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  • Lehrer sind keine Sozialarbeiter

    Eingezwngt zwischen immer neuen Reformen und bereifrigen "Helikopter-

    Eltern" wird der Lehrerberuf zum Hllenjob. Die Folgen haben auch die Schler

    zu tragen.

    Ein Kommentar von Johann Osel

    [] Jngst hat eine Umfrage unter Abiturienten Wirbel ausgelst. Schlechte Schler

    werden demnach Lehrer, und diejenigen mit einer Eins oder einer guten Zwei machen

    einen Bogen um den Beruf. "Es ist nichts schrecklicher als ein Lehrer, der nicht mehr

    wei, als die Schler allenfalls wissen sollen", heit es in Goethes "Wilhelm Meisters

    Wanderjahre". Wissen ist allerdings hchstens ein Teil des Anforderungsprofils an

    Lehrer. [] Die Umfrage zeigte aber auch: Die Schler, denen es nach eigener

    Einschtzung Spa macht, Neues zu lernen, die sich gerne Ziele setzen und darauf

    hinarbeiten - eben jene sind kaum am Lehrerberuf interessiert. Und wer dann? []

    Bei bundesweit mehr als einer halben Million Lehrern kann eine solche Studie nur ein

    Schlaglicht auf den Beruf werfen. Wie in allen Branchen findet sich die ganze Bandbreite

    an Charakteren. Es gibt Vertreter der Zunft, die den Eifer irgendwann verloren haben;

    es gibt Lehrer - und hoffentlich sind sie in der Mehrzahl -, die mit Leidenschaft in der

    Klasse stehen; die es als Glck sehen, junge Leute dabei begleiten zu drfen,

    Persnlichkeiten zu werden, Wissen und Fhigkeiten zu erlernen. Und natrlich gibt es

    die Lehrer, die den Eifer nie hatten, die diesen Beruf aus Mangel an

    Alternativen whlten.

    [] Das ffentliche Bild des Lehrerberufs hat sich zuletzt stark gewandelt. Von der

    schier unumstlichen Autoritt, seit im 18. Jahrhundert das Schulwesen breitere

    Schichten erfasste, blieb in der Bundesrepublik zunchst immer weniger brig. In den

    Neunzigerjahren kam gar Lehrerschelte gro in Mode. Da waren es nicht mehr nur

    Stammtische, die bei dem Beruf ber Ferien und viele freie Nachmittage schimpften

    []. Zu Beginn des Jahrtausends [] nderte sich der Blick wieder, ins Positive. Gute

    Leistungen kommen durch gute Lehrer, stellt man fest. Studien zeigten, dass

    Klassengren weniger wichtig fr guten Unterricht sind als das Personal am Pult. []

  • Studien zum Beruf zielen nun oft auf das Leid der Lehrer ab. "Hllenjob Lehrer", titelte

    ein Magazin neulich. Mit der Pisa-Studie hat sich aber auch vieles zum Schlechteren

    gewandelt: [] Leistungen wurden exakt messbar, werden regelmig berprft,

    Schulen entwickeln Profile, es gibt neue Konzepte, Reformen. So sehr Schulpolitik

    moderner geworden ist, so sehr zwingt sie Lehrer dadurch in Korsette. An vielen

    Schulen herrscht die blanke Angst, ja nichts falsch zu machen.

    Und mit normalen Eltern, die der Institution Schule generell vertrauen, hat es ein Lehrer

    immer seltener zu tun. Es wachsen dagegen die Extreme: Eltern, die ihre Kinder fast

    vernachlssigen, und Eltern, die sich derart fordernd einbringen, als sen sie selbst

    auf der Schulbank. Fr beides sind Lehrer nicht richtig ausgebildet, fr beides sind die

    Ablufe eines Schultags nicht gemacht. [] Die zweite Gruppe von Vtern und Mttern

    werden oft "Helikopter-Eltern" genannt []. Das ist heute Alltag: Da klagen Eltern vor

    Gericht wegen schlechter Noten; da ist die Telefonnummer der Schulleitung in der

    Kurzwahl gespeichert; da wird viel von "wir" gesprochen: Wir schreiben morgen eine

    Mathearbeit, wir mssen ein Referat machen. Wobei Letzteres teils stimmt, viele Lehrer

    knnen daheim vorbereitete Dinge gar nicht mehr fair benoten.

    Seit jngster Zeit wird an einigen Unis die Ausbildung der Pdagogen berdacht, mehr

    Praxisnhe, teils mehr Geld. [] Das Zaudern der Hochschulchefs ist verstndlich, mit

    der Ausbildung von Lehrern lsst sich nicht angeben in der Welt der Wissenschaft, keine

    Mittel aus der Industrie, keine Nobelpreise. Lehramt gilt an Unis als

    lstige Pflichtaufgabe. An den Schulen fehlen zudem Anreize fr mehr Engagement. Es

    ist gut, dass Lehrer nicht dem Prinzip des Marktes ausgesetzt sind, es geht ja nicht um

    die Produktion von Fahrrdern. Aber das starre Beamtensystem mit den Gehaltsstufen

    kann bremsen, trge machen.

    Gekrzt und leicht verndert aus http://www.sueddeutsche.de/bildung/erwartungen-an-

    paedagogen-lehrer-sind-keine-sozialarbeiter-1.1998488-2