Tumorschmerzen in der Onkologie · Analgesie u. Ausmaß v. Nebenwirkungen - Schmerzursache prägt...

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Tumorschmerzen in der Onkologie Dr. Ina Dittrich Stefan Friedrich Josephine Uiffinger Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und Thorakale Onkologie, Lungenklinik Lostau gGmbH

Transcript of Tumorschmerzen in der Onkologie · Analgesie u. Ausmaß v. Nebenwirkungen - Schmerzursache prägt...

  • Tumorschmerzen in der Onkologie

    Dr. Ina Dittrich

    Stefan Friedrich

    Josephine Uiffinger

    Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin und

    Thorakale Onkologie, Lungenklinik Lostau gGmbH

  • Tumorschmerz

    - Unabhängig von der Art des Tumors nicht vorhersehbar: Zeitpunkt für das Auftreten der Schmerzen, Intensität, Charakter der Schmerzen

    - Jeder Patient hat seine Empfindung u. Äußerung der Schmerzen

    - Jeder Patient spricht auf Analgetika unterschiedlich an -> bzgl. Wirkung d. Analgesie u. Ausmaß v. Nebenwirkungen

    - Schmerzursache prägt den Schmerzverlauf

  • Pathophysiologische Einteilung

    Typ Ursache Attributierung Lokalisation

    KnochenWeichteile

    Dumpf, bohrend, drückend

    Gut lokalisierbar

    Nozi-zeptiv

    Viscera Kolik-, krampfartig Schlecht lokalisierbar

    Ischämie Hell, pochend Extremität, auch visceral mögl.

    Neuro-pathisch

    Irritation Nerven

    Einschießend, elektrisierend, brennend, heiß

    Versorgungsgebiet des Nerven

  • Schmerzursache

    Tumorbedingt-> direkte Wirkung des Tumors (60-90%)

    Knochen-/WeichteilinfiltrationKompression/Infiltration von Nerven-, Blut- und Lymphgefäßen und

    HohlorganenTumornekrosen an Schleimhäuten mit Ulceration und PerforationHirnoedem

    Tumorassoziiert -> indirekt durch den TM (5-20%)Paraneoplastisches SyndromZosterneuralgiePilzinfektionThrombosenDekubitus

  • Schmerzursache

    Therapiebedingt-> unerwünschter Therapieeffekt (10-25%)

    Akut: OP-Schmerz, Mukositis, Enteritis, Strahlendermatitis, Paravasate

    Chronisch: Phantomschmerzen, Radiogene Plexusschäden, Medikamentös-toxische Polyneuropathie

    Tumorunabhängig (3-10%)Kopfschmerzen/MigräneRheumatische und degenerative Schmerzen

  • Schmerzbeurteilung

    � Eine sorgfältige Beurteilung des Schmerzes, ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie

    � Die Beurteilung erlaubt eine Aussage über:− die Ursache− die Prognose der Schmerzen− sowie die Behandlungsmöglichkeiten

  • Schmerzbeurteilung

    � Beurteilung stützt sich auf:

    − Erfassung der Schmerzen nach Schmerztyp, Lokalisation, Intensität etc.

    − Erfassung der aktuellen und früheren Schmerzbehandlung

    − Erfassung psychosozialer Komponenten

    − Sorgfältige körperliche Untersuchung

  • Schmerzbeurteilung

    � Erfassung und Beurteilung sind ärztliche Tätigkeiten

    � Übernahme durch Fachpflegekräfte möglich (z.B. Schmerzerfassung, Schmerztherapie)

    − Wichtig ist hierbei

    ein konstanter

    und gegenseitiger

    Informationsaustausch!

  • Beurteilungspunkte

    • Lokalisation (z.B. durch Anzeichnen von Schmerzpunkten auf einer Abbildung)

  • Beurteilungspunkte

    � Intensität (z.B. Nummerische Schmerzskala, Smiley-Skala)

    � Charakter:

    − Pulsierend, krampfartig usw.

    � Auslösende oder verschlimmernde Faktoren

  • Beurteilungspunkte

    � Beurteilung erfolgt:

    − Mehrfach am Tag

    − In Ruhe + unter Belastung

    � Dokumentation:

    − u.a. Bewegungsmuster, Gesichtsausdruck des Patienten

    − Während der Schmerzeinstellung:Nebenwirkungen der Medikamente (z.B. Obstipation)

  • Ablauf- Schmerzbehandlung

  • WHO – Stufenschema Tumorschmerztherapie

    Stufe I

    Stufe II

    Stufe III

    Nicht-Opioidanalgetika

    Schwach wirkende Opioide

    Stark wirkende Opioide

    +/- Adjuvantien

    +/- Nicht - Opioid

    +/- Adjuvantien

    +/- Nicht - Opioid

    +/- Adjuvantien

  • KISS -> Keep it Sweet and Simple

  • Opioide in der Tumorschmerztherapie

    – Schmerzdynamik– Applikationsweg: oral / transdermal vor

    parenteral– Individuelle Dosierung → keine TMD für Opioide– Kontrollierte Dosistitration– Bedarfsmedikation: 1/6 bis 1/10 der Tagesdosis– Regelmäßige Einnahme– Prophylaxe und Therapie der Nebenwirkungen– Einsatz von Ko-Analgetika

  • Opioide - Nebenwirkungen

    • Häufig- Obstipation- Übelkeit / Erbrechen- Sedierung

    • Selten- Halluzinationen / Verwirrtheit- Myoklonien- Harnverhalt- Juckreiz- Mundtrockenheit- Schwitzen

  • Opioid – induzierte Übelkeit und Erbrechen

    • Ursache- Erregung in der Chemorezeptor-Triggerzone- Wirkung am Gastrointestinaltrakt- Vestibularisreizung

    • Häufigkeit: initial 20%• Dauer: ca. 7 Tagen • Therapie

    - Haloperidol 0,3 – 0,5 mg 3 x tgl.- Metoclopramid 10 - 20 mg 3 x tgl.- Dimenhydrinat (Vomex A) 50 – 100 mg 3 x tgl.

  • Obstipation – Prophylaxe und Therapie

    Dosierung Wirkungseintritt Wirkweise

    Macrogol Ab 1 Btl. 6 - 8 Osmotisch, irritativ

    Lactulose Ab 7ml bis 3x 2 - 10 Osmotisch

    Natriumpicosulfat Ab 10 mg 6 - 8 Irritativ

    Bisacodyl Ab 5 mg 6 - 10 Irritativ

    Paraffinemulsion Ab 60 ml 6 - 10 Gleitmittel

    Mikroklysmen Ab 1 20 – 30 Min. Enddarm-wirksam

    Biscodyl-Supp. 1 – 2 20 – 30 Min. Enddarm-wirksam

    Glycerin-Supp. 2 30 Min Enddarm-wirksam

  • Opioidrotation

    Indikation• Schmerzzunahme trotz Dosiserhöhung starker Opioide• Anhaltende, trotz Prophylaxe nicht tolorable Nebenwirkungen

    Obstipation, Verwirrtheit, Juckreiz, Übelkeit, Erbrechen,Schmerzen Einstichstelle Morphin s.c., Myoklonien

    Vorgehen1. Äquivalenzdosis berechnen2. Applikation zunächst 50% der errechneten Dosis3. Erneute Dosistitration

  • Umrechnungsfaktoren bei Opioidwechsel

    Substanz Faktor Zielopioid

    Morhin p.o. O,5 Oxycodon p.o.

    0,13 – 0,2 Hydromorhon p.o.

    0,01 Fentanyl transdermal

    0,3 L-Methadon p.o.

    0,03 Buprenorphin s.l.

    Oxycodon p.o. 2

    Hydromorphon p.o. 5 -7,5 Morphin p.o.

    Fentanyl transdermal 100

    L-Methadon p.o. 3

    Buprenorphin s.l. 30

  • Ko - Analgetika

    Neuropathische Schmerzen: Dauerhaft, oft dysästhetischPolyneuropathie, Zosterneuralgie→ Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Clopramin)

    Neuropathische Schmerzen: Einschießend, stechendTrigeminusneuralgie, Polyneuropathie, Zosterneuralgie, Phantomschmerz→ Antikonvulsiva

    Gabapentin, Carbamazepin, Pregabalin

    Schmerzen bei Ödem, Kompression oder EntzündungGlucokortikosteroide → antiödematös, antiinflammatorisch, antiphlogistisch

    Schmerzen durch KnochenmetastasenBisphosphonate → Hemmung der Osteoklasten

  • Opioide

    Hauptwirkung im CO2-sensitiven Atemzentrum- Erhöhung der Toleranz von erhöhtem pCO2- Senkung der Atemfrequenz- Erhöhung des Atemzugvolumens- Dämpfung der emotionalen Reaktion am limbischen System- Symphatikolyse- Direkte Sedierung

    → Alveoläre Ventilation gesteigert→ Reduktion der gesteigerten Atemarbeit→ Entlastung der Atemmuskulatur� Atmung wird ökonomisiert !

  • Opioide

    Abnahme der AtemfrequenzAbnahme der Atemarbeit

    Verbesserung der CO2-Elimination

    Positive Beeinflussung der subjektiv unangenehmen und ängstigenden Wahrnehmung der Luftnot

  • Dosierung der Opioide

    Dyspnoe intermittierend → Opioide bei Bedarf

    Dyspnoe kontinuierlich → Opioide regelmäßig

    Schmerzen und Dyspnoe → Opioide regelmäßigintermittierend

  • Leber- und Niereninsuffizienz

    Substanz Leberinsuffizienz Niereninsuffizienz

    NSAR ↓ / Ø Ø

    COX II-Hemmer ↓ / Ø Ø

    Paracetamol Ø ↓

    Metamizol (↓) (↓)

    Codein ↔ ↓

    Dihydrocodein ? ↓

    Tramadol (↓) ↓

    Tilidin/Naloxon ↓ / Ø ↔

    Morphin ↓ ↓ / Ø

    Hydromorphon ↓ (↓)

    Fentanyl ↔ ↓

    Buprenorphin ? ↔

  • Nichtmedikamentöse Methoden der Schmerzbehandlung

    � Physikalische Methoden:Durch definierte Hautstimulation soll eine

    Schmerzlinderung erzielt werden− Wärmeapplikation (Feucht warme Kompressen)− Kälteapplikation (Trockene Kältepackungen)− Massagen

  • Nichtmedikamentöse Methoden der Schmerzbehandlung

    � Diese Methoden sind:

    � patientenfreundlich, beinhalten wenig Risiken, billig in der Anwendung

    � Potenzial wird manchmal überbewertet und gelegentlich missbraucht

    � Es stellt eine Ergänzung zur Pharmakotherapie da

  • Nichtmedikamentöse Methoden der Schmerzbehandlung

    � Komplementärmedizinische Methoden:� Techniken wie:

    − Hypnose− Biofeedback− Akupunktur− Fußzonenreflexmassage− Entspannungsübungen− Usw.

    � Nicht immer anwendbar und stellen nur eine Ergänzung da

  • Pflegerische Interventionen

    � Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Schmerztherapie: Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Ärzte, Pflegekräfte, Psychoonkologin, Physiotherapeuten usw.)

    � Individuelle und regelmäßige Erfassung des Schmerzes unter Einbeziehung der physischen und psychischen Faktoren

    � Beschwerden des Patienten ernst nehmen! (Bsp.: Pat. liegt in entspannter Lage im Bett und gibt eine NRS von 8 an)

  • Pflegerische Interventionen

    � Implementierung + Umsetzung des Expertenstandards Schmerz− Voraussetzung: qualifiziertes Fachpersonal− Durchführung der ärztlich angeordneten

    medikamentösen Schmerztherapie− Prophylaxe und Behandlung medikamentöser

    Nebenwirkung− Durchführung nicht- medikamentöser

    Maßnahmen− Anleitung+ Information von Patienten

    (+Angehörige)

  • Pflegerische Interventionen

    • Realistische Ziele (Schmerzstärke) für die Aktivitäten mit dem Patienten gemeinsam vereinbaren

  • Pflegerische Interventionen

    � Information, Beratung, Schulung:− Cave: Angehörige mit einbeziehen− Aufklärung über Schmerzursache (mindert

    Ängste)− Umgang mit Analgetika (Verabreichungsarten,

    Dosierung, unerwünschte Wirkung usw.)− Regelmäßige Beurteilung des Schmerzes

    (Schmerztagebuch)

  • Pflegerische Interventionen

    � Interventionen bei Bewegungsschmerzen:− Sorgfältige und gezielte Unterstützung bei den

    Aktivitäten (Körperpflege, Positionswechseln usw.)

    − Vermeiden von Streckbewegungen: Gegenstände in Reichweite des Patienten legen (z.B. Patientenklingel, Trinken)

    − Ratschläge für einfach zu handhabende Kleidung geben (Schuhe ohne Schuhbänder)

    − Sitzfläche erhöhen (WC- Aufsatz)

  • Zusammenwirken verschiedener Einflußebenen auf das Schmerzempfinden

    Konzept des “Toral Suffering“ nach Woodruff= “Umfassendes Leiden“

  • Die schlimmste Kränkung,die wir einem Patienten zufügen können,ist ihm sein Leiden abzusprechen.

    Cesare Pavese

  • Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!