tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova...

20
Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonia nova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

Transcript of tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova...

Page 1: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

Ausgabe 12

magazin für dortmunder kultur & wirtschafttremonianova

Grundschule Kleine KielstraßeAusgezeichnet fürsLeben lernen Seite 15

Page 2: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova2

tremonia nova–› „Tremonia“, mittelalterlicher Name der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund–› „Tremonia nova“, (lat.) Begriff für denWandel der größten Stadt Westfalens vonKohle, Stahl und Bier hin zu einemeuropäischen Technologiestandort undattraktiven Lebensort des 21. Jahrhunderts

In diesem Heft3 „Ich könnte auch Fußballtrainer sein“

Der neue GMD Jac van Steen und sein Trainingsprogramm im Orchestergraben

6 Für eine Handvoll SchneeWolff sichert mit Weichenheizung die Tibet-Bahn in 4.000 Meter Höhe

8 Mehr als nur ein SteinBoehringer Ingelheim setzt mit Erfolg auf die Dortmunder Mikro- und Nanoszene

10 Mit Leidenschaft im gleichen Takt …Stimmgewaltige Chorakademie ist eine der größten Singschulen Europas

15 Titel: Großer Preis für Kleine KielstraßeDeutscher Schulpreis für ihr außerordentliches Engagement

18 Rotkäppchen, ein Dortmund-Märchen80 Jahre erfolgreich mit Camembert und Weichkäse: die Rotkäppchen Jülich GmbH

19 Dortmunder KöpfeHeiko Wasser, Alfred „Aki“ Schmidt, Fritz Eckenga

Impressum

tremonia novamagazin für dortmunder kultur & wirtschaft Ausgabe 12, Juni 2007

Herausgeber: Stadt Dortmund/Dortmund-Agentur, in Zusammenarbeit mit dem dortmund-project

Chefredakteur: Oliver Berten (verantwortlich)

Redaktion: Stefanie Haddick, Waltraud Murauer, Alexander Nähle, Gerd Rübenstrunk, Michael Westerhoff (Autoren), Lutz Kampert (Bild)

Geschäftsführung: Gaye Suse Kromer, Pascal Ledune

Gestaltung: Irmgard Wegener

Anzeigen: Gaye Suse Kromer

Bildnachweis: dpa/picture-alliance (Seite 15), Lutz Kampert (Seiten 1–5, 7, 9–19), Alexander Völkel (Seite 8), Philipp Wente (Seite 19), Wolff Weichenheizungen & Oberbau GmbH (Seiten 6–7)

Druck: Druckerei Lenters & Co.

Friedensplatz 3 – 44122 Dortmund – Tel. (0231) 50-2 64 30Fax: (0231) 50-2 65 97 – E-Mail: [email protected]

inhalt

Page 3: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 3

kultur

Mit Power und musika-lischem Feingefühl alsneuer Generalmusik-direktor nach Dortmund:Jac van Steen

„Ich könnte auch Fußballtrainer sein“

Interview: Waltraud MurauerBild: Lutz Kampert

Orchestergraben statt Fußballplatz – der Niederländer Jac van Steen ist ein Teamarbeiter,aber einer, dem es besonderen Spaß macht zu sagen, wo es langgeht. Ab kommenderSpielzeit ist er Generalmusikdirektor in Dortmund. �

Page 4: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova4

ut gelaunt durchquert Jac van Steendas Foyer des Dortmunder Rathauses.Antrittsbesuch mit Pressetermin. Der neueGMD ist auf der Durchreise – von Zürich nachKuala Lumpur. Auf dem Weg vom Dirigenten-pult in der Schweiz zur ersten Konzertreise inAsien erzählt er, warum er Jac ist und nicht derMaestro, was die Musik von der BildendenKunst lernen sollte und was Dortmund fürihn so spannend macht.

tremonia nova: Herr van Steen, Sie dirigierenviele große Orchester in Deutschland, denNiederlanden, der Schweiz und Großbritan-nien, nächste Woche stehen Sie in Asien amPult. Wie ist das, wenn Sie ein Orchester zumersten Mal leiten?

Jac van Steen: Es gibt einen bekannten Witz, dasagt der Dirigent, ich brauche fünf Minuten,dann weiß ich, was ich für ein Orchester habe.Und dann sagt ein Orchestermusiker: Wirbrauchen nur eine Minute, um zu wissen,was für ein Dirigent vor uns steht. Das hateinen wahren Kern. Man spürt sofort, ob dieChemie zwischen dem Dirigenten und demOrchester stimmt.

Auch das Dortmunder Orchester haben Siebereits dirigiert. Die Musiker haben sicheinstimmig für Sie als GMD ausgesprochen.Da scheint die Chemie zu stimmen. Hat dasauch etwas mit Ihrer niederländischenMentalität zu tun, mit einer gewissenLockerheit im Umgang?

Ja, ich denke schon. Wenn ich in Groß-britannien zum ersten Mal zu einem großenfremden Orchester gehe, London, Manchester,Scottish National – dann sagt fast keinerMr. van Steen oder Maestro zu mir. Die sagen„Jac, what do you mean“, willst Du kurz oderlang? In Deutschland dauert es Jahre, bisman so miteinander umgehen kann.

Sie haben Orchester- und Chordirigierenstudiert. Warum wollten Sie Dirigent werden?

Als Dirigent muss man nicht nur Autorität aus-strahlen, man muss sich auch dabei wohlfüh-len. Ich fühle mich manchmal als primus interpares – als einer, der sagen muss, wo es hingehtund das mache ich gerne, diszipliniert, aberauch unverkrampft. Als meine Kinder kleinwaren – wir wohnen auf einem Dorf – habeich mit einer Gruppe Jungen Fußballtraininggemacht. Die waren so zwölf, dreizehn Jahrealt und wir haben einfach Spaß gehabt. Somache ich das als Dirigent auch. Ich trainiereGruppen – ich könnte auch Fußball-Trainersein … Nur kann ich nicht Fußball spielen,jedenfalls nicht so wie ich dirigieren kann.

Sie haben Anfang 2007 auch das Bundes-jugendorchester „trainiert“ und waren sehrerfolgreich. Wie war diese Arbeit für Sie?

Toll. Die Tournee mit dem Bundesjugend-orchester war eine Erfahrung fürs Leben.Das sind 14- bis 18-jährige Talente aus ganzDeutschland. Hundert Leute kommen dazusammen, spielen wie verrückt, trinken wieverrückt, die Hormone fliegen durch die Luft,das spürt man, und nach dem Konzert gibt’sParty bis morgens um vier. Ein paar Stundenspäter wird geprobt, da sind sie wieder da.Wie die das schaffen? Ich kann’s nicht sagen.Aber diese jungen Leute haben im Konzertihre Altersgenossen erreicht. Die Säle warenvoll mit 14-, 15-Jährigen. Da kam die Ver-wandtschaft, da kamen die Freunde, daskann sehr befruchtend wirken.

Wollen Sie in Dortmund auch mit jungenLeuten arbeiten?

G

Jac van Steen machtimmer eine gute Figur:im Kreis seiner Familie(links oben)bei der Übergabe desWillkommensgeschenksvon KulturdezernentJörg Stüdemann (rechts oben) und mit der geschäfts-führenden Theater-direktorin Bettina Pesch(rechts unten)

Page 5: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 5

In Dortmund gibt es bereits sehr viel guteJugendarbeit. Ich möchte da anknüpfen. Ichwill junge Dirigenten und Komponisten ein-laden und sie bewegen, für uns zu schreibenund hier zu dirigieren. Ich denke an Meister-klassen und eine Zusammenarbeit mit demDeutschen Musikrat. Ich finde es toll, dass esin Dortmund eine Chorakademie gibt, eineJazz-Akademie und bald eine Kinderoper.Die Operndirektorin Christine Mielitz machtsich für solche Projekte sehr stark. Sie ist einguter Sparringspartner, zu zweit können wirviel erreichen.

Mögen Sie die Oper?

Oh ja. Man kann mit Oper konfrontieren, mankann in unsere Zeit gehen und Problemeaufgreifen. Oper kann als Spiegel unsererGesellschaft dienen. Aber Oper hat auch dieMöglichkeit zu bezaubern, zu verzaubern.Musik hat etwas, was man nicht immer inWorte fassen kann … sie berührt dich mittenin deinem Wesen. Das kann eine Bruckner-Sinfonie ohne Text ebenso wie eine schöngesungene Opernarie. Das was da passiert,das, was sich nicht in Worte fassen lässt, dasversuche ich zu erreichen.

Um diesen Zauber zu den Menschen zubringen, gehen Sie auch manchmalungewöhnliche Wege …

Ich suche Orte, wo man konzertieren kann.Wenn ein Konzert am Rathausplatz oder ineinem schönen Park ist, dann kommenMenschen, die solche Musik vielleicht zumersten Mal hören. Oh denken sie, das istsinfonische Musik? Das ist schön, undfragen wo kann ich das noch mal hören.Dann hab ich sie gewonnen, das hat sichbewiesen. In Nürnberg haben wir an einemPlatz gespielt, da waren 30.000 Leute. Daswar unglaublich.

Was möchten Sie als Dirigent, als GMDgerne erreichen?

Ich schaue immer auf die Bildende Kunst unddenke, da ist die Akzeptanz für das Neue vielgrößer. Im Prado schaut man sich Tintorettoan und daneben Picasso, Miro und Dali …Wenn aber im Konzerthaus eine Woche langjeden Abend nur Scriabin, Henze, Riem, Jostgespielt wird, dann kommt kein Publikum.Mein Ideal wäre es, in der Musik mit derBildenden Kunst gleichzuziehen. Ich möchtedie Menschen motivieren, in solche Konzertezu kommen. Dafür muss man andere Wegegehen, moderierte Konzerte machen, erklä-ren, sensibilisieren für zum Beispiel die ganzleisen, kaum hörbaren Töne der ZweitenGeige. Und beim nächsten Mal hört man dasdann schon … Das kriege ich hin.

www.theaterdo.de �

Jac van Steen übernimmt die musikalischeLeitung am Dortmunder Theater in der Spiel-zeit 2007/08. Im August 2008 beginnt seinFünf-Jahres-Vertrag als Generalmusikdirektor.

Jac van Steen (50) wurde in Eindhoven gebo-ren, studierte am Brabanter KonservatoriumOrchester-, Chordirigieren und Musiktheorie.Als GMD war er von 2002 bis 2005 am Deut-schen Nationaltheater Weimar engagiert. Erist erster Ständiger Gastdirigent des BBCNational Orchestra of Wales in Cardiff. In denNiederlanden dirigiert er regelmäßig diegroßen Orchester des Landes und unter-richtet als Professor am KöniglichenKonservatorium in Den Haag.

In Deutschland dirigierte van Steen u.a. dasBerliner Sinfonie-Orchester, das Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin, die Sinfonie-Orchester in Bochum und Hamburg und dasPhilharmonische Orchester Nürnberg. ImJanuar 2007 leitete er das Bundesjugend-orchester Deutschland während einergroßen Tournee.

Jac van Steen ist mit einer Musikerin ver-heiratet, hat zwei erwachsene Söhne undlebt in der Nähe von Eindhoven.

kultur

Page 6: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova6

Inhaber Ulrich Assmannerschloss mit seinemUnternehmen Wolffund der Weichen-heizung denchinesischen Markt

m Anfang stand für Wolff die Krise: Für 2004 hatte ein großer Auftraggeber alleSchweißaufträge gekündigt. Geldmangel.„Wir mussten im wahrsten Sinne des Wortesneue Baustellen suchen, um Entlassungen zuvermeiden“, erzählt Ulrich Assmann, Inhaberder Wolff Weichenheizung GmbH.

In Europa verfügte das Unternehmen durch-aus über Renommee. Ohne die Wolff’schenWeichenheizungen müsste die Zugspitzbahn

an der Talstation stehen bleiben, auch dieschneereichen Strecken zwischen Madrid undBarcelona sowie zwischen Prag und Wien sindmit Dortmunder Weichentechnik ausgerüs-tet. Doch Asien? Das war für Ulrich Assmannund seine 110 Mitarbeiter absolutes Neuland.

Bis 2004 eine Gruppe chinesischer Ingenieureauf der Innotrans, der größten Eisenbahn-messe der Welt in Berlin, den Stand derDortmunder belagerte. Einem deutschen

A

Für eine Handvoll Schnee

Text: Michael WesterhoffBild: Lutz Kampert, Wollf Weichenheizungen & Oberbau GmbH

Auf der einen Seite die scheinbar übermächtige Konkurrenz. Auf der anderen Seite: eineHandvoll Schnee. Die öffnete einem mittelständischen Dortmunder Unternehmen denriesigen chinesischen Markt. Die Firma Wolff baute die Weichenheizung für die höchsteBahnstrecke der Welt, die Tibet-Bahn. Ohne Technik „made in Dortmund“ würde kein Zugüber die Strecke rollen, die größtenteils in über 4.000 Metern Höhe verläuft.

Page 7: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 7

wirtschaft

Unternehmen war das System zu teuer, aberdie Chinesen ließen sich Unterlagen zu-schicken und besuchten etwas später dasDortmunder Werk. Von einem Auftrag warjedoch vorerst keine Rede. Erstmal sollten dieDortmunder in mehreren Tausend MeternHöhe zwei Pilotanlagen errichten.

Doch dann nahte vor einem Jahr der denk-würdige Tag der Entscheidung, an dem eineHandvoll Schnee über den Auftrag entschei-den sollte. Neben Wolff hatten auch vieramerikanische Konkurrenten Test-Anlagenin den tibetischen Bergen errichtet. UlrichAssmann beginnt breit zu grinsen, wenn ererzählt, wie sich der kleine Dortmunder Davidgegen die scheinbar übermächtige Konkur-renz der US-Goliaths durchsetzte.

„Der Vize-Bahnminister von China hatte sicheinen besonderen Test ausgedacht“, erläutertAssmann mit Stolz in der Stimme: „Er warfauf alle Weichenheizungen Schnee und war-tete bis der getaut war“. Über das Internetverfolgten die Dortmunder das Experiment.Und tatsächlich: „In sieben Minuten war derSchnee auf unserer Heizung getaut“. Beiminus 30 Grad. Rekordzeit. Assmann bekamden Zuschlag für den Auftrag.

Für Bahn-Laien sehen Weichenheizungen eherunspektakulär aus: Ein grauer mannshoherSchaltkasten mit Computer-Technologieneben der Weiche steuert silberne Metallstäbein der Dicke eines Strohhalms, die entlangder Schiene verlaufen. Die Stäbe samt Sensorhaben es aber in sich: Sie messen die Tempe-ratur und die Feuchtigkeit, sodass sich dieHeizung selbst regeln kann. Je nach Minus-graden und Menge des Schnees, der auf dieGleise gefallen ist. Ohne die Heizung könntekeine Weiche bewegt werden, ohne Weichenkönnte eine Bahnstrecke nur einseitig, alsoohne Gegenverkehr, befahren werden.

Über 8.000 Heizstäbe an 30 Bahnhöfen wur-den installiert. Unter anderem am höchstenBahnhof der Welt, in Tanggula in 5.068 Metern

Höhe. Die Tibet-Bahn verbindet die chinesi-sche Provinz mit dem besetzten Tibet. Über1.000 Kilometer ist die Strecke lang, ein Groß-teil verläuft in Permafrostgebieten, also Ge-genden, in denen der Boden immer gefrorenist. Die Temperaturen können auf bis zuMinus 46 Grad sinken. Die Bahnstrecke überdas Dach der Welt – ein Prestigeobjekt für dieChinesen, aber auch eins für die Firma Wolff.

Die Heizungen wurden in Dortmund gebaut,chinesische Ingenieure ließen sich in Dortmundin die Technik einweisen und holten die An-lagen persönlich ab. Der Aufbau erfolgte imständigen Dialog via E-Mail. Seit ein paarMonaten funktionieren die Heizungen rei-bungslos, der Verkehr über die Tibet-Bahn rollt.

Wolff-Chef Ulrich Assmann („Ich bin derälteste Jung-Unternehmer der Welt.“) hattedas Unternehmen erst im Jahr 2000 übernom-men, mit 58 Jahren. Zuvor war er im Manage-ment verschiedener Unternehmen tätig.Mit knapp 60 machte sich der gebürtigeHamburger in Dortmund mit einem Unter-nehmen selbstständig, das unter anderemSchweißarbeiten für die Bahn-Gesellschaftenausführt, Schießstände für die Bundeswehrbaut und als drittes Standbein die Weichen-heizungen entwickelt hat.

Mit der Tibet-Bahn soll nicht Schluss sein:„Die Chinesen wollen die Bahn nach Indienweiter bauen, da wollen wir natürlich wiederdabei sein“, erzählt Assmann sehr optimis-tisch. Aber dem Unternehmer schwebt nochein ganz anderer Markt vor: „Ein GroßteilRusslands besteht auch aus Permafrost-Böden,die brauchen auch dringend Weichenheizun-gen, wenn sie neue Strecken bauen wollen.“In der Nähe von Moskau hat Assmann deshalbschon vorsorglich zwei Pilotanlagen aufbauenlassen, die für die Technik made in Dortmundwerben sollen. Russische Minister, die Schneeauf die Gleise werfen, sind hoch willkommen.

www.weichenheizung.de �

Page 8: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova8

GrundsteinlegungBoehringer Ingelheim:(von links) Dr. MartinWanning, FriedolinNöker, Dr. GerhardLangemeyer, Dr. Hans-Jürgen Leuchs, Prof. Dr.Andreas Pinkwart, OttoBoehringer, Dr. WolframCarius, Dr. Ulrich Glas

ie Geschichte von der Boehringer-TochtermicroParts ist ein Lehrstück in Sachen Struktur-wandel. Sie zeigt, wie aus einer kleinen Ideeein Unternehmen mit bald 500 Beschäftigtenwerden kann, wie lange es von der Forschungbis zur Marktreife eines Produktes dauert undwarum es richtig war, dass Dortmund als erstedeutsche Kommune Mitte der 80er-Jahreeinen TechnologiePark mit Anbindung an dieUni gegründet hat. Und dass Technologie-Unternehmen im letzten Schritt auch vieleArbeitsplätze für Nicht-Akademiker in derProduktion schaffen.

Eine medizinische Revolution

Vor 17 Jahren gründete die STEAG microParts,damals noch mit Sitz in Karlsruhe. „Die For-schungsbedingungen waren zu dem Zeitpunktin Dortmund wesentlich besser“, begründetmicroParts Marketing-Chef Dr. Stefan Kreuz-berger den Umzug seines Unternehmens vierJahre später. Damals, Mitte der 90er, hattedas Unternehmen gerade mal 40 Mitarbeiter.Aber eine zukunftsweisende Idee. Mit Hilfeder neuen Mikro- und Nanotechnologie sollte

ein Asthma-Zerstäuber entwickelt werden,der der Konkurrenz um Längen voraus ist.

Das Inhaliergerät – eine medizinische Revo-lution. Herkömmliche Zerstäuber erzeugenunterschiedlich große Tropfen, die zum über-wiegenden Teil im Mund hängen bleiben oderin den Magen gelangen statt ihr Ziel – dieLunge – zu erreichen. Außerdem funktionierensie nur mit dem umweltschädlichen Treibgas.Dank Mikrotechnologie gelang es den Dort-munder Forschern einen Zerstäuber zu ent-wickeln, der wesentlich kleinere Tröpfchenerzeugt, die lungengängig werden. Von derIdee bis zum Respimat bzw. Berodual, so derauf verschiedenen Märkten unterschiedlicheProduktname, dauerte es zehn Jahre.

Entwickelt wurde der Respimat für BoehringerIngelheim, deshalb übernahm das Familien-unternehmen microParts vor zwei Jahren vonder STEAG. Zu genau diesem Zeitpunkt hattedas Unternehmen auch die Zulassung für deneuropäischen Arzneimittelmarkt erhalten.Inzwischen verkauft das Unternehmen monat-lich über eine halbe Million Zerstäuber.

Mehr als nur ein Stein

Text: Michael WesterhoffBild: Lutz Kampert, Alexander Völkel

Eigentlich wurde nur ein Grundstein gelegt – doch der Neubau desPharma-Unternehmens Boehringer Ingelheim in Dortmund istwesentlich mehr. Er zeigt, wie erfolgreich sich Dortmund vomMontan-Standort zur Technologie-Metropole gewandelt hat.

D

Page 9: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 9

wirtschaft

Tendenz steigend. Die Zulassung für denamerikanischen Markt soll bald folgen. EinAnbau war dringend erforderlich.

16. März 2007: Grundsteinlegung durch OttoBoehringer und NRW-InnovationsministerDr. Andreas Pinkwart, der zugab: „Wir habenmit Anspannung beobachtet, ob Boehringerdas Unternehmen nach der Übernahme nachIngelheim verlegt“. Doch das Gegenteil warder Fall. Boehringer kaufte als erstes Unter-nehmen ein Grundstück im TechnologiePark,alle anderen sind verpachtet. „Ein klarer Ver-trauensbeweis für den Standort Dortmund“,heißt es aus dem Unternehmen. Nun entste-hen hier weitere Reinräume für die Produktionund ein Hochregallager.

Boombranche MST

Doch microParts ist nur ein Beispiel für denboomenden Markt der Mikrosystemtechno-logie (MST) in der ehemaligen Stahlstadt.„Dortmund ist der größte MST-Cluster Deutsch-lands und einer der größten in Europa“, stellteMinister Pinkwart bei der Grundsteinlegungheraus: „Dortmund ist damit ein Musterbei-spiel für den Strukturwandel“. microParts istder Leuchtturm, doch rundherum wachsenviele kleine Unternehmen, die an den Erfolgder Boehringer-Tochter anknüpfen wollen.

Der Erfolg ist kein Zufall. Dortmund stelltFirmen aus der Mikro- und Nanotechnologiemit der MST.factory dortmund Labor oderReinräume zur Verfügung. Ein Gründerwett-bewerb („all micro“) lockt darüber hinausjunge Uni-Absolventen an. Dass das Konzeptstimmt, lässt sich an Zahlen ablesen. Von2005 auf 2006 stieg die Zahl der MST-Unter-nehmen in Dortmund von 30 auf 39, dieMitarbeiterzahl wuchs von 1.854 auf 2.079.Auch verwandte Branchen wie die Biomedizinweisen ähnliche Wachstumsraten auf. Umauch aus diesem Bereich Gründer anzulocken,wurde das BioMedizinZentrum neu gebaut,das schon gut ein Dutzend Unternehmenbeherbergt.

Vorzeige-Unternehmen für die Neu-Grün-dungen bleibt aber microParts, das von 40 auf350 Mitarbeiter gewachsen ist. Mit der Ein-weihung des Neubaus in zwei Jahren sollen150 weitere Arbeitsplätze entstehen. Undzwar nicht nur für Akademiker, sonderngrößtenteils für Mechatroniker und Operatorfür Maschinen. Auch deshalb war DortmundsOberbürgermeister Dr. Gerhard Langemeyerbei der Grundsteinlegung so begeistert:„Ohne industrielle Produktion funktioniertdie Dienstleistungsgesellschaft nicht.“

www.boehringer-ingelheim.de �

Page 10: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova10

Page 11: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 11

kultur

Mit Leidenschaft im gleichen Takt …

Text: Waltraud MurauerBild: Lutz Kampert

1.300 Stimmen, mehr als 30 Chöre – Dortmund hat eine der größten Singschulen Europas.Vor fünf Jahren wurde die „Chorakademie am Konzerthaus Dortmund“ gegründet,unterdessen sind die jungen Sängerinnen und Sänger ein „Exportschlager“. �

Page 12: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova12

Chorleiter und Musik-pädagoge JoachimGerbens am Klavier, vor den Proben stehenerst einmal Lockerungs-übungen auf demProgramm

loria, gloria in excelsis Deo … Proben zuMozarts C-Moll-Messe. Kein leichtes Werk.Joachim Gerbens unterbricht. „Stellt euch vor,da ist die Bühne, dort die geriffelte Wand –ihr dürft nicht zu dicht stehen, damit ihr Platzhabt und einen guten Winkel in den Saal be-kommt.“ Der Chorleiter kehrt an den Flügelzurück. Dieselbe Stelle, neuer Versuch.

Noch ist sein Chor ein bunter Haufen, rosaT-Shirts, geblümte Hosen, junge Frauen undMänner, die eben noch kichernd und lebhafterzählend vor dem Bühneneingang desKonzerthauses gestanden haben. Jetzt, hierim Probenraum, ist aus den Grüppchen eineGruppe geworden. Alle schauen auf dieNotenblätter, folgen konzentriert den An-weisungen, die Joachim Gerbens humor- undtemperamentvoll, aber unmissverständlichin den Raum ruft.

Das junge Laienensemble – Durchschnitts-alter 30 Jahre – ist der Sinfonische Chor derChorakademie am Konzerthaus Dortmund.Mehr als 80 Schüler, Studenten, Auszubildende

und Angestellte aller Berufsgruppen singenhier gemeinsam. Der Chor hat eine hoheQualität und einen ausgezeichneten Ruf, sangin der Bonner Beethovenhalle WolfgangAmadeus Mozarts „Titus“, stand bei Donizettis„Roberto Devereux“ auf der Bühne der KölnerPhilharmonie und intonierte Andrew LloydWebbers „Requiem“ im Kieler Schloss. DasRepertoire des Ensembles reicht von Bach-Motetten bis zu Werken von Leos Janácek.

1.000 Stimmen – ein Lied

„Bei der Fußballweltmeisterschaft hatten wirein Fest-Konzert mit Tausend Leuten“,erzählt Sebastian Kausch nach der Probe.„Das war eine unglaubliche Stimmung. Es istauch einfach toll, wenn du mit so vielen aufder Bühne stehst und singst.“ Der 17-jährigeAbiturient ist von Anfang an dabei. Vor fastacht Jahren meldete er sich beim Monteverdi-Junior-Chor an – der Keimzelle der Choraka-demie. Unterdessen hat er auch viele Male alsSolist auf Opern- und Konzertbühnen gestan-den und will Gesang studieren.

G

Page 13: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 13

kultur

„So, dann singen wir uns ein. Stehend bitte.Auf den Füßen hin und her wippen, Schulternfallen lassen und jetzt gähnen“. JoachimGerbens macht Lockerungsübungen mit sei-nem Chor. Es folgt ein kleines Stimmtraining,erst danach wird gesungen: Kyrie eleison,Christe eleison. Letzte Probe vor der General-probe mit dem Orchester. Das Konzert mitden „Bochumer Symphonikern“ und ihremDirigenten Steven Sloane findet imKonzerthaus Dortmund statt.

Der Körper ist ein Instrument

„Unser Körper ist ein Instrument“, sagt Joa-chim Gerbens. „Und das Singen verändertuns – körperlich und geistig.“ Er ist Chorleiterund Musikpädagoge an der DortmunderChorakademie, Dozent an der FolkwangHochschule in Essen und leitet bundesweitverschiedene Chöre. Die Dortmunder Sing-schule legt Wert auf gute Ausbildung, 15Stimmbildner und Chorleiter arbeiten hier,insgesamt gehören 30 Mitarbeiter zum Team.Es wird Musiktheorie unterrichtet, Gehör-bildung steht auf dem Programm und auchdie individuelle Förderung. Der Zulauf ist groß,es gibt neben dem Sinfonischen und demOpernchor, Kinderchöre, einen Knaben-,einen Mädchen- und einen Jugendchor.Unterdessen ist die Chorakademie auch inEssen und Gelsenkirchen aktiv.

Singen für die Seele

Bundesweit singen mehr als drei MillionenMenschen in Chören. Haben die Klischeesvom überalterten Herrengesangsverein oderdem sprichwörtlich „gefürchteten“ Kinder-

chor ausgedient? Wird jetzt das „Singen fürdie Seele“ entdeckt? „Das gemeinsame Er-leben ist wichtig. Das Gefühl, im gleichen Taktzu sein, aber ein Trend ist Chorgesang sichernoch nicht“, meint Joachim Gerbens. „KleineKinder singen zwar unheimlich gern, diesingen mit Begeisterung und Leidenschaft –egal was. Aber in den Familien und in denSchulen wird nicht genug gesungen.“

Das stellten auch die Initiatoren der Chor-akademie Zeljo Davutovic und Lars Kerstingfest und führten 2001 eine Singaktion inDortmunder Grundschulen durch, mit über-wältigendem Erfolg. Etwa 500 Kinder sangenvor, 180 wurden aufgenommen. Ein Jahrspäter standen 5.000 Kinder auf der Bewerber-liste für ein weiteres groß angelegtes Vor-singen und bis zum September 2002 hattensich 20.000 Grundschüler daran beteiligt.Seitdem besuchen die Mitarbeiter derChorakademie in jedem Jahr rund 100Dortmunder Grundschulen.

„Wir bieten gleichzeitig Breiten- und Spitzen-arbeit an“, erklärt der künstlerische LeiterZeljo Davutovic. Und damit auch schon dieganz Kleinen Spaß am Singen bekommen,gibt es die vokale Früherziehung für Kinderab vier Jahren in Kooperation mit der städti-schen Musikschule.

Auch ein Grundkurs „Intuitives Notenlesen“gehört dazu. „Die Sechs-, Sieben-, Acht-jährigen sind enorm motiviert. Und die sollenalles mitbekommen, vom Kinderliedgut biszum Lied des 17./18. Jahrhunderts und mitverschiedenen Sprachen konfrontiert werden,denn später werden sogar Sinfonien in �

Page 14: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova14

chinesischer Sprache aufgeführt“. ZeljoDavutovic ist sichtlich stolz, denn seine Chörewerden zu Auftritten in der ganzen Bundes-republik und auch ins Ausland eingeladen.

Auf den Bühnen von Duisburg und Shanghai

„Unsere Fortgeschrittenen werden jetzt beider Eröffnung des Duisburger Konzerthausesdabei sein und singen eine Komposition vonTan Dun, komplett auf Chinesisch“, ergänztGeschäftsführer Lars Kersting. Die Chöre ausDortmund traten schon in Berlin und Weimar,in München, Venedig, Mailand, Danzig undsogar in Shanghai auf. Die Zusammenarbeitmit den „Bochumer Symphonikern“ undihrem Leiter Steven Sloane hat dabei Traditionund findet regelmäßig statt.

Benedictus, benedictus - qui venit in nomineDomini – letzte Probe vor der Aufführung.Jetzt tragen alle Schwarz. Die Körper sind ge-spannt, aufrecht, präsent. „Ein bisschen mehrKonsonanten! Der Raum verträgt das, dashat sich rausgestellt. Stellt das Raumgefühlüber die Sprache her …“. Joachim Gerbensgibt letzte Anweisungen. Dann zieht auch ersich um, nimmt seinen Platz im großen Saaldes Konzerthauses ein. Gut eineinhalb Stun-den später ist der letzte Ton verklungen, dasPublikum applaudiert begeistert, strahlendeGesichter auf der Bühne – das Üben hat sichgelohnt. Und morgen steht ein neuesGesangsstück auf dem Probenplan.

www.chorakademie.de �

Die Dortmunder Chor-akademie trat schon inBerlin, Weimar, München,Venedig, Mailand, Danzig,Shanghai und – natürlich –im DortmunderKonzerthaus auf

Page 15: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 15

bildung

Großer Preis für Kleine Kielstraße

Text: Gerd RübenstrunkBild: Lutz Kampert, dpa/picture-alliance

Was ist das Geheimnis einer guten Schule? Einer Schule, zu der die Schülerjeden Morgen gerne wiederkommen? Einer Schule, wie wir sie uns früherimmer gewünscht haben? Kein Geringerer als der Bundespräsident hatte dieAntworten auf diese Fragen, als er den Deutschen Schulpreis verlieh – an dieDortmunder Grundschule Kleine Kielstraße. Gute Schulen, so Horst Köhler,haben „engagierte Schulleiter und eine Lehrerschaft, die von der Aufgabebeseelt ist, Kindern das zu geben, was sie – frei nach Goethe – brauchen:Wurzeln und Flügel.“ �

Page 16: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova16

An der GrundschuleKleine Kielstraße lautetdas Motto „Besser lernenohne Frontalunterricht“(oben)Gelebte Integration heißtzufriedenere Kinder(rechts)

Es geht auch anders“ lautete das Motto,unter dem die Jury nach vorbildlichen Schulensuchte. Und schon beim ersten Gang durch dieKleine Kielstraße merkt der Besucher, dasshier die Dinge tatsächlich anders laufen alsanderswo. Die Türen zu den Klassenzimmernsind weit geöffnet – auch während desUnterrichts. Die Schule ist offen im wahrstenSinne des Wortes.

Und sie ist ruhig. Wie die 25 Kinder derDumbo-Gruppe, die gerade – ja, was machensie eigentlich? Die einen rechnen, andereschreiben, wieder andere malen Bilder aus.Ein Mädchen schnappt sich ein Stück Teppich-boden und lässt sich mit einem Rechenkastenauf dem Flur nieder. Ständig laufen einesoder mehrere Kinder durch den Raum, holensich Material, helfen anderen Kindern bei denAufgaben oder bitten die Lehrerin um Rat.Und das alles ohne Lärm und Geschrei …

Frontalunterricht ist hier out. Das Prinzipheißt: Lernwerkstatt. Erst- und Zweitklässlergemeinsam in einem Raum, jeder arbeitet

nach seinem Rhythmus den vorgegebenenWochenplan durch. Und die Lehrerin da-zwischen als Beraterin, die mal hier hilft, malda eine leise Anweisung gibt.

Teil des Viertels

Die Schüler der Kleinen Kielstraße haben zuüber 80 Prozent einen Migrationshinter-grund. Also das, was gern als „schwierigeKlientel“ bezeichnet wird. SchulleiterinGisela Schultebraucks-Burgkart reagiert fastein wenig ungehalten: „Darum geht es dochgar nicht. Entscheidend ist das Bildungs-bewusstsein der Eltern.“ Und das zu fördern,hat sich die Schule seit ihrer Gründung 1994auf die Fahne geschrieben. Mit Erfolg, wiedie Praxis beweist.

Erste Gespräche mit den Eltern acht Monatevor der Einschulung und danach im Monats-rhythmus; ein Erziehungsvertrag, den dieEltern unterschreiben müssen; ein täglichgeöffnetes und gut besuchtes Elterncafé –das sind einige der Elemente, mit denen die

Page 17: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 17

bildung

Schule die Eltern motiviert und aktiviert. EineBesonderheit sind auch die so genannten„Rucksackmütter“. Das sind Mütter, derenKinder die Schule bereits durchlaufen habenund die als „Brücke“ zu anderen Elternfungieren, die von der Schule nicht direkterreicht werden.

„Wir führen bewusst viele Veranstaltungenfür Erwachsene hier in der Schule durch.Damit nehmen wir den Eltern zugleich auchdie Schwellenangst vor der Schule.“ Schuleals Begegnungsort und lebendiger Teil desViertels – das ist Schultebraucks-BurgkartsVision. Offene Schule auch hier.

Weiter besser werden

Der Deutsche Schulpreis 2006 hat viel ver-ändert. Das Fernsehen hat gedreht, Journa-listen sind in Scharen gekommen. „Die Zahlder Abrufe unserer Website ist von ein paarKilobyte in Gigabyte-Dimensionen gestiegen,und wir werden mit Anfragen nach Informa-tionen und Hospitationen überschwemmt“,sagt die Leiterin. „Zum Glück hat die StadtDortmund sofort reagiert und uns Personalzur Verfügung gestellt, damit wir das allesbewältigen können.“ Überhaupt, die Stadt.Die Schulleiterin wird nicht müde, die„besonders guten Rahmenbedingungen“in Dortmund zu loben. „Wo Schulen Engage-ment zeigen, bekommen sie Hilfe von derStadt.“ Zum Beispiel aus dem Fonds derDortmunder Bildungskommission, aus demProjekte mit derzeit jährlich 750.000 Eurogefördert werden.

Gisela Schultebraucks-Burgkart sieht keinenGrund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.Ein großes Plakat an der Wand ihres Büroszeigt, wo das Kollegium die Aufgaben dernächsten Zeit sieht: Elternkooperation,jahrgangsübergreifendes Lernen, Teament-wicklung und Lesekompetenz sind die viergroßen Felder, auf denen gearbeitet wird.„Überall wollen wir uns noch verbessern“, sodie Schulleiterin.

Teamwork und klare Ziele

Jede Woche sitzen die Lehrer einer Jahrgangs-stufe zusammen, tauschen sich aus undbereiten gemeinsam ihren Unterricht vor.Das spart nicht nur Zeit, sondern führt auchzu vielen neuen Ideen – und macht außerdemSpaß, wie die Schulleiterin versichert. „DieLehrer arbeiten hier anders, nicht mehr. Wirerreichen unsere Ziele nicht durch Überstun-den, sondern durch Teamwork, systematischeVorgehensweise und klare Zielsetzungen.“

Wie ist es, wenn die Schüler nach Ende desvierten Schuljahres auf eine weiterführendeSchule wechseln? Treten da keine Problemewegen der unterschiedlichen Unterrichtsstileauf? Gisela Schultebraucks-Burgkart schütteltden Kopf: „Überhaupt nicht. Die Lehrer derneuen Klassen kommen zu uns und lernen ihreneuen Schüler in Einzelgesprächen kennen.Und umgekehrt halten wir nach dem Wechselnoch Kontakt zu den weiterführendenSchulen.“

www.grundschule-kleinekielstrasse.de �

Fakten und Zahlen

Aktuelle Zahlen belegen, dass Dortmund diekinderreichste Stadt unter den 10 größtendeutschen Städten ist. 80.853 Dortmundersind 14 Jahre oder jünger. Und obwohl esauch hier, wie überall in Deutschland, einenGeburtenrückgang zu verzeichnen gibt,fällt er doch deutlich niedriger aus als invergleichbaren Großstädten.

Während Bundes- und Landespolitiker nochüber die Kinderbetreuung diskutieren, gibtes in Dortmund für jedes Kind zwischen dreiund sechs Jahren einen Platz in einer Kinder-tageseinrichtung, 16.069 Plätze insgesamt.Und das ist nicht das Ende der Betreuungs-kette: Ab August 2007 stehen an DortmunderSchulen 7.200 Ganztagsplätze für Kinder biszu 10 Jahren zur Verfügung.

Page 18: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova18

wirtschaft

Rotkäppchen, ein Dortmund-Märchen

Text: Alexander NähleBild: Lutz Kampert

Die Locken blond, das Käppchen rot, die Wälder grün. Der Wolf, dasüberrascht, schaut ganz zahm um die Ecke. An den Wänden, in denSchränken, auf Verpackungen und im Film: Nur wenige hundertMeter entfernt vom TechnologiePark lacht diese Märchenidylle denBesucher überall an – das liebe Rotkäppchen vom gleichnamigenCamembert, eine handfest-sinnliche Konstante im sonst ehervirtuellen Umfeld der IT, Mikro- und Nanotechnologie.

Inhaber Peter N. Jülichproduziert in seinemRotkäppchen-Unter-nehmen traumhaftsahnig-lecker-zartenKäse

as Logo der Rotkäppchen P. Jülich GmbHähnelt dem von vor Jahrzehnten: Rotkäpp-chen, wie es Großmutter schon kannte. „Gut,das Mädchen ist etwas attraktiver geworden“,sagt Marketing-Leiter Andreas Richter undlacht. Grund zur Freude haben er und InhaberPeter N. Jülich ohnehin. Der Groß-Anbieterfür Camembert und Weichkäse weist 80 Jahrenach der Gründung stolze Zahlen vor. Vonder Zentrale in Dortmund gesteuert, werdenin der eigenen modernen Käserei im thüringi-schen Altenburg vier Millionen Camembert-Stücke und 500.000 Becher „Frischer Land-rahm“ an die Handelspartner in ganzDeutschland ausgeliefert. Der Umsatz liegtbei 50 Millionen Euro.

Wachgeküsst

Gründe für die märchenhaften Zahlen: Miteiner PR-Offensive hat das Unternehmen einealte Traditionsmarke wieder, wie im Märchendas Schneewittchen, wachgeküsst und neuenZielgruppen geöffnet. Dass Großmütter„Rotkäppchen“ lieben, steht seit GrimmsMärchen fest. Auch Kinder und Enkel sollensich nun richtig mit dem kleinen, süßenMädchen identifizieren. Peter N. Jülich hattezwischenzeitlich den Trend beobachtet: „DieOma nahm ihr Rotkäppchen immer, die Mamamanchmal, die Kinder noch weniger.“

Doch nicht nur im Märchen bewirkt Wach-küssen Wunder: 68 Prozent der Deutschenwissen laut Umfrage, dass „Rotkäppchen“nicht nur eine Märchenfigur, sondern aucheine Käsemarke ist. Mit 17 Neuproduktenbereicherte das Dortmunder Unternehmenin den vergangenen 20 Monaten die Waren-

regale der Supermärkte. „Fit und leicht“ und„Soo cremig“ haben es in die Top Ten derNeuen geschafft. „Drei bis vier innovativeSorten pro Jahre“ verspricht Andreas Richterauch für die Zukunft.

Glückliches Ende!

Mitarbeiter und Kunden sorgen mit ihren Ideenfür eine Fortsetzung des Märchens. Und dasich das Dortmunder Rotkäppchen wenigervor dem Wolf als vor französischen Großunter-nehmen (Peter N. Jülich: „Dagegen sind wirein mittelständischer Betrieb.“) schützen muss,kombiniert es Natur, Tradition und moderneProdukte. Als besonderen Trumpf bringt dasUnternehmen regionale Produkte an die Käse-Liebhaber. „Westfälischen Genuss mit grünemPfeffer oder Schwarzwälder Genuss, verfeinertmit Schinken, kann kein Franzose bieten“, sagtAndreas Richter. Nach der Wende erhielt„Rotkäppchen“ Gesellschaft von der ostdeut-schen Traditionsmarke „Rügener Badejunge“,später folgte der „Altenburger Ziegenkäse“.Die Käsemacher decken also beinahe jedeGeschmacksregion des Landes ab.

Damit bei allem Fortschritt das Dortmunderwie jedes andere Märchen ein glücklichesEnde findet, behält das Unternehmen seinePhilosophie: „Wir dürfen niemals unserenKundenstamm vernachlässigen.“ Also bleibenin Dortmund – Hightech hin, Technologie her –Rotkäppchens Haare blond, das Käppchen rot,die Schürze rot, die Bäume grün – Marken,auch märchenhafte, müssen geschützt undstetig gefüttert werden …

www.rotkaeppchen.com �

D

Page 19: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15

tremonia nova 19

personalien

Dortmunder Köpfe

ie Rennstrecken dieser Welt sind Heiko Wassers (49) zweiteHeimat. Zwischen den Grand Prix auf allen Kontinenten baut sich derFormel-1-Kommentator ein weiteres Standbein auf: „Moderationund Promotion“! Er moderiert Großveranstaltungen, hält Vorträge.„Die Dortmunder sollen ruhig wissen, dass ich einer von ihnen bin“,wirbt er dezent um Engagements in seiner ersten Heimat. Kurz daraufverspricht er, seiner Stadt erhalten zu bleiben. „Ich richte gerade meinneues Haus im Dortmunder Süden ein.“ Ein Umzug nach Köln, wo derSender RTL sitzt, habe nie zur Debatte gestanden. „Was soll ich ineiner Stadt, in der das Käsebrötchen Halver Hahn heißt?“

enn der viel gereiste Komödiant und Autor Fritz Eckenga (52)seinen persönlichen Deutschland-Vergleich zieht, kommt seineHeimat besonders gut weg: „Die Menschen hier sind nicht hochnäsig.Sie gehören zu den freundlichsten – und Achtung! – höflichsten.“Er attestiert den Dortmundern einen ganz gesunden Humor, der sichin erster Linie in der Fähigkeit zeigt, über sich selbst lachen zu können.„Und zwar nicht so laut!“ Im Herbst veröffentlicht Eckenga zweiBücher, den Gedichtband „Prima ist der Klimawandel – auch für denGemüsehandel“ und den Geschichten- und Gedichtband „Immer fürSie da!“. Die Themen dieser Bücher behandelt er auch im neuenBühnenprogramm „Im Dienste der Schönheit – Ein Gemeinschafts-abend“, mit dem er ab September auf Tournee geht. Die Dortmunderwerden lachen – und zwar laut!

W

D

pricht Alfred „Aki“ Schmidt (71) über Borussia Dortmund, dannsagt er „Wir“. Denn: „Der BVB ist mein Leben.“ Wer als die Fußball-Legende eignet sich also besser, Fans die Seele des Vereins näher zubringen? Daher zeigt der ehemalige Nationalmannschaftskapitän fasttäglich Besuchergruppen das riesige Dortmunder Stadion, lässt dabeiGeschichte lebendig werden. Regelmäßige Führungen bietet der BVBseit April an. Schmidts Hauptaufgabe aber: Das Mitglied der Mann-schaft, die 1966 den Europapokal nach Dortmund holte, ist Fan-betreuer. Und ganz nebenbei bekleidet Aki, dessen Vornamen Alfredkeiner kennt, das Amt des Ehrenspielführers der Traditionsmannschaft.Zuletzt auf Fuerteventura spielte er noch einige Minuten mit.

S

Page 20: tremonianova€¦ · Ausgabe 12 magazin für dortmunder kultur & wirtschaft tremonianova Grundschule Kleine Kielstraße Ausgezeichnet fürs Leben lernen Seite 15