewusst sind. Im Folgenden werden wir eine einfa-che spieltheoretische Modellierung des Selbstopferspiels vorstellen.31

3.5.4 Training als Antwort auf ausgeweitete Sicherheitskontrollen

In dem Moment, in dem staatliche Kontrollmaßnahmen ein substantielles Durchfüh-rungsrisiko für Selbstopferaktionen bergen, ist es sinnvoll davon auszugehen, dass Indi-viduen, die zum Selbstopfer bereit sind, Trainingsmaßnahmen in die Vorbereitungsphase der Selbstopferaktion integrieren werden, um einen möglichst großen Schaden anzurich-ten. Häufig operiert dabei das zum Selbstopfer bereitstehende Individuum in der Vorbe-reitungsphase nicht autonom, sondern schließt sich einer terroristischen Gruppierung an, die ihrerseits Trainingsmaßnahmen anbietet und Anschlagsziele festlegt.32

31 Für eine Einführung in die Spieltheorie und deren historische und inhaltliche Einbettung in die Wirt-

schaftstheorie vgl. Schotter/Schwödiauer (1980). 32 Beispielhaft sei die Hamas erwähnt und für eine ausführlichere Darstellung der Verknüpfung von Selbst-

tötungsattentätern und terroristischen Gruppierungen auf Berko (2007) verwiesen.

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Um Trainingsmaßnahmen in unsere Betrachtung einzubeziehen, unterstellen wir, dass diese von einer terroristischen Gruppierung angeboten werden, der sich das Individuum bei positiver Initialentscheidung anschließt.33 Das Ziel der terroristischen Gruppierung, soweit es unsere Analyse betrifft, bestehe in der Schadensmaximierung durch delegierte Selbstopfer, wobei wir uns allein auf die Intensität der Trainingsmaßnahmen als Ent-scheidungsvariable beschränken. Mutmaßlich erhöht vermehrtes Training die Produkti-vität von Selbstopferaktionen, so dass die Anschlagseffektivität nicht allein negativ von den Kontrollmaßnahmen K abhängt wie bisher unterstellt, sondern auch positiv von den Trainingsmaßnahmen T, formal = (K,T ) mit (.)/ K < 0 wie gehabt und

(.)/ T > 0. Weiter ist es nahe liegend anzunehmen, dass die Effektivität ausgeweiteter Kontroll- und Trainingsmaßnahmen jeweils abnehmend ist, 2 (.)/ K2 > 0 und

2 (.)/ T2 < 0. Darüber hinaus erscheint es vernünftig zu unterstellen, dass der Erfolg zusätzlicher Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen des Staates durch intensivierte Trai-ningsmaßnahmen der Gruppierung eingeschränkt wird, 2 (.)/ K T > 0.34

Die Kosten der Trainingsmaßnahmen, die der Gruppierung etwa durch den Aufbau und den Unterhalt von Trainingscamps entstehen, seien mit CG(T ) bezeichnet und durch ei-nen strikt konvexen und ansteigenden Verlauf gekennzeichnet. Mit diesen Elementen ist das Maximierungsprogramm der terroristischen Gruppierung durch

(7) max{ }: ( , ) ( ) ( )GT K T K C T

gegeben, wobei wir die Größe der Randgesellschaft, aus der sich die potentiellen Selbst-tötenden rekrutieren, ohne Beschränkung der Allgemeinheit auf eins normieren.35 Da die Kostenfunktion strikt konvex und die Funktion der Anschlagseffektivität strikt konkav in

33 Diese Modellierungsannahme ist ohne Beschränkung der Allgemeinheit, da das im Folgenden vorgestell-

te Kalkül ebenso bei individuell operierenden Selbsttötenden gleichermaßen Anwendung findet. Aller-dings steht hinter der Modellierung einer im Hintergrund operierenden terroristischen Gruppierung die Motivation, dass der Staat allein dann verstärkt mit Kontrollmaßnahmen eingreifen wird, wenn Selbsttö-tungsanschläge häufiger wiederkehren und organisiert sind.

34 Es sei kurz angemerkt, dass diese Annahme weit weniger harmlos ist, als es auf den ersten Blick er-scheint. Wegen des Satzes von Young über die Gleichheit gemischter partieller Ableitungen folgt aus der Annahme unmittelbar 2 (.)/ T K > 0, sodass gleichzeitig unterstellt wird, dass zusätzliche Kontroll-maßnahmen den Erfolg zusätzlicher Trainingsmaßnahmen verstärken. Dies ist nicht notwendigerweise von der Hand zu weisen, da eine intensivierte Kontrollsituation möglicherweise die Notwendigkeit zum Training und die Trainingsmotivation deutlich verbessert. Selbstverständlich ist dies letztendlich eine empirische Frage, denn auch für Gegenteiliges können plausible Überlegungen angeführt werden.

35 Andernfalls würde das Produkt der Zielfunktion mit der Größe der Randgesellschaft multipliziert werden müssen, worauf wir aus Gründen der Vereinfachung der Darstellung verzichten. Alternativ kann die Kos-tenfunktion als Pro-Kopf-Kostenfunktion aufgefasst werden, da das in Pro-Kopf-Größen formulierte Problem zu identischen Ergebnissen führt.

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Ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens 184

den Trainingsmaßnahmen T verlaufen, ist die Bedingung erster Ordnung notwendig und hinreichend für ein globales Maximum, deren Erfüllbarkeit wir annehmen, was durch hinreichende Konkavität der Kostenfunktion im Sinne der Inada-Bedingungen sicherge-stellt werden kann:

(8) '(.) ( ) ( *).GK C TT

Bedingung (8) verlangt, dass der Vorteil ausgeweiteter Trainingsmaßnahmen, der durch eine höhere Anschlagseffektivität, die sich gleichermaßen auf alle noch durchzuführen-den Anschläge bezieht, die zusätzlichen Kosten des intensiveren Trainings aufwiegt. Da Bedingung (8) von der Anschlagseffektivität und dem gesellschaftlichen Anteil der zum Selbstopfer verfügbaren Individuen abhängt, die ihrerseits durch das Niveau der Kon-trollmaßnahmen des Staates beeinflusst werden, wird eine rationale terroristische Grup-pierung auf Maßnahmen des Staates reagieren. Entsprechend ist die Reaktionsfunktion der terroristischen Gruppierung T* = t (K ) durch Gleichung (8) implizit definiert. Um die Reaktion der Trainingsmaßnahmen auf Veränderungen der Kontrollmaßnahmen zu bestimmen, wenden wir das Implizite-Funktionen-Theorem an und erhalten:

(9)

2

2''

2

( ) '( )* 0.

( ) ( *)G

K KdT T K TdK K C T

T

Alle Ausdrücke im Zähler haben ein positives Vorzeichen und der Nenner ist negativ, sodass eine terroristische Gruppierung vermehrte staatliche Kontrollmaßnahmen mit erhöhtem Trainingsaufwand beantwortet und die durch ausgeweitete staatliche Kon-trollmaßnahmen reduzierte Anschlagseffektivität weniger stark abnimmt (und gegebe-nenfalls sogar zunimmt) als dies die oben dargestellte naive und statische Optimierungs-politik des Staates zum Ausdruck kommen lässt.

3.5.5 Optimale Kontrollmaßnahmen bei der Berücksichtigung von Training

Um Trainingsmaßnahmen bei der Ermittlung des optimalen Niveaus staatlicher Kon-trollmaßnahmen zu würdigen, ist es ausreichend, die Abhängigkeit des Maximierungs-problems des Staates von Trainingsmaßnahmen durch Modifizierung der entsprechenden

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J. Philipp Reiß und Abdolkarim Sadrieh 185

Bedingung erster Ordnung (6) zu berücksichtigen. Da Trainingsmaßnahmen in Bedin-gung (6) allein die Anschlagseffektivität beeinflussen, erhält man:

(6’) 'SB(.) ( *, ) SB(.) '( *) ( *).SK T K C KK

Gleichung (6’) definiert implizit die Reaktionsfunktion des Staates von Kontrollmaß-nahmen auf Ausweitungen der Trainingsmaßnahmen, K* = k (T ). Um die optimale Re-aktion von Kontrollmaßnahmen auf intensivierte Trainingsmaßnahmen zu bestimmen, greifen wir auch hier auf das Implizite-Funktionen-Theorem zurück und erhalten:

(10a) *d KdT

= 2

2SB

T K

(10b) 2SB

K T

(10c) 2 SB SWF''(.) 0,

T K

deren Vorzeichen unter realistischen Annahmen – vielleicht überraschend – strikt nega-tiv ausfällt, sodass der Staat seine Kontrollmaßnahmen als optimale Antwort auf ausge-weitete Trainingsmaßnahmen der terroristischen Gruppierung verringern sollte. Unter der plausiblen Voraussetzung, dass die soziale Bruttowohlfahrt durch Verbesserungen der Anschlagseffektivität gleichmäßig abnimmt, reduziert sich der erste Term des Zäh-lers in Ableitung (10a) auf null. Weiter ist der zweite Term des Zählers (10b) strikt nega-tiv, da die soziale Bruttowohlfahrt in der Anschlagseffektivität abnimmt, während die gemischten partiellen Ableitungen der Anschlagseffektivitätsfunktion strikt positiv sind. Dieser Ausdruck reflektiert, dass die staatlichen Kontrollmaßnahmen im Optimum cete-ris paribus bei der Durchführung zusätzlicher Trainingsmaßnahmen eingeschränkt wer-den sollten, da der Effekt marginaler Kontrollmaßnahmen im Sinne verringerter An-schlagseffektivität bei gleich bleibenden marginalen Kosten schwächer wird.

Der dritte Term im Zähler (10c) ist ebenfalls strikt negativ, wenn die Annahme getroffen wird, dass sich die Anschlagshäufigkeit und die Anschlagseffektivität in ihrem negativen marginalen Einfluss auf die soziale Bruttowohlfahrt gegenseitig verstärken,

2SB/ < 0. Auch aufgrund dieses Terms sollte das optimale Niveau der Kontroll-maßnahmen bei einer Ausweitung von Trainingsmaßnahmen ceteris paribus einge-schränkt werden, da zusätzliche Kontrollmaßnahmen die Anschlagshäufigkeit erhöhen,

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Ökonomische Analyse des Selbstopferverhaltens 186

die umso negativer auf die soziale Bruttowohlfahrt wirken, je höher die Anschlagseffek-tivität ist, was durch vermehrtes Training erreicht wird. Weiter ist der Nenner strikt ne-gativ, da die soziale Wohlfahrtsfunktion per definitionem strikt konkav ist.

3.5.6 Die Lösung des Selbstopferspiels

Nachdem in den beiden vorangegangenen Unterabschnitten die optimalen Reaktions-funktionen der beiden Spieler Staat einerseits und terroristische Gruppierung mit dele-gierbaren Selbsttötungsattentätern andererseits hergeleitet wurden, kann das vorgestellte Selbstopferspiel gelöst werden, indem alle Nash-Gleichgewichte identifiziert werden. In diesem Spiel ist das Nash-Gleichgewicht durch das Strategieprofil (K**,T**) gegeben, das die beiden Bedingungen erster Ordnung (6’) und (8) gleichzeitig erfüllt. Geometrisch ist dies der Schnittpunkt der beiden Reaktionsfunktionen k (T ) und t (K ).

Im Unterschied zur naiven Analyse optimaler Kontrollmaßnahmen unter der wenig halt-baren Annahme, dass Variationen des Niveaus der Kontrollmaßnahmen zu keiner Veränderung der Rahmenbedingungen führen, hat die spieltheoretische Analyse veran-schaulicht, dass bei Interaktionslosigkeit ein vermutlich zu hohes Niveau von Kontroll-maßnahmen empfohlen wird. Dies liegt daran, dass eine Ausweitung staatlicher Kon-trollmaßnahmen Trainingsmaßnahmen terroristischer Gruppierungen nach sich zieht, die die Wirksamkeit der sicherheitspolitischen Kontrollmaßnahmen verringern, ohne die Kostenlage der Sicherheitspolitik zu beeinflussen.

4. Fazit

In diesem Beitrag stellen wir ein allgemeines Modell des Selbstopferverhaltens vor. Wir zeigen, dass alle in der Literatur bekannten Formen des Selbstopferverhaltens von unse-rem Modell erfasst werden. Wir demonstrieren anhand von drei Fallbeispielen, dass das Modell als individualentscheidungstheoretisches Werkzeug eingesetzt werden kann, um neue Einsichten über das rationale Selbstopferverhalten zu gewinnen. Bezug nehmend auf die Kritik von Morgenstern/Schwödiauer (1976) legen wir anhand des vierten Fall-beispiels dar, wie eine einseitige Analyse zu einer strategisch instabilen Vorhersage füh-ren kann, die das Kriterium der Theorieabsorption nicht erfüllt. In dem Beispiel zeigen wir, dass, obwohl die naive Antwort des Staates auf häufig wiederkehrende Selbstopfer-attentate die Erhöhung der Kontrolle ist, gerade diese Antwort kontraproduktiv sein kann, wenn Trainingsmaßnahmen von terroristischen Gruppierungen mitberücksichtigt werden müssen.

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Ludwig von Auer

Gestaltungspolitik oder Kuhhandel? Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik

1. Einleitung

2. Formalisierung der Kuhhandelsthese

3. Ökonometrische Ergebnisse

4. Fazit

Literatur

Datenanhang

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1. Einleitung*

Es ist erklärtes Ziel der EU, den Lebensstandard in den ärmeren Mitgliedsländern auf ein Niveau anzuheben, welches demjenigen der wohlhabenden Mitgliedsländer möglichst nahe kommt. Für die Umsetzung dieses Zieles verfügt die EU unter anderem über Fonds, aus denen umfangreiche Finanzmittel in die bedürftigen EU-Mitgliedsstaaten und Regi-onen fließen. Die Zuflüsse, welche die Mitgliedsstaaten aus dem Gesamtetat der EU er-halten, umfassen aber neben den offiziellen strukturpolitischen Ausgaben auch andere Posten. Beispielsweise bedeutet die Ansiedlung einer EU-Institution in einem bestimm-ten Land, dass in dieses Land regelmäßige EU-Ausgaben fließen, welche beispielsweise für die Bezahlung des Personals der betreffenden Institution benötigt werden.

Einige Kritiker der EU beklagen, dass diese zusätzlichen Ausgaben die umverteilende Wirkung der offiziellen strukturpolitischen Ausgaben weitgehend konterkarieren. Letzt-lich sei die Verteilung der Gesamtausgaben auf die einzelnen Länder allein eine Frage der Machtposition, welche das jeweilige Land in den EU-Entscheidungsprozessen be-sitzt. Beispielsweise kann sich ein Land A seine Zustimmung zu bestimmten für dieses Land A wenig, aber für Land B sehr relevanten Entscheidungen (z. B. Subventionszah-lungen an EU-Winzer) dadurch vergolden lassen, dass sich Land B im Gegenzug bereit erklärt, seine Zustimmung zu geben, wenn es in einer Abstimmung um die Interessen des Landes A geht (z. B. Ausbau einer EU-Institution in Land A). Dieses Phänomen wird häufig auch als politischer „Kuhhandel“ (Horse Trading) bezeichnet.

Manche Beobachter der EU sind der Meinung, dass sich die Verteilung der gesamten EU-Ausgaben auf die einzelnen Länder fast vollständig durch politischen Kuhhandel erklären lässt. Die auf der offiziellen politischen Agenda der EU so hoch gehängten Um-verteilungsziele würden in der politischen Praxis nicht umgesetzt werden. Diese These könnte mit Hilfe ökonometrischer Methoden empirisch überprüft werden. Die vorliegen-de Studie unternimmt einen solchen Versuch.

In Abschnitt 2 wird die Kuhhandelsthese in detaillierterer Weise vorgestellt. Gleichzeitig wird erläutert, wie diese These in eine mathematische Gleichung übersetzt werden kann, welche eine empirische Überprüfung der These erlaubt. Abschnitt 3 widmet sich den Ergebnissen der empirischen Untersuchung und Abschnitt 4 fasst die Kernaussagen der Studie nochmals zusammen.

* Ich danke Gerhard Schwödiauer für das gemeinsame Jahrzehnt an der Otto-von-Guericke-Universität

Magdeburg und das unbedingte Vertrauen, dass er mir in Zeiten des plötzlichen personellen Umbruchs entgegengebracht hat. Ferner bin ich Dominique Philipp Brinke und Norbert Bittdorf für ihre ausgezeich-nete Forschungsunterstützung zu großem Dank verpflichtet.

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Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik 192

2. Formalisierung der Kuhhandelsthese

Wenn die Machtposition eines Mitgliedsstaates für die Aufteilung der EU-Ausgaben auf die einzelnen Mitgliedsstaaten eine so maßgebliche Rolle spielt, dann stellt sich unmit-telbar die Frage, anhand welcher Kriterien die Machtposition eines Landes beurteilt wer-den kann. Ein sehr einfaches Kriterium ist der Stimmenanteil des Landes im Ministerrat und im Parlament. Es besteht ein degressiver Zusammenhang zwischen der Bevölke-rungsgröße eines EU-Mitgliedsstaates und seinem Stimmenanteil im Ministerrat und im Parlament. Der Stimmenanteil pro Kopf der Bevölkerung ist bei größeren Mitgliedsstaa-ten deshalb geringer als bei den kleineren Mitgliedsstaaten. Die These des Kuhhandels besagt, dass ein proportionaler Zusammenhang zwischen dem Stimmenanteil eines Staa-tes und seinem Anteil an den zufließenden Gesamtausgaben der EU besteht. Wenn dies zuträfe, wären die zufließenden EU-Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung in Staaten mit einem geringen Stimmenanteil pro Kopf der Bevölkerung (die großen Mitgliedsstaaten) geringer als in Staaten mit einem großen Stimmenanteil pro Kopf der Bevölkerung (die kleinen Mitgliedsstaaten) – vollkommen unabhängig davon, ob es sich beispielsweise um einen bedürftigen oder einen wohlhabenden Mitgliedsstaat handelt.

Wie lässt sich die Gültigkeit der Kuhhandelsthese empirisch überprüfen? Wäre die The-se unzutreffend, dann würde der Anteil an den EU-Gesamtausgaben, welcher an einen Mitgliedsstaat fließt, von dessen Anteil an der EU-Gesamtbevölkerung, aber nicht von der Höhe des Stimmenanteils pro Kopf der Bevölkerung abhängen. Möglicherweise würde die Höhe der zufließenden EU-Ausgaben auch von einigen anderen Einflussfakto-ren abhängen. Relevant erscheinen vor allem das Einkommensniveau und die Bedeutung der Landwirtschaft in dem betrachteten Mitgliedsstaat.

Wenn aber die Kuhhandelsthese zutrifft, dann sollten jene Staaten, welche pro Kopf der Bevölkerung über den höchsten Stimmenanteil in der EU verfügen (also die kleinen Mit-gliedsstaaten), auch ein überproportional großes Stück vom EU-Ausgabenkuchen erhal-ten. Übersetzt man diese Gedanken in eine möglichst einfache ökonometrische Glei-chung, so bietet sich der folgende Zusammenhang an:

(1) 0 1 2 3 4i i i i i ia p w l s u .

Die Variable ai bezeichnet den Anteil an den EU-Gesamtausgaben, welcher an den Mit-gliedsstaat i fließt. Der Anteil des Mitgliedsstaates i an der EU-Gesamtbevölkerung wird durch die Variable pi repräsentiert. Die Variable wi bezeichnet das Pro-Kopf-Einkommen in Mitgliedsstaat i und li die Bedeutung der Landwirtschaft. Letztere wurde hier aus der Relation der landwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung zum Bruttoinlandsprodukt be-rechnet. Die Variable si repräsentiert einen Index für die Stimmenanteile pro Kopf der

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Ludwig von Auer 193

Bevölkerung des Mitgliedsstaates i im Ministerrat. Eine genauere Beschreibung dieser und der anderen in dieser Studie verwendeten Variablen findet sich im Datenanhang. Dort ist auch beschrieben, warum man sich auf die Stimmenanteile im Ministerrat kon-zentrieren kann, die Stimmenanteile im Parlament also vernachlässigt werden können. Die Variable ui erfasst zufällige Störeinflüsse, welche den Zusammenhang zwischen aiund den erklärenden Variablen auf der rechten Seite der Gleichung (1) in unsystemati-scher Weise beeinflussen. Die Parameter k (k = 0,1,2,3,4) sind Konstanten. Bei Gültig-keit der Kuhhandelsthese sollte 4 > 0 gelten.

Auf Basis möglichst aussagekräftiger Daten für die Variablen ai, pi, wi, li und si kann man eine ökonometrische Schätzung der Parameter 0 bis 4 der Regressionsglei-chung (1) vornehmen. Um zu überprüfen, ob die These des Kuhhandels die Ausgaben-entscheidungen der EU zutreffend erklärt, sollte man ermitteln, ob sich aus den Daten ein positiver Schätzwert 4 ergibt. Sollten sich allerdings auch die beiden Variablen wiund li als relevant erweisen ( 2 < 0 und 3 > 0), so würde dies bedeuten, dass die EU-Ausgaben, die einem Mitgliedsstaat zufließen, nicht allein durch Kuhhandel, sondern auch durch den Wohlstand des Mitgliedsstaates und durch die Bedeutung seines Agrar-sektors bestimmt werden.

Im Rahmen einer verfeinerten Kuhhandelsthese könnte man argumentieren, dass Staa-ten, die erst seit kurzer Zeit Mitglied sind, noch nicht das notwendige Netzwerk und Ver-trauenskapital aufgebaut haben, welche für erfolgreichen Kuhhandel notwendig sind. Die Dauer der Mitgliedschaft sollte deshalb einen positiven Einfluss auf die zufließen-den EU-Ausgaben ausüben. Ob ein Land 47 Jahre oder aber 32 Jahre Mitglied ist, dürfte dabei von weit geringerer Bedeutung sein, als der Unterschied zwischen einer Mitglied-schaft von 16 Jahren und einem Jahr. Um diesen Effekt formal zu berücksichtigen, wur-de die Mitgliedschaftsvariable mi als der Logarithmus der Anzahl der Zugehörigkeits-monate des Mitgliedsstaates i zur EU definiert. Mit dieser Erweiterung ergibt sich die Regressionsgleichung:

(2) 0 1 2 3 4 5i i i i i i ia p w l s m u .

Im Sinne der verfeinerten Kuhhandelsthese sollte der Parameter 5 einen positiven Wert besitzen.

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Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik 194

3. Ökonometrische Ergebnisse

Im Mai 2004 wurde die EU 15 durch den Beitritt zehn neuer Mitglieder zur EU 25 er-weitert. Folglich liegen für die EU 25 erstmals für das Jahr 2005 Jahresdaten vor, welche sich auf eine ganzjährige Mitgliedschaft beziehen. Die Daten des Jahres 2006 sind im Augenblick noch nicht vollständig verfügbar. Deshalb konnten als Datengrundlage le-diglich die Werte des Jahres 2005 verwendet werden. Die Basisdaten sind in Tabelle 1 im Datenanhang abgedruckt.

Für die ökonometrische Analyse sollten die Regressionsgleichungen (1) und (2) unter-sucht werden. Bei der Schätzung der beiden Regressionsgleichungen wurde die Kleinst-quadratmethode von White eingesetzt. Sie lässt bei der Schätzung der Standardabwei-chungen der Parameter zu, dass die Störgrößen heteroskedastisch und autokorreliert sind. Die Schätzergebnisse der Gleichung (1) lauten:

3,531 0,780 0,029 1,285 0,171i i i i i ia p w l s u . (0,012) (<0,001) (0,003) (0,010) (0,181)

Glaubt man dem Schätzwert für 1, so würde eine Erhöhung des Bevölkerungsanteils um einen Prozentpunkt zu einer Erhöhung des dem betrachteten Mitgliedsstaat zufließenden Ausgabenanteils um 0,78 Prozentpunkte führen. Es fällt bei den Einzelergebnissen auf, dass sich in der ökonometrischen Schätzung einige unplausible Resultate ergeben haben. Der Wohlstand eines Staates übt den Schätzergebnissen zur Folge einen positiven Ein-fluss auf die zufließenden EU-Ausgaben aus. Dies würde die offizielle Umverteilungs-politik der EU auf den Kopf stellen. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass hier allein die Ausgabenseite der EU betrachtet wurde. Da die wohlhabenderen Staaten pro Kopf einen deutlich größeren Beitrag zu den EU-Einnahmen beisteuern als die ärmeren Länder, kann es trotz positiven 2-Wertes dennoch zu einer Umverteilung von den rei-cheren zu den bedürftigeren EU-Mitgliedsstaaten kommen.

Die einfache Kuhhandelsthese wird durch die Daten nicht gestützt. Im Gegenteil, der Schätzwert für 4 beträgt –0,171, ist also negativ. Bezogen auf den einzelnen Einwohner eines Staates, fließt den Staaten mit einem überdurchschnittlichen Stimmengewicht demnach ein niedrigerer EU-Ausgabenanteil zu. Die Werte in Klammern zeigen die p-Werte der jeweiligen Koeffizienten, welche sich für die t-Tests der Nullhypothesen

k = 0 (k = 0,1,2,3,4) ergaben. Für den Schätzwert von 4 ergab sich ein p-Wert von 0,181. Es kann also lediglich mit 18,1 Prozent Irrtumswahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass 4 = 0 gilt.

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Ludwig von Auer 195

Insgesamt deuten die Resultate darauf hin, dass die Regressionsgleichung (1) den Zu-sammenhang zwischen den EU-Ausgaben und ihren Bestimmungsgründen möglicher-weise nicht realistisch darstellt. Darüber kann auch das hohe Bestimmtheitsmaß von 85,1 Prozent nicht hinwegtäuschen. Deshalb wurde auch Regressionsgleichung (2) geschätzt, also die Dauer der Mitgliedschaft in der Analyse berücksichtigt. Dies führte zu den fol-genden Resultaten:

3,712 0,703 0,012 1,010 0,110 0,961i i i i i i ia p w l s m u . (0,007) (<0,001) (0,293) (0,058) (0,156) (<0,001)

Es ergab sich ein Bestimmtheitsmaß von 88,2 Prozent und auch ein Vergleich der korri-gierten Bestimmtheitsmaße spricht für Regressionsgleichung (2). Ferner besitzen alle Koeffizienten die erwarteten Vorzeichen. Der Schätzwert von 2 beträgt –0,012. Dieser Wert zeigt an, dass der Wohlstand eines Mitgliedsstaates die EU-Ausgaben, welche die-sem Staat zufließen, reduziert. Allerdings ist der entsprechende p-Wert mit 0,293 ziem-lich groß. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass 2 = 0 gilt und damit keine Umverteilung über die EU-Ausgabenseite stattfindet. Für die Schätzung von 4 ergab sich diesmal ein positiver Wert, nämlich 0,110. Allerdings fiel der entsprechende p-Wert mit 0,156 erneut ziemlich groß aus. Auffallend ist der positive Schätzwert von 5 (Ein-fluss der Dauer der Mitgliedschaft) und der geringe p-Wert dieses Koeffizienten. Die Dauer der Mitgliedschaft wirkt sich demnach signifikant positiv auf die Höhe der zuflie-ßenden EU-Ausgaben aus – was ganz im Sinne der verfeinerten Kuhhandelsthese ist.

Um die statistische Validität der Ergebnisse noch besser einschätzen zu können, wurde in einem zusätzlichen F-Test die Nullhypothese 4 = 0 und gleichzeitig 5 = 0 überprüft. Es ergab sich ein p-Wert von 0,001. Dies ist ein weiterer Beleg für die Existenz intensi-ver Kuhhandelsprozesse in den EU-Haushaltsentscheidungen.

Die Schätzwerte der Parameter 2 und 3 weisen beide das erwartete Vorzeichen auf. Allerdings ist der p-Wert der Schätzung von 2 sehr groß und auch der p-Wert der Schätzung von 3 ist größer als 0,05. Dies spricht tendenziell für die Irrelevanz der Vari-ablen wi und li. Die beiden Variablen sind allerdings recht stark korreliert, so dass die hohen p-Werte möglicherweise auch auf hohe Multikollinearität und nicht auf Irrelevanz der beiden Variablen zurückgeführt werden könnten. Um dies zu überprüfen, wurde zu-sätzlich ein F-Test der Nullhypothese 2 = 0 und gleichzeitig 3 = 0 durchgeführt. Der p-Wert dieses Tests war kleiner als 0,001, was eine klare Bestätigung für die Relevanz der beiden Variablen darstellt.

In der Literatur sind andere Spezifikationen als Regressionsgleichung (2) zur Überprü-fung der einfachen Kuhhandelsthese vorgeschlagen worden. Das Thema wird beispiels-weise von Baldwin/Wyplosz (2006, S. 89f) behandelt. Sie schätzen für die EU 12 (aller-dings ohne Luxemburg) die Regressionsgleichung:

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Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik 196

(3) 0 6Stimmenanteili i

ii i

a up p

.

Sie erhalten die Schätzwerte 0 = 0,0323 und 6 = 0,9966 (Bestimmheitsmaß 78,1 Pro-zent). Dabei bleiben jedoch die in Regressionsgleichung (2) aufgenommenen alternati-ven Einflussfaktoren unberücksichtigt. Da diese relevanten Variablen in Gleichung (3) fehlen, sind die Schätzergebnisse zu Gleichung (3) verzerrt und stellen damit aus statisti-scher Sicht keinen aussagekräftigen Beleg für oder gegen die Validität der Kuhhandels-these dar. Ferner sollte man für die Bestätigung einer These (Kuhhandel ist relevant) das Gegenteil dieser These als Nullhypothese des formalen Tests formulieren (Kuhhandel findet nicht statt) und dann prüfen, ob es auf niedrigem Signifikanzniveau (beispielswei-se fünf Prozent) zu einer Ablehnung der Nullhypothese kommt. In Auer (2007, S. 218ff) ist dargelegt, warum man nur über diesen indirekten Weg zu einer verlässlichen Bestäti-gung der ursprünglichen These kommen kann.

4. Fazit

Es hat sich in der empirischen Analyse gezeigt, dass die EU-Ausgaben, welche in die einzelnen Mitgliedsstaaten fließen, negativ vom Pro-Kopf-Einkommen und positiv von der Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors in dem jeweiligen Staat abhängen. Fer-ner üben die Stimmenanteile im Ministerrat und die Dauer der Mitgliedschaft einen er-heblichen positiven Einfluss auf die zufließenden EU-Ausgaben aus. Die empirische Bestätigung dieser beiden letzten Einflussfaktoren bedeutet, dass die EU-Ausgaben-entscheidungen stark durch politischen Kuhhandel geprägt sind. Damit werden bei den EU-Ausgaben kleinere langjährige Mitgliedsstaaten (z. B. Luxemburg) gegenüber größe-ren Neumitgliedern (z. B. Polen) bevorzugt.

Literatur

Auer, L. von (2007): Ökonometrie – eine Einführung, 4. Aufl., Heidelberg. Baldwin, R.; Wyplosz, C. (2006): The Economics of European Integration, 2. Aufl.,

London.

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Ludwig von Auer 197

Datenanhang

Die Daten zur Berechnung der in Gleichung (2) verwendeten Variablen sind in Tabelle 1 vollständig abgedruckt und im Folgenden erläutert. Die Daten beziehen sich alle auf das Jahr 2005, beschreiben also die Situation der EU 25.

Die den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zugeflossenen Ausgaben des Jahres 2005 können der EU-Online-Datenbank http://ec.europa.eu/budget/library entnommen werden. Die in der vorliegenden Studie verwendeten Daten für die EU 25-Staaten sind in der Spalte „Ausgaben der EU“ der Tabelle 1 wiedergegeben. Auf Basis dieser Daten wurden die Werte der Variablen ai berechnet. Sie repräsentieren den Anteil des Staates i an den EU-Gesamtausgaben. Alle in dieser Studie von Eurostat verwendeten Daten sind unter der Adresse http://epp.eurostat.ec.europa.eu abrufbar. Dies gilt auch für die Bevölkerungs-zahlen der EU-Mitgliedsstaaten. Sie sind in der Spalte „Bevölkerung“ abgedruckt. Aus diesen Zahlen wurden die Bevölkerungsanteile der Mitgliedsstaaten pi berechnet.

Der Lebensstandard in den einzelnen Mitgliedsstaaten wurde auf Basis des jeweiligen durchschnittlichen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts des Jahres 2005 ermittelt. Um einen einigermaßen aussagekräftigen Vergleich der Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, liegen die Daten in Kaufkraftstandards (KKS) umgerechnet vor. Diese berücksichtigen die un-terschiedlichen Preisniveaus der Mitgliedsländer. Die Daten sind in der Spalte „Pro-Kopf-Einkommen“ abgedruckt. Auch sie werden von Eurostat bereitgestellt. Die Variab-le wi setzt das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (in KKS) der Mitgliedsstaaten in Relation zum Durchschnittswert der EU 25. Es handelt sich folglich um Indexwerte.

Um für das Jahr 2005 die Bedeutung der Landwirtschaft eines Mitgliedsstaates zu mes-sen, wurde die jeweilige Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft (in Herstellungsprei-sen) in Relation gesetzt zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt des Landes (zu Marktprei-sen). Diese Relation liefert die Daten der Spalte „Landwirtschaft“ und zugleich die Werte für die Variable li. Die notwendigen Daten zur Berechnung dieser Variablen wer-den ebenfalls von Eurostat bereitgestellt.

Während die langfristige Finanzplanung vom Ministerrat einstimmig beschlossen wer-den muss, genügt für die jährliche Finanzplanung eine einfache Mehrheit von 71 Prozent der Stimmen. Die nationalen Stimmenanteile im Europäischen Parlament ähneln denje-nigen im Ministerrat. Da im Parlament für die Verabschiedung der jährlichen Finanzpla-nung eine Mehrheit von lediglich knapp über 50 Prozent hinreichend ist, wird eine im Ministerrat verabschiedete Finanzplanung normalerweise auch vom Parlament bestätigt. Aus diesem Grund kann man sich in der ökonometrischen Analyse auf die Stimmenan-teile im Ministerrat beschränken.

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Eine empirische Analyse der EU-Ausgabenpolitik 198

Land

Au

sgab

en

d

er

EU

Bevö

l-keru

ng

Pro

-Ko

pf-

Ein

ko

m-

men

Lan

dw

irt-

sch

aft

Sti

mm

en

-an

teil

Beit

ritt

Belgien 5 450,8 10 445 852 118,0 0,74 3,74 01.01.1958

Dänemark 1 551,5 5 411 405 121,7 1,21 2,18 01.01.1973

Deutschland 12 282,7 82 500 849 109,9 0,57 9,03 01.01.1958

Estland 248,7 1 347 510 59,7 1,86 1,25 01.05.2004

Finnland 1 349,7 5 236 611 110,4 0,86 2,18 01.01.1995

Frankreich 13 617,1 62 518 571 108,4 1,65 9,03 01.01.1958

Griechenland 5 596,0 11 082 751 84,0 4,24 3,74 01.01.1981

Großbritannien 8 667,0 60 059 900 117,5 0,42 9,03 01.01.1973

Irland 2 492,9 4 109 173 138,7 1,34 2,18 01.01.1973

Italien 10 693,9 58 462 375 100,6 1,85 9,03 01.01.1958

Lettland 385,0 2 306 434 48,6 2,13 1,25 01.05.2004

Litauen 665,6 3 425 324 52,0 2,93 2,18 01.05.2004

Luxemburg 1 100,4 455 000 250,8 0,34 1,25 01.01.1958

Malta 134,6 402 668 74,0 1,24 0,93 01.05.2004

Niederlande 2 092,7 16 305 526 125,4 1,68 4,05 01.01.1958

Österreich 1 785,8 8 206 524 122,8 0,97 3,12 01.01.1995

Polen 4 029,0 38 173 835 49,7 2,50 8,41 01.05.2004

Portugal 3 880,4 10 529 255 71,6 1,72 3,74 01.01.1986

Schweden 1 561,8 9 011 392 114,6 0,37 3,12 01.01.1995

Slowakei 609,4 5 384 822 57,1 1,17 2,18 01.05.2004

Slowenien 366,0 1 997 590 81,8 1,72 1,25 01.05.2004

Spanien 14 822,3 43 038 035 97,8 2,74 8,41 01.01.1986

Tschechien 1 074,8 10 220 577 73,6 0,95 3,74 01.05.2004

Ungarn 1 356,9 10 097 549 62,5 2,68 3,74 01.05.2004

Zypern 215,2 749 175 88,8 2,41 1,25 01.05.2004

Tabelle 1: Basisdaten der ökonometrischen Schätzungen für das Jahr 2005

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Ludwig von Auer 199

Die Stimmenanteile blieben während der Jahre der EU 15 (1996 bis 2004) konstant. Mit der Erweiterung zur EU 25 am 1. Mai 2004 änderte sich die Stimmenverteilung. Die neuen Stimmenanteile blieben jedoch nur bis einschließlich Oktober 2004 gültig. Gemäß dem Vertrag von Nizza wurden sie im November 2004 erneut verändert. Die im Jahr 2005 gültigen Stimmenanteile der EU-25-Staaten sind in der Spalte „Stimmenanteile“ der Tabelle 1 abgedruckt. Die Werte der Variablen si stellen einen Index dar. Um diesen zu berechnen, wurde zunächst für jeden Mitgliedsstaat der Stimmenanteil pro Kopf der Bevölkerung berechnet. Mit Hilfe der Bevölkerungsanteile wurde aus diesen Stimmen-anteilen ein gewichteter Durchschnittswert für die EU berechnet. Die Relation aus dem Stimmenanteil pro Kopf der Bevölkerung eines Mitgliedsstaates und dem entsprechen-den EU-Durchschnittswert ergab den Indexwert si des Mitgliedsstaates.

In der Spalte „Beitritt“ sind die Beitrittsdaten der Mitgliedsstaaten aufgelistet. Die Werte der Variablen mi entsprechen dem Logarithmus der Anzahl der Monate, welche das Land i bis zum Januar 2005 EU-Miglied war.

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Jeannette Brosig, Timo Heinrich, Thomas Riechmann, Ronnie Schöb und Joachim Weimann

Was macht Ökonomen „anders“? Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln

1. Das Rubinstein-Experiment

2. Die eigene Befragung

3. Resultate

4. Diskussion

Literatur

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1. Das Rubinstein-Experiment

Dass Ökonomen ein wenig anders sind als die Vertreter anderer Fachdisziplinen, weiß man seit langem. Im Economist war vor vielen Jahren einmal ein Cartoon abgedruckt, auf dem eine Dame einen Partygast einem anderen Gast mit den Worten vorstellt „Er ist Ökonom – aber ansonsten ganz in Ordnung.“ Hintergrund dieser wenig schmeichelhaf-ten Witzeleien ist die Beobachtung, dass sich Ökonomiestudenten in Experimenten deut-lich anders verhalten als die Studierenden anderer Fächer. Als erstes haben bereits Marwell/Ames (1981) darauf aufmerksam gemacht, dass Studenten der Wirtschaftswis-senschaft wesentlich häufiger die Freifahreroption in Öffentliches-Gut-Spielen wählen als Studenten anderer Fakultäten. Frank/Gilovich/Regan (1993) haben diesen Befund später bestätigt und seitdem zieht er sich wie ein roter Faden durch die experimentelle Literatur. Ockenfels/Weimann (1999) konnten zwar zeigen, dass sich der Effekt auf die männlichen Studenten reduzieren lässt, aber diese Einschränkung hat an dem Bild der eigennützigen Ökonomen nicht viel ändern können.

Was führt dazu, dass Ökonomen sich anders verhalten als Psychologen, Techniker oder Historiker? Von Anfang an stand die Frage im Mittelpunkt des Interesses, ob es sich bei diesem Phänomen um eine Folge der Ausbildung handelt oder ob es durch einen Selek-tionseffekt getrieben wird. Vielleicht studieren ja gerade solche Menschen Wirtschafts-wissenschaften, die eher eigennützig und rational handeln?! Für diese These spricht eini-ges und bis vor kurzem hatte es den Anschein, dass sich die Profession mit dieser Erklärung arrangiert hatte. Aber ein 2006 im Economic Journal veröffentlichtes Papier von Ariel Rubinstein gießt neues Öl ins Feuer und streut erneut Salz in die kaum verheil-ten Wunden der ökonomischen Hochschullehrer.

Rubinstein geht in seinem Papier der Frage nach, wie sich Ökonomen und Nicht-Ökonomen entscheiden, wenn sie als Manager vor der Wahl stehen, entweder Mitarbei-ter zu entlassen oder einen geringeren Gewinn in Kauf zu nehmen. Methodisch benutzt er dazu eine Befragung, die online durchgeführt wurde und verschiedene Gruppen um-fasste. Den Befragten wurde die folgende Geschichte vorgelegt:

Stellen Sie sich vor, Sie seien der Geschäftsführer eines Unternehmens, das sich im Be-sitz einer Familie befindet und zurzeit 196 Beschäftigte hat. Das Unternehmen existiert seit fünf Jahren und hat bisher profitabel gearbeitet, nun aber ist es aufgrund einer Re-zession in Schwierigkeiten geraten. Sie nehmen an einer Vorstandssitzung teil, auf der darüber beraten wird, wie vorzugehen ist. Ab hier wird die Geschichte in zwei Varianten fortgesetzt. In der ersten wird die Information über den Trade-off zwischen der Anzahl der Beschäftigten und dem Gewinn des Unternehmens in Form von Tabelle 1 präsen-tiert.

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 204

Anzahl der Arbeiter, die weiterhin beschäftigt werden Erwarteter Gewinn in Mio. Euro

0 (alle werden entlassen) –8

50 (146 werden entlassen) 1

65 (131 werden entlassen) 1,5

100 (96 werden entlassen) 2

144 (52 werden entlassen) 1,6

170 (26 werden entlassen) 1

196 (niemand wird entlassen) 0,4

Tabelle 1: Tabellarische Darstellung der Gewinnfunktion

Offensichtlich wird das Gewinnmaximum erreicht, wenn fast die Hälfte (96) aller Arbei-ter entlassen werden. Allerdings bleibt das Unternehmen auch dann in den schwarzen Zahlen, wenn sie niemanden entlässt.

In der zweiten Variante wird den Befragten die gleiche Information vermittelt, aber nun nicht mehr mit Hilfe einer Tabelle, sondern durch eine Funktion, die den Gewinn in Ab-hängigkeit der Anzahl der Beschäftigen x angibt:

(1) 2 0,1 8x x .

Aus dieser Funktion lässt sich das Gewinnmaximum leicht berechnen und durch Einset-zen passender Werte können beliebige Punkte der Gewinnfunktion bestimmt werden. Die tabellarische Darstellung legte Rubinstein insgesamt 592 israelischen Studenten ver-schiedener Fachrichtungen vor. Die Gewinnfunktion wurde nur solchen Studenten vor-gelegt, von denen man erwarten konnte, dass sie in der Lage sind, die notwendige Be-dingung für ein Gewinnmaximum zu bestimmen. Konkret wurde sie 48 Mathematikern und 79 Ökonomen vorgelegt. Die Ergebnisse für die tabellarische Darstellung sind in Tabelle 2 wiedergegeben.

Die Tabelle macht deutlich, dass Ökonomiestudenten häufiger das Gewinnmaximum wählen und bereit sind, deutlich mehr Arbeiter zu entlassen als Nicht-Ökonomen. Aller-dings zeigt sich, dass zwischen den Mathematikern und den Ökonomen, denen die Ge-winnfunktion als Formel präsentiert wurde, kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Entlassungszahlen bestand. Auffällig war vielmehr, dass beide Gruppen zu circa drei Vierteln (75 Prozent und 77 Prozent) die gewinnmaximale Lösung wählten – also deut-lich mehr als bei der tabellarischen Variante.

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J. Brosig, T. Heinrich, T. Riechmann, R. Schöb und J. Weimann 205

Universität Hebrew

Universität Tel Aviv

Ökonomen Nicht-Ökonomen

Summe

n 224 368 592

100 (Gewinnmaximum) 47 % 22 % 31 %

144 bzw. 170 40 % 53 % 48 %

196 (keine Entlassungen) 10 % 18 % 15 %

Andere 3 % 7 % 6 %

Durchschnittliche Entlassungen 66 46 53

Tabelle 2: Rubinsteins Resultate für die tabellarische Angabe der Gewinnfunktion

Rubinstein zieht aus seinen Ergebnissen sehr weitreichende Schlüsse. Für ihn steht fest, dass es einer grundlegenden Revision der Ökonomenausbildung bedarf, weil die gegen-wärtige Ausbildung dazu führt, dass Studenten dem Ziel der Gewinnmaximierung ein zu hohes Gewicht zukommen lassen und das Schicksal der Entlassenen zu wenig beachten. Insbesondere die mathematische Ausbildung wirkt in dieser Richtung. Sie bringt Men-schen – so Rubinsteins Einschätzung – offensichtlich dazu, nur noch mechanisch die optimale Lösung zu wählen, ohne die Konsequenzen einer solchen Entscheidung kritisch zu hinterfragen. Diese Kritik gewinnt natürlich vor allem dadurch an Gewicht, dass sie von einem international ausgewiesenen Spieltheoretiker geäußert wird, dem man auf keinen Fall unterstellen kann, dass er die Vorteile mathematischer Wirtschaftsforschung nicht überblickt. Dennoch stellt sich die Frage, ob die kritischen Schlüsse, die Rubinstein zieht, wirklich angebracht sind.

Zweifel daran werden vor allem durch die Tatsache genährt, dass die Befragung, auf die sich Rubinstein stützt, einige methodische Schwächen aufweist. Als erstes wird nicht kontrolliert, ob es sich bei dem „Ökonomeneffekt“ um eine Folge der Ausbildung han-delt oder um einen Selbstselektionseffekt. Das ist insofern verwunderlich, als die Ver-mutung, es könne sich um ein Selektionsproblem handeln, schon lange existiert. Für die Schlussfolgerungen im Hinblick auf die akademische Lehre ist es natürlich von ent-scheidender Bedeutung, ob das andersartige Verhalten der Ökonomen seine Ursache in der Persönlichkeitsstruktur der Studenten hat oder eine Folge der Ausbildung ist.

Aber nicht nur die fehlende Kontrolle des Ausbildungseffekts ist methodisch zu bemän-geln. Völlig ignoriert werden mögliche Framing-Effekte. Aus der experimentellen For-schung ist seit langem bekannt, dass für das Verhalten von Versuchspersonen nicht nur das zur Entscheidung anstehende Problem als solches bedeutsam ist, sondern auch die Art und Weise, wie es präsentiert wird, d. h. in welchem „Frame“ es erscheint. In der

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 206

Untersuchung von Rubinstein lassen sich verschiedene Framing-Effekte vermuten. Der wichtigste besteht ganz sicher darin, dass die Befragten aufgefordert wurden, sich in die Rolle eines verantwortlichen Managers zu versetzen. Welchen Effekt hat dieses Rollen-spiel? Wird die Rolle von allen Befragten in der gleichen Weise wahrgenommen oder gibt es systematische Unterschiede zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen?

Letzteres kann man sich sehr gut vorstellen. Ein großer Teil der Ökonomiestudenten, die in der Mehrheit Betriebswirtschaft studieren, bereiten sich durch ihr Studium auf die Tätigkeit eines Managers vor. Das kann zur Folge haben, dass sie sich tatsächlich in die Position eines verantwortlichen Managers hineinversetzen und sich in dieser Rolle der Tatsache bewusst werden, dass sie die Agenten der Unternehmenseigentümer sind. Ent-scheidungen, die den Gewinn der Eigentümer schmälern, dürften nicht ohne Folgen für einen Manager bleiben – zumal die Informationen über den Zusammenhang zwischen Anzahl der Beschäftigten und dem Unternehmensgewinn Common Knowledge sind, der Manager also davon ausgehen kann, dass seine Entscheidung von den Eigentümern per-fekt beobachtet wird.

Es scheint zumindest nicht unplausibel, dass Ökonomiestudenten eher solche Überle-gungen anstellen als Studenten, die nicht mit der Erwartung leben, später einmal Mana-ger zu sein, und in deren Ausbildung Managementprobleme keine Rolle spielen. Leider kontrolliert Rubinstein in seiner Untersuchung mögliche Framing-Effekte nicht, so dass wir nicht ausschließen können, dass sie eine wesentliche Rolle spielen. Wir haben die geschilderten methodischen Probleme zum Anlass genommen, eine eigene Befragung durchzuführen, bei der sowohl der Ausbildungseffekt als auch der Framing-Effekt kon-trolliert werden.

2. Die eigene Befragung

Die im Folgenden beschriebene Befragung hatte das Ziel, einerseits das Rubinstein-Experiment möglichst identisch zu wiederholen, es dabei aber andererseits so zu ergän-zen, dass sich der Ausbildungs- und der Framing-Effekt kontrollieren lassen. Zu diesem Zweck wurde eine Online-Befragung durchgeführt, bei der den Teilnehmern zunächst die gleichen Informationen gegeben wurden, die auch im Rubinstein-Experiment ver-wendet wurden. Insgesamt waren 397 Studierende der Universitäten Köln und Magde-burg beteiligt. Dabei wurden die Gruppen aus Tabelle 3 gebildet. Diese Gruppenauftei-lung erlaubt es, einen direkten Vergleich der Studienanfänger mit den fortgeschrittenen Studenten vorzunehmen, der Aufschluss darüber geben kann, ob ein unmittelbarer Aus-bildungseffekt vorliegt oder ob die Unterschiede zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen auch schon zu Beginn des Studium bestehen, also zu einem Zeitpunkt, zu

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dem Ausbildung in nennenswertem Umfang noch nicht stattgefunden hat. Ansonsten entspricht die Gruppierung der von Rubinstein.

Ort Ökonomen Nicht-Ökonomen

Haupt-studium

Erst-semester

Formel Anzahl

MD 39

MD 28

K 31

MD 38

MD 43

MD 40

MD 41

K 29

K 28

K 43

K 37

Summe 397

Tabelle 3: Anzahl der Teilnehmer in den einzelnen Gruppen; MD = Magdeburg, K = Köln

Es wurden Ökonomen und Nicht-Ökonomen befragt und einem Teil der Probanden wur-de eine Gewinnformel anstatt einer Tabelle vorgelegt. Um den Framing-Effekt kontrol-lieren zu können, wurden an die Teilnehmer insgesamt drei Fragen gerichtet:

Die erste Frage (F1) entspricht der von Rubinstein, d. h. die Teilnehmer werden da-nach gefragt, wie viele Arbeiter sie entlassen wollen.

Die zweite Frage (F2) lautet: „Was glauben Sie, wie sich ein richtiger Manager in der Realität in einer solchen Situation verhalten würde?“ Auch diese Frage wurde in identischer Form von Rubinstein gestellt.

Die dritte Frage (F3) ist dagegen neu und prüft unmittelbar die Wirkung des Frames. Sie lautet: „Stellen Sie sich vor, Sie stehen unmittelbar vor Ihrer Pensionierung und Sie müssten nur noch diese eine Entscheidung treffen. Wie viele Arbeiter würden Sie dann entlassen?“

Der neue Frame, in den die dritte Frage die Probanden versetzt, schließt aus, dass sich die Befragten Gedanken über die Konsequenzen machen müssen, die eine Entscheidung

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 208

möglicherweise für die eigene Person des Managers haben kann. Sollten sich deutliche Unterschiede zwischen den Antworten auf F1 und F3 ergeben, wäre dies ein Hinweis darauf, dass der von Rubinstein gewählte Frame eben doch eine sehr große Rolle spielt.

3. Resultate

Die zentrale Botschaft des Rubinstein-Experiments lautet, dass bei der Wahl zwischen Gewinnmaximierung und der Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern Ökonomiestudenten deutlich stärkeres Gewicht auf den Gewinn des Unternehmens legen als Nicht-Ökonomen. Wenn wir die Daten der beiden Städte zusammen auswerten und lediglich den Unterschied zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen betrachten, so bestätigt un-sere Untersuchung dieses Resultat. Abbildung 1 zeigt die Antworten, die von Ökonomen und Nicht-Ökonomen in beiden Städten auf die drei Fragen gegeben wurden. Bezüglich F1 bestätigt unser Ergebnis das von Rubinstein: Ökonomiestudenten beschäftigen signi-fikant1 weniger Arbeiter weiter. Anders ausgedrückt, sie setzen im Durchschnitt 22 Ar-beiter mehr auf die Straße als Nicht-Ökonomen.

Bei der Frage, wie sich wohl reale Manager verhalten werden, sind sich Ökonomen und Nicht-Ökonomen dagegen relativ einig – jedenfalls sind die Unterschiede bezüglich der Antworten zu Frage F2 nicht signifikant. Das liegt allerdings vor allem daran, dass die Nicht-Ökonomen offensichtlich den Managern in der realen Welt deutlich stärkeres Ge-winnstreben unterstellen, als sie selbst es an den Tag legen. Auch Ökonomen halten sich im Durchschnitt zwar für „milder gestimmt“ als reale Manager, aber der Unterschied ist bei weitem nicht so groß.

Interessant sind die Antworten auf die Frage F3. Sowohl Ökonomen als auch Nicht-Ökonomen sind dann, wenn sie unmittelbar vor der Pensionierung stehen, bereit, signifi-kant2 mehr Beschäftigte in Lohn und Brot zu belassen. Damit ist gezeigt, dass der Fra-me, der durch die Managerrolle gegeben ist, in die die Befragten versetzt wurden, sehr wohl einen Einfluss auf die Entscheidungen der Befragten hat. Und dieser Einfluss ist bei den Ökonomen deutlich stärker als bei den Nicht-Ökonomen. Zwar entlassen die Ökonomen bei F3 immer noch signifikant mehr Menschen als die Nicht-Ökonomen, aber die absolute Differenz zwischen beiden Gruppen halbiert sich von 22 auf elf.

1 Soweit nicht anders angegeben beziehen sich alle Signifikanzaussagen auf einen Mann-Whitney-U-Test.

Bei einem p < 0,05 sprechen wir von einem signifikanten, bei 0,10 > p 0,05 von einem schwach signifi-kanten Unterschied.

2 Wilcox-Test mit p < 0,01.

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Durchschnittliche Anzahl der Arbeiter,die weiter beschäftigt werden

0

30

60

90

120

150

180

F1 F2 F3

ÖkonomenNicht-Ökonomen

Abbildung 1: Antworten F1 bis F3, Köln und Magdeburg

Die Frage, welchen Einfluss der Frame hat, wurde nicht nur mit Hilfe der Frage F3 un-tersucht, sondern auch mittels der unterschiedlichen Präsentation der Gewinnfunktion. Außer der Darstellung in Tabellenform wurde die Gewinnfunktion auch 98 Befragten als mathematische Formel vorgelegt, und auch hier zeigt sich ein ausgesprochen starker Framing-Effekt.

Während diejenigen, die die Tabelle erhielten, im Durchschnitt 140,5 Arbeiter weiterbe-schäftigten, waren es bei den „Formel-Befragten“ lediglich 109,6! Die Präsentation mit Hilfe der Formel hatte insbesondere den Effekt, dass sehr häufig die gewinnmaximale Beschäftigung gewählt wurde. Offensichtlich haben viele Teilnehmer lediglich das Ge-winnmaximum bestimmt und nicht näher untersucht, was links und rechts des Maxi-mums passiert. Einen Unterschied zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen gibt es dabei nicht. Beide Gruppen sind statistisch nicht voneinander zu unterscheiden. Interes-sant ist in diesem Zusammenhang, dass trotz der starken Wirkung des Formel-Frames bei der Frage F3 kein signifikanter Unterschied mehr zwischen dem Formel- und dem Tabellen-Frame existiert.

Neben dem Einfluss des Frames war die zweite zentrale Frage unserer Untersuchung, ob das Verhalten der Ökonomen auf die Ausbildung zurückzuführen ist oder auf einen Se-lektionseffekt. Abbildung 2 macht deutlich, dass es sich tatsächlich eindeutig um einen Selektionseffekt handeln muss. Entgegen der Ausbildungshypothese von Rubinstein scheint die Anzahl der weiterbeschäftigen Arbeiter beim Übergang von den Erstsemes-

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 210

terökonomen zu den Studenten des Hauptstudiums sogar zu steigen. Allerdings ist der Unterschied nicht signifikant.

Anzahl der weiter beschäftigten Arbeiter F1

0

30

60

90

120

150

180

Ökonomen Nicht-Ökonomen

ErstsemesterHauptstudium

Abbildung 2: Antworten F1, Köln, Magdeburg

Fassen wir die bis hierher geleistete Analyse zusammen, so zeigt sich, dass die Auffor-derung Rubinsteins, die Ökonomenausbildung grundlegend zu verändern, weil sie Men-schen dazu bringt, nur noch in Kategorien der Gewinnmaximierung zu denken, nicht überzeugen kann. Wenn überhaupt, dann wirkt die Ausbildung dahin, dass Studenten während ihres Studiums lernen, dass neben der Gewinnmaximierung auch noch andere Ziele existieren, die Manager verfolgen können. Darüber hinaus zeigt sich, dass der von Rubinstein gewählte Frame eine erhebliche Rolle spielt. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Ökonomiestudenten deutlich stärker mit der Managerrolle identifizieren als dies die Studenten anderer Fächer tun. Die Veränderung, die der neue Frame in F3 hervorruft, deutet jedenfalls darauf hin, dass dies der Fall ist.

Bisher wurden die Daten der beiden beteiligten Universitäten gemeinsam ausgewertet. Dahinter steckt die implizite Annahme, dass sich die Kölner und die Magdeburger Öko-nomiestudenten in ihrem Verhalten nicht signifikant unterscheiden. Abbildung 3 macht deutlich, dass dies nicht in allen Fällen richtig ist.

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Anzahl der weiterbeschäftigten Mitarbeiter(Mittelwert) F1

0

30

60

90

120

150

180

Ökonomenerstes

Semester

Nicht-Ökonomen

erstesSemester

ÖkonomenHauptstudium

Nicht-Ökonomen

Hauptstudium

Studenten in MagdeburgStudenten in Köln

Abbildung 3: Antworten F1, Vergleich Köln versus Magdeburg

Durchgängig beschäftigen die Kölner Studenten mehr Arbeiter als die Magdeburger. Signifikant ist der Unterschied allerdings nur in zwei Fällen. Die Magdeburger Ökono-men im ersten Semester sind hoch signifikant „härter“ in ihrer Entscheidung als ihre Kommilitonen aus Köln und auch die Nicht-Ökonomen im Hauptstudium verhalten sich signifikant anders in Magdeburg als in Köln. Bei den Ökonomen im Hauptstudium ist dagegen der Unterschied nur schwach signifikant (p = 0,096). Dieses Ergebnis bestätigt sich teilweise bei den weiteren Fragen.

Auf die Frage F2 antworten nur die Ökonomie-Erstsemester in Magdeburg signifikant anders als die Kölner (vgl. Abbildung 4) und die Frage F3 wird ebenfalls von dieser Gruppe und von den Nicht-Ökonomen im Hauptstudium in Magdeburg anders gesehen als in Köln (vgl. Abbildung 5, allerdings nur schwach signifikant). In allen Fällen sind die Magdeburger Studenten näher an der gewinnmaximalen Lösung als die Kölner.

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 212

Anzahl der weiterbeschäftigten Mitarbeiter(Mittelwert) F2

0

30

60

90

120

150

180

Ökonomenerstes

Semester

Nicht-Ökonomen

erstesSemester

ÖkonomenHauptstudium

Nicht-Ökonomen

Hauptstudium

Studenten in MagdeburgStudenten in Köln

Abbildung 4: Antworten F2, Vergleich Köln versus Magdeburg

Anzahl der weiterbeschäftigten Mitarbeiter(Mittelwert) F3

0

30

60

90

120

150

180

Ökonomenerstes

Semester

Nicht-Ökonomen

erstesSemester

ÖkonomenHauptstudium

Nicht-Ökonomen

Hauptstudium

Studenten in Magdeburg Studenten in Köln

Abbildung 5: Antworten F3, Vergleich Köln versus Magdeburg

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J. Brosig, T. Heinrich, T. Riechmann, R. Schöb und J. Weimann 213

Offensichtlich verhalten sich insbesondere die Magdeburger Erstsemester deutlich an-ders als die Kölner. Abbildung 6 zeigt, dass diese Gruppe auch in Magdeburg als eine Art „Ausreißer“ gesehen werden kann. Wenn der Unterschied zwischen Erstsemester und Hauptstudium an den beiden Orten getrennt betrachtet wird, zeigt sich, dass ledig-lich die Magdeburger Ökonomieerstsemester hoch signifikant geringere Beschäftigten-zahlen aufweisen als ihre Kommilitonen im Hauptstudium.

Anzahl der weiterbeschäftigten Mitarbeiter(Mittelwert) F1

0

30

60

90

120

150

180

ÖkonomenMagdeburg

ÖkonomenKöln

Nicht-ÖkonomenMagdeburg

Nicht-Ökonomen

Köln

Studenten im ersten SemesterStudenten im Hauptstudium

Abbildung 6: Antworten F1, Ausbildungseffekt in Köln und Magdeburg

Auch bei den Fragen F2 und F3 liegen die Angaben der Magdeburger Ökonomieerstse-mester unter denen ihrer Hauptstudiumskollegen. Die Abbildungen 7 und 8 zeigen noch einmal alle Ergebnisse an den beiden Standorten im Überblick.

4. Diskussion

Ökonomen verhalten sich anders als Nicht-Ökonomen. An diesem grundsätzlichen Be-fund ist auch nach der von uns durchgeführten Befragung nicht zu rütteln. Aber welche Schlüsse ziehen wir daraus und wie stark ist der Effekt, den wir beobachten?

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 214

Anzahl der weiterbeschäftigten Mitarbeiter(Mittelwert) in Magdeburg

0

30

60

90

120

150

180

Nicht-Ökonomen

Hauptstudium

Nicht-Ökonomen

Formel

Nicht-Ökonomen

erstesSemester

ÖkonomenHauptstudium

Tabelle

ÖkonomenFormel

Ökonomenerstes

Semester

Frage 1 Frage 2 Frage 3

Abbildung 7: Alle Ergebnisse Magdeburg

Anzahl der weiterbeschäftigten Mitarbeiter(Mittelwert) in Köln

0

30

60

90

120

150

180

Nicht-ÖkonomenHauptstudium

Nicht-Ökonomenerstes Semester

ÖkonomenHauptstudium

Tabelle

ÖkonomenFormel

Ökonomenerstes Semester

Frage 1 Frage 2 Frage 3

Abbildung 8: Alle Ergebnisse Köln

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J. Brosig, T. Heinrich, T. Riechmann, R. Schöb und J. Weimann 215

Die starken Framing-Effekte, die insbesondere mit der Frage F3 nachgewiesen werden konnten, relativieren den von Rubinstein beschriebenen „Ökonomen-Bias“ zugunsten gewinnmaximierenden Verhaltens erheblich. Studenten, die eine Ausbildung durchlau-fen, an deren Ende sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Managementaufgaben wahrnehmen werden, reagieren auf den von Rubinstein gewählten Frame anders als solche Studenten, die nicht mit dieser Perspektive studieren. Das ist die erste wichtige Relativierung der Rubinstein-Resultate.

Die zweite besteht darin, dass der Nachweis geführt werden konnte, dass das spezifische Verhalten von Ökonomiestudenten nicht auf die Ausbildung zurückgeführt werden kann. Im Gegenteil, in Magdeburg beschäftigten die fortgeschrittenen Ökonomiestudenten sig-nifikant mehr Arbeiter als die Anfänger. Dieser Befund dürfte allen Befürchtungen, dass ein Ökonomiestudium die Studenten in einer bestimmten Weise indoktriniert, die Grund-lage entziehen. Ein Hinweis darauf, dass eine grundlegende Reform der Ökonomenaus-bildung notwendig ist, kann jedenfalls aus den vorliegenden Beobachtungen nicht ge-wonnen werden. Was bleibt, ist der Befund, dass Ökonomiestudenten insgesamt stärker dem Ziel der Gewinnmaximierung zu dienen bereit sind als Nicht-Ökonomen. Aber ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Rubinstein unterstellt in seinem Aufsatz, dass ein Verhalten, das den Gewinn der Unter-nehmung maximiert und dabei in Kauf nimmt, dass Arbeiter in großer Zahl ihren Job verlieren, moralisch bedenklich ist. Dieser Bewertung muss man nicht zwangsläufig zu-stimmen. Im Gegenteil, Ökonomen wissen, dass unter den Bedingungen wettbewerblich verfasster Märkte Gewinnmaximierung das gesellschaftlich erwünschte Verhalten von Unternehmen ist. Das alte Argument von Milton Friedman ist nach wie vor gültig. Wenn die Unternehmen im Wettbewerb miteinander stehen, dann ist es ihre vordringliche sozi-ale Aufgabe, den Gewinn zu maximieren. Nur wenn sie dies tun, sichern sie einen effi-zienten Einsatz knapper Ressourcen und die Befriedigung der Bedürfnisse, die mit der größten Dringlichkeit bestehen.

Auf der anderen Seite ist es dessen ungeachtet möglich, dass Gewinnmaximierung schädliche Folgen hat. Dies ist dann der Fall, wenn Voraussetzungen verletzt sind, die für die Gültigkeit des Arguments von Friedman notwendig sind. Beispielsweise könnte die Wettbewerbsvoraussetzung nicht erfüllt sein oder es könnten externe Effekte der Gewinnmaximierung auftreten, weil Eigentumsrechte nicht vollständig sind oder es an ihrer Durchsetzbarkeit mangelt. Im konkreten Fall des Rubinstein-Experiments kann es beispielsweise sein, dass der Arbeitsmarkt reguliert ist und die entlassenen Arbeiter des-halb keine Chance haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. In diesem Fall müssten die Nutzeneinbußen der Entlassenen bei der Frage, welches Unternehmensverhalten effi-zient ist, mit berücksichtigt werden.

Das größte methodische Problem der Rubinstein-Studie besteht darin, dass alle diese Möglichkeiten nicht kontrolliert werden. Es ist nicht klar, welche Folgen die Arbeitslo-sigkeit hat, und es ist nicht möglich einzuschätzen, ob das Friedman-Argument Gültig-

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Wirkungen der Ökonomieausbildung in Magdeburg und Köln 216

keit hat oder nicht. Das bedeutet, dass die Befragten in einer Situation sind, in der sie sich selbst ein Bild von der Situation machen müssen, in der sich das Unternehmen und die Arbeiter befinden. Wenn man eine Gruppe von Ökonomen und eine von Nicht-Ökonomen damit (implizit) beauftragt, sich ein solches Bild zu machen, kann man dann davon ausgehen, dass die „Durchschnittsbilder“ in beiden Gruppen gleich aussehen wer-den? Wohl kaum, denn Ökonomen werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch bedenken, dass es sein kann, dass Gewinnmaximierung in der beschriebenen Situation das ist, was die gesellschaftliche Wohlfahrt maximiert! Dies dürfte dagegen bei Studen-ten, die in ihrer Ausbildung nie etwas über Wohlfahrtsökonomie gelernt haben, kaum eine Rolle spielen. Wenn Ökonomen zu dem gleichen Ergebnis kämen wie Nicht-Ökonomen, würde das bedeuten, dass die Tatsache, dass sie in ihrem Studium lernen, dass Gewinnmaximierung unter durchaus plausiblen Annahmen gesellschaftlich er-wünscht ist, folgenlos bliebe. Das wäre eine schlechte Nachricht, denn dann müsste man tatsächlich darüber nachdenken, ob in der Ökonomieausbildung nicht etwas falsch läuft.

Insgesamt zeigen unsere Beobachtungen und unsere Analyse, dass man Entwarnung ge-ben kann. Die ökonomische Profession steht nicht vor der Herausforderung, die Ausbil-dung revolutionieren zu müssen, und die Mathematik muss man auch nicht aus den Hör-sälen verbannen. So lange sie mit einer soliden Ökonomieausbildung verbunden wird, bei der die sozialen Aspekte ökonomischen Handelns ausreichend berücksichtigt wer-den, besteht kein Anlass, auf die Vorteile einer analytischen Ausbildung zu verzichten. Das jedenfalls lässt sich aus dem Befund schließen, dass diejenigen, die eine Formel er-hielten, bei der Beantwortung von F3 keine Unterschiede mehr zu den anderen Ver-suchsteilnehmern aufwiesen.

Auf eine letzte Frage, die unsere Befragung aufwirft, ist nur schwer zu antworten. Wa-rum verhalten sich die Magdeburger Ökonomen anders als die Kölner? Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Studenten in Magdeburg aus den alten Bundes-ländern kommt, fällt es schwer, den Selektionseffekt, der offensichtlich zu dem Resultat geführt hat, zu erklären. Sicher kann man nur sagen, dass Studierende aus Magdeburg den oben beschriebenen Mechanismus ausgeprägter zeigen als die Kölner. Wenn die Unterschiede zwischen Ökonomen und Nicht-Ökonomen dadurch getrieben werden, dass Ökonomen eben auch wohlfahrtsökonomisch denken und Nicht-Ökonomen dies nicht tun, dann ist genau das bei den Magdeburgern eben in einem höheren Maße vor-handen als bei den Kölnern. Es ist sicher verständlich, dass wir das als eine gute Nach-richt für Magdeburg werten.

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Literatur

Frank, R. H.; Gilovich, T.; Regan, D. T. (1993): Does Studying Economics Inhibit Co-operation?, Journal of Economic Perspectives 7, S. 159–171.

Marwell, G.; Ames, R. E. (1981): Economists Free Ride, Does Anyone Else? Experi-ments on the Provision of Public Goods, IV, Journal of Public Economics 15, S. 295–310.

Ockenfels, A.; Weimann, J. (1999): Types and Patterns: An Experimental East-West Comparison of Cooperation and Solidarity, Journal of Public Economics 71, S. 275–287.

Rubinstein, A. (2006): A Sceptic’s Comment on the Study of Economics, Economic Journal 116, C1–C9.

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Teil IV

Kapitalmärkte und Investitionskalkül

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Peter Reichling, Mirela Stefanova and Bodo Vogt

Return Patterns on the Bulgarian Stock Market

1. Introduction

2. Stock Price Deviation from the Fundamental Value

3. Performance of Momentum Strategies

4. Equity Premium Puzzle

5. Volatility Clustering

6. Conclusion

References

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1. Introduction

The history of the Bulgarian stock market dates back to the beginning of the 18th century.The first stock exchange in Bulgaria was established in 1914. Its operation was inter-rupted by World War I and it closed after World War II. The stock market was re-established in 1991 and regulated in 1995. To support stock trading, an order and dealer driven trading system based on the NASDAQ quotation system was introduced at the Bulgarian Stock Exchange (BSE)-Sofia in October 2000. In March 2003, a new elec-tronic trading system was introduced to place orders to trade securities via Internet in real-time. The most recent step to integrate the Bulgarian capital market with interna-tional stock markets is an agreement signed on October 30, 2007, between the BSE-Sofia and Deutsche Börse AG for the implementation of the electronic trading system Xetra in mid-2008.

In May 2007, 16 companies were traded on the official market of BSE-Sofia. This mar-ket had a total turnover of 54 million Bulgarian Levs (BGN) in that month and a market capitalization of five billion BGN.1 The unofficial market comprised 341 stocks with a total turnover of 317 million BGN in May 2007 and a market capitalization of nearly 14 billion BGN. The currently most traded stocks were in the industry group “transport, storage, and communication” with 43 percent of total turnover, followed by “financial intermediation” with 33 percent and “manufacturing” with ten percent. At the end of 2006 the market capitalization of the five largest companies accounted for 41 percent of the Bulgarian stock market.

The official index of the BSE-Sofia, SOFIX, was introduced on October 21, 2000, with a base value of 100 points. The SOFIX is a market capitalization weighted index that in-cludes the most liquid domestic companies listed on the regulated markets of BSE-Sofia. The number of stocks belonging to the SOFIX is limited up to 50. Over the past six years the SOFIX has seen a tremendous development – it reached a value greater than 1 300 points at the end of May 2007 and an average rate of return of about 40 percent per year since the end of October 2000. Another major index of BSE-Sofia, BG40, was launched on February 1, 2005, with a base value of again 100 points. The BG40 comprises the top 40 Bulgarian companies ranked by the number of transactions executed in the past six months.

The Bulgarian stock market belongs to the emerging markets that have attracted inves-tors’ attention with their high returns and low correlations with developed markets that gives global investors the opportunity to diversify their portfolios internationally. How-ever, emerging markets are also known for their apparently high volatility and the risk of

1 The value of 1 BGN is fixed to 0.5113 EUR.

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Return Patterns on the Bulgarian Stock Market 224

a crash due to factors such as political instability, exchange rate fluctuations, and foreign indebtedness.2 In addition, market inefficiencies seem to appear to a higher extend in emerging than in developed financial markets. Since the functioning of financial markets is essential for economic stability and thus for the wealth not only of investors but also of non-investors, the analysis of the stock market has to be taken into financial policy considerations. For example, Shiller (1981) pointed at the empirical observation that crashes of financial markets seem to cause crashes of the whole economy. If one takes this point of view, it is unavoidable to analyze the behavioral anomalies in financial mar-kets to control the risk of a crash of the financial market and its consequences on the whole economy. Especially the question if the lessons that had to be learned in devel-oped economies can be transferred to emerging markets countries seems to be important.

Keynes (1936) already discussed fundamental issues of behavioral finance long before it became popular and described some of the so-called behavioral anomalies and the risk of financial markets or perhaps a whole economy connected with these anomalies. Or as Keynes (1936, p. 121) has put it: “Markets can remain irrational longer than you can remain solvent.” One key argument in traditional finance is that stock prices follow their fundamental values. Following this view, which is for example expressed in the divi-dend-discount model, stock prices are equal to the present value of expected future divi-dends. Resulting from this assumption, any short-term fluctuations in prices can only be caused by unforeseen changes in expected future dividends.

All period-to-period price changes of a stock are unpredictable random movements.3Several ways exist to derive these key results of traditional finance from theoretical con-siderations: In asset pricing models investors maximize expected utility over an infinite horizon and have rational expectations with respect to the price process.4 In addition, these models are guidelines for investors who hold an asset indefinitely. However, recent empirical results have questioned the dividend-discount model and the unpredictability of stock market prices. In the long run, dividend growth is a good indicator for stock market prices. However, on shorter horizons stock prices often deviate substantially from their fundamental values and are more volatile than dividends.5 Moreover, short-term momentum and long-term reversal of stock market prices appear to be empirically robust stock price anomalies.6

Keynes (1936, p. 156) already gave one key idea of understanding these deviations from fundamental values. Starting from the observation that very few investors hold stocks

2 See Herrmann (2005). 3 See Cootner (1961) for an early treatment of this view which was most prominently put forward by Fama

(1970). 4 See Lucas (1978). 5 See Shiller (1981). 6 See, e.g., De Bondt/Thaler (1985), Jegadeesh (1990), Lo/MacKinlay (1999), and Hirshleifer (2001).

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forever, he argues that for most investors the selling value of their stock will be more important than the dividends. Resulting from this, the beliefs about the fundamental value of a stock may be less important than higher order beliefs, i.e. beliefs about the other investors’ beliefs about the asset price. As an analogy, he also compares stock markets to newspaper beauty contests in which the reader receives a prize if his choice coincides with the average pick. Following this analogy, in the short run, guessing the average opinion of the other traders in the stock market is much more important than guessing the correct fundamental value. As a result, stock market prices may be different from their fundamental values. Keynes’ analogy of the beauty contest does not contain a prediction about the degree of the deviation from the fundamental value. This has to be measured empirically.

Nevertheless, the analogy clearly shows that in the short run stock markets can exhibit the structure of strategic games. The game structure of stock markets has recently also been pointed at in the behavioral finance literature. Shleifer (2000), for example, empha-sizes the importance of noise trader risk: All investment strategies based on fundamental values run the risk that the average investor does not follow the fundamental view. Even though the fundamental investor will eventually benefit from his strategy, in the short run he will lose and may even be deprived of his wealth before the long-term develop-ment of the asset prices turns in his favor.

In this paper we empirically analyze the Bulgarian stock market with the focus on some prominent behavioral finance effects to describe short-term deviations from fundamental values. The remainder of the paper is organized as follows. The next section discusses the presence of a bubble on the Bulgarian stock market, especially in the manufacturing sector. It is followed by an analysis on the existence of momentum in stock returns in Section 3. Section 4 deals with the equity premium puzzle on the Bulgarian stock mar-ket. Volatility clusters are analyzed in Section 5. Section 6 concludes.

Our sample includes daily closing prices from November 21, 2003, to June 6, 2007, of 42 companies included in the SOFIX and/or the BG40 in June 2007. Moreover, daily SOFIX returns from October 23, 2000, to May 31, 2007, and one-month Sofibor inter-bank interest rates from November 3, 2003, to May 31, 2007, are used in the analysis.

2. Stock Price Deviation from the Fundamental Value

A stock’s fundamental value is the risk-adjusted present value of all expected future cash flows. Systematic price deviations from fundamentals are considered a bubble. Self-fulfilling expectations can result in bubbles as they push prices to expected values re-gardless of the fundamentals. Behavioral finance attributes bubbles mainly to the herding

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Return Patterns on the Bulgarian Stock Market 226

effect, i.e. a person tends to copy the behavior of the majority of people and buys a cer-tain stock if others are doing it. Two of the most famous bubbles of the 20th century, the bubble in US-American stocks in the 1920’s and the dot-com bubble of the late 1990’s, were based on speculations about the fast development of new technologies. Bubbles followed by financial crises with severe economic consequences have occurred on the emerging markets of Latin America and Asia.

In this section we try to find evidence whether there is a bubble in the prices of manufac-turing companies on the Bulgarian stock market. From the sample of companies in-cluded in the SOFIX and the BG40 in June 2007, only the 17 enterprises from the manu-facturing sector are included in a capitalization-weighted manufacturing companies portfolio. Manufacturing companies account for about 30 percent of the market capitali-zation of our sample. The weights are adjusted monthly. In case that a stock is not traded in a certain month, it is excluded from the portfolio for this period.

Monthly returns of the manufacturing portfolio are computed for the period from Octo-ber 2003 to May 2007. A corresponding nominal manufacturing companies index with a base value of 100 at the end of October 2003 is created. In order to transform it in real values, it is deflated by the manufacturing producer price index (PPI). To find out whether there is a bubble on the Bulgarian stock market, the value of the real manufac-turing companies index (RMCI) has to be compared to its fundamental value. A proxy for the fundamental value of the RMCI is the industrial production index (IPI) with a base value of again 100 on October 31, 2003. Figure 1 presents the monthly develop-ment of the RMCI and the IPI for the period between October 2003 and May 2007.

Figure 1 looks similar to so-called bubble graphs. The plot makes clear that there is a huge deviation of the real value of the manufacturing companies portfolio from the proxy for its underlying fundamental value. A look at Table 1, presenting the averages and variances of the time series, gives an idea about the magnitude of the deviation. The mean of the RMCI is significantly greater than that of the IPI at the 99.9 percent confi-dence level. This results from the strong increase of the RMCI and the slow growth of the IPI. Following the approach of Shiller (2000) to check whether the bubble on the Bulgarian stock exchange is consistent with the efficient market hypothesis (EMH), the variances of the RMCI and the IPI are compared. The variance of the RMCI is signifi-cantly higher than that of the IPI at the 99.9 percent confidence level. This “excess vola-tility” can be interpreted as a signal that the bubble is irrational and contradicts the EMH.7

The fact that the base value of both the RMCI and IPI is set equal to 100 on October 31, 2003, is arbitrary. Any other date can be chosen as a base. This will not influence the result that there is a large deviation of the RMCI from its fundamental value.

7 See Shiller (1981 and 2000, pp. 211–212).

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0

300

600

900

1200

Real manufacturing companies indexIndustrial production index

2004 2005 2006

Figure 1: Development of the real manufacturing companies index and the industrial production index

Table 1: Average values and variances of the real manufacturing companies index and the industrial production index

Several critiques may arise with respect to the choice of the proxy for the fundamental value of the RMCI. At first, the RMCI represents only the equity value of the analyzed companies, excluding liabilities, while the IPI gives the value of the goods produced with both equity and debt. Therefore, a leverage adjustment is required in general. As-suming a constant debt-equity ratio with increasing stock prices would lead to a concave RMCI curve. However, Figure 1 does not show a decreasing RMCI growth. Another possible problem is that the IPI gives the value of goods produced in the past period (flow figure), while the RMCI incorporates the expectations of investors about the future cash flows into a value (stock figure). The increase in the RMCI development cannot be explained solely by optimistic expectations. The shape of the RMCI curve could only be

Real manufacturing companies index

Industrialproduction index

Average value 445 121

Variance 90 250 231

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justified if the degree of optimism in the expectations has increased by an almost con-stant factor.

3. Performance of Momentum Strategies

The phenomenon of momentum, i.e. continuation of the direction of prior stock returns, is often explained by underreaction of market participants to new information. It is a challenge for investors because it offers the opportunity to earn profits by buying and holding winners and short-selling losers. The presence of momentum in capital markets is a contradiction to the EMH that claims that stock prices are unpredictable since all available information is already incorporated in the present price and thus no trading strategy based on historical data can systematically yield risk-adjusted average returns higher than the market.

In order to investigate the presence of momentum in stock returns on the Bulgarian stock market, we strictly follow the testing procedure suggested by De Bondt/Thaler (1985). Daily price data for 42 stocks included in the SOFIX and/or the BG40 in June 2007 are used for the period between November 21, 2003, and June 6, 2007. An average weekly log return Rjt is computed for each security j and each week t. Our sample includes 184 weeks. An equally weighted weekly average rate of return on all analyzed stocks serves as the index RIt. The same steps as the ones presented by De Bondt/Thaler (1985) are followed in the analysis of our data:

Market-adjusted excess returns ujt = Rjt RIt are computed for each stock j and each week t. During the sample period, more companies are listed and the sample in-creases.

For every stock j the cumulative excess returns 07CU t

j jtt u for the eight

weeks prior to the portfolio formation date t = 0 are calculated. The procedure is re-peated 22 times for all non-overlapping two-month periods between November 21, 2003, and June 6, 2007. In case that there is no trading of a certain stock in a week during the formation or test periods, the security is excluded from the analysis for these four months. On each of the 22 portfolio formation dates the CUj’s are ranked. Companies in the top third are assigned to the winner portfolio W, the bottom third is included in the loser portfolio L, and the rest enter the middle portfolio M.

For each non-overlapping two-month period n = 1,…,22 the cumulative average residual returns for the test periods t = 1,…,8 of all stocks in the three portfolios are computed. They are indicated by CARW,n,t, CARM,n,t, and CARL,n,t.

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Subsequently, average CAR’s, denoted by ACARW,t, ACARM,t, and ACARL,t, are calculated using the CAR’s from all N = 22 test periods.

Finally, to assess whether there is a statistically significant difference in the per-formance of the winner and loser portfolios at any time t, De Bondt/Thaler (1985) apply the t-statistic

(1)2

, ,2ACAR ACAR t

t W t L tSTN

where St2 is the pooled estimate of the population variance of CARW,n,t and CARL,n,t.

The same testing procedure is repeated for formation and test periods of one, three and four months, corresponding to four, eight, 12, and 16 weeks. The main findings are de-picted in Figure 2. They are in line with the momentum hypothesis. The analyzed forma-tion and test periods are denoted on the abscissa. The ordinate gives the ACAR’s. While no clear statement can be made for the middle portfolio, the winner portfolio outper-forms the market and losers continue to underperform for all studied cases.

Losers

Middle

Winners

-30%

-20%

-10%

0%

10%

20%

30%

1 2 3 4

Number of formation and observation months

AC

AR

(p

er

yea

r)

Figure 2: ACAR’s (per year) for formation and test periods of one, two, three, and four months

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Return Patterns on the Bulgarian Stock Market 230

Statistically significant differences at the 95 percent confidence level in the performance of winners and losers are observed when the formation and test periods equal two and four months, respectively. The difference in cumulative average annualized returns be-tween the extreme portfolios, ACARW,8 – ACARL,8, equals 47.4 percent with a t-statistic of 3.1 and a corresponding p-value of 0.6 percent (see Table 2).

Table 2: Differences in annualized ACAR’s of the winner and the loser portfolios

Special attention is paid to the winner and loser portfolios with formation and test peri-ods of two months since they show the greatest ACAR difference with the highest sig-nificance and may result in a profitable investment strategy. For a formation period of two months we check what the optimal test period is. Figure 3 presents the development of the winner and loser portfolio one to eight weeks after the formation date. Returns beyond eight weeks are not considered because this would result in an overlap of the data and dependent observations.

Figure 3 shows that three weeks after formation winners continue to outperform and los-ers continue to underperform. With the exception of the first two weeks after formation, there seems to be a clear pattern: as time after formation increases, the difference be-tween ACAR’s of winners and losers increases. The t-statistics and p-values presented in Table 3 provide evidence for this statement. On the basis of our empirical data, a profit-able strategy for investors on the Bulgarian stock market is to buy and hold the winner portfolio and to short-sell the loser portfolio. The suggested length of the formation and test periods is two months.

Even if portfolio strategies based on momentum are successful, they do not represent arbitrage opportunities because of the corresponding risk. To compare the risk-return trade-off, Figure 4 plots the average over the 22 analyzed periods of average two-month winners W, losers L, index I, SOFIX returns, and one-month Sofibor rates per year against their respective volatilities. Interestingly, Figure 4 shows that the risk-return po-sition of the SOFIX is very close to the position of the winner portfolio. This finding clearly points at a selection bias in the SOFIX: mostly winners seem to be included and losers seem to be excluded from the SOFIX.

Formation/test period 1 month 2 months 3 months 4 months

ACARW – ACARL (per year) 21.9 % 47.4 % 24.4 % 40.8 %

t-statistic 1.7 3.1 1.3 2.7

p-value 9.2 % 0.6 % 23.1 % 2.5 %

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Winners

Middle

Losers

-40%

-20%

0%

20%

40%

1 2 3 4 5 6 7 8

Weeks after portfolio formation

AC

AR

(p

er

year)

Figure 3: Development of ACAR’s (per year) for a formation period of two months

Table 3: Differences in annualized ACAR’s of the winner and the loser portfolios for a formation period of two months

Weeks after formation

1 2 3 4 5 6 7 8

ACARW ACARL 29 % 15 % 61 % 21 % 32 % 44 % 38 % 47 %

t-statistic 0.8 0.4 2.6 0.9 1.7 2.5 2.7 3.1

p-value 41.7 % 69.4 % 1.8 % 35.7 % 10.8 % 2.3 % 1.5 % 0.6 %

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Return Patterns on the Bulgarian Stock Market 232

Winners

Losers

Sofibor

SOFIX

Index

-20%

0%

20%

40%

0% 5% 10% 15% 20% 25%

Volatility

Avera

ge lo

g r

etu

rn (

per

year)

Figure 4: Risk-return trade-off of winners, losers, index, SOFIX, and one-month Sofibor rate

Empirical studies on the existence of momentum or reversal of returns in emerging stock markets achieve varying results depending on the analyzed countries and periods and provide alternative explanations for the observed phenomena. Griffin/Ji/Martin (2003) analyze developed and emerging markets and find out that winner minus loser portfolios are profitable on average. However, momentum profits are not the same for developed and emerging markets. The average momentum profit for all non-US developed markets is 0.7 percent p.a. compared to statistically insignificant 3.2 percent p.a. for emerging markets. Hart/Slagter/Dijk (2003) reach a similar conclusion. They find momentum strategies for emerging markets based on three- to twelve-month past returns that yield statistically significant excess returns. Though, the authors note that momentum returns in emerging markets are smaller than returns of comparable momentum portfolios for developed markets.

Kang/Lui/Ni (2002) analyze Chinese shares and report statistically significant profits for short-term reversal and intermediate-horizon momentum strategies. Overreaction to firm-specific information is the source of the reversal profits, while the herding effect gives a rise to the beneficial momentum strategies. Ornelas/Fernandes (2005) find sig-nificant evidence of reversals in most of the 15 emerging stock markets they analyze even when an adjustment for systematic risk and size is made. The authors argue that the times of slow information diffusion that contributes to the momentum phenomenon are past. Another explanation by Ornelas/Fernandes (2005) for the observed reversal is the

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Peter Reichling, Mirela Stefanova and Bodo Vogt 233

easy access to capital markets for small investors who tend to have a behavior driven by loss aversion and engage in contrarian strategies that result in reversion.

4. Equity Premium Puzzle

The equity premium puzzle states that the difference of average stock and bond returns (i.e. the equity premium) is too high to be explained by empirically estimated risk aver-sion coefficients of investors. There is a large amount of literature that documents the existence of the equity premium puzzle on different developed markets over varying time horizons8 and presents alternative explanations for this phenomenon (e.g. choice of studied period and its length, survivorship bias, inappropriate economic models, and myopic loss aversion)9.

In order to analyze the risk premium on the Bulgarian stock market, daily log returns of the SOFIX and daily one-month Sofibor rates for the period November 3, 2003, to May 31, 2007, are considered. Daily excess returns are computed as the difference of SOFIX and Sofibor returns. The average and standard deviation of excess returns over the whole studied period as well as over four subperiods are presented in Table 4. The 90 percent lower bound of the risk premium, t-statistics, and p-values are also reported.

Table 4: SOFIX risk premiums

An analysis of excess returns over the whole period suggests the existence of an equity premium puzzle. The excess return, with an average of 28.1 percent p.a. and a volatility of 14.8 percent, is significantly positive. Under the assumption of an exponential utility function of investors and a normal distribution of returns, setting the certainty equivalent

8 See, e.g., Siegel (1992) and Blanchard/Shiller/Siegel (1993). 9 See, e.g., Siegel/Thaler (1997) for an overview.

Period Riskpremium

Standard deviation

90 % lower bound

t-statistic p-value

11-03-03 05-31-07 0.11 % 0.94 % 0.06 % 3.6 0.0 %

11-03-03 10-29-04 0.13 % 0.75 % 0.05 % 2.8 0.6 %

11-01-04 10-31-05 0.10 % 1.30 % 0.04 % 1.2 24.0 %

11-01-05 10-31-06 0.10 % 0.55 % 0.05 % 2.9 0.4 %

11-01-06 05-31-07 0.13 % 1.02 % 0.01 % 1.5 13.8 %

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Return Patterns on the Bulgarian Stock Market 234

equal to the risk-free rate gives a corresponding constant absolute risk aversion of 25.7. Assuming a power utility function with constant relative risk aversion and a log-normal distribution of stock prices, the data results in a constant relative risk aversion of 26.7. It is higher than ten, which is the maximum value suggested by reasonable economic mod-els.10

Although the equity premium on the Bulgarian market seems much higher compared to that observed in developed markets, the evidence of a positive risk premium is not that clear-cut when the investigated period is divided into subperiods. The excess return does not seem to be stable over time due to changing volatility. Only in two of the four subpe-riods, i.e. November 2003 to October 2004 and November 2005 to October 2006, the risk premium is significantly positive at the 90 percent confidence level. In the other two subperiods, assuming a normal distribution of daily risk premiums, the 90 percent lower bound is negative. Note that the relative frequency of negative daily excess returns re-ported in Table 5 is rather high. The relative frequency of negative observations over the total period is above 44 percent. It is around 40 percent and even more for all subperiods. This indicates that the distribution of daily risk premiums deviates from the normal dis-tribution.

Table 5: Relative frequency of negative SOFIX excess returns

The results about the risk premium on the Bulgarian stock market are not too surprising. Salomons/Grootveld (2000), for example, find that the risk premiums in the emerging markets of Latin America and Asia are significantly higher than in the largest developed markets. However, the risk premium in emerging markets varies throughout time and the excess return reward comes with severe downside risk in certain time periods.

10 See the discussion by Mehra/Prescott (1985).

Period No. of observations

No. of negative observations

Relative frequency of negative observations

11-03-03 05-31-07 889 394 44.3 %

11-03-03 10-29-04 246 97 39.4 %

11-01-04 10-31-05 251 116 46.2 %

11-01-05 10-31-06 251 115 45.8 %

11-01-06 05-31-07 141 66 46.8 %

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Peter Reichling, Mirela Stefanova and Bodo Vogt 235

5. Volatility Clustering

As pointed out in the previous section, there is evidence that the SOFIX volatility changes over time. Large changes in prices tend to cluster together and result in periods of high variance, vice versa small price changes tend to be followed by small changes and low variance. Log returns of the SOFIX from October 23, 2000, to May 31, 2007, are analyzed to check for the presence of volatility clusters. A plot of the returns over the analyzed period, presented in Figure 5, indicates that the SOFIX volatility is not con-stant.

-25%

-15%

-5%

5%

15%

25%

Dail

y S

OFIX

lo

g r

etu

rns

2001 2002 2003 2004 2005 2006

Figure 5: SOFIX log returns

A series of F-tests for differences in variances in two independent samples is conducted in order to identify volatility clusters. The whole period from October 23, 2000, to May 31, 2007, can be divided into two main subperiods – from October 23, 2000, to Oc-tober 31, 2003, with a relatively high volatility of daily returns, and from November 1, 2003, to May 31, 2007, with a relatively low volatility. Table 6 reports the variance of daily returns over the two periods. The variance in the first period is 7.5 times higher than the variance in the second period. Accordingly, the F-statistic is high and the vari-ance in the first period is significantly higher than that in the second period at the 99 per-cent confidence level.

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Return Patterns on the Bulgarian Stock Market 236

Table 6: Variance of daily SOFIX log returns for two subperiods

A closer look at the second period suggests that there are volatility clusters in this period as well and it can also be divided into subperiods with significantly different variances. Once more a series of F-tests is conducted aiming to divide the period from November 1, 2003, to May 31, 2007, into subperiods with significant differences in variances. As a result, four periods are formed. Their statistics are presented in Table 7. Again, large differences in volatility can be observed. Relatively low volatility in the first period is followed by high volatility in the second one after which the variance again decreases and finally raises in the last subperiod. None of the null hypotheses that the variances in the periods with relatively high volatility are significantly greater than the variances in the low volatility periods is rejected at the 99 percent confidence level. This again pro-vides evidence for the presence of volatility clusters in the sample.

Table 7: Variance of daily SOFIX returns for four subperiods

Volatility clustering is not a phenomenon that is unique to the Bulgarian stock market. Kasch-Haroutounian/Price (2001) analyze four emerging markets in Central Europe, i.e. the Czech Republic, Hungary, Poland, and Slovakia, and report that volatility is clus-tered. Aggarwal/Inclan/Leal (1999) analyze ten of the largest emerging markets in Asia and Latin America and find significant shifts in volatilities that are explained mainly by important country-specific political, social, and economic events according to their study.

It is important for investors to take the time-varying nature of volatility into considera-tion. The assumption of a constant variance plays an important role in standard one-period portfolio selection and option pricing theory such as the CAPM and the Black-Scholes formula. However, the performed F-tests show that this assumption is not justi-

Period No. of observations

Variance(daily)

F-statistic Critical F-value

10-23-00 10-31-03 889 0.066 %

11-01-03 05-31-07 736 0.009 % 7.47 1.18

Period No. of observations Variance (daily)

11-03-03 09-30-04 225 0.005 %

10-01-04 01-31-06 334 0.014 %

02-01-06 09-29-06 167 0.002 %

10-02-06 05-31-07 163 0.010 %

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Peter Reichling, Mirela Stefanova and Bodo Vogt 237

fied by our empirical data. Therefore, assuming constant volatility may result in wrong investment decisions. Moreover, in the presence of a bubble in the stock market, clus-tered volatility increases the danger of a collapse and is an additional risk factor that has to be incorporated in the investment decision process.

6. Conclusion

In summary, the Bulgarian stock market exhibits strong effects known from the history of US or Western European financial markets like the risk of a bubble, short-term mo-mentum, excess volatility, and the equity premium puzzle. Our empirical analysis shows that the magnitude of these effects is not negligible compared with the magnitude known from developed markets. The magnitude even seems to be higher.

If one considers Shleifer (2000), there seems to be noise trader risk on the Bulgarian market. Noise trader risk means that investment strategies based on fundamental values run the risk that the average investor does not follow this view. In the short run, the fun-damental investor will lose and may even be deprived of his wealth before the long-term development turns in his favor. It seems that the lessons learned on financial markets of developed countries still have to be learned on emerging markets.

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Alfred Luhmer, Barbara Schöndube-Pirchegger und Jens Robert Schöndube

Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung

1. Zur Funktion des Kapitalmarkts

2. Gleichgewichtsmodelle bei rationalen Erwartungen und der Wert von Information

3. Der Wert von Fundamentalanalyse: Evidenz

4. Zusammenfassung

Literatur

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1. Zur Funktion des Kapitalmarkts

Das Vermögen eines Individuums besteht aus den Konsumansprüchen, die es durchset-zen kann. In einer Geldwirtschaft ist das Vermögen äquivalent zu einem Zahlungsstrom, über den das Individuum für Konsumzwecke verfügt. In der Regel kann jedes Indivi-duum unter vielen alternativ möglichen Zahlungsströmen wählen, die sich in Zeitstruktur und Risiko unterscheiden. Sein Vermögen ist demnach mit demjenigen der wählbaren Zahlungsströme zu identifizieren, der seinen Präferenzen optimal entspricht.

Existiert ein gut funktionierender Kapitalmarkt, so erweitert das die Alternativenmengen der Individuen. Durch Austausch von Zahlungsströmen unterschiedlicher Risiko- und Zeitstruktur können sie ihre Vermögenslage im Sinne ihrer jeweiligen Präferenzen verbessern. Der Kapitalmarkt bewertet beispielsweise auf dem Kassamarkt gehandelte Zahlungsströme in Geldeinheiten des Handelszeitpunkts so, dass im Gleichgewicht durch Handel zum Marktpreis niemand mehr seine Vermögenslage verbessern kann.

Können Unternehmen Ansprüche auf die Erträge ihrer Investitionen am Kapitalmarkt verkaufen, so bewirkt die Logik des Marktes, dass die Unternehmensentscheidungen sich an dem Ziel der Maximierung des Marktwerts dieser Ansprüche orientieren. So lan-ge sich zusätzliche Investitionen finden, deren Erträge am Kapitalmarkt einen Preis er-zielen, der die Finanzierung der Projekte ermöglicht, kann man davon ausgehen, dass sie gesamtwirtschaftlich effizient sind, da sie die Vermögenslage von Kapitalgebern verbes-sern, ohne andere schlechter zu stellen. Dadurch macht der Kapitalmarkt zugleich die Entscheidungen über den produktiven Einsatz von Kapital von individuellen Präferenzen unabhängig.

Alle diese Aussagen setzen rationale Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer voraus. Das bedeutet, dass im Laufe der Zeit aufgedeckte Informationen niemanden wirklich überraschen, niemand findet im Nachhinein, dass er sich in einem entscheidungsrelevan-ten Punkt geirrt hat oder dass auf der Basis der ihm im jeweiligen Handlungszeitpunkt verfügbaren Information eine systematisch bessere Entscheidung möglich gewesen wäre. Informationsgewinnung und -verarbeitung für die Entscheidungen sind allerdings nicht exogen gegeben, sie verursachen Kosten und beeinflussen das Ergebnis des Handelns; sie sind Bestandteil der Entscheidungsprobleme der Marktteilnehmer und damit Be-standteil des Gleichgewichts.

Die Informationsentscheidungen der Marktteilnehmer im Gleichgewicht sind außerdem nicht unabhängig voneinander. Marktteilnehmer, die intensiv Informationen akquiriert und verarbeitet haben, werden diese Informationen in ihren Orders berücksichtigen. Das wird den Marktpreis beeinflussen. Für die übrigen Marktteilnehmer ist das ein Signal, aus dem sie einen Teil der Informationen erschließen können, ohne selbst den Informa-

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Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung 242

tionsaufwand tragen zu müssen. Der Preis erhält damit eine Informationsfunktion für die uninformierten Marktteilnehmer.

Die meisten Kapitalmarkttheoretiker nehmen Effizienz des Kapitalmarkts in der so ge-nannten mittelstrengen Form an, d. h. dass der Marktpreis stets die gesamte öffentlich verfügbare Information korrekt abbildet, Handelsstrategien, die nicht zumindest auf In-siderinformationen beruhen, versprechen keine höhere Rendite als das Marktportfolio. Die theoretische Basis dieser Hypothese ist die sehr plausible Annahme, dass es am Markt genügend Teilnehmer gibt, die jegliche Art von Arbitragemöglichkeiten sofort durch Ausnutzen zum Verschwinden bringen. Kombinationen von Finanzinstrumenten, die dieselben zustandsabhängigen Cashflows liefern, müssen danach denselben Markt-wert haben.

Allerdings impliziert diese Vorstellung, dass während der Anpassung des Preises an ein neues Gleichgewicht Arbitragegewinne für Marktteilnehmer entstehen, die durch ihre Transaktionen als erste auf neue Informationen reagieren. Während dieser Anpassung ist der Markt nicht im Gleichgewicht. Die Effizienzhypothese besagt dann, dass die Anpas-sungsphase für Kapitalanlageentscheidungen vernachlässigt werden kann und anschlie-ßend auch eine Fundamentalanalyse keine Handelsstrategie mit einer Rendite ermög-licht, die die Analysekosten aufwiegt.

Diese Ansicht mag zunächst unplausibel erscheinen, denn wie sollte die hastige Reaktion der Händler auf eine neue Information nach einer vernachlässigbaren Anpassungsphase den der Information angemessenen Gleichgewichtspreis treffen? Erscheint es nicht plau-sibler anzunehmen, dass eine sorgfältige Auswertung der Nachricht, die Zeit braucht und Kosten verursacht, später zu einer weiteren Korrektur des Marktpreises führt? Anders gefragt, kann nicht eine sorgfältige Fundamentalanalyse doch noch zu lohnenden Trans-aktionen genutzt werden? Die Antwort auf diese Fragen muss aber berücksichtigen, dass die Fundamentalanalyse den Gleichgewichtspreis auch nicht präzise bestimmen kann, sondern nur mit einem stochastischen Fehler. Ebenso ist die Effizienzhypothese nicht zwingend so zu interpretieren als treffe der Marktpreis nach der ersten Anpassung bereits genau das (hypothetische) Gleichgewicht a posteriori. Vielmehr ist der beobachtete Marktpreis nach der ersten Anpassung wohl auch nur ein fehlerhaftes Signal für den Gleichgewichtspreis.

In dieser Interpretation bedeutet die Effizienzhypothese, dass die Fundamentalanalyse keine systematische Abweichung zwischen beobachtetem und künftigem Marktpreis feststellen kann. Auch unter Berücksichtigung der Informationen aus der Fundamental-analyse hat der Preisprozess die Martingaleigenschaft, niemand kann damit rechnen, außerhalb des (stochastischen) Gleichgewichts handeln zu können, mit anderen Worten, der Markt ist arbitragefrei. Fundamentalanalyse, die Unternehmenspublizität analysiert und auf dieser Grundlage versucht, vom Markt unter- bzw. überbewertete Unternehmen zu finden, d. h. künftige Marktpreisänderungen zu prognostizieren, hat in dieser Theorie des Kapitalmarkts keinen Platz.

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Alfred Luhmer, Barbara Schöndube-Pirchegger und Jens Robert Schöndube 243

Selbst Vertreter des Behavioral-Finance-Ansatzes sehen zumindest für den Privatanleger keine Chance, bei gleichem Risiko auf die Dauer eine höhere Rendite zu erreichen als die Rendite des Marktportfolios. Zu dieser Einschätzung kommen jedenfalls Martin We-ber et al. in Weber (2007) unter Berücksichtigung des aktuellen Standes der Behavioral-Finance-Forschung und eigener empirischer Untersuchungen. Die Autoren räumen zwar ein, es gebe Strategien, die eine bessere Performance als das Marktportfolio verspre-chen.1 Sie finden empirisch bestätigt, dass die Momentum-Strategie, die auf eine gewis-se Persistenz überdurchschnittlicher Renditen setzt, überdurchschnittliche Renditen brin-gen kann, und sie erwähnen die Value-Growth-Strategie, die von einer Unterbewertung von Titeln mit niedrigem Marktwert-Buchwert-Verhältnis und einer Überbewertung von Aktien mit hoher Wachstumsrate ausgeht.

Diese Strategien setzen aber aktives Portfoliomanagement, also Stock Picking bzw. Mar-ket Timing voraus, beides Aufgaben, die so stark Wahrnehmungsverzerrungen und ande-ren irrationalen Einflüssen unterliegen,2 dass sie nicht nur den Privatanleger überfordern. Selbst professionell gemanagte Investmentfonds erreichen auf die Dauer kaum die Ren-dite eines Index entsprechenden Risikos. Nach Abzug der Managementgebühren und Transaktionskosten bleibt für den Anleger nur noch ein schlechtes Geschäft. Zumindest für diesen sei es wichtiger, auf Risikostreuung zu achten. Die Autoren empfehlen statt-dessen für den Aktienanteil des Gesamtportfolios ein gut gewähltes Indexprodukt, sei es ein börsengehandelter Indexfonds oder ein entsprechendes Zertifikat. Diese Empfehlung wäre auch aus der Arbitragefreiheitsannahme abzuleiten. Für den Privatanleger erscheint Fundamentalanalyse daher aus der Sicht beider Forschungsrichtungen nutzlos.

Eine andere Sprache spricht allerdings die historische Erfahrung. Sie zeigt, dass längere Phasen von Kurssteigerungen an den Aktienmärkten immer wieder in Phasen abrupter Einbrüche enden. Diese Tatsache lässt die Momentum-Strategie in fragwürdigem Licht erscheinen. Misst man den Erfolg der Strategie durch Vergleich der gegenwärtigen Ren-dite eines Portfolios aus Aktien mit überdurchschnittlicher Rendite gegenüber dem eines Portfolios mit unterdurchschnittlicher Rendite in der Vergangenheit,3 so sagt das noch nichts über einen Vergleich mit einer Strategie, die bei fundamental ungerechtfertigt ho-hen Kursen auf festverzinsliche Titel umsteigt. Der Erfolg der Momentum-Strategie deu-tet darauf hin, dass die Informationsverarbeitung am Kapitalmarkt phasenweise wie ein Kettenbrief funktioniert.

1 Allerdings lässt man auch diese Erfolgsstrategien als Widerlegung der Effizienzhypothese nicht gelten.

Das Standardargument der Verfechter der Effizienzhypothese ist dabei, der Erfolg der Strategie beruhe auf einem höheren Risiko. Da es aber keine empirisch testbaren Bewertungsmodelle gibt, ist dieses Ar-gument kaum zu widerlegen.

2 Vgl. Weber (2007, S. 37ff und 57ff). 3 Vgl. Glaser/Weber (2003).

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Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung 244

Mag sich dem Privatanleger zwar eine passive Strategie für die Wahl des Aktienportfoli-os durchaus empfehlen, so sagt das noch nichts darüber aus, wie hoch der Aktienanteil sein sollte. In der Nähe von Höchstständen der Vergangenheit mag es sich empfehlen, vorsichtiger zu werden. Diese Botschaft folgt allerdings nicht aus den Modellen der Fi-nanzierungstheorie, die den Kursverlauf als Martingalprozess modellieren. Signale, wann es an der Zeit ist, den Aktienanteil zu reduzieren, kann – auch dem Privatanleger – die Fundamentalanalyse liefern. Schon der Vergleich einfacher Ratios – wie z. B. Kurs-Gewinn- oder Marktwert-Buchwert-Verhältnis – mit historischen Benchmarks kann hel-fen zu beurteilen, wann die „Luft dünn wird“. Dies jedenfalls untermauern Beiträge zur Accounting-Based-Equity-Valuation-Literatur.4

Es lassen sich also zwei Denkschulen der Unternehmensbewertung identifizieren, zum einen die Kapitalmarkttheorie, für die der Wert des Unternehmens der Marktwert ist und der Marktpreis ein stochastischer Prozess mit Martingaleigenschaft, und zum anderen die fundamentale Aktienanalyse, die den Preisprozess nicht an der jeweils letzten Reali-sation des Preises verankert sieht, sondern an fundamentalen Daten. Anhänger beider Schulen finden sich auch unter professionellen Wertpapieranalysten und Fondsmana-gern.

Die Modelle der Kapitalmarkttheorie sind in erstaunlichem Umfang praktisch implemen-tiert worden und haben ihren Gegenstand geradezu nach ihrem Bild und Gleichnis ge-schaffen.5 Der Fortschritt in der Informationstechnologie hat für Profis die Transakti-onskosten stark reduziert und ihre Handelsperioden fast auf null verkürzt. Das scheint sie zu einer Kurzfristorientierung zu verführen, für die langfristige Erfolgsaussichten eines Unternehmens in den Hintergrund treten können. Im Vordergrund des Interesses steht der Kurs im nächstmöglichen Verkaufszeitpunkt. Je kürzer die Handelsperiode, desto weniger plausibel erscheint, dass neu auftretende fundamentale Informationen im Preis adäquat eskomptiert werden können. Gewinne macht, wem es gelingt, (in den Worten von Keynes (1936, S. 157) „to guess better than the crowd how the crowd will behave“, und das in der nächsten Handelsminute. Eine Momentum-Strategie mit automatisch aus-gelösten Stop-Loss-Orders scheint aus dieser Sicht erfolgversprechender als mit großer Unsicherheit behaftete fundamentale Prognosebemühungen. Dadurch werden steigende Kurse phasenweise weiter angeheizt und erst wenn die Blase platzt, wird möglichst schnell verkauft.6 Wer schneller reagieren kann, wird gegenüber länger gebundenen In-vestoren Überrenditen erzielen.

4 Dieser Zweig der Literatur hat in den 90er Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Der

Ansatz ist in Penman (2007) eindrucksvoll lehrbuchmäßig dargestellt. Programmatisch auch: Nissim/ Penman (2001). Die Zeitschrift Review of Accounting Studies räumt diesem Ansatz seit 1998 bis in die Gegenwart breiten Raum ein.

5 Vgl. MacKenzie (2006). 6 Zahlreiche Beispiele für unplausible Ratios finden sich bei Penman (2007, S. 8).

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Alfred Luhmer, Barbara Schöndube-Pirchegger und Jens Robert Schöndube 245

Für die Allokationseffizienz des Marktes erscheint aber wesentlich, dass die Portfolio-entscheidungen der Kapitalmarktteilnehmer den Konnex zu den vernünftigerweise zu erwartenden Cashflows des Unternehmens nicht verlieren. Die Fundamentalanalysten werden also gebraucht für die Effizienz des Marktes. Hier kommen in erster Linie In-formationsaktivitäten institutioneller Investoren als Basis der Kopplung des Marktpreises an die für ihn fundamentalen Cashflows in Frage, da diese Größenordnungen erreichen, die den Marktpreis tatsächlich beeinflussen. Es gibt auch offenbar langfristig orientierte professionelle Investoren, die erheblichen Aufwand auf die Gewinnung von Informatio-nen zu einzelnen Unternehmen verwenden und die Unternehmen tragen dem im Rahmen ihrer Investor Relations Rechnung. Damit stellt sich die Frage, ob und wie die ökonomi-sche Theorie diese Fundamentalanalyseanstrengungen erklären kann und ob sich Erklä-rungen dafür finden, dass Fundamentalanalyse Quasirenten begründen kann, wie sie er-forderlich erscheinen, damit Informationsaktivitäten und Kapitalallokation effizienter gesteuert werden. Weiter stellt sich die Frage, wie fundamental orientierte Handelsstra-tegien am Markt mit Strategien zusammenwirken, die auf Arbitragegewinne aus sind. Schließlich ist zu fragen, wie sich die theoretischen Erklärungen mit der historischen (oder anekdotischen) Evidenz zum Funktionieren moderner Kapitalmärkte vertragen. Diesen Fragen gelten die folgenden Überlegungen.

Abschnitt 2 untersucht bekannte Modelle der Theorie des Kapitalmarkts auf der Basis von Gleichgewichten bei rationalen Erwartungen darauf hin, inwieweit sie Bemühungen um die Auswertung von Finanzinformationen der Unternehmen durch Kapitalmarktteil-nehmer erklären. Abschnitt 3 konfrontiert die theoretischen Erklärungen mit beobachte-ten praktischen Konsequenzen von Errungenschaften des Financial Engineerings auf der Basis der Arbitragefreiheit.

2. Gleichgewichtsmodelle bei rationalen Erwartungen und der Wert von Information

Das Konzept rationaler Erwartungen modelliert ökonomische Entscheidungssituationen, in denen die Entscheidungen der Akteure von Prognosen über die künftige Entwicklung abhängen. Kapitalmarktmodelle bei rationalen Erwartungen7 zeichnen sich dadurch aus, dass Investoren versuchen, private Informationen anderer Marktteilnehmer aus dem Preisbildungsprozess abzuleiten, d. h. daraus wie der Gleichgewichtspreis Informationen aggregiert. Investoren sind Erwartungsnutzenmaximierer, die ihre privaten Informatio-nen nutzen, um ihre Kapitalmarktentscheidungen zu treffen. Damit hängt die Nachfrage

7 Vgl. Grossman (1981) für einen Überblick über Kapitalmarktmodelle mit rationalen Erwartungen.

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Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung 246

nach Titeln von der (aggregierten) privaten Information aller Marktteilnehmer ab. Ratio-nale Agenten interpretieren also den Preis als Signal über die private Information der anderen Marktteilnehmer. Jeder Investor bestimmt seine Nachfrage für einen Preis unter der Annahme, dass bei diesem Preis die anderen privat informierten Investoren ebenfalls zum Handel bereit sind und zudem Markträumung stattfindet.8 Die Gleichgewichtslö-sung beruht deshalb auf folgendem simultanen Kalkül: Alle Investoren bilden Erwartun-gen über den Preis und gleichzeitig wird der Preis als Informationsquelle zur Optimie-rung der Nachfrageentscheidungen genutzt.

Im Folgenden untersuchen wir bekannte Kapitalmarktmodelle auf Basis rationaler Er-wartungen daraufhin, inwieweit diese eine Erklärung für die Analyse von Finanzinfor-mationen der Unternehmen für Anlageentscheidungen liefern.

Liegt die einzige Quelle der Unsicherheit auf einem Kapitalmarkt in den privaten Infor-mationen der Investoren begründet, reflektiert der Gleichgewichtspreis perfekt alle rele-vanten Informationen:9 Der Gleichgewichtspreis aggregiert die privaten Informationen der Marktteilnehmer im Sinne einer erschöpfenden Schätzfunktion (suffizienten Statis-tik) und die durch den Gleichgewichtpreis induzierte Allokation entspricht exakt derjenigen, die resultierte, besäßen alle Marktteilnehmer sämtliche Informationen. Kapi-talmarkteffizienz im Sinne einer suffizienten Statistik impliziert gleichzeitig Allokati-onseffizienz: Kein zentraler Planer, der über die gesamte Information der Ökonomie ver-fügt, kann eine Allokation induzieren, die die Gleichgewichtsallokation bei rationalen Erwartungen Pareto-dominiert. Da der Preis alle Investoren perfekt informiert, hat kein Marktteilnehmer einen Vorteil davon, private Informationen zu besitzen und folglich keinen Anreiz, Informationen zu akquirieren.

Kapitalmarktmodelle, in denen der Preismechanismus zu einer perfekten Aggregation der Information führt, können also keine Erklärung für die Analyse von Finanzinforma-tionen liefern. Wie insbesondere Hellwig (1980) ausführt, unterliegen Gleichgewichte mit vollständigem Ausweis zudem einem konzeptionellen Problem: Gleichgewichtsprei-se sollten deshalb private Informationen widerspiegeln, weil die Anleger ihre Nachfrage nach Titeln auf Basis ihrer privaten Information treffen. In Grossmans (1976 und 1978) Modellen ist die private Information aber irrelevant, gegeben die Beobachtung des Gleichgewichtspreises. Die Anleger können diese vollständig ignorieren und allein den Marktpreis zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Wenn dies aber der Fall ist, ist die obige Begründung, warum der Marktpreis private Informationen reflektieren soll, nicht konsistent.

Die Eigenschaft des Marktpreises, alle Informationen vollständig abzubilden, ist in den oben diskutierten Modellen darauf zurückzuführen, dass Preisvariationen nur in den pri-

8 Vgl. Grossman (1995). 9 Vgl. Grossman (1976 und 1978).

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vaten Informationen der Investoren begründet sind. Ein hoher Preis ist in diesem Fall eindeutig ein Indiz für vorteilhafte Informationen. Wenn neben privater Information der Preis aber noch durch exogene Zufallseinflüsse (z. B. im Angebot) beeinflusst wird, kann die private Information der Investoren im Allgemeinen nicht mehr vollständig aus der Beobachtung des Preises erschlossen werden. Die Investoren können dann nicht mehr unterscheiden, ob ein hoher Preis auf günstige Informationen oder auf einen exter-nen Schock zurückzuführen ist. Somit können Gleichgewichte etabliert werden, in denen der Preis die Information der Akteure nur teilweise bzw. nur verzerrt abbildet. Die ent-sprechenden Kapitalmärkte sind zwar nicht mehr informationseffizient in Form einer suffizienten Statistik, aber informationseffizient insofern, als sie alle öffentlichen Infor-mationen widerspiegeln und darüber hinaus ein aggregiertes Signal der vorhandenen privaten Information generieren.

Bei Grossman/Stiglitz (1980) können Investoren Informationen über den Rückfluss einer riskanten Anlage zu einem festen Preis kaufen. Ex ante sind alle Investoren identisch bezüglich ihrer Information und haben homogene Präferenzen. Alle Investoren, die sich die Information beschaffen (informierte Investoren), erhalten das gleiche Signal (Com-mon Private Signal). Die uninformierten Investoren bilden rationale Erwartungen bezüg-lich der Information der informierten Investoren. Aufgrund von exogener Unsicherheit im Angebot der riskanten Anlage sind sie aber nicht in der Lage, die private Information der informierten Typen aus dem Preisprozess vollständig abzuleiten. Der Informations-gehalt des Preises hängt von dem (endogenen) Anteil informierter Investoren im Gleich-gewicht ab; je größer dieser Anteil, desto besser bildet der Preis die private Information ab.10 Voraussetzung für ein Gleichgewicht, in dem Investoren Information kaufen, ist, dass der Gleichgewichtspreis die private Information nur unvollständig offenbart: Infor-mierte Investoren müssen für ihre Kosten der Informationsbeschaffung entschädigt wer-den. Im Gleichgewicht müssen informierte Investoren gerade indifferent sein bezüglich Informationsbeschaffung und Verzicht auf Information. Informierte und uninformierte Typen realisieren also den gleichen Erwartungsnutzen, so dass die Vorteile der Informa-tionsbeschaffung gerade durch deren Kosten aufgezehrt werden. Letztlich gibt es also keinen Nettovorteil der Informationsbeschaffung.

Im Unterschied zu Grossman/Stiglitz (1980) beobachtet in Hellwigs (1980) Modell jeder Investor privat (und kostenlos) ein verzerrtes Signal über den Rückfluss aus einer unsi-cheren Anlage (Diverse Private Information). Dies bietet die Möglichkeit zu untersu-chen, in welcher Weise der Markt die individuellen Signale der Investoren aggregiert. Wenn alle Investoren Preisnehmer sind, der Einzelne also keinen Einfluss auf den Preis hat, reflektiert der Gleichgewichtspreis nur insofern private Information, als diese von

10 Grossman/Stiglitz’ (1980) Resultate sind wie viele Standardergebnisse der Kapitalmarkttheorie unter

Normalverteilungsannahmen hergeleitet worden. Barlevy/Veronesi (2000) zeigen, dass einige Resultate unter anderen Verteilungsannahmen nicht mehr gelten. Insbesondere impliziert ein höherer Anteil von in-formierten Investoren nicht generell einen höheren Informationsgehalt des Gleichgewichtspreises.

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mehreren Investoren gemeinsam geteilt wird. Der Aggregationsmechanismus des Gleichgewichtspreises hängt unter anderem von den Risikopräferenzen der Investoren ab. Unter der Annahme, dass die Signale der Investoren unabhängig sind, aggregiert der Gleichgewichtspreis aber stets die Informationen derart, dass alle investorenspezifischen Fehler perfekt herausgefiltert werden. Aufgrund exogener Unsicherheit im Angebot stellt der Gleichgewichtspreis trotzdem niemals eine suffiziente Statistik für den Vektor der privaten Informationen der Investoren dar. Damit nutzen Investoren im Gleichgewicht sowohl den Informationsgehalt des Preises als auch ihre private Information zur Opti-mierung ihrer Nachfrage, so dass das konzeptionelle Problem von Grossman (1976 und 1978) hier aufgelöst wird.11

Verrecchia (1982) kombiniert die Modelle von Grossman/Stiglitz (1980) und Hellwig (1980). Er betrachtet heterogene Investoren, die die Präzision eines privat beobachtbaren Signals selbst bestimmen können. Je präziser das Signal, desto höher sind die Kosten der Informationsbeschaffung. Bei ihrer Informationsbeschaffung antizipieren Investoren, dass der Preis die Informationen aller Investoren aggregiert, so dass ein Teil der Infor-mation kostenlos ausgewiesen wird. Marktpreis und Informationsbeschaffung bedingen also einander und werden im Gleichgewicht simultan bestimmt. Da wiederum das Ange-bot auch exogenen Zufallseinflüssen ausgesetzt ist, ist der Marktpreis nicht perfekt in-formativ und Anreize zur Informationsbeschaffung werden im Gleichgewicht implemen-tiert. Verrecchia (1982) zeigt, dass ein Investor umso mehr Informationen beschafft, je weniger risikoavers er ist. Dies wird damit erklärt, dass Investoren mit hoher Risikotole-ranz mehr Information benötigen, um ihre vergleichsweise riskante Position zu halten.

Im Gegensatz zu den oben diskutierten Arbeiten werden in Kyle (1985) explizit so ge-nannte Noise Trader modelliert. Noise Trader sind Marktteilnehmer, die (irrational) auf Basis rein zufallsabhängiger Signale (Noise) so handeln, als wären diese substanzielle Informationen.12 Kyle (1985) betrachtet ein dynamisches Kapitalmarktmodell mit drei unterschiedlichen (Gruppen von) Akteuren, einem informierten Investor (Insider), ratio-nalen Wertpapierhändlern (Market Maker) und Noise Trader. Risikoallokationsprobleme werden ausgeklammert, der Insider und die Händler sind risikoneutral. Gehandelt wer-den eine risikolose Anlage und eine riskante Anlage, wobei nur der Insider den tatsächli-chen Rückfluss der riskanten Anlage kennt. Der Handel erfolgt über eine Sequenz von Auktionen. Der Insider und die Noise Trader bestimmen in jeder Teilperiode simultan ihre Handelsvolumina und anschließend setzen die Händler aufgrund der Beobachtung der aggregierten Mengen den Preis so fest, dass der Markt geräumt ist. Konkret wird angenommen, dass die Händler den Preis in Höhe des erwarteten Rückflusses der riskan-

11 In einer parallel zu Hellwig (1980) entstandenen Arbeit untersuchen Diamond/Verrecchia (1981) eben-

falls die Aggregationsfunktion des Preises bei heterogenen Investoren mit unabhängiger privater Informa-tion.

12 Vgl. Black (1986).

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ten Anlage, bedingt auf ihre Information, festlegen, so dass sie im Durchschnitt keinen Gewinn erzielen.

Im Gegensatz zu den oben diskutierten Arbeiten, in denen alle Investoren Preisnehmer waren, berücksichtigt der Insider in jeder Auktion die Wirkung seiner Entscheidung auf den Preis der gegenwärtigen Auktion sowie auf die Preise der nachfolgenden Auktionen. Er antizipiert, dass die rationalen Händler aus der Beobachtung der aggregierten Mengen seine private Information abzuleiten versuchen und hat einen Anreiz, die private Infor-mation über seine Handelsmengen strategisch einzusetzen. Die Anwesenheit der rein zufallsabhängig agierenden Noise Trader verhindert, dass die Händler die Information des Insiders perfekt erschließen können. Der Preis offenbart also nur ein verzerrtes Sig-nal über die Information des Insiders, wobei der Informationsgehalt des Preises über die Sequenz von Auktionen zunimmt. Im Gleichgewicht realisiert der Insider im Sinne eines Monopolisten positive Gewinne auf Kosten der Noise Trader. In diesem Modell könnte ein Fundamentalanalyst die Rolle des Insiders übernehmen, wobei steigende Grenzkos-ten der Informationsgewinnung ein inneres Gleichgewicht bestimmen. Eine positive Wirkung der Fundamentalanalyse lässt sich auf dieser Basis jedoch nicht begründen.

Die oben diskutierten Kapitalmarktmodelle, in denen Investoren ihre Portfolios auf Basis rationaler Erwartungen optimieren, zeigen, dass eine mit Kosten verbundene Informati-onsbeschaffung durch Investoren anreizkompatibel sein kann, und liefern damit eine ökonomische Rechtfertigung für die Fundamentalanalyse. Notwendige Bedingung dafür ist, dass der Gleichgewichtspreis keine suffiziente Statistik für die am Kapitalmarkt be-kannte private Information darstellt. Dies ist dann der Fall, wenn der Marktpreis nicht nur durch die privaten Informationen der Akteure beeinflusst wird, sondern auch exoge-nen Einflüssen ausgesetzt ist. Haben Investoren Einfluss auf den Marktpreis, können sie ihre private Information strategisch einsetzen und damit positive Gewinne erzielen.

Obwohl also Gleichgewichtsmodelle auf Basis rationaler Erwartungen die beobachtete Analyse von Fundamentaldaten zu erklären vermögen, ist die Bedeutung dieser Theorie für den praktischen Wert der Fundamentalanalyse dennoch unzureichend: Statische Gleichgewichtsmodelle berücksichtigen nicht, dass gerade bei der Informationsbeschaf-fung über die Zeit Lerneffekte auftreten. Zudem kostet die Beschaffung und Analyse von Information Zeit. Damit ist aber nicht mehr davon auszugehen, dass der Marktpreis in jedem Zeitpunkt die vorhandene, aber noch nicht analysierte Information abbildet. Be-rücksichtigt man, dass Verhaltensparameter wie die Risikoeinstellung der Investoren durch exogene Schocks beeinflusst werden und dabei einer nichttrivialen Dynamik fol-gen, stellt sich außerdem die Frage, wie ein Gleichgewicht mit rationalen Erwartungen, welches die Dynamik ja vorwegnehmen müsste, hier noch sinnvoll definiert ist. Die Prä-ferenzen welches Zeitpunktes sollen für das Gleichgewicht maßgebend sein?

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Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung 250

3. Der Wert von Fundamentalanalyse: Evidenz

Wie in Abschnitt 2 gezeigt wurde, ist eine Reihe von Kapitalmarktmodellen durchaus in der Lage, die Existenz von Fundamentalanalyse zu erklären. In diesem Abschnitt soll Evidenz für den praktischen Wert von Fundamentalanalyse auf realen Märkten präsen-tiert werden. In der Realität waren in der Vergangenheit Szenarien zu beobachten, die dafür sprechen, dass die Fundamentalanalyse sowohl aus Sicht des einzelnen Investors als auch gesamtwirtschaftlich wertvoll sein kann.

Der gesamtwirtschaftliche Wert der Fundamentalanalyse resultiert aus ihrer Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Das soll hier am Beispiel des Börsencrashs von 1987 demonstriert werden.13 Aus heutiger Sicht spielte die Existenz von Portfolio-versicherungen in den USA für sein Zustandekommen eine zumindest nicht untergeord-nete Rolle. Portfolioversicherungen verwenden Trading-Strategien, die einen bestimm-ten Mindestwert eines Portfolios absichern sollen, etwa für die Erfüllung von terminierten Pensionsansprüchen. Die Grundidee lässt sich darauf zurückführen, das Portfolio mit einer Verkaufsoption zu versehen, die es ermöglicht, es zum Fälligkeits-zeitpunkt des Anspruchs zu einem vorher festgelegten Preis zu veräußern, wenn der Marktwert in diesem Zeitpunkt unter der Sicherungsgrenze liegen sollte. Liegt der Wert dagegen zu diesem Zeitpunkt höher, wird die Option nicht ausgeübt. Diese Strategie er-möglicht einerseits eine höhere Rendite als eine festverzinsliche Anlage, andererseits begrenzt sie das Downside Risk.

Da jedoch geeignete Optionen am Markt gewöhnlich nicht verfügbar sind, kamen Leland/Rubinstein (1981) auf die Idee, die Putoption durch ein dynamisch anzupassen-des Portfolio aus dem Underlying und einer festverzinslichen Anlage zu emulieren. Das Verhältnis der beiden Komponenten ist so zu wählen, dass der Wert des Portfolios in jedem Zeitpunkt dem Wert der Position aus Underlying und der mit Hilfe eines geeigne-ten Optionsbewertungsmodells bewerteten Putoption entspricht. Die Anpassung des Replikationsportfolios erfolgt lediglich durch Umschichtung zwischen Underlying und festverzinslicher Anlage. Der Wert der Position aus Putoption und Underlying nähert sich dem Wert des Underlyings, d. h. des zu versichernden Portfolios, wenn dessen Marktwert steigt, und er nähert sich dem Ausübungspreis der Option, wenn dessen Marktwert sinkt. Daher ist bei fallendem Marktwert des Underlyings der festverzinsliche Anteil zu steigern, bei steigenden Kursen dagegen der Anteil des Underlyings. Praktisch wurde ein annähernd äquivalentes Portfolio aus einer Short-Position in Futures auf den S & P 500-Index, einer festverzinslichen Anlage (entsprechend dem CAPM bestimmt) und dem Underlying verwendet.

13 Vgl. auch MacKenzie (2006, Kapitel 7).

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Die Strategie der Portfolioversicherung läuft auf prozyklisches Handeln hinaus: Bei stei-genden Kursen wird gekauft, bei sinkenden verkauft. Die Strategie ist völlig unabhängig von fundamentaler Information,14 sie vertraut voll auf das zugrunde liegende Options-bewertungsmodell und die Arbitragefreiheit des Marktes, die sichern soll, dass Option und Replikationsportfolio jederzeit äquivalent sind. Auf dieser Grundlage nimmt sie ihre Portfolioumschichtungen automatisiert vor.

Glaubt man der Kapitalmarkttheorie, dann beeinflussen die Transaktionen einzelner Ak-teure den Marktpreis nicht, so dass auch von der Portfolioversicherung keine verstärken-den Effekte auf die Preisbewegung ausgehen. Selbst deren Pioniere Leland, O’Brien und Rubinstein fielen allerdings bald von diesem Glauben ab, nachdem allein ihre Firma Leland O’Brien Rubinstein Associates, Inc. Portfolios im Wert von 50 Milliarden US-Dollar betreute, sie bereits mehrere Nachahmer gefunden hatten und die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen immer weiter zunahm.15 Ihre theoretisch fundierten Strategien lassen sich als eine abgefederte Variante der in der Praxis üblichen Stop-Loss-Orders interpretieren. Ähnlich wie diese und mit ihnen zusammen können sie, zumindest zeit-weise, destabilisierend auf den Markt wirken. Die Informationsfunktion des Marktprei-ses kann in die Irre führen, wenn der Preis sich exogen durch von den Marktteilnehmern nicht identifiziertes Noise Trading oder auch durch rationale Verkäufe von Portfolio In-surers ändert.16 Kurseinbrüche können demgemäß zu Verkäufen führen, die bei hinrei-chenden Größenordnungen einen weiteren Verfall der Aktienkurse bewirken. Je größer der Anteil von Tradern am Markt ist, die derartige prozyklische Strategien verfolgen, umso mehr kann der Marktpreis den Konnex zu den fundamentalen Daten verlieren.

Die Portfolioversicherung wird daher für den Börsencrash vom 19./20. Oktober 1987 (zumindest mit-) verantwortlich gemacht. Ob dies letztlich zutrifft, ist hier nicht zu ent-scheiden. Es gab aber während der Krise offenbar Arbitragemöglichkeiten im Markt, die nicht ausgenutzt wurden oder ausgenutzt werden konnten. Die Ursachen dafür sind nicht ganz einfach zu bestimmen. Offenbar gab es Ängste unter den Brokern, die Schwierig-keiten hatten, Käufer und Verkäufer zu matchen, und das Risiko, selbst als Gegenpart aufzutreten, nicht tragen wollten. Darüber hinaus gab es aber wohl auch technische Prob-

14 „Since the strategy only responds after price changes have occurred, no forecasting of the direction of

underlying portfolio price change is required”; Rubinstein (1998). 15 Vgl. hierzu MacKenzie (2006, S. 181–190). MacKenzie, ein Wissenschaftssoziologe, den insbesondere

die Rückwirkungen der modernen Finance-Theorie auf ihren Gegenstand interessierte, führte Interviews nicht nur mit den in diese Krise involvierten Finance-Theoretikern und Anwendern der Theorie, die er in seinem Buch auswertet.

16 Vgl. Gennotte/Leland (1990). Um zu verhindern, dass die Verkaufsorders der Portfolioversicherer als informationshaltiges Signal interpretiert wurden, gingen diese dazu über, größere Verkäufe eine Stunde vorher unter den Händlern offiziell anzukündigen. Sie nannten diese Praxis, die sich trotz Bedenken, dass sie strategisch zum Nachteil der Ankündiger ausgenutzt werden könnte, bewährt zu haben schien, Sunshine Trading; vgl. MacKenzie (2006, S. 197–199).

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leme, da die Händler schlicht dem Ansturm von Aufträgen nicht gewachsen waren und letztlich die Telefone einfach läuten ließen.17

Unabhängig von den genauen Hintergründen bleibt festzuhalten, dass der Markt nur funktionieren kann, wenn Trader die von den Portfolioversicherern angebotenen Futures kaufen, sonst muss diese Strategie ins Leere laufen. Kaufen wird solche Futures nur, wer erwartet, dass sich der Index innerhalb einer Zeitspanne, die er finanziell überbrücken kann, so weit erholt, dass der Erwerb der Futures eine risikoadäquate Rendite verspricht.

Als Käufer von Futures in einer Krisensituation kommen allerdings auf die Dauer nur Akteure in Betracht, die über sehr große Finanzmittel verfügen, denn das Risiko, dass das Publikum in einer Phase des Kursverfalls seine Risikowahrnehmung und -einstellung endogen bedingt für längere Zeit ändert, ist groß. Man wird kaum damit rechnen können, dass die Kurse nach einer solchen Phase bald wieder über das fundamental begründbare Niveau steigen werden. Daher erscheint gerade für Akteure, die über große Volumina entscheiden, Fundamentalanalyse unverzichtbar, um den Noise zu durchdringen, mit dem die endogene Marktdynamik die Tatsachen überlagert. Diese kann sich allerdings nicht auf Rechnungswesendaten beschränken, ist auf eine gesunde Unternehmenspubli-zität angewiesen und muss das gesamtwirtschaftliche Umfeld einbeziehen.

Es kommt dabei nicht, wie es Vorstellung der Vertreter der Markteffizienzhypothese zu sein scheint, darauf an, dass Informationen öffentlich verfügbar sind, sondern dass sie in ihren Handlungskonsequenzen verstanden werden. Das erfordert Zeit und Kosten und kann bei verschiedenen Akteuren zu verschiedenen Ergebnissen führen.18 Es kann sogar lohnend sein, die Ergebnisse solcher Analysen zu publizieren und öffentlich zu diskutie-ren, um so das Publikum zu einer Rückkehr zu einem fundamental plausiblen Kursni-veau zu bewegen. Je schneller das gelingt, umso mehr lässt sich das Risiko reduzieren, dass ein Gegenpart der Hedge Trader zu tragen hat. Voraussetzung dafür ist allerdings die Bereitschaft auf Seiten der betreffenden Institutionen, eine makellose Reputation hinsichtlich ihrer Analysen und ihres Publizitätsverhaltens aufzubauen und aufrechtzuer-halten.

Auch aus der Sicht eines privaten Investors kann Fundamentalanalyse unter bestimmten Marktbedingungen sinnvoll und vorteilhaft sein. So hat eine Reihe von empirischen Un-

17 Vgl. MacKenzie (2006, S. 185). 18 Im Zeitalter des Internets beobachtet man übrigens zunehmend Versuche, durch „Webinars“ und andere

Medien plausibel erscheinende Informationen und Interpretationen zu verbreiten, um so eine Kursdyna-mik zu erzeugen, die man ausnutzen kann. Wer Handelsplattformen für Finanzinstrumente oder Websites mit Informationen über Finanzinstrumente besucht hat, bekommt gezielt entsprechende E-Mails. Gerade zu der Zeit, da diese Zeilen geschrieben werden, läuft eine solche Kampagne, die dazu aufruft, mit Hebel-instrumenten auf einen rapiden Kursverfall der Aktien großer amerikanischer Banken zu spekulieren (www.sovereignsociety.com/offshore2362.html). Auch ein Trading, das auf solche „verfügbare“ Informa-tion hin erfolgt, die aber vom angesprochenen Publikum nicht adäquat beurteilt werden kann, mag die Funktion des Kapitalmarkts beeinträchtigen.

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tersuchungen den Erfolg von Momentum-Strategien auf verschiedenen Märkten nach-gewiesen.19 Diese Untersuchungen zeigen, dass es auf Märkten immer wieder Phasen von „Irrational Exuberance“20 geben kann, in denen es sich für rationale Investoren lohnt, eine Momentum-Strategie zu verfolgen. Dies gilt allerdings nur so lange, bis das Risiko des Platzens der Blase zu groß wird. Um den optimalen Zeitpunkt des Ausstiegs zu bestimmen, können einfache Modelle der Fundamentalanalyse genutzt werden. Zum Beispiel kann mit Hilfe eines Residualgewinnmodells21 untersucht werden, ob sich noch plausible Annahmen über das Residualgewinnwachstum eines Unternehmens finden lassen, die den aktuellen Marktpreis rechtfertigen.

Eine solche Analyse kann für private Investoren in Zeiten hoher Kurse insbesondere auch deshalb wertvoll sein, weil gerade in diesen Perioden Empfehlungen professionel-ler Analysten weniger verlässlich werden. Statt seine Empfehlungen auf fundamentale Werte aufzubauen, hat der einzelne Analyst typischerweise einen Anreiz, Kaufempfeh-lungen auszusprechen, so lange dies eine hinreichende Anzahl seiner Kollegen tut. Liegt er damit letztlich falsch, so teilt er dieses Schicksal mit dem Großteil seines Berufsstan-des und die persönlichen Konsequenzen sind gering. Stellt er sich mit seiner Meinung aber gegen die Masse und die Blase platzt nicht, wird dies seine künftige Laufbahn viel-leicht stark beeinflussen.22 Es kommt damit zur Bildung einer Informationskaskade, die den Informationsgehalt der Empfehlungen für den Investor stark verringert.23

4. Zusammenfassung

In diesem Beitrag wurde der Wert der Informationsbeschaffung auf Kapitalmärkten ana-lysiert. Gleichgewichtsmodelle auf der Basis rationaler Erwartungen zeigen, dass eine mit Kosten verbundene Informationsbeschaffung Bestandteil des Gleichgewichts sein kann, wenn der Marktpreis keine suffiziente Statistik für die privaten Informationen der Marktteilnehmer darstellt. Die Fundamentalanalyse, die die von Unternehmen veröffent-lichten Daten im Hinblick auf künftige Marktpreisänderungen analysiert, ließe sich der-art theoretisch rechtfertigen. Da Kapitalmarktmodelle mit rationalen Erwartungen aller-dings dynamische Änderungen von Verhaltensparametern sowie Lerneffekte nicht

19 Vgl. beispielhaft Lee/Swaminathan (2000) für den US-amerikanischen Markt und Glaser/Weber (2003)

für den deutschen Markt. 20 Den Begriff Irrational Exuberance prägte Alan Greenspan im Rahmen eines Vortrags vor dem American

Enterprise Institute am 5. Dezember 1996 in Washington. 21 Vgl. Nissim/Penman (2001). 22 Vgl. Penman (2007, S. 9). 23 Vgl. Scharfstein/Stein (1990).

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Kapitalmarkteffizienz und Anreize zur Informationsbeschaffung 254

adäquat abbilden können und zudem die Zeit der Informationsbeschaffung und -analyse nicht berücksichtigt wird, haben sie für den praktischen Wert der Fundamentalanalyse kaum Bedeutung. Die Analyse von Ereignissen und beobachteten Strategien auf realen Kapitalmärkten zeigt den Wert der Analyse fundamentaler Unternehmensdaten. So kann die Fundamentalanalyse Hinweise auf den Zeitpunkt des Ausstiegs aus einer Momen-tum-Strategie geben sowie Fehlbewertungen bei der Existenz von Portfolioversicherun-gen vermeiden.

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Elena Moskalenko and Peter Reichling

“Sell in May and Go Away” on the Russian Stock Market

1. Introduction

2. Optimal Entry and Exit Months

3. Monthly Returns

4. Risk-Return Trade-off

5. Summary

References

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1. Introduction

The seesaw changes of stock markets are frequently explained with certain sayings. These rules are like country sayings: They are correct – once in a while. The probably most well-known stock market rule reads: Sell in May and go away. For example, by googling “sell in May” one finds more than 160 000 entries on the Internet. The “sell in May” rule is based on the observation that stock prices apparently tend to decrease dur-ing the summer months. This is one of the so-called calendar effects connected to nu-merous capital market anomalies. A capital market anomaly contradicts the hypothesis of a weak-form efficient capital market.

In the literature there is an ongoing discussion whether the “sell in May” strategy offers a significantly higher profit than a buy-and-hold strategy throughout the year. For exam-ple, Bouman/Jacobsen (2002) found that a strong “sell in May” effect exists in particular in European countries and emerging markets. However, Sullivan/Timmermann/White (2001) attributed test results of a large class of calendar effects to data mining. Maberly/ Pierce (2004) re-examined the Bouman-Jacobsen result and found that the effect disap-peared in the US data after an adjustment for outliers. Lucey/Whelan (2002) in turn ob-tained significant results for the Irish equity market.

Indeed, in May 2006 the US S&P 500 index declined by three percent. At the same time the Japanese Nikkei 225 index lost nearly nine percent, the European Stoxx 50 index dropped by five percent, and the Russian RTS index decreased by 12 percent. Accord-ingly, Forbes stated: “The axiom ‘sell in May and go away’ worked like a charm” (June 6, 2006). The Economist regarded the “sell in May” rule “as an explanation of why investors the world over have been selling shares since May 11th” (May 25, 2006). The Financial Times reasoned that “this year, ‘sell in May and go away’ would have been a great strategy” (July 14, 2006).1

Much has been presumed about the reasons for this seasonality. The range of rationales put forth reaches from the weather, according to which human beings are devoted to idleness in the summer and recover from the exchange hustle and bustle,2 up to the “race” of institutional investors, whose portfolio managers perform their asset allocation at the beginning of the year and compete for the best starting positions. Profits are pref-erably realized in the middle of the year and, at the end of the year, only small upturns are needed in order to induce the managers to purchase, so that they do not chase after

1 Accordingly, Commerzbank issued the first “sell in May” certificate based on the Euro Stoxx 50 in May

2005.2 For rationales in this regard see, e.g., Bouman/Jacobsen (2002) and Garrett/Kamstra/Kramer (2005).

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“Sell in May and Go Away” on the Russian Stock Market 260

the market.3 We note that in both cases it is ignored to some extent that all buyers face sellers who likely have contrary opinions regarding the future trend of stock prices.

In order to examine whether the “sell in May” rule is useful for investing on the Russian stock market we proceed as follows. In comparison to the US stock market, we analyze in Section 2 whether an investment strategy, which omitted the summer months, was particularly favorable on the Russian stock market. Subsequently, we fix May as the exit month and look for the best month to enter the stock market. In Section 3, we regard sin-gle months in order to determine the strategy which optimally takes seasonalities into consideration. Section 4 analyzes the risk-return trade-off of exit-in-May investments as well as the persistency of “sell in May” returns. Section 5 concludes with a brief sum-mary.

2. Optimal Entry and Exit Months

The “sell in May” strategy initially leaves us in the dark about the most beneficial entry time. But the British say: ...and come back on St. Leger’s Day – which refers to a horse race on the second Saturday in September. Therefore, one version of our stock exchange rule reads: sell in May and go away, but remember to come back in September.4 Indeed, relying on monthly S&P 500 returns from 1960 to 2006 (see Figure 1, left axis), the in-vestment strategy to enter the stock market at the end of September and to exit it at the end of May performs best amongst the ones with a duration of eight months.

Whether this observation was a universal rule which could then be applied to the Russian stock market, Figure 1 (right axis) would answer as follows: from 1995 to 2006 we find the highest average return of the RTS index on US dollar basis for the October-to-June strategy.5 “Sell in May” ranks second highest. This strategy promised nearly eight per-cent on the US stock market on the 47 years average and even nearly 40 percent per year on the Russian stock market during the past 12 years.

3 In this line of argumentation see, e.g., Wermers (2003) and Doeswijk (2005). 4 Some studies found similar results for an entry at the end of October. Therefore, the presumed profitabil-

ity of the “sell in May” strategy is also known as the Halloween effect; see, e.g., Jacobson/Visaltanachoti (2006).

5 The RTS time series only goes back to 1995.

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Elena Moskalenko and Peter Reichling 261

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May

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Nov.

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Dec

.-Aug.

Stock market investment period

S&

P 5

00

retu

rn

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15%

30%

45%

RTS

retu

rn

S&P 500

RTS (USD)

Figure 1: Average returns of stock investments with eight-months duration

If we insist on the “sell in May” rule, which appears more or less valid, what would then actually be the best time for a re-entry? Again, our stock market rule seems to prove true, because for both the US stock market (see Figure 2, left axis, database as above) and the Russian stock market (see Figure 2, right axis) it was optimal to enter at the end of Sep-tember, given one wanted to exit at the end of May.6 Note that intermediate investments remained unconsidered. Thus, we simply assumed that investors spent their money or put it into the piggy bank during the intermediate months.7

6 Due to cross-market correlations and international contagion, a conform development of the US and the

Russian stock market is not too surprising; see the overview of papers in this area in Choudhry (2004). 7 Our findings are not strongly affected if we, after the moratorium for foreign debt of the Russian govern-

ment in 1998, take interbank interest rates as a proxy for risk-free returns into consideration. Without any fixed-income investments in the meantime, during-the-period returns in our figures correspond to annual-ized returns.

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“Sell in May and Go Away” on the Russian Stock Market 262

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0%

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Apr.

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rn

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30%

40%

RTS

retu

rn

S&P 500

RTS (USD)

Figure 2: Average returns of “sell in May” strategies

3. Monthly Returns

A view at the monthly returns shown in Figure 3 provides information on the most bene-ficial entry and exit times. Only in September the S&P 500 return was negative on aver-age (see Figure 3, left axis). Further, it is worth noting that on average the return was below the money market rate in February and also from May to August. Therefore, the optimal investment strategy seems to be to enter the US stock market at the end of Sep-tember and to exit it at the end of April with a break in February. The pattern is different for the RTS index (see Figure 3, right axis). Here, the return in May and from July to September was negative on average during the past 12 years. In November, it was on average again better to hold bonds. Hence, the recommendation appears to be as follows: enter the Russian stock market at the end of September and exit it at the end of June with stopovers in November and May.

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Elena Moskalenko and Peter Reichling 263

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Dec

.

Month

S&

P 5

00

retu

rn

-8%

-4%

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4%

8%

12%

RTS

retu

rn

S&P 500

RTS (USD)

Figure 3: Average monthly returns

Significant differences in monthly returns arise in particular cases. Table 1 merely con-tains combinations where such significant differences occurred. It is worth noting that, for the S&P 500 index as well as for the RTS index, the average September return is sta-tistically significantly different from the average returns of five and four other months, respectively, at the 95 percent confidence level. In this respect, the advantage of the “sell in May” strategy is not primarily based on the exit time at the end of May, but on the re-entry time at the end of September.

S&P 500 RTS (USD) p-value

Sept. Nov. Dec. Sept. Dec.

Jan. 2.3 %

Feb. 3.8 % 1.6 %

Mar. 3.7 % 2.9 %

Apr. 2.7 % 2.5 %

June 3.3 %

Sept. 1.0 % 0.3 % 2.0 %

Table 1: Significant differences in monthly returns

Page 247: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

“Sell in May and Go Away” on the Russian Stock Market 264

4. Risk-Return Trade-off

Today even private investors are familiar with the “no risk – no fun” principle, according to which a higher return cannot be expected without bearing additional risk. The range of historical September-to-May returns is accordingly large. Figure 4 shows that, based on the S&P 500, these returns range from minus 20 to above 40 percent during the 47 years we covered in our analysis. The range of the RTS September-to-May returns is clearly wider, ranging from below minus 60 to almost plus 130 percent during the past 12 years.

0%

15%

30%

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-60%

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0%

20%

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60%

80%

100%

120%

September-to-May return

Rela

tive f

req

uen

cy

RTS (USD)

S&P 500

Figure 4: Risk of September-to-May investments

The broad distribution of “sell in May” returns leads us to the question whether the Sep-tember-to-May strategy dominates other exit-in-May strategies with different re-entry months. Figure 5 illustrates the risk-return trade-offs of these strategies. Both average return and volatility tend to increase with the duration of the stock investment until the September-to-May duration of eight months is reached. Afterwards, average returns tend to decline slightly with roughly stable volatilities.

This observation holds for both the US and the Russian stock market. Again, the “sell in May” strategy appears to be more beneficial than the buy-and-hold strategy of a stock investment during the year. Nevertheless, the average return of the September-to-May

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Elena Moskalenko and Peter Reichling 265

strategy is for both the US and the Russian stock market statistically not significantly above the average return of an exit-in-May strategy with an earlier entry month.8

Sept. - May

12 months

1 month

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0% 5% 10% 15%

S&P 500 volatility

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year)

Sept. - May

12 months

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0% 20% 40% 60%

RTS volatility

Avera

ge R

TS

retu

rn (

per

year)

Figure 5: Risk-return trade-off of exit-in-May investments

A trading rule is only helpful for an investor if he or she may rely on its constancy. Therefore, we analyze in the following whether, from a high September-to-May return in one year, we can refer a similar return next year. Figure 6 visualizes that no such persistency of “sell in May” returns exists. Rather, the September-to-May returns are

8 For one-tailed tests, p-values are above 26 and 37 percent for the S&P 500 and the RTS time series, re-

spectively.

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“Sell in May and Go Away” on the Russian Stock Market 266

negatively autocorrelated,9 with high returns of our regarded strategy in one year tending to be followed by low returns in the next year. However, this result is again not statisti-cally significant. Altogether, our findings bring our stock market rule back to the level of a country saying.

-25%

0%

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May

65

May

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May

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S&

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70%

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RTS

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S&P 500

RTS (USD)

Figure 6: Persistency of September-to-May returns

5. Summary

“Sell in May and go away” probably represents the most well-known stock market saw. Surprisingly, the saying seemed to prove true for both the US and the Russian stock market. Based on the S&P 500 index from 1960 to 2006 and the RTS index on US dollar basis from 1995 to 2006, the September-to-May strategy performed best and ranked sec-ond-best, respectively, amongst stock investments with duration of eight months. The analysis of single month returns showed that the advantage of this strategy is predomi-nantly due to the entry time at the end of September. The exit time at the end of May comes second.

9 The coefficient of autocorrelation of the “sell in May” returns amounts to 0.15 and 0.33 for the S&P

500 (see Figure 6, left axis) and the RTS (see Figure 6, right axis) time series, respectively.

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Elena Moskalenko and Peter Reichling 267

The “sell in May” strategy offered a slightly, but not significantly higher risk-return trade-off than a buy-and-hold strategy throughout the year, whereas the lower average return of exit-in-May strategies with a shorter investment period could be attributed to lower volatility. However, the “sell in May” strategy turns out to be risky, in particular as soon as investors, from the observation that “sell in May” worked one year, infer that high returns are assured also next year. There is no evidence for such persistency.

References

Bouman, S.; Jacobsen, B. (2002): The Halloween Indicator, “Sell in May and Go Away”: Another Puzzle, American Economic Review 92, pp. 1618–1635.

Choudhry, T. (2004): International Transmission of Stock Returns and Volatility: Em-pirical Comparison Between Friends and Foes, Emerging Markets Finance and Trade 40, No. 4, pp. 33–52.

Doeswijk, R. Q. (2005): The Optimism Cycle: Sell in May, IRIS (Rabobank/Robeco) Working Paper.

Garrett, I.; Kamstra, M. J.; Kramer, L. A. (2005): Winter Blues and Time Variation in the Price of Risk, Journal of Empirical Finance 12, pp. 291–316.

Jacobson, B.; Visaltanachoti, N. (2006): The Halloween Effect in US Sectors, Working Paper.

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Sullivan, R.; Timmermann, A.; White, H. (2001): Dangers of Data Mining: The Case of Calendar Effects in Stock Returns, Journal of Econometrics 105, pp. 249–286.

Wermers, R. (2003): Is Money Really “Smart”? New Evidence on the Relation Between Mutual Fund Flows, Manager Behavior, and Performance Persistence, Working Pa-per.

Page 251: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

Karl-Heinz Paqué

Zins, Zeit und Zukunft – Zu Ökonomie und Ethik globaler Klimamodelle

1. Einleitung

2. Der Preis der Zeit

3. Die ökonomische Frage

4. Die ethische Frage

Literatur

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1. Einleitung

In jüngster Zeit wurden zwei wichtige Berichte zum Stand der Klimaforschung vorge-legt, die so genannte Stern-Review1 im Herbst 2006 und der so genannte IPCC-Report2in mehreren Tranchen im Laufe des Jahres 2007. Beide Berichte erhielten weltweite Aufmerksamkeit. Beide werden inzwischen als Meilensteine auf dem Weg zu Maßnah-men gegen die Erderwärmung angesehen. Beide wurden intensiv politisch diskutiert und im Großen und Ganzen mit Zustimmung aufgenommen.

Die wissenschaftliche Diskussion der beiden Berichte braucht mehr Zeit als erste politi-sche Reaktionen. In der Wirtschaftswissenschaft läuft sie erst an. Was die Stern-Review betrifft, liegt inzwischen eine Reihe von Stellungnahmen vor, unter anderem von Dasgupta (2007a), Nordhaus (2007) und Weitzman (2007).

Diese Stellungnahmen verdienen in ihren Kernaussagen Beachtung, und zwar weit über die Grenzen der Wirtschaftswissenschaft hinaus. Der Grund dafür ist einfach: Sie zeigen übereinstimmend und überzeugend, dass die Schlussfolgerungen der Stern-Review nicht auf neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse zurückzuführen sind, sondern auf die rela-tive Bewertung von Gegenwart und Zukunft.

Konkret heißt dies: Die wichtigste Handlungsempfehlung der Stern-Review – diese ist das Plädoyer für schnelle massive Investitionen in Technologien zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen – kommt vor allem dadurch zustande, dass in dem Bericht ein sehr niedriger Zinssatz zur Diskontierung des zukünftigen Konsums verwendet wird. Neue Modellergebnisse aus der Klimaforschung spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Ähnliches wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für den IPCC-Report gelten, wenn man dessen Handlungsempfehlungen in einen ökonomischen Kosten-Nutzen-Rahmen einbettet, den allerdings der Bericht selbst nicht liefert – im Unterschied zur Stern-Review.

Dies alles hat weitreichende Konsequenzen. Es bedeutet nämlich, dass die Diskussion um die Klimapolitik ein Stück weit verlagert werden muss von der Naturwissenschaft auf die Ebene der Ökonomie und der Ethik. Denn Fragen nach dem Zins als Preis der Zeit sind zunächst volkswirtschaftliche Fragen. Und, soweit es um normative politische Entscheidungen geht, sind es natürlich auch moralische Fragen. Naturwissenschaftler können diese Fragen nicht beantworten, dafür ist ihr Instrumentarium ungeeignet. Ob andere die Fragen beantworten können – Ökonomen, Philosophen oder Moraltheolo-gen –, ist heute noch völlig offen. Wenigstens aber verfügen sie über Instrumente, die im Prinzip geeignet sind, den Antworten näher zu kommen.

1 Vgl. Stern (2006). 2 Vgl. IPCC (2007).

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Zins, Zeit und Zukunft – Zu Ökonomie und Ethik globaler Klimamodelle 272

Der vorliegende Beitrag ist ein Versuch, sich klar zu machen, wo wir derzeit in unserer Erkenntnis bezüglich der Antworten stehen. Dies geschieht in drei Teilen. Zunächst wird die Argumentation der oben genannten Stellungnahmen zur Stern-Review in den Kern-punkten zusammengefasst (Abschnitt 2). Es folgt dann eine strikt ökonomische Analyse dieser Kernpunkte (Abschnitt 3). Daran schließen sich ethische Betrachtungen an (Ab-schnitt 4).

Die zentrale Botschaft des Beitrags ist einfach: Der Tenor der derzeitigen Klimadiskus-sion – schnellstmögliches massives Handeln zur Senkung der Treibhausgasemissionen – ist weder ökonomisch noch ethisch überzeugend. Bevor es in der Sache politisch weiter-geht, brauchen wir eine neue intensive klimapolitische Diskussion, die sich auf Fragen der Ökonomie und Ethik zwischen heutigen und künftigen Bewohnern der Erde und zwi-schen Arm und Reich auf dieser derzeitigen Welt konzentriert.

2. Der Preis der Zeit

Im Vordergrund der Klimaschutzdiskussion steht seit geraumer Zeit unangefochten die Frage, ob die Erwärmung der Erdatmosphäre durch Verminderung von Treibhausgas-emissionen gestoppt werden kann und soll. Ökonomisch geht es also um ein Investiti-onsproblem: Wie viel soll wann und wo für den Klimaschutz ausgegeben werden? Das Wort „ausgeben“ hat dabei zweierlei Bedeutung: Einführung neuer Techniken, die den Ausstoß von Treibhausgasen bei gegebener Güterproduktion mindern, oder Senkung der Güterproduktion bei gegebener Technik – und damit auch Verzicht auf zusätzlichen Ausstoß von Treibhausgasen. In beiden Fällen geht es letztlich um eine „Investition“, denn es wird auf den Ressourceneinsatz an anderer Stelle verzichtet, um das Klima zu schützen.

Es bedarf deshalb für die Gesellschaft einer Investitionsrechnung, also einer Kosten-Nutzen-Analyse, die darüber Auskunft gibt, ob die Investition in den Klimaschutz ge-sellschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Gesellschaftlich sinnvoll heißt dabei: wirtschaftlich rentabel in dem umfassenden Sinn, dass es keine bessere Mittelverwendung für die heu-tigen und zukünftigen Generationen gibt als eben die Investition in den Klimaschutz. Die Klimaschutzinvestition sorgt also dafür, dass es der Menschheit in einem wohl definier-ten Sinn besser geht als ohne sie.

Soweit die Logik der Kosten-Nutzen-Analyse. Sie ist explizit die Basis der Stern-Review (2006). So einfach die Logik, so schwierig allerdings die Praxis. Es müssen Kosten und Nutzen ermittelt und bewertet werden, und zwar zwischen unterschiedlichen Zeitpunkten und unterschiedlichen Menschen. Genau dies geschieht in Klimamodellen – teils expli-zit, teils implizit. Tatsächlich erweist sich dabei die Modellbildung bei der enormen

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Karl-Heinz Paqué 273

Komplexität des Weltklimas als eine Herkulesaufgabe, insbesondere was die Wechsel-beziehungen zwischen durchschnittlicher Temperaturhöhe, Wolkenbildung, Ozeanströ-mungen und Ähnlichem betrifft. Wie dies auch immer im Einzelnen gelöst wird, kann hier offen bleiben, denn es liegt im Kompetenzbereich der beteiligten Naturwissenschaf-ten. Die Fragen, die uns interessieren, sind einfacher. Sie lauten: Wie werden Kosten und Nutzen intertemporal und interpersonell bewertet? Welche Folgen hat die Wahl der Be-wertung für die politischen Schlussfolgerungen? Was geschieht, wenn man anders wählt?

Die Stern-Review (2006) geht nach folgender durchaus orthodoxer Methodik vor:

Es wird eine utilitaristische Wohlfahrtsfunktion unterstellt, in der – bei konstanter Bevölkerungsgröße – die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt sich als Summe der jährlichen Nutzenniveaus der jeweiligen Generationen ergibt. Diese Nutzenniveaus sind über die Nutzenfunktion ausschließlich durch das jeweilige Konsumniveau be-stimmt, diskontiert mit einer konstanten Rate der Zeitpräferenz . Das Konsumni-veau eines Jahres wird also stets um Prozent höher bewertet als das gleiche Kon-sumniveau des nächstfolgenden Jahres.

Es wird der Nutzen als CES-Funktion beschrieben, bei der die Elastizität des in-tertemporalen Grenznutzens konstant ist. Diese vereinfachende Annahme hat einen rein technischen, aber wichtigen Grund. Sie erlaubt, dass – unabhängig von der Zeit-präferenzrate – ein einzelner Parameter existiert, der sich als Gradmesser für die ge-sellschaftliche Präferenz für interpersonelle Konsumgleichheit auch über Generatio-nen hinweg interpretieren lässt. Je höher der „Gleichheitsparameter“ , desto stärker diese Präferenz.

Soweit die formalen Rahmenbedingungen, unter denen die intertemporale Analyse in der Stern-Review (2006) stattfindet. Es ist wichtig sich klarzumachen, dass dieser – durch-aus übliche – Satz von Annahmen schon sehr weitgehende Implikationen hat, insbeson-dere für die Bedingungen eines sozialen Optimums. Im intertemporalen Wohlfahrtsma-ximum gilt nämlich r , d. h. die reale Rendite auf Kapital, r , ist gleich der Diskontrate des Konsums . Unter der Annahme einer konstanten Bevölkerung und ei-ner konstanten Wachstumsrate g des Pro-Kopf-Konsums je Generation gilt

g und damit r g . Dies ist die so genannte Ramsey-Gleichung.3 Sie stellt fest: Die Kapitalrendite r ist im sozialen Optimum gleich der Summe der Zeitprä-ferenzrate und der Wachstumsrate des Konsums g , wobei diese mit dem Gleich-heitsparameter gewichtet wird.

Für Klimamodelle heißt dies: Wer Annahmen über die Parameter , und g trifft, der macht auch Aussagen über und r – und, wie sich zeigen lässt, auch über die optimale Sparquote der Gesellschaft s . Und wer dann Abweichungen der beobachtbaren Kapi-

3 Vgl. Ramsey (1928).

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Zins, Zeit und Zukunft – Zu Ökonomie und Ethik globaler Klimamodelle 274

talrendite und Sparquote von den im Modell unterstellten Größen feststellt, der muss diese Unterschiede überzeugend begründen – und zwar als suboptimaler Zustand der Wirklichkeit, der aus ökonomischen Gründen (z. B. Marktversagen) oder wegen überge-ordneter ethischer Urteile als Parameter für das soziale Optimum nicht akzeptabel ist.

Tatsächlich trifft die Stern-Review (2006) konkrete Annahmen bezüglich der Parameter , und g , und zwar = 0,1 Prozent, = 1 und g = 1,3 Prozent. Wie Nordhaus

(2007) gezeigt hat, impliziert diese Parameterkonstellation im Wohlfahrtsmaximum eine Konsumdiskontrate und damit reale Kapitalrendite von r = 1,4 Prozent – weit niedriger als die üblichen vier bis sechs Prozent, die auf den Kapitalmärkten beobachtet werden, je nachdem welche Kapitalmarktpapiere Berücksichtigung finden. Ähnliches gilt für die Sparquote: Wie Dasgupta (2007b) gezeigt hat, impliziert die Parameterkonstellation der Stern-Review eine extrem hohe Sparquote von 97,5 Prozent – weit höher als jemals in der Wirtschaftsgeschichte über einen längeren Zeitraum beobachtet. Damit ist klar: Die Stern-Review beschreibt eine Welt, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. Ob sie gleich-wohl aus normativer Sicht zur Richtschnur des Handelns gemacht werden sollte, werden wir im Folgenden untersuchen, und zwar ökonomisch und ethisch.

Bevor wir dies tun, ist es wichtig sich zu verdeutlichen, dass die Abweichung der Stern-Welt von der wirklichen Welt sehr groß ist. Einfache Beispiele machen dies klar. Stellen wir den Zustand der Welt in 2050 und 2100 dem Jahr 2007 gegenüber (100 Prozent für 2007), so ergibt sich eine Gewichtung von

55,0 Prozent für 2050 und 27,4 Prozent für 2100 in der Stern-Review mit einer Dis-kontierung von 1,4 Prozent p. a. gegenüber

12,3 Prozent für 2050 und 1,1 Prozent für 2100 in einer konventionellen Rechnung mit einer Diskontierung in der üblichen Größenordung von fünf Prozent p. a.

Die Unterschiede sind dramatisch: In der Stern-Welt wird der Zustand des Jahres 2100 rund 25-mal so stark gewichtet wie in der konventionellen Welt, das Jahr 2050 immerhin noch 4,5-mal so stark. Dies stellt alle sonstigen Kosten und Nutzen in den Schatten, die naturwissenschaftlich ermittelt werden. Wie unter anderem Nordhaus (2007) gezeigt hat, sind es genau diese Unterschiede der intertemporalen Gewichtung, die für die politische Schlussfolgerung der Stern-Review verantwortlich sind. Deren zentrales Ergebnis, dass frühe und massive Investitionen in den Klimaschutz ökonomisch (und ethisch) richtig sind, wird durch die niedrige Rate der Diskontierung der Zukunft von 1,4 Prozent p. a. bestimmt. Wählt man dagegen bei ansonsten unveränderter naturwissenschaftlicher Mo-dellphilosophie eine Rate in der üblichen Größenordnung von vier bis sechs Prozent p. a., kippt das Ergebnis in eine Richtung, die schon länger von Ökonomen vertreten wird, so unter anderem von Nordhaus (1994), Schelling (1999) und Nordhaus/Boyer (2000): massives, aber um einige Jahrzehnte späteres Handeln zur Senkung der Treib-hausgasemissionen. Wir bezeichnen diese Strategie im Folgenden als orthodox – im Un-terschied zur Strategie der Stern-Review.

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Karl-Heinz Paqué 275

Es bleibt die Frage: Welche der Diskontraten ist angemessen? Und welche Strategie – die orthodoxe oder die der Stern-Review – ist insofern die akzeptable? Diese Fragen werden im Folgenden behandelt, zunächst ökonomisch und dann ethisch.

3. Die ökonomische Frage

Aus ökonomischer Sicht ist der Startpunkt für eine Diskontierung die reale Rendite, die sich am Kapitalmarkt für langfristige Investitionsprojekte gleich welcher Art ergibt. Das Spektrum der Investitionen ist dabei sehr weit. Es reicht von „konventionellen“ Investi-tionen in Bauten und Anlagen, in Gesundheit und Hygiene, in Bildung und Wissen-schaft, in Verkehrsinfrastruktur und Sicherheit bis zu Investitionen in den Klimaschutz. Die reale Rendite ist dabei das Maß für die Opportunitätskosten einer jeden Investition gleich welcher Art, also auch für Investitionen zur Senkung von Treibhausgasemissio-nen. Liegt die reale Rendite in der Größenordnung von vier bis sechs Prozent p. a., ist also relativ hoch, dann heißt dies eben, dass auch der Ertrag für eine frühe und massive Umweltschutzinvestition entsprechend hoch ausfallen muss – es sei denn, es liegt nach-weislich ein Versagen des Kapitalmarkts vor.

Perfekter Kapitalmarkt

Unterstellen wir zunächst, der Kapitalmarkt funktioniert perfekt. Ein Gedankenexperi-ment macht klar, warum die Stern-Strategie dann ökonomisch ineffizient ist.4 Nimmt der Staat (oder wer auch immer) heute am Kapitalmarkt zum Marktzins von fünf Prozent p. a. einen Kredit auf, um massive Klimaschutzinvestitionen zu tätigen, die erst „sehr spät“ (sagen wir, in 100 Jahren) hohe Erträge abwerfen, dann verdrängt er konventionel-le Investitionen, die vom Markt als produktiver eingestuft werden und es auch sind. Nach einer „mittleren“ Zwischenzeit von, sagen wir, 50 Jahren wird deshalb der konven-tionelle Kapitalstock stark vermindert sein – verglichen mit der Situation bei Verzicht auf die frühe Klimaschutzinvestition –, während der „Klimakapitalstock“ nur moderat gewachsen sein wird. Effizienter wäre es deshalb, heute die hohe Investition in den kon-ventionellen Kapitalstock unvermindert fortzusetzen, damit die Produktivität relativ schnell zu erhöhen und erst später verstärkt in den Klimaschutz zu investieren. Dann erst rücken die Folgen der Klimaschäden nahe genug, um dem Klimaschutz relativ hohe dis-kontierte Erträge zu sichern. All dies entspricht genau der orthodoxen Strategie. Über alle Generationen summiert ist die orthodoxe Strategie deshalb der Stern-Strategie öko-nomisch überlegen.

4 Die Darstellung folgt hier Nordhaus (2007).

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Zins, Zeit und Zukunft – Zu Ökonomie und Ethik globaler Klimamodelle 276

Dieses Ergebnis gilt auch, wenn frühe Klimaschutzinvestitionen ganz oder teilweise über Steuern aus dem laufenden Konsum finanziert werden. Dann ist es allerdings weniger der künftige konventionelle Kapitalstock als vielmehr der gegenwärtige Konsum, der – zu Marktbedingungen bewertet – auf ein ineffizient niedriges Niveau gedrückt wird.

Mit Blick auf die Welt als Ganzes sind diese Ergebnisse auch intuitiv einleuchtend: Für eine Weltbevölkerung, die noch immer zu einem großen Teil in Armut lebt, kann es ökonomisch nicht sinnvoll sein, heute schon massiv auf Konsum oder auf Investitionen in konventionellen Kapitalstock zu verzichten, um Erträge aus einem „Klimakapital-stock“ in etwa 100 Jahren zu erzielen. Beides – Konsum heute und konventioneller Ka-pitalstock morgen – sind für einen Großteil der Menschheit von existenzieller Bedeu-tung, was sich ökonomisch unter anderem in einer relativ hohen Kapitalrendite niederschlägt. Es gilt deshalb, zunächst wirtschaftlich zu wachsen und erst später massiv in den Klimaschutz zu investieren, und zwar dann auf erheblich höherem Niveau der Produktivität und mit modernster (und heute noch nicht bekannter) Technologie.

Kapitalmarktversagen

Prima facie liegt es nahe, ein Marktversagen in dem systematischen Unterschätzen län-gerfristiger Klimaschäden zu sehen, die gerade bei konventionellen Investitionen und Verzicht auf eine frühe Senkung der Treibhausgasemissionen verursacht werden (Common-Pool-Problem). Dies heißt konkret: Die private Rendite von konventionellen Investitionen liegt über der sozialen Rendite. Bei Klimaschutzinvestitionen ist es umge-kehrt. Deshalb macht eine niedrigere Diskontrate Sinn.

Diese Sichtweise ist in der Wirtschaftswissenschaft eine Mindermeinung,5 in der öffent-lichen Diskussion aber – zumindest implizit – gang und gäbe. Sie wirft allerdings die Frage auf, ob nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet wird, wenn man pauschal unter-stellt, die soziale Rendite konventioneller Investitionen läge unter der privaten Rendite. Denn der Zustand des Klimas ist nicht das einzige „soziale Kapital“, das durch konven-tionelle Investitionen beeinflusst wird. Und bei vielen anderen Einflüssen ist der externe Effekt jenseits des Marktes vermutlich deutlich positiv und nicht negativ.

Beispiele liegen auf der Hand: Investitionen in die Bildung stärken nicht nur Wissen und Fähigkeiten des Einzelnen, sondern erhöhen auf längere Sicht auch den gesellschaftli-chen „Stock of Knowledge“; Investitionen in Gesundheit verbessern nicht nur Lebens-erwartung und Lebensqualität des Einzelnen, sondern erhöhen auch das Niveau der Volksgesundheit; Investitionen in die Grundlagenforschung fördern nicht nur die Wis-senschaft, sondern auch die Innovationskraft der Wirtschaft in der Zukunft; Investitionen in den Wohnungsbau nützen nicht nur der Wohnqualität des Einzelnen, sondern auch der sozialen Stabilität ganzer Städte usw. Und fast all diese Varianten von „sozialem Kapi-

5 Sie wird unter anderem von Dasgupta (2007a und 2007b) vertreten.

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Karl-Heinz Paqué 277

tal“, das durch konventionelle Investitionen geschaffen wird, erweitern auch die Mög-lichkeiten der Gesellschaft zur rechtzeitigen und klugen Anpassung an einen Klimawan-del.

Im Übrigen stellt sich die grundsätzliche Frage, ob man mit einer gezielt niedrigen Dis-kontrate unter dem Kapitalmarktzins nicht Gefahr läuft, genau das als Modellannahme zu fixieren, was erst durch die Kosten-Nutzen-Analyse zu beweisen ist, nämlich – auf lange Sicht – die ökonomische Überlegenheit der Investition in den Klimaschutz. Denn wer für eine Art von Investition – und nur für diese – die Existenz massiver positiver externer Effekte behauptet, der geht den klassischen Irrweg der Immunisierung einer Theorie gegenüber dem empirischen Test. Mit der ökonomischen Logik einer Kosten-Nutzen-Analyse hat dies dann eigentlich nichts mehr zu tun, denn die spricht fast zwin-gend für die Verwendung der realen Kapitalrendite für die Diskontierung. Es bleibt dann zwar immer noch genügend Spielraum, darüber zu streiten, wie diese Rendite konkret zu messen ist. Aber bei einem solchen Streit geht es um eher kleinere Abweichungen, die nur wenig Einfluss haben auf die ökonomische Bewertung der hier behandelten Klima-strategien. Die maximale Bandbreite liegt wohl zwischen vier und sechs Prozent p. a., also in jedem Fall weit oberhalb der Diskontrate von 1,4 Prozent p. a., die in der Stern-Review zugrunde gelegt wird und die sich ökonomisch nicht rechtfertigen lässt.

Allerdings: Die ökonomische Logik ist das eine, ethisch begründete Werturteile sind das andere. Es mag moralisch überzeugende Gründe geben, von der ökonomischen Logik abzuweichen. Kandidaten für solche Gründe werden im Folgenden behandelt.

4. Die ethische Frage

Es ist nützlich, die folgende, ethische Diskussion gemäß der Ramsey-Gleichung r* = + g* zu strukturieren (siehe Abschnitt 2). Die Stern-Review wählt eine Diskont-rate von 1,4 Prozent p. a., und die ergibt sich aus den Annahmen g* = 1,3 Prozent, = 0,1 Prozent und = 1. Die Annahme g* = 1,3 Prozent ist eine Wachstumsprognose.

Die beiden anderen Annahmen – = 0,1 Prozent und = 1 – betreffen dagegen zentrale ethische Annahmen der sozialen Wohlfahrtsfunktion. Alle drei Annahmen werden im Folgenden analysiert.

Wachstumsrate

Die Wachstumsrate g* des Pro-Kopf-Konsums ist als Prognose mit empirischen Maß-stäben zu bewerten. Mit 1,3 Prozent p. a. fällt diese Wachstumsprognose in der Stern-Review sehr niedrig aus – niedriger jedenfalls, als alle Daten zur Entwicklung des welt-weiten Pro-Kopf-Einkommens über die letzten Jahrzehnte nahe legen. Es ist schwer

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nachvollziehbar, weshalb nicht ein Wachstum von mindestens zwei Prozent p. a. ange-nommen wird, denn in dieser Größenordnung liegt der untere Rand der Erfahrungswerte in der Vergangenheit. Dies gilt umso mehr, als in den vergangenen beiden Jahrzehnten große Entwicklungsländer wie China und Indien stabil hohe volkswirtschaftliche Wachs-tumsraten zwischen fünf und zehn Prozent p. a. aufwiesen. Dadurch hat auch der Anteil schnell wachsender Entwicklungsländer am Weltsozialprodukt deutlich zugenommen. Es ist eigentlich nicht zu erkennen, warum dieser Trend nicht weitergehen sollte – und mit ihm ein entsprechend starkes weltwirtschaftliches Wachstum.

In jedem Fall ist die Annahme für g* der Stern-Review mit hoher Wahrscheinlichkeit zu niedrig angesetzt. Die meisten Ökonomen würden zwei Prozent p. a. oder eine noch hö-here Rate wählen.6 Mit g* = 1,3 Prozent p. a. werden die Ergebnisse in Richtung auf eine niedrige Diskontrate des Konsums verzerrt, und zwar umso mehr, je höher (mit > 0) ist. Wir werden bei der Analyse von darauf zurückkommen.

Zeitpräferenzrate

Die Stern-Review folgt dem gängigen philosophischen Argument, der Staat habe eine ethische Verpflichtung, Gegenwart und Zukunft bei öffentlichen Entscheidungen gleich zu bewerten. Die Zeitpräferenzrate müsse deshalb auf null gesetzt werden, auch wenn dies mit dem beobachteten Verhalten von Konsumenten und Produzenten nicht vereinbar ist. Denn dieses Verhalten sei maßgeblich durch Motive wie Ungeduld und Egoismus bestimmt, die bei öffentlichen Entscheidungen keine Rolle spielen dürften. Hinzu kom-me, dass künftige Generationen ihre Interessen heute noch nicht vertreten könnten.7 Phi-losophisch lässt sich diese Position am einfachsten rechtfertigen als Ergebnis einer kol-lektiven Entscheidung hinter einem Schleier der Unwissenheit (Veil of Ignorance),8 bei der die Menschen nicht nur nicht wissen, wo sie von ihrem Wohlstand her in einer Ge-sellschaft stehen, sondern auch nicht, in welcher Generation sie überhaupt leben. Das unparteiische und damit faire Ergebnis bedeutet dann = 0.

Die Stern-Review folgt im Wesentlichen dieser Linie, setzt aber die Zeitpräferenzrate nicht auf null, sondern extrem niedrig an ( = 0,1 Prozent p. a.). Dies geschieht wegen der (geringen) Wahrscheinlichkeit eines – zeitlich unbestimmten – Untergangs der Menschheit (z. B. durch Aufschlag eines Meteoriten), was aber keine Abweichung von der ethischen Leitlinie des Verzichts auf eine positive Zeitpräferenzrate ( = 0) bedeutet.

Auf den ersten Blick hat die Festlegung einer Zeitpräferenzrate gleich oder nahe null vieles für sich, folgt sie doch der ethischen Intuition, dass die Interessen aller Menschen

6 So zu Recht Weitzman (2007). 7 So Broome (1992) und Dasgupta (2007b). 8 Das Konzept des Veil of Ignorance geht auf Rawls (1972) zurück, hat aber Vorläufer in der Philosophie

und in der Wirtschaftswissenschaft; vgl. Harsanyi (1955).

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der Welt grundsätzlich gleich behandelt werden sollten.9 Gerade die zeitliche Dimension dieser Ethik hat allerdings Konsequenzen, die massiv den üblichen Vorstellungen von einer vernünftigen und fairen Interessensabwägung zuwider laufen. Insbesondere be-wirkt sie, dass relativ kleine, aber dauerhafte Veränderungen des Wohlstands in der fer-nen Zukunft (sagen wir, beginnend in 200 Jahren) einen enorm starken Einfluss auf heu-tige staatliche Entscheidungen haben. Dies ist völlig logisch, denn die Interessen der vielen – genau genommen: aller(!) – künftigen Generationen werden (fast) genauso stark bewertet, wie die Interessen der wenigen zeitnahen Generationen. Wie Nordhaus (2007) zeigt,10 hat dies absurde Konsequenzen, die selbst ein extrem zukunftsbewusster ver-antwortlicher Politiker so niemals ziehen würde. Drastisch formuliert: Der lange Schwanz der fernen Zukunft wedelt den kleinen Hund der vor uns liegenden Jahrzehnte.

Daneben gibt es ein noch viel grundsätzlicheres Problem der Interpretation einer Nutzen-funktion, wenn der betreffende Zeitraum sich über mehrere Jahrhunderte und viele Ge-nerationen von Menschen erstreckt. Wie weit kann ein „ethisches Urteil“ reichen? Las-sen sich überhaupt sinnvolle Aussagen treffen über die Wohlfahrt einer Gesellschaft der fernen Zukunft, die in einer völlig anderen Produktwelt lebt als unserer heutigen? Sorgen nicht gerade das wirtschaftliche Wachstum und der gesellschaftliche Wandel für eine derart drastische Veränderung der Werte, dass jede vergleichende Bewertung von Kos-ten und Nutzen in der fernen und noch ferneren Zukunft eher einer spekulativen Futuro-logie zuzurechnen ist als einer ernst zu nehmenden Wissenschaft oder Ethik?

Wie gewaltig das Problem ist, macht der Blick in die Vergangenheit deutlich. Vor 50, 100 bzw. 200 Jahren befand sich Deutschland in der Produktwelt der Zeit Adenauers, Wilhelms II. bzw. Napoleons I. Heute den Wohlstand und die Werte im Jahr 2057, 2107 bzw. 2207 zu beurteilen ist einem Versuch vergleichbar, im Jahr 1957, 1907 bzw. 1807 unsere heutige Situation ins Visier zu nehmen.11 Mit Blick auf die Vergangenheit ist völlig klar, dass jeder noch so begabte Wissenschaftler vor 50 Jahren und erst recht vor 100 bzw. 200 Jahren an der gestellten Aufgabe kläglich gescheitert wäre, denn das Aus-maß und die Struktur des Produkt- und Wertewandels hätte selbst die grandioseste menschliche Phantasie hoffnungslos überfordert. Der Siegeszug zunächst von Eisen und Stahl, des elektrischen Stroms, des Kraftfahrzeugs, des Kunststoffs und schließlich der Mikroelektronik mit Computer und Internet war nicht voraussehbar, und der damit ver-

9 Zur Intuition dieser Ethik vgl. Höffe (2004). 10 Nordhaus (2007) macht ein so genanntes Faltenexperiment (Wrinkle-Experiment), in dem er unter den

parametrischen Annahmen der Stern-Review eine minimale, aber dauerhafte Senkung des weltweiten Konsums um 0,1 Prozent im Jahr 2200 unterstellt und dann demonstriert, dass diese minimale Verände-rung im Rahmen der intertemporalen Optimierung zu einer Senkung des heutigen weltweiten Konsums um 56 Prozent(!) führen muss.

11 Vieles spricht dafür, dass die Aufgabe heute noch viel schwieriger ist als früher, weil für die Zukunft eher mit schnellerem als dem früheren Wirtschaftswachstum gerechnet werden muss und dadurch mit einem noch „dichteren“ Strukturwandel der Produktwelt pro Zeiteinheit.

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bundene Produkt- und Wertewandel ebenso wenig. Begriffe wie vorindustrielle Welt, Industriezeitalter sowie Informations- und Wissensgesellschaft sind ja nichts anderes als Versuche von Historikern, ex post anschaulich zu machen, was an Strukturbrüchen ex ante als völlig neuartig erschien.

Der Wertewandel betrifft auch das Klima selbst. So wären Wissenschaftler vor 100 oder 200 Jahren wahrscheinlich gar nicht auf den Gedanken gekommen, dem Kapitalstock „Umwelt“ jene Bedeutung beizumessen, den wir heute darin sehen. Woher nehmen wir die Gewissheit, dass sich in 100 oder 200 Jahren die Menschen nicht doch an ein neues Klima gewöhnt haben und es sogar positiv schätzen und nutzen? Empirisch spricht im Übrigen vieles dafür, dass die Menschen der Welt mit zunehmendem Wohlstand auch zunehmend unabhängiger vom Klima werden, wie dies auch in der Vergangenheit in den Industrie- und Schwellenländern geschehen ist. Wachstum und Entwicklung bedeuten nämlich vor allem Strukturwandel, und zwar im Trend weg von der klimaabhängigen Agrar- und Forstwirtschaft und hin zu Industrie und noch mehr zu Dienstleistungen, die erheblich weniger vom Klima bestimmt werden als die Landwirtschaft.

Im Übrigen zeigt sich auch zu jedem Zeitpunkt der Geschichte eine enorme Breite tole-rabler Klimavarianten innerhalb der Industrie- und Schwellenländer, die zu Recht nicht als Problem angesehen wird: Italien ist viel wärmer als Finnland, die USA wärmer als Kanada, Brasilien wärmer als Argentinien und Vietnam wärmer als Korea. Woher wis-sen wir, dass graduelle Veränderungen des Klimas über lange Zeiträume im Zuge der wechselnden Generationen nicht zu einer recht reibungslosen Anpassung der Menschen führen, so wie in der Vergangenheit auch? Immerhin geht es bei einem Zeitraum von 100 Jahren um gut drei und bei 200 Jahren um mindestens sechs Generationen von Men-schen.

Aus alledem folgt: Über sehr lange Zeiträume ist es eigentlich nicht sinnvoll, von endo-genen wachstumsbedingten Änderungen der Nutzenfunktion abzusehen. Und vieles spricht dafür, dass diese Änderungen in Richtung der Anpassung an die neue Situation gehen. Insofern sind die absurden Konsequenzen der Verwendung einer Zeitpräferenzra-te von null nur ein Aspekt grundlegender Probleme, die sich für die nutzenbasierte Wohlfahrtsanalyse über sehr lange Zeiträume stellen.

Gleichheitsparameter

Als Elastizität des Grenznutzens oder kurz Konsumelastizität wird üblicherweise der Parameter bezeichnet. Nutzentheoretisch ist ein Maß für die Krümmung der Nutzen-funktion, ökonomisch ein Maß für die Aversion der Gesellschaft gegenüber interperso-nellen Ungleichheiten im Konsum. Deshalb sprechen wir vom Gleichheitsparameter .

Ein wichtiger Referenzfall ist = 1. Er bedeutet, dass jede proportionale Zunahme des individuellen Konsums in einer Gesellschaft völlig identisch bewertet wird – gleichgül-tig, wer die Zunahme erzielt. Dies gilt für alle Menschen zu einem bestimmten Zeit-

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punkt, aber auch für Menschen zu verschiedenen Zeitpunkten, soweit = 0 gilt. Für > 1 erhalten ärmere eine höhere Gewichtung als reichere Menschen, für 0 < < 1 gilt

das Gegenteil.12 Im Grenzfall zählt nur der Konsum des ärmsten Menschens, was dem so genannten Differenzprinzip von Rawls (1972) entspricht.

Die Stern-Review setzt – ohne weitere Diskussion – den Gleichheitsparameter gleich eins. Zusammen mit den anderen parametrischen Festlegungen ( = 0,1 Prozent und g* = 1,3 Prozent p. a.) sorgt diese Wahl für die niedrige Konsumdiskontrate von 1,4 Prozent p. a., die dann die Ergebnisse maßgeblich bestimmt.

Ist = 1 ethisch akzeptabel? Dasgupta (2007b) verneint diese Frage mit überzeugenden Argumenten: Gibt es wirtschaftliches Wachstum, so werden zukünftige Generationen erheblich besser gestellt sein als die heutigen Generationen, die ja gerade in Entwick-lungsländern zum Teil noch am Existenzminimum leben. Eine Gleichgewichtung zwi-schen den Generationen ( = 1 bei = 0) kann deshalb im Extremfall heißen, dass es gesellschaftlich gleich zu bewerten ist, ob ein Mensch heute vor dem Hungertod bewahrt wird oder in 50 Jahren eine moderate Wohlstandssteigerung auf bereits mittelständi-schem Niveau genießt.13 Eben dies sind die Implikationen der Annahmen, die in der Stern-Review gemacht werden ( = 1 und = 0,1). Sie sind insofern nicht nur ökono-misch, sondern auch ethisch kaum akzeptabel.

Allerdings ist es außerordentlich schwierig, eine Ethik zu entwickeln und rational zu begründen, die für eine konkrete Festlegung des Parameters > 1 spricht. Ist = 3 ge-rechter als = 2 oder = 4? Tatsächlich spricht bei der intertemporalen Gewichtung vieles dafür, und als zwei grundlegende ethische Parameter anzusehen, die nicht un-abhängig voneinander gewählt werden sollten, um intuitiv inakzeptable Ergebnisse zu vermeiden.14 Wer etwa, wie die Stern-Review, aus ethischen Gründen die Zeitpräferenz-rate auf (fast) null setzt, der kommt kaum umhin, für einen relativ hohen Wert festzu-legen, um auf diese Weise abwegige ethische Konsequenzen zu vermeiden. Genau dies tut die Stern-Review nicht, und genau deshalb sind ihre Ergebnisse ethisch nicht akzep-tabel.

Ein wenig numerisches Experimentieren mit unterschiedlichen Werten von zeigt schnell, dass hier ein wesentlicher ethischer Schlüssel liegt zur Rechtfertigung einer rela-tiv hohen Konsumdiskontrate (= + g*). Setzt man die Wachstumsprognose auf rea-listische zwei Prozent p. a. (statt, wie in der Stern-Review, 1,3 Prozent p. a.) und akzep-tiert man um des Arguments willen eine fragwürdig niedrige Zeitpräferenzrate von = 0,

12 Ärmer und reicher wird hier im Sinne des Konsumniveaus verstanden. 13 Bei dem derzeit herrschenden dynamischen Wachstum der Wirtschaft ist dies für Länder wie China und

Indien alles andere als eine abwegige Frage. Bei einem Wachstum von real sechs Prozent p. a. ist das Pro-Kopf-Einkommen nach 50 Jahren um den Faktor 18,5 höher als heute. Hungersnöte werden dann dort der Vergangenheit angehören.

14 So überzeugend Dasgupta (2007b), der von einer Dualität der beiden Parameter spricht.

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so sorgen schon Werte von im Bereich von zwei bis vier für Konsumdiskontraten, die sich in der Größenordnung der üblichen langfristigen Kapitalmarktzinsen bewegen (4 Prozent < < 6 Prozent p. a.) und vereinbar sind mit Sparquoten in der Größenord-nung, wie wir sie typischerweise in realen Volkswirtschaften beobachten. Liegt die Zeit-präferenzrate höher ( > 0), so genügen niedrigere Werte von , um in die realistischen Größenordnungen der Kapitalmarktzinsen und Sparquoten vorzustoßen.

Diese Ergebnisse sind absolut plausibel, und zwar sowohl aus ökonomischer als auch aus ethischer Sicht. In einer Welt, die wirtschaftlich wächst (mit g* >> 0, z. B. g* 2 Prozent p. a.), wird schon die nächste und erst recht alle folgenden erheblich wohlhabender sein als die heutige Generation. Dies gilt vor allem für Entwicklungslän-der mit weit überdurchschnittlichem Wachstum. Bei ihnen geht es um nicht weniger als den Weg von bitterer Armut in einen gewissen Wohlstand, der allerdings im internatio-nalen Vergleich noch immer bescheiden sein wird. In einer solchen Welt ist es ethisch nicht zu rechtfertigen, den Konsum heutiger und künftiger Generationen gleich zu be-werten ( 0 und 1). Stattdessen muss eine andere „faire“ Gewichtung gefunden werden, mit >> 0 und/oder >> 1. Dies ist eine ethisch höchst anspruchsvolle Aufga-be. Genau bei dieser Aufgabe scheiden sich die Geister in zwei radikal unterschiedliche Gruppen:

Die einen – nennen wir sie die demokratisch-marktwirtschaftlichen – verzichten auf eine eigene ethische Festlegung der Parameter und versuchen lediglich, die Kon-sumdiskontrate im Ergebnis kompatibel zu machen mit empirischen Beobachtungen zur realen Kapitalmarktrendite und zur Sparquote. Sie sehen diese als „offenbarte Präferenzen“ der Menschen, und damit als einzig legitime Basis für ethische Ent-scheidungen der Gesellschaft.15

Die anderen – nennen wir sie die wohlwollend-diktatorischen – entscheiden sich für jene Parameter, die ihnen nach eigenen ethischen Vorstellungen am sinnvollsten er-scheinen und deshalb einem politisch Verantwortlichen empfohlen werden.16 Auch die Stern-Review gehört zu dieser Gruppe – allerdings mit Ergebnissen, die wahr-scheinlich selbst von ihren Protagonisten bisher nicht sorgfältig nach ihren eigenen ethischen Kriterien überprüft worden sind.

Tatsächlich muss man feststellen, dass bisher von der zweiten Gruppe noch kein umfas-sender Vorschlag vorliegt. Allerdings hat Dasgupta (2007b) eine Re-Interpretation der Parameterwahl der Stern-Review geliefert, die in eine neue und interessante Richtung weist. Formal argumentiert er, dass der Parameter nicht nur als Präferenz für die Gleichheit, sondern auch als Maß für die Risikoaversion der Gesellschaft gedeutet wer-

15 Der prononcierteste Vertreter dieser Linie ist Nordhaus (2007). 16 In der Literatur wird dies – Sen/Williams (1982) folgend – gerne als Government House Ethics tituliert.

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den kann. Dies setzt allerdings voraus, dass in den Modellen eine mehr oder weniger große Unsicherheit über die künftige Produktivität und Kapitalrendite r zugelassen wird.

Formal lässt sich dies lösen, indem zum Beispiel (1 + r) als eine Zufallsvariable darge-stellt wird, mit Mittelwert und Varianz ² für log(1 + r).17 Wie sich zeigen lässt, gilt dann für > 1, dass der Erwartungswert der Kapitalrendite, r*, und deren Varianz ² mit unterschiedlichen Vorzeichen auf die Höhe der Ersparnis wirken:

Je höher r*, umso geringer sollte die Ersparnis sein, weil künftige Generationen ei-nen größeren Einkommensvorsprung gegenüber heutigen Generationen haben (Gleichheitsmotiv);

je höher ², umso größer sollte die Ersparnis sein, weil über das Einkommen künfti-ger Generationen mehr Unsicherheit herrscht (Vorsichtsmotiv).

Dabei ist die absolute Stärke beider Motive abhängig von der Höhe von : je höher ,umso stärker die (negative) Wirkung von r* und die (positive) Wirkung von ² auf die gewünschte Ersparnis.18

Soweit die Re-Interpretation von (mit > 1) als ein Maß für die Risikoaversion der Gesellschaft. Was die ethische Intuition betrifft, hat diese Re-Interpretation viel für sich, erlaubt sie doch der ganz offensichtlichen Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein heuti-ger Entscheidungsträger selbstverständlich nicht genau weiß, wie die künftigen Kapital-renditen aussehen. Und wenn er dies nicht weiß, so lässt sich ein allgemeines Vorsichts-prinzip als Grundlage für seine Entscheidung moralisch durchaus rechtfertigen.

Allerdings führt diese Philosophie – konsequent zu Ende gedacht – in eine Sackgasse, und zwar wegen des Ausmaßes an Unsicherheit. Über künftige Kapitalrenditen in 100, 200, 300 etc. Jahren gibt es heutzutage kaum Anhaltspunkte. Es herrscht darüber annä-hernd vollkommene Unsicherheit, und es ist deshalb nicht möglich, eine entsprechende Verteilung für log(1 + r) mit Mittelwert und Varianz ² anzugeben. Anders formuliert: Die Varianz ² ist für die ferne Zukunft so groß, dass eine optimale Politik nicht mehr vernünftig definiert werden kann.19 Statt einer Vorhersage mit „begrenztem“ Risiko herrscht „grenzenlose“ Unsicherheit.

17 Vgl. Levhari/Srinivasan (1969), auf deren Modell Dasgupta (2007b) Bezug nimmt. Die folgenden Aussa-

gen hängen nicht von Einzelheiten der Ausgestaltung des Modells ab. 18 Stets muss dabei > 1 gelten. Gilt = 1, so hat die Unsicherheit – genauso wie die Ungleichheit – keine

Wirkung auf die Ersparnis. Dies ist ein weiteres ethisch unerwünschtes Ergebnis, das für > 1 spricht. 19 Formal heißt dies: Wegen des sehr großen Risikos erfordert die optimale Politik eine Sparquote von grö-

ßer als eins, d. h. den gänzlichen Verzicht auf Konsum heute und in der Zukunft, ein offenbar sinnloses Ergebnis. Will man dieses Ergebnis vermeiden, müsste > 1 hinreichend klein gewählt werden, also sehr nahe bei eins liegen, was zwingend zu ethisch inakzeptablen Ergebnissen führen würde (siehe oben); vgl. dazu im Einzelnen Dasgupta (2007b).

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Genau deshalb scheitert der Versuch, durch Modellierung von Risiken eine niedrige Konsumdiskontrate zu begründen. Bei Klimamodellen geht es zwingend um sehr lange Zeiträume, und für diese gibt es kaum objektivierbare Informationen über Wahrschein-lichkeitsverteilungen. Man ist damit tatsächlich am Ende der Möglichkeiten, wissen-schaftlich fundierte, ethische Aussagen als Grundlage für eine Kosten-Nutzen-Analyse zur optimalen Klimapolitik zu machen. Dies nicht klar zu formulieren – und stattdessen an der traditionellen Kosten-Nutzen-Analyse mit gezielt niedriger Konsumdiskontrate festzuhalten – ist einer der zentralen Kritikpunkte an der Stern-Review.20

Die Idee der Katastrophenversicherung

Weitzman (2007) hat den Versuch unternommen, einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu weisen. Er fordert eine Besinnung auf den eigentlichen Kernpunkt der klimapolitischen Diskussion, der – jenseits aller formalen Modellierung – zumindest implizit auch die Stern-Review durchzieht. Der Kernpunkt lautet: Es gibt die Möglichkeit und sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit von katastrophalen Folgen einer drastischen Temperaturer-höhung in der fernen Zukunft. Diese Wahrscheinlichkeit ist subjektiver Art. Sie ist prak-tisch nicht zu objektivieren oder gar zu quantifizieren; und sie ist wohl sehr gering. Trotzdem sollte sie in die öffentlichen Entscheidungen einfließen, und zwar zur Begrün-dung einer Art Katastrophenversicherung. Dafür gibt es überzeugende ethische und öko-nomische Argumente:

Ethisch geht es um ein allgemeines Vorsichtsprinzip. Dieses lässt sich auch jenseits konkreter Wahrscheinlichkeitsrechnung rechtfertigen, und zwar als vernünftiger Umgang mit einer strukturellen Unsicherheit, die in ihrer quantitativen Bedeutung bei weitem jedes kalkulierbare Risiko in den Schatten stellt. Praktisch kommt es zu einer Art Umkehr der ethischen Beweislast: Die Natur der Problemstellung verlangt, dass der Start- und der Schwerpunkt der Analyse ein Zustand struktureller Unsi-cherheit ist – und nicht eine Welt ohne oder mit mehr oder weniger begrenztem Ri-siko.

Ökonomisch geht es um die Einsicht, dass die Menschheit bereit ist, zur Vermei-dung von sehr großen Schäden (Katastrophen) mit sehr kleinen Eintrittswahrschein-lichkeiten außerordentlich hohe Prämien zu zahlen. Ein wichtiges Indiz dafür liefert das so genannte Equity Premium Puzzle auf privaten Kapitalmärkten. Dort liegen nämlich die Renditen für Anlagen mit und ohne Risiko viel weiter auseinander, als sich mit Rückgriff auf plausible Konstellationen der relevanten Parameter erklären lässt.

Soweit im Kern der Vorschlag von Weitzman (2007). Er liefert zweifellos eine vernünf-tige Grundlage für die weitere klimapolitische Debatte – eine weit vernünftigere jeden-

20 So vor allem Weitzman (2007), aber sinngemäß auch Dasgupta (2007b) und Nordhaus (2007).

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falls als die Stern-Review mit ihrem Versuch, das öffentliche Entscheidungsproblem in einen Kosten-Nutzen-Rahmen zu zwängen, dessen intertemporale Gewichtung weder ethisch noch ökonomisch befriedigen kann. Prima facie legt Weitzman (2007) eine Stra-tegie nahe, die aus zwei parallelen Strängen besteht:

einer Politik der moderaten, aber über die Zeit verschärften Senkung von Treib-hausgasemissionen, wie sie der traditionellen Empfehlung von Ökonomen entspricht und Rücksicht nimmt auf die hohe Rentabilität von Investitionen außerhalb des Klimaschutzes, die gerade für Entwicklungsländer von größter Bedeutung ist;

einer Politik, die massiv in die gezielte Erforschung der Extremfälle investiert, um kontinuierlich verbesserte Informationen darüber zu gewinnen, mit welchen kata-strophalen Entwicklungen mit geringer Wahrscheinlichkeit in ferner Zukunft zu rechnen ist, wie entsprechende Vorwarnsysteme aussehen könnten und welche Mög-lichkeiten der Verhinderung oder Anpassung es gibt – von Eingriffen der Geo-Ingenieurswissenschaft bis hin zu dann sehr drastischen Maßnahmen der Senkung von Treibhausgasemissionen.

Der Unterschied zur politischen Strategie der Stern-Review – und implizit auch des IPCC-Reports – liegt auf der Hand: Während dort als einziger Weg die sofortige drasti-sche Senkung der Treibhausgasemissionen empfohlen wird, steht bei einer Strategie im Sinne Weitzmans die Zweigleisigkeit im Vordergrund. Diese ergibt sich aus der Logik der Analysen: in der Stern-Review eine extrem niedrige Diskontierung, die das Ergebnis massiv zu Lasten des Gegenwartskonsums und anderer Investitionen als der in den Kli-maschutz präjudiziert; bei Weitzman (2007) eine ökonomisch – und auch ethisch – nach-vollziehbare Gewichtung von Gegenwart und ferner Zukunft, aber gleichzeitig das An-erkennen der Möglichkeit und geringen Wahrscheinlichkeit von Klimakatastrophen und damit die Rechtfertigung der massiven Investition in deren Erforschung.

Aus meiner Sicht ist der Weitzman’sche Weg der bessere. Er sollte Eingang finden in eine umfassende klimapolitische Diskussion, die erst begonnen hat. Es ist eine Art mo-dernisierte Neuauflage jener Diskussion über Allokation und Verteilung von Konsum und Ressourcen, die vor drei Dekaden die ökonomischen und philosophischen Fachzeit-schriften beherrschte. Damals ging es vor allem um die Gerechtigkeit zwischen den vor-handenen Bewohnern eines einzelnen Landes. Heute geht es um dreierlei:

um die Gerechtigkeit zwischen heutigen und künftigen Generationen,

um die Lastenverteilung zwischen jenen Nationen, die heute schon wohlhabend sind, und jenen, die es noch nicht sind, aber baldmöglichst werden wollen, sowie

um die gerechte und effiziente Gestaltung einer Art globalen Versicherung gegen mögliche, aber wenig wahrscheinliche Katastrophen, die ein Klimawandel mit sich bringen kann.

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Literatur

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Teil V

Operations Research, Organisation und Information

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Heike Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher

Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg – Eine Fallstudie

1. Einleitung

2. Problemstellung und -analyse

3. Modellierung

4. Datenermittlung

4.1 Standorte 4.2 Kürzeste Wege und Entfernungen 4.3 Übergangszeiten 4.4 Maximale Tourlänge 4.5 Zeitfenster 4.6 Aktueller Master-Tourenplan

5. Lösungsansatz und Ergebnisse

5.1 Grundlegender Ansatz 5.2 Generierung von Tourenplänen 5.3 Diskussion

6. Ausblick

Literatur

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1. Einleitung

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist eine gemeinnützige Organisation, die auf mehreren Geschäftsfeldern tätig ist. Dazu gehören unter anderem das Rettungswesen, Blutspende-dienste und ein Suchdienst im Katastrophenfall. In einer Reihe von Städten in Deutsch-land bietet das DRK außerdem einen Menübringdienst an, der Kunden mit warmen Mahlzeiten beliefert. Die Tourenplanung für den Menübringdienst in Magdeburg bildet den Gegenstand dieses Beitrags. Es soll untersucht werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bei der Belieferung der Kunden Rationalisierungspotentiale durch eine verbesserte Tourenplanung erschlossen werden können.

In Abschnitt 1 wird zunächst das Tourenplanungsproblem für den Menübringdienst des DRK Magdeburg beschrieben und präzisiert. Insbesondere wird herausgearbeitet, dass im Mittelpunkt der Planungsüberlegungen die Erstellung von Master-Tourenplänen steht, welche die Grundlage für die Ableitung der täglichen Auslieferungstouren bilden. Ein (allgemeines) Optimierungsmodell, das die vorgefundene Problemstruktur abbildet, wird in Abschnitt 2 vorgestellt. Abschnitt 3 beschäftigt sich mit der Vorgehensweise zur Ermittlung der relevanten Problemdaten.

Das zu lösende Optimierungsproblem gehört zwar zur Klasse der NP-schweren (und damit tendenziell nur mit hohem Rechenaufwand lösbaren) Probleme,1 allerdings weist es im Zusammenhang mit der zu lösenden Planungsaufgabe nicht unbedingt eine Prob-lemgröße auf, die von vornherein den Einsatz eines exakten, d. h. nach endlich vielen Schritten eine optimale Lösung liefernden Verfahrens ausschließt. Der hier gewählte Lösungsansatz, der den Einsatz von Standardsoftware der ganzzahligen Optimierung umfasst, wird zunächst in Abschnitt 4 vorgestellt. Anschließend werden für die ermittel-ten Problemdaten zwei (Master-) Tourenpläne generiert, die sich in Bezug auf die Ge-samtlänge der Touren und die Einsatzzeiten der Auslieferungsfahrer unterscheiden. Die Diskussion macht deutlich, dass einer dieser Pläne erhebliche Vorzüge aufweist und deshalb in erster Linie für eine Realisierung in Betracht kommt. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf weiterführende Aspekte in Abschnitt 5.

2. Problemstellung und -analyse

Seit 1990 bietet der Stadtverband Magdeburg des DRK einen Menübringdienst an, der registrierte Kunden vormittags mit warmen Mahlzeiten beliefert. Zum Zeitpunkt der Un-

1 Vgl. Toth/Vigo (2002, S. 8).

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Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg 292

tersuchung (August 2006) bestand der Kundenstamm aus 69 Kunden. Allerdings ist nicht jeder dieser 69 Kunden täglich zu beliefern. Die Kunden geben vielmehr einmal pro Woche ihre Bestellung auf, in der sie festlegen, an welchen Tagen der kommenden Woche sie eine Mahlzeit erhalten wollen. Dabei können sie zwischen acht verschiedenen Menüs wählen. Durchschnittlich werden etwa 58 Kunden pro Tag beliefert.

Die Auslieferung erfolgt an jedem Tag in zwei Touren, für die jeweils ein Fahrzeug mit einem Fahrer zur Verfügung steht. Gegen 9.00 Uhr übernehmen die Fahrer die Mahlzei-ten, prüfen diese dahingehend, ob sie mit den Bestellungen übereinstimmen und ob sie die richtige Temperatur aufweisen. Nach der Beladung der Fahrzeuge beginnen sie ge-gen 9.15 Uhr mit der Auslieferung. Mit der Rückkehr an den Standort der DRK-Geschäftsstelle Magdeburg (im Folgenden kurz Depot genannt) wird die Auslieferung üblicherweise zwischen 12.00 Uhr und 12.30 Uhr beendet.

Jeder Fahrer erhält zum Wochenbeginn einen aus einer Tour bestehenden (Wochen-) Tourenplan, der alle Kunden und deren Standorte umfasst, die von ihm in der betreffen-den Woche mindestens einmal zu beliefern sind, und der angibt, in welcher Reihenfolge die Kunden anzufahren sind. Ein Kunde, der für einen bestimmten Tag der Woche kein Menü bestellt hat, wird an diesem Tag einfach übersprungen, ohne dass ansonsten die Belieferungsreihenfolge geändert wird.

Die Grundlage zur Bestimmung des Wochentourenplans bildet ein aus zwei Touren be-stehender Master-Tourenplan, in dem jeder der 69 Kunden genau einer der beiden Tou-ren zugeordnet und ihre Belieferungsreihenfolge festgelegt ist. Eine Wochentour unter-scheidet sich von der betreffenden Master-Tour nur dadurch, dass Kunden, die in der betreffenden Woche nicht beliefert werden, darin nicht aufgeführt sind, die Belieferungs-reihenfolge ansonsten aber unverändert bleibt. Ein neuer Master-Tourenplan ist insofern immer nur dann zu erstellen, wenn sich der Kundenstamm signifikant verändert hat.

Der starre Zusammenhang zwischen Master-Tourenplan, Wochentourenplan und den tatsächlichen Auslieferungstouren hat sich in der Vergangenheit insofern bewährt, dass die Fahrer „ihre“ Touren schnell erlernen und somit unproduktive Zeiten zum Orientie-ren, Kartenlesen, Programmieren des Navigationssystems usw. entfallen. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, wie gut die zugrunde gelegten, mit Hilfe einer einfachen Tou-renplanungssoftware ermittelten Master-Touren tatsächlich sind und ob hier nicht noch Kosteneinsparungsmöglichkeiten verborgen sind. Dies ist Gegenstand der folgenden Untersuchung.

Die Grundstruktur des geschilderten Problems entspricht dem so genannten Vehicle-Routing-Problem (VRP), einem Standardproblem des Operations Research. Insofern liegt es nahe zu prüfen, ob eine durch OR-Methoden gestützte Tourenplanung zu einer besseren Lösung (Master-Touren) führt. Angestrebt wird ein Master-Tourenplan, der aus zwei Touren besteht und eine möglichst geringe Gesamtlänge aufweist. Die Leiterin der

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Heike Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher 293

DRK-Geschäftsstelle hielt es weiter für wünschenswert, dass die beiden Touren in etwa gleich lang sind, damit eine gleichmäßige Auslastung der Fahrer gewährleistet ist.

3. Modellierung

Das geschilderte Auslieferungsproblem besitzt die Struktur eines Capacitated-Vehicle-Routing-Problem.2 Die Kapazitätsbeschränkungen beziehen sich dabei auf die maximal für jede Tour zur Verfügung stehende Zeit. Dementsprechend sei es im Folgenden ge-nauer als Time-Constrained-Vehicle-Routing-Problem (TCVRP) bezeichnet.

Zudem handelt es sich um ein Tourenplanungsproblem mit Zeitfenstern. Da aber in dem konkreten Fall nur sehr wenige Zeitfenster zu beachten sind, bietet es sich an, diese bei der Bestimmung eines Master-Tourenplans zunächst zu vernachlässigen und das zugrunde liegende TCVRP (also ohne die betreffenden Zeitfensterrestriktionen) zu lö-sen. Anschließend ist die erhaltene Lösung daraufhin zu untersuchen, ob sie die Restrik-tionen erfüllt oder nicht. Sollte das nicht der Fall sein, kann man die Touren durch einfa-che (heuristische) Operationen so modifizieren, dass man einen zulässigen Tourenplan erhält. Für die Modellierung des TCVRP seien zunächst die folgenden Symbole einge-führt:

Indexmengen

V: Indexmenge der n Kundenstandorte (i = 1,2,...,n) und des Depots (i = 0), d. h. V = {0,1,2,...,n}; V wird im Folgenden zur Vereinfachung des Sprachgebrauchs als Menge der Standorte oder als Standortmenge, deren Elemente als Standorte bezeichnet;

K: Indexmenge der Touren bzw. Fahrzeuge, K = {1,2,...,m}.

Konstante

cij: Kosten des Übergangs vom Standort i zum Standort j (i, j V );

ijt : Übergangszeit; Zeitbedarf (in Zeiteinheiten) für den Übergang vom Standort izum Standort j (i, j V );

T: maximale Tourlänge (in Zeiteinheiten).

2 Vgl. Toth/Vigo (2002, S. 5ff).

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Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg 294

Variablen

x0: Zielvariable, Gesamtkosten der Belieferung;

xijk: Binärvariable mit

1, wenn Kunde j auf der Tour k direkt nach Kunde i beliefert wird,

0, sonst

für i, j V, k K;

yik: Binärvariable mit

1, wenn Kunde i auf der Tour k beliefert wird,

0, sonst

für i V, k K.

In Anlehnung an Toth/Vigo (2002, S. 15) lässt sich das TCVRP dann mithilfe des fol-genden Optimierungssystems modellieren:

(1) 0min ij ijki V j V k K

x c x

(2) = 1ikk K

y für \ 0 ;i V

(3) 0 =kk K

y K ;

(4) = =ijk jik ikj V j V

x x y für , ;i V k K

(5) ij ijki V j V

t x T für ;k K

(6) ijk hki S j S

x y für \ 0 , , ;S V h S k K

(7) 0,1ik y für , ;i V k K

(8) 0,1ijkx für , .i, j V k K

xijk =

yik =

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Heike Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher 295

Zielfunktion und Zielvorschrift (1) fordern eine Minimierung der gesamten Kosten x0der Belieferung. Dabei ist der Begriff Kosten nicht im engen betriebswirtschaftlichen Sinn zu verstehen, sondern allgemein als eine zu minimierende Zielgröße, die im Zu-sammenhang mit der gewählten Kundenreihenfolge steht und die sich additiv aus den „Kosten“ cij ergibt, die bei dem Übergang von einem Kundenstandort bzw. vom Depot zu einem anderen Standort entstehen. Als Maßgröße für derartige Kosten kommt vor allem die Zeit in Betracht, die für den Übergang von einem Kundenstandort bzw. Depot izu einem Kundenstandort bzw. Depot j benötigt wird, oder aber – wie im vorliegenden Fall – die in diesem Zusammenhang zurückzulegende Entfernung.

Die Restriktionen (2) bewirken, dass jeder Kundenstandort genau einmal besucht wird und jeder Kunde genau einer Tour zugeordnet wird. Durch Restriktion (3) ist die Anzahl |K| der Touren im zu ermittelnden Tourenplan festgelegt. Die Restriktionen (4) bewir-ken, dass dasjenige Fahrzeug, das den Kundenstandort anfährt, diesen auch wieder ver-lässt. (5) beschränkt die Länge jeder Tour (gemessen in Zeiteinheiten) auf eine maximale Länge T. Schließlich sichern die Restriktionen (6), dass die zu bestimmenden Touren des Tourenplans auch zusammenhängen. Sie können auch durch Subtour-Eliminations-restriktionen3 ersetzt werden. Das Optimierungsproblem (1) bis (8) ist NP-schwer,4 des-halb kann nicht damit gerechnet werden, dass größere Probleme sich in angemessener Rechenzeit (optimal) lösen lassen. Andererseits erscheinen die hier zu lösenden Touren-planungsprobleme aber auch nicht als so groß, dass von vornherein die Lösung mit exak-ten Lösungsverfahren ausgeschlossen wäre.

4. Datenermittlung

In Bezug auf das Auslieferungsproblem des DRK Magdeburg ist die Anzahl der Touren mit |K| = 2 fest vorgegeben. Dann werden zur Spezifizierung des Optimierungssystems (1) bis (8) weiter folgende Daten benötigt:

Standorte der Kunden und des Depots,

kürzeste Wege zwischen den Standorten und ihre Längen (Entfernungen),

Übergangszeiten,

maximale Tourlänge und

Zeitfenster.

3 Vgl. Fisher/Jaikumar (1981, S. 111). 4 Vgl. Toth/Vigo (2002, S. 8).

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4.1 Standorte

Die Kundenstandorte bzw. die Lage des Depots werden zur Bestimmung der kürzesten Wege zwischen diesen Standorten und deren Längen (Entfernungen) benötigt. Der Be-stand an Kunden und ihre jeweiligen Standorte lassen sich unmittelbar aus den Ge-schäftsunterlagen des DRK entnehmen. Sie können unter www.uni-magdeburg.de/ mansci/rm/drk_tourenplanung eingesehen werden. Zwei Kunden befinden sich an dem-selben Standort (Standort Nr. 46), so dass insgesamt n = 68 Kundenstandorte bzw. |V | = 69 Standorte zu berücksichtigen sind. Abbildung 1 zeigt eine Übersichtskarte der Stadt Magdeburg, in der die Standorte der Kunden (als Kreise) sowie die Lage des De-pots (als Quadrat) dargestellt sind.

4.2 Kürzeste Wege und Entfernungen

Als Maßgröße für die Kosten cij in (1) soll hier – wie bereits angemerkt – die zwischen den Standorten der Rundreisen zurückzulegende Entfernung (in Metern) zugrunde gelegt werden. Die Entfernung von einem Standort i zu einem Standort j ist dabei definiert als die Länge eines kürzesten Wegs von i nach j; der Begriff der Entfernung beinhaltet also bereits, dass ein kürzester Weg von i nach j bestimmt wurde und stets nur ein solcher Weg benutzt wird. x0 ist dementsprechend die Gesamtlänge aller Touren des Touren-plans.

Zur Ermittlung der relevanten Größen cij müssen nun nicht die Entfernungen für sämtli-che (n + 1) (n + 1) = 69 69 = 4 761 Paare (i, j) von Standorten explizit gemessen wer-den. Vielmehr reicht es aus, für jeden Standort die dazugehörenden Nachbarstandorte und die betreffenden Entfernungen zu identifizieren. Ein zu einem Standort i gehörender Nachbarstandort ist in diesem Zusammenhang als ein Standort definiert, der sich auf einem kürzesten Weg von i aus unmittelbar erreichen lässt, d. h. bei dem der betreffende kürzeste Weg nicht über einen dritten Standort führt. Die Menge der zu einem Standort igehörenden Nachbarstandorte ist in städtischen Verkehrsnetzen üblicherweise sehr klein und lässt sich – etwa anhand von Stadtplänen – leicht bestimmen. Für alle Standorte und die dazugehörigen Nachbarstandorte ermittelt bzw. misst man zunächst die jeweilige Entfernung. Mit Hilfe des Tripel-Algorithmus5 lassen sich dann die kürzesten Wege zwischen allen Standorten und die zugehörigen Entfernungen mit polynomialem Re-chenaufwand O(n3) ermitteln.6

5 Auch Floyd-Algorithmus; vgl. etwa Domschke/Drexl (2005, S. 76–77). 6 Vgl. Grünert/Irnich (2005, S. 290).

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Abbildung 1: Kundenstandorte und Lage des Depots7

7 Die Übersichtskarten in diesem Beitrag werden verwendet mit freundlicher Genehmigung von Jörg

Schönbaum.

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Für die Ermittlung der Entfernungen von den Standorten zu den jeweiligen Nach-barstandorten wurde auf den frei verfügbaren Routenplaner von Falk (www.falk.de) zu-rückgegriffen. Es stellte sich heraus, dass einige Kundenadressen nicht exakt zugeordnet werden konnten und deshalb Ausweichadressen genutzt werden mussten. In einigen Fäl-len (etwa in verwinkelten Neubaugebieten) mussten auch manuelle Korrekturen vorge-nommen werden, weil die Lage des tatsächlichen Standorts erheblich von der im Rou-tenplaner verwendeten Lage abwich. Die Anwendung des Tripel-Algorithmus lieferte schließlich die benötigten kürzesten Wege und Entfernungen für alle Paare von Standor-ten. Die Entfernungsmatrix und die zugehörige Wegematrix sind auf der bereits angege-benen Website eingestellt.

4.3 Übergangszeiten

Die Übergangszeit tij lässt sich hier als diejenige Zeit definieren, die vom Abschluss der Auslieferung am Standort i bis zum Abschluss der Auslieferung am Standort j vergeht. Sie setzt sich zusammen aus der Fahrtzeit fij vom Standort i zum Standort j, aus der We-gezeit wj, die der Fahrer für den Fußweg vom Parkplatz des Auslieferungsfahrzeugs bis zur Haustür des Kunden j benötigt, aus der Zugangszeit zj für den Weg von der Haustür zur Wohnungstür sowie aus der Aufenthaltszeit aj beim Kunden. Die zuletzt genannte Zeitkomponente ist die Zeit, die der Auslieferungsfahrer an der Wohnungstür bzw. in der Wohnung des Kunden bei der Übergabe der Mahlzeit verbringt. Die Übergangszeit er-gibt sich dementsprechend wie folgt:

(9) tij = fij + 2(wj + zj) + aj für alle i, j V.

Wege- und Zugangszeit gehen doppelt in die Berechnung ein, da die entsprechenden Zeiten zweimal, nämlich jeweils auf dem Hin- und dem Rückweg zwischen Parkplatz und Kunden, anfallen.

Bei der Ermittlung der Fahrtzeiten fij wurde eine proportionale Beziehung zwischen Ent-fernung und Fahrtzeit unterstellt. An mehreren Tagen wurden die zurückgelegten Ent-fernungen und die zugehörigen tatsächlich realisierten Fahrtzeiten aufgenommen und daraus eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 27 km/h bzw. 7,5 m/sec ermittelt, was 0,13 Sekunden pro Meter entspricht. Durch Multiplikation der zuvor ermittelten Entfer-nungen mit diesem Faktor ergeben sich die zugehörigen Fahrtzeiten fij.

Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Wegezeiten wj als auch der Zugangszeiten zj wurde vereinfachend eine Klasseneinteilung vorgenommen, bei der jeweils drei Zeit-aufwands- bzw. Schwierigkeitsklassen unterschieden wurden: kurz, mittellang, lang bzw. leicht, mittelschwer, schwer. Die konkreten Klassendefinitionen sowie die zugehö-

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rigen Prozesszeiten (in Sekunden) können Tabelle 1 entnommen werden. Die Prozess-zeiten repräsentieren dabei wiederum Durchschnittswerte, die sich bei einer Erhebung der tatsächlich realisierten Zeiten ergaben.

Merkmal Merkmalsklasse Klassengrenzen Prozesszeit [sec]

kurz bis unter 10 m 20

mittellang 10 m bis unter 40 m 38 Fußweg

lang 40 m und länger 62

leicht Erdgeschoss 9

mittelschwer 1. und 2. Etage 36 Zugang

schwer 3. Etage und höher 73

Tabelle 1: Klasseneinteilung und zugehörige Prozesszeiten für Fußweg und Zugang

Die Aufenthaltszeiten aj wurden im Durchschnitt mit 17 Sekunden ermittelt, d. h. hier wurde jeweils mehr oder weniger nur das Tablett mit der Mahlzeit an der Wohnungstür übergeben. Bei zwei Kunden (Nr. 28 und 48) wurde allerdings – medizinisch begrün-det – ein erheblich längerer Aufenthalt festgestellt. Dies machte eine explizite Korrektur der betreffenden Aufenthaltszeiten erforderlich, die dann jeweils mit 120 Sekunden an-gesetzt wurden.

Eine weitere Korrektur war in Bezug auf die Zugangs- und die Aufenthaltszeit des Standorts Nr. 46 erforderlich, da dort zwei Kunden wohnen. Hier wurde bei der Festle-gung der Zugangszeit lediglich der Kunde berücksichtigt, der in der höheren Etage wohnt. Zudem wurde die Aufenthaltsdauer verdoppelt.

Betrachtet man in (9) lediglich die am Standort j anfallenden Zeitkomponenten, so erhält man die so genannte Servicezeit sj am Standort j:

(10) sj = 2(wj + zj) + aj für alle j V.

Die Servicezeiten für die 68 Kundenstandorte sowie die sich aus den ermittelten Fahrt-, Wege- und Servicezeiten bestimmte Matrix der Übergangszeiten sind ebenfalls auf der angegebenen Website einsehbar.

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4.4 Maximale Tourlänge

Die Auslieferung an die Kunden sollte idealerweise bis 12.00 Uhr, spätestens aber bis 12.30 Uhr abgeschlossen sein. Die an den einzelnen Tagen zu absolvierenden Touren umfassen allerdings nur einen Teil des in den zu bestimmenden Master-Touren enthalte-nen Kundenstamms. Für die Planung der Master-Touren kann deshalb ein größerer Zeit-rahmen unterstellt werden. Als Obergrenze für die Beendigung der Master-Touren wur-de dementsprechend zunächst 13.00 Uhr angesetzt. Die sich unter dieser Zeitrestriktion ergebenden Master-Touren sind später dahingehend zu überprüfen, ob sie in der tägli-chen Auslieferung auch tatsächlich zu Touren führen, die der vorgesehenen Beendi-gungszeit genügen.

Geht man davon aus, dass die Auslieferungsfahrer ihre Touren um 9.15 Uhr beginnen, so kann der zur Verfügung stehende Zeitrahmen für die Auslieferung in Bezug auf die Mas-ter-Touren mit 3.45 Stunden angesetzt werden, was T = 13 500 [sec] entspricht.

4.5 Zeitfenster

Wie dargestellt, sind bei der Auslieferung an einige wenige Kunden Zeitrestriktionen zu beachten. Diese Kunden bzw. deren Standorte und die jeweiligen Zeitfenster sind in Ta-belle 2 aufgeführt.

Standort-Nr. Belieferungszeitraum

1

42

68

09.15 Uhr – 10.00 Uhr

09.15 Uhr – 11.00 Uhr

11.00 Uhr – 12.30 Uhr

Tabelle 2: Zeitfenster für die Auslieferung

4.6 Aktueller Master-Tourenplan

Der für den gegebenen Kundenstamm zum Untersuchungszeitpunkt vom DRK Magde-burg genutzte (Master-) Tourenplan (aktueller Master-Tourenplan) ist in Abbildung 2 und Tabelle 3 dargestellt. Er besitzt eine Länge von 106,026 km. Zu seiner Abwicklung werden insgesamt 24 108 Sekunden (das entspricht sechs Stunden und 41,8 Minuten) benötigt.

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Master-Tour 0.2

Master-Tour 0.1

Abbildung 2: Aktueller Master-Tourenplan (Tourenplan 0)

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Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg 302

Master-Tour 0.1

0 – 1 – 3 – 2 – 5 – 4 – 6 – 7 – 8 – 9 – 10 – 11 – 12 – 13 – 14 – 15 – 17 – 16 – 19 – 20 – 18 – 21 – 25 – 26 – 27 – 28 – 32 – 33 – 34 – 31 – 29 – 30 – 35 – 24 – 23 – 22 – 36 – 37 – 38 – 39 – 41 – 40 – 0

Länge der Tour [m]: 60 081, benötigte Zeit [sec]: 13 275 (12.56 Uhr)

Master-Tour 0.2

0 – 42 – 43 – 44 – 45 – 46 – 47 – 48 – 49 – 51 – 50 – 52 – 54 – 53 – 55 – 56 – 57 – 58 – 59 – 60 – 61 – 62 – 63 – 64 – 65 – 66 – 67 – 68 – 0

Länge der Tour [m]: 45 945, benötigte Zeit [sec]: 10 833 (12.16 Uhr)

Tabelle 3: Aktueller Master-Tourenplan (Tourenplan 0)

5. Lösungsansatz und Ergebnisse

5.1 Grundlegender Ansatz

Der für die Lösung des Auslieferungsproblems des DRK gewählte Lösungsansatz beruht auf der Grundidee, dass man – wegen ihrer geringen Anzahl – zunächst von den Zeit-fensterrestriktionen absieht und das entsprechende TCVRP löst. Dies kann grundsätzlich etwa durch den Einsatz von Software der linearen bzw. ganzzahligen Optimierung ge-schehen. Das führt jedoch insofern zu Schwierigkeiten, als dass sich die Restriktionen des Typs (6) kaum vorab vollständig formulieren lassen.

Man kann allerdings so vorgehen, dass man zunächst auf diese Restriktionen verzichtet und das so relaxierte TCVRP löst. Dies bereitet in Bezug auf die hier relevante Problem-größe keine besonderen Schwierigkeiten, allerdings sollte sich die generierte Lösung in Bezug auf das zugrunde liegende, vollständige TCVRP üblicherweise als unzulässig er-weisen, da damit gerechnet werden kann, dass sie neben zweier, im Depot beginnender und endender Touren noch weitere, nicht mit dem Depot verbundene Touren (auch Sub-touren oder Kurzzyklen genannt) enthält. Man formuliert nun diejenigen Restriktionen des Typs (6), die gerade diese Subtouren ausschließen, fügt sie dem bisher gelösten Op-timierungssystem hinzu und löst es erneut. Die Schritte werden so lange wiederholt, bis man eine in Bezug auf das vollständige TCVRP zulässige Lösung erhalten hat.

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Diese Lösung repräsentiert einen (hier aus zwei Touren bestehenden) Tourenplan, in dem jedoch möglicherweise noch Zeitfensterrestriktionen verletzt sind. Diese Verletzun-gen lassen sich dann etwa auf heuristischem Wege durch ein einfaches Remove and In-sert beheben, d. h. man nimmt einen Standort, dessen Zeitfensterrestriktion verletzt ist, aus der betreffenden Tour heraus und fügt ihn an einer anderen Stelle wieder ein, die in Bezug auf das Zeitfenster zulässig ist und an der sich die geringste Zielwertverschlechte-rung ergibt (Cheapest Insertion). In Tabelle 4 ist der geschilderte Lösungsansatz noch einmal systematisch zusammengefasst.

Schritt 1

(1.1) Löse das in Bezug auf die Restriktionen (6) relaxierte TCVRP!

(1.2) Besitzt die Lösung Subtouren, so gehe zu Schritt 2, andernfalls zu Schritt 3!

Schritt 2

(2.1) Ergänze das bisher vorliegende Optimierungssystem um diejenigen Restrikti-onen des Typs (6), die gerade die in der vorliegenden Lösung enthaltenen Subtouren ausschließen!

(2.2) Löse das ergänzte Optimierungssystem!

(2.3) Besitzt die Lösung Subtouren, so wiederhole (2.1) und (2.2)!

Schritt 3

(3.1) Sind in der Lösung Zeitfensterrestriktionen verletzt, so wende eine Heuristik an, mit der die Lösung zulässig wird!

(3.2) Stopp!

Tabelle 4: Lösungsansatz für das Auslieferungsproblem des DRK

Zur Erstellung des Optimierungsmodells wurde die Modellierungssprache AMPL, als Optimierungssoftware CPLEX 7.1 verwendet. Alle Rechnungen wurden auf einem AMD Athlon 2800+ (Rechnerleistung: 2,08 GHz, 524 MB RAM) durchgeführt.

5.2 Generierung von Tourenplänen

Bei einem ersten Lösungsversuch zeigte sich bereits, dass die Kunden Nr. 1 und 42 ganz an das Ende einer Tour gesetzt würden. Da andererseits keine Auslieferungstour vor 11.00 Uhr beendet sein wird, würde dadurch das Zeitfenster, das für die Belieferung die-ser Kunden zur Verfügung steht, verletzt werden. Um zu verhindern, dass die zu erzeu-genden Lösungen gerade diese Merkmale aufweisen, wurden vorab c1,0 = M und c42,0 = M (M : hinreichend große Zahl) gesetzt. Mit einer ähnlichen Überlegung lässt sich

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in Bezug auf den Kunden Nr. 68, der nach 11.00 Uhr beliefert werden soll, c0,68 = M set-zen. Die Lösung des TCVRP führte zu dem in Tabelle 5 und Abbildung 3 dargestellten Tourenplan. Tabelle 6 macht den Rechenaufwand deutlich, der im Zusammenhang mit dem sukzessiven Ausschluss der Kurzzyklen entstand.

Master-Tour 1.1

0 – 42 – 1 – 2 – 3 – 43 – 44 – 45 – 52 – 54 – 53 – 51 – 50 – 49 – 48 – 47 – 46 – 11 – 55 – 56 – 57 – 58 – 59 – 60 – 61 – 64 – 63 – 62 – 65 – 66 – 14 – 15 – 67 – 13 – 10 – 12 – 8 – 7 – 9 – 6 – 4 – 5 – 0

Länge der Tour [m]: 48 981, benötigte Zeit [sec]: 13 220 (12.55 Uhr)

Master-Tour 1.2

0 – 17 – 16 – 37 – 38 – 19 – 20 – 18 – 21 – 25 – 26 – 27 – 28 – 33 – 32 – 29 – 31 – 34 – 35 – 30 – 24 – 23 – 22 – 36 – 39 – 41 – 40 – 68 – 0

Länge der Tour [m]: 41 452, benötigte Zeit [sec]: 8 808 (11.42 Uhr)

Tabelle 5: Tourenplan minimaler Länge (Tourenplan 1)

IterationZielfunk-tionswert

[m]

Dauer [sec]

Anzahl Simplex-

Iterationen

Anzahl B&B-

Knoten

Anzahl Kurzzyklen

Relaxation 73 263 0,53 247 4 29

1 80 956 2,50 1 442 2 16

2 85 837 12,00 2 611 79 6

3 87 036 160,00 107 298 7 772 6

4 87 606 750,00 460 686 1 593 6

5 88 476 170,00 84 130 2 129 1

6 88 858 340,00 146 798 3 028 1

7 89 128 9,30 3 137 0 1

8 89 833 8,60 2 947 0 1

9 90 433 48,00 4 409 27 0

Tabelle 6: Rechenaufwand und Iterationen zur Bestimmung eines (Master-) Tourenplans minimaler Länge

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Master-Tour 1.2

Master-Tour 1.1

Abbildung 3: Tourenplan minimaler Länge (Tourenplan 1)

Die beiden Master-Touren sind vor 13.00 Uhr beendet und erfüllen auch die Zeitfenster-restriktionen der drei Kunden Nr. 1, 42 und 68; sie repräsentieren also einen zulässigen Tourenplan für das zugrunde liegende Problem. Die Master-Tour 1.1 hat eine Gesamt-länge von 48,981 km und eine Gesamtdauer von 13 220 Sekunden, was einer Ankunfts-

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zeit im Depot von 12.55 Uhr entspricht. Master-Tour 1.2 hat eine Länge von 41,452 km und dauert 8 808 Sekunden. Sie ist um 11.42 Uhr beendet.

Es wird deutlich, dass die beiden Touren zu sehr unterschiedlichen Endzeitpunkten füh-ren. In einem weiteren Schritt wurde deshalb versucht, zwei – hinsichtlich ihres Zeitbe-darfs – ausgeglichenere Master-Touren zu finden. Hierzu wurde in Zeitrestriktion (5) der zur Verfügung stehende Zeitrahmen auf T = 12 600 reduziert, was einem Endzeitpunkt von 12.45 Uhr entspricht. Master-Tour 1.1 wird damit unzulässig.

Die Ermittlung einer optimalen Lösung des zugehörigen TCVRP gestaltete sich aufwen-diger, da die Zeitrestriktion nun sehr stark bindend wirkt. Es konnte dennoch – wenn auch mit größerem Zeitaufwand – wieder eine optimale Lösung gefunden werden. Der ermittelte Tourenplan (hier nicht angegeben) war jedoch in Bezug auf die Zeitfensterre-striktionen für die Kunden Nr. 1 und 42 nicht zulässig. Deshalb wurden diese Kunden, die beide der Tour 2 zugeordnet waren, wieder herausgelöst und – gemäß dem Cheapest-Insertion-Verfahren8 – jeweils dort wieder (in die Tour 2) eingefügt, wo sich die ge-ringste Verlängerung der Tour ergab. Die Länge der Tour erhöht sich dadurch um 2,969 km auf 47,892 km, ihr Zeitbedarf steigt um 230 Sekunden auf 10 015 Sekunden, was einer neuen (zulässigen) Endzeit für diese Tour von 12.02 Uhr entspricht. Den neu-en Tourenplan (Tourenplan 2) zeigt Tabelle 7.

Master-Tour 2.1

0 – 43 – 44 – 45 – 52 – 54 – 53 – 50 – 51 – 49 – 48 – 47 – 46 – 11 – 55 – 56 – 57 – 58 – 59 – 60 – 61 – 64 – 63 – 62 – 65 – 66 – 14 – 15 – 67 – 13 – 10 – 12 – 9 – 8 – 7 – 6 – 4 – 5 – 0

Länge der Tour [m]: 48 078, benötigte Zeit [sec]: 12 583 (12.45 Uhr)

Master-Tour 2.2

0 – 1 – 42 – 40 – 41 – 39 – 38 – 36 – 22 – 23 – 24 – 30 – 35 – 34 – 31 – 29 – 32 – 33 – 28 – 27 – 26 – 25 – 21 – 18 – 20 – 19 – 37 – 17 – 16 – 3 – 2 – 68 – 0

Länge der Tour [m]: 47 892, benötigte Zeit [sec]: 10 015 (12.02 Uhr)

Tabelle 7: Tourenplan mit zeitlich besser ausgeglichenen Touren (Tourenplan 2)

8 Vgl. Reinelt (1994, S. 83).

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Heike Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher 307

5.3 Diskussion

Bei dem zweiten neu ermittelten Tourenplan (Tourenplan 2) sind die Auswirkungen ge-ringer. Die Kilometerleistung pro Tag geht – gegenüber dem aktuellen Master-Touren-plan – lediglich um 10,1 km (9,5 Prozent) zurück, was einer jährlichen Einsparung von 1 032,22 Euro entspricht. Eine gleichmäßigere Auslastung der Fahrer muss also mit ei-ner signifikant geringeren Reduzierung der Fahrzeugkosten „erkauft“ werden. Diese Er-kenntnis führte zu dem Entschluss, das Ziel einer möglichst gleichmäßigen Auslastung der Fahrer bzw. Fahrzeuge nicht weiterzuverfolgen und eine Realisierung des Touren-plans 1 anzustreben.

Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass es sich bei den Touren der neu generierten Tourenpläne (wie auch bei denjenigen des aktuellen Tourenplans) um Master-Touren handelt. Damit verbleibt zu prüfen, ob sich speziell auf der Grundlage des zur Realisie-rung vorgesehenen (Master-) Tourenplans 1 im Rahmen des vom DRK praktizierten Planungsablaufs tatsächlich zulässige, tagesbezogene Auslieferungstouren ergeben. Ge-nauer formuliert: Für die Planung der Master-Touren des Tourenplans 1 wurde 13.00 Uhr als (hypothetische) Zeitobergrenze für die Rückkehr der Fahrzeuge ins Depot unterstellt. Streicht man zur Ermittlung der tagesbezogenen Auslieferungstouren aus diesen Master-Touren einfach die jeweils nicht zu beliefernden Kunden, ist dadurch ge-währleistet, dass sämtliche Kunden bis 12.30 Uhr beliefert werden?

In diesem Zusammenhang erübrigt sich eine genauere Analyse für die zweite Tour 1.2, da für diese – schon als Master-Tour – lediglich 41 452 Sekunden benötigt werden, was einem Zeitpunkt der Rückkehr ins Depot von 11.42 Uhr entspricht. Diese Tour kann also im Hinblick auf die vorgegebene Zeitobergrenze für die Belieferung der Kunden nicht kritisch werden. Anders sieht es dagegen für die Master-Tour 1.1 aus, für die ein (hypo-thetischer) Rückkehrzeitpunkt von 12.55 Uhr ermittelt wurde. Für diese Tour wurde deshalb anhand der Daten einer eher durch eine große Kundenzahl charakterisierte Ka-lenderwoche (34. Kalenderwoche, 14. bis 20. August 2006) geprüft, wann die täglichen Auslieferungsfahrten beendet werden. Das Ergebnis ist in Tabelle 8 dargestellt.

Master-Tour 1.1

14.08. 15.08. 16.08. 17.08. 18.08. 19.08. 20.08.

Dauer [sec] 11 608 11 680 11 255 10 950 11 712 9 909 9 076

Ankunft beim letzten Kunden

12.28Uhr

12.29Uhr

12.22Uhr

12.17Uhr

12.30Uhr

11.59Uhr

11.46Uhr

Tabelle 8: Dauern und Beendigungszeitpunkte für die sich aus der Master-Tour 1.1 ergebenden Auslieferungstouren

Page 287: Transformation in der –konomie: Festschrift f¼r Gerhard Schw¶diauer zum 65. Geburtstag

Tourenplanung für den Menübringdienst des Deutschen Roten Kreuzes Magdeburg 308

Die Beendigungszeitpunkte der Auslieferungstouren liegen zwischen 11.46 Uhr und 12.30 Uhr. Sie repräsentieren die Zeitpunkte der Ankunft beim letzten Kunden der betreffenden Auslieferungstour. Es wird also tatsächlich kein Kunde nach 12.30 Uhr beliefert.

Schließlich stellt sich die Frage, ob sich die auf der Grundlage der Master-Touren für den Tourenplan 1 prognostizierten Einsparungen auch für die täglichen Auslieferungs-fahrten aufzeigen lassen. Tabelle 9 stellt die Fahrleistungen gegenüber, die auf der Grundlage des aktuellen bzw. des neu ermittelten Tourenplans 1 an den einzelnen Wo-chentagen der ausgewählten Referenzwoche (34. Kalenderwoche) zu erbringen sind. Die Einsparungen sind nahezu mit den für die Master-Touren berechneten Werten identisch. Bei einer Realisierung des Tourenplans 1 sind die Auslieferungstouren um etwa 15,7 km pro Tag (16,1 Prozent) kürzer als die aus dem aktuellen Master-Tourenplan hergeleiteten Auslieferungstouren.

14.08. 15.08. 16.08. 17.08. 18.08. 19.08. 20.08.Durch-schnittpro Tag

Tour 0.1 53 298 55 222 57 634 55 222 57 734 49 802 50 828 54 249

Tour 0.2 44 590 44 590 43 790 43 790 44 590 40 366 39 566 43 040

Toure

n-

pla

n 0

gesamt 97 888 99 812 101 424 99 012 102 324 90 168 90 394 97 289

Tour 1.1 47 033 47 381 46 617 46 581 47 258 40 836 40 442 45 164

Tour 1.2 35 293 38 025 39 328 38 353 39 328 31 586 33 006 36 417

Toure

n-

pla

n 1

gesamt 82 326 85 406 85 945 84 934 86 586 72 422 73 448 81 581

Tabelle 9: Länge [m] der aus dem aktuellen und dem neu berechneten Master-Tourenplan 1 abgeleiteten Auslieferungstouren

6. Ausblick

Es wird deutlich, dass in dem vorliegenden Fall der Tourenplanung für den Menübring-dienst des DRK Magdeburg durchaus noch Rationalisierungspotentiale vorhanden sind. Bei einer sich häufig ändernden Ausgangssituation (Kundenstamm) sind diese nur durch den Einsatz einer geeigneten Planungssoftware erschließbar. Damit müssen die zu er-wartenden Einsparungen (Ausgaben für Benzin, Wartung und Reparaturen, Personal usw.) gegen die Ausgaben für den Erwerb (oder die Miete) und die Implementierung einer solchen Software sowie die Schulung der Mitarbeiter abgewogen werden. Tatsäch-

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Heike Haußner, Jessica Knauel und Gerhard Wäscher 309

lich müssen diese Ausgaben nicht sehr hoch sein, einfache – für die betrachtete Problem-stellung ausreichende – Pakete zur Tourenplanung werden schon für circa 3 000 Euro angeboten. Weniger professionell gestaltete Software ist im Internet auch frei verfügbar (z. B. Jopt.NET-Vehicle Routing Software L 1.0.9).

Literatur

Domschke, W.; Drexl, A. (2005): Einführung in Operations Research, 6. Aufl., Berlin et al.

Fisher, M. L.; Jaikumar, R. (1981): A Generalized Assignment Heuristic for Vehicle Routing, Networks 11, S. 109–124.

Grünert, T.; Irnich, S. (2005): Optimierung im Transport – Band II: Wege und Touren,Aachen.

Reinelt, G. (1994): The Traveling Salesman – Computational Solutions for TSP Applica-tions, Berlin et al.

Toth, P.; Vigo, D. (2002): The Vehicle Routing Problem, Philadelphia.

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Horst Albach

Zerrissene Netze und produktive Netzwerke

1. Einleitung

2. Netzwerke

2.1 Definitionen 2.2 Unternehmensinterne Netzwerke 2.3 Unternehmensexterne Netzwerke

3. Empirische Evidenz für die Produktivität von Netzwerken

3.1 Information-Exchange-Systeme 3.2 Staatlich geförderte Netzwerke

3.2.1 Förderung von Unternehmensnetzwerken durch die Europäische Union

3.2.2 Staatlich geförderte Cluster von Unternehmen im Bundesland Brandenburg

Literatur

Glückwunsch und Dank

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1. Einleitung

Zerrissene Netze

Jüngst hat Hans-Werner Sinn die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland durch die These schockiert, die neuen Bundesländer seien ökonomisch nichts anderes als das Mezzogiorno. Statt „blühender Landschaften“ nun also ein „Fass ohne Boden“! Zu fra-gen ist: Handelt es sich bei dem Transformationsprozess in den neuen Bundesländern tatsächlich um einen „Egmont-Prozess“ – „Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt“? In meinem Beitrag zu dieser Festschrift für Gerhard Schwödiauer aus Anlass seines 65. Geburtstages möchte ich zeigen, dass der Transformationsprozess mit Hilfe einer Theorie dynamischer Netzwerke verstanden werden kann. Damit lässt sich dann auch sofort zeigen: Potsdam ist die sicherste Stadt Deutschlands, Neapel die wohl unsicherste. Der Vergleich hinkt. Der Analogieschluss ist unzulässig.

Als die DDR „über uns hereinbrach“, wie Kurt Biedenkopf die Öffnung der Mauer be-zeichnete, zerrissen alle Netze wirtschaftlicher Beziehungen, die im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftsbeziehungen entwickelt worden waren. Es zerrissen auch alle Beziehungen zu Unternehmen im Gebiet der nichtsozialistischen Wirtschaft, da die Preisvorteile, die die Volkseigenen Betriebe boten, nach der Einführung der D-Mark entfielen.1 Mit dem Austritt der DDR aus dem COMECON zerrissen auch die Netzwer-ke, die mit den anderen Ländern des sozialistischen Wirtschaftsraums bestanden. Das Know-how, das in diesem System aufgebaut worden war, einschließlich der Kenntnis aller handelnden Personen, war wertlos geworden.

Vertikale Netze

Dabei handelte es sich zum einen um vertikale Netzwerke. Sie sind als vertikale Keiretsu bekannt und besonders erforscht worden.2 Wir sprechen heute von der Logistikkette, die alle Lieferanten- und alle Abnehmerstufen umfasst. Es mussten neue Abnehmer in den Marktwirtschaften der westlichen Industriestaaten gefunden werden. Da diese hohe Qua-litätsansprüche stellten und diese von den ehemals Volkseigenen Betrieben nicht schnell erfüllt werden konnten, mussten auch Lieferanten in Westeuropa und in Übersee gefun-den werden. Ein gutes Beispiel für einen solch radikalen Umbau der Wertschöpfungsket-te ist die Firma Jenoptik.

1 Vgl. ausführlich Albach (1993). 2 Vgl. Steinbrenner (1977).

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 314

Horizontale Netze

Neue Abnehmer im Westen zu finden war umso schwerer, als diese bereits „vergeben“ waren. Farben und Lacke hatten die Hersteller von rollendem Material für die Deutsche Reichsbahn bisher von den Werken der VVB Lacke und Farben bezogen. Als die Bun-desbahn und die Reichsbahn zusammengeführt wurden, galten die Normen der Bundes-bahn auch für die VVB Lacke und Farben. Es dauerte zwei Jahre, bis deren Farben und Lacke die geforderte Qualität aufwiesen. Zu diesem Zeitpunkt hatten aber die bisherigen Lieferanten der Bundesbahn schon die Lieferanteile der VVB Lacke und Farben über-nommen. Wer überleben wollte, musste sich so schnell wie möglich in die westlichen Liefernetzwerke einklinken (zumeist durch Verkauf an westdeutsche oder ausländische Unternehmen mit entsprechendem Know-how) oder den strategischen Wettbewerbsvor-teil der Erinnerung an gute Vorkriegsmarken nutzen (z. B. Rotkäppchen-Sekt oder Echte Spreewälder Gurken).

Im Transformationsprozess haben sich inzwischen neue Formen von Netzwerken her-ausgebildet, mit deren Hilfe die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in den neuen Bundesländern gefördert wird. Ihre Behandlung erfordert klare Definitio-nen von Netzwerken sowie eine grundsätzliche Erörterung von unternehmensinternen und unternehmensexternen Netzwerken.

2. Netzwerke

2.1 Definitionen

Kooperation als Instrument des Nachteilsausgleichs

Mit der Verabschiedung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Jahr 1952 trat ein generelles Kartellverbot in Kraft. Der Bundesverband der deutschen Industrie – unter seinem Präsidenten Fritz Berg sehr mittelstandsorientiert – empfand die vom Gesetz geschaffenen Hindernisse für unternehmerische Zusammenarbeit als prohi-bitiv.3 Die Diseconomies of Scale der KMU rechtfertigten einen Nachteilsausgleich durch den Staat in Form der „Mittelstandskartelle“ (§ 3 GWB). Verträge zwischen mit-telständischen Unternehmen mit dem Ziel der Rationalisierung wirtschaftlicher Prozesse sind danach zulässig.

3 Vgl. Albach (2008).

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Horst Albach 315

Mittelstandskartelle gehören dem unternehmensexternen Netzwerktyp an. Dieser besteht aus selbstständigen Unternehmen als Knoten und Verbindungen zwischen den Unter-nehmen als Kanten. Er dient dem Ziel, durch Veränderung der Knoten und der Kanten eine höhere Produktivität für alle beteiligten Unternehmen zu erreichen.

Die „grenzenlose Unternehmung“

Manche Autoren sehen im Zeitalter der Telekommunikation und der Informationstech-nik die Grenzen des Unternehmens zum Markt brüchig werden oder gar ganz ver-schwinden. Sie sehen eine „grenzenlose Unternehmung“ als nächste Organisationsform im Prozess der Globalisierung der Wirtschaft heraufziehen. Picot/Reichwald/Wigand (1996, S. 263) definieren die grenzenlose Unternehmung als ein „symbiotisches Arran-gement“, als eine „intensive Verbindung mit anderen, rechtlich und wirtschaftlich selbst-ständigen Unternehmen, indem sie diese in die Erfüllung ihrer Aufgaben einbezieht“. Es ist nicht recht einsichtig, warum von Auflösung der Unternehmung gesprochen wird, wenn durch Einsatz von Informationstechnologie Standortgrenzen überwunden werden. Bei rechtlich weiterhin selbstständigen Unternehmen (entsprechend der Definition) blei-ben die rechtlichen Grenzen der Unternehmung bestehen. Es finden nur Auflösungen von Werken und Betriebsstätten statt. Grenzen zwischen Unternehmung und Markt ver-ändern sich im Laufe der Unternehmensentwicklung durch die bekannten Prozesse der Rückwärts- und der Vorwärtsintegration (die z. B. bei den Logistikunternehmen heute zum normalen Erscheinungsbild der Branche gehören), aber eine Unternehmung ist, ak-zeptiert man die Definition von Picot et al., nie „grenzenlos“.

Die virtuelle Unternehmung

Als virtuelles Unternehmen wird ein Netzwerk von Unternehmen bezeichnet, das von einer zentralen Unternehmung gesteuert wird. Die Unternehmen sind zwar rechtlich selbstständig, wirtschaftlich jedoch arbeiten sie nach einem gemeinsam erarbeiteten Plan, dessen Umsetzung in die Praxis von der zentralen Unternehmung gesteuert wird. Von manchen Autoren wird eine solche virtuelle Unternehmung auch als strategische Familie bezeichnet. Eine solche virtuelle Unternehmung ist so lange stabil wie die Sy-nergievorteile der Zusammenarbeit das Risiko opportunistischen Verhaltens eines Mit-glieds der strategischen Familie überwiegen.

Mit GERT-Netzwerken kann die Dynamik einer solchen virtuellen Unternehmung gut beschrieben werden.4 Mit solchen Aktivitätsnetzwerken konnte auch die Wahrschein-lichkeit eines Fehlschlags von Transformationsprozessen in ehemals Volkseigenen Be-trieben errechnet werden.5

4 Vgl. Schwarz (2002, S. 401ff). 5 Vgl. Albach (1999).

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 316

2.2 Unternehmensinterne Netzwerke

Das Unternehmen als Netzwerk von Verträgen

Auch für den Volkswirt ist die Unternehmung heute keine Black Box mehr. Sie wird in der Theory of the Firm als ein Netzwerk von Verträgen verstanden. Das ist durchaus verständlich, wenn man den Begriff der „Unternehmung an sich“ mit eigener Rechtsper-sönlichkeit nicht kennt, sondern Unternehmen betrachtet, auf welche die Ultra-Vires-Lehre anzuwenden ist. Inzwischen ist freilich der Begriff des Vertrags so erweitert wor-den, dass er alle denkbaren Formen menschlicher Beziehungen im Unternehmen um-fasst: implizite Verträge, informelle Beziehungen, Fairness und vorvertragliches Ver-trauen. Eine solche Definition von Netzwerken eignet sich für die hier angestellten Überlegungen nicht.

Das Unternehmen als Netzwerk von Funktionen

Ein Unternehmen ist nach dem hier vertretenen Verständnis ein System interdependenter unternehmerischer Funktionen. Dies ist in Abbildung 1 dargestellt. In der Theorie des Unternehmenswachstums ist es empirisch überprüft worden.6 Nach dieser Theorie opti-mieren die für die Funktionen zuständigen Mitarbeiter ihren Kompetenzbereich und lie-fern die so erstellten Funktions- bzw. Teilbereichspläne an die Unternehmensleitung ab. Deren Aufgabe ist es, die Einzelpläne widerspruchsfrei aufeinander abzustimmen. Die Unternehmensleitung übt die Koordinationsfunktion aus.

Dieser Prozess kann mehrmals durchlaufen werden. Entscheidend ist, dass Optimierung und Koordinierung einen sequentiellen Planungsprozess bilden. Es gibt also kein Entwe-der-oder zwischen Optimizing und Satisficing. In diesem Prozess kann es True Repor-ting und/oder Cheating geben. Bei Gültigkeit des Solidaritätsaxioms wird man optimale Gesamtergebnisse erwarten dürfen. Bei Gültigkeit des Gemeinschaftsaxioms wird man mit lediglich befriedigenden Ergebnissen rechnen müssen.

6 Vgl. Albach (1983 und 1988).

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Horst Albach 317

Abbildung 1: Strukturdiagramm des Bonner Modells der Firmenentwicklung (BMFE)

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 318

2.3 Unternehmensexterne Netzwerke

Humankapitalnetzwerke

Unternehmensinterne Netzwerke unterliegen im Zeitablauf Veränderungen. Funktionen können durch Outsourcing wegfallen. Das kann durch Veräußerung oder durch rechtli-che Verselbstständigung geschehen. Ein Beispiel ist die vom Gesetzgeber vor Jahren geforderte Verselbstständigung der Steuerabteilung. Ein anderes Beispiel ist die rechtli-che Verselbstständigung der Werbeabteilung, die in der Folge nicht nur im ehemals ei-genen Unternehmen, sondern auch am Markt Aufträge akquirieren muss. Neue Funktio-nen können in das Unternehmen aufgenommen werden. Hier soll ein solches Unternehmensnetzwerk dargestellt werden. Es geht von zwei traditionellen Annahmen aus:

Es gibt entwickelte firmeninterne und -externe Arbeitsmärkte;

es gibt keinen effizienten Arbeitsmarkt für Projektmitarbeiter.

Daraus folgt, dass die Unternehmung bei der Annahme eines Projektauftrags die Mitar-beiter des Projektteams nicht nur aus den eigenen Mitarbeitern rekrutieren kann. Sie muss vielmehr auch Informationen über potentielle Projektmitarbeiter besitzen, die ge-genwärtig für oder in anderen Unternehmen arbeiten. Immer wichtiger wird in der Praxis auch die Kenntnis über ganze Projektteams, die das Unternehmen bei anderen Unter-nehmen abwerben kann.7 Die Informationsgrenzen des Unternehmens sind also weiter gezogen als die Grenzen des Unternehmens und seiner Funktionen selbst.

Tabelle 1 zeigt ein solches Humankapitalnetzwerk, das in die Humankapitalnetzwerke anderer Unternehmen hineingreift.8 Mit Hilfe eines solchen unternehmensexternen Netzwerks kann das Unternehmen kurzfristig eine optimale Planung der Zusammenset-zung des Projektteams durchführen. Nebenbei bemerkt: Bei der Funktion Werksspionage überlappen sich sogar die Unternehmensgrenzen, wenn der Spion auf der Gehaltsliste sowohl der spionierenden als auch der ausspionierten Unternehmung steht.

7 Das Wettbewerbsverbot in den Arbeitsverträgen lässt sich heute vielfach nicht mehr durchsetzen. Das

liegt nicht zuletzt daran, dass die Gerichte den Schadensbegriff sehr eng auslegen und folglich Schwie-rigkeiten entstehen, den Schaden konkret zu berechnen.

8 Vgl. Albach (2001).

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Horst Albach 319

Gegenwärtige Mitarbeiter desUnternehmens

Potentielle Mitarbeiter desUnternehmens

Potentielle Projektteams

Aktivitäten des Unternehmens

gegenwärtige

Effizienzmatrix Effizienzmatrix

inkl. Einstellungs- und Anlernkosten

Aktivitäten des Unternehmens

potentielle

Projekte des Unternehmens

gegenwärtige

Projekt a bis Projekt k

Projekte des Unternehmens

potentielle

Projekt A bis Projekt K

Tabelle 1: Humankapitalnetzwerke

Infrastrukturnetzwerke

Als Infrastrukturnetzwerke können die so genannten Industrieparks bezeichnet werden. Tengler/Hennicke (1986) definieren sie wie folgt: „Wesentlichstes Merkmal der Indus-trieparks im Vergleich zu anderen Industrie- oder Gewerbearealen ist ihre Ausstattung mit internen Infrastrukturleistungen. Hierzu zählen die zentrale Erschließung des Parks, die Bereitstellung von Ver- und Entsorgungseinrichtungen für die Betriebe, das Angebot an Gemeinschaftseinrichtungen und Dienstleistungen, im Voraus erstellte Gebäude so-wie immaterielle Infrastrukturleistungen wie die Betreuung und Beratung der Betriebe, die Verwaltung des Parks und ein zentrales ‚parkspezifisches’ Marketing für den Stand-ort als Firmenadresse.“

Industrieparks sollen also für ein Netzwerk von kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht einer spezifischen Branche angehören müssen, die Nachteile aus Erfahrungskur-veneffekten (Degressionseffekten bei den Gemeinkosten) ausgleichen. Die Nachteile mangelnder Bekanntheit von KMUs im Markt werden durch die Bekanntheit des Indus-trieparks als Firmenadresse ausgeglichen, die Nachteile durch hohe Verwaltungs- und Produktionskosten je Stück werden nicht nur durch die gemeinsame Nutzung von vorge-haltenen, vielfach auch öffentlich finanzierten Gebäuden und Einrichtungen ausgegli-chen.

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 320

Komplementaritätsnetzwerke

Anders als Infrastrukturnetzwerke sollen Technologieparks die Nachteile von KMUs im Innovationswettbewerb ausgleichen. Tengler/Albach (1987) definieren Technologie-parks wie folgt: Technologieparks haben eine Trägergesellschaft. Sie selektiert die auf-zunehmenden Firmen nach dem Gesichtspunkt der Erzeugung von Synergien bei ihren Innovationsprozessen. Sie stellt Labors und Beratungsdienstleistungen zur Verfügung und fördert die Finanzierung aus Mitteln der Innovations- und Technologieförderung der Länder, des Bundes und der Europäischen Union. Die staatliche Förderung findet im Allgemeinen nur dann statt, wenn folgende Merkmale erfüllt sind: Die Unternehmen kooperieren für einen Markt. Die Kooperation ist langfristig und nachhaltig angelegt und umfasst mindestens sechs Unternehmen. Die Kooperation ist durch verbindliche vertrag-liche Regelungen gesichert. Schließlich muss der Grad der Integration im Innovations-netzwerk messbar sein.9

In Technologieparks werden also nicht nur Economies of Scale für das Unternehmens-netzwerk realisiert, sondern zum einen Einsparungen bei Such- und Lernkosten durch Wettbewerb erzielt und zum anderen Risikoprämien verringert durch größeres Vertrauen untereinander beim Know-how-Trading.10

3. Empirische Evidenz für die Produktivität von Netzwerken

3.1 Information-Exchange-Systeme

In Technologieparks findet ein reger Informationsaustausch zwischen den Unternehmen im Netzwerk des Parks statt. Solche Informationssysteme erleichtern zum einen die Prü-fung der Richtigkeit von ausgetauschten Informationen (Verhinderung von Ausbeutung asymmetrischer Information durch Cheating), zum anderen senken sie die Kosten der Informationsbeschaffung deutlich.

Information-Exchange-Systeme zu bilden ist daher das Ziel nicht nur kleiner und mittle-rer, sondern auch großer Unternehmungen. Da solche Informationsnetzwerke auch einen organisatorischen Rahmen schaffen, der die Kollusion zwischen den Unternehmen in diesem horizontalen Netzwerk erleichtern kann, bedürfen sie der Genehmigung durch die Europäische Kommission. Unternehmen, die eine solche Genehmigung nicht einho-

9 Vgl. GIB/SÖSTRA (2005). 10 Vgl. von Hippel (1987).

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Horst Albach 321

len, gelten a priori als verdächtig, das Informationsaustauschsystem zur Beschränkung des Wettbewerbs zu missbrauchen. Nur bei Anmeldung kann die Behörde die Kosten-vorteile des Informationssystems gegen die Nachteile aus einer potentiellen Wettbe-werbsbeschränkung abwägen.

3.2 Staatlich geförderte Netzwerke

3.2.1 Förderung von Unternehmensnetzwerken durch die Europäische Union

Die Europäische Union fördert Unternehmensnetzwerke in vier Bereichen:

Unternehmenspolitik,

Regionalpolitik,

Forschung und

technologische Entwicklung.

Im Bereich Unternehmenspolitik hat die Europäische Union sechs Programme aufgelegt. „Das Büro für Unternehmenskontakte (BRE) dient der kostenlosen Unterstützung mittel-ständischer Unternehmen, die an einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit techni-scher, finanzieller oder kommerzieller Art interessiert sind.“11 Im Rahmen dieses Pro-gramms entwickelten 461 Korrespondenten insgesamt 7 629 Kooperationsprofile.

Das Business Cooperation Network (BC-Net) stellt Beratungsleistungen für KMUs zur Verfügung und benutzt dabei eine zentrale Datenbank. Im Rahmen dieses Programms haben 533 Berater 10 349 Kooperationsprofile entwickelt. Bei den Programmen Euro-partenariat und Interprise sowie den Gemeinschaftsaktionen zur Förderung des Zulie-ferwesens handelt es sich im Wesentlichen um die Durchführung von Veranstaltungen, bei denen sich KMU aus verschiedenen Ländern Europas kennen lernen sollten.

Die Evaluierung dieser Programme hat ergeben, dass die Konzeption der Programme und ihre Kosteneffizienz durchweg als gut, zum Teil als sehr gut bezeichnet werden können. Zu beachten ist allerdings, dass der quantitative Einfluss auf den Erfolg der be-teiligten Unternehmen als schwach angegeben wird. Im Bereich der Regionalpolitik ha-ben die Gemeinschaftsinitiativen der Kommission besondere Bedeutung. Finanziell ge-fördert wurden bzw. werden Netze zwischen KMUs, ihren Dienstleistern und Auftraggebern. Die Netzwerke müssen sich auch auf die Kunden erstrecken.

11 Dörsam/Icks (1997).

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 322

Besonders bewährt haben sich offenbar die Programme der EU zur Schaffung von Tech-nologienetzwerken. Ordnungspolitisch sind diese Netzwerke aber auch besonders um-stritten. Rosenkranz (1996) hat gezeigt, dass sich Innovationsnetzwerke der EU eher nachteilig auf den Wettbewerb in der EU auswirken. Die negativen Effekte sind größer als die Produktivitätsvorteile, die bei der Zusammenarbeit in der Forschung erzielt wer-den.

Insgesamt fällt die Evaluierung der Förderprogramme der EU zur Schaffung und Unter-stützung von Unternehmensnetzwerken nicht positiv aus. Die Bekanntheit der Program-me in der mittelständischen Wirtschaft ist gering. Nur diejenigen Netzwerke, die von einem Netzwerkkoordinator gemanagt werden, wirken sich gewinnsteigernd für die be-teiligten Unternehmen aus. Diese Aussage berücksichtigt jedoch noch nicht die Bürokra-tiekosten, die bei der Europäischen Kommission als Kosten der Verwaltung dieser Pro-gramme entstehen.

3.2.2 Staatlich geförderte Cluster von Unternehmen im Bundesland Brandenburg

Wirtschaftspolitik in Brandenburg

Entgegen allen Hoffnungen, entgegen allen Erwartungen sind die neuen Bundesländer immer noch auf Subventionen aus den westlichen Bundesländern und auf Mittel aus den Strukturfonds der EU angewiesen. Die Angleichung der Löhne an das West-Niveau bei gleichzeitigem Produktivitätsrückstand hat zu Arbeitslosigkeit und zu großen Problemen bei der Ansiedlung von Unternehmen geführt. Die staatlichen Mittel sind in den Ausbau der Infrastruktur (vor allem Verkehr und Bildung, aber auch Kosten der Ansiedlung von Unternehmen) geflossen. Als Folge von Bildungspolitik und Ansiedlungspolitik ist das Land in das Dilemma geraten, das Hans-Werner Sinn als Mezzogiorno charakterisiert.

Wenn heute die Löhne in Brandenburg nicht so stark steigen wie in den alten Bundes-ländern, erscheint das wie ein relativer Vorteil für Investitionen in Brandenburg. Es wird, was die Lohnstückkosten angeht, billiger, in Brandenburg zu investieren als in den alten Bundesländern. Gleichzeitig werden jedoch die Anreize für junge, dynamische Menschen größer, in den Westen abzuwandern, mit der Folge, dass sie nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn Investoren, die in Brandenburg investieren wollen, gut ausge-bildete Mitarbeiter suchen.

Das ist das Dilemma der Wirtschaftspolitik in Brandenburg: Werden die Löhne und Ge-hälter so weit erhöht, dass die jungen, flexiblen Menschen in Brandenburg bleiben, ver-lieren die Investoren ihr Interesse ganz oder gehen mit ihren Investitionsprojekten nach Polen. Werden die Löhne nur so weit erhöht, dass die Investoren Interesse an Investitio-nen in Brandenburg zeigen, wandern die jungen Menschen aus Brandenburg in den Wes-

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Horst Albach 323

ten, und die Investoren finden keine Fachkräfte, die sie bisher allerdings auch in Polen nicht finden.

In der Wirtschaftsförderung setzte das Land von Anfang an auf die Bildung von Clustern. Zunächst herrschte die Vorstellung vor, man müsse nur ein Großunternehmen für einen bestimmten Standort begeistern, dann würden sich um diesen „Wachstums-kern“ herum kleine und mittlere Unternehmen ansiedeln, die Zulieferdienste der ver-schiedensten Art für das Großunternehmen leisten und gemeinsam mit dem Großunter-nehmen wachsen würden. Es wurden also vertikale Netzwerke gefördert. Dieses Konzept erwies sich im Laufe der Zeit als teuer und falsch.

Horizontale Branchen-Cluster mit regionalen Schwerpunkten

Heute setzt man bei der Wirtschaftsförderung auf das Konzept der Netzwerke aus klei-nen und mittleren Unternehmen, also auf horizontale Netzwerke. Die Netzwerke sind ihrem Charakter nach branchenorientiert und zum Teil auf mehrere regionale Schwer-punkte verteilt. So finden sich Life Science Cluster in Hennigsdorf, Potsdam-Hermanns-werder, Potsdam-Golm und Luckenwalde. In dem Cluster BRAUT, der Brandenburger Automatisierungs-Offensive, ist ein Netzwerk von elf Unternehmen geschaffen worden, die seit nunmehr fünf Jahren zusammenarbeiten. Das Netzwerk wird von einem guten Netzwerkmanager geführt und weist bisher ein durchschnittliches Umsatzwachstum von jährlich zwölf Prozent auf. Entscheidend für den Erfolg sind klare strategische Ziele und Vertrauen zu- und untereinander. Bisher wird der Erfolg des Netzwerks anhand qualita-tiver Kriterien gemessen. Das für alle Cluster geltende Bewertungsschema besteht aus den Kriterien Originalität, technologisches Niveau, Management, Nachhaltigkeit, Markt-potential, regionale Bedeutung, Perspektiven und Vermarktungsstrategie.

Abbildung 2 zeigt das Portefeuille der Unternehmensnetzwerke (Cluster), das nach den Kriterien Wertschöpfung und Innovationshöhe in vier Felder gegliedert ist. Feld C wird keine staatliche Förderung zuteil. Erfreulicherweise gibt es in Brandenburg auch kein Unternehmensnetzwerk, das diesem strategischen Feld zugeordnet werden müsste. Lei-der gibt es in Brandenburg (Stand 2004) nur ein Cluster, von dem man sagen könnte: „Ziel erreicht“ (Feld D). Dabei handelt es sich um die Brandenburgische EnergieTechno-logieInitiative (30). Zu diesem Feld gelangt man aus Feld A, wenn man regionale Wert-schöpfungsketten bildet und internationale Kooperation der Firmen im Netzwerk fördert. Hier sind die Cluster Biomassing (52), Specialists of Engineering (17) und AGF Brenn-stoffzellen (41) verortet. Man gelangt in Feld D aber auch aus Feld B, wenn man das Innovationspotential der Unternehmen fördert und verbessert. Das geschieht auch bei diesem Weg nicht durch Förderung einzelner Unternehmen, sondern durch Unterstüt-zung des Unternehmensnetzwerks. In diesem Feld sind die Cluster Kompetenzzentrum Optik Rathenow e. V. (5), WiB e. V. (31), Kunststoffkompetenzzentrum Schwarzheide (KKS) (25), Kompetenzzentrum Mikroelektronik Frankfurt (6), Kompetenznetzwerk

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 324

Metallverarbeitung und Recycling Eisenhüttenstadt (7) und Kompetenznetz Optische Technologien (OpTecBB e. V.) (4) ausgewiesen.

Potential als regionaler Kern,hohe Wertschöpfung und Ausstrahlungseffekt

„Top“ innovativ, marktrelevant

AC

DB7

531

256

4

30

4717

52

Abbildung 2: Netzwerke im Land Brandenburg

Die Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB) bewertet diese Cluster laufend. Die Anzahl der Netzwerkpartner und die Gesamtnote nach dem angegebenen Bewertungsschema sind in Tabelle 2 enthalten. Die Gesamtnoten in Tabelle 2 erscheinen nicht ganz konsistent mit den Eintragungen in das Portefeuille der Abbildung 2. Dem soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden.

Allgemein ist festzustellen: Die gute Zusammenarbeit in einem Cluster ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wenn die Qualität der Zusammenarbeit am Anfang nicht hoch ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Cluster scheitert. Vertrauensvolle, gute Zusammenar-beit hat zur Folge, dass jeder Partner seine Kompetenz im Bereich Technologie verbes-sert. Jeder zweite verbessert seine Kenntnisse des Marktes. Es dauert allerdings vier bis fünf Jahre, bis Wachstumseffekte erkennbar werden. Die Beteiligung an einem Unter-nehmensnetzwerk ist also wie jede Investition eine Ausgabe heute, der gegebenenfalls hohe Einnahmen später folgen. Die Partner dürfen in der Anfangsphase nicht Geduld und Vertrauen zueinander verlieren.

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Horst Albach 325

Netzwerk

Nummer Name Gesamtnote Anzahl der Partner

Feld A

52 Biomassing 2,36 12

17 Specialists of Engineering 2,13 6

47 AGF Brennstoffzellen o. A. o. A.

Feld B

5 Kompetenzzentrum Optik Rathenow

2,90 21

31 WiB e. V. 1,55 80

25 KKS Schwarzheide 1,55 56

6 Kompetenzzentrum Mikroelektronik

2,55 8

7 Kompetenznetzwerk Metallverarbeitung

2,55 10

4 OpTecBB e. V. 1,84 89

Feld D

30 Brandenburgische EnergieTechnologieInitiative

1,71 400

Tabelle 2: Bewertung der Unternehmensnetzwerke

Literatur

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Zerrissene Netze und produktive Netzwerke 326

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Horst Albach 327

Glückwunsch und Dank

Mit meinem Glückwunsch zum 65. Geburtstag von Gerhard Schwödiauer möchte ich ein Wort des Dankes verbinden. Als Wolfgang Schüler viel zu früh am 18. Oktober 1998 starb, war nicht gesichert, wer seine Arbeit am Institut für Internationale Management-Studien e. V. an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und im Deutschen MBA-Programm in Moskau fortsetzen sollte. Es war ein Glücksfall, dass sich Gerhard Schwödiauer bereit fand, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie ist ja auch im Laufe der Jahre nicht leichter geworden. Wir alle sind ihm dafür zu großem Dank verpflichtet. Ich schulde ihm darüber hinaus besonderen Dank dafür, dass er das Werk meines Mitarbei-ters, Kollegen und Freundes Wolfgang Schüler fortgeführt hat. Wolfgang Schüler lag die Zusammenarbeit zunächst mit Vladimir Faltsmann und dann mit Oleg Prozenko an der Akademie für Volkswirtschaft bei der Regierung der Russischen Föderation, an der unter ihrem Präsidenten Aganbegjan die Perestroika und die Öffnung zum Westen intellektuell vorbereitet worden waren, besonders am Herzen. Dass dieses Lebenswerk von Wolfgang Schüler fortgeführt werden konnte, verdanken wir Gerhard Schwödiauer. Ihm gilt daher mein besonderer Dank.

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Oleg D. Prozenko

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten

1. Einleitung

2. Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft

3. Fristigkeit der Unternehmensstrategie

4. Bedeutung des Einkaufs- und Beschaffungsmanagements

5. Schlussbemerkungen

Literatur

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1. Einleitung

Die dynamische Entwicklung der russischen Wirtschaft erfordert in ihrer gegenwärtigen Phase ein fundiertes Verständnis für Strategien und Ziele, die vor dem Hintergrund der Globalisierung der Weltwirtschaft und des Eintritts des Landes in die WTO mittel- bis langfristig erreicht werden sollen. Es geht dabei nicht nur um die Aufrechterhaltung der Dynamik, sondern auch um die Entwicklung stabiler Perspektiven. Natürlich ist es bei der Weggestaltung nahe liegend und grundlegend, Innovationen – verschiedene Szena-rien durchspielend – einzubeziehen. Jedoch bestimmen die realen wirtschaftlichen Pro-zesse, die durch Gesetzmäßigkeiten bedingt sind, die konkreten Handlungen der Teil-nehmer dieser Prozesse, und zwar unter der Gegebenheit, dass das Land auch in näherer Zukunft einer der führenden Global Player auf dem Sektor der Rohstoffressourcen sein wird.

Eine solche Entwicklung bedeutet jedoch keineswegs eine reine Fixierung auf Rohstoffe, die im Übrigen nicht nur Öl und Gas umfassen, sondern tangiert auch solche Branchen wie die Metallurgie, die Chemie- oder die Holzindustrie. Natürlich sieht dieser Entwick-lungsweg – den man auch „australisch“ nennen könnte – eine Konzentration auf die Rohstoffbranchen vor, betrifft aber auch Bereiche wie Raumfahrt, Atomenergie sowie einige Nischen im Bereich Flugzeug-, Schiffs- und Kraftfahrzeugbau. Dieser Weg sieht zudem eine Diversifikation in andere Branchen vor, wie z. B. Landwirtschaft, Bauwesen, Lebensmittel- und Leichtindustrie.

Die Diversifikation der Wirtschaft stellt in diesem breit angelegten Plan jedoch gerade das schwierigste Problem dar. Seine Komplexität wird verursacht durch die Auswirkun-gen eben jener wirtschaftlichen Prozesse, die andererseits in bedeutendem Maß das Ver-ständnis für seine Durchführung hemmen. Der dank der Rohstoffressourcen ständig flie-ßende Strom eingehender Finanzmittel (in US-Dollar, Euro oder Rubel) übt generell eine „narkotische“ Wirkung auf die Gesellschaft aus, wobei es für die Führungselite, d. h. für Manager, die den Zustand der Wirtschaft als äußerst günstig einschätzen, gewinnbrin-gender ist zu importieren, statt zu investieren und bei der Verwirklichung ziemlich kom-plizierter struktureller Transformationen etwas zu riskieren. Finanzielle Mittel sind vor-handen und man kann alles kaufen; warum sollte man also Geld in technische und Bildungsinnovationen investieren? Warum sollte man die gewohnte Weise und die ein-mal festgesetzten (teilweise archaischen) Prinzipien ändern, warum Wege zur Kosten-senkung suchen?

Die Entwicklung russischer, europäischer und internationaler Unternehmen verschärft allerdings zunehmend die Konkurrenz. Die dynamische Natur der Märkte bringt die Notwendigkeit einer ständigen Änderung des Geschäftsgebarens mit sich und erfordert das Bestreben, nicht hinter den Weltmarktführern zurückzubleiben. Die Suche nach Wettbewerbsvorteilen und nach Anschluss an den Weltstandard führt dazu, dass sich

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332 Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten

längst nicht alle traditionellen Methoden der Geschäftsführung als tauglich erweisen und in vielen Unternehmen fundamentale Veränderungen vorgenommen werden müssen. Die Verbraucher sind anspruchsvoller geworden, was den Qualitätsstandard von Produkten und Dienstleistungen betrifft. Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, Kosten zu sen-ken. Der zukünftige Geschäftserfolg hängt deshalb von der ständigen Suche nach Ver-besserung ab. Unter diesen Bedingungen ist es unumgänglich, den Kern unserer Argu-mentation, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit, gründlicher zu betrachten.

2. Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft

Wettbewerbsfähigkeit lässt sich nicht durch eine einzelne ökonomische Kennziffer aus-drücken. Ausgehend vom allgemeinen, langfristigen Ziel der Erhöhung des Lebensstan-dards verlangt die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes die Betrachtung von vier Aspekten:

Produktivität

Die Erhöhung der Produktivität stellt eine Bedingung für ein stabiles Einkom-menswachstum einer Volkswirtschaft dar.

Wettbewerbsfähigkeit der Preise

Die Wettbewerbsfähigkeit der Preise (unter Berücksichtigung der Wechselkurse) stellt einen Faktor dar, der die Fähigkeit eines Landes zum Ausdruck bringt, den Konkurrenzkampf international erfolgreich zu führen und damit Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.

Innovationstätigkeit und technische Spezialisierung

Die Innovationstätigkeit bringt neue Ideen und Technologien hervor, die es ermög-lichen, Anschluss an die internationale Spezialisierung in Bereichen mit hohem Wachstum zu halten und damit den Lebensstandard zu erhöhen.

Attraktivität für Investitionen (auch für ausländische Investoren)

Ein günstiges Investitionsklima hat entscheidenden Einfluss auf die Produktivität und Innovationstätigkeit.

In dieser Hinsicht hat sich das Gesamtbild der russischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren verbessert. In der russischen Industrie ist zwar ein Produktivitätswachstum zu beobachten (50 Prozent im Zeitraum von 1997 bis 2006), dennoch befindet sich die Pro-duktivität immer noch auf niedrigem Niveau und unterscheidet sich deutlich in verschie-denen Branchen.

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Oleg D. Prozenko 333

Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit russischer Waren erhöhte sich nach der Krise von 1998 deutlich. Aufgrund hoher Ölpreise gelang es, die Erhöhung des Wechselkurses mithilfe einer Erhöhung der Gold- und Währungsreserven sowie der Schaffung eines Stabilitätsfonds zu hemmen. Die jährliche Inflationsrate beträgt dennoch mehr als zehn Prozent und weist die Symptome der „holländischen Krankheit“ auf, d. h. die Rohstoff-gewinnungsindustrie treibt den Wechselkurs und das Lohnniveau auch in Sektoren nach oben, die nicht zum Export bestimmte Waren und Dienstleistungen erzeugen.

Ökonomen betonen dabei die Bedeutung des Handels und der Liberalisierung von Inves-titionsregelungen als Anreiz für Wirtschaftswachstum. Wirtschaftliche Integration be-günstigt üblicherweise die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dank folgender Fakto-ren:

Senkung der Transaktionskosten (Reduktion der benötigten Verwaltungs- und Zoll-dokumente);

Verstärkung der Konkurrenz und Erhöhung der Spezialisierung;

Skaleneffekte;

Investitionsanreize

Die wirtschaftliche Integration von Ländern im Rahmen der WTO wird von wichti-gen Verwaltungsreformen (Zollgesetzgebung, Gesetzgebung zur Regulierung der Zollverfahren etc.) begleitet und auf Basis rechtsverbindlicher Abkommen durchge-führt. So werden Unsicherheiten verringert, die den Zutritt zu ausländischen Märk-ten betreffen.

Die russische Erfahrung bestätigt, dass eine Verstärkung der Konkurrenz durch ausländi-sche Hersteller (als Ergebnis von Importen oder ausländischen Direktinvestitionen) be-schleunigend auf die Modernisierung von Unternehmen wirken kann. In russischen Be-trieben der verarbeitenden Branchen, die in einem scharfen Wettbewerb zu ausländischen Herstellern stehen, wurden höhere Wachstumsraten bei der Arbeitspro-duktivität beobachtet als bei Unternehmen, in die faktisch kein ausländisches Kapital investiert worden war. In Branchen, die bisher importierte Güter durch ihre Produkte ersetzen und in denen der Importanteil 80 Prozent überschritt, wurden höhere Wachs-tumsraten bei der Gesamtproduktivität aller Produktionsfaktoren beobachtet. Gleichzei-tig waren für Branchen mit komplizierteren technologischen Verfahren niedrigere Wachstumsraten der Produktivität zu beobachten.

Das Investitionsklima besitzt eine besonders hohe Bedeutung für die Zukunft der russi-schen Wirtschaft. Eine vergleichende Analyse zeigt nun, dass die Russische Föderation ein Land ist, das insgesamt hinreichend für den Außenhandel geöffnet ist. Die von uns formulierten Tendenzen der Unternehmensentwicklung sind dabei jedoch untrennbar mit der Frage verbunden, ob Unternehmen auf kurz- oder langfristigen Erfolg abzielen soll-ten.

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334 Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten

3. Fristigkeit der Unternehmensstrategie

Die Unternehmensstrategie setzt, bildlich gesprochen, eine Entscheidung zwischen der Ausrichtung auf einen Langstreckenlauf oder den Sprint voraus. Auf dieser Entschei-dung wiederum bauen operative Ziele und Handlungspläne auf. An dieser Stelle ist es interessant, verschiedene wirtschaftliche Entscheidungsansätze im Vergleich zwischen den USA und Japan anzuführen. In den USA ist die Mentalität der Manager auf schnelle Erfolge ausgerichtet. Die japanische Mentalität orientiert sich an langfristigen Strategien. Man erinnere sich z. B. daran, wie sich die japanische Automobilindustrie in den fünfzi-ger Jahren entwickelt hat. Oberste Priorität hatte für Japan Qualität (wie auch für Deutschland).

Bei dieser Entscheidung wurde berücksichtigt, dass sich die Nachfrage der Verbraucher in Richtung qualitativ hochwertiger Autos entwickeln würde. Zur selben Zeit herrschte in den USA die Meinung, dass für den kurzfristigen Gebrauch zu produzieren sei. Mit dieser Besonderheit amerikanischer Hersteller kollidierte übrigens Daimler beim Zu-sammenschluss mit Chrysler. Die japanische Entscheidung erforderte bedeutend höhere Investitionen in Qualität. Die von den Japanern getroffene Strategie hat sich als richtig erwiesen, was auch Beispiele aus der Automobilindustrie Deutschlands und Südkoreas unterstreichen.

Für die russischen Verhältnisse hat dieses Problem eine grundsätzliche Bedeutung. Die Besonderheit der russischen Entwicklung besteht darin, dass in den neunziger Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends russische Unternehmen um ihr Überleben kämpften, während die Ausarbeitung einer Entwicklungsstrategie nur von einzelnen Unternehmen als zukünftige Aufgabe wahrgenommen wurde.

Natürlich spielt im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit die Frage eine Rolle, ob man sich an Fristigkeit oder Relevanz orientiert. Für viele Topmanager ist die Beur-teilung dieser beiden Alternativen äußerst schwierig. Wodurch ist dies bedingt? In einer Vielzahl der Unternehmen findet sich keine Zeit für Weiterbildung. Das wiederum ver-hindert, den Führungsstil neu zu gestalten oder neueste Führungsmethoden einzuführen, was auch das Delegieren von Verantwortung beinhalten würde. Für die Organisation von Kontrollen werden stattdessen unter vollständiger Ignoranz jener Reserven, die im intel-lektuellen Potential der Mitarbeiter liegen, erhebliche Ressourcen verbraucht.

Im US-amerikanischen Managementmodell wird viel Energie auf die Suche nach Mög-lichkeiten zur Kostensenkung verwendet (was an sich richtig ist), allerdings ohne eine gebührende Würdigung der kreativen Komponente, die einen neuen Ansatz bei der Ge-staltung der Unternehmenskultur erfordert. Dieser basiert auf dem Prinzip der Mitarbei-termotivation mit dem Ziel, unter Aufspürung und Verwendung der Kenntnisse und Fä-higkeiten der Mitarbeiter die Arbeitseffektivität zu steigern. Ein Managementmodell,

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Oleg D. Prozenko 335

dessen Grundlage nicht der Mensch als Persönlichkeit ist, sondern die von ihm ausge-führte Funktion in den Mittelpunkt stellt, sieht die Austauschbarkeit eines Mitarbeiters vor und erkennt daher nicht die Notwendigkeit, in Personalentwicklung zu investieren. Als Beispiel hierfür kann folgender Aphorismus angeführt werden: Holzfäller beschwe-ren sich darüber, wie schwer es ihnen falle, Bäume mit stumpfen Äxten zu fällen. Wenn es ihnen aber so schwer fällt, warum schleifen sie die Beile dann nicht? Die Antwort: „Dafür haben wir keine Zeit, wir müssen Bäume fällen.“

In der russischen Realität zeigen viele Unternehmen weder ein Verständnis für die Not-wendigkeit, Innovationen in den Organisationsstrukturen einzuführen, noch für die Wichtigkeit, Weiterbildungsprogramme für die Mitarbeiter zu implementieren, um ihre Betätigung auf dem Markt effektiver zu gestalten und ihre Marktnische zu erhalten oder sogar auszuweiten. Es fällt hingegen leichter, von der Notwendigkeit der Unterstützung der Unternehmen durch den Staat zu sprechen. Bedeutend schwieriger ist es, Möglich-keiten der Effektivitätssteigerung zu suchen und selbst Entwicklungsstrategien zu erar-beiten. Auf der Suche nach Faktoren, die einem Unternehmen einen angemessenen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt verschaffen, ist es sinnvoll, neue Ideen und Ansätze auszuarbeiten, die auf der Vorstellung eines Unternehmens als Teil der Wertschöpfungs-kette zwischen Lieferanten und Kunden basieren. Dabei sollten sich in der Unterneh-mensstrategie die Strategien der Hauptfunktionsbereiche des Unternehmens widerspie-geln.

4. Bedeutung des Einkaufs- und Beschaffungsmanagements

Neben anderen betrieblichen Funktionen, wie Marketing oder Finanzen, gewinnt der Bereich des Einkaufs- und Beschaffungsmanagements an Relevanz. Hauptziel in der Weiterentwicklung dieses Bereichs ist die Verknüpfung von Strategien zu einem Gan-zen, und zwar sowohl auf unternehmensübergreifender Ebene als auch innerhalb von Unternehmen, um die Strategien dieses Bereichs mit den Strategien anderer Funktions-bereiche in Einklang zu bringen. Eine Reihe von Experten schätzt entsprechend, dass wir vor einer Revolution in Managementtheorie und -praxis stehen.

Eine grundsätzliche Strategiefrage betrifft den Stellenwert bzw. die Rolle von Beschaf-fung und Einkauf. Einerseits herrscht die Vorstellung vom Funktionsbereich Beschaf-fung und Einkauf als Stelle zur Entgegennahme von Aufträgen im Rahmen kurzfristiger Entscheidungen. Ein anderer, langfristig ausgerichteter Ansatz betont die Suche nach Versorgungs- und Zulieferquellen, was die strategische Bedeutung dieser Funktion für die Organisation als Ganzes verdeutlicht. Effektivere Varianten des Einkaufs und der

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336 Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten

Beschaffung gestatten, Ressourcenverluste über die gesamte Lieferkette hinweg zu ver-ringern und für eine Qualitätserhöhung sowie die Zuverlässigkeit der Lieferungen zum Nutzen des Endverbrauchers zu sorgen.

Das Bewusstsein für die Bedeutung der Produktentwicklung, der Einführung neuer Pro-dukte und der schrittweisen Modifikation von Produkten als Mittel zur Festigung der Marktposition wächst. Zudem gewinnt die Integration von Produktentwurf und Produkt-entwicklung auf der einen Seite sowie Produktionsprozess und Auslieferung auf der an-deren Seite an Bedeutung, vor allem wenn man die Ergebnisse von Untersuchungen zu japanischen Arbeitsmethoden betrachtet. Dieser Ansatz, der sich durch die Bildung mul-tifunktionaler Teams auszeichnet, hat bereits seine Effektivität im Hinblick auf Quali-tätsverbesserung, Kostensenkung und kurze Lieferzeiten bewiesen. Solche Ansätze, die die Bündelung von Wissen und gemeinsame Problemlösungen fördern, beinhalten sub-stantielle Veränderungen, wenn man sie mit traditionellen Methoden vergleicht, die sich durch sukzessive Handlungsweise, schwach ausgeprägte Zusammenarbeit und wenig Kommunikation zwischen den Funktionseinheiten auszeichnen.

Jeder Produktionszyklus ermöglicht, Kosten zu senken und Verbesserungen zu erzielen, da innerhalb jedes Zyklusses Analysen der wechselseitigen Beziehungen zwischen den Entwicklungs- und Produktionsprozessen eines neuen Produkts und dem Lieferwesen durchgeführt werden können. So stellte sich heraus, dass etwa 70 Prozent der Selbstkos-ten eines Produkts im Stadium des Entwurfs bereits festgelegt werden, da schon in die-sem Stadium Informationen über die Selbstkosten der Teile und folglich über die Größenordung der Produktionskosten vorliegen. Bis zur Herstellung eines neuen Pro-dukts ist es wichtig, Methoden der flexiblen Planung anzuwenden, da sonst später bei der Einbringung von Verbesserungen zu wenig Spielraum bleibt. Weil sich der Lebens-zyklus von Produkten verkürzt und neue, modifizierte Produkte häufiger auf den Markt gebracht werden als früher, existieren heute mehr Möglichkeiten zur Verbesserung von Produkteigenschaften. Ein Unternehmen, das nur selten neue Produkte auf den Markt bringt, beginnt nicht nur, in Bezug auf technische Eigenschaften und Design hinter der Konkurrenz zurückzubleiben, sondern hat auch nur äußerst begrenzte Möglichkeiten für andere Verbesserungen und Effizienzsteigerungen der Arbeitsweise.

Schließlich stellt die frühe Markteinführung auch eine Taktik dar, die es gestattet, einen höheren Gewinn zu erzielen, bevor es die Konkurrenz schafft. Daher spielt die Entwick-lung innovativer Produkte eine besonders wichtige Rolle für die Sicherstellung und sta-bile Aufrechterhaltung von Wettbewerbsvorteilen. Darüber hinaus ist die Abstimmung aller Glieder der Lieferkette aufeinander ein notwendiger Faktor für ein erfolgreiches Management bei der Einführung innovativer Produkte.

Ideen, die die Produktentwicklung in den Vordergrund stellen, stehen traditionellen An-sätzen entgegen, die auf der Berechnung von Standardkosten für die Verwaltung und Selbstkosten der laufenden Produktion beruhen. Wenn man auch mithilfe solcher Me-thoden kurzfristig Verbesserungen erreichen kann, sollten der Hauptvorteil, den die

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Oleg D. Prozenko 337

Entwicklung und Herstellung innovativer Produkte beinhaltet, sowie die Notwendigkeit, den Strom lebensfähiger Produkte aufrecht zu erhalten, nicht unbeachtet bleiben. Strate-gien dieser Art können die entscheidende Rolle für den Erfolg einer Strategie spielen, die auf die Bedürfnisse des Umfelds abgestimmt ist, in dem sich das Unternehmen bewegt. Auf einem umkämpften Markt wird also Professionalität in der Entwicklung von Pro-dukten und technologischen Prozessen zur Eintrittskarte für die weitere Teilnahme am Konkurrenzkampf, kurz: wenn man es besser als alle anderen macht, kann man sich dau-erhaft Wettbewerbsvorteile sichern.

Die strategische Rolle des Einkaufs- und Beschaffungsmanagements wird heute immer mehr akzeptiert. Die Tätigkeit in diesem Funktionsbereich ist jedoch oft noch kurzfristig ausgelegt. Darüber hinaus kann es passieren, dass Manager an ihren Erwartungen, die sich in ihren Köpfen festgesetzt haben, und an den Kennziffern der Arbeitseffektivität, die sie weiterhin verwenden und auf die sie ihre Beurteilung aufbauen, festhalten. Rezes-sionsperioden begünstigten dann die Verfestigung der Ansicht, dieser Funktionsbereich sei kurzfristig ausgerichtet. Seine langfristige Ausrichtung sollte jedoch nicht ignoriert werden. Die Verbesserung des Einkaufs- und Beschaffungssystems kann sich auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken. Deshalb ist es kein Zufall, dass viele erfolgreiche Un-ternehmen vorausschauend und mit einer strategischen Position an die Frage des Ein-kaufs von Waren und Dienstleistungen sowie an die Menschen, die diese erzeugen, he-rangehen.

Eine der Schwierigkeiten, die Evolution des strategischen Denkens im Bereich Einkaufs- und Beschaffungsmanagement zu analysieren, ist das Fehlen allgemein anerkannter struktureller Konzeptionen und Termini. Oft bleiben Bedeutung und Sinn der dargestell-ten Ideen unklar und Termini werden nicht konsequent benutzt. Oft werden neue Termi-ni mit dem Ziel geprägt, den präsentierten Ideen den Anschein von Neuheit zu verleihen (in einigen Fällen mag das auch der Wirklichkeit entsprechen). Da also Autoren und In-stitutionen erkannten, dass sich die Rolle des Einkaufs- und Beschaffungsmanagements veränderte, tauchten neue Wortverbindungen z. B. in Form von Lieferantenmanagement, Ressourcenmanagement, Bezugsquellenmanagement, Management der Versorgungs-grundlagen oder Management der Lieferketten auf. Versucht man, dieses Wirrwarr zu durchdringen, kann man in den Begriffsbildungen folgende Tendenzen erkennen:

Darstellung des Beschaffungswesens als Abteilung der herkömmlichen taktischen bzw. operativen Ebene; auf der strategischen Ebene betrachtet das Management die Funktionseinheit als Ganzes;

strategischer Ansatz des Beschaffungswesens, der sich auf ein bestimmtes Produkt, eine Gruppe von Produkten oder das Kontaktmanagement zu bestimmten Lieferan-ten beschränkt;

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Ideen mit Ausweitung des Bereichs Einkauf auf andere Aspekte, aber innerhalb der Lieferkette; Vergrößerung des Faktorenspektrums, wie z. B. die Abstimmung von Vorräten und des Transportwesens in integrierter Systemperspektive.

Die Einführung des Just-in-Time-Prinzips veränderte die Rolle der Beschaffung. Dieses Prinzip betont nicht so sehr die Transaktionen, sondern bezieht den Einkäufer in die Ausarbeitung von Wettbewerbsstrategien ein und betrachtet die Materialströme sowie die allgemeine Steuerungsfunktion der logistischen Tätigkeit im System aus Käufer und Lieferant. Die Beschaffungstätigkeit erwirbt so den Charakter, ein Gutachter, Architekt und Manager der Versorgungskontakte zwischen den Unternehmen zu sein.

Die Strukturierung der Lieferkette unter den Gesichtspunkten Anordnung und Arbeits-weise der Lager, Verwaltung der Vorräte, Transportmethoden sowie Lage der Zulieferer ist ein wichtiger Aspekt der Strategie. Dabei besteht die Notwendigkeit einer integrierten Sicht des Problems, um der wechselseitigen Einflussnahme der wirkenden Faktoren ge-recht zu werden. Folgen für das Planungs- und Kontrollsystem, die Gesamtkosten, die Verpackung und die Verarbeitung von Werkstoffen sind ebenfalls Teile des Gesamtbil-des. Es können folgende Stufen der Evolution in der Systematik des Einkaufs- und Be-schaffungsmanagements hervorgehoben werden:

Passive Stufe

Eine strategische Ausrichtung ist nicht vorhanden; in der Hauptsache wird auf An-fragen anderer Funktionsbereiche reagiert. Im Mittelpunkt stehen Routinevorgänge und Operationen, die ein schnelles Ergebnis liefern. Grundlage für die Wahl der Lie-feranten sind der Preis und die sofortige Lieferbarkeit der benötigten Güter.

Unabhängige Stufe

Der Funktionsbereich benutzt neueste Methoden, aber die strategische Zielrichtung bleibt unabhängig von der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens. Maßnahmen zur Ausgabensenkung, Effizienzsteigerung und Schaffung von Möglichkeiten zur Rentabilitätssicherung werden gemäß den Anweisungen des Managements getrof-fen.

Unterstützende Stufe

Es werden Methoden verwendet, die die Wettbewerbsposition des Unternehmens stärken. Zulieferer werden als Ressource betrachtet und sorgfältig ausgewählt. Die Bedingungen der Beschaffung werden überwacht und analysiert.

Integrierte Stufe

Die Einkaufsstrategie ist vollständig in die Strategie anderer Funktionsbereiche und die allgemeine Wettbewerbsstrategie integriert. Die zielgerichtete Weiterentwick-lung ist auf funktionsübergreifende und strategische Anforderungen abgestimmt.

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Oleg D. Prozenko 339

Es bieten sich drei Entwicklungsstufen einer Politik der Fokussierung der Funktionsein-heiten und Maßnahmen zur Änderung der Arbeitseffektivität an. Dieses Schema kann Unternehmen helfen, sich zu positionieren, und einen Schritt zur Ausarbeitung eines Verbesserungsprogramms darstellen:

Kaufmännisch (transaktionsbezogen)

Die Beschaffungseinheit wird als herkömmliche Einheit mit niedrigem Stellenwert betrachtet. Im Mittelpunkt stehen die Erfüllung von Routinetätigkeiten, die Überwa-chung der Ausführung von Aufträgen und die Kontrolle der verwaltungstechnischen Effektivität der Transaktionen.

Handelsbezogen (kommerziell)

Das Interesse verlagert sich auf die Preise und eine mögliche Einsparung, die vor al-lem durch Druck auf Lieferanten und den Einsatz kurzfristiger taktischer Vorteile erreicht werden kann.

Strategisch (proaktiv)

Die Einkaufsmanager kümmern sich um Effizienz und investieren in die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen. Es werden Strategien zur Effizienzsteigerung der Liefer-kette und technische Einkaufsgruppen eingeführt.

Das evolutionäre Einkaufsmodell vergleicht die Unterschiede in den Organisationsfor-men sowie die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten für die auszuführenden Aufga-ben und teilt sie in vier Stufen ein. Das Beschaffungswesen sollte von der ersten bis zur vierten Stufe ausgeweitet werden und zusätzliche Komponenten einschließen:

Versorgung des Unternehmens

innerbetriebliche Operationen, die sich auf kaufmännische Transaktionen und die Basislogistik konzentrieren;

niedrigste Kosten pro Produktionseinheit

die Beschaffungsabteilung auf der Ebene einer strategischen Handelsunterabteilung betont die Wichtigkeit der Analyse von Kosten und Verhandlungen;

Koordination des Einkaufs

die Beschaffungsfunktion wird auf verschiedene Arten koordiniert, die Einkäufe werden z. B. über einen Haupteinkäufer oder ein Einkaufsgremium zentralisiert, Korporationspolitiken und Verträge auf nationaler Ebene zur Realisierung dieses Ansatzes werden erarbeitet;

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340 Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten

strategisches Beschaffungswesen

für diese Phase ist charakteristisch, dass sie von der Zentrale gesteuert und in den kaufmännischen Unterabteilungen implementiert wird; es werden Expertengruppen aus den verschiedenen Funktionsbereichen einbezogen. Die Zertifizierung und ein Entwicklungsprogramm für die Zulieferer werden betont. Die Einkäufer nehmen an der Ausarbeitung von Spezifizierungen teil und führen eine Analyse der Gesamtkos-ten durch. Eine Antwort auf die Frage „Make or Buy?“ wird gesucht.

Burt/Doyle (1994) haben ein Modell aus vier Entwicklungsstufen entworfen, um die wachsende Bedeutung einer Systematik für das Einkaufs- und Beschaffungsmanagement nachzuweisen. Dabei wird in den vier Entwicklungsphasen die Bedeutung strategischer Fragen besonders betont. Zusätzlich zeigen die Stufen, in welchem Ausmaß sich der Umfang der Methoden zur Darstellung komplizierter Ansätze vergrößert hat. Diese Ent-wicklungsstufen lauten:

reaktionäre Stufe,

mechanische Stufe,

proaktive Stufe und

Stufe des strategischen Beschaffungsmanagements.

Alle Stufenmodelle weisen Gemeinsamkeiten auf. Sie zeigen, dass eine schrittweise Evolution der Ideen und Praktiken in Bezug auf die Rollen, die Funktionsbereiche spie-len, vor sich geht. Die Stufenmodelle können als Idealtypen betrachtet werden, die sich in Details unterscheiden können, aber dennoch eine gemeinsame Richtung zur Entwick-lung spezialisierter Programme mit dem Ziel vorgeben, den Horizont der Funktionsbe-reiche zu erweitern. Es existiert eine Reihe von Schemata, die dieselbe Ausrichtung be-sitzen. Wir zählen einige im Folgenden auf:

Leenders/Blenkhorn (1988) unterscheiden eine negative, eine neutrale und eine po-sitive Stufe, wobei die letztgenannte Stufe eine strategische Perspektive umfasst.

Morris/Calantone (1991) heben folgende Stufen hervor: kaufmännische Stufe, Ma-nagement der Aktiva und der Rentabilität sowie zentrale strategische Funktionen.

Freeman/Cavinato (1990) verbinden vier Entwicklungsstufen des Beschaffungswe-sens (Einkauf, Erwerb, Beschaffung und Belieferung) mit den Stufen des strategi-schen Managements (grundlegende Finanzplanung, Planungsprognose, extern orien-tierte Planung und strategisches Management).

Kraljic (1983) erwähnt ebenfalls verschiedene Ansätze im Beschaffungswesen, bietet aber ein Modell an, das unterschiedliche Strategien mit verschiedenen Klassen von Ein-käufen in Verbindung bringt. Sein Modell fußt auf einer Matrix, die die relative Wich-tigkeit der Beschaffung zur relativen Kompliziertheit des Versorgungsmarktes in Bezie-

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Oleg D. Prozenko 341

hung setzt. Dazu hebt er vier Ebenen der Komplexität der Beschaffungstätigkeit hervor: Beschaffung, Management der Werkstoffversorgung, Management externer Ressourcen und Liefermanagement.

Ständig kommen neue Ideen zur strategischen Entwicklung des Einkaufs- und Beschaf-fungsmanagements auf. Dieser Bereich befindet sich also in einer Übergangsphase. Un-ternehmen interessieren sich immer stärker dafür, die Strategien einzelner Funktionsbe-reiche in übergeordnete Strukturen der kaufmännischen und korporativen Strategiepläne zu integrieren. Immer mehr wird die Notwendigkeit erkannt, sich – unterstützt von Mar-keting und vom Management interner Operationen sowie der Lieferketten insgesamt – exakt auf den Käufer auszurichten. Es ist unumgänglich, die Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Qualität, Zeitnähe, Flexibilität und Preisgestaltung zu kultivieren und gleich-zeitig aufgrund einer klaren, situationsbezogenen Strategie in finanzieller Hinsicht er-folgreich zu bleiben. Gleichzeitig betont eine strategische Sichtweise auf die externe Lieferkette auch die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen Einkäufer und Zulie-ferer zu fördern, um Vorteile zu generieren, die beiden Seiten zugute kommen.

Nicht nur die Hersteller sind auf der Suche nach engeren Verknüpfungen innerhalb der Lieferkette. Im Einzelhandel werden große Anstrengungen unternommen, effektive Lie-ferketten mithilfe einer engen Integration von Händler und Hersteller aufzubauen. Dies betrifft vor allem Waren, die unter dem eigenen Markennamen des Einzelhändlers her-gestellt werden, der einerseits am Herstellungsprozess teilnimmt und andererseits als Abnehmer auftritt. Das Unternehmen Marks and Spencer z. B. ist mehr als lediglich ein Einzelhändler, es ist ein „Hersteller ohne Fabrik“. Um adäquate Waren für seine Käufer zu erhalten, betreibt dieses Unternehmen eher Warenherstellung als Wareneinkauf.

Das Schicksal eines einzelnen Unternehmens hängt nicht nur von seinen internen Opera-tionen ab. Der Wert der Waren und Dienstleistungen wird auch von den Investitionen anderer Glieder der Lieferkette bestimmt. Auf diese Weise kann ein Unternehmen als Teil eines Herstellungsverbundes betrachtet werden. Auf den sich – aufgrund immer wählerischer werdender Käufer – schnell verändernden Märkten, auf denen immer öfter neue Produkte auftauchen, wird es immer wichtiger, Innovationsprozesse auf allen Stu-fen des Herstellungsverbundes zu managen. Hauptaufgabe ist dabei nicht nur die Über-wachung der Wertschöpfung in jeder Phase – wenngleich auch wichtig ist, wie viel Wertschöpfung erreicht wird –, sondern auch die Schaffung einer Kette, die es erlaubt, diese Aufgabe auszuführen. Wichtige Faktoren in diesem Prozess sind die gegenseitige Kenntnis sowie die wechselseitige Beziehung zwischen Einkäufer und Lieferant.

Eine zentrale Aufgabe in der russischen Wirtschaft ist die Ausbildung hoch qualifizierter Spezialisten im Bereich Logistik und Lieferkettenmanagement. Für die russische Wirt-schaft ist die Kostensenkung im Transportwesen eine der zentralen Fragen, da die Transportkosten mehr als 20 Prozent der gesamten Logistikkosten ausmachen. In Län-dern mit entwickelter Marktwirtschaft hat sich das System der 3PL-Provider herausge-bildet, das Speditionsdienstleistungen und Dienstleistungen der Wertschöpfung (Auf-

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342 Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit – Einflussfaktoren und Besonderheiten

und Abladearbeiten, Sortimentsbestückung, Lagerdienstleistungen, Marketing- und Fi-nanzdienstleistungen sowie Management des Güterstroms) beinhaltet.

Die Logistikkosten liegen in verschiedenen Ländern im Verhältnis zum Bruttoinlands-produkt in einer Größenordnung von 11,3 bis 16,7 Prozent (vgl. Tabelle 1). Dabei hän-gen die Ausgaben weder vom Entwicklungsniveau des Landes noch vom Entwicklungs-grad der logistischen Infrastruktur ab.

Tabelle 1: Logistikkosten in Westeuropa im Jahr 20021

In Finnland betrugen die Logistikkosten im Jahr 2005 etwa 17 Prozent des Bruttoin-landsprodukts bei folgender Ausgabenstruktur:

Vorratshaltung: 51 Prozent;

Transport: 36 Prozent;

Verwaltung: 13 Prozent.

Solche Berechnungen liegen für Russland nicht vor, aber die Daten zeugen von einem beachtlichen Anwachsen der Logistikkosten. Nach Einschätzung deutscher Fachleute hatten die Logistikdienstleistungen 2006 ein Volumen in der Größenordnung von 120 Mrd. US-Dollar. Der Zuwachs beträgt etwa sechs bis sieben Prozent jährlich. Auf Logistikdienstleistungen angewandt wird das Marktpotential wie folgt eingeschätzt:

Sektor der Beförderung mit allen Transportarten: 55 Prozent;

Sektor der Lagerdienstleistungen: 13 Prozent;

Sektor der Dienstleistungen zu Integration und Management der Lieferkette: 32 Pro-zent.

1 Vgl. Ministry of Transport and Communications Finland (2006, S. 34).

Mrd. US-Dollar Prozent im Verhältnis zum BIP

Großbritannien 174 11,3

Deutschland 374 16,7

Spanien 124 14,1

Italien 186 12,2

Frankreich 196 11,6

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Oleg D. Prozenko 343

In dieser Einschätzung fehlen so wichtige Formen der logistischen Dienstleistungen wie Dokumentenumlauf etc. Die Probleme, die die Logistik untersucht, umfassen also einen weiten Kreis auf Grundlage der Verwendung neuester Informationstechnologien und Entscheidungsfindungssysteme unter den Bedingungen globaler Optimierung und der Risikobewertung.

Die Spannweite der Logistik ist deshalb viel weiter als das verbreitete Verständnis der Logistik als Speditionsdienstleistung. Die Reichweite der zu entscheidenden Aufgaben verkompliziert sich um ein Vielfaches, wenn ein 3PL-Provider beabsichtigt, Transport- und Lagerkapazitäten zu vermieten oder in diese Kette Outsourcing einbezieht. Wichtig für die Tätigkeit des Providers sind Planung und Optimierung von logistischen Prozes-sen in der Kostenminimierungskette, um aus den Roh- und Werkstoffquellen, der Pro-duktionserstellung und der Produktlieferung an den Endverbraucher Wert zu schöpfen. Es geht hierbei um den sukzessiven Übergang zum 4PL-Provider, den Dreh- und Angel-punkt, den das Lieferkettenmanagement (Supply Chain Management – SCM) darstellt.

5. Schlussbemerkungen

Logistische Prozesse haben einen direkten Einfluss auf die Effizienz und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Im Rahmen der korporativen Struktur wird die Senkung der Logistikkosten ein äußerst wichtiger Faktor und ein Mittel, um ange-sichts der Globalisierung die gesteckten Ziele zu erreichen. Dieser Umstand wiederum lässt einschneidende Reformprozesse, die in den Organisationen vor sich gehen, und eine Neuverteilung der Funktionen und Aufgaben der einzelnen Unterabteilungen ver-muten. Es geht dabei um ein neues Verständnis der Aufgaben, die sich der Betriebswirt-schaft stellen. Weiterentwicklungen im SCM versprechen neue Grundlagen für die Lö-sung komplexer Aufgaben, um die Effizienz großer Unternehmen zu steigern.

Jahns/Darkow/Weigel (2006) haben gezeigt, dass es keinen einzigen Anbieter gibt, der logistische Dienstleistungen in der Kombination Verlässlichkeit, Preis, Qualität und geo-graphische Reichweite anbietet. Das komplexe Problem erfordert deshalb zu seiner prak-tischen Realisierung die entsprechenden Spezialisten, korporatives Denken, Servicekul-tur und Geschäftsethik. Der Übergang zum System der 4PL-Provider bedeutet ein qualitativ neues Niveau logistischer Dienstleistungen, das die Philosophie und Strategie von Unternehmen ändert.

Die Lieferkettenförderung beinhaltet die Schaffung eines Informationsnetzes und regio-naler Knotenpunkte, d. h. logistischer Zentren. Strategische Logistik bedeutet die Gestal-tung von Materialstromkanälen unter Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Kunden sowie der Globalisierung der Märkte. Faktisch handelt es sich hierbei um strate-

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gisches Einkaufs- und Beschaffungsmanagement. Ziel ist es, das notwendige Service- und Kostenniveau zu sichern. Der inhaltsreiche Begriff Lieferkettenmanagement bein-haltet einen Komplex wichtiger Funktionen, die systematisch zu realisieren sind. Dazu gehören:

Planung der Transportschemata (Transportnetze und -abläufe);

Optimierung der Vorratsmengen;

Nachfrageprognose für produktionsrelevante Werkstoffe und Betriebsmittel, ein-schließlich des für die Produktion benötigten Platzes;

Steuerung der produktionsinternen Ströme an Material und Halbfabrikaten mit dem Ziel der Effizienzsteigerung der Produktion;

Bewertung und Entscheidung bei der Auswahl konkreter Lieferkettenelemente, vor allem der Lieferanten, einschließlich des Infrastrukturausbaus unter Berücksichti-gung der Kosten mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung der Kunden;

systematische Integration von Software, Implementierung logistischer Lösungen unter Berücksichtigung der bestehenden Systeme der Kunden sowie Optimierung der Informationsströme.

Ausgehend von der Notwendigkeit, exakt und pünktlich die Aufträge der Kunden auszu-führen, kann das Management der Auftragsabwicklung durch folgende Funktionen ver-bessert werden:

Sicherstellen der Versorgung mit notwendigen Roh- und Werkstoffen (Beschaf-fungslogistik);

Lösung von Transport- und Distributionsaufgaben;

Sicherstellen der Produktionslogistik;

Finanzdienstleistungen;

Absatzlogistik;

Zusammenarbeit mit den Lieferanten auf Grundlage langfristiger Beziehungen und Cluster-Bildung.

Die Übernahme und Integration der aufgezählten Funktionen ist ein schwieriger und vielstufiger Prozess. Vor allem aber muss zu seiner Verwirklichung die Notwendigkeit erkannt werden, diese Aufgaben angesichts der Risiken und der Wettbewerbsverschär-fung auf den Weltmärkten sowie der Entwicklung neuer Managementkonzepte auch tat-sächlich anzugehen.

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Oleg D. Prozenko 345

Literatur

Burt, D.; Doyle, M. (1994): Amerikanisches Keiretsu, Berlin. Freeman, V. T.; Cavinato, J. L. (1990): Fitting Purchasing to the Strategic Firm: Frame-

works, Processes, and Values, Journal of Purchasing and Materials Management 26, Nr. 1, S. 6–10.

Jahns, C.; Darkow, I.-L.; Weigl, T. (2006): Dynamic Supply Chains in Russia – Indus-tries, Strategies and Logistic Structures, Bremen.

Kraljic, P. (1983): Purchasing Must Become Supply Management, Harvard Business Review 61, S. 109–117.

Leenders, M. R.; Blenkhorn, D. L. (1988): Reverse Marketing – The New Buyer-Supplier Relationship, New York.

Ministry of Transport and Communications Finland (2006): Finland – State of Logistics 2006, Helsinki.

Morris, M. H.; Calantone, R. J. (1991): Redefining the Purchasing Function: An Entre-preneurial Perspective, International Journal of Purchasing and Materials Manage-ment 27, Nr. 4, S. 2–9.

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Anne Chwolka und Matthias Raith

Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess

1. Einleitung und Motivation

2. Der Informationswert eines Businessplans

2.1 Das Ausgangsproblem 2.2 Der Businessplan als Informationssystem 2.3 Die Mindestqualität des Businessplans 2.4 Die optimale Prognosegüte des Businessplans 2.5 Einfluss der Businessplankosten

3. Die Gründungsentscheidung mit Kapitalgeber

3.1 Das Ausgangsproblem mit Risikokapitalgeber 3.2 Die optimale Prognosequalität bei Beteiligung 3.3 Die Beteiligung mit Businessplanauflage

4. Zusammenfassung und Implikationen

Literatur

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1. Einleitung und Motivation

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht spielt der Businessplan bei der Gründung eines Unter-nehmens eine zentrale Rolle.1 Zum einen stellt er für den Gründer ein Informationsin-strument zur Entscheidungsvorbereitung dar, das ihn zwingt, die Realisierbarkeit und Rentabilität der Geschäftsidee, die besonderen Stärken und Schwächen des Projekts so-wie die notwendigen Schritte zur Realisation zu überdenken und systematisch zu planen. Aus entscheidungstheoretischer Sicht geht es darum, das Entscheidungsfeld zu definie-ren. In diesem Sinne stellt der Businessplan ein Gestaltungs- und Analysewerkzeug dar. Zum anderen dient der Businessplan aus Sicht des Entrepreneurs auch als ein Instrument zur Beeinflussung der Entscheidung anderer, mit dessen Hilfe der Entrepreneur die Ge-schäftsidee kommunizieren bzw. „verkaufen“ und von den eigenen Management-qualitäten überzeugen kann, um auf diese Weise potentielle Kapitalgeber (Venture Capi-talists, Business Angels und Banken) zur Beteiligung zu bewegen.

Diese zwei unterschiedlichen Zwecke – Fundierung der eigenen Entscheidung und Steu-erung des Verhaltens anderer – weist der Businessplan auch aus Sicht des potentiellen Kapitalgebers auf, wenn auch aus anderer Perspektive: Ein Businessplan hilft ihm bei seiner Entscheidung, ob er sich beteiligen soll, und stellt damit ein Informationssystem zur Fundierung der eigenen Entscheidung dar. Gleichzeitig zwingt der Kapitalgeber den Entrepreneur durch die Forderung eines fundierten Businessplans, eine gewisse Min-destanstrengung in die Entwicklung und Planung der Geschäftsidee zu investieren, um so die Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs zu erhöhen.

Die Doppelrolle des Businessplans – Entscheidungsunterstützung einerseits und Ent-scheidungsbeeinflussung andererseits2 – wirft die Frage auf, ob es den einen Business-plan geben kann, der den verschiedenen Zwecken gerecht wird. Aus informationsöko-nomischer Sicht scheint dies nicht möglich zu sein; der Wert von Informationssystemen hängt immer von der konkreten Entscheidungssituation ab und damit immer auch von dem Zweck, zu dem sie benötigt werden.3

1 So behaupten z. B. Barrow/Barrow/Brown (2001), dass der vielleicht wichtigste Schritt bei der Umset-

zung einer neuen Geschäftsidee die Erstellung des Businessplans sei. 2 Vgl. Demski/Feltham (1976) zur Unterscheidung von entscheidungsunterstützender und verhaltensbeein-

flussender Kosteninformation. 3 Bereits Gjesdal (1981) hat sich mit dieser Problematik beschäftigt. Ähnlich zeigen auch Wagenhofer/

Ewert (2007, S. 136), dass bei zwei zur Verfügung stehenden Informationssystemen das eine bevorzugt wird, um das Verhalten des Agenten zu steuern, während das andere besser geeignet ist als Entschei-dungsgrundlage für potentielle Investoren.

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Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess 350

Wirft man einen Blick in die Entrepreneurship-Literatur, dann ist anscheinend ein Groß-teil der Autoren anderer Auffassung. Es gibt eine fast unüberschaubare Anzahl von An-leitungen, die dem Gründer dabei helfen sollen, einen Businessplan aufzustellen, wel-cher mehrere Zwecke gleichzeitig erfüllen soll.4 Anfangs war die Vorstellung vom perfekten Businessplan noch autorenspezifisch stark unterschiedlich, so dass Sahlman (1997) Ende des vergangenen Jahrzehnts, stellvertretend für die Fachliteratur dieser Zeit, die Bedeutung und die wichtigsten Faktoren eines Businessplans herauszu-stellen versuchte. Seitdem führten die Beiträge in der akademischen Entrepreneurship-Literatur im Allgemeinen und die praktischen Anleitungen „How to Write a Business Plan“ im Besonderen zu einem besseren Verständnis der Businessplanung und zur Stan-dardisierung des Businessplans. So gibt es heute zunehmend einheitliche, international vergleichbare Vorschläge zu Aufbau,5 Inhalt und Länge eines Businessplans.6 Die Ent-wicklung von einheitlichen Businessplanstandards wurde auch durch die zahlreichen allgemeinen sowie branchenbezogenen Businessplanwettbewerbe vorangetrieben.7

Ziel der Standardisierung im Wettbewerb ist in erster Linie die Vergleichbarkeit der Bei-träge, die von Juroren evaluiert werden. Auch für Investoren, Banker oder Fördermittel-geber erleichtert der standardisierte Businessplan den Vergleich zwischen konkurrieren-den Konzepten und erlaubt es, Gründungsprojekte schneller auszusortieren.8 Für die Gründer erleichtern Businessplanstandards in erster Linie den Zugang zur Erstellung des Businessplans. Auch die deutliche Qualitätssteigerung der Businessplansoftware in den vergangenen zehn Jahren ist auf die Standardisierungsfortschritte zurückzuführen.9 Im Rahmen der Businessplanung werden von der Software in der Regel aufeinander abge-stimmte, für den Gründer zugängliche Fragen zum Geschäftskonzept gestellt. Die Tiefe der vom jeweiligen Produkt gebotenen Analyse hängt im Wesentlichen vom erforderli-chen Rechercheaufwand für die Beantwortung der Fragen ab. Wichtig bei den Produkten ist die Planungskompetenz, die hinter den gestellten Fragen implementiert ist. Gründer werden auf Inkonsistenzen ihrer Antworten aufmerksam gemacht und, noch wichtiger, mit Fragen konfrontiert, auf die sie häufig von sich gar nicht gekommen wären.

4 Vgl. z. B. Klandt (2006, S. 147), Kußmaul/Junker (2000) oder Volkmann/Tokarski (2006, S. 103). 5 Vgl. z. B. Klandt (2006, S. 157), Schefczyk/Pankotsch (2003, S. 29) oder Timmons/Spinelli (2004,

S. 403). 6 Die Standards umfassen sogar Schriftgröße und Zeilenabstand in Bezug auf die Präsentationsfolien der

Businesspläne bei Wettbewerben und Matching-Veranstaltungen mit Investoren. So empfiehlt Kawasaki (2004, S. 54) als Schriftgröße das Alter des ältesten Zuhörers dividiert durch zwei.

7 Zu den ältesten und prominentesten in Deutschland zählt der Münchener Businessplanwettbewerb, für den es sogar ein eigenes Handbuch „Der optimale Businessplan“ gibt, welches kostenfrei herunter gela-den werden kann (www.mbpw.de).

8 Vgl. Schefczyk/Pankotsch (2003, S. 25); für die Sichtweise eines Investors vgl. Kawasaki (2004). 9 Vgl. hierzu das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) bereits in der neunten

Version herausgegebene „Softwarepaket für Gründer und junge Unternehmen“ und das hierfür einge-richtete Serviceportal www.softwarepaket.de.

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Der von der Software generierte Output kann z. B. ein Analyseergebnis mit konkreten Handlungsanweisungen sein10 oder auch ein komplett erstellter Businessplan.11 Es ist zwar nicht zu erwarten, dass die mit Software automatisch generierten Businesspläne in naher Zukunft Spitzenplätze in Businessplanwettbewerben erzielen werden, insbesonde-re auch deswegen, weil die Wettbewerbsstandards selbst im Laufe der Zeit steigen, aber die Softwareunterstützung trägt sicherlich dazu bei, eine akzeptable Mindestqualität der Businessplanung zu sichern, ohne den Gründer finanziell und/oder zeitlich zu überfor-dern.

Trotz der offensichtlichen Vorteile kritisieren andere Autoren die Standardisierung und Vereinheitlichung, unter anderem weil individuelle Informationsbedürfnisse der Kapital-geber nicht berücksichtigt werden.12 Wenn man sich mit der Frage auseinandersetzt, ob die Entwicklung des Businessplans als ein standardisiertes Informationsinstrument vor-teilhaft ist oder nicht, muss klar sein, welche Rolle er im Gründungsprozess spielt bzw. welcher Hauptzweck damit verfolgt wird.

Diese Frage ist auch vor dem Hintergrund potentieller Interessenkonflikte zwischen Ka-pitalgeber und Entrepreneur zu beleuchten. Der potentielle Kapitalgeber wünscht sich vom Businessplan eine bessere Einschätzung der Investitionsgelegenheit. Je höher das Risiko des Nichterreichens seiner Alternativrendite, desto höher wird die geforderte Ri-sikoprämie, die geforderte Beteiligung oder die geforderte Verzinsung sein. Der Entre-preneur hat daher einen Anreiz, mit dem Businessplan die Situation verzerrt, d. h. die Erfolgsaussichten verstärkt positiv, darzustellen. Gegeben die Anreize des Gründers, welchen Wert hat dann der Businessplan noch für den Investor? Wäre es nicht unter Umständen besser, auf die Vorlage eines Businessplans zu verzichten?

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Rolle des Businessplans als standardisiertes Informationssystem im Gründungsprozess zu untersuchen. Welchen greifbaren, quantifi-zierbaren Wert bietet er dem Gründer und welchen Vorteil bietet die Standardisierung und Institutionalisierung des Businessplans im Zusammenspiel mit potentiellen Kapital-gebern? Das wichtigste Ergebnis unserer Analyse ist dabei, dass gute Businesspläne in erster Linie dazu dienen, schlechte Gründungsprojekte vom Markt und auch schon im

10 Beispielsweise bietet das Produkt Business Insight (www.businessinsight.org) oder die leichtere Varian-

te Quick Insight über zahlreiche Fragen einen Einblick in die Erfolgsaussichten der Geschäftsidee. Ne-ben einem umfangreichen Text mit vielen Abbildungen signalisiert die Software zusätzlich durch eine Verkehrsampel, ob der Entrepreneur das Projekt fortsetzen (grün), überarbeiten (gelb) oder abbrechen (rot) sollte.

11 Ein international prominentes Produkt ist Business Plan Pro (www.paloalto.com), welches neben dem „Standard“- gegen Aufpreis auch den „Premier“-Businessplan anbietet. Interessant in unserem Zusam-menhang ist, dass die ausgegebenen Businessplandokumente von der amerikanischen Small Business Administration (SBA) offiziell anerkannt werden.

12 So kritisieren z. B. Mason/Stark (2004) die aus ihrer Sicht mangelnde Differenzierung der „How-to“-Anleitungen für verschiedene Adressaten.

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Vorfeld von Investoren fern zu halten. Gute Businesspläne senken dadurch die Grün-dungsquote, sie erhöhen aber die Erfolgsaussichten aller an der Gründung Beteiligten.

Wir entwickeln unsere Sichtweise des Businessplans im Rahmen einer entscheidungs-theoretischen Analyse. Im nächsten Abschnitt wird zunächst der Einfluss der Prognose-qualität des Businessplans auf die Gründungsentscheidung des Entrepreneurs (ohne Kapitalgeber) analysiert. Anschließend untersuchen wir, wie sich das Entscheidungs-problem des Entrepreneurs durch die Beteiligung eines Risikokapitalgebers verändert. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und leitet Implikationen für die Gründungsförderung ab.

2. Der Informationswert eines Businessplans

In diesem Abschnitt fokussieren wir zunächst die Gründungsentscheidung eines einzel-nen Entrepreneurs, der die Projektidee selbstständig durchführen kann. Wir konkretisie-ren, wie der Businessplan als Informationssystem aufgefasst werden kann, und motivie-ren eine Mindestqualität für seine potentielle Entscheidungsrelevanz. Anschließend analysieren wir den Einfluss der Standardisierung auf die Kosten der Businessplanerstel-lung und die optimale Prognosegüte aus Sicht des allein gründenden Entrepreneurs.

2.1 Das Ausgangsproblem

Wir betrachten als Ausgangsproblem die Gründungsentscheidung eines repräsentativen Entrepreneurs, der vor den Alternativen steht, ein Unternehmen zu gründen oder nicht zu gründen, wie durch den Entscheidungsbaum in Abbildung 1 veranschaulicht wird.

Der Entrepreneur habe eine Geschäftsidee, deren Realisation eine Investitionszahlung in Höhe von I erfordert. Die Mittel werden benötigt, um die Gründungskosten, wie z. B. die Gebühren für die Eintragung in das Handelsregister, zu decken, die für die Produktion notwendige Technologie zu beschaffen und die Mitarbeiterschulung zu finanzieren. Die Rückflüsse aus der Investition sind jedoch unsicher; die Gründung kann erfolgreich oder nicht erfolgreich sein. Mit einer Wahrscheinlichkeit pE = 0,20 verläuft die Gründung erfolgreich und generiert hohe zukünftige Einzahlungsüberschüsse, die diskontiert mit der Alternativrendite r des Entrepreneurs einen Bruttokapitalwert in Höhe von VE und einen positiven Nettokapitalwert von KWE = I + VE > 0 liefern. Mit der Wahrschein-lichkeit 1– pE = 0,80 ist die Gründung jedoch ein Misserfolg und generiert so niedrige

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Rückflüsse, dass ein negativer Nettokapitalwert resultiert, KWM = I + VM < 0.13 Der erwartete Bruttokapitalwert V = pE VE + (1 pE) VM stellt den (Gesamt-) Unterneh-menswert (Value) bei Durchführung der Geschäftsidee dar. Bei Nicht-Gründung kann der Entrepreneur seine Alternativrendite r realisieren, was ihm den erwarteten Referenz-kapitalwert KW0 = 0 sichert.

0E EKW I V

Gründen

Nicht gründen

Erfolg

Misserfolg

I

0M MKW I V

0 0KW

0,20Ep

1 0,80Ep

Abbildung 1: Die Gründungsentscheidung des Entrepreneurs

Selbstverständlich könnte die Gründung auch mit weiteren Erfolgsszenarien dargestellt werden. Für die folgenden Analysen genügt jedoch die vereinfachte Darstellung in Ab-bildung 1. Die A-priori-Erfolgswahrscheinlichkeit pE ist beispielhaft gewählt, entspricht aber mit 20 Prozent durchaus der weitläufigen Meinung vieler Gründungsexperten.14

Aus Gründen der Einfachheit unterstellen wir, der Entrepreneur sei risikoneutral, so dass für seine Entscheidung nur die erwarteten Zahlungsüberschüsse zählen. Er wird sich auf Basis des gegebenen Informationsstandes immer dann für die Gründung entscheiden, wenn der Unternehmenswert (der erwartete Bruttokapitalwert) die Investitionsauszah-

13 In dem hier definierten Sinne impliziert ein Misserfolg nicht notwendigerweise einen Konkurs des Un-

ternehmens. Misserfolg bedeutet für den Entrepreneur lediglich, dass er weniger als seine Alternativren-dite realisiert.

14 Beispielsweise schätzt der BDU, dass weniger als 40 Prozent der Neugründungen die ersten fünf Jahre überleben (www.bdu.de). Da wir mit Erfolgswahrscheinlichkeit nicht die Überlebenswahrscheinlichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten der Alternativrendite bezeichnen, sehen wir pEdeutlich niedriger als 40 Prozent.

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Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess 354

lung abdeckt, d. h. – I + V > 0. Unter dieser Bedingung wird der repräsentative Entrepre-neur gründen und in 80 Prozent (= 1 – pE) der Fälle mit seinem Gründungsvorhaben scheitern.

Welche Rolle spielt in dieser Situation ein Businessplan? Zum einen könnte der Busi-nessplan dem Entrepreneur als Gestaltungswerkzeug dienen, um für die Gründung wei-tere Handlungs- oder Umsetzungsalternativen und damit unter Umständen bessere Er-folgsszenarien herauszuarbeiten. So lange jedoch ein Misserfolgsszenario mit negativem Nettokapitalwert bestehen bleibt, ändert sich qualitativ nichts an den grundsätzlichen bisherigen Annahmen. Zum anderen könnte der Businessplan als Analysewerkzeug die-nen, um vor der Gründung die unternehmerische Gelegenheit und somit auch die Aus-sichten der Gründung bei gegebener Umsetzung der Gründungsidee zu prüfen.

Die Aufstellung des Businessplans zwingt den Gründer, die monetären Konsequenzen seiner Entscheidung in verschiedenen Umweltzuständen zu konkretisieren, was dann eine bessere Einschätzung der zukünftigen erwarteten Einzahlungsüberschüsse erlaubt. In diesem Sinne ist der Businessplan formal als Informationssystem zu verstehen. Im Folgenden fokussieren wir ausschließlich die Funktion des Businessplans als Informati-onssystem zur Gelegenheitsanalyse vor der Gründung. Noch vor der Gründungsent-scheidung steht der Entrepreneur also vor der Entscheidung, einen Businessplan zu erstellen oder nicht.

2.2 Der Businessplan als Informationssystem

Die Analysequalität des Businessplans lässt sich daran messen, inwieweit der Gründer die Erfolgschancen seiner Unternehmensidee damit besser prognostizieren kann. Wenn die Analyse der Gründungsidee den Unternehmenserfolg als plausibel erscheinen lässt, sollte der Businessplan diesen durch ein positives Analyseergebnis bereits im Vorfeld ausweisen. Wenn die Gründungsidee dagegen nur wenig Wertschöpfungspotential und geringe Ertragschancen aufweist, sollte auch der Businessplan ein negatives Signal ab-werfen.15 Das Signal des Businessplans kann der Entrepreneur dann in seine Grün-dungsentscheidung einbeziehen.

Die Schärfe bzw. Prognosequalität des Businessplans wollen wir mithilfe der bedingten Wahrscheinlichkeit, dass eine erfolgreiche Unternehmensgründung durch einen Busi-nessplan mit positivem Analyseergebnis gekennzeichnet wird, messen. Diese bedingte Wahrscheinlichkeit, dass eine am Markt erfolgreiche Gründung bereits im Businessplan positiv dargestellt wird, bezeichnen wir mit q1 := P(Positiv|Erfolg), mit 1 q1 0. Ana-log misst q2 die Wahrscheinlichkeit, dass die Geschäftsidee im Businessplan als negativ

15 Ähnlich wie z. B. die Verkehrsampel des Softwareprodukts Quick Insight (vgl. Fußnote 10).

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herausgearbeitet ist, wenn sie ein Misserfolg wird, d. h. q2 := P(Negativ|Misserfolg), wobei 1 q2 0. Damit ist unser Informationssystem „Businessplan“ eindeutig charak-terisiert durch die beiden möglichen Signale „Positiv“ und „Negativ“ und die bedingten, in Tabelle 1 wiedergegebenen Wahrscheinlichkeiten (Likelihoods).

Erfolg Misserfolg

Positiv q1 1 q2

Negativ 1 q1 q2

Tabelle 1: Likelihoods des Informationssystems „Businessplan“

Ohne Einschränkung der Allgemeinheit nehmen wir der Einfachheit halber an, dass der Entrepreneur mit seinem Businessplan Erfolg und Misserfolg mit gleicher Treffsicher-heit prognostizieren kann, d. h. q1 = q2 = q. Bei q = 1 liefert der Businessplan eine per-fekte Prognose des Markterfolgs bzw. Misserfolgs. Für q = 0,5 kommt es zu keiner Revision der Erfolgswahrscheinlichkeiten, d. h. der Businessplan hat keinerlei Aussage-gehalt. Wir betrachten daher nur 0,5 < q 1. Wir bezeichnen mit C(q) die Kosten der Businessplanerstellung und nehmen an, dass sie im relevanten Bereich mit der Qualität des Businessplans steigen, d. h. C'(q) > 0 für q > 0,5.

2.3 Die Mindestqualität des Businessplans

Ob der Entrepreneur seine Gründungsentscheidung basierend auf der Aussage des Busi-nessplans treffen will, hängt von der Qualität des Businessplans ab. Wichtig für die Ent-scheidungsrelevanz des Businessplans ist jedoch nicht die bedingte Wahrscheinlichkeit, mit der die Qualität ausgedrückt wird, sondern vielmehr, wie sich die Wahrscheinlich-keiten des Erfolgs bzw. Misserfolgs der Gründung durch die Aussage des Businessplans vor der Gründung verändern. Mit anderen Worten, wie wahrscheinlich ist der Erfolg bzw. der Misserfolg des Unternehmens, wenn der Businessplan positiv bzw. negativ aus-fällt? Die Struktur des Entscheidungsproblems unter Einbeziehung des Businessplans ist in Abbildung 2 dargestellt.

Die für das Entscheidungsproblem relevanten, bedingten (A-posteriori-) Wahrschein-lichkeiten erhalten wir durch Anwendung der Bayes’schen Regel. Aus unserer Definiti-on der Prognosequalität ergibt sich:

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P(Erfolg|Positiv) ,(1 ) (1 )

(1 )P(Misserfolg|Negativ) .(1 ) (1 )

E

E E

E

E E

q pq p q p

q pq p q p

BP

Kein BP

Gründen

Nicht gründen

Positiv

Negativ

Gründen

Nicht gründen

Gründen

Nicht gründen

Erfolg

Misserfolg

Erfolg

Misserfolg

Erfolg

Misserfolg

P(Positiv)

P(Negativ)( )C q

I

I

I

( )C q

( )C q

0

P(Erfolg|Positiv)P(Misserfolg|Positiv)

P(Erfolg|Negativ)P(Misserfolg|Negativ)

P(Erfolg) Ep

P(Misserfolg) 1 Ep

MI V

EI V

( ) EC q I V

( ) MC q I V

( ) EC q I V

( ) MC q I V

Abbildung 2: Die Gründungsentscheidung des Entrepreneurs mit Businessplan (BP)

Zunächst wollen wir allgemein untersuchen, unter welchen Bedingungen der Business-plan dem Entrepreneur eine klare Handlungsanweisung gibt. Tatsächlich hat der Busi-nessplan nur dann einen positiven Informationswert, wenn seine unterschiedlichen Signale auch unterschiedliche Handlungen des Entrepreneurs hervorrufen. Um z. B. si-cherzustellen, dass der Entrepreneur bei positivem Signal des Businessplans die Grün-dung vollzieht, muss das erwartete Ergebnis der Gründung höher sein als das Ergebnis der Nicht-Gründung. Dies ist gewährleistet, wenn die Qualität des Businessplans ein Mindestniveau q' übersteigt, wobei

(1 )( )' .(1 )

E M

E E E M

p I Vqp V I p I V

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Analog ist es sinnvoll anzunehmen, dass der Entrepreneur bei negativem Signal des Bu-sinessplans nicht gründet. Dies ist gewährleistet bei einer Mindestqualität q'' des Busi-nessplans, wobei

( )'' .( ) (1 )( )

E E

E E E M

p V Iqp V I p I V

Je attraktiver a priori (ohne Businessplan) die Gründungsalternative, d. h. je höher die Erfolgswahrscheinlichkeit pE , je geringer die Differenz I – VM, oder je größer die Diffe-renz VE – I, desto geringer ist der kritische Wert von q', aber desto höher ist q'', und vice versa. Wir können für die Qualität des Businessplans nun drei Fälle unterscheiden:

1. q > max{q',q''}

Bei positivem Signal gründet der Entrepreneur, bei negativem Signal gründet er nicht. Die Qualität des Businessplans ist so hoch, dass der Entrepreneur durch das Signal eine Handlungsanweisung erhält, der er folgen will.

2. q < min{q',q''}

Bei positivem Signal gründet der Entrepreneur nicht, bei negativem Signal gründet er. Die Likelihoods des Informationssystems „Businessplan“ sind so gering, dass der Entrepreneur durch das Signal eine Handlungsanweisung bekommt, zu der er sich konträr verhält.

3. min{q',q''} q max{q',q''}

Der Vergleich der kritischen Wahrscheinlichkeiten mit dem a priori erwarteten Ka-pitalwert der Gründungsalternative V – I zeigt, dass:

'' ' (1 ) .E E E Mq q p V p V I

D. h. wenn (1 )E E E Mp V p V I , wird die Bedingung des dritten Falls zu q' q q'', und der Entrepreneur gründet unabhängig vom Signal des Business-plans. Wenn (1 )E E E Mp V p V I , wird die Bedingung zu q'' q q', und der Entrepreneur gründet nicht, egal was der Businessplan empfiehlt. Das Signal aus dem Businessplan ist also zu unklar, um daraus eine Handlungsanweisung für den Entrepreneur abzuleiten. Der Entrepreneur wird den Businessplan daher ignorieren und sich so verhalten wie ohne Businessplan. Damit ist der Businessplan für das Entscheidungsproblem irrelevant und für den Entscheidungsträger wertlos.

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Da wir hier den Informationswert des Businessplans untersuchen, unterstellen wir im weiteren Verlauf der Diskussion, dass q max{q',q''} erfüllt ist, d. h. der Businessplan ist von solch hoher Qualität, dass der Entrepreneur dessen Handlungsanweisung folgen möchte. Da q' + q'' = 1, gilt für das kritische Qualitätsniveau des Businessplans somit stets max{q',q''} 0,5.

Um eine bessere Vorstellung vom Zusammenspiel der Einflussfaktoren zu erhalten, be-trachten wir ein Zahlenbeispiel. Wir unterstellen dazu eine anfängliche Investitionsaus-zahlung in Höhe von I = 300 000 und erfolgsabhängige Bruttokapitalwerte VE = 1 500 000 und VM = 100 000. Für unsere A-priori-Erfolgswahrscheinlichkeit in Hö-he von pE = 0,20 ergibt sich dann q' = 0,40 und q'' = 0,60, d. h. bei einer Qualität q > 0,60 liefert der Businessplan ein entscheidungsrelevantes Signal, das die Gründungsentschei-dung beeinflussen sollte. Gehen wir alternativ von einer relativ optimistischen A-priori-Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 Prozent (oder sogar 80 Prozent) aus, dann steigt die Mindestqualität des Businessplans auf gut 0,85 (bzw. 0,96).

Wenn der Businessplan ein zuverlässiges Signal abgibt, erhalten wir mit P(Positiv) die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Entrepreneur gründet. P(Negativ) kennzeichnet dage-gen die Wahrscheinlichkeit, dass nicht gegründet wird, weil die Gelegenheit ein nicht ausreichendes Erfolgspotential aufweist. Die Wahrscheinlichkeiten für die möglichen Ergebnisse des Businessplans erhält man über den Satz der totalen Wahrscheinlichkei-ten:

P(Positiv) P(Positiv|Erfolg) P(Erfolg) P(Positiv|Misserfolg) P(Misserfolg)(1 )(1 ),

P(Negativ) P(Negativ|Erfolg) P(Erfolg) P(Negativ|Misserfolg) P(Misserfolg)(1 ) (1 ).

E E

E E

qp q p

q p q p

Die Wahrscheinlichkeit P(Negativ), dass der Entrepreneur noch vor der Gründung aus-steigt, wird bestimmt durch die A-priori- (Miss-) Erfolgswahrscheinlichkeit und die Qualität des Businessplans. Unterstellt man z. B. eine Qualität von q = 0,70 bei der bis-herigen A-priori-Erfolgswahrscheinlichkeit von pE = 0,20, so erhält man als Ausstiegs-wahrscheinlichkeit P(Negativ) = 0,62. Ist unser Beispiel repräsentativ für die Grün-dungsszene, dann bedeutet dies, dass 62 Prozent der potentiellen Gründer mit einem Businessplan die Gründung nicht vollziehen. Mit anderen Worten, durch den Business-plan reduziert sich die Gründerquote von 100 Prozent auf 38 Prozent. Der Einfluss der A-priori-Erfolgswahrscheinlichkeit auf die Ausstiegswahrscheinlichkeit ist gegeben durch

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Anne Chwolka und Matthias Raith 359

P(Negativ) 1 2 0 für 0,50.E

d q qd p

Da die Mindestqualität des Businessplans für ein korrektes, zuverlässiges Signal immer mindestens 50 Prozent übersteigt, hat die A-priori-Erfolgsquote einen negativen Einfluss und demnach die Misserfolgsquote einen positiven Einfluss auf die Ausstiegsquote. Je wahrscheinlicher der Misserfolg eines Unternehmens erscheint, desto eher wird auch der Businessplan ein negatives Signal abgeben. Für den Einfluss der Businessplanqualität erhalten wir

P(Negativ) 1 2 0 für 0,50.E Ed p p

d q

Ist die A-priori-Erfolgswahrscheinlichkeit unter 50 Prozent, so erhöht eine höhere Quali-tät des Businessplans die Ausstiegswahrscheinlichkeit. Dieses Ergebnis ist interessant vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussionen innerhalb der Förderszene in Deutschland. Während allgemein die niedrige Gründerquote beklagt wird, fordern gleichzeitig Banken, Förderinstitute und Privatinvestoren von Gründern immer bessere und anspruchsvollere Businesspläne. Wie das Entscheidungsproblem in Abbildung 2 eindrucksvoll zeigt, ist es die Hauptaufgabe des Businessplans, dafür zu sorgen, dass Gründer mit nicht aussichtsreichen Ideen erst gar nicht auf den Markt kommen. Der ne-gative Einfluss des Businessplans auf die Gründerquote ist dabei nicht unerheblich.

Wichtig ist aber auch der Einfluss des Businessplans auf die A-posteriori-Erfolgsquote der tatsächlich gründenden Entrepreneure. In unserem Zahlenbeispiel erhöht sich diese nämlich um 84 Prozent von pE = 0,20 auf P(Erfolg|Positiv) = 0,368.16 Wie man leicht zeigen kann, erhöht sich die Erfolgsquote der Gründer a posteriori immer, wenn die Prognosequalität des Businessplans so gut ist (q > max{q',q''}), dass er ein Signal liefert, dessen Handlungsanweisung der Entrepreneur folgen will.

16 Überraschenderweise findet man zu diesem Punkt konträre empirische Ergebnisse. So finden z. B.

Honig/Karlsson (2004) keinen signifikanten Einfluss des Businessplans auf die Erfolgsquote. Sie be-trachten allerdings einen anderen Modellrahmen als wir. Skrt/Antoncic (2004) finden mithilfe ihrer em-pirischen Analyse, dass das Aufstellen von Businessplänen in wachsenden kleinen Unternehmen stärker vorhanden ist als in kleinen Unternehmen, die nicht wachsen. Dies ist für uns ein Indiz dafür, dass das Wissen um das Vorhandensein von Planung in einem Unternehmen die Einschätzung der Erfolgswahr-scheinlichkeit positiv beeinflusst.

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Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess 360

2.4 Die optimale Prognosegüte des Businessplans

Um den Informationswert des Businessplans zu ermitteln, betrachten wir zunächst den Bruttovorteil BBP, den der Gründer mit Businessplan erwarten könnte, wenn die Kosten der Businessplanerstellung vernachlässigbar gering wären. Mit den ermittelten Wahr-scheinlichkeiten erhält man für den oberen Zweig des Entscheidungsproblems aus Ab-bildung 2

( ) (1 )( ) ( ) (1 )( ) .BP E M E E E MB q p I V p V I p I V q

Wie man erkennt, ist BBP eine streng monoton steigende, affine Funktion in q. Für unser Entscheidungsproblem mit (1 )E E E Mp V p V I ist das Mindestqualitätsniveau des Businessplans durch max{q',q''} = q'' gegeben. Erfüllt der Businessplan exakt dieses Mindestniveau, dann entspricht der erwartete Bruttovorteil des Businessplans dem a pri-ori erwarteten Kapitalwert der Gründung, d. h. ( '') (1 )BP E E E MB q p V p V I . Der Informationswert stellt gerade die Differenz der maximalen erwarteten Kapitalwerte mit und ohne Zusatzinformation dar. Für den Informationswert des Businessplans erhalten wir daher

( ) ( ) ( '')( ) ( ) (1 )( ) .

BP BP BP

E E E E E M

IW q B q B qp V I p V I p I V q

Der Informationswert stellt damit eine streng monoton steigende, affine Funktion in qdar, wobei für unsere Überlegungen nur Qualitätsniveaus q'' q 1 von Interesse sind, mit ( '') 0BPIW q und (1) (1 )( )BP E MIW p I V . Der funktionale Zusammenhang zwischen Qualität und Informationswert des Businessplans ist in Abbildung 3 darge-stellt.

Bezüglich der Kosten der Businessplanerstellung haben wir bislang nur angenommen, dass sie mit der Qualität des Businessplans steigen. Um den Nutzen des Businessplans für den Entrepreneur insgesamt beurteilen zu können, müssen wir den Informationswert den Kosten gegenüberstellen. Die Kosten zur Erstellung eines Businessplans mit einer bestimmten Prognosequalität werden in erheblichem Maße durch das zugrunde liegende Entscheidungsproblem determiniert. Für eine gegebene Gründungsidee werden sie dar-über hinaus auch von der Kompetenz, d. h. den Managementfähigkeiten und den zur Verfügung stehenden Planungsressourcen des Entrepreneurs, abhängen. Diese Kosten-einflussgrößen blenden wir jedoch aus und nehmen an, dass für jeden Entrepreneur die

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Kosten der Planung mit der Prognosequalität q des Businessplans steigen, wobei stei-gende Grenzkosten plausibel erscheinen.

In Abbildung 3 sind drei unterschiedliche Kostenkurven mit steigendem, konvexem Ver-lauf dargestellt. Unterstellen wir als Ausgangssituation den Verlauf C0(q). Hier sind die Kosten der Businessplanerstellung für jedes Qualitätsniveau höher als der Informations-wert, so dass insgesamt der Nettovorteil des Businessplans 0 0( ) ( ) ( )BPBPN q IW q C qstets negativ ist, wie in Abbildung 3 dargestellt. In diesem Fall wird der Entrepreneur zwar keinen Businessplan erstellen, wohl aber gründen wollen, so lange

(1 )E E E Mp V p V I . Im Ergebnis ist die Gründerquote hoch, die Erfolgsquote je-doch gering.

( )BPIW q

q0,5 1''q

0

(1 )( )E Mp I V

0 ( )C q

1( )C q

2 ( )C q

2 *q 1 *q1 ( )BPN q

2 ( )BPN q

0 ( )BPN q

Abbildung 3: Informationswert, Kosten und Nettovorteil des Businessplans für V > I

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Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess 362

2.5 Einfluss der Businessplankosten

Damit der Entrepreneur für die gegebene Entscheidungssituation zur Businessplanung bereit ist, müssen die hiermit verbundenen Kosten gesenkt werden. Durch Schulung der Businessplankompetenz des Entrepreneurs z. B. kann die Kostenkurve C0(q) in Abbil-dung 3 in südöstliche Richtung verschoben werden. In dieser Ausgangssituation könnte jedoch auch die Vorgabe eines standardisierten Businessplans sowie unterstützende Bu-sinessplansoftware dem Entrepreneur eine Businessplanung zu niedrigeren Kosten er-möglichen. Die Literatur zum „perfekten Businessplan in nur wenigen Schritten“ kann durchaus unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.

Das Gleiche gilt für die neuen Versionen bekannter Businessplan-Softwareprodukte, die heute deutlich besser sind als vor nur wenigen Jahren. Da die mit Software generierten Businesspläne nicht ausschließlich die Handschrift des Gründerteams tragen, kann man genauso davon ausgehen, dass die Standardisierungsbemühungen es auch Gründungsbe-ratern leichter gemacht haben, Businesspläne für Gründer zu erstellen. Davor warnen jedoch Autoren, die Anleitungen für die Erstellung erfolgreicher Businesspläne verfas-sen. Oft wird hervorgehoben, dass die Erstellung des Plans der wesentliche kritische Er-folgsfaktor ist, und nicht der Plan selbst.17 Auch wenn zu bezweifeln ist, dass die öffent-lich propagierten Standardisierungsansätze Businesspläne von hoher Prognosequalität (d. h. mit hohem q) hervorbringen, so ermöglichen sie dennoch die Erstellung von Busi-nessplänen mit mittlerer Qualität zu geringeren Kosten.

In Abbildung 3 ist der Einfluss erleichterter Businessplanung durch die Kostenkurve C1(q) dargestellt, die bei niedrigen Qualitätsniveaus unterhalb der Kurve C0(q) verläuft, bei höherer Qualität aber gegen diese konvergiert. Im Ergebnis zeigt Abbildung 3 einen Bereich von q, in dem der Nettovorteil des Businessplans 1 ( )BPN q positiv ist. Der En-trepreneur wird jetzt das Qualitätsniveau 1 *q anstreben, bei dem der Nettovorteil der Businessplanung am größten ist. Gegenüber der Kostensituation C0(q) ist bei Kosten in Höhe von C1(q) die Gründungswahrscheinlichkeit geringer, aber dafür die Erfolgswahr-scheinlichkeit der tatsächlichen Gründung höher.

Würden weitere Kostensenkungen der Businessplanung das erzielbare Ergebnis verbes-sern? Aus Sicht des einzelnen Entrepreneurs wäre diese Frage sicherlich zu bejahen. Wie die Verläufe der Kostenkurve C2(q) und der dazugehörigen Nettovorteilskurve 2 ( )BPN qin Abbildung 3 verdeutlichen, würde er von weiteren Kostensenkungen profitieren. Aus Sicht der politisch motivierten Gründungsförderer ist eine weitere Senkung der Pla-nungskosten aber nicht unbedingt wünschenswert. Wie der Verlauf der Nettovorteilskur-ve 2 ( )BPN q suggeriert, könnte bei einem steileren Verlauf der noch weiter gesenkten

17 Vgl. Dowling (2003), der die Wichtigkeit der Erstellung durch das Gründerteam betont und eine Fremd-

erstellung durch Steuerberater oder Gründungsberater grundsätzlich ablehnt. Kawasaki (2004) sieht im Businessplanungsprozess die Möglichkeit, die Qualität des Gründerteams zu testen.

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Kostenkurve ein höherer Gesamtnutzen den Entrepreneur veranlassen, das optimale Qualitätsniveau der Businessplanung auf 2 *q zu senken. Auf die gesamte Gründungs-szene übertragen hätte dies zur Folge, dass dann zwar die Gründungsquote wieder steigt, die Quote der erfolgreichen Gründungen aber gleichzeitig sinkt. Aus Sicht der Grün-dungsförderung scheint es daher ratsam zu sein, die Kosten der Businessplanung durch Standardisierungsansätze nur so weit zu senken, dass möglichst viele Entrepreneure in die Lage versetzt werden, einen (standardisierten) Businessplan zu erstellen. Ziel der Gründungsförderung sollte aber nicht sein, durch Unterstützung bei der Businessplaner-stellung nur den Nutzen des einzelnen Entrepreneurs zu erhöhen.

3. Die Gründungsentscheidung mit Kapitalgeber

Bei der bisherigen Modellierung des Entscheidungsproblems haben wir unterstellt, dass neben dem Entrepreneur selbst nur politisch motivierte Gründungsförderer Interesse am Erfolg der Unternehmensgründung haben. Weder Banken noch andere Kapitalgeber wurden explizit in die Analyse einbezogen. In diesem Abschnitt wollen wir das Ent-scheidungsproblem des Entrepreneurs erweitern, um die Rolle des Businessplans und die Bedeutung der Standardisierung für die Gründung mit beteiligten Kapitalgebern zu ana-lysieren.

3.1 Das Ausgangsproblem mit Risikokapitalgeber

Im Folgenden nehmen wir an, dass der Entrepreneur ein haftungsbeschränktes Unter-nehmen gründen möchte, aber nicht über hinreichend viele Mittel verfügt, um die benö-tigte Investitionszahlung zur Umsetzung der Projektidee selbstständig zu leisten. Kon-kret wird angenommen, dass er bereits über Sachmittel S, wie z. B. ein Grundstück, das als Betriebsgelände genutzt werden kann, und Bargeld in Höhe von G verfügt. Er kann außerdem noch einen Kredit in Höhe von K aufnehmen. Die Bewertung S der Sachmittel entspricht dem Fair Value der Vermögensgegenstände: Würde der Entrepreneur das Gründungprojekt nicht durchführen, könnte er die Sachmittel zum Preis S verkaufen. Die genannten Mittel können als Eigenkapital EK in das Unternehmen eingebracht werden. Das vorhandene Eigenkapital, EK = S + G + K, reicht aber nicht aus, um den Investiti-onsbetrag vollständig zu decken. Zur Durchführung des Projekts werden zusätzliche Mittel in Höhe von I – EK benötigt.

Für die Finanzierung des noch offenen Betrages möchte der Entrepreneur Risikokapital-geber finden, die ebenfalls als risikoneutral angenommen werden. Für die Überlassung

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Der Businessplan als institutionalisiertes Informationssystem im Gründungsprozess 364

des Kapitals bietet er ihnen eine Beteiligung an den zukünftigen Überschüssen in Höhe von b (mit 0 b < 1).

Wir nehmen an, dass die Beteiligung der Investoren eine reine Finanzierungsentschei-dung darstellt. Dies bedeutet, dass die Beteiligung weder die A-priori-Erfolgswahr-scheinlichkeit pE der Gründung beeinflusst, da diese durch die Gelegenheit und nicht deren Finanzierung bestimmt wird, noch die Kostenfunktion C(q) der Businessplaner-stellung, da diese durch die Kompetenz des Gründers gegeben ist. Um das neue Ent-scheidungsproblem des Gründers als Entscheidungsbaum darzustellen, müssen in Abbil-dung 2 lediglich die Variablen I durch EK und V durch (1 – b) V ersetzt werden. Welche Auswirkungen diese Veränderungen auf die Entscheidungen des Entrepreneurs haben, gilt es zu analysieren.

Für den Entrepreneur kommen nur solche Beteiligungen in Betracht, die ihm mindestens die Alternativrendite sichern, d. h. (1 ) 0EK b V bzw. Ent( ) / :b V EK V b . Es gibt also eine kritische Höchstbeteiligung Entb , deren Überschreitung die Gründung für den Entrepreneur wertlos werden lässt. In welcher Höhe die neuen Miteigentümer eine Beteiligung fordern, hängt von deren Alternativrenditen und deren Erwartungen bezüg-lich der zukünftig anfallenden Rückflüsse aus dem Gründungsprojekt ab, d. h. von deren Einschätzung des Unternehmenswertes V. Sie sind bereit zu investieren, wenn ihr antei-liger Unternehmenswert bV mindestens so groß wie ihre Einlage ist.

Unter der Voraussetzung, dass die Alternativrendite r der neuen Miteigentümer derjeni-gen des Entrepreneurs entspricht und sie dieselben Einschätzungen bezüglich der Rück-flüsse haben, muss ( ) 0bV I EK bzw. Inv( ) / :b I EK V b gelten, d. h. die Be-teiligung der Investoren muss mindestens einen (Netto-) Kapitalwert von null sichern. So lange V > I gilt, ist sichergestellt, dass Ent Invb b , d. h. für Entrepreneur und Investor gibt es einen Verhandlungsspielraum bezüglich der Beteiligungsquote b. Bei unsicherem Gründungserfolg wird dieser Verhandlungsspielraum durch die Einschätzung der Er-folgswahrscheinlichkeit beeinflusst, die den erwarteten Unternehmenswert determiniert. Je größer die Erfolgswahrscheinlichkeit bei gegebenen, zustandsabhängigen Unterneh-menswerten, desto größer ist die erlaubte Höchstbeteiligung des Entrepreneurs und desto kleiner ist die geforderte Mindestbeteiligung des Investors. Mit der Erfolgswahrschein-lichkeit der Gründung steigt somit der Verhandlungsspielraum für die Beteiligung des Investors.

Bei vollkommener Konkurrenz am Kapitalmarkt können die Kapitalgeber mit der marktüblichen, risikoäquivalenten Alternativrendite abgefunden werden, d. h. Invb b .Es ist jedoch fraglich, ob diese starke Verhandlungsposition der Entrepreneure für die Gründungsszene plausibel erscheint, da junge Unternehmensgründer nur beschränkte Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu potentiellen Kapitalgebern haben. Als eine „na-türliche“ Beteiligung entsprechend dem jeweiligen Kapitaleinsatz könnte

nat ( ) /b I EK I gesehen werden. Für V > I ist gesichert, dass diese Beteiligungsquote sowohl für den Entrepreneur als auch den Investor vorteilhaft ist, d. h.

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Ent nat Invb b b . Wie man leicht zeigen kann, gewährleistet eine Beteiligungsquote von bnat beiden Investitionspartnern auch eine gleiche Einlagenrendite, die gleich der Investitionsrendite ist:

nat nat(1 ) ( ) .b V EK V I b V I EKEK I I EK

Diese Eigenschaft könnte zusätzlich als Fairnesskriterium für die Festlegung der Beteili-gungsquote herangezogen werden. Ein weiterer Vorteil der „natürlichen“ Beteiligungs-quote ist die Unabhängigkeit vom Gründungserfolg. Dadurch ist dem Gründer der An-reiz genommen, seine Prognose des Gründungsergebnisses gegenüber dem Investor zu verzerren. Aus diesen Gründen und insbesondere auch der Einfachheit halber unterstel-len wir im Folgenden die Beteiligungsquote natb b . Daraus ergibt sich ein Eigenkapital des Entrepreneurs in Höhe von nat(1 )EK b I .

3.2 Die optimale Prognosequalität bei Beteiligung

Wie man durch Einsetzen in die Formeln erkennen kann, bleiben die beiden kritischen Qualitätsniveaus q' und q'' bei einer Beteiligungsquote von b = bnat unverändert. Die Mindestqualität des Businessplans für ein Signal, dessen Handlungsanweisung der En-trepreneur folgen möchte, ist also unabhängig von der Beteiligung eines Investors. Die Beteiligung hat jedoch einen negativen Einfluss auf den Informationswert des Business-plans:

nat

nat nat

( ; )(1 ) ( ) (1 ) ( ) (1 )( ) .

BP

E E E E E M

IW q bb p V I b p V I p I V q

Der Anstieg des Informationswerts verläuft flacher in q und der Informationswert er-reicht für q = 1 sein Maximum bei nat(1 )(1 )( )E Mb p I V . In Abbildung 4 ist dieser Effekt dargestellt durch die Rechtsdrehung der Geraden, die den Informationswert abbil-det, im Punkt (q'',0).

Angenommen, es gibt zwei Typen von Entrepreneuren, die einen mit hoher Business-plankompetenz und einer Kostenkurve C1(q) und die anderen mit niedriger Business-plankompetenz, charakterisiert durch die Kostenkurve C0(q) in Abbildung 4. Entrepre-neure mit Businessplankosten C1(q) würden sowohl ohne wie auch mit Beteiligung eines Investors einen Businessplan erstellen wollen. Allerdings wird durch die Beteiligung der Informationswert des Businessplans gesenkt, wodurch das für den Entrepreneur optimale

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Qualitätsniveau des Businessplans von 1 *q ohne Beteiligung auf 1 *bq mit Beteiligung gesenkt wird. Dies hat einen positiven Effekt auf die Gründungswahrscheinlichkeit, ver-ringert aber die A-posteriori-Erfolgswahrscheinlichkeit der Gründung. Bei den Entrepre-neuren mit Businessplankostenkurve C0(q) führt die Beteiligungsstruktur zu einer solch starken Verringerung des Informationswerts, dass sie überhaupt keinen Nutzen mehr in der Businessplanung sehen. Die Entrepreneure mit niedriger Planungskompetenz würden es daher vorziehen, ohne Businessplan zu gründen. Dies erhöht die Gründungswahr-scheinlichkeit auf 100 Prozent, verringert aber deutlich die Erfolgswahrscheinlichkeit der tatsächlichen Gründung.

q0,5 1''q

0

(1 )( )E Mp I V

0 ( )C q

1( )C q

0 *bq

1 *q

(1 )(1 )( )nat E Mb p I V

(1 ) ( )nat E Eb p V I

(1 ) (1 )nat E E E Mb p V p V I

1 *bq

IW des BPohne Beteiligung

IW des BPmit Beteiligung

IW des BP mit Beteiligung und BP-Auflage

Abbildung 4: Der Informationswert (IW) des Businessplans (BP) mit Beteiligung

Als Zwischenergebnis können wir also festhalten: Bei zwei identischen Gründungsgele-genheiten mit identischen Erfolgsaussichten und identischen Investitionsauszahlungen ist die Gründungswahrscheinlichkeit mit Investorenbeteiligung höher als ohne. Dies liegt jedoch nicht daran, dass die Investoren die Qualität der Gründung erhöhen. Vielmehr ist es der niedrigere Anteil des Entrepreneurs am Unternehmenswert, der einen niedrigeren Informationswert des Businessplans zur Folge hat. Dementsprechend sinkt oder ver-schwindet der Anreiz des Entrepreneurs gänzlich, in Planungsqualität zu investieren, da er die Kosten allein tragen muss. Es kommen also deswegen mehr Gründer auf den Markt, weil ihre schlechteren Businesspläne ihnen nicht den Ausstieg empfehlen. Zwangsläufig ist auch der erwartete Erfolg des gegründeten Unternehmens mit Beteili-gung niedriger als ohne.

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3.3 Die Beteiligung mit Businessplanauflage

Dem von uns bislang betrachteten Informationswert des Businessplans wurde die An-nahme zugrunde gelegt, dass dem Entrepreneur alternativ auch die Unternehmensgrün-dung ohne Businessplan offen steht. Bei der Gründung mit Beteiligung von Investoren muss diese Annahme jedoch hinterfragt werden, da Investoren fast immer den Business-plan bei der Gründung voraussetzen. Wir wollen daher untersuchen, wie sich der Infor-mationswert des Businessplans verändert, wenn der Entrepreneur alternativ zur Grün-dung mit Businessplan nur noch die Nicht-Gründung mit einem Kapitalwert von null wählen kann. Wie man schnell erkennt, entspricht der neue Informationswert dem Ge-samtvorteil des Businessplans bei Investorenbeteiligung:

nat

nat nat

( ; )(1 )(1 )( ) (1 ) ( ) (1 )( ) ,

BP

E M E E E M

B q bb p I V b p V I p I V q

wobei nat nat( ''; ) (1 ) (1 ) 0BP E E E MB q b b p V p V I , d. h. für die Mindestquali-tät q'' ist der Informationswert jetzt positiv. Der Anstieg in q ist jedoch unverändert, so dass die Restriktion der Investoren – „keine Gründung ohne Businessplan“ – den Infor-mationswert zu jedem Qualitätsniveau q q'' erhöht, und zwar um den erwarteten Vor-teil der entgangenen Gründung ohne Businessplan. In Abbildung 4 bewirkt diese Re-striktion eine Parallelverschiebung der gestrichelten Gerade, die den Informationswert mit Beteiligung darstellt, nach oben.

Für Entrepreneure mit hoher Businessplankompetenz (dargestellt durch die Kostenkurve C1(q)) bleibt das gewählte optimale Qualitätsniveau 1 *bq ihres Businessplans gleich. Die Restriktion bewirkt also keine Verhaltensänderung, aber der Nettovorteil des Business-plans für den Entrepreneur steigt, und zwar um den erwarteten Wert der Gründung ohne Businessplan. Der wichtigere Effekt ist jedoch bei Entrepreneuren mit niedriger Busi-nessplankompetenz (dargestellt durch die Kostenkurve C0(q)) zu erkennen. Da diesen Entrepreneuren die Kosten für die Businessplanerstellung zu hoch sind, würden sie es alle vorziehen, ohne Businessplan zu gründen. Dies ist durch die Businessplanauflage nun nicht mehr möglich, und so steigt der Informationswert des Businessplans um den Wert der entgangenen Gelegenheit. Dadurch wird den Gründern mit hohen Kosten nun auch ein positiver Nettovorteil der Businessplanerstellung gewährt. Das von ihnen ge-wählte optimale Qualitätsniveau 0 *bq ist dabei unter Umständen sogar höher als das Qualitätsniveau der Gründer mit hoher Businessplankompetenz, wie das Beispiel in Ab-bildung 4 zeigt. Der entscheidende Aspekt ist aber, dass ein Großteil der Gründungsinte-ressierten mit geringer Businessplankompetenz nun die geringeren Erfolgsaussichten der Gelegenheit erkennt und ausscheidet, was den Gründungserfolg der tatsächlichen Grün-der hebt.

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Das Verlangen eines Businessplans führt ähnlich wie die Standardisierungsansätze dazu, dass mehr Entrepreneure einen positiven Nettovorteil aus der Businessplanerstellung ziehen. Wie wir aber im vorherigen Abschnitt gezeigt haben, können Kostensenkungs-maßnahmen auch zu einer schlechteren Qualität der Businessplanung führen. Für Inves-toren macht es daher Sinn, stets einen Businessplan zu verlangen. Sie sollten aber nicht unbedingt gleichzeitig versuchen, durch Planungshilfen den Entrepreneuren die Busi-nessplanung so einfach wie möglich zu machen, denn der zusätzliche Nettovorteil für die Entrepreneure erhöht nicht zwangsläufig auch die Qualität der Businessplanung.

4. Zusammenfassung und Implikationen

Der Businessplan spielt offensichtlich im Gründungsprozess eine zentrale Rolle und soll dabei gleich mehrere Zwecke erfüllen, die aber zumindest partiell zueinander in Konflikt stehen können. Dies wirft die Frage auf, ob es nicht sinnvoller ist, nur einen Zweck an-zustreben.

Wir haben in einem ersten Schritt das Entscheidungsproblem des einzelnen Gründers fokussiert und den Businessplan als reines Analyseinstrument der Gelegenheit unter-stellt. In dieser Rolle ist es die Hauptfunktion des Businessplans, nicht aussichtsreiche Gründungsideen zu identifizieren und den Gründer von der Gründung abzuhalten. Durch die Einbeziehung eines Businessplans wird die Gründungsquote beträchtlich reduziert, was vielleicht zunächst negativ anmutet. Da hierdurch aber bei hinreichend großer Prog-nosequalität des Businessplans gleichzeitig die Erfolgsquote der tatsächlichen Gründung erheblich gesteigert wird, ist der Effekt positiv zu werten. Der Informationswert des Bu-sinessplans steigt für die betrachtete Gründungsgelegenheit linear in der Prognosequali-tät an, während gleichzeitig die Kosten (vermutlich) überproportional steigen. Standardi-sierung der Businessplanerstellung ist dann vorteilhaft, wenn durch die damit verbundenen geringeren Kosten mehr Entrepreneure einen positiven Nettovorteil in der Businessplanerstellung sehen. Kostensenkung in der Businessplanung kann jedoch auch Entrepreneure dazu verleiten, die Qualität ihrer Planung zu reduzieren, was dann zwar mehr Gründer auf den Markt bringt, aber auch eine niedrigere A-posteriori-Erfolgquote der Gründungen impliziert.

In einem zweiten Schritt haben wir die Gründung mit zusätzlichen Risikokapitalgebern analysiert. Für eine Beteiligung am Unternehmenswert entsprechend der Einlagen konn-ten wir bei identischer Alternativrendite der Kapitalgeber sicherstellen, dass der Entre-preneur keinen Anreiz zur verzerrten Darstellung der Erfolgssituation hat. Da ihm nur noch ein Anteil kleiner als 100 Prozent an den Rückflüssen zusteht, er aber gleichzeitig zu 100 Prozent die Kosten der Businessplanung zu tragen hat, ist aus seiner Sicht mit Beteiligung eine geringere Prognosequalität anzustreben, was bezogen auf den Gesamt-

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wert suboptimal ist. Wie wir gezeigt haben, kann der Risikokapitalgeber ein höheres Qualitätsniveau der Planung induzieren, wenn er sich glaubhaft verpflichtet, nur bei Vor-lage eines Businessplans die Einlage zu leisten. Auch wenn der Inhalt des Businessplans wegen der Manipulationsgefahr keine präzisen Rückschlüsse über die Ertragschancen eines Gründungsprojekts zulässt, so ist aber das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhanden-sein des Businessplans informativ über die Erfolgschancen des Projekts.

Dieser Vorteil einer Businessplanauflage gilt aber auch ohne die Beteiligung privater Kapitalgeber. Denkt man an andere Kontraktpartner des Entrepreneurs, wie Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter, dann könnte es aus gesamtwirtschaftlicher Sicht durchaus vor-teilhaft sein, vor der Gründung (z. B. vor der Eintragung ins Handelsregister) von jedem Gründer einen Businessplan zu verlangen im Sinne eines obligatorischen Risikochecks. Wenn Gründer öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen, scheint dies sogar zwin-gend. Soll die Gründung ohne Zuschüsse erfolgen, dann könnte der Gesetzgeber mit ei-ner ähnlichen Argumentation, wie er seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) im Jahr 1998 die Einführung ei-nes Risikomanagementsystems in Aktiengesellschaften gemäß § 91 AktG erwartet, auch von jedem Gründer einen Businessplan verlangen.

Bei allen Möglichkeiten, den Businessplan als Kommunikationswerkzeug verzerrend einzusetzen, hat unsere Analyse gezeigt, dass er insbesondere als ein Instrument zur fun-dierten Entscheidungsvorbereitung zu sehen ist, aus dem Entrepreneure die Handlungs-anweisung ziehen, mit ihrer Geschäftsidee überhaupt auf den Markt und damit auch an einen Kapitalgeber heranzutreten. Um den Kapitalgeber von diesem Qualitätstest zu überzeugen, muss der Businessplan jedoch einen kritischen Qualitätsstandard erfüllen. Diesen zu spezifizieren ist nicht leicht.

Ein noch schwierigeres Problem ist es zu überprüfen, wie viel Arbeitseinsatz der Entre-preneur tatsächlich in die Erstellung des Businessplans investiert hat. Hier liegt ein wei-terer Vorteil der Standardisierung. Damit das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein ein sinnvolles und zuverlässiges Signal ist, muss die Form des Businessplans gewisse Mindestanforderungen erfüllen und er gewisse Informationen enthalten. Durch die An-leitungen in Form von Checklisten kann sichergestellt werden, dass sich der Entrepre-neur über die betreffenden Fragen zumindest Gedanken gemacht hat. Wichtig ist jedoch, dass dieser Businessplan jemandem vorgelegt werden muss, der ihn potentiell einer Konsistenz- bzw. Glaubwürdigkeitsprüfung unterzieht.

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Brams, S. J.; Schotter, A.; Schwödiauer, G. (Hrsg.) (1979): Applied Game Theory, Wien, Würzburg.

Chaloupek, G.; Guger, A.; Nowotny, E.; Schwödiauer, G. (Hrsg.) (2002): Ökonomie in Theorie und Praxis: Festschrift für Helmut Frisch, Berlin.

Cloer, E.; Dittrich, E.; Fritzsche, K. P.; Marotzki, W.; Merkel, W.; Ortlepp, W.; Poll-mann, K. E.; Schwödiauer, G. (Hrsg.) (2003): Transformationen: Gesellschaften im Wandel, Würzburg.

Deistler, M.; Fürst, E.; Schwödiauer, G. (Hrsg.) (1982): Games, Economic Dynamics and Time Series Analysis, Wien, Würzburg.

Fleissner, P.; Fürst, E.; Löschner, E.; Schebeck, F.; Schleicher, S.; Schwödiauer, G.; Winter, H. (1970): Modell Österreich I, Forschungsbericht 45, Institut für Höhere Studien, Wien.

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372 Ausgewählte Schriften von Gerhard Schwödiauer

Frey, B. S.; Schwödiauer, G. (1971): Über die zeitliche Nutzung der Natur, Schmollers Jahrbuch 91, S. 691–710.

Frisch, H.; Schwödiauer, G. (Hrsg.) (1980): The Economics of Flexible Exchange Rates,Berlin.

Fürst, E.; Haase, K.; Kernbauer, H.; Munduch, G.; Schwödiauer, G.; Suppanz, H. (1977): Überlegungen zur Sicherung der Vollbeschäftigung und zur Wiederherstel-lung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts, Projektbericht 42, Institut für Höhere Studien, Wien.

Inderfurth, K.; Schwödiauer, G.; Domschke, W.; Juhnke, F.; Kleinschmidt, P.; Wäscher, G. (Hrsg.) (2000): Operations Research Proceedings 1999, Berlin.

Morgenstern, O.; Schwödiauer, G. (1976): Competition and Collusion in Bilateral Mar-kets, Journal of Economics 36, S. 217–245.

Nowotny, E.; Rothschild, K. W.; Schwödiauer, G. (1972): Bestimmungsgründe der Lohnbewegung, Wien, New York.

Schotter, A.; Schwödiauer, G. (1980): Economics and the Theory of Games: A Survey, Journal of Economic Literature 18, S. 479–527.

Schwödiauer, G. (1968): Calculations of A Priori Power Distributions for the United Nations, Forschungsbericht 24, Institut für Höhere Studien, Wien.

Schwödiauer, G. (1970): Die strukturelle Monopolisierungsneigung oligopolistischer Märkte, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 183, S. 465–486.

Schwödiauer, G. (1971): A Glossary of Game Theoretical Terms, Working Paper, New York University.

Schwödiauer, G. (1974): Entscheidungstheorie und Planspiele, Quartalsheft der Giro-zentrale Wien, Nr. 2, S. 73–86.

Schwödiauer, G. (1976): Spieltheorie; in: Grochla, E.; Wittmann, W. (Hrsg.): Handwör-terbuch der Betriebswirtschaft, 4. Aufl., Stuttgart, Sp. 3617–3633.

Schwödiauer, G. (1977): Konjunkturtheorie in der Krise, Wirtschaftspolitische Blätter24, S. 14–23.

Schwödiauer, G. (1978): Economic Equilibrium and Disequilibrium from a Dynamic Point of View; in: Schwödiauer, G. (Hrsg.): Equilibrium and Disequilibrium in Eco-nomic Theory, Dordrecht, Boston, S. xi–xlvii.

Schwödiauer, G. (Hrsg.) (1978): Equilibrium and Disequilibrium in Economic Theory,Dordrecht, Boston.

Schwödiauer, G. (1980): Zur Stabilität und Evolution marktwirtschaftlicher Systeme aus klassischer Sicht (Koreferat zu J. Röpke); in: Streißler, V.; Wartrin, C. (Hrsg.): Zur Theorie marktwirtschaftlicher Ordnungen, Tübingen, S. 155–159.

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Ausgewählte Schriften von Gerhard Schwödiauer 373

Schwödiauer, G. (1982): Game Theory as a Tool of Economic Analysis; in: Deistler, M.; Fürst, E.; Schwödiauer, G. (Hrsg.): Games, Economic Dynamics and Time Series Analysis, Wien, Würzburg, S. 143–144.

Schwödiauer, G. (1984): Arbeitszeitverkürzung – auch ein Problem der Ökonometrie, Wirtschaftspolitische Blätter 31, S. 393–403.

Schwödiauer, G. (1984): Diskretionäre versus regelgebundene Wirtschaftspolitik, PSK-Schriftenreihe Volkswirtschaft, Nr. 3, S. 74–78.

Schwödiauer, G. (1987): Menger, Karl; in: Eatwell, J.; Milgate, M.; Newman, P. (Hrsg.): The New Palgrave, Bd. 3, London, S. 444–445.

Schwödiauer, G. (1987): Schlesinger, Karl; in: Eatwell, J.; Milgate, M.; Newman, P. (Hrsg.): The New Palgrave, Bd. 4, London, S. 256.

Schwödiauer, G. (1987): Spieltheorie; in: Gal, T. (Hrsg.): Grundlagen des Operations Research, Berlin, Heidelberg, New York, Kapitel 10.

Schwödiauer, G. (1989): Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1988 an Maurice Allais, Wirtschaftswissenschaftliches Studium 18, S. 33–35.

Schwödiauer, G. (1991): Optimal Monetary and Fiscal Policies in Cash-in-Advance Economies with Monopolistic Competition; in: Fandel, G.; Gehring, H. (Hrsg): Operations Research – Beiträge zur quantitativen Wirtschaftsforschung, Berlin, Hei-delberg, New York, S. 235–250.

Schwödiauer, G. (1992): Fiscal and Monetary Policies in Overlapping Generations Economies with Monopolistic Competition; in: Winckler, G; Wörgötter, A. (Hrsg.): Macroeconomic Policy Games, Heidelberg, S. 103–123.

Schwödiauer, G. (2001): Die Entstehungsgeschichte der „Theory of Games and Eco-nomic Behavior“; in: Grüske, K.-D. (Hrsg.): John von Neumanns und Oskar Morgensterns „Theory of Games and Economic Behaviour“, Düsseldorf, S. 51–79.

Schwödiauer, G. (2002): Ought we to Worry about Regional Divergence in the European Monetary Union?; in: Österreichische Nationalbank (Hrsg.): Wettbewerb der Re-gionen und Integration in der WWU, Wien, S. 276–286.

Schwödiauer, G. (2002): Zukunftsfähige Finanzpolitik und Tragbarkeit der Staatsschuld des Landes Sachsen-Anhalt; in: Landtag von Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Bericht der Enquete-Kommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“, Magdeburg, S. 104–132.

Schwödiauer, G. (2003): Das „Master of Business Administration (MBA)-Programm“ der Otto-von-Guericke-Universität in Moskau; in: Pollmann; K. E. (Hrsg.): Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Festschrift, Halle, S. 140–143.

Schwödiauer, G. (2006): Die kreativen Kräfte der Freiheit; in: Hüther, M. (Hrsg.): Klas-siker der Ökonomie, Bonn, S. 242–246.

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374 Ausgewählte Schriften von Gerhard Schwödiauer

Schwödiauer, G. (2006): Patenkin, Don, Money, Interest, and Prices: An Integration of Monetary and Value Theory; in: Herz, D.; Weinberger, V. (Hrsg.): Lexikon ökonomi-scher Werke – 650 wegweisende Schriften von der Antike bis ins 20. Jahrhundert,Darmstadt, S. 389–391.

Schwödiauer, G.; Akimova, I., Gladkiy, V. (2006): Recommendations for Economic Reform in Ukraine, Development and Transition, Nr. 3, S. 13–15.

Schwödiauer, G.; Komarov, V.; Akimova, I. (2006): Central Bank Independence, Ac-countability and Transparency: The Case of Ukraine, FEMM Working Paper, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Schwödiauer, G.; Wagner M. (1978): Kreditkontrakte und Investitionsentscheidung,Schriften des Vereins für Socialpolitik, Neue Folge 98, S. 219–237.

Schwödiauer, G.; Wenig, A. (1989): Accidental Bequests, Social Security and the Dis-tribution of Wealth; in: Felderer, B. (Hrsg): Einkommensverteilung und Bevölke-rungsentwicklung, Berlin, S. 133–154.

Schwödiauer, G.; Wenig, A. (1989): Choice of Fertility and Population Pressure in Tra-ditional Rural Societies; in: Zimmermann, K. F. (Hrsg.): Economic Theory of Opti-mal Population, Berlin, Heidelberg, New York, S. 117–139.

Schwödiauer, G.; Wenig, A. (1990): The Impact of Taxation on the Distribution of Wealth in an Economy with Changing Population, Journal of Population Economics3, S. 53–71.

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Die Autoren

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Albach ist Professor (em.) für Unternehmenstheorie und Unternehmenspolitik der Humboldt-Universität zu Berlin. Gegenwärtig ist er Kanzler des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste. Er war Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Mitglied des Aufsichtsrats der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB).

Prof. Dr. Sergii Arkhiiereiev holds the Chair of General Economic Theory at National Technical University KhPI, Kharkiv, Ukraine.

Prof. Dr. Ludwig von Auer ist Inhaber der Professur Volkswirtschaftslehre, insbes. Finanzwissenschaft an der Universität Trier.

Prof. Benjamin Bental, PhD, is Professor of Economics at University of Haifa, Israel, and former chair of that department. He is current head of the Haifa Center for Ger-man and European Studies and was visiting professor at Otto-von-Guericke-Univer-sity Magdeburg in 1994 and 1999 and at Humboldt University at Berlin in 2007.

Prof. Dr. Jeannette Brosig ist Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, ins-bes. Quantitative Wirtschaftspolitik an der Universität Duisburg-Essen.

Prof. Dr. Anne Chwolka ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, ins-bes. Unternehmensrechnung/Accounting an der Otto-von-Guericke-Universität Mag-deburg.

Prof. Dominique Demougin, PhD, holds the Chair for Law and Economics at European Business School (EBS) International University Schloss Reichartshausen, Oestrich-Winkel. He is also Head of the EBS Department Law, Governance and Economics.

Prof. Dr. Stefan Felder holds the Chair of Health Economics at Otto-von-Guericke-University Magdeburg. He is also the executive Director of the Institute of Social Medicine and Health Economics.

Prof. Dr. Peter Flaschel holds the Chair of Economics – Economic Theory at Bielefeld University.

Prof. Dr. Horst Gischer ist Inhaber der Professur für Volkswirtschaftslehre, insbes. Geld und Kredit an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Geschäfts-führender Direktor des Forschungszentrums für Sparkassenentwicklung e. V.

Prof. Dr. Alfred Greiner holds the Chair for Economic Policy at Bielefeld University. Jun.-Prof. Dr. Marjaana Gunkel is Assistant Professor of International Human Re-

source Management at Otto-von-Guericke-University Magdeburg. Heike Haußner ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirt-

schaftslehre, insbes. Management Science an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

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376 Die Autoren

Timo Heinrich ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftsleh-re, insbes. Wirtschaftspolitik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Jessica Knauel ist Absolventin des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Prof. Dr. Sigrid Luchtenberg is Adjunct Professor of Education at the University of Duisburg-Essen.

Prof. Dr. Alfred Luhmer war von 1993 bis 2007 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebs-wirtschaftslehre, insbes. Unternehmensrechnung und Controlling an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Violeta Matovi ist Politikwissenschaftlerin an der Universität Belgrad sowie Direktorin des Nationalen Gegenterrorismuskomitees.

Elena Moskalenko holds a Master’s degree from the German MBA Program Moscow. Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, ins-

bes. Internationale Wirtschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg so-wie Vorstandsvorsitzender der Herbert-Giersch-Stiftung, Frankfurt am Main. Von 2002 bis 2006 war er Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt.

Prof. Dr. Peter Pererva holds the Chair of Organization and Personnel Management and is dean of the Economic Faculty at National Technical University KhPI, Kharkiv, Ukraine.

Prof. Dr. Oleg D. Prozenko ist Prorektor der Akademie für Volkswirtschaft bei der Re-gierung der Russischen Föderation, Moskau, Direktor des Instituts für Management und Marketing sowie Mitglied des Expertenrats der zentralen obersten Zulassungs-kommission für Promotionen und Habilitationen der Russischen Föderation.

Prof. Dr. Matthias Raith ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Entrepreneurship und Leiter des Impuls-Netzwerks Sachsen-Anhalt sowie des Pro-jekts High-Expectation Entrepreneurship am Interaktionszentrum Entrepreneurship der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Prof. Dr. Peter Reichling holds the Chair of Banking and Finance at Otto-von-Guericke-University Magdeburg and is a director of the Forschungszentrum für Spar-kassenentwicklung (FZSE). In 2007, he was additional member of the executive board (CFO) of the house building cooperative “Otto von Guericke”, Magdeburg.

Dr. J. Philipp Reiß ist Assistenzprofessor für Mikroökonomik an der Universität Maastricht, stellvertretender Direktor des Maastrichter Labors für experimentelle Wirtschaftsforschung (BEElab) und METEOR Fellow.

Dr. Elena Reshetnyak leads the Center for Economic Development “Perspectiva” at National Technical University KhPI, Kharkiv, Ukraine, and serves as a program di-rector of the Ukrainian Council for Economic Education.

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Die Autoren 377

Dr. Thomas Riechmann ist Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Volkswirt-schaftslehre, insbes. Wirtschaftspolitik an der Otto-von-Guericke-Universität Mag-deburg.

Dr. Tatiana Ryabova is Associate Professor of the Chair of General Economic Theory at National Technical University KhPI, Kharkiv, Ukraine.

Prof. Dr. Abdolkarim Sadrieh ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. E-Business an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie stellver-tretender Vorsitzender der Gesellschaft für experimentelle Wirtschaftsforschung.

Prof. Dr. Ronnie Schöb war Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbes. Finanzwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, bevor er 2007 den Lehrstuhl für Finanzwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Finanzpo-litik an der Freien Universität Berlin übernahm.

Jun.-Prof. Dr. Jens Robert Schöndube ist Inhaber der Juniorprofessur für Betriebs-wirtschaftslehre, insbes. Unternehmensrechnung und Controlling an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Prof. Dr. Barbara Schöndube-Pirchegger ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebs-wirtschaftslehre, insbes. Unternehmensrechnung und Controlling an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Prof. Dr. Thomas Spengler ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, ins-bes. Unternehmensführung und Organisation an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie Direktor des Forschungszentrums für Sparkassenentwicklung e. V.

Mirela Stefanova holds a Master’s degree in Economics and Finance from Otto-von-Guericke-University Magdeburg.

Prof. Dr. Helmut Steiner ist Gründungsmitglied und Schatzmeister des Wolfgang-Schüler-Instituts für Internationale Management-Studien e. V. (Deutsches MBA-Pro-gramm Moskau).

Prof. Dr. Leonid Tovazhnyanskyy is rector of National Technical University KhPI, Kharkiv, Ukraine, and holds the Chair of General Chemical Technology, Processes and Apparatuses.

Prof. Dr. Dr. Bodo Vogt is professor of Empirical Economics at Otto-von-Guericke-University Magdeburg.

Prof. Dr. Gerhard Wäscher ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Management Science an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er ist zudem Vice President 1 der EURO, des Dachverbands der nationalen Gesellschaf-ten für Operations Research in Europa.

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378 Die Autoren

Prof. Dr. Joachim Weimann ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Wirtschaftspoli-tik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er ist Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Geschäftsführer der Business School Magdeburg, Vorsit-zender der Gesellschaft für experimentelle Wirtschaftsforschung sowie Direktor des MaXLab, des Magdeburger Labors für experimentelle Wirtschaftsforschung.

Prof. Dr. Alois Wenig ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Sebastian Wenzke works as a Project Manager for Chemserv Industrie Service GmbH Linz, Austria. He holds an MSc in Project Management from Lancaster University Management School, England.

Prof. Dr. Birgitta Wolff holds the Chair of International Management and is Vice Dean of the Faculty of Economics and Management at Otto-von-Guericke-University Magdeburg. She was a John F. Kennedy Fellow at Harvard, a Visiting Professor at Georgetown University, and, in 2002, spent her sabbatical at Stanford University.

Dr. Andreas Wörgötter ist Universitätsdozent an der Technischen Universität Wien und Leiter eines Ländergruppenreferats im Wirtschaftsdirektorat der OECD in Paris.