trend Nr. 126 Ausgabe Juli 2011

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Juli 2011 | Nr. 126 | 33. Jahrgang | www.trend-zeitschrift.de Wachstums- Regionen Die Donaustrategie Seite 24 WR-Kampagne Mehr Privat für einen starken Staat Seite 44 Statement Nicht aus dem Blickfeld verlieren Seite 22 Deutschland: Motor in Europa – Industrieland mit Zukunft Wirtschaftstag 2011 Die Zeitschrift für Soziale Marktwirtschaft Seite 6

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trend Ausgabe zum Wirtschaftstag 25.05.2011

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Juli 2011 | Nr. 126 | 33. Jahrgang | www.trend-zeitschrift.de

Wachstums-RegionenDie DonaustrategieSeite 24

WR-KampagneMehr Privat füreinen starken StaatSeite 44

StatementNicht aus demBlickfeld verlierenSeite 22

Deutschland: Motor in Europa – Industrieland mit Zukunft

Wirtschaftstag 2011

Die Zeitschriftfür Soziale

Marktwirtschaft

Seite 6

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Die Bewertung des Restrisikos von Kernenergie hat sich für mich durch die Ereignisse in

Fukushima geändert. Nicht etwa, weil ich glaube, dass wir mit einem Tsunami oder einem vergleichbaren Erdbeben rechnen müssen – mich hat aber erschüttert, dass ein hochindus-trialisiertes Land wie Japan mit einer solchen Hilflosigkeit vor dieser Situati-on stand. Es war zeitweilig nicht mehr erkennbar, ob die Katastrophe im Zau-me gehalten werden kann oder nicht.

Deshalb hat sich die Bundesregie-rung entschlossen, die Brücke in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien zu verkürzen. Es ergibt natürlich keinen Sinn, eine Energieversorgung anzubie-ten, bei der wir am Schluss Nettoener-gie-Importeur werden und vielleicht sogar Kernenergie aus anderen Län-dern benötigen. Wir werden Teil des europäischen Binnenmarktes bleiben. Deshalb sage ich „Nettoimporteur“. Das heißt, wir müssen netto das erzeu-gen, was wir brauchen, aber das wird immer wieder Austauschprozesse mit anderen europäischen Ländern bein-halten. Im Zentrum stehen Versor-gungssicherheit, Umweltfreundlich-keit und Wirtschaftlichkeit.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass eine Million Arbeitsplätze in Deutsch-land in der energieintensiven Industrie angesiedelt sind. Deshalb werden wir in Brüssel auch sehr harte Verhand-lungen führen. Hier brauchen wir ein gleiches Wettbewerbsumfeld.

Wenn wir aus der Kernenergie aus-steigen wollen, müssen wir sicherstel-len, dass wir auch irgendwo einstei-gen. Wir werden Ersatzinvestitionen brauchen. Das wird die CO2-Emission erhöhen. Das wiederum wird von uns verlangen, dass wir zum Beispiel im Bereich der Gebäudesanierung schnel-ler voranschreiten. Und wir brauchen neue Netze. Deshalb werden wir in Absprache mit den Ländern ein „Netz-ausbaubeschleunigungsgesetz“ auf den Weg bringen.

Die Soziale Marktwirtschaft war immer eine gesellschaftliche Ordnung, die scheinbar nicht Zusammengehö-riges zusammenbrachte. Der große Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft war, dass der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit überwunden wurde. Und natürlich ist ökonomisch betrach-tet jede Sozialmaßnahme zuerst ein-mal eine Verteuerung des Faktors Ar-beit. Trotzdem hat es sich auf die lange Sicht als richtig herausgestellt, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht eskalieren zu lassen.

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die Union in der Lage ist, den scheinbaren Widerspruch zwischen Umweltfreundlichkeit und Wirt-

schaftskraft aufzulösen. Das ist der Ansatz, den wir suchen – im Ordnungs-gefüge der Sozialen Marktwirtschaft. Lassen Sie uns gemeinsam daran ar-beiten und, wo notwendig, auch ge-meinsam streiten – damit Deutschland auf einem guten Weg bleibt.

Aus Rede Wirtschaftstag 2011

Wirtschaftstag 2011

Wir werden den scheinbaren Widerspruch von Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftskraft auflösenVon Angela Merkel

Wir werden ein Netzaus-baubeschleunigungs gesetz auf den Weg bringen.

Dr. Angela Merkel MdBBundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

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WIRTSCHAFTSTAG 2011

Deutschland: Motor in Europa –Industrieland mit Zukunft

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„Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir an der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft leistungsfähige, sachkundige Akteure haben. Und der Wirtschaftsratist sicher einer der wichtigsten dabei.“

Dr. Hans Peter Friedrich MdB, Bundesminister des Innern

„I was here two years ago, invited by Professor Lauk, and the discussion was incredible, stimulating and very, very interesting. And I expect exactly the same today.”

Prof. Mario Draghi, Governor, Banca d’Italia & Chairman, Financial Stability Board

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„Wenn man sich anschaut, wen der Wirtschaftsrat zu seinen Veranstaltungen nach Berlin zieht, sowohl Gäste als auch Redner, zeigt sich deutlich die Qualität des Wirtschaftsrates. Diese Veranstaltungen tragen zur politischen und wirtschaft-lichen Meinungsbildung bei.“

Klaus Schäfer, Vorstandsvorsitzender E.ON Ruhrgas AG

„Der Wirtschaftsrat ist unverzichtbar für die wirtschaftspoli-tische Kompetenz der CDU, für die Verbindung und Verwurze-lung zu den Unternehmen und Unternehmern im Land. Darum ist er ganz wichtig in Gegenwart und Zukunft für die CDU.“

Dr. Norbert Röttgen MdB, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

„Ich versuche mich persönlich in den Wirtschaftsrat einzubringen, denn er ist ein ganz wichtiges Sprachrohr innerhalb Deutschlands gegenüber der Politik.“

Detlev Seeliger, Geschäftsführender Gesellschafterder MAPCO Autotechnik GmbH

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Hohe Auszeichnung im Wirtschaftsrat:Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold für Fredrik Reinfeldt

„Soziale Marktwirtschaft – der Europäische Lebensweg“

Kurt Lauk: „Es ist mir eine besondere Ehre, Fredrik Rein-feldt mit der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold auszeichnen zu dürfen. Schweden hat verantwor-

tungsvoll und richtig auf die Wirtschaftskrise reagiert. Unter

der Führung von Ministerpräsident Reinfeldt hat das Land wegweisende Reformen durchgeführt. Dabei hat Schweden drei Prioritäten gesetzt, die aus dem Lehrbuch der Sozialen Marktwirtschaft stammen könnten. Priorität 1: Konsolidie-

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rung der öffentlichen Finanzen. Gesunde Staatsfinanzen schaffen Freiraum. Priorität 2: Erreichen von Vollbeschäfti-gung. Die Erfolge sprechen für sich. Priorität 3: Verbesserung des Unternehmensklimas. Schweden ist nach dem Ranking des Weltwirtschaftsforums nun auf Platz 2 der wettbewerbs-fähigsten Länder der Welt. Dazu gratulieren wir ganz herz-lich!

Ihre politischen Überzeugungen zeugen von Geradlinig-keit. Ihre Politik zeichnet sich durch Klarheit und Ordnung aus. Sie verweigerten die massiv geforderte Staatsbeteili-gung für die Autobauer Volvo und Saab. Sie haben keine Steuergelder ausgegeben, um Unternehmen zu retten, die nicht wettbewerbsfähig sind. Das Ergebnis: Schwedens Staatsschulden waren Ende letzten Jahres geringer als im Jahr 2006. Auch in der Energiedebatte sind Sie Ihren Prin-zipien treu. 2010 hat Schweden seinen Ausstieg aus der

Kernkraft revidiert. Herr Ministerpräsident: Mit dieser Stand-festigkeit haben Sie Ihr lange Zeit sozialdemokratisch ge-prägtes Land grundlegend verändert. Sie sind der Inbegriff eines Verantwortungsträgers, wie ihn sich Ludwig Erhard sicherlich gewünscht hätte.

Wir freuen uns, mit Ihnen einen überzeugten Mitstreiter für eine neue Stabilitätskultur an unserer Seite zu wissen. Deshalb haben Präsidium und Bundesvorstand des Wirtschaftsrates einvernehmlich beschlossen, Ihnen die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold zu verleihen, die Ehrung für Ihre großen Verdienste um die Soziale Marktwirt-schaft.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland: „Auch von meiner Seite ein ganz herz-licher Glückwunsch an Fredrik Reinfeldt für die

Auszeichnung mit der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold. Lieber Herr Ministerpräsident, lieber Fredrik Reinfeldt: Sie haben sie verdient. Und Schweden hat sie verdient, weil Schweden eine gute Regierung hat. Manchmal wäre es gar nicht so schlecht, wenn wir alle in Europa so argumentieren würden wie Fredrik Reinfeldt es uns heute vormacht. Denn es ist erstens logisch – und zweitens auch noch richtig.“

Frederik Reinfeldt: „Ich fühle mich sehr geehrt, die Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold zu erhalten. Es ist über 60 Jahre her, dass Ludwig Erhard Wirtschafts-

minister wurde. Aber ich bin sicher, dass er und seine Über-zeugungen über freie und verantwortliche Märkte heute genauso relevant sind wie damals. Auch in einer heute sehr schnelllebigen Welt, in der wir schnelle Antworten auf schnelle Fragen suchen, gilt es, sich an Prinzipien von Ludwig Erhard zu erinnern.

Man braucht erstens ein Konzept über das Individuum. Nach meiner Auffassung trägt jedes menschliche Individuum den Willen in sich, sich zu entwickeln. Jeder Mensch hat die Kapazität und die Fähigkeit dazu. Deshalb brauchen wir Reformen, die dynamisch und integrativ sind.

Man benötigt zweitens ein Regelwerk für nachhaltiges Wachstum. Ich bin überzeugt, dass wir tief verwurzelte In-stitutionen brauchen, wie wir sie in Europa haben: Demo-kratie, freies Unternehmertum, Privateigentum, Redefrei-heit, Marktwirtschaft und die Herrschaft des Gesetzes. Wenn es gelingt, Arbeitsplätze für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen, dann kann man von einem integrativen Wachstum sprechen.

Und schließlich muss man eine Idee davon haben, wie man eine integrative Gesellschaft schafft. Denn eine unglei-che Gesellschaft erzeugt Spannungen. Deshalb muss man alles dafür tun, um Jobs und Aufstiegschancen zu haben. Die Basis dafür sind gute Bildung und Ausbildung. Wenn man Ungleichheit abbauen will, muss man vor allem ein gutes Bildungssystem haben. Das kann man Soziale Marktwirt-schaft nennen – oder den Europäischen Lebensweg.

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Auch Deutschland hat die wäh-rungs- und finanzpolitischen Folgen der Krise noch nicht

überwunden. Wir haben jedoch die wirtschaftlichen Einbrüche wieder auf-geholt. Unsere starke Industrie hat uns aus der Krise gezogen. Wir sind industriell sogar gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Diese enorm positive Entwicklung der Industrie und der Wirtschaft insgesamt hat sich bislang allerdings noch nicht auf dem Konto der Regierungsparteien niedergeschla-gen.

Woran liegt das? Unsere Regie-rungsparteien stecken in einer der schwersten Identitäts- und Orientie-rungskrisen ihrer Geschichte. Das Ver-blüffende daran ist, dass bislang nie-mand den Mut hatte, das offen auszu-sprechen. Wir tun das. Wir müssen das tun. Bindewirkung hat eine Partei nur dann, wenn sie langfristig an Grund-sätzen festhält und diese offensiv ver-tritt. Kurzfristige Taktik bindet nicht.

Der Wirtschaftsrat ist noch nie kurzfristigen Stimmungen und Mode-erscheinungen erlegen. Wir haben uns stets für eine starke Industriebasis ausgesprochen – und immer davor gewarnt, die industrielle Basis zu schwächen. Die USA und Großbritan-nien leiden heute darunter, dass sie keinen starken industriellen Kern mehr haben. Man erfährt dort schmerzhaft: De-Industrialisierung geht schnell. Re-Industrialisierung hingegen ist ein langer und steiniger Weg.

Diese Einsicht sollte uns auch bei der Energiewende leiten. Wir sagen Nein zu weiter steigenden Energie-preisen für Industrie und Haushalte. Wer aussteigt, muss auch einsteigen. Wir brauchen einen nationalen Kon-sens für den Einstieg in neue Netze und Speichertechnologien. Und: Die CDU als Europapartei tut gut daran, die europäische Dimension des The-mas Atomenergie nicht außer Acht zu lassen.

Wirtschaftstag 2011

Die europäische Dimension nicht außer Acht lassen

Managing the Legacy of the Crisis

Die koordinierte Reaktion der Welt auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise war sehr

effektiv. Die Antwort der Regierungen und Zentralbanken bestand in einem bislang nie da gewesenen fiskalischen und monetären Impuls. Die Stabilität des Finanzsystems konnte weitgehend gesichert werden. Mindestens ebenso wichtig war es, dass die Einbußen bei Wirtschaftsleistung und Beschäfti-gung relativ überschaubar blieben.

Dennoch hat uns die Krise schwere Bürden hinterlassen. An erster Stelle stehen die hohen Staatsschulden. Zweitens müssen wir uns den Ge-fahren einer hohen Inflation stellen. Hohe Inflationsraten könnten das glo-bale Wachstum gefährden. Angesichts der wachsenden Inflationsrisiken wächst die Notwendigkeit, zu einer

normalisierten Geldpolitik zurück-zukehren. Überhitzung ist gegenwär-tig eine klar erkennbare Gefahr.

Und schließlich müssen wir die Herausforderung bewältigen, dass die wirtschaftliche Erholung in verschie-denen Ländern sehr unterschiedlich verläuft. Um globale Ungleichge-wichte in den Zahlungsbilanzen zu fi-nanzieren, benötigen wir gut funktio-nierende globale Kapitalmärkte. Ich bin überzeugt, dass die Soziale Markt-wirtschaft auch heute noch wichtige Lektionen für uns bereithält. Die Krise hat uns gelehrt, dass ein dogmatischer Glaube in die Selbstheilungskräfte der Märkte gefährlich und riskant ist. Aber ebenso wahr ist, dass Prosperität von individueller Verantwortung abhängt. Freiheit und Wettbewerb sind die Motoren des Wachstums.

Prof. Dr. Kurt J. LaukPräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Prof. Mario DraghiGovernor, Banca d‘Italia & Chairman, Financial Stability Board

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Die Krise ist noch nicht vorbei. In Deutschland ist sie indes schneller verkraftet worden

als man erwartet hatte. Unter ande-rem deshalb, weil die deutsche Volks-wirtschaft in den letzten zehn Jahren wesentlich flexibler geworden ist. Es sind die richtigen Entscheidungen ge-troffen worden. Diese kamen aus den Unternehmen selbst, und die Politik hat sich dem angeschlossen. Aus die-sem Zusammenwirken ist ein Erfolgs-modell geworden.

Die Krise ist noch nicht vorbei, aber offenbar spürt man sie in Deutschland nicht mehr so sehr. Wir haben jedoch ernste Probleme an der europäischen Peripherie. Ich hätte nie gedacht, dass Mitglieder unserer Währungsunion eines Tages auf die finanzielle Unter-stützung anderer Länder und des IWF

angewiesen sein werden. Ich bin heu-te froh, dass der Währungsfonds dabei ist. Ich hätte es allerdings bevorzugt, wenn die Europäer ihre Probleme al-leine hätten lösen können – indem sie sie erst gar nicht hätten entstehen lassen.

Niemand soll sagen, es hätte zuvor keine Warnungen gegeben. So hat zum Beispiel die Europäische Zentral-bank (EZB) vor den wachsenden Un-gleichgewichten im Euroraum ge-warnt.

Ebenso evident war, dass sich eini-ge Länder des Euroraums durch zu hohe Lohnstückkosten aus dem inter-nationalen Wettbewerb herauskata-pultiert hatten. Man hat diese Ent-wicklungen durchaus gesehen – aber es gab keine Bereitschaft, dies politisch zu adressieren.

Globalisierung nach der Krise

Kein Industriestandort ohne wettbewerbsfähige Energieversorgung

Die Energiewende bedeutet eine gewaltige wirtschaftspoli-tische Zäsur, die uns Deutsche

in Kontrast zu unseren europäischen Partnern setzt. Sie ist nicht nur eine Frage des politischen und gesellschaft-lichen Willens. Sie ist vor allem auch eine Frage der wirtschaftlichen und technischen Machbarkeit.

Ich bin Ingenieur. Und deshalb habe ich größten Respekt vor dem Er-findungsreichtum der Menschen un-seres Landes. Aber mir fehlt die Phan-tasie, mir vorzustellen, wie wir in nur zehn Jahren Verkehr, Stromnetze und Kraftwerke schlagartig modernisieren sollen.

Ich plädiere weiterhin entschieden dafür, keine fixen Termine für Ein-, Aus- oder Umstiege in der Zukunft zu benennen.

Der Energiepreis ist der Brotpreis unserer Tage. Er entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit unserer Indus-trie – und damit über den Wohlstand für uns alle. Trotz aller Hindernisse bin ich davon überzeugt, dass wir die Ener-giewende hinbekommen, wenn wir unsere Gräben verlassen und die dro-hende Ökodiktatur abschütteln. Der kulturelle Schritt nach vorne lautet: Statt Entweder-oder ein Sowohl-als-auch. Das kleine Stadtwerk und der große Energieversorger können sich ebenso sinnvoll ergänzen wie ein mo-dernes Kohlekraftwerk und ein Wind-park.

Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als wir denken. Umweltschutz und Wirt-schaftlichkeit kann man durchaus ver-söhnen, wenn beide Seiten aufeinan-der zugehen.

Prof. Dr. Jürgen StarkMitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank

Dr. Jürgen GroßmannVorsitzender des Vorstands, RWE AG

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Die Einrichtung eines europäi-schen Stabilisierungsmecha-nismus zur Bewältigung der

Verschuldungskrise in zahlreichen europäischen Ländern ist richtig. Aber dieser europäische Stabilisierungsme-chanismus wird die Probleme nicht lösen. Er wird nur Zeit kaufen. Darum muss in dieser gewonnenen Zeit ein angemessener Mechanismus zur Re-strukturierung dieser betroffenen Staaten entwickelt werden.

Wir wollen diese Staaten nicht in-solvent gehen lassen. Aber diese Staa-ten müssen restrukturiert werden. Vielleicht gehört zu einer solchen Re-strukturierung auch ein geordnetes Verfahren zur Entschuldung auf der Zeitachse. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass die Griechen, mögli-

cherweise auch die Portugiesen, ihre Staatsschulden aus eigener Kraft nicht in den Griff bekommen werden.

Sie brauchen deshalb auch ein Kon-zept zur Re-Industrialisierung. Das ei-gentliche Problem der Länder an der europäischen Peripherie ist nicht allein ihre hohe Staatsverschuldung. Das eigentliche Problem ist – gerade im Vergleich zu Deutschland – eine viel zu geringe Wertschöpfung einer viel zu schmalen industriellen Basis.

Politische Union heißt für mich: Integration von Märkten, Beseitigung von Wettbewerbshindernissen und auch Solidarität in Europa. Solidarität allerdings nicht missverstanden als Hilfe in ein Fass ohne Boden, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe, damit Länder und Volkswirtschaften wieder leis-

tungsfähig werden. Wer sollte ihnen denn dabei helfen, wenn nicht die Europäische Union?

PODIUM I

Globalisierung nach der Krise:Weltwirtschaft zwischen Währungsdumpingund neuem Protektionismus

Friedrich MerzVorsitzender, Atlantik-Brücke e.V.

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Wendelin von BochVorsitzender des Aufsichtsrates, Villeroy & Boch

Das deutsche Engineering und die deutschen Manager haben in den letzten Jahren einen unglaublichen Quantensprung fertiggebracht. Warum sind die Chinesen, die Japaner und die Amerikaner so scharf auf europäische Produkte? Wir haben diesen European Lifestyle.

Anton F. BörnerPräsident, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V.

Globalisierung bedeutet, dass die Welt ein großes Dorf geworden ist. Und wenn in einem Dorf irgendwo Unfrieden herrscht, belastet das alle Dorfbewohner. Wenn wir in unserer hoch ent wickelten Zone dieses Dorfes mit Wohlstand weiterleben wollen, müssen wir die dramatisch wachsende Weltbevölkerung stabilisieren.

Erich G. Fritz MdBMitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages

Die Deutschen sind gerne bereit, alle Vorteile der internationalen Arbeitsteilung als Konsu-menten wahrzunehmen. Aber die Zusammenhänge, die dazu führen, dass wir in Europa ein noch nie da gewesenes Konsumniveau haben, werden nicht reflektiert. Im Gegenteil: Glo-balisierung wird als Bedrohung abgelehnt.

Dr. Werner Langen MdEPVorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament

Die Europäische Union hat den Binnenmarkt, aber wir haben viele Dinge im Binnenmarkt noch nicht geregelt. Jetzt wird es darauf ankommen, dass der neue Pakt für Wettbewerbs-fähigkeit greift, so dass man die Wirtschafts- und Finanzpolitik stärker koordiniert.

Dr. Michael MertinVorsitzender des Vorstands, Jenoptik

Wir haben heute eine höhere Produktivität und geringere Lohnstückkosten als viele andere Staaten auf der Welt. Ich warne vor den Forderungen nach einer schwächeren Produktivität in Deutschland. Wenn Sie den Einäugigen unter den Blinden verlieren, ist Europa wirtschaft-lich verloren.

ModerationHeike GöbelVerantwortliche Redakteurin Wirtschaftspolitik, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Wir sind noch in der Krise. Die Kosten für die Bankenhilfe und die Konjunkturprogramme waren ein enormer Schuldenschub, so dass wir in vielen Ländern nun eine Krise der öffent-lichen Staatsfinanzen erleben. Neben hohen Schulden beobachten wir eine Zunahme von staatlichen Eingriffen in den Handel.

Podiumsdiskussion

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Weltmarktführer und Pro-testnation müssen in meinen Augen kein Wi-

derspruch sein. Vielmehr muss man beides in Einklang bringen. Wir sind beides: Weltmarktführer und Protest-nation. Das spricht aber nicht gegen, sondern für Deutschland – weil bei uns die Ideen und Emotionen der Men-schen aufgenommen werden. Und wenn man es richtig macht, münden sie in besseren Leistungen, in besseren Entwicklungen und im Aufbau neuer Strukturen. Das aktuellste Beispiel ist die Energie-politik. Wir sind nach Fukushima von einer emotionalen Welle überrollt wor-den. Alle Parteien haben seit 30 Jahren davon gesprochen, dass die Atomener-

gie eine Übergangstechnologie sei. Aber sie haben die Brücke zur neuen Energiewelt nicht gebaut. Die emotio-nale Welle zwingt nicht nur alle dazu, einen beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie zu wagen, sondern auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir das Zeitalter der regenerativen Energien erreichen. Das ist technisch höchst anspruchsvoll und herausfor-dernd. Ob das Experiment gelingt, weiß heute kein Mensch. Aber hier werden die Emotionen genutzt, um neue Krea-tivität auszulösen und neue technische Lösungen voranzutreiben. Wenn man den Druck aus der Bevölkerung richtig aufnimmt und kanalisiert, wird Deutschland auch künftig beides sein: Protestnation und Weltmarktführer.

Wirtschaftstag 2011

PODIUM II

Weltmarktführer oder Protestnation: Industriestandort Deutschland am Scheideweg

Dr. Hermann Otto Solms MdBVizepräsident des Deutschen Bundestages, Mitglied der FDP Bundestagsfraktion

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Über alle Sorgen sollten wir nicht vergessen, dass es uns derzeit ausgesprochen gut geht. Die

deutsche Wirtschaft boomt – und das ist keine Selbstverständlichkeit.

Der Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch nicht allzu lange her. Und mir scheint fast, als hätten wir vergessen, dass viele von uns vor drei Jahren noch den Beginn einer langen Durststrecke vo-rausgesagt haben. Wir alle wissen, es kam anders. Die deutsche Wirtschaft hat das Vor-krisenniveau bereits überschritten. Der jüngste Konjunkturbericht des Wirt-schaftsministeriums nennt als einen wichtigen Grund für den Erfolg Deutschlands ganz explizit das Produ-zierende Gewerbe. Dieselbe Beobach-

tung mache ich auch in meinen Gesprächen mit Vertretern der Wirt-schaft. Die Konjunkturentwicklung 2010 und 2011 ist nach meiner Auffas-sung kein zweites Wirtschaftswunder, sie geht vielmehr auf die hohe Wettbewerbs fähigkeit des Industrie-standorts Deutschland zurück. Und die speist sich aus der sehr hohen Innova-tionskraft unserer Unternehmen. Da-durch sind wir besser als andere Volks-wirtschaften in der Lage, Krisen zu bewältigen und sogar gestärkt aus diesen hervorzugehen. Allzu selbstzufrieden dürfen wir freilich auch nicht sein. Deutschland braucht massive Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur, um Tech-nologieführer zu bleiben. Die deutsche Industrie braucht Ansehen und Unter-

stützung, um ihrer Rolle als Konjunk-turmotor auch künftig gerecht zu wer-den.

Prof. Dr. Norbert WinkeljohannSprecher des Vorstands, PricewaterhouseCoopers AG WPG

Mit der Gedenkmünze Ludwig Er-hard in Silber ehrte der Wirt-

schaftsrat sein langjähriges Bundesvor-stands- und Präsidiumsmitglied, Dr. Hans Christoph von Rohr, für seine Verdienste um die Soziale Marktwirt-

schaft. Ganz besonders sein Einsatz für marktwirtschaftliche Strukturen in den neuen Bundesländern nach der Wie-

dervereinigung war beispielhaft. Lauk sagte in seiner Laudatio u. a.: „Seit über 35 Jahren gilt sein Engagement dem Wirtschaftsrat. Von 1988 bis 2003 Mit-glied im Bundespräsidium, davon 1989 bis 1997 Vizepräsident. Seit mehr als 30

Jahren Mitglied im Bundesvorstand. Er hat maßgeblich die Arbeit der Bundes-fachkommission Wirtschaft und Wett-

bewerbspolitik geprägt. Lieber Herr von Rohr, wir alle danken Ihnen. Die Dank-barkeit ist tief empfunden. Von Rohr bedankte sich mit einer engagierten Rede und gab den Mitgliedern und Mandatsträgern des Wirtschaftsrates mit auf den Weg: „Meine große Bitte an die heute Gewählten lautet: Neh-men Sie teil an den Sitzungen, zeigen Sie Profil, riskieren Sie Widerspruch und, wenn es denn sein muss, auch mal einen echten politischen Konflikt. Die 12.000 Mitglieder haben Sie nicht ge-wählt, damit Sie in einem Abnickgre-mium „bellafigura“ machen. Gewählt sind Sie, weil der Wirtschaftsrat, weil unser Land auf der Position, zu der man Sie heute berufen hat, Menschen braucht, die einen klaren inneren Kom-pass haben, die sich für ihre politische Sache „outen“, die nicht zögern, auch mal gegen den „mainstream“ im eige-nen Laden zu schwimmen, und die dafür eine Eigenschaft mitbringen, die zu allen Zeiten das vielleicht wichtigste Handwerkszeug guter Politik gewesen ist: Zivilcourage. Halten Sie in Ihrem Reisegepäck nach Berlin davon sicher-heitshalber immer ein Stück griffbereit. Sie werden es brauchen.“

Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Silber an Dr. Hans Christoph von Rohr

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Wirtschaftstag 2011

Podiumsdiskussion

Klaus BetzGeschäftsführer, Imtech Deutschland GmbH & Co. KG

Man sollte aufhören, Ängste zu schüren, weil Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Eine der größten Energiequellen, die wir erschließen können, ist die Energieeffizienz. Damit muss man sich wesentlich mehr befassen.

Dr. Michael Fuchs MdBStellv. Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand

Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Ereignisse in Fukushima hierzulande mit einer solchen Wucht Veränderungen herbeigeführt haben. Mir fällt dazu nur Voltaire ein, der einmal gesagt hat: Am Grunde eines Problems sitzt immer ein Deutscher.

Tuomo HatakkaVorsitzender des Vorstands, Vattenfall Europe AG

Vattenfall ist nicht nur ein „böser“ Energieversorger. Wir sind auch ein Investor. Wir investieren in Deutschland in den kommenden fünf Jahren mehr als acht Milliarden E. Die Politik muss aufpassen, dass sie Investoren nicht verunsichert.

Thomas RichterichVorstandsvorsitzender, Nordex SE

Im internationalen Vergleich ist die Entwicklung von Großprojekten in Deutschland nicht besonders schwierig. Einzige Ausnahme ist China, aber hier gibt es auch keine demokrati-schen Strukturen. Wenn wir Netzleitungen quer durch Deutschland ziehen wollen, müssen wir eben einen Interessenausgleich finden.

Prof. Hans Helmut SchetterVorsitzender des Aufsichtsrates, Bilfinger Berger Budownictwo S.A.

Stuttgart 21 zeigt, dass Deutschland die Fähigkeit zur Realisierung von Großprojekten zunehmend abhanden kommt. Ohne Großprojekte ist es mir um unsere Zukunft bange. Wenn wir die Energiewende hinbekommen wollen, dann haben wir ein Großprojekt vor uns, wie wir bisher noch keins hatten in der Nachkriegsgeschichte.

Moderation Dr. Christian RamthunStv. Leiter Hauptstadtbüro, WirtschaftsWoche

Weltmarktführer oder Protestnation? Die Probleme Fachkräftemangel, Steuern oder auch Akzeptanzmangel bei Großinvestitionen hat es immer schon gegeben – die Frage ist jedoch, ob die Probleme heute eine andere Qualität haben als früher.

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Sicherlich stellen sich auch die Mitglieder und Freunde des Wirtschaftsrates die Frage, wie

wir unseren Wohlstand und den so-zialen Frieden sichern wollen. Nie-mand wird guten Gewissens antwor-ten, dass wir einfach alles so belassen sollten wie es ist. Wir leben nicht allei-ne auf dem Planeten, um uns herum verändert sich alles. Also müssen auch wir uns ständig dem Prozess der Ver-änderung aussetzen, um im internati-onalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden. Es kommt nicht nur darauf an, dass sich Deutschland weiterentwi-ckelt, sondern vor allem darauf, wie das geschieht. Wir stehen gegenwärtig vor großen Herausforderungen: Die künf-tige Energiepolitik und die Gewinnung

von Fachkräften für unsere Wirtschaft sind gute Beispiele dafür. Mit der Einführung der Sozialen Markt-wirtschaft hat die Union schon früh gezeigt, dass sie eine klare Grundposi-tion hat. Wir wollen Deutschland ge-meinsam erneuern. Wir wollen rund um die Uhr innovativ sein. Wenn wir auch in Zukunft eine führende Rolle als Wirtschafts- und Exportnation spielen wollen, müssen die Rahmenbedingun-gen so gestaltet sein, dass ein innova-tionsfreundliches Klima vorherrscht. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen dazu an einem Strang ziehen. Wenn wir alle keine Angst vor Verän-derungen haben und uns unsere Faszi-nation und unsere Neugier gegenüber technischem Fortschritt bewahren, bin

ich sicher, dass Deutschland auch in Zukunft ein guter Standort für Innova-tionen sein wird.

PODIUM III

Innovationsfähigkeit international: Kampf um Rohstoffe, Arbeitsplätze und kluge Köpfe

Volker Bouffier MdLMinisterpräsident des Landes Hessen

Das Kennzeichen der heutigen Zeit ist das Verschwinden al-ter Gewissheiten. Was bleibt?

Der Kampf um Rohstoffe, der Kampf um Arbeitsplätze und der Kampf um die klugen Köpfe. Deutschland hat keine Rohstoffe. Wir sind Weltmeister im Veredeln der Rohstoffe anderer. Deutschland ist Spitzenreiter in der Welt bei Komponenten und Teilen, bei der Beherrschung von komplexen Systemen.

Unser Rohstoff sind deshalb die klugen Köpfe. Und die Arbeitsplätze, die die Veredelung bewerkstelligen. Innovation definiert als Kombination von Erfindungen und Markterfolg – frei nach Schumpeter –, hat uns den Wohl-

stand beschert, den wir heute genie-ßen. Wir haben aber auch zum ersten Mal eine Gesellschaft, die das Gefühl hat, wir haben den Zenit erreicht. Das ist fatal.

Wir müssen auch künftig um den Faktor produktiver sein, in dem wir im Vergleich zu Anderen teurer sind. In der Vergangenheit hatten wir genü-gend kluge Köpfe. Aber haben wir auch künftig noch ausreichend Ingenieure? Der demographische Wandel wird zur größten Herausforderung für dieses Land. Die junge Generation ist sehr kosmopolitisch ausgerichtet und emp-findet den Standort als Wahlfaktor. Verantwortung für den Standort Deutschland zu tragen heißt auch,

Verantwortung für unsere Wettbe-werbsfähigkeit zu tragen.

Frank RiemenspergerVorsitzender der Geschäftsführung, Accenture GmbH

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Wirtschaftstag 2011

Podiumsdiskussion

Dr. Klaus HarsteVorsitzender des Vorstands, Saarstahl AG

Die Rohstoffmärkte werden von einigen wenigen Anbietern dominiert. Wir haben heute keine Preisverhandlungen mehr, wir werden mit Preisdiktaten konfrontiert. Wir werden diese Kosten an unsere Kunden weitergeben müssen. Das wird man überall spüren, wo Stahl gebraucht wird.

Dr. Carsten Linnemann MdBMitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages

Wir sind in einer sehr kritischen Phase. Unseren Industriekern müssen wir unbedingt halten. Deshalb müssen wir bei der Energiepolitik auch Wahrheiten aussprechen – wie die, dass wir nach dem Atomausstieg neue Gas- und Kohlekraftwerke brauchen.

Dr. Michael Meister MdBStellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Wir sind gut aus der Krise gekommen, weil wir Industrie- und Dienstleistungsstandort sind. Wenn wir diese Stärke behalten wollten, müssen wir auch in Zukunft beides bleiben.

Dr. Richard PottMitglied des Vorstands, Bayer AG

Industrieunternehmen schaffen mit ihren innovativen Produkten echte Werte. Deshalb sollte die Politik die innovativen Industrien wieder stärker in den Mittelpunkt ihrer Bemü-hungen stellen.

ModerationDr. Martin KesslerLeitender Redakteur Politik, Rheinische Post

Machen wir uns nichts vor: Wenn wir aus der Atomenergie aussteigen, wird der Strom teurer. Auch das gehört zur Wahrheit. Es stellt sich die Frage, ob energieintensiv produzie-rende Unternehmen in Deutschland wettbewerbsfähig bleiben.

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Wir beobachten seit einigen Jahren massive Verände-rungen in der globalen

Wirtschaft. Vor einer Dekade noch standen die reichen Industrieländer für zwei Drittel der weltweiten Wert-schöpfung. Heute, nur zehn Jahre später, erwirtschaften wir weniger als die Hälfte des Weltsozialprodukts. Und die Vorhersage fällt nicht schwer, dass es in zehn Jahren weniger als 40 Prozent sein werden. Hinzu kommt: Die reichen Industrieländer leben jen-seits ihrer Möglichkeiten. Sie nehmen hohe Schulden für ihren Konsum auf, zugleich altert ihre Bevölkerung. Das schafft auch für die Europäische Union eine schwierige Situation. Die Staatsverschuldung ist im Schnitt auf über 80 Prozent der Wirtschaftsleis-tung gestiegen. Europa hat Schwierig-keiten, im globalen Wettbewerb mit-

zuhalten. Eine Reihe europäischer Staaten leidet unter einem schwachen Wachstum, niedriger Produktivität und hoher struktureller Arbeitslosigkeit. Wir brauchen mehr strukturelle Refor-men. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die anderen europäischen Regierungs-chefs immer zuhören, wenn Bundes-kanzlerin Angela Merkel und ich das fordern. Deutschland und Schweden sind nach meiner Auffassung zwei gute Beispiele dafür, wie wir die Herausforderungen der Zukunft in einer multipolaren Welt mit einem schärferen Wettbewerb be-wältigen können. Das Stichwort lautet: Soziale Marktwirtschaft, die durch strukturelle Reformen weiterentwi-ckelt werden muss. Wir sollten aber demütig genug sein, um festzustellen, dass eine Menge mehr zu tun bleibt. Vor uns liegt ein steiniger Weg.

Deutschland und Schweden sind zwei Beispiele für die Herausforderungen der Zukunft

Fredrik ReinfeldtMinisterpräsident des Königreichs Schweden