U-Bericht AX001-15 21Dec2017
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Bundesstelle fürFlugunfalluntersuchung
Untersuchungsbericht Identifikation
Art des Ereignisses: Unfall
Datum: 20. Januar 2015
Ort: Internationaler Flughafen Nürnberg
Luftfahrzeug: Verkehrsflugzeug
Hersteller / Muster: Fokker Aircraft B.V. / F28 Mark 0100
Personenschaden: keiner
Sachschaden: Luftfahrzeug schwer beschädigt
Drittschaden: keiner
Aktenzeichen: BFU AX001-15
Sachverhalt
Beim Enteisen auf dem Vorfeld saugte die Hilfsturbine (APU) Enteisungsflüssigkeit
an. Daraufhin stieg die Turbinendrehzahl stark an und die APU zerplatze. In der
Folge durchschlugen Trümmerteile das hintere Druckschott des Flugzeugs.
Ereignisse und Flugverlauf
Das Flugzeug stand auf der Parkposition 30, Besatzung und Passagiere waren an
Bord. Nach Angaben der Besatzung waren die Türen geschlossen und die
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Hilfsturbine (Auxiliary Power Unit (APU)) lief. Gegen 10:50 Uhr1 wurde das
Enteisungsfahrzeug („Eisbär 6“) zur Enteisung angefordert. Nach Aussage des
Enteisungspersonals wurden zunächst die Tragflächen und das Leitwerk auf der
linken Seite des Flugzeuges enteist. Danach wurde das Enteisungsfahrzeug auf der
rechten Seite im Bereich zwischen Triebwerk und Höhenleitwerk positioniert.
Verwendet wurde das Enteisungsmittel Type I (Safewing MP I 1938 ECO (80)).
Nachdem das Fahrzeug positioniert war, wurde das rechte Höhenleitwerk enteist.
Danach richtete der Enteiser den Arbeitskorb neu aus und wollte die rechte Seite des
Seitenleitwerks enteisen. Nach seinen Angaben hatte er gerade mit der Vorderkante
angefangen (ca. 0,5 m), als er bemerkte, dass die Drehzahl der APU plötzlich stark
anstieg. Er beschrieb, dass das Geräusch lauter und seine Frequenz höher wurden.
Des Weiteren nahm der Ausstoß der Abgase stark zu. Daraufhin schloss er das
Strahlrohr und stellte die Enteisung ein. In diesem Moment hörte er einen lauten
Knall und ging im Korb in Deckung. Gleich darauf gab es einen zweiten noch
heftigeren Knall und die APU ging aus.
Der Fahrer des Enteisungsfahrzeuges beobachtete während des Vorganges, dass
die Wartungsklappe im Rumpfboden unterhalb der APU aufsprang und eine etwa
zwei Meter lange Stichflamme austrat. Weiterhin gab er an, dass die Druckwellen der
beiden Knalle so stark waren, dass das Enteisungsfahrzeug gewackelt habe.
Sowohl der erste als auch der zweite Knall waren in der Kabine zu hören. Die
Besatzung sagte aus, dass sich das Flugzeug dabei geschüttelt habe. Im Cockpit
wurde die APU-Fehlermeldung angezeigt und die APU schaltete sich automatisch
ab.
Im hinteren Bereich der Kabine durchschlug ein Bruchstück der APU das Druck-
schott und es trat kurzzeitig Rauch aus.
Die Passagiere wurden zunächst in den vorderen rauchfreien Bereich der Kabine
verbracht und stiegen dann aus. Sie wurden mit Bussen zurück zum
Abfertigungsgebäude transportiert.
1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet,
entsprechen Ortszeit
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Angaben zu Personen
Flugbesatzung
Der 33 Jahre alte verantwortliche Luftfahrzeugführer war im Besitz der Lizenz für
Verkehrspiloten (ATPL(A)) mit der entsprechenden Klassen- und Musterberechti-
gung, ausgestellt durch die schweizerische Luftfahrtbehörde. Er verfügte über ein
flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1.
Er hatte eine Gesamtflugerfahrung von 5 580 Stunden mit 3 010 Landungen, davon
entfielen 4 387 Stunden mit 1 900 Landungen auf Fokker 100.
Die Copilotin im Alter von 37 Jahren war im Besitz der Lizenz für Verkehrspiloten
(ATPL(A)) mit der entsprechenden Klassen- und Musterberechtigung, ausgestellt
durch die schweizerische Luftfahrtbehörde. Sie verfügte über ein flugmedizinisches
Tauglichkeitszeugnis Klasse 1.
Ihre Gesamtflugerfahrung betrug 2 970 Stunden mit 2 300 Landungen, davon hatte
sie 2 570 Stunden mit 1 300 Landungen auf Fokker 100 geflogen.
Enteisungspersonal
Der Enteiser im Fahrzeugkorb war für seine Tätigkeit entsprechend den For-
derungen, siehe Kapitel „Organisationen und deren Verfahren“, geschult und
eingewiesen. Er war, nach eigenen Angaben, ausgebildeter
Verkehrsluftfahrzeugführer und nutzte die Tätigkeit als Zeitüberbrückung bis zu
seiner nächsten Anstellung.
Angaben zum Luftfahrzeug
Bei der Fokker F28 Mk0100 (Fokker 100) handelt es sich um ein zweistrahliges
Verkehrsflugzeug für Kurz- und Mittelstrecken in Ganzmetallbauweise. Die
Triebwerke des Herstellers Rolls Royce, Muster Tay 650-15 waren hinter den
Tragflächen links und rechts am Rumpf angebracht. Das Flugzeug hatte eine
maximale Abflugmasse von 45 810 kg.
Die APU war im Heckkonus quer hinter dem hinteren Druckschott eingebaut.
Das Flugzeug mit der Seriennummer 11459 wurde im Jahr 1993 gefertigt und hatte
zum Zeitpunkt des Unfalles 51 879 Flugstunden mit 37 191 Landungen absolviert.
Das Flugzeug war in der Schweiz zum Verkehr zugelassen und wurde von einem
schweizerischen Luftfahrtunternehmen betrieben.
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Meteorologische Informationen
Beim Eintreffen der Mitarbeiter der BFU herrschten auf dem Vorfeld Temperaturen
zwischen null und minus einem Grad Celsius und es schneite leicht. Nach Angaben
der Verkehrsleitung waren die Wetterbedingungen zum Zeitpunkt des Unfalles
ähnlich.
Funkverkehr
Der Funkverkehr zwischen der Cockpitbesatzung und dem Enteisungsfahrzeug
wurde vom Cockpit Voice Recorder (CVR) aufgezeichnet und stand der BFU zur
Auswertung zur Verfügung.
Angaben zum Flugplatz
Der internationale Verkehrsflughafen Nürnberg verfügt über eine 2 700 Meter lange
und 45 Meter breite Start- und Landebahn. Die Ausrichtung der Bahn ist 099°/279°.
Das Vorfeld befindet sich nördlich des Abfertigungsgebäudes.
Flugdatenaufzeichnung
Der Flugdatenschreiber (FDR) und der CVR standen der BFU zur Auswertung zur
Verfügung. Die Daten wurden nicht für die Untersuchung des Unfallherganges
herangezogen.
Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Das Flugzeug war auf Position 30 des Vorfeldes abgestellt. Unter dem Heck des
Flugzeuges lagen Bruchstücke und metallische Kleinteile, die der APU und ihrem
Umfeld zuzuordnen waren. Die Wartungsklappe, die den Zugang zur APU ermög-
licht, war durchschlagen und stand offen (Anlagen Abb. 1).
Das Gehäuse der APU war aufgerissen und der Blick ins Innere war frei (Abb. 2).
Das Turbinenrad war stark beschädigt und das Kompressorrad war zersprungen.
Abbildung 3 zeigt den Bereich auf der rechten Seite des Rumpfhecks, wo zum einen
die Luft für die APU angesaugt wird und zum anderen an welcher Stelle das
Abgasrohr der APU aus dem Rumpf herausgeführt wurde.
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Der Bereich um den Lufteinlass war nicht gekennzeichnet. Den Umriss der
geschlossenen Lufteinlassklappe säumten Schmauchspuren. Der Bereich um den
Auslass des Abgasrohres hob sich durch das verwendete wärmebeständige Blech
deutlich von der weißen Rumpfoberfläche ab. Zusätzlich war der Bereich rechts
oberhalb des Abgasaustritts mit den Worten „FIRE ACCESS“ gekennzeichnet.
An der Rückwand der Kabine, die gleichzeitig das Druckschott war, befanden sich
die beiden hinteren Flugbegleitersitze (Abb. 4). In einem Fach darunter waren
Behälter mit Rauchschutzmasken für die Flugbegleiter verstaut. Der Bereich
unterhalb des rechten Flugbegleitersitzes wurde von einem Bruchstück des
Kompressorrades durchschlagen (Abb. 5). Das entstandene Loch im Druckschott
hatte etwa einen Durchmesser von 100 Millimeter. Das Bruchstück selbst hatte sich
in den Boden des Faches eingeschmolzen. Die Rückwand des Maskenbehälters war
gerissen.
Brand
Nach dem Kollabieren der APU gab es eine Stichflamme, die aus der unteren War-
tungsluke am Heck des Flugzeuges austrat. In der Folge entstand kein Brand.
Organisationen und deren Verfahren
Den Enteisungsdienst für den Verkehrsflughafen Nürnberg hatte der technische
Betrieb eines Luftfahrtunternehmens übernommen. Das Personal, das die
Enteisungen durchführte, war bei diesem Unternehmen beschäftigt und wurde vor
jeder Wintersaison geschult. Die Schulung des Enteisungspersonals für die
Wintersaison 2014/2015 wurde entsprechend den Richtlinien der Association of
European Airlines (AEA), AEA Recommendation for De-/Anti-Icing 29th Edition July
2014 und AEA Training Recommendation 11th Edition August 2014 durchgeführt.
Die AEA war ein Zusammenschluss als Interessenverband von europäischen
Fluggesellschaften. Sie war keine behördliche Einrichtung.
Die Enteiser müssen u.a. gesundheitlich tauglich sein, eine gültige Fahrerlaubnis
besitzen und Englischkenntnisse nachweisen.
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Zusätzliche Informationen
Enteisungsvorgang
Während des Enteisens tritt das Enteisungsmittel mit einer Temperatur von bis zu
70°C aus dem Strahlrohr aus. Da die Außentemperaturen und die Temperatur der
Flugzeugteile, auf die das Mittel trifft, deutlich niedriger sind, bildet sich Nebel. Dieser
Nebel beeinträchtigt die Sicht des Enteisers (Abb. 6).
Dokumente des Flugzeugherstellers
Im Aircraft Operating Manual (AOM), Abschnitt 7.11.01 und im Aircraft Maintenance
Manual (AMM) TASK 12-31-00-660-833-A hatte der Hersteller für das
Flugzeugmuster Fokker 100 Verfahren und Hinweise für das Enteisen festgelegt.
Diese waren beim Enteisen zu beachten und anzuwenden.
Ereignisse in der Vergangenheit
Bereits in der Vergangenheit gab es vergleichbare Ereignisse mit diesem
Flugzeugmuster, bei denen die APU durch das Ansaugen von Enteisungsflüssigkeit
zerplatzte. Im Factual Report (NTSB ID-No.: FTW02IA088) von der Fachgruppe
Triebwerke der amerikanischen Untersuchungsbehörde (NTSB) (Anlage 1) ist die
Untersuchung des Vorfalles ausführlich beschrieben. Die Untersuchung führte in
ihrer Folge zu einer Sicherheitsempfehlung (Anlage 2), die in der
Lufttüchtigkeitsanweisung AD 2002-07-03 (Anlage 3) durch die Zulassungsbehörde
der USA (FAA) umgesetzt wurde. In dieser Lufttüchtigkeitsanweisung wird gefordert,
dass die APU während eines Enteisungsvorganges nicht betrieben wird. Diese
Forderung wurde im amerikanischen Flughandbuch umgesetzt.
Der Flugzeughersteller seinerseits hat aufgrund der Ereignisse mit den zerplatzten
APUs den Service Letter 220 (Anlage 4) an die Flugzeugeigner herausgegeben.
Darin wird der Sachverhalt aus dem Untersuchungsbericht des NTSB aufgegriffen
und beschrieben, welche Nachteile beim Betrieb des Flugzeugs entstehen können,
wenn die APU während des Enteisungsvorganges abgeschaltet wird. Der Hersteller
empfiehlt in seinem Service Letter, dass die Fluggesellschaften darauf achten
sollten, dass nur qualifiziertes Personal die Enteisung vornimmt. Eine
Zusammenfassung findet sich im Airworthiness Recommendations Catalogue (item
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12-31-4) (Anlage 5), herausgegeben im Februar 2015 aus Anlass des Vorfalles in
Nürnberg.
Zu den Ergebnissen und den Maßnahmen gab es im Jahr 2005 eine Besprechung
zwischen dem Flugzeughersteller, der Europäischen Agentur für Flugsicherheit
(EASA) und der niederländischen Luftfahrtbehörde (CAA-NL). Ergebnis dieser
Besprechung war, keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen.
Aufgrund des Ereignisses in Nürnberg trafen sich die oben genannten Parteien
erneut zu einer Besprechung. Dabei wurde eine aktuelle Sicherheitsanalyse zu dem
Ereignis vorgenommen. Im Schluss kam man zu der Auffassung, dass eine
Markierung des Ansaugbereiches einen geringen Aufwand in der Umsetzung
bedeutet und die Aufmerksamkeit des Enteisungspersonals erhöhen würde.
Bisherige Maßnahmen der EASA
Hervorgerufen durch einige Sicherheitsempfehlungen zum Thema Flugzeug-
Enteisung, unter anderem die Empfehlung BFU 09/2006, hat die EASA einige
Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit bei der Enteisung am Boden ergriffen,
obwohl sie nach EU Richtlinie Nr. 216/2008 („zur Festlegung gemeinsamer
Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur
für Flugsicherheit“) keine direkte Aufsichtsführung über Bodenbetriebsdienste hat.
Dazu hatte die EASA eine Studie in Auftragt gegeben, in der die Regularien für die
Enteisung am Boden in den Mitgliedsstaaten betrachtet wurden. Der Bericht wurde
im Jahr 2011 veröffentlicht (EASA.2009/4 Regulation of ground de-icing and anti-
icing services in the EASA Member States). Als Folge organisierte die EASA im Jahr
2012 einen Bodenenteisungs-Workshop. Des Weiteren führte die EASA eine
Sicherheitskonferenz zu Belangen der Enteisung (Vereisungsbedingungen am
Boden und im Flug) durch. Sie fand vom 15. bis 16. Oktober 2013 in Köln statt und
sollte das Bewusstsein aller Beteiligten schärfen. Die Dokumente zu der genannten
Studie sowie Informationen zum Workshop und der Konferenz sind auf der EASA-
Webseite veröffentlicht.
Im Zuge der Grundsatzinitiative der Europäischen Kommission zur Sicherheit in der
Luftfahrt und einer möglichen Revision der Richtlinie Nr. 216/2008 hat die EASA ihre
Auffassung, Opinion No 01/2015, verfasst. Darin schlägt die EASA eine Aufnahme
der Bodendienste in die EU Richtlinie Nr. 216/2008 vor. Dieser Vorschlag wird
derzeit in den Entscheidungsgremien der Europäischen Union diskutiert.
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Dokumente der ICAO
Die ICAO beschreibt in ihrem „Manual of Aircraft Ground and De-Icing/Anti-Icing
Operations“ (Doc 9640-AN/940) die Verfahren und Verantwortlichkeiten bei der
Enteisung von Flugzeugen.
Beurteilung
Durch das Ansaugen der Enteisungsflüssigkeit über den Lufteinlass der APU begann
die Turbine die Drehzahl zu erhöhen. Als die Schwellendrehzahl erreicht war, löste
die automatische Abschaltung der APU, bei der die Kraftstoffzufuhr abgeschaltet
wird, aus. Da aber die Verbrennung des Enteisungsmittels für das Hochdrehen
verantwortlich war zeigte das Unterbrechen der Kraftstoffzufuhr keine Wirkung. Die
Drehzahl nahm weiter zu, bis die APU zerplatzte.
In der Folge durchschlug ein Bruchstück des Kompressorrads das rückwärtige
Druckschott im Bereich unter den Flugbegleitersitzen. Das heiße Bruchstück
schmorte sich in den Behälter der Rauchschutzmasken. Dabei entstand Rauch im
hinteren Teil der Kabine, der die Kabinenbesatzung und die Passagiere veranlasste,
in den vorderen Teil des Flugzeugs auszuweichen. Bei einer vorhergehenden
ähnlichen Störung wurde annähernd der gleiche Bereich des Druckschotts
durchschlagen. Daher ist es aus Sicht der BFU nicht auszuschließen, dass im Fall
eines Zerplatzens der APU aus anderer Ursache, auch wieder dieser Bereich des
Druckschotts durchschlagen würde.
Der Bereich, in dem sich der Lufteinlass der APU befindet, in Flugrichtung rechts
neben dem Übergang von der Seitenleitwerkflosse zum Rumpf, birgt leicht die
Gefahr, dass Enteisungsflüssigkeit in die geöffnete Lufteinlassklappe beim Betrieb
der APU gelangt. Weiter wird die Arbeit des Enteisers dahin gehend erschwert, dass
das austretende Enteisungsmittel durch den Temperaturunterschied einen starken
Nebel bildet, der seine Sicht einschränkt. Hinzu kommt, dass der Bereich um den
Lufteinlass der APU nicht, wie z.B. um die Einlässe des statischen Drucks herum,
gekennzeichnet ist. Eine Sicherheitsempfehlung des NTSB aufgrund eines früheren
Falls, in der das Abschalten der APU beim Enteisen des Flugzeuges gefordert
wurde, wurde in Europa nicht umgesetzt. Der Grund dafür war, dass die Nachteile,
die der Hersteller umfassend beschrieb, überwogen. Dennoch zeigte der vorliegende
Fall, dass der Bereich um den Lufteinlass zumindest eindeutig gekennzeichnet und
auf die Gefahr hingewiesen werden sollte um die Aufmerksamkeit der Enteiser zu
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wecken. Beispiele dazu gibt es bei anderen Herstellern, bei denen sich die
Lufteinlasssituation der APU vergleichbar darstellt.
Die Anforderungen an das Enteisen selbst und die daraus abgeleiteten Forderungen
an das Personal und seine Ausbildung durch die AEA sind sehr umfangreich und
aktuell. Die Grundlagen und Anforderung hat das Enteisungsunternehmen bei der
Personalgewinnung und deren Ausbildung entsprechend umgesetzt. In der
Ausbildung werden bestimmte neuralgische Punkte des Flugzeugs, wie z.B.
Lufteinlässe, Spalten, Hohlräume, in Theorie und Praxis angesprochen und gezeigt.
Auch hier ist die BFU der Meinung, dass eine entsprechende Kennzeichnung dieser
Bereiche die Arbeit der Enteiser erleichtern und somit zur Sicherheit beitragen
würde. Zumal im vorliegenden Fall der Enteiser im Fahrzeugkorb über eine
Ausbildung zum Verkehrsluftfahrzeugführer verfügte und ihm bewusst war, die
Enteisungsflüssigkeit nicht in Lufteinlässe der APU gelangen zu lassen. In der
Situation war es ihm aufgrund einer fehlenden Markierung aber schwer möglich,
diesen Bereich eindeutig zu erkennen.
Anzumerken ist, dass die AEA keine behördliche Einrichtung war und sich die
Hinweise zur Enteisung, die der Hersteller in seinen Flugzeugdokumenten
veröffentlichte, nicht voll umfänglich in den Unterlagen der AEA wiederfanden. Ein
Verfahren, bei dem der Flugzeughersteller bei der Erstellung der Dokumente
mitwirkt, war nicht festgelegt.
Die EASA hat, auch wenn sie aufgrund der Vorschriftenlage nicht verantwortlich war,
in der Vergangenheit Untersuchungen und Maßnahmen zum Thema Flugzeug-
Enteisung durchgeführt. Dieses Vorgehen, sicherlich auch angeregt durch
vorangegangene Sicherheitsempfehlungen, stellt aus Sicht der BFU einen aktiven
Beitrag zur Sicherheit in der Luftfahrt dar. Es wäre wünschenswert, diese
Maßnahmen seitens der EASA weiter zu führen und auszubauen. Die Flugzeug-
Enteisung ist nach Ansicht der BFU für die Sicherheit des einzelnen Flugzeugs und
der gesamten Luftfahrt unerlässlich. Daher sollte die Enteisung, vergleichbar der
Wartung von Flugzeugen, in einen behördlichen Rahmen gestellt werden.
Derzeit stellt sich die Situation der Enteisung von Flugzeugen wie folgt dar: Der
Flugzeugentwickler legt in seiner Dokumentation zum Flugzeug (Flight Manual (FM),
Flight Operations Manual (FOM), Aircraft Maintenance Manual (AMM), usw.)
Verfahren zum Enteisen des jeweiligen Flugzeugmusters fest. Diese Dokumente
bzw. Verfahren werden im Zuge der Musterzulassung durch die Zulassungsbehörde
(EASA) zugelassen. Diese Handbücher bilden die Grundlage für den
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Luftfahrzeugbetreiber das Flugzeug sicher zu operieren. Die Praxis zeigt aber, dass
nicht der Betreiber die Enteisung durchführt, sondern dass er das Enteisen seiner
Flugzeuge an die Bodendienste der jeweiligen Flughäfen delegiert. Die Bodendienste
wiederum entnehmen ihre Informationen zur Flugzeug-Enteisung nicht den
jeweiligen Handbüchern der Luftfahrzeuge sondern erhalten sie aus dem Regelwerk
eines Interessenverbandes, wie im vorliegenden Fall der AEA. Auf die Bodendienste
und das zu Grunde liegende Regelwerk hat die EASA bei der derzeit gültigen
EU Richtlinie Nr. 216/2008 keine direkte Aufsichtsführung.
Schlussfolgerungen
Das Zerplatzen der APU und die daraus resultierenden Folgeschäden waren auf das
Ansaugen und Verbrennen von Enteisungsflüssigkeit zurückzuführen. Zu dem Unfall
haben Sichteinschränkungen und eine unzureichende Kennzeichnung beigetragen.
Sicherheitsempfehlungen
Empfehlung Nr.: 01/2018
Der Flugzeughersteller sollte den Bereich um den Lufteinlass der APU am
Luftfahrzeugmuster Fokker F28 Mk0100 (Fokker 100) eindeutig kennzeichnen.
Empfehlung Nr.: 02/2018
Die Europäische Agentur für Luftsicherheit (EASA) sollte die bisher zur Flugzeug-
Enteisung durchgeführten Aktivitäten beibehalten und intensivieren. Darüber hinaus
sollte sie, aufgrund des starken Einflusses der Flugzeug-Enteisung auf die Sicherheit
in der Luftfahrt, in Erwägung ziehen, diesen Bereich, vergleichbar der Wartung von
Flugzeugen, unter behördliche Aufsicht zu stellen.
Empfehlung Nr.: 03/2018
Die Europäische Kommission sollte zur Verbesserung der Sicherheit in der Luftfahrt
einen Rechtsrahmen schaffen, in dem die Bodendienste einschließlich der Enteisung
von Flugzeugen einer behördlichen Zulassung und Überwachung durch die
European Aviation Safety Agency (EASA) unterliegen.
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Untersuchungsführer: Nehmsch
Untersuchung vor Ort: Nehmsch, Röstel, Juckl
Mitwirkung: Ritschel
Braunschweig den, 31.01.2018
Anlagen
Abb.1: Aufgesprungene Wartungsluke mit Durchschlag Foto: BFU
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Abb. 2: Zerstörte Hilfsturbine (APU) Foto: BFU
Abb. 3: Flugzeugheck mit APU-Lufteinlass (rechts oben) und Abgasrohr (Bildmitte) Foto: BFU
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Abb. 4: Hintere Flugbegleitersitze entgegen der Flugrichtung aufgenommen Foto: BFU
Abb. 5: Durchschlagenes Druckschott unterhalb des rechten hinteren Flugbegleitersitzes Bruchstück des Verdichterrades im Staufachboden Foto: BFU
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Abb. 6: Nebelbildung beim Enteisen Foto: Enteisungsunternehmen
Anlage 1
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Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)
Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.
Oktober 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und
Störungen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von
Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-
Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.
Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger
Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des
Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.
Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str. 16 38108 Braunschweig Telefon 0 531 35 48 - 0 Telefax 0 531 35 48 - 246 Mail [email protected] Internet www.bfu-web.de