Über die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersblödsinn

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(Aus der deutschen Psychiatrischen Universitatsklinik Prag.) Uber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbliidsinn. (Eine vergleichende klinische Untersuehung.) Von Dr. Robert Klein, Assistent der Ktinik. Mit 8 Textabbildungen. (Eingegangen am 6. Dezember 1929.) Eine Vergleichsuntersuchung zweier verschiedener Krankheits- gruppen, wie es hier an der progressiven Paralyse und seniler Demenz versucht wird, ist vor allem dadurch erschwert, dab wit es bei beiden Erkrankungen mit fortschreitenden Prozessen zu tun haben; dadurch wird eine Beurteilung nach allgemeingiiltigen Besonderheiten und Unterschieden sehr erschwert. Denn beginnende Defektzusti~nde und Endzust~nde beider dieser Erkrankungen lassen eine ganze Reihe yon l~bergangsbildern zwischen sich und es wird nicht leicht sein, das eine Zustandsbild der einen Gruppe zu dem entsprechenden anderen der zweiten Gruppe in Parallele zu bringen. Eine weitere Sehwierigkeit besteht darin, dab man die Entwicklung und Verlauf der Erkrankung an dem einzelnen Fall bis zu dem natfirlichen Endausgang, das heiBt jenem, den die zu beobachtende Erkrankung herbeiffihren wiirde, meist nicht wird verfolgen k6nnen; das gilt besonders fiir die senile Demenz. Denn es kommen nicht nut bei dieser Erkrankung die Patienten in ganz verschiedenen Stadien ihrer Krankheit zur Beobaehtung, sondern es bringt auch das hohe Alter der Kranken mit sich, dab sie h~ufig schon kurze Zeit nach Beginn der Beobachtung, vieUeicht auch in einem friiheren Stadium des Gehirnprozesses, zugrunde gehen. Mit anderen Worten ausgedrtickt heiBt das, dab wir zumeist darauf angewiesen sind, aus einer Anzahl yon Querschnitten unsere Folgerungen zu ziehen; wir mfissen versuchen, erst aus diesen einen L~ngsschnitt der Erkran- kung zu konstruieren. Dies laBt den Einwand zu, dab es sich bei den verschiedenen Querschnitten, die wir verwerten, nicht nur um ver- schiedene Verlaufsarten, sondern auch um verschiedene Krankheits- gruppen handeln k6nnte. Diesbeziiglich ware bei seniler Demenz die Picksche Atrophie und die Alzheimersche Erkrankung in Erw~gung Z. f, d. ges, Neut. u. Psych. 124. 17

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(Aus der deutschen Psychiatrischen Universitatsklinik Prag.)

Uber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbliidsinn.

(Eine vergleichende klinische Untersuehung.) V o n

Dr. Robert Klein, Assistent der Ktinik.

Mit 8 Textabbildungen.

(Eingegangen am 6. Dezember 1929.)

Eine Vergleichsuntersuchung zweier verschiedener Krankheits- gruppen, wie es hier an der progressiven Paralyse und seniler Demenz versucht wird, ist vor allem dadurch erschwert, dab wit es bei beiden Erkrankungen mit fortschreitenden Prozessen zu tun haben; dadurch wird eine Beurteilung nach allgemeingiiltigen Besonderheiten und Unterschieden sehr erschwert. Denn beginnende Defektzusti~nde und Endzust~nde beider dieser Erkrankungen lassen eine ganze Reihe yon l~bergangsbildern zwischen sich und es wird nicht leicht sein, das eine Zustandsbild der einen Gruppe zu dem entsprechenden anderen der zweiten Gruppe in Parallele zu bringen. Eine weitere Sehwierigkeit besteht darin, dab man die Entwicklung und Verlauf der Erkrankung an dem einzelnen Fall bis zu dem natfirlichen Endausgang, das heiBt jenem, den die zu beobachtende Erkrankung herbeiffihren wiirde, meist nicht wird verfolgen k6nnen; das gilt besonders fiir die senile Demenz. Denn es kommen nicht nut bei dieser Erkrankung die Patienten in ganz verschiedenen Stadien ihrer Krankheit zur Beobaehtung, sondern es bringt auch das hohe Alter der Kranken mit sich, dab sie h~ufig schon kurze Zeit nach Beginn der Beobachtung, vieUeicht auch in einem friiheren Stadium des Gehirnprozesses, zugrunde gehen. Mit anderen Worten ausgedrtickt heiBt das, dab wir zumeist darauf angewiesen sind, aus einer Anzahl yon Querschnitten unsere Folgerungen zu ziehen; wir mfissen versuchen, erst aus diesen einen L~ngsschnitt der Erkran- kung zu konstruieren. Dies laBt den Einwand zu, dab es sich bei den verschiedenen Querschnitten, die wir verwerten, nicht nur um ver- schiedene Verlaufsarten, sondern auch um verschiedene Krankheits- gruppen handeln k6nnte. Diesbeziiglich ware bei seniler Demenz die Picksche Atrophie und die Alzheimersche Erkrankung in Erw~gung

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zu ziehen. Auf diese Frage sou sparer noch eingegangen werden. Ffir das hier verwendete Material haben wit keinen genfigenden Grund, auch nur einen der F~lle yon der senilen (presbyophrenen) Demenz ab- zutre~men. Im fibrigen lautet unsere Fragestellung bei einer Reihe immer- hin nicht ganz gleichartiger Bilder, ob in dem intellektuellen Verfall, der allen gemeinsam ist, eine gewisse Systematik, eine bestimmte Richtung zu erkennen ist und wie sich diese zu dem Abbauprozesse bei der Para- lyse verh~lt.

Die Untersuchung ging darauf aus, die intellektuetle StSrung der beiden angeffihrten Erkrankungen miteinander zu vergleichen; dem lag die Frage zugrunde, ob sich irgendwelche Verschiedenheiten in der Art und im Verlaufe des Abbauprozesses bei einer Vergleichsuntersuchung ergeben. Der Intelligenzbegriff stellt nun nichts Einheitliches dar. Es ist sicherlieh eine unbefriedigende und unzureichende Charakteristik, wenn wir yon einer IntelligenzstSrung im Sinne einer Demenz im all- gemeinen sprechen. Dies gilt besonders auch ffir die beiden hier heraus- gehobenen Gruppen psychischer Erkrankung. Sie werden beide neben- einandergestellt als Vertreter des allm~hlichen Abbaues intellektueller Funktionen; hier soll nur der Versueh gemacht werden, die Art dieses Abbaues zu pr~zisieren. Unter Intelligenz versteht man eine Summe vieler Einzelf~higkeiten. Jaspers definiert sie als das Ganze aller Be- gabungen, aller Talente und Werkzeuge, die zu irgendwelchen Leistun- gen fiir die Anpassung an die Ldbenssufgaben brauchbar sind. So werden wit uns nicht damit begnfigen, den Intelligenzdefekt nach dem Gesamtverhalten oder mit betonter Berticksichtigung der sogenannten Intelligenzprfifung zu beurteilen. Es wird notwendig sein, die Demenz ,,zu zerlegen", ein Versuch, der yon A. Pick zuerst gemacht wurde. Die Untersuchungen dieses Autors und anderer nach ihm galten abet mehr bestimmten Bildern der senilen Erkrankung und da auch wieder nur einzelnen und besonderen hirnpathologischen Erscheinungen. Wir stellen uns die Aufgabe, die F~higkeiten einzeln und gesondert bei beiden Krankheitsgruppen herauszuheben und mitein~nder zu ver- gleiehen. Erst aus der Summe dieser Erfahrungen Wo]len wir uns ein Urteil bilden fiber die Art der intellektuellen StSrungen bei der Paralyse einerseits, bei der senilen Demenz andererseits.

Im folgenden werden in ganz kurzen Ausziigen die Krankengeschich- ten des untersuehten Materials wiedergegeben; sie sollen haupts~chlich eine allgemeine Beurteilung der verwendeten F~lle gestatten.

a) Senile.

Adolf K., 74 Jahre alt, Beamter. Krankheitsdauer ungef~hr 3 Wochen. Pa- tient wurde eingebracht wegen Desorientierung, Ged~chtnisstSrung und leichter deliranter Unruhe in der ~acht. An der Klinik ruhig. R~umlich und zeitlich des-

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orientiert. Leichte amnestisch-aphasische StOrungen, sonst Sprache intakt. Lesen leicht gestSrt, Schreiben etwas paragraphisch, Zeichnen hochgradig gest~rt. An- gedeuteter Korsakow. Allgemeine Kenntnisse mangelhaft.

Wenzel Tseh., 73 Jahre alt, Lokomotivfiihrer. Erkrankte 4 Woehen vor der Einlieferung mit nachtlicher Unruhe, Vergel31ichkeit, Desorientierung. An der Klinik ruhig. Zeitlich und 5rtlich vollkommen desorientiert, Lesen und Schreiben hoehgradig gestSrt. Beim Zeichnen versagt Patient fast vollst/indig. Neben st~rkerer Amnesie StSrungen der Sprache in der Art des sinnlosen Herumredens. Irgendwelche Kenntnisse von friiher Erworbenem kSnnen beim Patienten nicht zum Ausdruck gebracht werden. Neurologisch o. B.

Karl Tr., 75 Jahre alt, Arbeiter. Patient wurde eingebracht wegen Desorien- tierung und Ged~chtnisstSrung. An der Klinik verh~lt sich Patient ruhig. Er ist zeitlich und 5rtlich desorientiert. Geringe amnestische StSrungen, sonst Spraehe intakt. Lesen intakt, Schreiben etwas paragraphisch, freies Zeichnen hochgradig gestSrt. Die Schulkenntnisse sind stark reduziert. Neurologisch o. B.

Albert Pl., 80 Jahre alt, Sattler. Patient wurde eingebracht wegen groBer Reizbarkeit und aggressiven Benehmens gegen seine Umgebung. Krankheitsdauer vor seiner Einlieferung etwa 6 Monate. Ortlich desorientiert, zeitlich mangelhaft orientiert. Verhalten ruhig. Schulkenntnisse sehr mangelhaft. Geringe amnestische StOrungen der Sprache, sonst Spraehe intakt. Lesen ohne St5rung, beim Schreiben nur geringe Paragraphie, Zeichnen sehr stark gest~rt. Zwangsweinen. Im neuro- logischen Befund bestehen linksseitig erhShte Reflexe (vor 3 Jahren hatte Patient angeblieh einen Schlaganfall mit Parese der linken Extremitat durchgemaeht). Obwohl eine Atherosklerose der Hirngef~Be mit im Spiele ist, wurde dieser Pall mit zur Untersuchung vCrwendet, da der Sektionsbefund des Falles neben einer allgemeinen Atherosklerose der Gehirngef/~Be, einer alten Erweichung in der reehten Capsula interna, eine allgemeine Atrophie des Gehirns zeigte; zudem lag die Apoplexie verhKltnism~13ig lange zuriick und betraf die Bahnen der rechten Hemisphere bei einem Rechtsh/~nder.

Josef R., 67 Jahre alt, Landwirt. Der Patient wurde vor 11/2 Jahren an einem Ca. linguae operiert. Seither regelm/~Bige RSntgenbestrahlungen. Krankheits- beginn knapp vor der Einlieferung, die im AnsehluB an eine Bestrahlung wegen zeitlicher und 5rtlicher Desorientierung, Konfabulationen und leichter deliranter Unruhe erfolgte. An der Klinik ist Patient ruhig. Leiehter Korsakow, zeitliche und 5rtliche Desorienterung. Leichte amnestisehe Aphasie, sonst Spraehe intakt. Lesen ungestSrt, sehreibt nur seinen Namen. Zeichnen hochgradig gestOrt. Schul- kenntnisse stark reduziert. Neurologisch o. B.

Vinzenz H., 73 Jahre alt, von Beruf Maurer. Krankheitsdauer etwa 2 Wochen, eingeliefert wegen n~chtlicher Unruhe, Desorientierung, Ged/~chtnisschwiiehe. An der Klinik ist Patient delirant, konfabuliert lebhaft. Zeitlich und 5rtlich voll- kommen desorientiert. Starke amnestische StSrung, sonst Sprache intakt. Lesen ungestSrt, Schreiben fehlerhaft, Zeichnen sehr stark gestSrt. Hochgradige Reduk- tion der allgemeinen Kenntnisse. Neurologisch o. B.

Franz, V., 86 Jahre alt, Krankheitsbeginn etwa 14 Tage vor der Einlieferung. Patient wurde an die Klinik gebracht wegen paranoider Wahnideen, hSrte Stimmen, glaubte bestohlen zu werden. W/~hrend des klinischen Aufenthaltes ruhig, ab und zu akustisehe und optische Halluzinationen, sieht Teufelchen. Zeitlich und 5rtlich desorientiert. Allgemeine Kenntnisse mangelhaft. Geringe amnestische StSrungen, sonst Sprache intakt. Lesen und Schreiben fehlerlos, Zeichnen hochgradig gest5rt. Neurologisch o. B.

Wilhelm T., 69 Jahre alt, Buchh/~ndler. Krankheitsbeginn etwa 11/2 Jahre vor der Einlieferung mit Erregungszust~nden, sp/~ter fiel eine StSrung des Ge-

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d~chtnisses und eine Desorientierung auf, er erkannte seine niichsten Angeh6rigen nicht mehr, spraeh seine Tochter als jungen Mann an. An der Klinik ist Patient im allgemeinen ruhig, nur zeitweise etwas gereizt. In der Sprache st~rkere Amnesie und sinnloses Herumreden mit gelegentlichen Paraphasien. Sp~ter traten St6- rungen des Spraehverst~ndnisses hinzu. Das Lesen war anfangs intakt, spi~ter fehlerhaft. Schreiben anf~nglich leicht, spater schwer gest6rt, hochgradige St6rung des Zeichnens. Zeitlich und 5rtlieh ist Patient vollkommen desorientiert. Die Priifung auf allgemeine Kenntnisse, soweit sie die Sprachst6rung beurteilen l~Bt, zeigt eine hochgradige Reduktion. Neurologisch o. B.

Karl Sch., 84 Jahre alt, Arbeiter. Eingebracht wegen paranoider Ideen. An der Kliniik ist Patient ruhig, ri~umlich und zeitlich desorientiert. Spontan- sprache fehlerlos, geringe Amnesie beim Bezeichnen, Lesen fehlerhaft, Sehreiben und Zeichnen sehwer gest6rt. Schulkenntnisse sehr mangelhaft. Neurologiseh o. B.

Wilhelmine M., 74 Jahre alt. Patientin wurde wegen Unruhe eingeliefert. An der Klinik best~ndig etwas unruhig, dr~ngt fort, zeitweise gereizte Stimmung. Sehwere amnestische St6rung, in der Spontanspraehe sinnloses Herumreden mit gelegentlichen Paraphysien, die sich spi~ter verst~rken. Sprachverstiindnis zu Beginn der Beobaehtung gut, sparer gest6rt. Lesen anfangs erhalten, sparer fehlerhaft, Sehreiben und Zeichnen yon Anfang an schwer gest6rt. Zeitlich und 5rtlieh ist Patientin vollkommen desorientiert. Die Schulkenntnisse sind stark reduziert.

b) Paralytiker. Hermann Sch., 38 Jahre alt, Angestellter. Dauer der Erkrankung vor der

Einlieferung etwa 3/4 Jahr, wegen Vergel~lichkeit und leicht manischem Zustand eingebraeht. An der Klinik ruhig, stumpf. Dysarthritische SprachstSrung. Zeit- liche Orientierung etwas mangelhaft, Schulkenntnisse stark reduziert.

Johann St., 51 Jahre alt, Gesch~ftsmann. Wegen Erregung eingeliefert. An der Klinik leicht manisch. Zeitlich und 6rtlich gut orientiert, Dysarthrie. Allgemeine Kenntnisse etwas herabgesetzt.

Erich B., 34 Jahre alt, Reisender. Beginn etwa 2 Jahre vor der Einlieferung. Wegen VergeBlichkeit eingebracht. An der Klinik ist Patient ruhig, stumpf. All- gemeine Kenntnisse reduziert, zeitliche Orientierung etwas mangelhaft. Hoch- gradige dysarthritische Sprachst6rung.

Johann Sch., 43 Jahre alt, Reisender. Beginn etwa 2 Jahre vor der Einliefe- rung mit epileptiformen Anf~llen. An der Klinik etwas stumpf, zeitlich gut orien- tiert, allgemeine Kenntnisse mangelhaft. Keine lokalen Ausfallserscheinungen.

Wenzel D., 29 Jahre alt, Arbeiter. Krankheitsbeginn 2 Monate vor der Ein- lieferung mit Gr(iBenideen. An der Klinik ruhig, leieht euphorisch. Zeitliche Orien- tierung gut, allgemeine Kenntnisse stark reduziert.

Johann N., 58 Jahre alt, Arbeiter. Krankheitsbeginn vor 4 Jahren. An der Klinik dement euphoriseh. 0rientierung gut, Spraehe ungest6rt. Allgemeine Kenntnisse in starkem MaBe herabgesetzt.

Gottlieb P., 39 Jahre alt, Arbeiter. Wegen Erregung eingeliefert. An der Klinik euphorisch. Gute Orientierung, allgemeine Kenntnisse mangelhaft.

Adolf Sch., 40 Jahre alt, Pharmazeut. Beginn der Krankheit vor 3 Jahren mit Gr6Benideen. An der Klinik li~ppisch-euphorisches Verhalten. St~rkere Re- duktion der allgemeinen Kenntnisse. Sprache ungest6rt, etwas mangelhafte zeit- liche Orientierung.

Karl Sch., 35 Jahre alt, Arbeiter. Krankheitsbeginn 2 Jahre vor der Ein- lieferung wegen VergeBlichkeit. An der Klinik stumpf. Zeitliche Orientierung mangelhaft. Hochgradige Defekte in den allgemeinen Kenntnissen. Sprache dysarthritisch.

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0rientierung. a) lm Raume.

Wihrend sich der Paralytiker (yon einigen Ausnahmen abgesehen) bis in ein sehr vorgeschrittenes Stadium der Erkrankung 5rtlich recht gut orientiert, so finder man bei der senilen Demenz hiufig sehon im Beginn der Erkrankung erhebliche StSrungen. Es wird j a vielfach anamnestiseh yon den AngehSrigen gesehildert, wie der Patient sich nieht mehr zurechtzufinden vermag, nicht nur in den Straiten der Stadt, in der er jahrelang wohnt, umherirrt, nicht nach Hause findet, sondern auch hiufig in seiner eigenen Wohnung sich nicht mehr aus- kennt. An der Klinik beobaehtet man derartige Patienten, wie sie vergebens nach ihrem Zimmer, naeh ihrem Bette suchen, wie sie ratlos im Zimmer umherstehen und nicht imstande sind, wenn sie yon ihrem Zimmer in ein benachbartes gebracht werden, yon da aus sieh zu orientieren, die Ri6htung ihres Zimmers, in dem sie sich aufhalten, anzugeben. Dies alles sind allgemein bekannte Beobachtungen und linden aueh entsprechende Erwihnung. Derartig grobe StSrungen werden im allgemeinen bei der progressiven Paralyse nieht gefunden, selbst meist in jenen Fillen nicht, die knapp an der Grenze der Untersuchungsfihigkeit stehen, deren ,,Intelligenz" hochgradig reduziert ist. Wfirden wir aber zur Beurteilung der riumlichen Orientierung nut diese eine Untersuchung beriieksiehtigen, so wiirden wir damit eine Reihe anderer Faktoren miteinsehlieBen, deren StSrung eine solehe der Orientierung vortiu. schen kSnnte. So kSnnte eine StSrung des Gediehtnisses bzw. der Merkfihigkeit die OrientierungsstSrung verursachen, eine Annahme, die ja bei der Betonung des Gedichtnis- und Merkfihigkeitsdefektes bei der senilen Demenz nicht ganz unberechtigt zu sein scheint. Des weiteren kSnnte man sich vorstellen, da$, wie es ja auch in letzter Zeit hiufig fib die senile Demenz hervorgehoben wird, ein mangelhaftes Erkennen und Erfassen der Umgebung eine Ersehwerung der Orien- tierung im l~aume herbeifiihren wiirde. Nun ist es sehr schwierig, bei einer Untersuehung der Orientierung die angefiihrten Komponenten auszusehalten; schon deswegen, weil yon einem Raumsinn ohne gegen- stindliche Beziehung, Erfassung der Objekte nicht gut gesproehen werden kann. Es ware nun die Frage Zu stellen, ob nur diese beiden an- geffihrten Komponenten, die MerkfihigkeitsstSrung und das Erkennen der Gegenstinde, die Ursaehe der OrientierungsstSrung sind. Lil~t man die Patienten die Riehtung yon im Zimmer befindlichen Gegen- stinden bei offenen und geschlossenen Augen, bei Xnderung der Lage des KSrpers angeben, so findet man schon bei leichten Fallen yon seniler Demenz eine gewisse Unsieherheit, sie weehseln hiufig ihre Angaben, sie geben bald die eine bald die andere Richtung an, sind iul~erst

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unsehlfissig; noch grSBere Sehwierigkeiten machen kombinierte Rich- tungsbestimmungen, wie z . B . rechts vorne und links hinten usw. Ein anderer Ausdruck dieser Schwierigkeiten besteht darin, dab es den Patienten schwer I~llt und sie sofort unsieher werden, wenn sie z .B. mit der rechten Hand naeh links in den Raum greifen, um die Riehtung eines dort befindlichen Gegenstandes zu bestimmen. An diese Prfifungen wurde eine solche fiber die Orientierung am eigenen KSrper stets angeschlossen. Diese war in den meisten von uns unter- suchten F~llen im groben erhalten. Brachte man jedoch die Patienten in ungewohntere Lagen (Seiten-Bauchlage), so wurden sie sofort sehr unsieher und vermochten rechts und links am KSrper nicht mehr zu bestimmen, sie verhielten sich so hhnlich, wie es G. Jakob an einem Falle yon seniler Demenz beschrieben hat. Dazu steht die friihere Reaktion in gewisser Parallele; denn auch hier kommt es zur Unsieherheit, reehts und links des AuSenraumes kann nieht mehr sicher bestimmt werden, wenn die Bewegung sieh einigermal~en kompliziert (Greifen mit der rechten Hand nach links).

Es besteht wohl kein Zweifel, dab die mangelhafte r~umliche Orien- tierung der Senilen in ffir sic neuer Umgebung vielfaeh darin ihren Grund hat, dal~ sie orientierende Merkmale nieht aufnehmen - - was wohl zum Teile mit einem Mangel an differenzierender gnostischer F~higkeit zusammenh~ngt. Gewil~ tragen aber aueh die hier beschriebenen Fehl- reaktionen mit zur Desorientierung im Aul3enraum bei. Denn wir orientieren uns yon unserem K6rper aus.

Das Links-Rechts, Vorne-Rfickwgrtssystem des KSrpers ist eine der Grundlagen, eine elementare Erkenntnis, die, wenn wi res erlernen, sie auf die Aul~enwelt anzuwenden, die Orientierung im Auf~enraum wesentlich erleichtert. F/~llt sie weg, so kann das ffir die Orientierung nicht gleichgfiltig sein. Es scheint nun, dal~ bei der senilen Demenz die Anwendung der KSrperorientierung auf die Aul~enwelt Schwierigkeiten macht, daI~ sie nieht imstande sind, selbst wenn sie sieh am eigenen KSrper gut orientieren, dies auf den Aul3enraum zu fibertragen.

Die einfaehe Orientierung am eigenen KSrper ist bei der senilen Demenz, wenn aueh relativ gut, immerhin zSgernder und etwas un- sieherer als bei der progressiven Paralyse, die sich darin im allgemeinen nieht von Normalen unterseheidet. Bei der Prfifung mit den Headsehen Test (Hand-Auge-Ohrtest) zeigt sowohl die progressive Paralyse wie aueh die senile Demenz recht h~ufig Fehlreaktionen. Wenn auch der Sehlul3effekt bei beiden ein ~hnlicher ist, so zeigt der Vorgang der Lfsung doch gewisse Differenzen. W~hrend bei der progressiven Paralyse zumeist die Effassung der Aufgabe Schwierigkeiten machO, die Patienten sich h~ufig sichtlich gar nicht bemfihen, die Aufgabe zu 15sen, sondern eine beliebige zuf~llige Stellung der Testhand ohne Oberlegung bei-

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behalten, so liegt der Grund im Versagen bei der senilen Demenz viel- fach darin, dab die vorher erw~hnte Unsicherheit, das (~bertragen yon links und rechts auf das Phantom in den Vordergrund trit t .

b) In der Zeit.

Fiir die zeitliche Orientierung ist es ffir die senile Demenz eine bekannte Tatsache, dab sie im allgemeinen sehr mangelhaft zu sein pflegt. Hier muB man sich noeh vielmehr die Frage vorlegen, ob die Desorientierung eine Folge der GedachtnisstSrung ist oder mit einer solchen der Zeitauffassung zu tun hat. Fiir die praktische zeitliehe Orientierung ist es Voraussetzung, dab die Ereignisse in einem scharfen, bestimmten Naeheinander zur Verftigung stehen. Man kann sich sehr gut denken, dab man von verschiedenen Gesehehnissen weiB, ohne dab man sie zeitlich zu ordnen vermag. Es tr~gt jedes Ereignis einen zeitliehen Faktor an sieh, mit dam es an andere Ereignisse in einer be- stimmten Reihenfolge ankniipft. Wenn man auch im erkenntnistherore- tischen Sinne die Zeit nicht als eine Eigensehaft der Dinge, sondern als etwas durchaus Eigenartiges, von den Gesehehnissen AblSsbares ansehen will, eine Anschauung, die unter anderen im Sinne der Kantschen Vor- stellung a priori yon Kries vertreten wird, so ist es ffir die zeitliche Orientierung doch wesentlich, da$ sie an Eindriicken und Erlebnissen haftet.

Fiir den Normalen ist bei der zeitlichen Absch~tzung etwas welter zuriiekliegender Gesehehnisse das haupts~chlichst orientierende Hilfs- mittel, die an diese gekniipften Daten; wollen wir ein Ereignis, das uns im Zusammenhang als Einzelheit in einem Kontinuum yon Ereignissen nicht mehr so deutlich vorstellbar ist, fixieren, so versuchen wir es nach Jahr, Monat und evtl. Tag einzuordnen, um auf diesem Wege die abgelaufene Zeit zu bestimmen. Das ist vor allem der Vorgang bei solehen Gesehehnissen, die uns nicht mehr so deutlich und friseh vor- schweben bzw. die schon l~ngere Zeit zuriiekliegen. Im besonderen MaBe gilt das ffir solche Ereignisse, die wir nieht selbst erlebt haben, also Ereignisse historischer Natur, deren Zeitbestimmung wir ja nur nach eingelernten Daten vornehmen. Der Ausgangspunkt fiir die zeitliehe Bestimmung vergangener Erlebnisse bleibt dabei immer die Gegenwart. Es ist klar, dai~ bei einem solchen Vorgang, die zeitliche Einordnung friiherer Erlebnisse bei der senilen Demenz stark leiden muB, da ja die zeitliche Fixierung der Gegenwart in hohem Make beeintrachtigt ist. So kommt es ja bei der senilen Demenz iiberhaupt kaum vor, nieht einer unserer F~lle widersprach dem, dab das gegenw~trtige Datum auch nur anni~hernd richtig angegeben werden kann. Die betri~cht- lichsten Fehler werden dabei in der Angabe der Jahreszahl gemaeht, der Monat wird noeh oft anni~hernd riehtig bestimmt. Nun kSnnen Zeit-

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abl~ufe yon einem bestimmten Ereignis in der Vergangenheit aus auch ann~hernd bestimmt werden, ohne dal~ wir die beiden Daten, das gegen- w~rtige und das des betreffenden Ereignisses, zu Hilfe nehmen. Wird eine derartige Frage gestellt, so kann die entsprechende Antwort auf die Weise erfolgen, dab wir von vornherein primer das Gefiihl haben, das mtisse so und so viele Wochen und Monate zuriickliegen, wobei wir erst nachtr~glich oft versuchen, diese gefiihlsm~Big gesch~tzte Zeit durch entsprechende Daten zu erharten. Der Vorgang spielt sich in der Weise ab, dab wir in unserer Vorstellung h~ufig nur ganz fliichtig, kaum bewuBt, eine l~eihe von Ereignissen entwickeln und in diesem Nacheinander, das verlangte Ereignis einsetzen, oder wir geben auch ganz primer, ohne dab wir eine Ereigniskette reproduzieren, den ver- flossenen Zeitraum an. Wenn nun die StSrung bei der senilen Demenz allein darin liegen w/irde, dab die Orientierung yon der Gegenwart aus versagt, dab das gegenw~rtige Datum in Vergessenheit geraten ist oder dab die l~eihe der verflossenen Ereignisse sehr liickenhaft geworden ist, mit einem Wort, wenn es sich um einen reinen Defekt des Ged~cht- nisses handeln wiirde, so mtil]te der zuletzt angefiihrte Vorgang, die mehr gef/ihlsm~Bige prim~re Absch~tzung, noch richtige Resultate geben kSnnen. Wir hat ten mit Riicksicht auf diesen Gesichtspunkt unser Material von Paralyse und Senilen vergleichend untersucht, und es war ganz auffallend, wie prompt die Paralytiker im Gegensatze zu den Senilen reagierten; auf die Frage z .B. wie lange sie sich an der Klinik aufhielten, kamen bei den ersteren entweder vollst~ndig richtige oder ann~hernd gute Antworten, und dies meist ganz unabhangig von der Schwere des sonstigen Krankheitsbildes, wenn wir von solchen F/~llen absehen, die auf die Aufgabe nicht zu fixieren waren. Solche richtige Antworten wurden bei der Paralyse auch in jenen F~llen erzielt, die das Datum nur fehlerhaft anzugeben wuBten; es war der Vorgang sogar meist so, daft sie zuerst die seither verflossene Zeit angaben und nachher erst die dazugehSrigen Daten anzufiihren versuchten, wobei ihnen das erstere vielfach besser gelang als das letztere. Die Sensilen vermochten, wie schon hervorgehoben wurde, das entsprechende Datum nicht anzugeben; aber auch in der Absch~tzung z. B. der seit ihrer Auf- nahme verflossenen Zeit kamen sie den tats~chlichen Verh~ltnissen auch nicht ann~ihernd nahe. So gibt ein Seniler, der seit ungefahr 3 Wochen sich an der Klinik befand, den Aufenthalt mit 3 Monaten an, ein anderer, der sich ungef~hr dieselbe Zeit an der Klinik aufhielt, gibt diese mit 6 Jahren an. _~hnliche Antworten wurden yon den anderen darauf gepriiften Senilen gegeben, sie verhielten sich so, wie es Bonhoe//er an Alkoholdeliranten und alkoholischen Korsakow-Psychosen beschrieben hat, ohne dab aber bei unseren Patienten ein Korsakow bestehen mul]te. J~hnliche ]~esultate kamen zustande, als nach einer mehrt~gigen

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Abwesenheit des Verf. die Patienten diese Zeit der Abwesenheit anzu- geben hatten. Es gaben jene Senilen, denen die Abwesenheit aufgefallen war, den Zeitraum mit einigen Wochen an. Die Paralytiker hingegen fiihrten in den meisten F~llen die entsprechende Zeit an. Auch in der Fixierung der Tageszeit sind die Paralytiker den Senilen ebenfalls iiber- legen; w~hrend sich die ersteren ganz entsprechend orientieren, sind die Antworten der Senilen h~ufig fehlerhaft. Zur Frage der Beurteilung eben verflossener kleiner Zeitabschnitte land ich in der Literatur neben den Feststellungen Bonhoe]]ers, Gregors u.a. einen erw~hnenswerten Fall yon Bechterew, einen anderen yon Worob]o]] beschrieben. Bei dem ersteren handelte es sich um einen Alkoholiker, dem Stunden wie Sekunden vor- kamen. Bei Worobjo]] um einen Paralytiker, dem die verflossene Zeit auffallend kurz vorkam, der ganze Tage als halbe Stunden hinnahm, in diesem Falle war im Gegensatze zum Falle Bechterews die Zeit- scli~tzung fiir kleinere Zeitr~ume ungestgrt. Fiir die Beurteilung dieser Frage lieBen wir die Patienten z. B. die Dauer des Essens bestimmen, die Dauer eines Examens oder wir riefen sie nach kurzer Zeit zum zweitenmal zum Examen und lieBen die verflossene Zeit angeben; es verhielten sich dabei beide Erkrankungsformen ann~hernd wie Normale. Die Priifung fiir ganz kurze Zeitabschnitte fiihrten wir so aus, dab wir durch Klopfen in einem bestimmten Rhythmus verschiedene Zeit- abst~nde markierten und den Patienten dies sofort wiederholen lieBen. Diese Aufgabe wurde yon beiden Erkrankungsformgn dann gut gelSst, wenn es sich um einen einfachen Rhythmus handelte, wurde dieser komplizierter, so versagten beide in gleicher Weise.

Zur Illustrierung des mangelhaften zeitlichen Einordnens yon Ereig- nissen bei der senilen Demenz sei ein Beispiel angefiihrt, das man in ~hnlicher Weise immer wieder linden kann. Auf die Frage, ob sich der Patient erinnere, dal~ in der letzten Zeit ein Krieg gewesen sei, ant- wortet er richtig: der Weltkrieg; es h~tten die Tschechen und die Deut- schen gegeneinander gek~mpft und es sei nachher zum Umsturz ge- kommen; als ihm im AnschluB daran die Frage vorgelegt wurde, wann denn das gewesen sei, meint er im Jahre 66 und fiigt gleich hinzu, da seien die PreuBen in BShmen einmarschiert. Aus dieser Antwort l~Bt sich deutlich ersehen, was fiir die StSrung der zeitlichen Orientierung der Senilen von groBer Wichtigkeit ist, dab dem Patienten der Welt- krieg und der 66er Krieg als getrennte Ereignisse bekannt sind, dab er sie aber in ihrer zeitlichen Ordnung nicht mehr distinkt auseinander- halten kann. Sobald er das jiingere Ereignis zeitlich fixieren soil, verliert sich zugleich die Trennung der Ereignisse selbst. Er vermag yon der Gegenwart aus die Zeit des Weltkrieges nicht mehr zu bestim- men. Das orientierende Datum des 66er Krieges ist ihm haftenge- blieben und zieht das i n dieselbe Gruppe gehSrige Ereignis des Welt-

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krieges zeitlich mit sich. So kommt es dann zu einer Kontamination der beiden Ereignisse, was noch dadurch gefSrdert wird, da[~ das Reiz- wort Krieg, die Erinnerung 66er Krieg in den Vordergrund stellt. Dieses Beispiel zeigt, dab einzelne herausgehobene Ereignisse der Ver- gangenheit im Gegensatz zu solchen, die weniger welt zurfickliegen, doch zeitlich fixiert sind, wenn auch die Relation zur Gegenwart mangels der gegenw~rtigen Zeitbestimmung nur ganz verschwommen und als ,,schon viele Jahre her" zeitlich bestimmt werden kann. Wenn auch einzelne Ereignisse der Vergangenheit zeitlich bestimmt sind, so weisen eine Reihe anderer Reaktionen darauf bin, dab auch ihnen im allge- meinen eine feste zeitliche Ordnung, dab dem Einzelereignis ein zeit- lieher Stellenwert in einer Ereignisreihe fehlt, und ein geordnetes zeitliches Nacheinander nieht mehr vorhanden ist.

DaB eine StSrung der Zeitauffassung bei der senilen Demenz in irgendeiner Form vorliegt, dariiber besteht wohl nach den angefiihrten Reaktionen kein Zweifel. Wfirden wir als ,,Zeitsinn" jene F~thigkeit auffassen, Zeitabschnitte, losgelSst yon Geschehnissen, richtig abzu- seh~tzen, so miiBte man annehmen, dab er bei der senilen Demenz erhalten ist. Handelt es sich jedoch um die Erfassung eines Ereignisses in einem zeitlichen Kontinuum, ausgeffillt yon Erlebnissen, so besteht bei der senilen Demenz sicherlich eine schwerere StSrung. Im einzelnen liegt die Ursache dieser StSrung darin, daB der gegenw~rtige Augen- blick zeitlich unbestimmt ist, die Beziehung vergangener Ereignisse zur Gegenwart nicht mehr hergestellt werden kSnnen, dab das geordnete Nacheinander yon Geschehnissen verlorengegangen ist und das Zeit- gefiihl, das sonst eine prim~re Zeitseh~tzung ffir Geschehnisse, die nicht allzu welt zurfickliegen, gestattet, nicht mehr vorhanden ist.

Es ist natfirlich, dab die bei der senilen Demenz vorhandene Er- innerungs- und Merkf~higkeitsstSrung indirekt eine solche der Zeit- auffassung verursacht; aus dem Vergleiche mit der progressiven Para- lyse li~Bt sich abet schlieBen, dab diese StSrungen allein eine StSrung des zeitlichen Nacheinander, so wie es bei der senilen Demenz auftritt, nicht hervorrufen kann.

Musik.

Da wir an unserem Material nur ganz vereinzelte FMIe hatten, die irgendein Instrument beherrschten oder eine musikalische Bildung besal~en, so muBten wir uns, da wir die Leistungen der beiden Krank- heitsgruppen mit demselben Prfifungsmaterial und bei der gleichen Prfifungsart miteinander verglichen, darauf beschrs die gesang- lichen musikalischen F~higkeiten, den gesanglichen Ausdruck und das Verst~ndnis ffir Gesungenes bzw. Gespieltes zu priifen. Daneben wurde auch auf das rhythmisehe Geffihl geaehtet. Von den Paralytikern ist

Uber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbl~dsinn. 267

es bekannt, dab sehr frfihzeitig die musikalischen Fahigkeiten leiden kSnnen. In Ubereinstimmung damit fanden wir fast bei allen Para- lytikern eine mehr oder weniger erhebliche StSrung in der gesanglichen Produktion. Mit der Schwere des allgemeinen Bildes nahm die Intensi- tat der StSrung zu; in leichteren Fallen beschrankte sie sich nur auf eine fehlerhafte Wiedergabe yon Melodien, in fortgeschritteneren konnte die Melodie fiberhaupt nieht gefunden werden. Das Erkennen von ein- fachen Melodien war nur in jenen F~llen gestSrt, die aueh sonst ein schwereres Bild zeigten. Da wir, wie schon hervorgehoben wurde, nur sehr sporadisch musikalisch gebildetes Material hatten, so kann darfiber kein Urteil abgegeben werden, inwieweit die progressive Para- lyse beim Erkennen yon komplizierteren Melodien sehon in initialem Stadium versagt. Bei der senilen Demenz finden wir im Gegensatz dazu, fast ganz abgesehen davon, wie das sonstige Zustandsbild be- sehaffen ist, ein weitgehendes Erhaltensein der gesangliehen Ausdrucks- fahigkeit, der Wiedergabe von Melodien und ihrem Erkennen. Alle unsere Falle, dis darauf prfifbar waren, zeigten eine recht bemerkens- werte Fehlerlosigkeit in der Wiedergabe einfaeher bekannter Melodien. Aueh hier weist der Gegensatz in dem Verhalten von Paralyse und seniler Demenz darauf hin, daB der Gedachtnisdefekt bei den StSrungen dieser beiden Erkrankungen keine so fiberragende Rolle spielt. So kann man mit Rfieksicht auf die Vergleichsuntersuchungen an Senilen kaum behaupten, daB die Reproduktion eingelernter Melodien bei der Para- lyse durch die Ged~ehtnisstSrung allein oder in der Hauptsaehe gelitten h~tte. Bei der senilen Demenz stellt uns dieses Ergebnis vor die inter- essante Frage, wieso gerade der musikalische Ausdruek, das musika- fiche Geffihl und Ged~chtnis dem allgemeinen AbbauprozeB einen so erfolgreiehen Widerstand leistet.

Was das rhythmische Geffihl anbelangt, so wurde in dem Kapitel fiber den Zeitsinn das wesentliche darfiber angeffihrt; es war ffir die Reproduktion einfacher rhythmiseher Folgen bei der Paralyse sicher- lich nicht grSber gestSrt, bei der senilen intakt; bei komplizierteren Rhythmen, wie es die Wiedergabe yon Melodien verlangt, verhielten sieh die Senilen im allgemeinen wie Normale, bei den Paralysen, deren gesanghche Leistung gestSrt war, konnte man dabei zum Teil den Rhyth- mus erhalten, zum anderen Tell gestSrt linden; bei diesen kam es aueh recht haufig vor, dab sie auch nicht einen Ansatz zu einer Melodie oder zu einer bestimmten Rhythmus machten, sondern nur den Text zitierten.

Ged~iehtnis. Man finder fiberall hervorgehoben, dab bei der senilen Demenz das

Ged~chtnis um so mehr defekt wird, je n~her wir an das gegenwartige Erleben herankommen. Diese Art der Ged~chtnisstSrung gilt ja viel-

268 R. Klein :

fach als charakteristisch fiir diese Erkrankung. Es ist gar keine l%age, dal~ bei einer Erkrankung, wie es die progressive Paralyse und die senile Demenz ist, das Ged~chtnismaterial nieht mehr mit der Sicherheit und Genauigkeit wiedergegeben werden kann, wie im Normalen. Es ist aber andererseits sicher, und dies gilt insbesondere fiir die senile Demenz, dab der Ausfall nicht in dem Mai~e besteht, wie es aus einzelnen Reaktionen den Anschein hat. Wit hatten schon friiher darauf hingewiesen, dal~ es den Senilen grol~e Schwierigkeiten macht, Erlebnisse zeitlich einzuordnen. Unsere Fragen, die wir den Patienten stellen, gehen vielfach auf eine zeitliche Bestimmung aus. So kann der Patient schon deswegen versagen, weil die Fragestellung in erster Linie eine zeitliche Bestimmung, ein zeit- liches Merkmal verlangt, das ihm nicht zur Verffigung steht.

Wie das im konkreten Falle geboten wird, sol1 folgendes Beispiel zeigen: Ein Patient gibt auf Befragen fiber seine Kinder unter anderem an, dal~ eine Tochter Kriegswitwe sei, dal~ deren Mann im Kriege ge- fallen ist. Als nach einiger Zeit die Frage an ihn gerichtet wird, wann und ob es in letzter Zeit einen Krieg gegeben habe, verneint er und meint~ dal~ er sich an derartiges nicht erinnern kSnne. Er wird dann aufmerk- sam gemacht, dal~ er doch gerade vor einer Weile geiiul3ert hatte, seine Tochter sei Kriegswitwe. Er gibt jetzt sofort zu, dal~ er sich an den Krieg erinnere, das sei der grol~e Krieg gewesen, die Frage, wann dieser Krieg gewesen sei, vermag er nicht zu beantworten, meint nur~ dal~ das schon lange her gewesen sein miisse, er hiitte beim Militi~r nicht gedient. Wir mSchten diese Reaktion folgendermal~en inter- pretieren: Es wird dem Patienten eine Frage gestellt, die eine bestimmte zeitliche Einordnung verlangt; er kann die Frage deshalb nicht beant- worten, weil sie den Faktor der zeitliehen Bestimmung in den Vorder- grund stellt, mit dem der Patient nicht zu arbeiten vermag. Sobald diese mit in den Mittelpunkt seiner Einstellung ger~t, versagt er. Wird jedoch das betreffende Ereignis, das vorher ohne Zusammenhang mi t anderen vor ihn gestellt wurde, in bestimmte, ihm geli~ufige Zusammen- h~nge gebracht, dann taucht plStzlich die Erinnerung daftir auf. Bei einem bestimmten Vorstellungskomplex kommt also die richtige Reak- tion zustande, an Stelle der zeitlichen Determinierung werden andere bestimmende Faktoren gesetzt, und es gelingt dem Patienten, das be- treffende Ereignis zu heben. Es war also das betreffende Ereignis, nicht, wie es auf Grund der ersten Antwort des Patienten sehien, er- losehen, sondern es konnte bei einer bestimmten Konstellation geweekt werden. Als behindernd fiir eine solche Hebung mu$ in diesem Falle die zeitliche Bestimmung angesehen werden. Es soll noch ein weiteres Beispiel fiir diese Frage angeffihrt werden.

Auf die Frage, wer hier im Lande regiere, antwortet der Patient Kaiser Franz Joseph; ob nicht ein anderer hier regiere, darauf gibt Patient keine Antwort. Er

Ober die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 269

wird gefragt, ob er Masaryk kenne, Patient meint, das sei ein Musikverleger; ob er den Prasidenten Masaryk kenne, das kSnne er aueh nieht sagen;was er denn glaube, wer President Masaryk sei, darauf gibt er zur Antwort, er h~tte keine Ah- Ahnung. Es wurde nun die Frage vorgelegt, was ein Pr~ident sei ? Darauf die Ant- wort, es sei der oberste Iterrseher. Es wird ihm nun die Frage vorgelegt, wo Presi- dent Masaryk regiere, er antwortet richtig, aueh als dann im AnsehluB gefragt wird, wer im Lande regiere, nennt er sofort den Pr~sidenten Masaryk. Ob nicht Kaiser Franz Josef regiere ? Da antwortet er nein, der sei sehon gestorben. Seit warm Masaryk regiere, wisse er nicht. Ob etwas vorgefallen sei, dab der letztere zur Regierung kam ? Patient gibt zur Antwort niehts. Wie er zur Regierung ge- kommen ist ? Durch Wahlen. Ob nicht ein Krieg gewesen sei ? Das sei schon friiher gewesen. Was ffir ein Krieg ? Ein Militarkrieg 66. Ob nicht ein Weltkrieg gewesen sei ? Bejaht er. Wann der letzte Krieg gewesen sei ? Der Weltkrieg. Wer gek~mpft hat ? Die Deutschen unter 0sterreich, die Tschechen aueh. Was nach dem Weltkrieg gesehehen ist ? Es kam zur Selbst~ndigkeit der Tsehechen. Wet vorher geherrscht hat ? Franz Joseph, der sei aber gestorben. Wet hier regiere ? Hier sei eine Republik, er wisse das, aber kSnne vielleicht nicht darauf kommen. Ob er Masaryk kenne ? Bejaht. Wer Masaryk sei ? Das sei ein Bfirger. Was er sei ? President. Prasident der Tschechen.

An diesem Beispiele l~l~t sich aueh wieder sehen, dab Erlebnisse, die bei einer bestimmten Fragestellung ausgelSscht zu sein scheinen, unter anderen Umst~nden bzw. beim Weehsel der Fragestellung wieder zum Vorschein kommen. Auf ~hnliches hat auch sehon Gri~nthal hin. gewiesen, wenn auch bei einem Falle yon akuter Commotionspsychose mit Korsakow; er bezieht dieses Verhalten auf eine Einstellungs- stSrung des Patienten. Unser Beispiel zeigt aber auch, wie sehr es yon Bedeutung ist, dab ein einzelnes Ereignis nieht als solches und flit sieh allein aufbewahrt wird, sondern in mehr oder minder fester Verkniip- lung mit anderen. Die an dieses geknfipften Ereignisse Sind aber ffir die Hebung des im Mittelpunkt stehenden Ereignisses nicht gleichwertig, es scheint eine bestimmte Stufung zu bestehen; gewisse Zusammenh~nge ersehweren ein Ekphorieren, andere wieder erleichtern es in hohem Mal~e. Heilbronner versueht den Wechsel tier Reaktionen bei seniler Demenz damit zu erkl~ren, dal~ die riehtige Reaktion auf ~ul~ere Reize w~ehst, aus je zahlreicheren Partialreizen sich der Reiz zusammen- setzt. Es kommt aber nieht allein auf die Menge der Reize an. Direkt auf ein bestimmtes Ereignis gerichtete Fragen verlaufen h~ufig ergebnislos. Die Unzul~nglichkeit der Senilen in der Ged~eht- nisleistung zeigt sich darin, dab fiir das Zustandekommen einer guten Reaktion eine entspreehende Konstellation, ein entsprechender giinstiger Komplex in der Vorstellung gebildet werden mul~. Sowohl die Art der Frage wie auch die durch sie hervorgerufenen Vorstellungen kSnnen das Auftauehen von Erinnerungsmaterial in hohem MaBe fSrdern oder behindern. So kann man zum Teil die Gedi~chtnisstSrung, die mangelhafte Erinnerungsf~higkeit der Senilen, wie fiberhaupt ihre unzul~nglichen Antworten, darauf zuriickfiihren, dal~ in den Vorstel-

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lungen bzw. im Denkakt ein derartig unvorteilhafter Komplex zustande kommt bzw. dab ein Komplex iiberhaupt nicht gebildet werden kann. Ist das der Fall, so bleibt der in die Frage hineingelegte Inhalt isoliert, finder keinen AnsehluB und die Frage kann nieht beantwortet werden. Aus diesen beiden hier angeffihrten Beispielen ist ersichtlieh, wie schwer der tats~chliehe Verlust an Ged~chtnismaterial aus einzelnen Reaktionen ~u beurteilen ist. Es ist vielfaeh Wissen da, es kann aber nicht in Be- wegung gesetzt werden (Mangel an potentiellem Wissen naeh A. Pick). Ein derartiger Saehverhalt fiihrt zu den auf Bergson zuriiekgehenden Ansehauungen Schilders, der eine Vernichtung von Ged~ehtnismaterial iiberhaupt leugnet.

Wenn nun auch der tats~chliche Ged~chtnisausfall bei der senilen Demenz fiir die jiingere Vergangenheit nicht so hoehgradig ist als es seheint, so muB doch zugegeben werden, dal3 die Ereignisse der letzten Vergangenheit nieht in dem Mal3e zur Verfiigung stehen, wie die welter zuriickliegenden. Zur Erkl~rung dieses Verhaltens k6nnen die friiheren Ergebnisse zu Hilfe genommen werden : Es macht dem Patienten Sehwie- rigkeit, die Gegenwart zeitlieh zu fixieren, Erlebnisse in eine zeitliehe Ordnung zu bringen. Die welt zuriiekliegenden Ereignisse der Jugend bestehen mehr fiir sieh ohne notwendige Beziehung zur Gegenwart, die jfingeren sind an eine zeitliche Relation zur Gegenwart gebunden. Schon daraus ergibt sich ein Vorteil der ersteren fiir die Reproduktion; denn gerade die Gegenwart ist bei der senilen Demenz zeitlieh un- bestimmt. Die friiheren Erlebnisse enthalten den Faktor Zeit in sich als eine Eigenschaft, die mit zum Erlebnis gehSrt und mit ihm zugleieh aufbewahrt wird; die der Gegenwart nahen Ereignisse sehliel3en in einem bestimmten Naeheinander an, ohne einzeln zeitlich fixiert zu sein; da dem Patienten eine gefiihlsm~Bige zeitliehe Bestimmung und aueh ein ordnen- des zeitliches Naeheinander der Erlebnisse fehlt, so wird sich das vor allem fiir die jiingeren Erlebnisse geltend maehen mtissen, sie werden nicht mehr so scharf abtrennbar zur Verfiigung stehen. Kommt dann noch hinzu, dal~ die frtiheren Ereignisse, die an eine Kette yon eigenen Erlebnissen gebunden sind, eine giinstige Konstellation schaffen, von vielen Seiten her in einen Komplex treten k6nnen, so wird man begreifen kSnnen, dal3 die Ereignisse um so weniger verftigbar sind, je mehr sie an die Gegenwart heranriicken und in eine Zeit fallen, in der die Aktivit~t der Patienten immer mehr abnimmt. So ,,erinnert" sich z. B. unser Patient sehr gut, dab Franz Joseph in 0sterreich als Kaiser regiert hat; in diese Zeit f~llt der Milit~rdienst, es kniipfen sich eine Reihe von lebhaften Ereignissen daran an. Alles das f~llt weg fiir die Pr~sidentsehaft Ma- saryks, dementsprechend die Schwierigkeit, die diesbeziiglichen Fragen zu beantworten.

Zu dem kommt noch, dal3 fiir die gegenwartigen Erlebnisse neben

~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbl6dsinn. 271

mangelhafter Aufmerksamkeit die frtihere Perceptions- und Verarbei- tungsf~higkeit abgeht (Hartmann, F.).

Bestehen nun bei den Senilen StSrungen dieser Art, so k6nnen wir zwar eine gewisse Abstufung der Erinnerungsf~higkeit vom Gegenw~rti- Ben zum Vergangenen verstehen, wir werden aber erwarten mtissen, dab aueh weiter Zurtickliegendes nicht mit der Promptheit zur Verftigung steht. Und das ist ja aueh tats~chlich der Fall und geht aus den darauf geriehteten Prfifungen hervor.

Naeh dem wird man auch die Bedeutung der Merkf~higkeit ftir den Gedgchtnisausfall einschrgnken kSnnen. Was die direkt darauf ge- richtete Prtifung anbelangt, so wurde sie in der einfachsten Weise akustisch und mit Zahlenreiehen durchgeftihrt, wobei die Reproduktion in verschieden groBen Zeitintervallen zu erfolgen hatte. Kompliziertere Merkversuehe (Ranschburg, Gregor) wurden deshalb nicht angewandt, um durch die Schwierigkeiten der Aufgabe selbst die Resultate der Prtifungen nicht zu beeintr~chtigen; dies um so mehr, als die senile Demenz gerade bei Aufgaben schwer zu fixieren sind und so sehr sie sonst im Gespr~ehe zug~nglich sein m6gen, an Aufgaben nur sehr un- gem herantreten. Bei den Versuehen weehselten gute Resultate mit schleehten ab. Soweit die Ergebnisse ein Urteil erlauben, kann von einem Versagen der Merkf~higkeit bei der senilen Demenz nicht ge- sproehen werden; es l~Bt sich jedenfalls so viel daraus schlieBen, dab die Patienten imstande sind, sich Eindriieke einzupr~gen und ftir eine ver- hMtnism~Big l~ngere Zeit aufzubewahren; tiber die GrSBe der Leistung jedoch kSnnen diese Versuche, die an die Versuchsperson nur sehr geringe Ansprtiche stellen, niehts Sicheres aussagen; soviel geht aber aus ihnen hervor, dab die Merkfghigkeit gewiB erheblich hinter der Norm zurtick- bleibt. Es ist aber auch da mehr an Leistung da, als es hKufig bei einzelnen Prtifungen den Ansehein hat, deren Durchftihrung durch die Aufmerksamkeitsablenkung und das mangelnde Erfassen der Aufgabe beeintr~chtigt ist. Es stimmen diese Ergebnisse mit den an Korsakow erhobenen tiberein (Bonhoe][er, Korsakow u. a.). Gregor konnte an Kor- sakow-Patienten bei Einpr~gungsversuehen Ersparnisse feststellen, Bettelheim und Hartmann an reproduzierten Erz~hlungen Ged~ehtnis- reste in Form yon Verschiebungen, Ersatzbildungen usw. beobachten. Wir werden sparer an Beispielen sehen, dab dort, wo von Senilen Zu- sammenh~nge gut erfaBt werden, auch die Reproduktion auffallend gut gelingt.

Auch bei der progressiven Paralyse ist die Ged~chtnisleistung sicherlieh defekt, der Charakter der St6rung seheint aber ein anderer zu sein als bei der senilen Demenz; im Gegensatz zu der letzteren wer- den vor allem Einzelheiten vergessen, so dab die Wiedergabe ltickenhaft und unvollst~ndig wird; aueh die zeitliche Bestimmung geschieht nicht

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fehlerlos, sie li~uft aber nicht ins Unbestimmte, sondern wird mehr oder weniger ungenau. Es behalten die Ereignisse ein bestimmtes Nach- einander, eine zeitliehe Ordnung bei. Das was bei der progressiven Paralyse vorhanden ist bzw. produziert wird, ist relativ seharf und bestimmt, zum Unterschiede von den Senilen, bei der die Produktionen des Ged~chtnisses den Charakter des Unbestimmten und Unscharfen haben, es 15sen sieh bei der einen Erkrankung einzelne Teile ab, gewisse Einzelheiten werden nicht mehr behalten, w~hrend bei der anderen massive Defekte auftreten.

Was die St5rung der Merkfahigkeit bei der progressiven Paralyse anbelangt, so stimmen unsere Ergebnisse mit denen Ranschburgs und anderer iiberein, die feststellen konnten, daft sie bei den versehiedenen Formen der progressiven Paralyse bzw. in den versehiedenen Stadien der Erkankung sehr variiert, da$ sie teils sehr sehwer, teils iiberhaupt nicht in Erscheinung tritt. Wir haben den Eindruck, da$ hier wohl das allgemeine psychisehe Bild (manische, depressive Zustandsbild) die Resultate sehr stark beeintr~chtigt, so dal~ man kaum zu einem all- gemeingiiltigen Resultat gelangen kann.

Spraehliehes Ausdrucksverm~gen. Die gel~ufigsten sprachlichen Fehlleistungen beider Erkrankun-

gen sind bei der einen (progressiven Paralyse) die dysarthrisehen StSrungen, bei der anderen (senilen Demenz) die StSrung in der Wort- findung. Betrachten wir zuerst die Konversationssprache, so ist an dem Senilen h~ufig eine Vielgespr~chigkeit zu beobaehten, er spricht mehr und entgegenkommender als der Paralytiker, wenn wir yon der ausgesprochen manischen Form des letzteren absehen. Es f~llt in tier Konversation kaum auf, dab es hier an Worten mangelt, der Senile spricht fliel3end, antwortet ziemlich prompt auf die ihm ge- stellten Fragen; dazu im Gegensatz macht vielfach der einfach demente Paralytiker auch schon im Beginne der Erkrankung bei der Konver- sation einen torpiden Eindruck, er antwortet ungern mit langen Re- aktionszeiten und ist eher wortkarg, was noch dutch die evtl. motorische Erschwerung der Sprache gesteigert wird. Schon bei der einfachen Form der senilen Demenz kommen aber auch in der Konversation gelegentlich Wortparaphasien vor, die dann, wie es ja vor alien yon Heilbronner und Pick erw~hnt wurde, auf ein anderes Thema hiniiber- leiten, und so nach dem ersten Autor den Eindruek einer manieartigen Sprunghaftigkeit machen - - besonders im Hinblick auf die sonstige Redseligkeit - - nach A. Piclc die Denkrichtung auf andere Bahnen lenkt. Bei der Paralyse gehSren derartige StSrungen nicht zum Bild.

W~hrend sich der Senile im Gespr~che viel besser leiten l~13t, ~ist der Paralytiker yon seinen eigenen Inhalten welt mehr beherrscht

Uber die Demenz bei progressiver Paralyse and beim Altersbl6dsinn. 273

and man sieht nicht selten verbigerationsahnliche J~ul]erungen, zu denen die Patienten, wohin immer such der Gesprachsstoff gefiihrt wird, die Tendenz haben, zuriiekzukehren. So flocht einer unserer Paraly- tiker immer wieder wahrend eines Gespraches die Worte ein ,,ich bin gesund, wann werde ich entlassen werden" und noch zwei oder drei solcher Phrasen, was sich bei jedem einzelnen Examen immer wieder- holte. Solehe Reaktionen finden sich bei fortgesehrittenen Fallen recht haufig. Geht aber der progressive Paralytiker auf eine an ihn gestellte Frage ein, so halt sieh seine sprachliehe Reaktion ziemlich streng an diese and man gewinnt den Eindruek, dab das Sprachliche sich im wesentlichen mit dem Gedanklichen deckt. Beim Senilen je- doch hat man haufig den Eindruck, dab Sprachliches and Gedankliches auseinander gehen, wie wenn das Sprachliche vom Denken losgel6st ware. Es soll hier nicht darauf eingegangen werden, wie weit eine Paral- lele zwischen Denken und Sprechen anzunehmen ist. Jedenfalls ist sicher, dab im Normalen ein bestimmter paralleler Vorgang statthaben mul~. Handelt es sich um eine StSrung der Sprache, wie sic spater angefiihrt wird, so scheinen die beiden Vorgange immer mehr zu diver~ gieren, bis das Sprachliche frei zu schweben scheint, ohne Zusammen- hang mit inneren, gedanklichen Vorgangen. Damit k6nnte es dann den Anschein haben, so wie A. Pick es angenommen hat, als ob die Denk- richtung durch das Sprechen abgelenkt wiirde; in Wirklichkeit muB die Sprache, da sich der Sprachakt nicht mehr auf den Denkakt auf- baut and stfitzt, immer wieder auf sich selbst zuriickgreifen. So wiirde die Eigenart der sprachlichen Produktionen der senilen Demenz, also in der Veranderung des normalerweise irgendwie parallel laufenden Vor- ganges von Denken and Sprechen bestehen: das Sprechen entfernt sich immer mehr yon einem ihm zugrunde liegenden gedanklichen Aufbau and nahert sieh zugleich mehr automatisehen Vorgangen, stellt den Sprachakt auf ein tieferes Niveau ein; er wickelt sich nach klanglichen and gewohnten festen Associationen ab. So ware das un- sachliche and sinnlose Herumreden, das 'Einsetzen nieht in dem Zu- sammenhang passender Worte (verbale Paraphasien) erklarhch. J~hn- lich wie die Konversation verhalten sich die Patienten such in der Darstellung. Wahrend sic bei leichteren Formen der senilen Demenz nur wenig gest6rt ist and kaum in die Augen fallt, ist die StSrung bei manchen Formen sehr hochgradig. Es soll hier ein solches Beispiel an- gefiihrt werden. Der betreffende Patient wurde beauftragt seine Lebens- geschichte zu erzahlen, er schildert sic folgendermaBen: ,,Ieh bin in die Schule gegangen, ich habe geschrieben dann wie ieh alter geworden bin, wie ich verstanden habe den Verstand, ich habe gelernt, wie ich ausgelernt habe, dann habe ich aufgeh6rt, wie ich fertig war. Dann war ich: . . . ich habe mich immer mehr vervollstandigt, meinen Ver-

Z. f. d. g. Near . a . Psych. 124. 18

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stand immer mehr ausgebildet, dann bin ieh auf das gekommen. Ieh habe den Verstand g e g e b e n . . , ich habe alles verstanden wie ich das verstanden h a b e . . , wie ieh das erarbeitet h a b e . . , ieh habe das dann sehon erkannt und dieses da (Patient wird zum Thema angehalten) wie ich mieh gesehaffen habe und angepaBt habe und ich habe beobachtet die Begenhe i t en . . . ich war arbeitsam, ich habe das durchschaut und durehverstanden ich habe mich mit dem Vater beraten, ob das gut ist er hat mieh gestreichelt, das ist gut hat er g e s a g t . . , ich habe Vieh geweidet und verschiedene Arbeiten gemacht, wie das Vieh geweidet wird usw. Wie ich ~lter geworden bin, da habe ich nachgedacht, ob das gut ist, wie ich das durchgemacht habe, wie ich das machen wollte und wie ieh es machen sollte (neuerlich zum Thema angehalten) wie ich das sehaffen wollte, dab ich davon erz~hlen k6nnte (er wird auf seine Anstellung und auf seine Ehe aufmerksam gemacht). Ich habe auch ge- pflfigt wie ich mich verheiratet h a b e . . , wie ich Vernunft bekommen habe, habe ich geheiratet, ich habe das beobachtet ieh habe das ge- sehaffen, wie ich es getroffen habe wie ich verstanden hat te und wie ich unternehmen konnte durch den Verstand und ich habe mir Mfihe gegeben, dab es gut sei."

In dieser Art geht die Darstellung der Lebensgeschichte durch den Patienten weiter. Es sei nur noch hinzugesetzt, dab bei dem Patienten schwerere StSrungen der inneren Sprache nicht vorhanden waren, dab die Spontansprache bis auf gelegentliche verbale Paraphasien intakt war, dab wohl zeitweise beim Bezeichnen Amnesien bestanden, dab solche aber vielfach bei Prfifungen zu anderen Zeiten wieder voll- stimdig fehlten.

Wir sehen an diesem Beispiele, das nur den Typus einer bestimmten Art seniler Sprachaul~erungen darstellt, dal~ der Patient den Sinn der Aufgabe verstanden hat und sich spraehlich in dieser Richtung bewegt; er vermag aber nicht weiterzukommen und bleibt immer wieder an be- stimmten Phrasen haften, er ist nicht imstande, uns auch nur an- ni~hernd ein Bild seines Lebens zu entwerfen. Lassen wir zum Vergleich einen progressiven Paralytiker dieselbe Aufgabe 15sen, so finden wir, selbst wenn es sich um einen sehr dementen Paralytiker handelt, auch nicht entfernt so schlechte sprachliche Reaktionen, wie an diesem besprochenen Falle. Die Schilderung soleher Patienten ist zwar hi~ufig sehr lfickenhaft mit Auslassungen wichtiger Begebenheiten, mit einer gewissen Kritiklosigkeit gegeniiber Wiehtigen und Unwichti- gen, aber ein derartiges Haftenbleiben an denselben Ausdrtieken, ein Niehtweiterkommen mit hochgradiger sprachlicher Perseveration fanden sich selbst bei sehr schweren Formen nicht, vorausgesetzt natiirlieh, da$ sie auf die Frage eingingen. Dazu mul~ betont werden, da$ der betreffende Senile den Auftrag wohl verstanden hat und aueh die Denk-

(~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 275

riehtung einhielt; trotzdem war es ihm nicht mSglich, eine geordnete Aufeinanderfolge der Ereignisse seines Lebens aueh nur anni~hernd zu geben. Es ist ihm unmSglich, das verlangte Thema weiter zu ent- wiekeln und zu Ende zu ffihren, vielleicht gedanklieh, vielleicht aueh nur sprachlich. So kommt es jedenfalls, daI~ Worte immer nur Worte ent- stehen lassen, die, je liinger der Patient fortfahrt, sich immer mehr von einem gedanklichen Aufbau entfernen, der zu Beginn der Reaktion noch erkennbar war. An diesem Beispiel lassen sieh die Beziehungen yon Spreehen und Denken noch einigermai~en durchschauen; dies gelingt sehon nicht mehr an jenen F~llen mit schwereren Paraphasien verbaler und litteraler Art, StSrungen des Spraehverst~ndnisses, die an jedem grS~eren Material von seniler Demenz zu finden sind; noch weniger an solchen Fi~llen, bei denen das Sprachverst~ndnis vollst~ndig aufgehoben, das AusdrucksvermSgen auf echolalisehes Nachspreehen reduziert ist; auch an unserem Material von seniler Demenz lieBen sieh die hier aufgez~hlten Abstufungen der SprachstSrungen an verschie- denen Patienten beobachten; diese wurden aber bei diesen Untersu- chungen nur so weir berfieksichtigt, als eine allgemeine Prfifung der intellektuellen Leistungen durchfiihrbar war.

Wir sprachen von einer Abi~nderung der normalen Beziehungen von Denken und Spraehe; es ist aber sehr wahrscheinlich, dait auch der Denkvorgang selbst bei der senilen Demenz irgendwie spezifisch ver- ~ndert ist: in diesem Falle kSnnte die Ver~nderung des Denkens auch mit die Ursache ffir die StSrung der Sprache sein. So wfirde letzten Endes die Verschiedenheit im Verhalten der Sprache bei der progressiven Paralyse und senilen Demenz darauf zuriickzuffihren sein, da~ der intellektuelle Abbau bei jeder der beiden Erkrankungen in einer beson- deren Art vor sich geht.

Innere Spmche. Bei der progressiven Paralyse bestehen bekanntlich die sprachlichen

Sehwierigkeiten neben einer Verwaschenheit im Silbenstolpern bzw. im Silben- und Buchstabenauslassungen; auch die letzteren werden auf rein dysarthrische Schwierigkeiten in der Sprache bezogen. Nun ist es aber doch auffallend, da~ es in i~hnlicher Weise, wie es beim Spontan- sprechen zu Fehlern kommt, die Zerlegung yon Worten in Silben bzw. Buchstaben Schwierigkeiten macht; es eilt vielfaeh die Erschwerung dieser Aufgabe den analogen StSrungen in der Spontansprache voraus. Dieses Verhalten kSnnte immerhin darauf hinweisen, dai3 die Erschwe- rung der Sprache bei der progressiven Paralyse nicht allein auf arthri- sche Schwierigkeiten zu beziehen ist. Es ist natiirlich nicht leicht bei der progressiven Paralyse, bei der hi~ufig das psychotisehe, das affektive Verhalten in die Reaktionen eingreift und die zu prtifende Leistung

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276 g. Klein:

verwischt, einzelnen Faktoren besondere Bedeutung zuzuschreiben. Man muB aber doch zugeben, dab die Koinzidenz yon spontanen Spraeh- fehlern mit solchen der Zerlegung yon Worten auffi~llig ist und sie finder auch durch andere als rein innensprachliche Sehwierigkeiten keine ge- nfigende Erkl~rung; so kann wohl nieht angenommen werden, dab der Mangel eines ged~ehtnism~fligen FesthaltenkSnnens des betreffenden Wortes die Fehlleistungen hervorruft; denn parallel gehende Prfifungen konnten zeigen, dab die Einpri~gung und die Merkf~higkeit weit fiber eine solche Leistung hinaus geht, die die hier in Betraeht kommende Aufgabe verlangt. Ebensowenig kann die Ablenkbarkeit, die Unauf- merksamkeit u. ~. daffir verantwortlich gemaeht werden, da sich diese Fehlreaktionen mit einer gewissen Regelmafligkeit finden und auch an Kranken beobachtet werden kSnnen, bei denen die angeffihrten mSgliehen Fehlerquellen nahezu ganz wegfallen. So muB man doeh die Vermutung aussprechen, dab das Wort, das sich spraehlich unsieher und zSgernd gibt, innerlieh nicht mehr so lest halter, nieht mehr mit der Sicherheit bereit steht wie im normalen; damit mfil]te man auch ffir den rein motorisehen Sprachakt den RfickschluB ziehen, dab sich die StSrung nieht ganz mit einer solehen dysarthrischer Art deckt, sondern in den inneren Spraeh meehanismus selbst eingreift. Eine solche Annahme findet noeh darin ihre Stfitze, dab aueh die StSrungen der Schriftsprache im allgemeinen mi~ jenen der Spontanspraehe parallel geht und dab hier dieselben Buchstabenauslassungen, Silbenverwechslungen als wesentliche Merk- male der St6rung hervortreten. Gegen eine solche Annahme spricht allerdings unsere Auffassung insofern, als wit gewohnt sind, ein anderes Ge- samtbild und andere Begleiterscheinungen bei den aphasischen StSrungen zu verlangen; so muB es uns merkwfirdig erscheinen, dab sich die StS- rung in der zusammenh~ngenden Rede kaum ~uBert oder eben nur auf dieselbe Weise bemerkbar macht, wie bei der Produktion einzelner zu- sammenhangsloser Worte. Ebenso scheint gegen die ZugehSrigkeit zu aphasischen StSrungen im engeren Sinne zu sprechen, dab die Konver- sationsspraehe bei der progressiven Paralyse um vieles ungestSrter vor sich geht als es selbst bei den leichtesten Formen yon motorischer Aphasie der Fallist, der sie, wenn wir die paralytisehe Sprache unter diesem Gesichtspunkt betrachten, noch am n~chsten stehen wfirde; auBerdem fehlen bei ihr im allgemeinen jegliche St6rungen des Satzaufbaues, am- nestische und grammatikalische StSrungen. A.ber vielleicht erscheint uns eine solche Anschauung nur deshalb so ffemd, weil wir von vorn- herein bestimmte Forderungen aufstellen, die sich ffir die Sprachst6- rung bei progressiver Paralytis nicht ganz erfiillen. Besonders mit Rficksieht auf die letzten Untersuehungen (Workoem, Boumann, Gold- stein und andere) auf dem Gebiete der Aphasie kSnnte man daran denken, dab die Sprachsehwierigkeiten bei der progressiven Paralyse

~)ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 277

eine bestimmte Art der Wirkung eines intellektuellen Abbaues auf die Sprache sein k6nnte.

Andererseits sehen wir bei der progressiven Paralyse, da[~ die Spraehe mit dem Denken sehr weit konform geht: das zu Sprechende ist ge- danklich gut vorbereitet, die Sprache vermag sich dem Denken gut anzupassen, das Denken behalt die Direktive fiber die Sprache. Auch hierin unterscheidet sich die Paralyse yon der senilen Demenz, bei der Denken und Sprechen irgendwie auseinandergehen, zwischen beiden eine Dissoziation besteht. Wenn wir nun die senile Demenz der Prfifung unterziehen, das Wort in Buchstaben zu zerlegen, so ist diese allerdings recht schwer zu beurteilen. Es macht sich hier vor allem der stSrende Einflul] in der ersehwerten Auffassung der Aufgabe geltend, die Sehwie- rigkeit, die Patienten zu fixieren und auf die Aufgabe einzustellen. So kommt man infolgedessen in der Mehrzahl der untersuchten Falle zu keinem Resultate. Gelingt es aber in einzelnen Fallen alle diese Hinder- nisse zu fiberwinden, so geht das Zerlegen yon Worten in Buchstaben gut vonstat ten; es kommen dabei kaum irgendwelche namhafte Fehl- reaktionen vor, wahrend bei der Paralyse, sofern es sich um schwerere Falle handelt, es iiberhaupt kaum gelingt, ein Wort fehlerlos in die ein- zelnen Buchstaben zu zerlegen. Aueh hier mu[~ die Bedeutung der MerkfahigkeitsstSrung ffir die Fehlreaktionen eingeschr~nkt werden, denn hier mii[~te man wieder annehmen, dal~ die Merkfahigkeit bei der Paralyse starker betroffen ist als bei der senilen Demenz. So wfirde die vergleichende Betrachtung dieser Reaktionen bei beiden Erkrankungen darauf hinweisen, dad bei der einen (senile Demenz), wenn wir jene FMle heranziehen, die die gestellte Aufgabe aufzufassen vermochten, das Wortgeffige lange Zeit innerlich erhalten ist, w~hrend es bei der anderen (progressive Paralyse) doch irgendwie gestSrt sein mfil~te.

Im Gegensatze dazu ist das Schreiben bei den Senilen um vieles erheblicher gest6rt als bei der progressiven Paralyse; in vielen F~llen von seniler Demenz findet man, dal~ diese F~thigkeit vollst~ndig in Verlust geraten ist. In den meisten anderen ist das Schreiben im h6chsten Grade reduziert, es kommt schon zu Verwechslungen yon Buchstaben beim Diktat, zu hochgradigen Paragraphien, und h~ufig zu einem solchen Dureheinander, dad sieh das Geschriebene nicht mehr entr~tseln la[~t; wenn fiberhaupt eine Spontanproduktion yon Schrift- lichem erzielt werden kann, so sind in diesem Falle die St6rungen noch hochgradiger. Es ware hier natfirlich die Frage aufzuwerfen, wie sich die SchreibstSrung zur Sprache verh~lt. Es ist sicher, dad bei jenen Fallen, die aphasische Symptome in st~rkerem Ma[~e zeigen, auch die Schriftsprache die schwersten StSrungen aufweist. Es gibt aber an unserem Material Falle, bei denen die Sprache vollst~ndig intakt und das Schreiben schwer gestSrt ist; manche Patienten, die nur ihren

278 R. Klein:

Namen schriftlich produzieren kSnnen, und auch den nicht fehlerlos, sind zu weiteren schriftlichen ~uBerungen nicht zu bewegen und lehnen solche mit dem Hinweis ab, dab sie seit l~ngerer Zeit das Schreiben verlernt hatten. Es muB natfirlich bei allen F/~llen auch mit in Betracht gezogen werden, wie groB die Fertigkeit in dieser Leistung vor der Erkrankung gewesen ist; bei unserem Material handelt es sich in der groBen Mehrzahl um manuelle Arbeiter. Dadurch wird die Bedeutung dieses Ausfalles herabgemindert und ihre Beurteilung erschwert. Immerhin kann natfirlich mit der geringeren Gel/~ufigkeit und Fertigkeit des Schreibens allein der sp~tere Ausfall nicht gen~gend erkl~rt werden; dies um so mehr, als das Lesen unter denselben Bedingungen im allge- meinen viel besser erhalten ist als das Schreiben; die sp~tere Bespre- chung anderer schriftlicher Leistungen (Zeichnen usw.) wird darauf hinweisen, dab vielleicht auch der SchreibstSrung der Senilen noch ein allgemeinerer Defekt zugrunde liegt, der unabhangig yon einem sol- chen der Sprache ist.

Wenn auch das Lesen bei der senilen Demenz besser erhalten ist als das Schreiben, so ist es wiederum in vielen F/~llen doch auch recht er- heblich gestSrt. Diese StSrung geht vielmehr parallel mit einer solchen der Sprache. Man finder guterhaltenes Lesen bei erheblich gestSrter Schrift, nur selten LesestSrung bei intakter Sprache. Bei der Paralyse ist hingegen das Lesen fast in allen F/~llen gut erhalten.

Das Ziffernschreiben ist, soweit es sich um einstellige Zahlen handelt, bei der senilen Demenz im allgemeinen recht weitgehend erhalten, jedenfalls weniger gest6rt als die Schriftzeichen; Schwierigkeiten ent- stehen aber schon bei mehrstelligen Zahlen, wobei es zumeist zu einer Verwechslung des Stellenwertes kommt. Aber auch bei der Paralyse ist die Angabe des Stellenwertes unsicher, wenn auch nicht in dem MaBe wie bei der senilen Demenz.

Konnten wir frfiher feststellen, dab das Sprachliche, sobald es eine strengere Parallele mit gedanklichen Vorg~ngen verlangt, bei der senilen Demenz in Mitleidenschaft gezogen ist, so steht damit in Uber- einstimmung, dab auch das grammatikalische Verhalten Mangel auf- weist. Agrammatische Formen bei der Spontansprache kommen, wenn sich das Bild nicht durch sonstige aphasische Erscheinungen kompliziert, im allgemeinen nur sehr selten zum Vorschein. Es besteht jedoch eine gewisse Unsicherheit bei der Vorlage und Wahl yon syn- taktischen Verknfipfungen, wenn sie nach der Methode Isserlins ge- boten werden ; die Patienten vermSgen falsche von richtigen Wendungen nicht sicher z u unterscheiden, sie sind unschlfissig, meinen haufig, dab man ja beides anwenden k6nne. Werden sie dann bei der Pr~fung auf- gefordert, eine der verschiedenen Vorlagen auszuw~hlen und zu produ- zieren, so kommt auch hier dieselbe Unsicherheit zum Vorschein.

t~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 279

Im Gegensatz dazu hat der Paralytiker im allgemeinen ganz prompt das Geffihl ffir grammatischc Formen, er w~hlt sofort die richtige Satzform und Wendung untcr mehreren dargebotenen heraus und nur in den sehr vorgeschrittenen F~llen finder die richtige Reaktion rdcht start, wohl aber deshalb, weil sich solche Patienten auf die Aufgabe nicht einzustellen verm6gen, bzw. diese iiberhaupt nicht erfassen.

0ptisch-gnostische F~ihigkeiten. Bei der Paralyse findet man durchwegs das einfache Erkennen und

Benennen yon Gegenstanden ohne StSrung (wenn man yon Herdpara- lyse absieht). Mischen sich dem Bilde der senilen Demenz keinerlei grSbere StSrungen anderer Leistungen bei, so ist das Erkennen yon Gegenstanden jedenfalls erhalten. Kommt es zu aphasischen StSrungen, so wird es ungemein schwer, zu unterscheiden, ob die gnostischen Fahig- keiten vorhanden sind oder nicht. H. Biirger spricht yon Farblosigkeit und Schemenhaftigkeit der optischen Vorstellungen, yon einer Flfichtig- keit der optischen Wahrnehmungen bei dem amnestischen Symptomen- komplex.

Wie sich unsere senil Dementen gegeniiber optischen Eindriicken verhielten, soll bei den einzelnen Versuchen naher ausgefiihrt werden. Grobe agnostische StSrungen im Sinne einer objekt- oder apperzeptiven Agnosie waren bei den hier verwendeten Patienten nicht festzustellen.

Beim Zusammenlegen von Bildteilen zu einem Ganzen verhalten sich die Paralytiker ungefahr so wie Normale, sie fiihren meist mit groBer Sicherheit die Zusammenstellung durch (es wurde das Bild eines Pferdes, eines M~dchenkopfes und eines auf einem Ast sitzenden Vogels zu dieser Priifung verwendet, wobei bei den beiden ersteren 4 Bildteile in Viereckform, bei dem letzteren ebensoviele in Dreieck- form ausgeschnitten waren). Die Senilen hingegen zeigen bei diesen Ver- suchen durchwegs eine hochgradige Unsicherheit. In einer Reihe yon Fallen kommt es iiberhaupt nicht zum Ansatz einer LSsung, ihre Ver- suche gehen dahin, die einzelnen Teile nebeneinander in eine Reihe zu legen oder auf dem Tische aufzustellen, dann wieder die Rtickseite des Bildes nachzusehen, wie um auf diese Weise einen Anhaltspunkt fiir die LSsung zu linden. In anderen F~llen kommt es zu einem standigen Hin- und Herprobieren, sie miihen sich z. B. immer wieder vergebens ab, Kopfteil und Hinterfiiite im ersten Bilde einander anzupassen, legen dann wieder zusammengeh6rige Stiicke schlecht aneinander; wenn es ihnen doch schliel~lich gelingt, die Figur richtig zusammenzustellen, so hat man den Eindruck, dab hauptsachlich der Zufall zu Hilfe gekommen war.

Fiir das Simultanerkennen verwendeten wir die hier reproduzierten Binet-Bobertagschen Bilder. Einige Reaktionen beider Krankheits- gruppen seien bier angeffihrt:

2 8 0 R. Klein :

Abb. 1.

Abb. 2. Abb. 8.

Abb. 1. Erster Patient: Da sind mehrere B u r s c h e n . . . es ist eine schwere S a c h e . . . sie bekommen P r f i g e l . . . sie waren nicht b r a y . . , ein armer ist es nicht . Der b e r e t . . , der h~lt ihm die Hand am Kopf, ich verstehe das n i c h t . . , ich ha t t e das hie in H ~ n d e n . . . da ist ein zweiter und ein dri t ter . Da ist ein Kind, der bi t tet , ob er in die Schule g e h t . . , ich weiB nicht was sie machen. Ein zweiter Patient gibt folgende Erkl~rung: Der Bursch, wie er geschlagen w i r d . . , hier ist der V a t e r . . (Warum wird er geschlagen ?) Das kann ich nicht b e g r e i f e n . . , er ha t vielleicht mit einem anderen gerauft, er ha t ihn etwas geschlagen. Ein dritter Patient: Irgend-

t~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbl6dsinn. 281

ein Mann s t raf t den K n a b e n . . . er zieht in bei den H a a r e n . . . (Warum macht er das ?) Er ha t irgend etwas aufgefiihrt, er ha t das Fenster z e r b r o c h e n . . . (Was ist mi t dem zweiten Knaben ?) Der H u n d beillt ihn. (Ist dor t ein H u n d ?) Ich sehe k e i n e n . . , er t r ag t eine Tafel, ob er sie zerbrochen ha t oder nicht, das weil~ ich n i c h t . . , ein Knabe laeht ihn aus.

Abb. 2. Erster Patient: Da ist ein H e r r . . . was das fiir ein Herr ist, das weil3 ich n i c h t . . , um etwas wird verhandelt , warum weiB man n i c h t . . , hier ist einer e r s c h l a g e n . . , er ist n icht lebendig, er bewegt nicht mi t s i c h . . , da sind noch zwei Frauleins o b e n . . . (Was maehen die dort ?) Sie haben ein Bukett . Zweiter Patient: Es sind bier Leute, da ist ein Kind (es wird auf den Her rn gezeigt). (Was maeht dieser hier ?) Der gibt den H u t herunter , er b i t t e r . . . (WaS s teht hier vor dem Fenster ?) das ist ein S t r a u l 3 . . . das ist ein kleines Haus am L a n d . . . (Was liegt bier am Boden ?) Das ist ein toter KSrper. Da sind vielleicht einige Freunde, die haben sich erschrocken, so ist er gefallen. Dritter Patient." Da ist ein Herr, der ha te inenZyl indor , e rha t e inenKnabenanges to l~en . (Warum?) Daswei l~ichnicht . (Absichtlich ?) Vielleieht. Weitere Erklarungen sind von dem Pat ien ten nicht zu erzielen. Vierter Patient: Das ist auch wie ein F r a u l e i n . . . da ist eine Dame, e i n e . . . (Was machen sic ?) Sie stollen sieh vor, als ob sic zeigen wollen allen L e u t e n . . . das stellt ein Ganzes vor.

Abb. 3. Erster Patient: Der ha t verbundene Augon und groift naeh i h r . . . das ist eine blinde Familie. Zweiter Patient: Das ist schwer fiir m i e h . . , da ist ein Verriiekter, das ist ihr Mann und das seine F rau . . . er ist verriickt, was or macht, well3 ioh n i c h t . . , es ist eine Hii t te am Land, da ist ein Rauber, ein MSrder er- s c h i e n e n . . . Dritter Patient: Der jagt nach dem Madehen, er ha l t die Tasse, das ganze GefaB fallt herunter , er ha t verbundene Augen. (Warum fallt das Gefa~ herunter ?) Weil ein grol3er Wirbel ist. (Was stellt das Ganze vor ?) Grol3e haus- lieho Unannohmliehkeiton. Vierter Patient: Das ist auch b e i n a h e . . , in sich das ist wie e i n . . , wie er s i t z t . . , er stellt vor, wie man zeigt, wie or steht.

Zum Vergleieh seien die Roaktionen einiger Paralyt iker angefiihrt, wobei bemerkt werden soll, da2 die angefi ihrten den fortgesehri t tensten Fallen entnom- men sind.

Abb. 1. Erster Patient: Es sind zwei Knaben, und einer ha t das Fenster zer- broehen, der Vater zieht ihn bei den Haaren, der andere f i i rehtet sich, da ha t er sich v o r b o r g e n . . , or ha t einen Ball in der Hand. Zweiter Patient: Der Mann zioht den Burschen bei den Haaren. Der andere lacht dariibor. (Warum zieht or ihn bei den Haaren ?) Ich weil3 nicht was er ausgefiihrt h a t . . , er ha t das Fenster zer- brochen. (Weleher ?) Zeigt auf den unricht igen Knaben. Dritter Patient: Der ha t das Fenster zerschlagen, der zieht ihn bei den Haaren. (Warum ?) Weil er das Fens~er zerbroehen hat . Der andere lacht ihn aus, weil er bei den Haaren gezogen wird.

Abb. 2. Erster Patient: Der Herr schaut auf die Damon, und infolgedessen ha t or den Burschen umgewoffen. Zweiter Patient: Das ist ein Herr, der ha t den Knaben umgos to l~en . . , ob er yon selbst gefallen ist, das weil~ ieh nicht. Dritter Patient: Der ha t die Madehen angesprochen and dabei den K n a b e n umgestol~en.

Abb. 3. Erster Patient: Sie spielen hier Verstecken, blinde Kuh. Es fallen die K a n n e n herunter, er ha t wahrseheinlieh daran gestoBen. Zweiter Patient: ])as ist sehon s c h w e r e r . . , warum der Burseh die verbundenen Augen hat , wei$ ich nicht, or ha t die Tassen h e r u n t e r g e w o r f e n . . , ich kann das nicht b e g r e i f e n . . , wahr- scheinlich haben sie deswegen die Augon verbunden. Dritter Patient: Der jagt nach ihr, dal~ sie das Geschirr zerschlagen hat . (Was machen sie ?) Der jagt nach ihr. E r fangt sie. (Was ha t er im Gesicht ?) Einen Verband auf den A u g e n . . . vielleieht ha t or sohmerzhafte Augen.

282 R. Klein :

Es sei betont, dal~ hier nur jene Reaktionen yon Paralytikern wieder- gegeben sind, die teilweise gr6bere Fehler zeigten. Jene Paralytiker, die in einem besseren Allgemeinzustand waren, 16sten die Aufgaben miihe- los, und wenn die Situation auch nicht immer ganz korrekt aufgekl~trt wurde, so waren ihre Deutungen doch sehr ann~hernd zutreffend. Aus dieser Gegenfiberstellung ist ersichtlich, um wieviel besser die Antworten der Paralytiker sind als die der Senilen.

Zum Schlu{~ sei noch auf die St6rung des Personenged~chtnisses hingewiesen, die teilweise zu dem Beziehung hat, was ffir das Simultan- erkennen von Belang ist, wenn wir dabei der Erfassung des Ausdruckes und Bewegungen der bildlich gegebenen Gestalten Bedeutung beilegen. Wit k6nnen immer wieder aus den Angaben der Angeh6rigen entnehmen, dal~ das Erkennen frfiher gut bekannter Personen im Laufe der Er- krankung bald zu versagen beginnt. Die Priifungen, die wir an der Klinik mit dem Material anstellten, zeigten folgendes Ergebnis: Der Arzt, der sich mit den einzelnen Patienten best~ndig besch~ftigte, wurde naeh einiger Zeit auch ohne die gewohnte Umgebung, das heil~t im Zimmer des betreffenden Patienten oder im Examenzimmer, erkannt. Ebenso, wenn der betreffende Arzt den ~rztemantel ablegte und ohne diesen bei dem Patienten ersehien. Allerdings darf hier nicht vergessen werden, dal~ dem Patienten dabei andere Merkmale zur Hilfe kommen konnten, die mit dem Physiognomischen niehts zu tun haben, so die Stimme des Betreffenden, die Art des Umganges usw. Andere ~rzte, die fliichtiger sich an dem Patienten zu schaffen machten, wurden meist nicht wieder erkannt. Es kSnnte scheinen, dal~ solche Patienten h~ufig nur in ihrer gemiitliehen Redeweise jeden, der ihnen vorgefiihrt wird, als bekannt begriil~en. DaB aber eine gewisse StSrung bzw. Unsieher- heir vorhanden ist, zeigt das sehon vielfach beschriebene Verhalten der Patienten auf suggestive Fragen in jeder beliebigen Person einen alten Bekannten zu sehen, der innerhalb kurzer Zeitr~ume Name, Beruf und Beziehung zu dem Kranken wechseln kann. Eine solche Sugestibilit~t kann gewil~ nur auf dem Boden einer Unsicherheit waehsen. Aueh bei den Paralytikern kommt es gelegentlich vor, da{~ das Personengedi~eht- nis nicht mehr ganz intakt ist. "Es ist aber sowohl in der Anamnese viel seltener festzustellen wie auch bei einer darauf geriehteten Priifung. An dem an der Klinik befindlichen Material, das entsprechende Unter- suchungen erlaubte, konnten keine grSBeren StSrungen festgestellt werden.

Im selben Sinne spreehen die Versuche, die wir an Bildern maehten; wir bedienten uns zu diesem Zweeke schematischer Zeichnungen, die einen bestimmten Gesiehtsausdruck darstellen (Weinender, Zorniger usw.), Karikaturen, und sehlieBlich legten wir dem Patienten Zeichnun- gen yon KSpfen vor, an denen ein bestimmter Teil fehlte (Nase, Auge

Uber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 283

usw.); auch hier schnitten die progressiven Paralytiker sehr gut ab, wogegen die Senilen nur selten eine entspreehende Reaktion aufweisen konnten. Sie vermoehten weder den Gesiehtsausdruck abzulesen, noch erfal~ten sie die Karikaturen und iibersahen fast stets, was an den letzten Bildern in der Zeichnung zu ergi~nzen w~re.

Konstruktive F~ihigkeiten. Abgesehen von den sehriftliehen Leistungen wurden vergleichende

Untersuchungen in der Darstellung im Zeichnen durchgeftihrt und so,

Abb. 4. Messer. Abb. 5. Messer.

Abb. 4--6. Freies Zeichen.

Abb. 6. Uhr.

Abb. 7. Fenster.

a) freies Zeichnen, b) Kopieren.

a)

Abb. 8. Tisch.

a) freies Zeichnen, b) Kopieren.

b)

dab mittels Holzst~bchen bestimmte Figuren, Ziffern, Gegenst~nde gebildet werden sollten. Zur Illustration seien vonder haupts~chlich gestSrten Gruppe, d. i. der senilen Demenz, Zeichnungen beigeffigt und auf diese verwiesen (s. Abb. 4--8). Man sieht daraus, da] diese Leistun- gen bei der senilen Demenz im hSehsten Grade gestSrt sind, dal~ es dem Patienten meist nieht mSglich ist, auch nur die einfaehsten Figuren darzustellen, w~hrend die Paralytiker bei diesen Versuehen relativ sehr gut abschneiden. Die Fehlreaktionen der Senilen auf diesem Ge-

284 R. Klein :

biete geben hauptsi~chlich zu folgenden Fragen Anla~ : sind den Patienten die Vorstellungen, die ffir die richtige LSsung bzw. ffir den richtigen Ent- wurf der Aufgabe notwendig sind, verlorengegangen, oder handelt es sich um die UnmSglichkeit, den Entwurf darstellerisch umzusetzen ? Diese Fragen sollen sp~tter bei der Besprechung des Gesamtbildes erSrtert werden.

Intellektuelle Leistungen im engeren Sinne. Reproduktion von in der Jugend erworbenen Kenntnissen.

(~ber jene erworbenen Erkenntnisse, die keine intellektuellen Lei- stungen im engeren Sihne beanspruchen, wie das Schreiben, Lesen usw. wurde schon friiher gesprochen. Allgemein angewandt zur Feststellung eines intellektuellen Defektes wird die Rechenpriifung. Es ist fiir beide hier in Rede stehenden Krankheitsgruppen wohl bekannt, dab sie bei dieser Priifung mehr oder weniger erhebliche Defekte aufweisen. Auch aus den Erfahrungen an unserem Material ergibt sich dasselbe. Priifen wir zuerst das Kopfrechnen, so kSnnen bei beiden Erkrankungen Fehler vorkommen; ein gewisser Unterschied liegt vielleicht darin, dal~ es genug Paralitiker gibt, die einfache Rechenaufgaben im Kopfe ohne Schwierigkeiten 15sen, wi~hrend die senile Demenz ausnahmslos beim grol~en Einmaleins oder bei Additionen yon zweistelligen Zahlen er- hebliche Schwierigkeiten hat und fehlerhafte Resultate bringt. Dieser Er- fahrung an unserem Material kann aber deshalb keine so gro~e Bedeu- tung beigelegt werden, weft die Schulbildung bei der Senilen in Zeiten fi~lR, bei der diese Kenntnisse nicht so gut durchgebfldet wurden wie spater und es sich aul~erdem ~al~t durchwegs um Nichtintellektuelle han- delt. Wir'hatten schon friiher erw~hnt, da~ das Ziffernschreiben bei der senilen Demenz gegenfiber dem Buchstabenschreiben relativ gut erhalten ist. Zu grSberen Fehlern kommt es jedoch schon, sobald wir mehr- stellige Zahlen schreiben lassen, wobei der Fehler vielfach in der Be- stimmung des Stellenwertes liegt. Geht das Kopfrechnen zumindest beim kleinen Einmaleins bei der senilen Demenz noch ganz gut von- statten, so ist im Gegensatz dazu das schriftliche Rechnen schon bei den einfachsten Aufgaben hochgradig gestSrt. Die Patienten wissen nicht, wie sie die ausgerechnete Zahl und wohin sic sie aufschreiben sollen, sie bringen alles durcheinander, sie vermSgen sichtlich nicht mehr, die elementaren Grundzfigc der Aufg~be richtig anzuwenden, so daI~ yon einer auch nur liickenhaften LSsung in den meisten F~tllen gar nicht die Rede sein kann. Es mul~ ~ber auch da auf die Art unseres Materials hingewiesen werden. Allerdings gehen im allgemeinen die darauf geprfiften Paralytiker aus denselben sozialen Klassen hervor; trotzdem geht aber die StSrung im allgemeinen auch nicht im ent- ferntesten so welt wie bei den Senilen. Bei halbwegs komponierten

l~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbl6dsinn. 285

Paralyt iker ist das Schreiben yon mehrstelligen Ziffern gewShnlich erhalten, die Stellenwerte werden richtig angegeben, im schriftlichen Rechnen mit einstelligen Zahlen unterlaufen mehr oder weniger kleine Fehler, aber auch in den schwersten Fallen, die einer solchen Prfifung gerade noch unterzogen werden kSnnen, ist die StSrung kaum so hochgradig, wie wir sie beim gewShnlichen Durchschnitt der senilen Demenz finden.

Es wird/ iberal l hervorgehoben, dab die Senilen fiber die Vorg~nge ihrer Jugend gut orientiert sind. Dies s t immt aber nur insofern, als es sich um die Wiedergabe vereinzelter Erlebnisse handelt, die ja tat- s~chlich oft mit einer fast iibertriebenen Genauigkeit wiedergegeben werden kSnnen. Wir wiesen aber schon frfiher darauf hin, dab der De- fekt im zeitlichen Nacheinander bis in die frfihe Jugend hineingreift, dab auch da ein geordneter Zusammenhang in der Darstellung yon Vorf~llen sich h~ufig vermissen l~Bt. Jedenfalls aber bezieht sich das Erhaltenbleiben der Erlebnisse in der Jugend keineswegs auf die in dieser Zeit erworbenen Kenntnisse. Wir legten den Senilen wie den Para- ]ytikern die gleichen einfachen Fragen vor. Bei den Paralyt ikern waren die Antworten ganz verschieden, je nach dem Allgemeinzustand des betreffenden. Gut erhaltene Paralyt iker 15sten solche einfachen Fragen glatt , ohne dab wesentliche Fehler begangen wurden, solche im schlech= teren Allgemeinzustande konnten eine l~eihe der vorgelegten Fragen nicht beantworten, h~ufig gaben sie auch etwas ganz Unsinniges zur Antwort, aber selbst bei dieser letzteren Gruppe kam noch eine verhalt- nism~Big groBe Reihe von guten Reaktionen vor. Wir wollen einen Teil der Reaktionen, wie sie ein sonst ganz gut komponierter seniler Dementiker gibt, der in seinen sonstigen Leistungen eher dem Durch- schnitt der von uns untersuchten Senilen fiberragt, der Reaktion eines sehr dementen stumpfen Paralytikers gegentiberstellen.

Tr. (senti). (GrSBte Stadt in BShmen ?) Das habe ich nie gewuBt. (Von ~V[/~hren ?) Die kenne ich nicht. (Ncnnen Sie eine Stadt in M~hren ?) Ich kenne sie nicht, ich war nicht dort gewesen, das habe ich vergcssen. (Hauptstadt yon England ?) England (Belgien)kenne ich nicht, ich bin dorthin nie gekommen. (In welchem Lande liegt London ?) Dort unten rechts. Patient macht dabei die cntsprechenden Bcwegungen mit der Hand. (Der gr6Bte Fluff in BShmen ?) Save. (Andere Flfisse ?) Ich bin nicht gefahrcn, aber auf der Save bin ich in Bosnien gewesen. (St/~dte in RuBland ?) Dorthin bin ich nicht gekommen. (Wer hat Ame- rika entdeckt ?) I ~ (Wann ?) Das muff schon lange her sein. (Welche Gestalt hat die Erde?) . . . (Bewegt sie sich?) Ich glaube nicht . . , sie steht auf der Stelle. (Aufz/~hlen von Metallen ?) Ncnnt nur Gold, Silber und Nickel. (Wie teilt man die Tiere ein ?) Nach der Farbe.

To. (Paralytiker). (GrSflter FluB in B6hmen, Hauptstadt yon M/~hren, Haupt- stadt yon Rul]land, der Tfirkei, yon Belgien ?) Sofort richtige Antwort. (Wie groB ist die Hauptstadt yon M~hren ?) 1900 Einwohner (in Wirklichkeit gegen 200000). (Welche Gestalt hat die Erde ?) Eckig. (Entdeckung Amerikas ?) I - -

286 R. Klein :

(Wann?) Im 15. Jahrhundert. (Wann war der Dreil]igj~hrige Krieg?) . . . (Wie lange hat er gedauert ?) Einige Tausend.

In den meisten F~llen yon seniler Demenz bekommen wir auf der- artige Fragen fiberhaupt keine Antwort; man bekommt den Eindruck, dab die in der Jugend erworbenen Kenntnisse bei der Senilen in diffuser Weise verlorengegangen sind, w~hrend bei der Paralyse mit dem Fort- schreiten der Erkrankung immer mehr und gr6Bere Lficken entstehen. Es muB aber fiir die senile Demenz noch darauf aufmerksam gemacht werden, dag die fehlerhaften Reaktionen nieht ganz dem Verlust an tatsi~ehlichem Besitz entsprechen.

Es spielt hier das eine Rolle, was auch sehon vermerkt wurde, dab die Patienten auf bestimmte Fragen nicht alles aus sich heraus geben k6nnen. So bekommen wir z. B., wenn wir die Frage stellen, sie sollen alle St~dte ihres Landes, die sie kennen, aufz~hlen, nur eine sehr karge Antwort, die Patienten vermSgen nicht mehr als 2--3 Stadte zu nennen. Aus anderen Reaktionen bzw. beim Wechsel der Aufgabestellung ist er- siehtlieh, dab sie tatsi~chlich vielmehr im Gedi~chtnis haben; sie kSnnen nur nicht darfiber prompt verffigen. Wenn auch dadurch die Beurtei- lung fiber die tatsaehlichen Kenntnisse eingesehrankt wird, so muB dieses Verhalten doeh nur als ein Plus gedacht werden, das neben dem tatsachlichen Ausfall die schleehten Reaktionen der Patienten ver- sti~rkt. Die Defekte in den erworbenen Kenntnissen sind auch davon abgesehen sieherlieh reeht groB. Sie sind jedenfalls bedeutender als beim Durchsehnitt der ParMytiker. Bei den letzteren kommt es aber aueh zu keiner derartigen groben St6rung im Parathaben ihres Wissens, sie setzen das, was sie haben, viel prompter ein als der Senile.

Kenntnisse der gegenwdrtigen Verhdltnisse.

Bei der senilen Demenz sind nur ab und zu Antworten zu erzielen, die darauf hinweisen, dab sie sieh in der Gegenwart, in ihrer Umgebung in detaillierterer Weise zurecht f~nden. Ist bei einer direkt darauf geriehteten Frage die Antwort der Patienten sehr unbefriedigend, so ist auch das, was man auf Umwege dureh Hilfsfragen aus ihnen schSpfen kann, nut ganz gering und bleibt aueh in diesem AusmaB noch sehr unsieher und verschwommen. Kenntnisse fiber politische Verh~ltnisse, fiber allgemeine Geschehnisse yon grSBerer Bedeutung sind aus ihren Antworten entweder fiberhaupt nicht, oder nur sehr spi~rlich zu er- sehen. Neben einer zugrunde liegenden AllgemeinstSrung mag wohl eine Teilursache in der Interesselosigkeit soleher Patienten ffir i~uBere Ereignisse gelegen sein, die vielleicht schon lange Zeit vor der Ein- lieferung bestanden haben mag. Die Paralytiker verhalten sich be- ziiglich der Kenntnisse der Gegenwart ungef~hr so wie bei der yon Vergangenem. Es l~Bt sich ebenso eine Reihe aufstellen, deren Uber-

i3ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 287

gang in grobe Defekte durch immer grSler werdende Lficken ver- bunden wird. Die sehwersten Defekte der Paralyse reichen aber noeh nieht an den durehschnittlichen Ausfall der Senilen heran. Wahrend bei der progressiven Paralyse mit dem allgemeinen Verfall der PersSn- lichkeit die einzelnen Defekte parallel zu gehen scheinen, halt bei der senilen Demenz der Defekt einzelner Funktionen und Zerfall der PersSn- lichkeit nicht gleiehen Schritt.

Zum Teil mit dem geringen Interesse, das die senti Dementen an ihrer Umgebung haben, zum Teil aber auch mit der rkumlichen und zeitlichen Desorientierung, mit dem UnvermSgen, Feinheiten und Details aufzufassen, steht im Zusammenhang, dal~ es ihnen schwer fallt, neue Situationen zu erfassen. Es wird z. B. noch zur Not viel- fach yon ihnen erkannt, dal~ sie in einem Krankenhaus sind, obzwar das Bewul~tsein dessen nicht so fest sitzt, sie gelegentlich immer wieder un- sicher werden, es wird auch der Arzt als solcher gewertet, fiber nahere Details ihrer Umgebung aber vermSgen sit nur selten Auskunft zu geben. Wie verschwommen und unsicher ihre diesbezfiglichen Ant- worten sind, kann man aus jedem einzelnen Examen entnehmen; so wird darauf hingewiesen (H. Biirger), dab sie die Person des Arztes nach dem Unterhaltungsstoff wechseln, bald sprechen sie ihn mit Lehrer, bald mit Offizier, Verwalter usw. an. Recht kennzeichnend sind ffir dieses Verhalten die Reaktionen eines unserer Patienten, die hier wiedergegeben werden sollen. Der Pat ient wurde fast tkglich vom Verf. examiniert. Wurde er direkt nach dem Berufe des Exami- nanten gefragt, so bezeichnete er ihn gewShnlich als Arzt, nur ab und zu kam es vor, dab er wahrend der an ihm vorgenommenen Prfifungen ihn wie in Zerstreuung als Lehrer ansprach. Nun wurde zufallig in einer best immten Periode in dem Zimmer, in dem sich der Kranke aufhielt, des 5fteren Geige gespielt. Als er nun wkhrend dieser Zeit gefragt wurde, was er hier mache, wo er hier sei, meinte er, es sei eine Musik- schule, er gehe wie die anderen in die Schule. Als er im Anschlul~ daran nach seinem Alter gefragt wurde, so gab er dies mit 14 Jahren an, er palate dies sichtlich den vorangegangenen ~ul~erungen an. Bemer- kenswert bei diesen Reaktionen ist, dab der Pat ient die beiden Erleb- nisse, die ihn an der Klinik zu dieser Zeit am meisten beschkftigten, denen er die grSl te Aufmerksamkeit schenkte, aus allen anderen Er- lebnissen und Inhal ten herausnahm. Nut diese beiden benfitzte er f fir die Orientierung seiner gegenwartigen Situation. Man wfirde aber auch hier fehlgehen, wenn man annehmen wfirde, dal~ ihm alle anderen Nebenumstande tatskchlich unbekannt waren und dal~ sie yon ihm nicht beachtet worden wkren. Es ist aber nichts Festes, nichts Bestimmtes vorhanden, u n d e s wird bei jeder Aufgabe nur mit einem Tell des tat- skchlichen Wissens gearbeitet. Ein solches Verhalten wurde schon bei

288 R. Klein :

anderen Reaktionen festgestellt, so decken sich in vieler Beziehung, die hier auftretenden Fehlreaktionen gegenfiber einer konkreten Situa- tion mit denen, die bei der Prfifung auf das Simultanerkennen gefunden wurden.

Im Gegensatz dazu finder sich die progressive Paralyse um vieles leichter in gegebene Situationen, wenn sie auch feinere Details bei der Orientierung hi~ufig vermissen l~Bt; so ist von schwer psyehoti- sehen Bildern abgesehen, die allgemeine Kenntnis und das Versti~ndnis fiir die jeweilige Situation im allgemeinen reeht gut und zeigt jedenfalls nur ganz selten solche Fehlurteile und Unsieherheit, wie es bei den Senilen so hi~ufig ist.

Au//assung und Verwendung von Zahl- und Mafleinheiten. Bei der progressiven Paralyse wie bei der senilen Demenz kommen in

gleicher Weise Fehler vor, wenn wir MaBe und Gewichte unterteilen lassen; sie sind im allgemeinen bei der progressiven Paralyse nur in vorgeschrittenen F~llen erheblicher. Die Fehlreaktionen, wenn wir haupts~chlich fortgeschrittenere Paralytiker zur Vergleichsunter- suchung verwenden, sind weder der Schwere noch der Art nach in den beiden Krankheitsgruppen voneinander verschieden. Bei beiden Erkrankungcn kommt es vor, daB sie die MaB- und Gewichts- einheiten bei der Anwendung miteinander verwechseln, so gibt z .B. ein Seniler die GrSBe eines Menschen in Klaftern, ein anderer nach dem Gewicht des Menschen gefragt, dieses in Metern an. H~ufig ist der Begriff der GrSBe vollst~ndig in Verlust geraten. Als Beispiel seien die Reaktionen eines Senilen wiedergegeben : (Wieviel miBt ein Mensch ?) . . . (Wieviel hat er Meter oder Zentimeter?) 5 . . . 10 und 2. (Wie groB sind Sie ?) 1 2 . . . 10. (Wieviel Meter ?) Das ist 10, 20, 23. (Wie groB sind Sie ?) 1 0 . . . 10 M e t e r . . . das n i c h t . . , ungef~hr 22. (Wieviel wiegen Sie ?) 2 0 c m . . . 22 cm. Ich habe mich nicht gewogen. (Wiegt der Mensch in Metern ? ) Patient gibt keine Antwort, verbessert auch nicht. (Wiegt oder miBt er Meter ?) Er miBt Meter. (Was bedeutet ein Meter ?) Ein Meter hat 100 kg. (Wieviel wiegt der Mensch ?) 24 kg. (Und wie groB ist der Mensch ?) Auch 20 Meter. (Wieviel Gramm hat ein Kilo- gramm ?) Ein Kilogramm hat 100 dcm. Von nun ab gibt er, als er auf die Unterteilung yon Meter- und Kilogrammsystem gefragt wird, voll- sti~ndig riehtige Antwort. Es ist aus diesen Reaktionen ersichtlieh, dab MaB: und Gewichtssystem dem Patienten durcheinander geraten, dab er sie in ihrer Anwendung miteinander verweehselt. Im Laufe der Prii- ~ungen kommt es zur Verbesserung der Leistung. In der Sch~tzung von Gegensti~nden nach dem Gewicht verhalten sich die progressiven Paralytiker insofern schlechter, als hier sichtlich ganz unsinnige Ein- f~lle produziert werden, bei denen sie hartn~ckig verharren. Die Senilen

t~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersbIfdsinn. 289

geben im allgemeinen recht gute Antwor~en, sie vermSgen, wenn nicht i~hnliche Reaktionen zustande kommen, wie die oben angefiihrte, Gegensti~nde abzuschi~tzen, das anni~hernde Gewicht und die GrSSe yon bekannten Tieren anzugeben, ebenso markieren sie die MaBeinhei- ten richtig, zeigen richtig die GrSBe eines Meters, Dezimeters usw. an.

E i n i~hnliehes Verhalten wie fiir die angeffihrten Einheiten zeigen auch beide Erkrankungen ffir die Zeiteinheit. Es iiberwiegt vielleicht etwas im Durchschnitt das Fehlerhafte beim Senilen. Auch hier ist das eharakteristisch, was das obige Beispiet ersehen l~13t, dal~ die Senilen hi~ufig zu Beginn ganz verkehrte Antworten geben, die sich dann im Verlaufe der Prfifung bessern, und zwar geschieht das hiiufig so, daI~ plStzlich yon einem bestimmten Moment an die Antworten korrekt ausfallen. Andererseits li~l~t sich aber wieder beobaehten, da$, wenn zwei verschiedene Einheiten zugleieh behandelt werden, der Senile immer wieder leicht in Verwirrung geri~t. Beim Paralytiker kann man hi~ufig beobaehten, dal~ mit der Prtifungsdauer die Resultate sich eher versehleehtern.

Zur Prfifung auf das Versti~ndnis der Zeitbestimmung wurden auch die Headsehen Uhrteste verwendet. Wir wollen die einzelnen Reaktionen der Patienten nicht gesondert anffihren. Das Resiim6 stellt sich folgen- dermaf3en dar: Im Ansagen der Zeit, das heil3t, wenn yore Untersucher die Zeiger auf eine bestimmte Zeit gestellt werden, verhalten sich die senil Dementen und fortgeschrittenere progressiven Paralytiker im a l l gemeinen gleich; bei beiden kommt es vor, dab einzelne FMle absolut versagen, beim Durehsehnitt kommt es erst zu Schwierigkeiten, wenn die Zeit naeh Minuten bestimmt werden soll. Man sieht hi~ufig, wie es Head an Aphasikern beobaehtet hat, dab v o r u n d naeh verwechselt wird. Beim Stellen der Uhr einer vom Untersucher angesagten Zeit verhalten sich die Senilen schleehter als die progressiven Paralytiker. Sie drehen hi~ufig die Zeiger ratlos hin und her, verwechseln groBen und kleinen Zeiger, und die Sehwierigkeiten werden noch grSl~er, wenn nach Minuten angesagt wird. Auch bei den progressiven Para- lytikern kommen Fehlreaktionen vor. In sehwer dementen FMlen wird, so wie man es aueh bei der senilen Demenz sehen kann, aueh nieht anni~hernd riehtig eingestellt, sonst bestehen die Fehler meist darin, da$ das Stellen der Zeiger ungenau ist, dab die angesagten Minuten nicht beriieksichtigt werden, und vor allem, dal~ die Patienten eine einmal gegebene fehlerhafte Stellung auch bei wiederholter Aufforderung nicht korrigieren.

Nacherzdihlen yon Vorgelesenem.

Text: Marie sah zu Hause den GroBvater, wie er den Kalender liest, der Grol3- va~er legte das Buch und die Brille auf den Tisch und ging hinaus. I)as M~dchen setzte sich an seine Stelle, nahm den Kalender in die Hand und setzte sich die

Z. f. d. ges. ~eur . u. Psych. 124. 19

290 R. Klein:

Brille auf die Nase. Sie wollte auch lesen, aber konnte nicht. Sie sagte sich: das ist eigentfimlich, eine Brille habe ich wie der GroBvater, ein Buch habe ich wie der GroBvater, und doch verstehe ich nicht zu lesen.

Wiedergabe de8 Vorgelesenen. Senile. Erster Patient Tr.: Marie hat eine Brille wie der GroBvater, wenn sie sich die Brille auf die Nase setzte, ging es nicht. Der Text wird demselben Patienten zum zweiten Male vorgelesen. Wiedergabe des Patienten: Marie war beim GroBvater, der GroBvater legte die Brille hin und ging hinaus; Marie nahm die Brille, setzte sich die Brille auf die Nase nnd nahm das Buch, dann sagte sie, das ist eigentfimlich, daft ich nicht zu lesen verstehe wie der GroBvater. Auf entsprechende Fragen beztiglich des Sinnes des Gelesenen gibt der Patient Antworten, die zeigen, dab er das Gelesene verstanden hat. Zweiter Patient Ko. Beim ersten Male, als es ihm vorgelesen wurde, vermag Patient nichts wiederzugeben. Nach dem zweiten Male produzierte er folgendes: Marie saB beim Tische, las ein Buch, welches vorher der GroBvater gelesen hat. Der GroBvater ging dann hinaus, und Marie nahm das Buch in die Hand und las yore GroBvater, dann legte sie sich selbst aus, daB es doch eigentfimlich ist, dab sie eine Brille hat und ein Buch wie der Groflvater und doch das Buch nieht weglegen muflte. Sie sagte sich selbst woher das kommt, dab sie ein Buch hat wie der GroBvater und eine Brille wie der Groflvater und nicht zu lesen verstehe. Der Sinn der kleinen Geschichte wurde auch yon diesem Patienten im groflen und ganzen verstanden. Drifter Patient Pl.: Da war ein M~dchen, das hatte Freude vom GroBvater und yon seiner Brille, sie sagte sich, ich habe eine Brille, der Groflvater sieht durch die Brille und ich sehe darauf nicht. Auch bei diesem Patienten liefl sich ein Ver- st~ndnis des Vorgelesenen annehmen. Vierter Patient Ce. (naeh dem ersten Vor- lesen): Das i s t . . , das las m a n . . , es wird wiederkommen.. , wie ein B r i e f . . . e r . . . k . . . Beim wiederholten Vorlesen: Wie ein Fr~tulein gewesen ist, das ein Buch hatte. Sie sagte, daft sie das Buch hat und sagte, daft sie nicht lesen k a n n . . . sie s a g t . . , daft sie ein Buch hat wie der Groflvater und nicht lesen kann. Zu diesem Patienten mul3 erw~hnt werden, dal3 es jener ist, der schon einmal als Beispiel der ,,SprachstSrung" angefiihrt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es recht bemerkenswert, wieviel er verh~ltnism~13ig yon dem Vorgelesenen wiedergibt und, dab doch ein Teil des sinngem~flen Zusammenhanges erfaflt wurde.

Pri~/ung an Paralytikern. Erster Patient To. (nach dem ersten Vorlesen): Sie Sagten mir, dab der GroBvater die Brille nahm und wegging. Sie stand auf und sie nahm die Brille und konnte nicht lesen wie der GroBvater und gab die Brille zurfick. Nach Wiederholung der Erz~hlung: Der GroBvater nahm die Brille und las aus dem Kalender, er dachte sich, dab er hinausgehen miisse, den Kalender legte er bin und die Brille auch; die Tochter stand auf, nahm die Brille und las und verstand es n i c h t . . , es gehSrt noch etwas dazu, ich weiB e s . . . das M~dchen k l ag t e . . , daB sie es zuriickgibt, damit der GroBvater es nicht weiB. Der Patient versteht sichtlich das, worauf es ankommt, nicht. Zweiter Patient (nach dem ersten Male): Marie wollte lesen und hatte keine Brille und sag te . . , dab der GroBvater die Brille habe und zu lesen verstehe, und sie habe die Brillle, die ihr der GroBvater geborgt hat und kann nicht lesen. Nach Wiederholung: Der GroBvater ist weg- gegangen und legte die Brille hin, und das M~dchen nahm die Brille auf die Augen und sagte, das ist wunderlich, der Groflvater sieht durch die Brille und liest und ich sehe dutch die Brille und kann nicht lesen, so legte sie die Brille hin und hSrte auf. Hier ist dem Patienten der Sinn des Vorgelesenen klar. Dritter Patient Do. Beim ersten Vorlesen vermag Patient nichts zu reproduzieren. Nach dem zweiten: Marie nahm den Kalender und wollte lesen. Lesen, und sieh, sie konnte nicht lesen.. der GroBvater ging hinaus. Nach dcr dritten Wiederholung: Der GroBvater ging h inaus . . , er hat die Brille dort gelassen. . . Marie nahm den Kalender, das Buch

(~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 291

und konnte nicht lesen. Vierter Patient Str. (erste Reproduktion) : Es war ein Vater, der hat ein grofles Buch gelesen. . , da hatte s i e . . , der hat soviel ge lesen . . , sie hatte noeh keine Brille und so konnte sie ihm nieht naehlesen. Zweite Reproduktion. Groflvater las einen Kalender und las . . . und die Toehter meinte, wie der Vater wegging . . , setzte sich die Mar i e . . . nahm den Ka lende r . . . und sagte, ich habe eine Brine auf der Nase und kann doch den Kalender nicht lesen.

Zu diesen R e a k t i o n e n der P a r a l y t i k e r mu~ hinzugef i ig t werden, d a b es sich besonders in dem 2. und 3. Fa l le um sehr gu t kompon ie r t e K r a n k e gehande l t hat , deren E r k r a n k u n g s b e g i n n n ich t lange zuri ick- liegt. U m so e r s taun l icher is t der Gegensatz zu den R e a k t i o n e n de r Senilen. Vor a l lem ist es bezeichnend, dab die Seni len um vieles besser den Sinn der Ganzen, das worauf es a n k o m m t , ve rs tehen und wieder- geben kSnnen, w~hrend yon der progress iven Pa ra ly t i s hauf ig Deta i l s in viel g r S ~ e r e m Mai3e wiedergegeben, dann wieder aber solche Einzel- he i t en vergessen werden, die dem Ganzen ers t einen Sinn geben; d ie Senilen br ingen meis t das Vorgelesene sprachl ich einfacher, weniger ge- d~chtnism~13ig, abe r t re f fender und mi t mehr Vers t~ndnis der Zusam- menhi~nge vor.

Bildung yon Oberbegri/]en.

Patienten werden beauftragt, an den nachfolgenden Beispielen das Gemein- same herauszuheben. 1. Beispiel: Messer, Gabel, LSffel. 2. Beispiel: Bleistift, Feder. 3. Beispiel: Spiegel, Kamm, Btirste. 4. Beispiel: Meer, Teich, FluB. 5. Beispiel: Hund, Pferd, Ochse. 6. Beispiel: Tisch, Stuhl, Schrank. Unter den gepriiften senilen zeigten, vorausgesetzt, dab die Aufgabe spraehlich und sinngem~B verstanden wurde, die meisten fast fehlerlose Reaktionen. Aus den Fehlreaktionen, die geh~uft nur ein einziger der Senilen gezeigt hat, seien folgende, hervorgehoben: Beim 1. Beispiel: Die Halter an der Hand; 2. Beispiel: Beide miissen eine Spitze haben; 5. Beispiel: Sie htiten das Eigentum.

Im Gegensatz dazu sind bei der progressiven Paralyse meist ganz zutreffende Antworten nur sehr selten. Das 1. Beispiel wird fast yon allen richtig gelOst. 2. Bei- spiel: Die eine muff man eintauchen, mit dem Bleistift kann man gleieh schreiben, mit der Tinte schreibt man. Zum 3. Beispiel: Der Spiegel ist weiB eingefal3t und wird mit einem Haken aufgehitngt, dab man sich hineinschaut, die Biirste ist ffir die Z~hne usw. 5. Beispiel: DaB sie Tiere sind, der Hund bewacht usw., dab sie fahren, aUe drei haben Sehweife und ~hnliches. 6. Beispiel: Der Sehrank auf Kleider, der Sessel zum Sitzen, die sind schwarz lackiert und ~thnliches.

Die Reak t ionen , die hier angeff ihr t werden, s ind solchen P a t i e n t e n en tnommen , die die Aufgabe ve r s t anden haben, was m a n aus gelegent- l ich gu ten R e a k t i o n e n ersehen kann . Es is t hier fiir d i e P a r a l y t i k e r jedenfal ls charak te r i s t i sch , dab sie das Wesent l i che der Aufgabe n ich t her~uszuheben vermSgen, vom Nebensi~chlichen n ich t abs t r ah ie ren kSnnen und da ranha f t en . I m Gegensatz dazu ve rha l t en sich die Seni len be i d ieser Aufgabe meis t ko r r ek t und vers t~ndig.

Unterschieds/ragen. Ffir diese Aufgaben wurden drei Beispiele gewi~hlt: 1. Beispiel: Untersehied

zwischen Fluff und Teich. 2. Beispiel: Pri~sident - - Kaiser. 3. Beispiel: Liige - -

19"

292 R. Klein :

Irrtum. Aus den Antworten konnte fiir keine der beiden Erkrankungen irgendeino Gesetzm~Bigkeit oder etwas wesentlich Differierendes festgestellt werden. Die Fehlantworten, die hier bei beiden Gruppen recht h~ufig sind, unterseheiden sieh im Prinzip nicht wesentlich voneinander; als Beispiele dieser Antwort~n sei ffir die Senilen angefiihrt: ad 1. : Der Flul] ist groB, der Teich klein (eine h~ufige Antwort). ad 2. : Die eine ist eine Hauptperson, die andere schw~cher, die einen bekommen mehr, die anderen weniger, ad 3. : Das Liigen ist der Unterschied, das ist ein groBer Unterschied, das ist wahr. Der Irrtum, das ist geirrt, der weiI3 es, beim anderen weil3 man es aueh, das ist ein Irrtum, dal3 er lfigt.

Beispiele von Reaktionen der Paralytiker: ad 1. : Stilles und reii3endes Wasser, dab dort Fische sind usw. ad 2. : Der Kaiser ist mehr als der President, der Kaiser ist ein grSl3erer Herr. ad 3. : Dieses Beispiel wird yon keinem der Paralytiker riehtig gel6st. Die Antworten lauten entweder: das weiB ich nicht, das verstehe ich nicht, ieh glaube es ist kein Untersehied.

W e n n wir zu diesen Reak t ionen hinzusetzen, dal~ es scheint, als ob die Senilen die Aufgaben richtiger auffai t ten u n d sich aueh ein richtigeres

Urte i l bilden, so ist das mehr ein E indruek , der u n m i t t e l b a r bei der Prf ifung erweckt wird als eine Annahme , die sich aus den sprachl iehen

Reak t ionen erschlie~en he~e; es mag auch sein, da{~ die F e h l a n t w or t e n

bzw. die Mangelhaft igkeit der LSsung dami t zusammenh~ngt , dal~ sich

die senile Demenz sprachlich n ich t so sicher u n d differenziert auszu-

dr i icken verm6gen. Bei der progressiven Paralyse hingegen b e k o m m t

m a n den Eindruck , dai~ ihnen das Versti~ndnis der vorgelegten Aufgabe

abgeht. De]initionen.

Folgende Begriffe wurden den Patienten vorgelegt: 1. Gerechtigkeit, 2. Sfinde, 3. Wald, 4. Stadt, 5. Gebirge, 6. Herde, 7. Fabrik, 8. Park. Einzelne Antworten: a) senile Demenz. ad 1. : Keiner g6nnt dem anderen etwas, wer gerecht ist in der Arbeit oder irgendwie. Der Mensch ist ehrlich, wenn er etwas findet und es abgibt oder ~hnliches. ad 2. : Jeder Biirger kann eine Siinde haben. Wenn man jemanden bestiehlt oder jemanden gemein beschimpft. ]:)as ist wie eine Strafe. ad 3. : Das ist ein Baum, wenn er 1/~ngere Jahre w/~chst, so ist es ein Wald. Der ist grol~ wie man es braucht, es sind Reihen von B~umen. ad 4. :Die Stadt ist grol~ und das Doff ist klein, ad 5. : Hier haben wir genug, aber kleine, dort bei P. sind genug Berge. Felsen und grol3e H0hen. ad 6. : Das sind Schafe, Kiihe, Ochsen, das ist ein Haufen yon Vieh, das man weidet, das ist Vieh und Weide. ad 7. : Wo man erzeugt, sagen wir Kalk, Molkereien. Da gibt es verschiedene, wie in Karolinenthal. Das ist zum Sehinden der Leute. ad 8: Das sind Gi~rten, wo man Obst pflanzt, das ist wie Gras, wie Pflanzen. b) Progressive Paralyse. ad 1.: Wenn einer die Wahrheit sprieht. Gleiehse Reeht. Ordnung. ad 2.: Wenn man schlecht maeht, wenn einer liigt. ad 3. : Ffir die Genesung ist der Wald gut, ffir Spazierg~tnge. Ein Feld, das bewatdet ist. Ist ein grol~cs, yon jungen Fichten bedecktes, gepflegter, immer grSBer wer- dender Baum. ad 4. : Je nach der Einwohnerzahl wie groB die St/~dte sind. Ist mit mehreren Hi~usern bzw. mit Gerichten und Kirchen versehen. Die haben viele tt~user, Berlin hat 450 Millionen. Wenn mehr als 500 sind. ad 5. : Wenn es gebirgig ist. GroBe Felsen. ad 6. : Eine Herde nennt man Schafe, eine Herde yon Sehafen, Rindern. Je naehdem, wieviel Dinger es sind, Schafe, Hunde, W61fe, eine Menge. ad 7. : Wo viel Arbeiter darin arbeiten. Arbeitsgeb~ude. Ein Unternehmen, das man zum Gewerbe beniitzt. GroBe Schornsteine. ad 8. : Ein wunderseh6ner mit B~nken besetzter Raum. Ist ein Garten mit Blumen, Rosen, Tulpen, Radieschen.

t~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 9.93

Alle Antworten, sei es nun, ob sie yon den progressiven Paralytikern oder yon Senilen stammen, sind dadurch gekennzeiehnet, daf~ sie die Begriffe nieht in ihren wesentliehen Anteilen auflSsen, das Haupt- s~chliche yore ~ebens~chliehen zu trennen vermSgen und so in ge- dr~ngter, knapper Form eine Definition geben kSnnen. Aus dieser Unf~higkeit heraus folgt dann ein andsrer Umsgand, der die Antworten dfirftig erscheinen l~l~t, daf~ sich n~mlich die Patienten an Reales anlehnen, nicht versgehen zu verallgemeinern und aus der Vorstellung yore Realen heraus Einf~lle oder was gerade im Vordergrund der Vor- stellung steht, vorbringen. Ein wesentlieher Unterschied in der Art der Produktionen l~$t sich hier zwischen progressiver Paralyse und seniler Demenz aus den gebotenen Reaktionen nieht herausfinden.

Zuordnung yon Gegenstdinden unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte. Wahrend die Senilen mit relativer Leichtigkeit die parallelen Auf-

gaben begrifflich zu 15sen verstehen, macht es ihnen um so grSl~ere Sehwierigkeiten, sine Reihe von Gegenst~nden, die vorgelegt werden, nach ihrer ZusammengehSrigkeit oder nach irgendeinem Gesichtspunkte einander zuzuordnen.

Es verhalten sich hier die gut komponierten Senilen, wie sehwer demente progressive Paralyse, wahrend die progressive Paralyse leieh- teren Grades wiederum viel besser abschneiden als bei der entsprechenden abstrakt gestellten Aufgabe. Wir mSchten die Reaktionen der Senilen mit frfiheren in Parallels bringen, aus denen gewisse Defekte der opti- sehen Wahrnehmung bzw. Verarbeitung zu erschliel~en waren; es soll sp~ter noch darauf zurfickgekommen werden. Auch die parallelen Ver- suehe an Bildern geben die gleichen Resultate; die senile Demenz ist nicht imstande, einen bestimmten Gesichtspunkt, einen ordnenden Faktor herauszufinden, nach dem vorzugehen w~re.

Kombinations/dhigkeit. Aul~er den schon angeffihrten Versuchen mit den Binet-Bobertag.

schen Bildern und dem Zusammensetzen von Bildteilen zu einem Ganzen wurde ffir diese Prfifung das Zusammensetzen von Worten aus Buch- staben verwendet. Die Senilen zeigten sich hier wie bei den beiden erstgenannten Prfifungen durchwegs vSllig hilflos, es kam auch nicht einmal vor, dab sie zu einem Resultate gelangten, selbst wenn sie die Auf- gabe verstanden hatten. Sie kamen fiber ein ganz unsicheres, zielloses Hin- und Herprobieren niemals hinaus. Aber aueh den progressiven Paralytikern macht diese Aufgabe erhebliche Schwierigkeiten. Bei fortgeschrittenen Fi~llen kommt es nie zu einer richtigen LSsung, aber aueh solchen, die gut beisammen sind, gelingt die LSsung hi~ufig nieht. Nur ab und zu vermochten sie durch Hin- und Herprobieren zu einem richtigen Resultat zu gelangen; vielleicht lassen sich bei der progressiven

294 R. Klein:

Pa ra lyse die Schwier igkei ten auf eine solche des inneren Wor tes , sowie es frfiher angeff ihr t wurde, zurfickfi ihren, w~hrend wohl bei der seni len Demenz mehr die S tSrung des Opt ischen im Vorde rg rund s teht .

Ziehen von Schli~ssen.

Wir haben fiir diese Prfifung ganz einfache Aufgaben gew~hlt, da es nicht darum zu tun war, die Grenze der HSchstleistung zu bestimmen; dafiir w~ren auch nur die incipienten Paralytiker in Frage gekommen, die allein die vorgelegten Aufgaben ohne Schwierigkeiten zu 15sen imstande waren. 1. Beispiel: Wenn ein Apfel zwei Heller kostet, wieviel kosten 10 ~pfel ? 2. Beispiel: 13 Birnen sollen unter 3 Kinder so in gleiche Teile geteilt werden, dab 4 Birnen iibrigbleiben. Als 3. Beispiel die bekannte Witzaufgabe: Wenn von einem Baum, auf dem 20 Spatzen sitzen, 4 her- untergeschossen werden, wieviel bleiben noch oben ? Das rein rechnerische der Aufgabe wurde deswegen so einfach gew~hlt, um durch die eventuellen Rechen- schwierigkeiten die Beurteilung der Durchffihrung nicht zu beeintr~chtigen. Wie schon erwithnt wurde, 16sten die Paralytiker, die in gutem Zustande waren, die beiden ersten Aufgaben prompt; die Fortgeschrittenen brachten die zweite Aufgabe meist nicht zustande, begriffen die Aufgabe nicht, jedenfalls aber war ihnen nicht klar, worauf es bei der LSsung ankommt.

Bei den Senilen b r a c h t e n mi t e iner A u s n a h m e die ers te Aufgabe alle zus tande, die zwei te Aufgabe wurde n u t yon e inem r icht ig gelSst ; sie l ehnten sie meis tens yon vo rnhe re in mi t dem Hinweis ab, da~ sie fiir sie zu schwer sei; mach t en sie dennoch den Versuch, so schien

sie vor a l lem die Zwei te i lung der Aufgabe zu verwir ren , u n d die Durch-

f i ihrung schei ter te da ran , die be iden Teile zu sondern und d a n n wieder u n t e r e inen gemeinsamen Ges ich t spunk te zu br ingen. W a s die d r i t t e Aufgabe anbe lang t , so gaben p r o m p t sowohl die p rogress iven P a r a - l y t i ke r wie auch die Seni len die i ib r igb le ibende Zahl m i t 16 an ; es muB abe r b e t o n t werden, daB diese Aufgabe sich u n m i t t e l b a r an d ie e rs ten zwei anschloB u n d yon der LSsung dieser s icherl ich beeinflul3t wurde. Es zeigt aber , dab es sowohl den P a r a l y t i k e r n wie auch den Senilen schwer f~llt, sich en t sp rechend umzus te l l en ; es k~me d a m i t eine gewisse S ta r r e und Schwerfi~lligkeit des Denkens zum Ausdruck , die eine jeweil ig no twendige Umste l lung der D e n k r i c h t u n g beh inder t .

Darstel lung.

Bei dieser Aufgabe wurden den P a t i e n t e n Themen gegeben, die sie sprachl ich zu behande ln h a t t e n ; sie sol l ten alles dar f iber erz~hlen, was ihnen dazu einfiel. Es sollen hier einige der P r o d u k t i o n e n yon

verschiedenen K r a n k e n wiedergegeben werden. Zum T h e m a S t a d t :

a) Senile. Erster Patient Kr.: Das ist ein wenig viel auf mich . . , vor 11 Jahren waren 3 Buden . . . wie es heute ausschaut, das ist zu sehen. Wie hat denn Prag ausgeschaut . . , es waren keine solchen Pal~ste, heute sind Pal~ste, friiher waren es Buden. Es ist lauter Herrlichkeit zu sehen, sie haben Pal~ste und wir haben n ich t s . . , wir haben nur H u n g e r . . . Es ist zu sehen, daft es lauter Herrlichkeit i s t . . , lauter P a r a d e . . . Friiher waren Hadern und ein Stfick Holz . . . . Zweiter Patient Tr.: Irgendwo ist das sehr schSn, dann anderswo wieder nicht. Es kann

t~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 295

nicht iiberall gleich s e i n . . , in Wien ist es reich, ich glaube, dab es noch reicher wie Prag i s t . . . Leben ist i i be ra l l . . , das muB erst in den Kopf kommen. Dritter Pa- tient C.: Sagen wir yon P r a g . . . da habe ich alles durchschaut, wie es sein w i r d . . . nehmen wir andere St/idte, nehmen wir kleinere oder grSBere, so wiirde ich neh- m e n . . , damit ich es v e r s t e h e . . , wenn der Mensch alter wird, so g e h t . . , so babe ich das aufgestellt, damit dieses da g u t . . , das ist der eine, jetzt nehme ich die zweite, die dritte, was die grSBeren sind, da nehme ich, muB ich alle auf einmal n e h m e n . . , damit sie gleich seien die Stadte, damit ich es nicht zerreiBe und acht- gebe, so nehme ich das vorsichtig. Damit ich es nehme, wie es sich gehSrt, so nehme ich alas so. Dann fiihre ich es so zusammen und jetzt bin ich f e r t i g . . . Ich nehme zusammen die Stadte, zwei oder drei zusammen. Sagen wir Beneschau . . . nehmen wir August oder eine andere Stadt, sagen wir M o n a t . . . sagen wir Tabor, Pilsen, Prag, so nehme ich das wie das ist.

In dieser Weise geht es bei dem Patienten fort, ohne dab im wesentlichen etwas Neues hinzu kame.

b) Paralytiker. Erster Patient No.: Ich war in Mahrisch-Budovic, dort war es h i i b s c h . . , bei Znaim war ich aueh, dort ist viel Landwi r t scha f t . . . In Bodenbach ist viel I n d u s t r i e . . . In Tetschen auch v i e l . . . In Polizze ist viel Industrie, dort ist viel Sch i f f ah r t . . . Dann ist es gebirgig, dort oben an der s~chsischen G r e n z e . . . es sind Ausflugsorte dann d o r t . . , dann waren wir in D r e s d e n . . . in Dresden war viel zu sehen, der zoologische Garten . . .

In dieser Weise geht es weiter, obzwar Patient immer wieder znm engeren Thema angehalten wird.

Zweiter Patient De.: Von F r a n k r e i c h . . . die St~dte Z i z k o v . . . Es ist ein Gast- haus, es ist ein Markt, es ist ein Eisenh~tndler, es ist dort ein Pferdefleisehhauer, es ist dort ein Kaufmann, es ist dort ein Biograph, ein Papierhandler . . . es sind kleine Baracken, es sind arme L e u t e . . . es ist eine Elektrische, die f a h r t . . , es sind da Gesch/ i f te . . . ein Fleischhauer usw . . . . Dritter Patient Str.: Die sieht wunderbar a u s . . , es gibt Theater, Kino, sonst n i c h t s . . , es gibt dort groBe Gast- h a u s e r . . , es gibt auch Hirschensprfinge, es ist aber kein H i r s c h . . . es gibt ein Caf6 W e s e r . . . die Stadt ist immer etwas grSBer als ein Doff, in der Stadt gibt es aber noch etwas, die W a s s e r . . . Was ist dort n o c h . . , die Stadt heiBt K a r l s b a d . . . eine S t a d t . . . es sind schon Stadte, die gebirgig s i n d . . , woes dort Bader g i b t . . . weiter weiB ieh nichts.

Schilderun 9 des Lebenslau/es. a) Senile. Erster Patient Kr.: Ich miiBte eine gauze Woche erz~hlen; als ich geboren wurde, muBte die Mutter eine Woche liegcn . . . wir haben keiner etwas gehabt, wir waren 8 Kinder, die Mutter muBte arbeiten, sie muBte Holz s ch l agen . . , wie ich ungef~hr 2 Jahre war, muBte ich schon in die Arbeit, muBte Ganse h i i t e n . . , ich hatte nichts und muBte immer a r b e i t e n . . . ich habe ein elendes Leben g e h a b t . . , man vergiBt auf diesen Wegen a l l e s . . . ich muBte wie ein Vieh a r b e i t e n . . . (Sind sie in die Schule gegangen oder beim Milit~tr gewesen ?) Zum Militar muBten wir gehen, wir haben immer g e a r b e i t e t . . , da waren noch keine K r i e g e . . . (Was war noeh weiter ?) Hunger war. (Wie lange haben sie gedient ?) 3 Jahre. (Was haben sie noch gemacht ?) Ieh muBte ins l%lz g e h e n . . . (Nach dem Militi~r ?) Ich habe ein kleines Handwerk gelernt. (Etwas anderes kSnnen sie nicht erz~hlen ?) Nur, dab ich abgeschunden bin. ( Geheiratet ?) Ja. (Wann ?) Zuhause wie ich auf Urlaub gegangen bin. (Kinder ?) 8 habe i c h . . . ich habe ein Handwerk gelernt und iibe es bis jetzt aus. Zweiter Patient Tr.: Wie man reich zum Milititr nahm, daran erinnere ich reich, geboren bei Beneschau, Bezirk Wotitz. Wie man mich zum Milit~r angenommen hat, bin ich nach Dalmatien g e k o m m e n . . , ich bin in die Schule gegangen, das war nach der S c h u l c . . . (Wie alt waren sie ?) Vom 6. Lebensjahre a n . . . 8 J a h r e . . . Ich habe Kiihe g e w e i d e t . . .

2 9 6 R. Klein :

nach der Schule bin ich in die Arbei t gegangen, der eine hut gesagt, du bist stark, sie haben mich dann angenommen zum Milit~r, ich bin naeh Dalmatien eingerfickt. Ich bin dann auf Ur laub gegangen. Ich war zu Hause bis zum 13. Juni , dann muBte ich naeh Bosnien einrficken. Bei der Okkupation 1888 war ich. Ich bin vom Milit/ir nach Hause gegangen. Ich war lange und l a n g e . . . Ich bin naeh Wien eingertiekt, dann naeh D a l m a t i e n . . . beim H a u p t m a n n (nennt einen Namen), dann wieder naeh Bosnien, dor t war ich 3 J a h r e . . . Der Mensch br ingt es durch- e i n a n d e r . . , dann habe ich g e h e i r a t e t . . , die Mutter starb, dann habe ich nur den Vater g e m a e h t . . , was willst du machen, du darfs t ihn nieht verlassen. Ieh mul~te reich verheiraten und ihn zu mir n e h m e n . . , ich habe Lust zum Gendarmen ge- habt , das ware besser gewesen. Aber sie sagten mir, ich ha t t e miissen den Dienst in Bosnien versehen. Das wollte ich n i c h t . . . Weiter weiB ich schon nichts. Dritter Patient Pl.: Ich war in Italien, ieh kann mich nicht e r i n n e r n . . , das ware viel, ich war in I tal ien und auch dort kam gerade soleh ein Wagen, das ist mein e i g e n e r . . . es ist v i e l . . , ich war in V e n e d i g . . . ich war in Italien, ich war so g r o g . . , und dort war so eine Stral~e, dort ha t eine aus M~hren gesessen und ieh habe mich mi t ihr bekanntgemacht . Ich babe mieh zu ihr gesetzt und bin immer eine Viertel- s tunde gesessen. Sie war aus M~hren aus S c h S n b e r g . . . ieh babe mich mi t ihr bekannt g e m a c h t . . , ieh bin mit meiner Bekanntschaf t ihr nahe getreten, sie war f a l s c h . . . Ieh habe ihr geglaubt, das ist das ganze. Das war so eine Stralle, sie war so lung, ich habe mi t ihr eine Bekanntsehaf t gemaeht, sie war falsch wie eine K a t z e . . . ieh kann darauf gar n icht kommen . . . ich war dann aueh auf der Stra l3e. . . ich bin gekommen um das Licht, es war dort sehr heil], so heiB war es dort, ieh bin um das Augenlicht g e k o m m e n . . . (Was war noch in ihrem Leben ?) I n meinem Leben ist so viel, bei der Wasserleitung habe ich die ROhren gemacht bis nach Prag selbst/~ndig. Ich war sehr vorsichtig bei der Arbeit, es ist m i r n i e etwas ge- s e h e h e n . . . Ieh habe aUes so vorsichtig g e m a c h t . . . (Was war noch in ihrem Leben ?) Ich kann nicht darauf kommen, es ist mehr als viel.

b) Paralytiker. Erster Patient 2Vo.: In dig Sehule gegangen. Ieh habe die Btirgerschule mitgemaeht , dann in die Lehre gegangen und dann in die Welt. Ieh war in ganz B6hmen, Steiermarck, 0sterreich, in Deutschland, meist in deut- sehem Gebiet. In Herrnskretsehen, Winterberg, Schandau. I m Jahre 16 waren wir in Leipzig und dann war die Denkmalsenthfi l lung in Kulm. Das war auch in demselben Jahre , einen Monat sp/s (Sie sollen ihre Lebensgesehichte erz~hlen!) Dann war ieh beim Militar im Jahre 92 bin ich eingeriickt, im Jahre 95 bin ich nach Hause gekommen, dann habe ich die Dinge m i t g e m a c h t . . , d ann war ich eingeriickt, viel Manfver mitgemacht , da war noch seine Majest/~t der Kaiser Franz, da babe ich ihn das letztemat gesehen. Die Man6ver sind schlecht a u s g e f a l l e n . . . dann war ieh im l~uBland im Kriege. Wie wit bei Dubno waren, ist yon seiner Majest~t der Befehl gekommen, 3 Regimenter nach I tal ien herunter . D a n n bin ich nach Hause gekommen, ich bin superarbi t r ier t geworden, dann war ieh in der b6hmischen Republik zur Untersuchung, ich bin nach Prag gefahren. (Sie sollen ihre ganze Lebensgesehiehte erzahlen !) Leben haben wir ganz gut geftihrt, ich mit meiner Frau. Zwei T6ehter haben wir, eine ist in Reiehenberg, eine ist zu Hause. Dann bin ich in Tetschen im Krankenhaus gewesen, dann bin ich hierher nach Prag gekommen. Zweiter Patient Str.: Ich war als kleiner Junge schon geplagt, gepriigelt yon meinem Vater, der stets besoffen war. Habe zu Hause unter dem Ofen geschla- fen. Uns besuehten sehr viele Schnapsh~ndler, sie waren unhSflich. Ieh ha t te sehr wenig anzuziehen. Ich war bei meinem GroSvater in Wiesental, ich ging in die Sehule, konnte keine einzige Aufgabe machen. Aus der Schule ging ich zu Gelert, habe das Handwerk gelernt, nach einem halben Jahre mul3te ich mich ent- fernen. Ieh kam naeh Chemnitz, ich habe da durch meine Ledigkeit 14 Mark ver-

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dient, das war im Jahre 97. Im Jahre 98 kam ich nach Hause, rfickte ein und wurde aber schon am 8. M~rz wundgeritten. Das hat unseren Rittmeister sehr gefreut. Ich wurde das erste Jahr schon Korporal, ich wollte nach Hause gehen, sie haben mich gehalten, ich hatte 4 Tage Arrest bekommen. Als ich nach Hause kam, war ein gewisser 01er, der hat reich aufgefordert, ich soll zur Finanzwache gehen. Mein Wunsch war es nicht. Am Freitag kam eine Frau mit vielen Brillanten. Ich habe den Leierkasten gespielt. Die kam die Woche dreimal, sie sagte, komm gehen wir tanzen, sie hatte zwei TSchter. Sie hatte ein Edelsteingesch~ft. Sie kam 5fter hinfiber und hat mich freigehalten. Ich ging mit einem Mi~del einige Jahre. Ich war in der Zuckeffabrik Pardubitz, dort war ieh angestellt, da hat mich ein gewisser Hahn eingeladen, der hat mir geschrieben, die Liesl mSchte es gerne haben, dal~ ieh GriiBe ausrichte. Man trifft mich in der zweiten Klasse Pardubitz, um 2 Uhr, bevor der Zug nach Wien geht. Auf einmal kam eine Dame hinein, die wollte mich kennen, die wollte sieh mir ansehlieSen, und sie sagte dem Hahn, ich h~tte ein Verh/~ltnis mit i h r . . , ich bekam einen Brief von ihr, ich mSchte sie gerne treffen, sie sagte, ich sollte zu ihr kommen . . , ich hatte einen Inspektor, der konnte mich niehts als sekieren. . . Auf einmal ging das Milit~r los, ich rfiekte ein im Jahre 14. Ieh wurde Rechnungsunteroffizier, ich habe die besten Erfolge gehabt. In Graz habe ich meine Villa erworben. , . Ieh habe eine Frau. Ein M~del, mit der babe ich gut gelebt, ich sollte unten bleiben, weft mir einer sagte, wir machen wieder ein gutes Geseh~ft . . . Ich weiB weiter n i ch t s . . , ich habe sehr gute Geschiifte gemacht. Ieh war ein guter Einki~ufer. Dritter Patient Pr.: Als mir der Vater starb, hat der GroBvater mich ins Restaurant genommen. Er gab mir 2000 Kr. in die Kasse, und ieh bin dort in die Sehule gegangen. Der Grollvater, die Grol~mutter und der Onkel, der mein Pate war, starben aueh und es nahmen meine Eltern mich nach Hause. Ieh war schon 14 Jahre, als ich die Schule verlielt und ich bekam einen Posten bei einem Fleisehhauer, der wollte yon mir niehts als nur den Heimatsehein, weil er sehon von mir gehSrt hatte. Der Herr hat mich gut aufgenommen, wir haben gleieh Leberwfirste gemacht, da babe ich mit geholfen. Ich habe dann weiter gearbeitet, ich habe gelernt gut zu kochen, ieh mullte auch Feuer machen, im ganzen habe ieh 2 Jahre dort gelernt. Mit 16 Jahren hat reich ein Sehwein am Arm ver- letzt. Ich bin dann nach Hause gekommen, die Mutter wollte, dal~ ich mit den Pferden fahre, ich wollte das nicht. Ieh habe zufi~llig den Lippert getroffen, er sagte mir, ich sollte zu Haschek gehen. Ich habe dort meine Arbeit gemacht, dann bin ieh-naeh Prag zum Herrn Landa gekommen (Patient erzi~hlt in weit- schweifiger Weise, was er einmal in einem Gasthause zusammengegessen hat). Dann war ieh bei der Stellung und in der zweitenKlasse haben sie mich angenommen. Der Herr Landa aber hat es zuwege gebracht, dab sie mich nicht nahmen, da der Vater und die Mutter krank waren. Zum ffinften Male haben sie reich doeh ange- nommen. Wir sind dann nach Salzburg eingerfickt. Vom Jahre 15 bis zum Jahre 20 war ieh in russischer Gefangenschaft, dann bin ieh nach Hause gefahren, ich hatte eine Russin, die wollte mit mir fahren, ich habe sie night mitgenommen. Ich glaubte, dab ich zu Hause alles in Ordnung linden werde, wie ieh aber naeh ttause kam, war alles verloren, die Pferde verkauft und aueh das Haus. Dann babe ieh angefangen, ein Kohlengeseh/~ft zu betreiben, sparer habe ich wieder wo anders gearbeitet, es war ein Einkaufsgesellschaft, bei der wir es gut hatten, wir bekamen sch5ne Anzfige, dann habe ieh eine Stellung als Kutscher angenommen (erz~hlt dann wieder sehr ausfiihrlieh fiber diese letzte Stellung). Vierter Patient Do.: Ich bin in die Sehule gegangen; wie ieh aus der Sehule gekommen bin, bin ich zu einem Maurer in die Lehre gegangen, dann bin ieh aueh zum Hopfenpfliieken gegangen. Dann habe ich bei einem Spediteur gearbeitet, dann wurde ich krank, dann hat man reich wieder ausgeheilt, dann babe ieh in dieser Kapselfabrik gearbeitet, dann war ich krank. Ieh hatte jetzt ein grol~es Fieber.

298 R. Klein :

Aus den Produktionen, die hier wiedergegeben sind, l~Bt sich fol- gendes f fir die beiden Krankheitsgruppen entnehmen. Ffir die senile Demenz ist es eharakteristiseh, dal~ sie yon einem bestimmten Ereig- nis, das sie gerade wiedergeben, nicht loskommen kSnnen, dab sie immer wieder yon demselben zu erz~hlen beginnen, ohne weiter zu kommen. Es fehlt das Fortlaufende in der Erzi~hlung, der Aufbau und seine Durchffihrung, so dab der HSrer nie ein Gesamtbild fiber das Zu Spre- chende bekommt, sondern nur immer wieder ein Teilstiick, das ins Ufer- lose mit hi~ufigen Wiederholungen diskutiert wird. Ein weiterer Mangel, der die Darstellung der Senilen eharakterisiert, ist das Fehlen jeglieher Einfi~lle, die das zu behandelnde Thema in halbwegs entsprechender Weise erschSpfen kSnnten. Es ist charakteristiseh ffir sie, dal3 sie schon nach kurzer Zeit immer wieder betonen, daI~ das alles sei, was sie wissen, dab sie niehts weiter sagen kSnnen.

Bei der progressiven Paralyse findet man keineswegs eine er- sehSpfende Darstellung des verlangten Themas. Im Gegensatze zur senilen Demenz laBt sich aber bei allen darauf geprfiften Para- lytikern feststellen, dal~ eine gewisse Komposition, ein gewisses Nach- einander yon Ereignissen bei der Darstellung vorsehwebt und aueh wiedergegeben wird, so daI~ der ZuhSrer doeh ein ungef~hres Bild, wenn auch vielfach lfickenhaft, von der Aufgabe gewinnt. Selbst da, wo, wie in dem letzten Falle Do., nur ganz spi~rliehe Angaben gemacht werden, zeigen diese doch einen gewissen Aufbau, der, wenn auch in allzu groben Zfigen, ein Nacheinander, einen fortschreitenden Zug in der Erzi~hlung erkennen l~l~t.

Allgemeines Verhalten. Das Interesse f fir die Umgebung, ffir das, was sich um sie herum ab-

spielt, ist bei den Senilen ~ul~erst herabgemindert; sie zetgen im all- gemeinen kaum das Bedfirfnis, sich irgend jemandem zu ni~hern, sie sitzen meist mfil~ig herum oder liegen im Bette, ohne sichtlichem Anteil an den Geschehnissen ihrer Umwelt. Ihr Verhalten tr~gt den Stempel einer meist extremen Passiviti~t. Tr i t t jemand an sie heran, so stehen sie wohl vielfach Rede, h~ufig bereitwillig, aber meist ohne an dem Ge- spr~che sonderlich interessiert zu sein. Der Spielraum ihres Unter- haltungsstoffes ist ein sehr begrenzter; sie kommen immer wieder auf ihren krankhaften Zustand, dabei vor allem auf die Gedi~chtnissehw~ehe zurfiek, sie empfinden auch ihren Zustand als krankhaft, was sie sieht- lich bedriiekt. Bei den an ihnen vorgenommenen Prfifungen kommt diese Einstellung darin zum Ausdruck, dab sie yon vornherein die ihnen gestellte Aufgabe als ffir sie unlSsbar ablehnen und sich auch hi~ufig gar nicht die Mfihe geben, an ihre LSsung heranzugehen. Die Einsicht ffir ihre Krankheit wird fiberspannt und artet so zum mangelhaften

l~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersbl6dsinn. 299

SelbstbewuBtsein und Selbstvertrauen, und von da ins Hypochondrisehe aus. Sieht man von den psyehotischen Bildern ab (wahrhafte, delirante Zust~nde usw.), so gibt allen diesen Kranken der Mangel an Initiative ihre Passivit~t, das ~bersichergehenlassen einen gemeinsamen Charakter- zug, der sie zu einem Typus nivelliert, in dem die einzelnen Indivi- dualiti~ten aufgegangen zu sein scheinen.

Wenn wir von den hypochondrisch-depressiven Formen der pro- gressiven Paralyse absehen und mehr die verschiedenen Etappen des intellektuellen Verfalles im Auge haben, so merken wir einen deutlichen Unterschied gegenfiber der senilen Erkrankung. Die progressive Para- lysis schliel3t sich keineswegs ab; sie freunden sich im Gegenteil gerne an, zeigen auch in gewissem MaBe Interesse an den Vorg~ngen, be- teiligen sich aktiv am Gespr~chstoff und befassen sich mit den gegen- wi~rtigen Verh~ltnissen und Umsti~nden, denen sie in gewisser Form und in ann~hernd realer Weise Rechnung tragen. Alles das ist selbst bei den fortgeschrittensten F~llen von progressiver Paralyse noeh deutlich erkennbar; damit geht parallel, dab das Krankheitsbewui~tsein in den Hintergrund rfickt. Verglichen mit den tatsi~chlich vorhandenen De- fekten erscheint dadurch das Selbstbewul]tsein, von den manischen F.ormen ganz abgesehen, geniigend stark vorhanden bzw. gehoben. Abgesehen yon diesen gemeinsamen Zfigen bleibt doch etwas iibrig, was fiber eine Krankheitsgruppe hinausgeht, ein aktiv persSnliches Moment, eine individuelle Note, die, wenn auch in veri~nderter Form, die friihere PersSnliehkeit doch irgendwie wiedergibt.

Aus den bei der senilen Demenz beschriebenen Reaktionen sollen zusammenfassend nur diejenigen besproehen werden, die entweder in den einzelnen Abschnitten nieht nigher diskutiert wurden oder solche, die einen gemeinsamen Grundzug erkennen lassen. Vorerst sei noch folgendes vorausgeschickt, was sehon frfiher kurz erw~hnt wurde. Von einzelnen Autoren wird eine scharfe klinische Trennung der Alzheimersehen Erkrankung, der senilen (presbyophrenen) Demenz und Pickscher Atrophie durchgeffihrt. Was die Alzheimersehe Erkrankung anbelangt, so wird neben dem frfihzeitigen Beginn (meist vor dem 60. Lebensjahr) auf die eigenartige motorische Unruhe, Gereiztheit, OrientierungsstSrung, StSrungen der Sprache bis zur Logoclonie groi~es Gewicht gelegt (Stertz, Griinthal). Es spricht vieles daffir, dal~ eine solche Verlaufsform als eine Gruppe ffir sich abzugrenzen ist. Man kann aber andererseits an sp~t beginnenden F~llen ~hnliche oder gleiche Bilder auftreten sehen, wie sie fiir die Alzheimersche Erkrankung charakteristisch sein sollen. Es kSnnte sein, dab die Sonderstellung dieser Form nur dadurch zustande kommt, dab diese Kranken infolge frfihzeitigen Beginnes der Krankheitserscheinungen lange Zeit hin- durch bis in sehr vorgeschrittene Stadien, d.h. bis zum Auftreten

300 R. Klein :

sehwerer kliniseher Symptome, beobachtet werden kSnnen, was fiir die spat beginnenden FMle doeh nur vereinzelter mSglieh ist. In diesem Sinne wfirden aueh die von Griinthal erhobenen histologischen Befunde spreehen, auch wenn dieser Autor trotzdem eine symptomatologisehe Abtrennung aufrecht halt.

Eine Reihe von Fallen mit lokalisierter Atrophie kann nieht weg- geleugnet werden (Pick, Fischer, Altmann, Stertz u. a.), in denen Er- seheinungen bestanden, die nach den herrschenden Anschauungen auf umschriebene Bezirke des Gehirns bezogen werden miissen. Allerdings kSnnen wir uns nieht der Meinung jener Autoren ansehlieI3en (Spatz), die auf Grund der bisherigen Untersuehungsmeth0den aus den klini- schen Erscheinungen auf diese besondere Art des pathologisehen Pro- zesses sehlieBen zu kSnnen glauben. Diesbeziiglieh sei ein F a l l der Klinik erwahnt, eine senile Demenz mit transcorticaler gemisehter Aphasie, dessen sprachlichen Produktionen sich zur Zeit der Beobach- tung ~ auf eine reine Echolalie beschrankte; es zeigte sich nun bei der Sektion eine maBige Atrophie des gesamten Gehirns, keineswegs aber eine, die in bestimmten Gebieten besonders hervorgetreten ware. KSnnte man bei einer transcortiealen Aphasie noch den Einwand maehen, da~ hier eine Beteiligung weiter Gehirnpartien Voraussetzung ist, so gilt dies ffir andere beobachtete Falle nicht; so meint auch Griinthal auf Grund seiner histologischen Untersuchungen, ,,dal3 die mitunter herdartig anmutenden AusfMle des Spreehens und des Handelns mit einer besonderen Lokalisation des senilen Prozesses zu begriinden kein geniigender Grund vorliege."

Diese Tatsachen verlangen, dal~ man sich mit der Frage der Be- ziehungen yon Demenz und Funktionsausfallen dieser Art auseinander- setzt. Wir miissen dabei den entgegengesetzten Weg einsehlagen, den A. Pick so vielversprechend gegangen ist. Wir habten herdartig aussehende Symptomenbilder nicht vonde r Demenz loszulSsen, sondern mit dem AllgemeinprozeB, mit der besonderen Art der Demenz in Be- ziehung zu bringen. Es ware natiirlich wenig damit gedient, wenn wir uns zufrieden stellen wollten, die StSrungen der Sprache, das Handelns usw. summarisch als Demenzerscheinungen zu erklaren. Eine solehe Erklarung wiirde nicht nur unzureichend sein, sondern aueh irrtfimlich, da sie im Prinzipe ausdrficken wiirde, dal3 ein bestimmter Grad yon Demenz solche Ausfallserscheinungen nach sich zieht: das ist aber, wie aus den Vergleichsuntersuchungen an Paralytikern hervorgeht, keineswegs der Fall.

Sehr friihzeitig und fast konstant sehen wir bei der senilen Demenz StSrungen konstruktiver Art, StSrungen des Zeichnens, des Zusammen- legens von Stabchen zu Figuren und schliel31ich, wenn wir auch diese StSrung zum Teil hierher rechnen wollen, solche des Schreibens auf-

~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 301

treten. Die Patienten verhalten sich dabei so, dab die hochgradigsten l~ehlleistungen dann zustande kommen, wenn sie aus dem Ged~chtnis die Aufgabe 15sen sollen, da~ sie um vieles geringer werden bei Vorlage des betreffenden Objektes und relativ gute Leistungen zustande kom- men beim Kopieren. Bekanntlich sind isolierte konstruktive StSrungen besehrieben worden (Kleist, Seelert u. a.) und auf optisch-kin~sthetische Fehlleistungen (Strauss) bzw. auf einen Defekt in der ,,optischen Steuerung" (Schlesinger) zurfickgefiihrt worden. Beriicksichtigen wir die Art der zeichnerischen Produktionen, wie sie hier an einigen typi- schen Beispielen wiedergegeben sind, dann daB die StSrung haupts~ch- lich bei freier Produktion aus dem Gedi~chtnis auftritt, so wird man annehmen kSnnen, daB die fiir die reine konstruktive Apraxie ange- fiihrten Ursachen eine geringere Bedeutung haben. Auch agnostische und ideatorisch apraktische Anteile sind im wesentlichen im Hinblick auf die darauf geriehteten Untersuchungen wie auch aus der Art der Fehlleistungen auszuschlieBen. Das auffallendste Merkmal der zeieh- nerischen Produktion ist die h~ufig ganz unbestimmte und sinnlose Anlage der Figuren, daneben spielen Verlagerungen und ~hnliehes, die mit der gleichzeitig vorhandenen AllgemeinstSrung des Raumsinnes in Zusammenhang gebracht warden kSnnten, eine geringere Rolle. Die Zeichnung oder eine i~hnliche konstruktive Leistung, wie wir sie yon unseren Patienten verlangen, kann von ihnen so ausgeffihrt werden, dab sie den Ged~chtnisbesitz der in der Kindheit erworbenen schema- tischen Darstellungen zu tIilfe nehmen, oder daB sie versuchen, sich den Gegenstand, der zur Darstellung kommen soll, anschaulich vor- zustellen. Der Erinnerungsbesitz allein kSnnte das Gelingen der ein- fachen Aufgaben, wie sie von den Patienten verlangt werden, vielfach noch gew~hrleisten; versagt aber der Patient, so ist anzunehmen, dab die zugrunde liegenden anschauliehen Vorstellungen nicht mehr mit der notwendigen Lebhaftigkeit und Schi~rfe zur Verfiigung stehen.

Zu den zeiehnerischen Darstellungen steht in einer gewissen Parallele auf spraehlichem Gebiete die Beschreibung yon Konkretem; auch hier kommt neben einer ged~chtnis- und verst~ndnism~Bigen AufgabelSsung eine Zuhilfenahme optischer Vorstellungen in Betracht. Nun versagen unsere Patienten gerade darin in ganz auffallender Weise. Es muB allerdings zugegeben werden, dab die Patienten iiberhaupt iiberall dort schlechte Leistungen zeigen, wo es sieh um Sehilderungen handelt, wo ein die Spraehe organisierendes Denken beansprucht wird. Die besondere Schwierigkeit in der Objektbeschreibung aus der Erinnerung weist aber doeh darauf hin, dab auch da die Verwaschenheit der opti- schen Vorstellungen keine geringe Rolle spielt. Noeh deutlicher often- bart sieh der Defekt der optischen Welt dort, wo ein Teileindruck, eine Teilwahrnehmung die zugehSrige Ganzheit erweeken, wo mit Hilfe

302 R. Klein :

des Vorstellungsmaterials die zugehSrige Gestalt ergi~nzt werden soll. Wir sehen die Patienten besonders hilflos beim Zusammensetzen von Figuren und fast immer versagen bei der Priifung mit den Heilbronner- schen Bildern. Beim Zusammensetzen der Figuren beobachtet man bei den Kranken, dab sie an den Teilstficken haften bleiben, ohne zu ver- suchen, das Ganze zu fiberblicken, sich mit nieht zueinander passenden Teilen abmiihen, sehlieBlich die zusammengehSrigen Teile nicht ent- sprechend zusammenlegen kSnnen. Alles das kann wohl zum grSf~ten Tell darauf bezogen werden, dab sich bei einer Teilwahrnehmung der erg~nzende Vorstellungskomplex nicht einstellt. Im selben Sinne spre- chen die Versuche an den Heilbronnersehen Bildern. Es l~f~t sich aber nieht mehr mit Sicherheit sagen, ob nieht auch eine StSrung der Wahr- nehmung mit im Spiele ist; denn auch IosgelSst vom Ganzen kann uns durch die Wahrnehmung vermittelt werden, dab der exponierte Teil der Figur einer ganz bestimmten Gestalt angeh5rt. So leiten diese Versuche fiber zu den StSrungen der optisehen Wahrnehmung bzw. der optisehen Auffassung.

Gleichbedeutend mit dem mangelhaften Personenerkennen, mit dem Versagen des ,,Personengedi~chtnisses", gleiehsam eine experimen- telle Bekri~ftigung, sind die Ergebnisse an mensehlichen Bildern, bei denen entweder ein Bestandteil weggelassen ist oder eine bestimmte Affektlage zum Ausdruek kommt und sehliel~lich das Verhalten gegen- fiber Karikaturen. Alle diese Versuche weisen in die gleiche Riehtung wie das defekte Personenerkennen: dab es dem Patient nicht mehr mSglich ist, Differenzierteres im Ausdruek zu erfassen. Die Gestalt- auffassung ist zwar erhalten, es gelingt aber nicht mehr die konkrete Note, die sie aus dem Schema herausheben wfirde, aufzunehmen. Wfirde man den Defekt mehr in der Vorstellung vermuten, worauf die frfiheren Ergebnisse hinweisen, so kSnnte man annehmen, dab optische Vorstellung und Wahrnehmung nieht mehr zu Deckung kommen.

Teilweise im selben Sinne sprechen die Versuche mit den Bobertag- Binetsehen Bildern, die durch den Ausdruck und die Bewegungen der Einzelfiguren eine sinnvolle Handlung interpretieren. Allerdings handelt es sich hier um einen komplexeren Versuch. Eine StSrung in der Gesamtauffassung kann verschiedene Ursachen haben, so, daf~ die einzelnen Figuren nieht erkannt werden, da{~ die Beziehungen der einzelnen Teile zueinander optisch nicht mehr gefunden werden, da[3 die Urteile, die sieh an jede Teilfigur anzuknfipfen haben, nicht mehr zustande kommen, oder da{~ diese einzelnen Urteile nicht in einen gegenseitigen Zusammenhang gebraeht werden und so die verstandes- m~ilige Zusammenfassung dieser Urteile zu einem Ganzen nicht mehr gelingt. SchlieBlich kann aber auch das Versagen daran liegen, dab das Besondere der Einzelfigur, das was in der Darstellung die sinnvolle

t)ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim Altersblfdsinn. 303

Beziehung zum ()brigen herstellt, nicht mehr gewertet werden kann, im extremsten derartigen Fall wfirde die Einzelfigur nur mehr eine ab- strakte Bedeutung haben: es wfirde ein Hund, der bellend auf einen Mann springt, ebenso ein Hund und ein Mann sein wie z. B. ein Hund, der vor dem Manne, der ihm nachsetzt, die Flueht ergreift. Aus den Be- schreibungen, die unsere Patienten geben, laBt sich schlieBen, dab die einzelnen Figuren als solche erkannt werden. Man mul~ auch annehmen, daft sie imstande sind, fiber das Wahrgenommene ein Urteil zu fallen, wie auch die einzelnen Urteile zu einem logischen Ganzen zusammen- zufassen, das geht aus ihren Beschreibungen deutlich hervor. Sic be- mfihen sich, zu einem Sinn der Gesamthandlung zu kommen, und es gelingt ihnen haufig recht gut, allerdings im Sinne der falsehen Voraus- setzungen, von denen sie au~gehen. (Es verhalten sich unsere senil Dementen entgegengesetzt, wie nach den Annahmen Wolperts ffir die Simultanagnosie zu erwarten ware.) Ebenso deutlich geht aber aus den Antworten der Patienten hervor, dal~ es ihnen nicht gelingt, das was bildnerisch in jede einzelne Figur an Handlung hineingelegt wird, zu erfassen; so geht diese StSrung parallel mit den vorher besehriebenen: es werden die durch das Bild interpretierten Feinheiten, das was fiber die Bedeutung des Schematischen hinausgeht, nicht mehr erfal~t; es reduziert sich der Erfassungsprozel~ zum Schema zu und wird in- haltsarmer. Man k6nnte von einer schematischen Erstarrung im Wahr- nehmungsprozel~ spreehen.

Die Erschwerung, optisehe Beziehungen zu sehaffen, ffihrt dann dazu, dab die Einzelfigur aus dem Zusammenhang herausgerissen, dab sic vom fibrigen isoliert wird. Vielleicht steht damit im Zusammenhang, dab es unseren Patienten grol~e Schwierigkeit macht, eine Anzahl von Ge- genstanden unter einem Gesichtspunkt optisch zu ordnen, wahrend es ihnen verhaltnismaBig leicht gelang, Oberbegriffe zu bilden. Es 16st im allgemeinen die Wahrnehmung eines Gegenstandes die zugehSrige begriffliche Vorstellung aus; so wiirde auch das Ordnen yon Gegen- standen fiber das Begriffliche gehen und derselbe Vorgang stattfinden wie bei der rein begriffliehen Aufgabe. An unseren Patienten scheint aber die optische Isolierung jedes einzelnen Gegenstandes auch die jeweilige begriffliehe Losl6sung von allen fibrigen Objekten hervor- gerufen und so eine begriffliche Zuordnung behindert zu haben. Gleich- bedeutend damit ist die schwere Ablenkbarkeit, das Fixieren von ein- zelnen und Nichtbeachten alles l~brigen, wie man es ja bei den Senilen im allgemeinen sehr haufig findet. Als natfirliche Folge davon wfirde ein mangelhaftes l~berblicken auftreten, dessen extremstes Beispiel der Fall A. Picks darstellt, der groBe Bilder nicht erkennen konnte, offenbar deshalb, weil or an einem Partialeindruck fixiert blieb und sich nicht losl6sen konnte. Diese StSrungen ffihren schon in die Richtung

304 R. Klein:

agnostischer Defekte im engeren Sinne, wie wir sie im weiteren Verlaufe der Erkrankung nicht selten zu sehen bekommen.

Aus alledem ist ersichtlich, wie tiefgreifende Ver~nderungen der optischen Vorstellung und Wahrnehmung bei der senilen Demenz auf- treten (Verwaschenheit der Vorstellungen, Erstarrung der Wahrnehmung zum Schema zu, Isolierungstendenz der Einzelwahrnehmung, Fixations- tendenz, Diskrepanz yon Vorstellung und Wahrnehmung usw.): Tritt noch zu alledem eine StSrung der Orientierung am eigenen K5rper und des Aul~enraumes hinzu, so wie sic friiher angefiihrt wurde, dann wird es begreiflich sein, bei der Wichtigkeit des optischen Apparates, wie sehr das Gesamtverhalten solcher Patienten beeintr~chtigt sein und wie man schon aus diesen Defekten allcin den Eindruck einer schweren Demenz gewinnen kann.

Das ist auch zusammen mit den frfiher bcsprochenen StSrungen des zcitlichen Nacheinandcr ein Plus an StSrung gegeniibcr der pro- gressiven Paralysen. Im engcren, logischen Denken zeigt sich aber der Senile den Paralytikern keineswegs unterlegen.

Wir kSnnen zweierlei Arten von Intelligenzleistung voneinander unterscheiden: Die eine, die einen bestimmten, durch Erfahrung oder Erlernung erworbenen Ged~chtnisbesitz zur Voraussetzung hat, die andere, die sich nur auf das logische Urteil jenseits jeder Erfahrung und jedes Wissens stiitzt. Lasse ich z. B. einen Patienten seine Lebens- geschichte erz~hlen, so ist die Voraussetzung fiir die richtige LSsung dieser Aufgabe, da~ die Ereignisse der Vergangenheit im Ged~chtnisse haften geblieben sind, dab sie auf Aufforderung zur Vcrfiigung stehen, in eine zeitliche Ordnung zueinander gebracht werden kSnnen, da~ das Wesentliche vom Unwesentlichen kritisch unterschieden wird usw. Stelle ich dagegen die Aufgabe, einen Oberbegriff zu bilden, z. B. das Gemeinsame verschiedener Gegenst~nde herauszuhebcn, so beansprucht das aul~er dem Begriff der einzelnen Gegenst~nde nichts anderes als die Fghigkeit der Abstraktion, entsprechend dem gesetzten Ziele.

So kSnnen wir an den Aufgaben, die wir stellen, solche, die eine ganze Summe von elementaren und gedgchtnism~igen Leistungen beanspruchen, jenen gegeniiber stellen, die auBer dem Besitz des sprach- lichen Symbols und Begriffes eine rein abstraktive, logische Tgtigkeit verlangen. Wir sehen nun bei den Aufgaben der ersteren Art die Senilen leiehter versagen als bei solchen, die nur auf Abstraktes zuriickgreifen; so schneiden diese Kranken im rein verstandnismafiigen, sich auf Auf- fassung und Verst~ndnis beschr~nkenden Aufgaben besser ab als bei solchen, bei denen noch die erst genannten Bedingungen hinzutreten.

Nun ist es aber keincswegs so, dal~ abstrakt gestellte Aufgaben yon den Senilen klaglos gelSst werden. Legen wir fiir eine LSsung soleher Aufgaben, wie sic bei der Priifung verwendet wurden, Annahmen von

~ber die Demenz bei progressiver Paralyse und beim AltersblSdsinn. 305

Selz zugrunde (routinem~gige Mittelaktualisierung), so kommt es, wenn sieh der der LSsung vorausgehende, antizipierende Komplex auf die Verwendung bekannter Mittel der AufgabelSsung stfitzen sell, h~ufig an dieser Stelle zu einem Versagen der Patienten. Die gr6gte Schwierigkeit bereitet dabei das Parathaben und Einsetzen der Mittel. Gegenfiber der Paralyse besteht aber in dieser Hinsieht kein wesent- lieher tiefergreifender Unterschied; denn aueh bei der Paralyse versagen oft gerade die Mittel, die zur LSsung einer Aufgabe notwendig sind. Daneben spielen aber noch eine ganze Reihe anderer Momente eine Rolle, die den Denkvorgang der Patienten beeinflussen. Die Flfichtigkeit des Denkvorganges (Unbeharrlichkeit nach C. Schneider), Konzentra- tionsunf~higkeit, AufmerksamkeitsstSrung, Mangelhaftigkeit im Dureh- denken (amorphes Denken Boumanns) und anderes mehr. Das sind aber Faktoren, die fiberall dort vorzukommen scheinen, we es sich um Prozesse handelt, die StSrungen der Intelligenz herbeiffihren; sie lassen sich aueh bei der progressiven Paralyse wiederfinden.

Starker als bei der progressiven Paralyse tritt bei der senilen Demenz der Mangel an Denkinhalten hervor. Die Denkbreite bzw. das Neuauf- tauchen yon Inhalten ist davon abh/~ngig, wieweit die Versuehsperson bei einem gebotenen oder gegebenen Begriffe an andere Ansehlug findet, in welehem Mage sieh der Vorstellungskreis, sei es optisch, sei es begriff- lich, auszudehen vermag. Der tats~chliche Umfang der an den Begriff anschliegenden Vorstellungen h~ngt von dem Wissen und den Erfah- rungen der j eweiligen Versuehsperson ab, bzw. von deren Aktualisierungs- vermSgen. Die MSglichkeiten der Extensionsbreite mug als in dem Begriffe selbst gelegen gedaeht werden; in jeder begrifflichen Vorstel- lung liegt latent die AusdehnungsmSglichkeit, sie ist ein Teil des Be- griffes und maeht mit den Begriff aus. Der Inhalt des Begriffes ist nicht mit seiner abstrakten Bedeutung erschSpft, sondern nur dadureh, dag er fiber eine solehe hinausgeht, wird er lebendig und sehafft die Be- weglichkeit des Denkens; das was die Assoziationspsyehologen als asso- ziative Verknfipfung ansehen, wfirde als Assoziationsbereitschaft im Begriffe enthalten, die Vorstellung eines Sph~renbewugtseins wfirde in diese Auffassung des Begriffes einbezogen sein.

Wenn nun, wie aus unseren Untersuchungen hervorgeht, bei der senilen Demenz das Auftauchen von Inhalten, das freie Denken er- schwert ist, so kSnnte man die Ursaehe darin finden, dag /~hnlich wie bei den optischen Vorstellungen und Wahrnehmungen, der Einzel- begriff, die fiber das Abstrakte hinausgehenden sozusagen latenten Be- deutungsinhalte einbfigt und schematisch erstarrt, die Beziehungen zu anderen Inhalten verliert und sich isoliert.

l~ber die Beziehungen des Denkens zum Sprechen bei der senilen Demenz sell an dieser Stelle nur einiges Wenige gesagt werden. Es ist

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wahrscheinlich, dal3 die friiher angenommene StSrung des Denkens (Schematisierung und Isolierung der Einzelbegriffe) auch seine Wir- kungen auf die Spraehe ausiibt. Es h~ingt aber die SprachstSrung, wie friiher schon hervorgehoben wurde, aueh damit zusammen, dab Denken und Sprechen fortschreitend auseinander gehen bis zur vollst~ndigen Beziehungslosigkeit beider. In der Konversation driickt sieh das in einem vielfach sinnlosen Nebeneinandersetzen von Worten aus, das den Eindruck eines Unsinnigen, geschwKtzigen lterumredens macht (Ideen- flucht naeh Bonhoe]/er, Beeinflussung des Denkens dureh das Sprechen nach A. Pick). W~hrend der dem Sprechen zugrunde liegende formale Akt, der ins Gedankliche hintiberspielt, schon vSllig versagt, l~uft das Automatisehe des Spraehaktes noch ungest6rt weiter ; aus ihm heraus ent- wickeln sich noch unverstiimmelte Worte, sie reihen sieh naeh Gesetzen klanglicher und naeh zuf~lligen Assoziationen aneinander; ihre Bezie- hungen zur Bedeutung sind aber schon gelSst. Schliel~lich wird aueh das automatiseh festhaftende Wort ergriffen, es geht in seinem inneren Sprachaufbau verloren; in diesem Stadium bestehen sehwerste aphasische Bilder mit StSrungen des Spraehverst~ndnisses. Das Aktive des Sprach- aktes kann bis auf echolalisehe Leistungen reduziert sein. Das ist aber auch zugleich das Stadium des vollst~ndigen intellektuellen Zerfalles, in dem aueh andere Leistungen sehr stark betroffen sind. Hervorzuheben ist, dab der immerhin recht komplizierte Automatismus des Gesanges und des Rhythmus erhalten bleibt.

Wollte man versuchen, noch tin besonderes Merkmal aus allen diesen Reaktionen hervorzuheben, so w~re es, dal3 die senile Demenz iiberall dort schlechtere Leistungen aufzeigt, wo die Aufgabe es er- fordert, Material herbeizuschaffen; je mehr aktiv sie in eine Situation eingreifen mtissen, desto leichter versagen sie. Mit dem stimmt die schon hervorgehobene Passivit~it im allgemeinen Verhalten iiberein, der Mangel jeder Initiative und der Verlust der Pers6nliehkeit.

Zusammen/assung. Die Untersuchungen der Leistungen, die vergleiehend an progres-

siver Paralyse und seniler Demenz durchgefiihrt wurden, hatten fol- gendes Ergebnis: die Intelligenz, soweit es sich um Urteil und Auffas- sung handelt, zeigte bei beiden Erkrankungen eine Herabsetzung, die ]e naeh der Sehwere der Erkrankung einen verschieden hohen Grad erreiehte. Soweit man von einer Durchsehnittsleistung tiberhaupt sprechen kann, wiirden die Senilen den Paralytikern iiberlegen sein. Erweitert man die Priifung auf Intelligenz so, dal3 Denkinhalte, Denk- material gefordert werden, die der Patient zu entwickeln und in den Dienst der Aufgabe zu stellen hat (freie Erz/ihlung, Darstellung), so sind die Senilen den Paralytikern unterlegen.

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Die in der Jugend erworbenen Kenntnisse sind bei der senilen De- menz im allgemeinen viel mangelhafter als bei der progressiven Paralyse ; den Senilen gehen dabei vielfach die Grundelemente (Mal~-Gewicht- Zeiteinheiten und Einteilung) verloren, was bei der progressiven Para- lyse nur im schwersten Allgemeinzustand der Fall ist. Jene Gedi~chtnis- leistungen, die sich auf Erfahrung und Erlebnisse aufbauen, erschei- nen bei der senilen Demenz dadurch besonders in Mitleidenschaft ge- zogen, dab hier die zeitliche Ordnung, das zeitliche Nacheinander gest5rt ist, das kommt sowohl zum Ausdruck, wenn ein bestimmtes Ereignis herausgehoben, wie wenn eine fortlaufende Schilderung yon Erlebnissen gegeben werden soll.

Es ist bei der senilen Demenz das primare Zeitgeffihl fiir die kurze Zeit zuriickliegenden Ereignisse sehr auffallend gestSrt, wahrend die Ereignisse selbst, wenn auch ohne zeitlichen Faktor erhalten sein kSnnen. Dies tiiuscht eine grSBere StSrung des Gedachtnisses vor, als es tat- si~chlich der Fall ist.

Die unmittelbare Reproduktion der rhythmischen Zeitfolge ist so- wohl bei der senilen Demenz wie auch bei der progressiven Paralyse im allgemeinen erhalten.

Die Verarbeitung optischer Eindrficke geht bei der progressiven Paralyse im allgemeinen sehr gut vonstatten. Bei der senilen Demenz kommt es zu einer Verwaschenheit der optischen Vorstellungen, zu einer Erstarrung der Vorstellung und Wahrnehmung zum Schema zu, und Isolierung optisch wahrgenommener Teileindriicke; als Folge dieser GrundstSrungen kSnnen die Patienten optische Beziehungen nur schwer herstellen, eine Gesamtsituation nicht erfassen (Simultanagnosie); sie sind nicht imstande, Differenzierteres im Gesichtsausdruck aufzu- nehmen (StSrung des ,,Personengedachtnisses"). Das freie Zeichnen ist im h5chsten Grade beeintrachtigt und vielleicht lassen sich auch die schweren SchreibstSrungen auf diese Grunddefekte zum Teil zu- rfickfiihren. Agnostische StSrungen im engeren Sinne lassen sich daraus ableiten.

Was fiir die optische Vorstellung und Wahrnehmung gilt, li~$t sich auch fii~ die Begriffe vermuten: Erstarrung, Isolierung der Begriffe fiihrt zur Absperrung gegen andere Inhalte und erklart die Gedanken- armut. Verwaschenheit und Unbestimmtheit ftihrt zum allmahlichen Verluste ihrer Bedeutung. Wenn das vielleicht auch allgemeine Merkmale eines ,,Demenz"-Prozesses sein mSgen, also auch ffir die progressive Paralyse zutreffen wiirde, so stehen sie gerade bei der senilen Demenz stark im Vordergrund.

Bei der progressiven Paralyse machen sich im aUgemeinen in der Sprache nur StSrungen dysarthrischer Art und Silbenauslassungen bemerkbar. Es ware mSglich, daI~ dies in Anbetracht der damit parallel

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308 R. Klein: l~ber die Demenz bei progressiver Paralyse usw.

g e h e n d e n S t S r u n g e n des Sch re ibens u n d a n d e r e r F ~ h i g k e i t e n , d ie an-

ge f i ih r t w u r d e n , e ine L o c k e r u n g des i n n e r e n W o r t e s b e d e u t e t . Be i

de r sen i len D e m e n z i s t das i n n e r e W o r t bis in sp~te S t a d i e n des Prozesses

e rha l t en . D a g e g e n m a c h t s ich sehr h~uf ig e ine S t S r u n g im Pa ra l l e l -

v o r g a n g y o n D e n k e n u n d S p r e c h e n ge l t end . D ie S p r a c h e 15st s ich

y o n d e m sie v o r b e r e i t e n d e n D e n k a k t los u n d ziel t , n u r n o c h ge le i t e t

y o n zuf~l l igen u n d k l a n g l i c h e n Assoz ia t ionen , ins U n g e w i s s e u n d Sinu-

lose ( t t e r u m r e d e n de r Seni len) .

S t S r u n g e n de r R e c h t s - L i n k s - O r i e n t i e r u n g a m e igenen K S r p e r be i

d e r sen i len D e m e n z , d ie sich v o r a l l em bei L a g e w e c h s e l ~ul~ern, t r a g e n

z u s a m m e n m i t d e n V e r ~ n d e r u n g e n de r o p t i s c h e n W a h r n e h m u n g d a z u

bei, da~ die O r i e n t i e r u n g im R a u m e m a n g e l h a f t wi rd . Be i de r p ro -

g r e s s iven I )a ra lyse t r i t t e ine so lche n u r spo rad i sch auf .

W i e d e r g e b e n u n d E r k e n n e n y o n Me lod i en i s t bei de r sen i len D e m e n z

seh r l ange e rha l t en , be i de r p r o g r e s s i v e n 1)aralyse h i n g e g e n ze ig t s ich

f r i ihze i t ig e ine S t S r u n g des , ,Me lod ienged~ch tn i s se s " .

I m G e s a m t v e r h a l t e n i s t be i de r sen i len D e m e n z e ine gewisse Pass iv i -

t~ t , M a n g e l j e d e r I n i t i a t i v e , W e g f a l l de r pe r sSn l i chen N o t e z u m U n t e r -

sch iede v o n d e r p r o g r e s s i v e n 1)aralyse h e r v o r h e b e n s w e r t .

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