über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

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IJber die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primiiren mad sekund~iren Tuberkulose.

~-'on Franz Redeker, Mtilheim-Ruhr.

Mit 6 Abbildungen im Text.

(Eingegangen am 26. April 1924.)

Die Vorg~nge und Erscheinungen der primi~ren und sekund~ren Tuberkulose sind iiberwiegend labil und. fliiehtig. Zum grOl~ten Teil verlaufen sie bei subjek- t ivem Wohlbefinden des Kindes, so da~ vor den Kliniker nur die relativ wenigen Kinder mi t manifesteren Formen kommen. Die andere weitaus grS•ere Kinder- gruppe sieht der Ffirsorgearzt, dessen wissenschaftliehe Aufgabe es deshalb ist, diese fliiehtigen Vorggnge zu erfassen und ihre Bedeutung ffir die Biologie der Tuberkulose festzulegen. Auf Grund solcher ffirsorgerischer Beobachtung glaube ieh als wiehtigste Erscheinung der ambulanten prim~ren wie sekund~ren Tuber- kulose die labile exsudative Lungenin]iltrierung bezeichnen zu diirfen.

Um die hier beschriebenen Krankheitsbilder aus der gro0en Zahl der spezifischen und unspezifischen Infiltrationen herauszuheben und als einheitliehes klinlsch selbst~ndiges Stadium und Zustandsbild der endothorukalen Tuberkulose zusammenfassen, brauchen wir ftir die ganze Gruppe seit langem bewul~t den etwas abgewandelten Ausdruck ,,In]iltrierunff". Wir spreehen yon Lunffenin/iltrierungen, wenn der Fokus ein Lungenherd, yon Hilus- Lungeninfiltrierungen, wenn er ein Bronehialdriisenherd ist.

Die exsudative Lungeninfiltrierung ist in ihren verschiedenen Formen den K]inikern wiederholt begegnet und dann meist als besondere Erscheinung und relative Seltenheit neu besehrieben worden~ z. B. ihre kleinen Formen als entzfind- fiche Kongestion~), als peri- oder zirkumfokale Entziindung~), als symp~thisehe Entziindung 4) usw., ihre mitt leren Formen als Hflus-Tuberkulose27), als Hilus- pneumonie6), ihre grol]en Formen als massive Pneumonie7), als EpituberkuloseS) und als Paratuberkulose 9) usw. Die Lungeninfiltrierung ist nun in allen ihren Formen keineswegs so selten, wie die Kliniker annehmen. Der Ffirsorgearzt sieht sie bei korrekter fiberwachender Beobaehtung seines ambulanten Materiales sehr h~ufig und unter so best immten biologisehen Bedingungen, dal~ eine einheitliche Auf- fassung der versehiedenen ineinander fibergehenden Formen notwendig erscheint.

Die groflen Eormen imponieren dureh ausgesprochene D~mpfnng, leises Bronchialatmen und vor allem durch die ausgedehnte, diffuse, oft sehr diehte rSntgenologische Versehattung ganzer Lungenfelder. Diese Verschattung ist zun~ehst immer strukturlos und geht ohne scharfe Grenzen in das freie, meist s tark gezeichnete Lungengewebe fiber. Husten und Auswurf fehlen in der Mehr- zahl. Es k~nn zu troekenem Reizhusten der verschiedensten Form kommen, abe r auch zu katarrhalischem Husten mi t Auswurf, der in seltenen F~llen bacfllen- haltig ist. Dementsprechend h6rt man nicht so selten katarrhalische Ger~usche

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F. Redeker: Ober die exsud. Lungeninfiltrierungen der prim. und sek. Tuberkulose. 589

sowohl aul~erhalb wie im Bereich der Ir/filtrierung, im letzteren Falle oft mit klingendem Beiklang. Husten und Auswuff sind meistens akzessorische Neben- erseheinungen, und zwar sind sie abh~ngig yon der evtl. Bronchialdrtisenerkran- kung oder der begleitenden Pleuritis oder zuletzt yon dem Zustand des prim~ren oder sekund~ren fokalen Gewebsherdes. Aus diesem stammen dann die evtl. Auswurfbaeillen. Im Gegensatz zu diesen Hustenformen steht die katarrhalische Bronchitis im Bereiehe der Infiltrierung mit dieser in mehr oder minder ursi~eh- liehem Zusammenhang. Das Bindeglied ist die Stase und umgebende Gef~l~fiillung, die gerade bei diesen Bronchitiden bis weit in die benachbarten Lungenbezirke hinein erkennbar ist und gew0hnlich sich auf der anderen SeRe in dem typisch. starken Gefi~Bhilus dokumentiert. Fieber trit t , wenn keine Komplikationen vor- handen sind, nur in den ersten Tagen auf, aber auch dann nicht immer. Dagegen sind subfebrile Temperaturen sowohl in l~ngerer Serie wie vereinzelt hiiufiger. Der Puls geht parallel diesen Temperaturerscheinungen und zeigt nichts Besonderes. Dem nach Ablauf der ersten Tage gewShnlieh vorhandenen subjektiven Wohlbe- finden entsprieht auch der kSrperliehe Allgemeinzustand, soweit nieht Begleiter. krankungen darauf einwirken..])as ist bei den nicht so seltenen Begleitbronehitiden weniger der Fall, sehon h~ufiger dann, wenn es zu st~rkeren pleuritischen Erschei- nungen kommt. Eine Bevorzugung besonderer Habitusformen ist nicht erkennbar.

S ehr stark ist fast immer die Tuberlculinhautrealction. Es gentigt hier die Pirquet- Impfung, auf die im akuten Stadium immer, im subakuten meist sehr stark reagiert wird. Eine akute Inffltrierung mit negativem Pirquet haben wir niemals gesehen.

Das weifle Blutbild zeigt keine das akute Stadium iiberdauernden Ver~nde- rungen, zu Beginn sieht man aber meist eine deutliche Linksversehiebung, fiir die eine andere Ursaehe nicht naehzuweisen ist. Man mui~ allerdings die ersten Tage der Infiltrierung effassen, denn die Verschiebung verschwindet auch bei grol~en Formen innerhalb 8--14 Tagen. Eosinophilien sieht man h~ufig, ebenso Lymphoeytosen. Erstere sind yon Nebenerscheinungen abh~ngig, seien es Be- gleiterkrankungen, oder seien es konditionelle oder konstitutionelle Ver~nderungen des vegetativen Nervensystems. Man findet sie besonders bei den pastosen Vagotonikern, die mit ihren exsudativen Erscheinungen naturgem~I3 sich der Erinnerung aufdr~ngen. Eret iker sind aber gleiehermaI3en an den In- filtrierungen beteiligt. Wichtig ist die laufende Weiteruntersuchung des weil3en Blutbildes. Sie zeigt aueh bei Kindern ziemlich prompt die Tendenzverschlim- merung an, und zwar sowohl die Herdeinschmelzung und Misehinfektionen wie das Auftreten infekti0ser und entziindlicher Begleiterkrankungen. In Frage kommt allerdings nicht wie bei Erwachsenen die Eosinopenie, sondern neben der reIativen Lymphopenie die in der Li teratur weniger beriicksichtigte Linksversehiebung. Die Eosinophilenzahl ist bei Kindern aus mannigfaltigen Griinden iiberaus labil.

Alle die aufgezahlten Symptome sind fakultativ und fehlen um so mehr, je geringgradiger die Infiltrierung ist. Bei den leichten Formen bleiben sehliel)lich nur noch die im akuten Stadium stets starke Tuberkulinreaktion und alas RSntgen- bild iibrig.

~ber die Bewertung des I~6ntgenver[ahren8 herrscht in der Literatur wenig Klarheit. Den warmen Verteidigern wie Harms l~ K/aren), Scheerer12), Much TM) nsw. stehen Skeptiker gegeniiber wie vor allem Engella). Verfasser ist bereits friiher eindringlich iiir die R6ntgen- untersuchung und besonders fiir die Durchleuehtung bei allen Formen der kindliehen Lungen- und Bronchialdrtisentuberkulose eingetretcn15). Man daft allerdings nicht erwarten und

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verlangen, dab die siehtbaren R6ntgensehatten eine 6rt]iehe tuberkulSse produktive oder destruktive Gewebsver~lderung wiedergeben, die dan~ geraume Zeit sps in der Ob- duktion best~tigt werden soU. Richtiger hat man sich zu fragen, welche Vorg~nge diesen physikalisch-objektiven ~nderungea des RSntgenbildes zugrunde liegen. Man hat hierbei yon vornherein mit zu berficksichtigen, dab diese Vorg~nge erfahrungsgemgB zum grSl~ten Teil nieht in produktiven oder destruktiven Prozessen bestehen. Die zweite Frage ist daml die, ob und in welchen Zusammenh~ngen diese Vorg~nge mit der tuberkulSsen Kampf- symbiose stehen. Auf diese Fragen wird noch n~her einzugehen sein.

Welter kommt es auf die Technik an. Hier hat sich die Situation in mannigfaeher Hin- sicht zugunsten der Durehleuehtung versehoben. Im Vordergrund stehen bei vortiegcadem Problem Durehleuchtungen yon Kindern und nicht yon Erwachsenen. Die gasfreie R~hrc gestattet die unbedingte Konstanz der gews H~rte und den beliebigen Wechsel des Hgrtegrades. Die unabh~ingig voneinander naeh allen Riehtungen bewegbaren ROhre und Sehirm erm6gliehen die fliel3ende Ve~nderung der Durchleuchtungsrichtung ohne grebe Dirigierung des Patienten. Die Vorhangblende anstatt der Irisblende gestattet jede Bild- einengung und Vergleichseinstellung. Es ist also der tiberragcnd wichtige Netzhautrei~ der Verschiebung weitgehend auszunutzen. Zugleich sind die feineren Herde und Sehatten aus Uberdeckungen zu entwickeln, in denen sie auch bei guten Platten verschwinden. Tat- s~chlich erseheint z. B. noch nieht einmal die H~lfte der bei Kinderdurchleuehtungen sieht- baren Einzelherde auf der Platte wieder. Weitcr ist unter obigen Voraussetzuagen die Durchleuehtung im Gegensatz zur Platte 8tereometrisch, also gewissermal]en dreidimenslonal. Erst dadurch ist die Lokalisation der Schatten innerhalb des Lungengewebes m6glich. Es gelingt z. B. die auf der Platte ganz unmSgliche Uat~rscheidung feiner Pleuritiden yon Infil- trierungen oder fleekfSrmiger pleuritischer Adh~sionen yon Lungenherden. Es gelingt die Herausdifferenzierung der in den Mittel- und HiIussehatten fatlenden Einzelherde. Vor ailem gelingt die Auffindung und Differenzierung der ]nterlob~irplcuritiden, die ia der b[ehrzahl erst bei Einfallen des Strahles in die Pleuraebene siehtbar werden, und zwar 3--4 real so oft bei der Durcbleuchtung als auf der Platte.

Eine Conditio sine qua non beim Durchleuehten ist allerdfngs die physiologische Eig- hung des Untersuchera, der zuniichst eine fiir liehtsehwaehe Helligkeitsuntersehiede empfind- liche ~etzhau~ haben mul3. Bekanntlich sind viele Leute naehtblind, andere sehen in der Dunkelheit ,,wie eine Katze". Unbedingt erforderlieh ist welter ein gutes stereometrisches VorstellungsvermSgen, das sehr vielen Menschea tehlt.

Zuletzt, aber zu wichtigst fehl~ vielen die Geduld zur restloseu Adaptation. GewShnlieh erkl&rt sich alles naeh 1--2 Minuten Iiir,,adaptiert" und sieht dana nattirlich hSehstens Rippen, Zwerchfell, tterz und ganz grebe Ver~tnderungen, wie Exsudate, Pneumothorax usw. Ver- wiesen sei hierzu auf die sehr sorgfMtige Arbeit yon Zieglerl~), der sogar ftir Spitzenunter- suchungen bei Erwachsenen der Durchleuchtung das Primat tiber die iibliche Spitzenplatte zusprieht.

Es sei re~si~mlert: ]:)as Sehlrmbild der kindliehen Brustorgane ist bei geeigneter Appa- ratur und Technik so hell, dab man alle Feinheiten gentigend erkennen kann. Die M6glieh- kciten der laufenden Richtungsanderung des H~trteweehsels, der stereometrisehen Bildvor- stellung geben bei kindliehen Lungenuntersuehungen der Durchleuchtung den Vorrang vor der Platte. Die relative Kos~enlosigkeit gestattet die beliebig hi~ufige Wiederholmag der Durehleuchtung, wodurch iiberhaup$ erst die tliichtigeren Vorg&nge in ihrer Gesamthei~ erfal~t, verfolgt und analysiert werden kSnnen. Die einmalige Platte bedeutet ~(ir die prim~tre uad sekundkre Tuberkerlose lediglich ein bequemes abet unvoUkommenes Zufallsbild.

Die R6ntgenf rage ist wichtig, da die le ichten Grade der exsuda t iven Lungeninf i l t r i e rung n u t du tch die RSn tgendureh l eueh tung zu diagnost iz ieren sind. ])as be ton t aueh Harms17), der mi t Ranke ~) bi~her am e indr ingl iehs ten auf die Bedeu tung der exsuda t iven In f i l t r i e rungen hingewiesen hat . Bei diesen leichten Graden hande l t es sich u m unscharfe versehieden geformte eentr~le Trf ibungen, die ia GrSl~e u n d Lokal isa t ion keinerlei Regeln zeigen. Re la t iv selten s ind die m i t t e n im norma len Lungengewebe l iegenden Inf i l t r ie rungen , die von

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fleekfSrmigen Pleuraadh~sionen nur durch die stereometrische Durchleuchtungs- Lokalisation unterschieden werden kSnnen. Hiiufiger sind diese geringgradigen Infiltrierungen durch Schattenstreifen mit dem Hilus verbunden.

Am hi~ufigsten kommen die typischen Hiluslungenin]iltrierungen vor. Der zum Tell hiermit korrespondierende Begriff der Hiluslungentuberkulose leitet sich be- kanntlieh aus der Vorstellung her, dab der tuberkulSse Prozel~ fiber die Organ- grenzen der Bronchialdriise des PrimKrkomplexes auf die Lunge evtl. unter der Vermittlung der Pleura iibergreife, oder da$ ein Durchbruch der tuberkulSsen Driise in Bronchus oder Lungengewebe erfolge. Als Ursache werden dabei ge- wShnlich k6rperschwiiehende, also im Sinne Tandlers is) konditionelle Faktoren angenommen. Gestiitzt wird diese .Auffassung durch die typischen ein- oder doppelseitigen Dreiecksbefunde des RSntgenbildes. Nun haben die Pathologen derartige Kontakttuberkulosen yon Driisen- und Lungengewebe ebenso wie Driisendurchbriiche nur relativ selten gefunden. Insbesonders haben gelegent- fiche Sektionen solcher rSntgenologiseher Hiluslungentuberkulosen nur selten 28) tuberkulSs verKndertes Lungengewebe in der Hilusgegend ergeben. Anderer- seits wird dieser klinische Begriff der Hiluslungentuberkulose hartniickig fest- gehal~en und der Bronchialdrfisentuberkulose gegeniibergestellt, manehmal sogar unter Zwischenschaltung noch eines dritten Begriffes, der Hilus-Driisen- tuberkulosc. Eine klare Definition wird allerdings nirgendwo gegeben.

Diesen Zwiespalt zwisehen RSntgenbild und klinischer Vorstellung einerseits und den negativen Sektionsergebnissen andererseits kann man nicht dadurch bcseitigen, da6 man z. B. mit Engel ~4) die Ergebnisse des physikaliseh objektiven R6ntgenverfahrens mehrminder desavouiert. Man wird vielmehr nach einem mit dem klinisehen Befund, dem RSntgenbild und den Sektionsergebnissen gleicher- mal~en konformen Vorstellungsinhalt suehen miissen. Es handelt sich zweifellos bei allen diesen Hiluslungentuberkulosen im Beginn immer um eine Sekunddir- in]iltrierung, bei der die tuberkulSse Bronchialdriise den Fokus bildet. Diese bedingt und hinterlKBt an und ffir sich keine markanten anatomisehen Gewebsver- i~nderungen, daher die gewOhnlich geringen oder fehlenden Sektionsbefunde. Sie ist wie jede Sekund~rinfiltrierung labil und oft sehr fliichtig, daher die vermeint- liche Unbest~ndigkeit des R6ntgenbildes. Klinisch kann sic mit D'~mpfung, seharfem Atmen und katarrhalischen qvtl. konsonierenden Ger~uschen einhergehen, also ganz dem Befund bei intrapulmonalen Gewebsver~nderungen entsprechen0 RSntgenologisch nachweisbare ausgesprochene Bronchialdriisentumoren brauchen gar nieht vorhanden zu sein und fehlen dementspreehend bei der Sektion.

Es ist durchaus miil]ig, sich dariiber zu streiten, ob Bronchialdriisenschwellungen vor gr6Beren indurativen Ver~nderungen r6ntgenologisch iiberhaupt sichtbar sind oder nicht. Die F~lle, in denen wir sic gesehen zu haben glauben, sind zlemlich selten. So welt hat Engel un- zweifelhaft recht. Aber wenn wir durchleuchten, so erwarten wir gar nicht Bronchialdriisen- tumoren zu sehen und zu finden, sondem cs kommt uns vor aUem auf die sekund~ren Infiltrie- rungserscheinungen an: und die sehen w/r, yon den leichten aktiven Hyper/~mien angefangen bis sum ausgesprochenen Schmetterlingsbefund. Nichts zielt mehr daneben als die gerade yon den R6ntgenskeptikerngeforderte ,,halbkugeligeVorw61bung undAbgrenzung". Diese abgegrenzten Vorw61bungen sind selten und entspreehen oft einer intumesierenden Br.-Dr.-Tuberkulose. Ganz sicher sind aber diese abgegrenzten Tumoren, wenn auch nicht inaktiv, so doch relativ stabil. Ein labiler Driisentumor ist immer zeitweise yon einer Infiltrierungszone umgeben und zeiehne~ sich dann nieht scharf halbkugelig ab. Auf die labilen Zusti~nde aber kommt es an, und bci ihnen ist der oft allein durch die R6ntgenuntersuchung indiziert e Eingriff entscheidend.

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592 F. Redeker:

Zweifellos werden yon klinischer Seite bei der Differenzierung der Hiluslungen- tuberkulose immer h~ufiger cntziindliche Rcaktionszust~nde mit berficksichtigt. Erinnert sei z. B. an Rankes Hfluskatarrh und an Simons Hiluspneumonie~). Viele fiir die Bronehialdrfisentuberkulose beschriebene Symptome, wie die Paravertebral- d~mpfung, die Verbreiterung der Zone des verscharften Atmens usw., beziehen sich viel h~ufiger auf eine Hilusinfiltrierung als auf die Bronchialdriisentuberkulose. Das gilt auch far das d'Espinesche Zeiehen, dessen Bedeutung noch keineswegs gekli~rt ist as). Die Infiltrierung geht nicht unbedingt parallel mit der Gr613e der Bronchial- drfisenschwellung. Augenseheinlieh kann sie genau wie die Meningitis auch yon kleinen und mehr minder indurierten Bronehialdriisen ausgehen.

Die kfirzesten Inffltrierungen sahen ~4r bei Tuberkulinreaktionen. Naeh starker Pirquet-Reaktion kann es bei aktiven Bronehialdriisen~uberkulosen zu geringffigigen Hilusinfiltricrungen koramen, die naeh 2 - -3 Tagen abklingen. Wir haben zeitweise alle Kinder unmittelbar vor und 2 Tage nach der Pirquet- Impfung durchlcuehtet. Naeh einer Petrusehky-Einreibung sahen wit eine 10 Tage dauernde groBe Infiltrierungsform (vgl. Fall 7). Ris 7) besehreibt einen 12 Tage dauernden Fall. Eine solche grol~e Infiltrierungsform kann jedoch auch bis zu mehreren Jahren dauern (vgl. Fall 9).

Grol3e Infiltrierungen kSnnen ohne irgendeinc klinisch oder rSntgenologisch nachweisbare Ver~nderung versehwinden (Fall 7, 9, 10) . Es kann dabei ein Begleitkatarrh, namentlich eine basale Randbronchitis bestehen bleiben und eventuell zu Bronchiektasien ffihren. H~ufiger bleibt besonders bei den l~nger dauernden Formen einc vermehrte Gef~13zeichnung in dem Infiltrierungsbezirk fibrig (Fall 6, 8). Es kann auch zu ausgesproehenen indurativen cirrhotischen Strangbildungen kommen, in einzelnen F~llen sogar bis zur Verziehung der ,Mcdiastinalorgane. Eine solche cirrhotische Umwandlung kann so erheblich seha, dab sie r6ntgenologiseh fast wie cinc produktive odor eirrhotische terti~re Phthise aussieht. Kleinere Indurationsstri~nge k6nnen noch nach Jahren wieder resor- biert werden. Besonders h~ufig geht die Infiltrierung auf die Pleura fiber. Es kommt dann regelm~l~ig zur adh~siven Pleuritis, die meist nachweisbare Dauer- ver~nderungen hinterl~Bt, und zwar weniger der Pleura costalis als dcr Pleura diaphragmatica und vor allem der Pleura interlobaris. Diese Interlobdrstrei/en sind fiberaus typisch ffir abgeklungene Inffl.trierungen. Bei st~rkerer Ausbfldung bleiben sie in jeder Durehleuchtungsebene siehtbar, erseheinen also auch auf der Platte. Sic wechseln dann bei der Durchleuchtung mit ~nderung der Strahlen- richtung nur ihre Dichte und Breite. In den viel h~ufigeren schw~eheren Graden werden sie nu t in ganz bestimmten Durehleuchtungsrichtungen sichtbar, rneist bei hoher R6hre. Oft blitzen sie bei l~6hrenversehicbung nur fiir einen Mo- men t als feine, glatte, meist nach oben konvexe Linie auf.

Schr Wichtig ist noeh eine eharaktcristisehe Erseheinung besonders der sekun- d~ren Infiltrierung, dab sic n~mlich auch naeh vollkommener Resorption relativ hi~ufig wieder aufflackcrt. Sie kann dabei ihre Lokalisation teilwcise oder voll- sthndig ~ndern. In einem Falle b le ib t der Fokus derselbe, im anderen t r i t t ein neuer auf (vgl. Fall 9).

In jedem Stadium kann der fokale Herd einschmelzen. Es k6nnen im Be- reich der Infiltrierung jedoch aueh neue Herde erkennbar werden, Sei es durch

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kanalikul~tres Vordringen yore Fokus aus, sei es durch Metastasierung oder durch exogene neue Herdbildung. Diese neuen Herde k6nnen sich als mehr produkt iv darstellen und indurieren, k6nnen aber auch ihrerseits einschmelzen oder zum neucn Fokus werden: SchlieBlich kann die exsudative Infiltrierung in eine typisehe exsudativ-k~sige Pneumonie oder in eine sekundi~r-phthisische Misch- form fibergehen. Wir glauben, dab fast jede Kinderschwindsucht aus einer Infil- trierung hervorgeht. Es l~Bt sich allerdings klinisch und r6ntgenologiseh nit- malls sicher sagen, was man noch als exsudative Infiltrierung, was schon als spezifisehe tuberkul6se Gewebsveri~nderung oder gar schon als kSsige Pneumonie ansehen soll. Die Vorgi~nge laufen miteinander und summieren sich weitgehend. Einzelne yon uns in Lungenheilsti~tten gesehickte und yon dort mit der Diagnose Turban I I entlassene F~lle stellten sieh nachher als einwandfreie exsudative Infiltrierungen heraus. Welch sehweren Eindruck solehe F~lle sowohl klinisch wie rSntgenologiseh jahrelang machen k(~nnen, zeigt Fall 10.

In einzelnen Fi~llen haben wir einen kontinuierlichen Fortgang einer In- filtrierung in eine sekundi~r-tertiiire Phthise gesehen. Ieh m6chte daraus jedoeh keinerlei Schliisse auf das Problem der Phthiseogenese ziehen (vgl. Fall 11).

Sehr haufig, besonders bei Kindern differenziert sieh aus einer Infiltrierung ein zuni~ehst weicher Prim&rherd (Fall 1, 2), und zwar selten aus fleekf6rmigen 6fter aus langlichstreifenf6rmigen in den IIilus auslaufenden Formen. Gew6hnlieh hat sich dann sehon vorher im zusti~ndigen Hflusgebiet eine volumin6s-unscharfe Verdichtung herausentwiekelt. Der Prim~rherd kann yon kleinen t terdchen um- geben sein, kann allmhhlich hi~rter, aber auch vollkommen resorbiert werden (Fall 1). Es kann auch eine Strangbildung zum Hilnspol mi t evtl. Einschaltung yon Etappenflecken erkennbar sein. Si~mtliche yon uns bisher vom noeh negativen Pirquet an beobachteten Erstinfektionen, die sparer eine erkennbare Primiir- komplexbildung in der Lunge zeigten, haben mit einer solchen Infiltrierung begonnen. Derartige Formen nennen wir gewOhnlich Primiir in]i l tr ierungen im Gegensatz zu den fibrigen, den Sekund~irin]iltrierungen. Diese Sekundi~rinfil- trierungen lagern sich nun meistens an oder um nachzuweisende bei korrekter Uberwachung meist sehon bekannte Herde, und zwar sowohl um Lungen- wie um Driisenherde, um aktive wie inaktiv erscheinende, um weiche wie harte, aller- dings um letztere weitaus seltener. Auch bei der Primarinfiltrierung handelt es sich wahrseheinlieh um sekundhr-allergisehe VorgSnge, worfiber an anderer Stelle gesproehen wird ~s).

Vor den weiteren Er6rterungen seien einige Beobachtungsbeispiele kurz wiedergegeben. Von den zugeh6rigen I~6ntgenbildern k6nnen aus bekannten Grfinden hier nur wenige wiedergegeben werden. Die fehlenden sind mit noeh zahh'eichen anderen gleiehartigen Bildern auf dem Koburger Kongre[t vom Ver- fasser im Diapositiv gezeigt.

Fall 1. M. Sch., 18. V. 1922. Frischcs 5j~thr. Madchen, Pirquet zwcimal -- , Mutter ,,asthmaleldend", leider damals nicht untersucht.

23. I. : Krankenkasse meldct den Tod zweier Geschwister yon 11 Monaten und 4 Jahren mit der Todesursache ,,Lungenentziindung nach 8tickhusten". Unsererseits daraufhin Muttel" und Kind untersucht: .Mutter ~ bacill~r-positive, cirrhotisch-exsudative Phthise. Kind: jetzt Pirq. ~-+, guter Allgemeinzustand, vereinzelt trockene Geritusehe. Schirmbild: rechts weiche unseharfe zentralc Hilus-Lungen-Mittelfeldtriibung in mai~iger Aasdehnung.

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594: F. l~edeker:

16. IV. 1923: Schirmbild: Im reehten mittleren Hilusfeld volumin6se Sehattenbildung i~1 Walnullgr6lle, m~Big seharf abgegrenzt. Etwas oberhalb davo~x hasehmllgroBe unscharfe weiche Verschattung, die bei R6hrenverschiebung vor dem Hilus liegt.

14. II. 1924: Schirmbild: Lunge ohne Befund. Epikrise: Prim/trinfiltrierung, Bildung eines sichtbaren Prim/irkomplexes, der naeh

einem Jahr nicht mehr erkennbar ist*). Fall 2. H. O., 2, V. 1923. 6jtthr. gesunder Knabe, d'Espine: 2. Brustwirbel, Pirq. + + ,

sonst o. B. Schirmbild: Vom linken oberen Hilusfeld bis zum lateralen Schl~isselbein un-

Abb. I zu Fall'iL

scharfe zentrale diffuse Trfibung. Familienuntersuehung: nihil. Der Knabe ist im M/irz wegen Scharlach im lsolierhause einer ausw/irtigen Krankenanstal t gewesen. Gegenfiber dem Scharlachzimmer war dort auf demselben Flur das Zimmer fiir Schwindsiichtige. Beim Flur- und Zimmerwischen haben sich die Kranken fiber den Flur hinweg unterhalten. In der Rekonvaleszenz ist das Kind h~ufig in das Phtisikerzimmer gelaufen, w o e s mit einem bald darauf sterbenden Kranken Freundschaft geschlossen hatte.

*) Xaeh Mitteilung des ftir die von uns abgekehrte Familie zust/indigen stttdtischen Fiirsorgearztes hat das Kind seit Mai 1924 eine fypische rechtsseitige Hilus-Mittelfeld- Sekund~rinfiltrieI~ng. Mutter z. Z. bazill~ir.

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1. VI. bis 1. VII I . : Aufenthalt in einer Kinderanstalt. 3. VIII . 1923: Schirmbild: Vom Iinken oberen unseharf volumin6sen Hiluspol ein Strang

zu einem bohnengrol3en vorn gelegenen weichen Flecken. 10. XI. 1923. Schirmbild: Linker oberer kompakt-harter Hiluspol durch Strang mit

einem nahcn scharfen Flecken verbunden, d'Espine: letzter Halswirbel. Epikrise: Kliniseh erscheinungslose Prim/trinfiltrierung nach extrafamiliitrer 6- -8

V~rochen zuriickliegender massiver Infektion, nach 3 Monaten weiche Prim5rkomplexbildung, nach weiteren 3 Monaten konsolidierter harter Prim/~rkomplex.

Fall 3. R. Sch., 4jghr. exsudativ-pastoser Knabe mit harlem PrimSrkomplex, ein 15j~hr. Bruder = Kniefungus, l l j~hr . Schwester = sekunditr-kavern6se Phtise (stirbt am 26. I. 1924).

18. I. 1924: Seit 3 Tagen Husten und abendliehes Fieber. Schirmbild: Die h~rten :Hilusherde reehts sind yon einer unscharfen SehatWnzone um-

geben, der untereHiluspol ist welch ins Unterfeld verbreitert, ganzer linker Herzrand wolkig- fleckig aufgelockert. Platte: idem. (Abb. 1.) Bald darauf starke PhlyktSnen. und Ekzem- bildung.

Epikrise: Sekundare tlilusinfiltrlerung bei massiver Superinfektion. Hier sei die bei akuter Infiltrierung fast stets zu beobachtende Blutbildverschiebung demonstriert:

18. I. 0 9 0 2, 16 32 32 4 22. I. 0 7 0 l , 11 35 45 1 3. II. 0 4 0 0, 8 29 52 7

Fall 4. Fr. V. 30. I. 1922: Dralles, gesundes, 7j/thr. M~idchen, Mutter seit Grippe im Herbst 1921 Husten, jetzt bacill~r positive, exsudative Oberlappenphtise links. Sofortige Anstaltsaufnahme des Kindes am I. II . bis 1. IV. Dreimal Pirq. - - . Mutter wird naeh Heil- st~ttenkur im Oktober 1922 wieder baeill/~r, darauf Kind Ft. am 8. XI. 1922 Pirq. + + , klinisch nihil, d'Espine letzter HMswirbel.

11. XI. 1922 Schirmbild: beiderseits stark verbreiterte Hiluszeichnung, Geffigzeichmmg besonders stark im rechten Herz-Zwerchfell-Winkel.

22. XII . 1922. ,,Stark erkMtet", d'Espine 2. Brustwirbel, klinisch nihil. 10. I. 1923: d'Espine 3. Brustwirbel, rechts hinten unten Sehallverkiirzung mit leisem

Bronchialatmen, Schirmbild: Vom rechten Hilus ausgehende mitteldiehte diffuse struktur- lose Triibung des ganzen rechten Unterfeldes. Naeh erneuter dreimonatiger Anstaltskur r6ntgenologisch Resorption. 3 Wochen nach der Entlassung zur Mutter Rezidiv der ln- filtrierung. Allraghliehe Rtickbildung mit leicht indurativer cirrhotischer Umwandhmg, Prim~rherd niemals erkennbar.

Marz 1924 erneute Infiltrierung, die im Juni abklingt.

Fall 5. E. V. (Schwester yon Fall 4, vgl. fiber Exposition dort). 30. I. 1922: Dralles gesundes 3jahr. M~dchen. 1. II. 1922: Anstaltsaufnahme bis 1. IV. 1922, Pirq. § Schirmbild: Im reehten latcr~th,n

Unterfeld bohnengrol]cr, mittclharter Schatten, (lurch Strang mit 2 erbsengro[:~en, miii~ig dichten Hilusflecken verbunden. Bis Fcbruar 1923 unverhndert.

Ncue Anstaltsaufnahme wegen bacillSr-positiv werdender Mutter. Dort mehrfaeht' subfebrile Reaktion nach Petruschky.

3 Wochen nach dcr Entlassung rSntgenologiseh beiderseits sehr ausgedehnte diffuse dichte Verbreiterung der Hilusschattcn in s~tmtliehe Lungenfelder. Bis zum Januar 1924 r6ntgenologische Resorption.

Mhrz 1924 Rezidiv: GreBe linke Hilusunterfeldinfiltrierung mit miliarer 0rtl. Aussaat. Epikrise zu 4 und 5: Prim~tr- und Sekund~irinfiltrierungen, die bei Exacerbation der

miitterlichen Phtise mehrfach rczidivicren. Fall 6. E . W . 20. XI. 1922: 12j~ii:r. Knabe, 1 Jahr vorher frcmdseitig o. B. ger0ntgt.

Seit 2 Wochen mtide und abends fiebernd. Pirq. + 4- + . Rechts hinten oben seharfes Attach, sonst o. B. 37,2 Achsel, morgens 11 Uhr. Nchirmbild: Linker Hilus gefleckt, sehr starke Hiluslungenzeichnung. Vom rechten unsehalf dichten Hilus diffuse Triibung zum Unt~,l'- schliisselbeinfeld, darin 2 dichte, ziemlich deutiieh differenzierte zentral gelegene Schatten- ringe.

Page 9: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

5 9 6 I,'. l{edeker:

Pbltte: idem. 11. XII. 1922: SchirtM~ild: Hilus- and Lungenzeichnung erheblich geringer, all Stelle

der Triibung und 1Ringsehatten lediglich mM~ige Strangvermehrung. Platte; idem. Die �9 Nactffolsehungen ergaben eine tSglich im Hause arbeitende phtisische Putzfrau, die dann entlassen wurde.

6. I. bis 28. l I I . 1923 Heilstiittenaufenthalt. Bericht des Che/arztes: Sehr labiler Ober- lappenprozeft, der sich im M/trz cirrhotisch umwandelt.

Epil,'rise: Schnell abklingende 6rtliche Sekundtirinfiltrierung bet Superinfektion.

Fall 7. F . F . 1. II. 1924 yon einem auswgrtigen Konzernwerk in unsere Austalt Ra- phaelshaus geschiekter 12jghriger astheniseh-raehitischer Junge mit zahlreiehea Halsdriisen sonst o. B. Pirq. + . Mutter nach Auskunft der zustgndigen Fiirsorgeabteilung sehwind- siichtig.

12. III . Naeh der zweiten Petruschky-Einreibung 39,6 Achsel. 13. III. Links hinten unten Dgmpfung mit scharfem Atmen, subjektiv ~Vohlbefinden.

In den nachsten Tagen stets subfebrile Temperaturen, kein Husten, kein Auswurf, keine Besehwerden. Diimpfung vom 18. I i I . ab langsam abklingend.

Wegen StraL~enbahn-, Auto- und Wagensperre (Ruhr-Besetzung) Durchleuchtung erst am 21. III. Linkes Unterfeld leieht getriibt, starke Zeichnung in allen Lungenfeldern.

Nachkontrolle im Mat: keine erkennbaren VerSnderungen. Epikrise:Kurzdauernde, ausgedehnte Unterfeldinfiltrlerung nach Petruschky-Einreibung

bet einem vorher superinfizierten Knaben. Fall 8. M. ~V. I. II. 1922. 9j~thr. sehw~ichliches Mitdchea, seit 14 Tagen Husten und

Frieren, 38,8 Achel. Pirq. ~ - + , rechts unteu leichte Verkiirzung mit seharfem fast bron- chialem Attach, d'Esplne 3. ]~rustwirbel. 8chirmbild: rechter Herz-Zwerchfell-Winkel durch eine diffuse unscharfe Versehattung ausgeftillt. Platte: idem.

In der Folgezeit Ausdehnung der Infiltrierung tiber das ganze Unterfeld, Anfang Juni trockene Pleuritis.

Ab 1. X. laugsame Auflockerung der Verschattung. 3. L bis 3. IV. 1923: Heilstiitte, dort Diagnose: Produktiv-cirrhotisehe'Lungentubcrkulose

I - - I L Bald darauf r6ntgenologisch Resorbierung der ]nfiltrierung. (Mehrfache Plat te und Sehirmbild.)

]nfektionsquelle vielleicht die Mutter, die Drtisen-Durehbruchsnarben und multiple harte Lungen-R6ntgenherde zeigt, klinisch aber o. B. ist.

Fall 9. M. P. 2. VI. 1920: Schw/~chliches eretisches Miidchen, links hinten unten Sehallverkiirzung mit bronehialem Atmen uad klingendem feinblasigem Rassehl, Pirq. + . Dieser ~-on meinem Vorganger erhobene Befund bleibt bis zual Februar 1923. Wiederholte Durchleuchtungen und Platter~ zeigen stets diffuse linksseitige Unterfeldverschattung.

Der Zustand ist stets labil, wiederholt leichte Temperaturerh6hung, mehrfache Reiz- katarrhe, auch rechts.

Vom 28. II. bis 3. V. 1923 Heilst,;itte. Dortige Diagnose = Lungentuberkulose. iYach der Entlass*~ng Umschw~,ng: Links nur noeh Reizkatarrh, keine D/~mpfung mehr; daftir jctzt rechts hinten unten Verkiirzung mit Xatarrh und scharfes Atmen.

21. VI. 1923: Schirmbild: Der rechte Hilus ist welch vermehrt und gcht in eine diffuse zentrale Unterfeldtrtibung iiber, die bis in das Mittelfeld hineinreicht. Links o. B.

6. VII. 1923: Schirmbild: Im rechten Herz-Zwerchfell-Winkel noch sehr starke Strang- zeiehnung, bet etwas hoher R6hre rechts Interlobarstrang. Spatere Durchleuchtung und Platte stets idem!

Epik~ise: 3 Jahre dauernde linksseitige Unterfeldiafiltrierung, die dana r6ntgenologisch resorbiert wird. Anschliel~end rechtsseitige Unterfeldinfiltrierung, die nach wenigen Monaten cirrhotisch umgewandelt wird und eine interlobare PleuraadhAsion hinterla~t. Keine be- kannte Infektionsquelle. Tuberkulinisierung dureh Superinfektion in der Heilst~,tte!?

Fall 10. F . B . 17. II[ . 1921: Astheniseher eretischer 6 jithr. Knabe, Vater lungen- krank. Rechts hinten und vorne ausgedehnte Verkiirzung mit scharfem Atmen und feuchten Geri~usehen, 38,0 Achselh6hle.

Schirmbild ~,nd Platte (vgl. Abb. 2): Rechts veto Hilus ausgehende sehr ausgedehnte Mittelfeldverschattung mit hilusnaher Kavernenzeiehnung, links: x'ermehrter Hilus, im

Page 10: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

Ober die exsudati~'en Lungeninfiltrieru~gen der prim~iren und sekundSren Tubm'kulose. 5!)7

Mittelfeld isolierte strukturlose, zentral gelegene pflaumengrol?c Triibung. Unter Anstalts- behandlung allm/ihliehes Zuriiekgehen der reehtsseitigen Infiltrierung, aber naeh Entlassung pleuritisehe Erschcinungen reehts unten.

20. XI. 1922: Schirmbild und Platte (vgl. Ahb. 3): I)er rcchte Mittelfeldschatten hat sich in den oberen Partien aufgehellt, dagegen im Unterfeld neue dichte mit (ten hintercn Ril)pen sich verschiebende Schatten, die linksseitige Triibung !st unveriindcrt. Inl Friihjahr und Sommer 1923 Entfernung aus der Familic dutch Landaufcnthalt (nicht durch mls!).

A b b , 2 z u Fa l l 1[).

3. VIII . 1923: Schirmbild: Be!de Hilen stark gcfleckt. Rechter Herz-Zwerehfell-Winkel durch weichfleckigc Schatten ausgeftillt, die be! Verschicbung zcichmmgskonstant in ciner hinteren Ebene liegen, vor ihnen liegen im gleiehen Bczirk fleckige Strangziige, die in ver- schiedenen Ebenen sich befindcn. Nach oben Begrenzung durch dichten Horizontalstrang. Links keine Triibung mehr, aber ein feincr Horizontalstrang. Hierm~ch war die Zwstamls- diagnose eindeutig: Rechts cirrhotiseh umgewandelte Infiltrierung mit hinterer costah, r u n d interlob/trer Pleuraadh/tsion, links abklingende Infiltrierung mit lnterlobiiradhiision, l)iesor linke Interlob/irstrang war am 30. X. 1(.)23 und spiiterhin nicht mehr nachzuweisen.

8. l I I . 1924: Schirmbild uml Platte (Abb. 4): Rcchter Herz-Zwerchfell-Winkel fleckig m~(l zeichnungskonstant gctrtibt, IntcrlobSxstrang nut noch be! hoher R6hre, auf dcr zentrierten Plat te dcshalb nicht mchr nachzuweiscn.

Page 11: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

598 F. Redeker:

Epikrise: Sehr sehwere heiderseitige Infiltrierung mit zentraler Einschmelzung, die in 21/2 Jahren nut langsam und mit rechtsseitiger costaler und beiderseitiger interlob/~rer Pleuritis sich zuni~ehst cirrhotiseh umwandelt und dann weitgehend resorbiert wird.

Fall 11. K . P . 29. HI . 1922. Erethisches 14ji~hr. Miidchen, das einige Monate auf dem Lande war und bei hustenden M~dchen geschlafen hat. d'Espine 4. Brustwirbel. Links hinten Verkiirzung mit leisem Bronchialatmen und feinen feuchten Ger/iusehen.

Schirmbild und Platte (vgl. Abb. 5): Diffuse Hilus-Mittelfeldtrtibung. Nach Heilsti~tten-

Abb. ,~ zu Fall le.

aufenthalt rtinfgenologisch und kliniseh fast v6lliges Zurtiekgehen der lnfiltrierung. Anfang September gegen unseren Ra t als Madchen zu ciner Familie mit phtisischer Hausfrau.

30. IX. 1922: Klinisch und r0ntgenologisch Rezidiv, darauf Verlassen der Dienststelle, aber nut unvollkommene Rtickbildung. Im Friihjahr 1923 hinter unserem Rticken Arbeiten in einer Sackfabrik.

April 1923: Angeblich Bluthusten, kOrperlich stark reduziert, schweres Rezidiv *nit Pleuritis. Unter streng kontrollierter Liegekur gute Allgemeinerholung, aber fehlende Re- sorption. Allmt~hlicher tJbergang in eine aktive produktiv-exsudative linksseitge Phtise, vgl. Plat te vom 14. III . 1924 (Bild 6). Blutbild zeigt seit Winter 1923 Linksverschiebung.

Ei~itrise: Naeh Superinfektion entstehende mehrfach abklingende und rezidivierende Infiltrierung, die in cine Pubert~its-Phtise tibergeht.

Page 12: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

Abb. 4 zu Fall 10 ( se i t enve rkehr t 1).

Abb. 5 zu Fal l 11,

Page 13: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

600 F. Redeker:

Fiir die praktische Bek/impfung der Tuberkulose des Individuums wie des Volksganzen ist es gleichgiiltig, ob man die Infiltrierung als eine tuberkul6se Gewebsver~inderung ansieht oder nur als spezifische oder unspezifische Reaktion des sensibilisierten Gewebes. Auch im letzteren Fall geh6rt die Infiltrierung zum Problemkomplex der Tuberkulose genau so gut, wie etwa die Tabes oder die Paralyse zum Komplex der Syphilis. Praktisch ist ein/~tiologischer Zusammen- hang schon durch den stets positiven Pirquet und durch die Lokalisation um

A b b . 6 z u F a l l I I .

entstehcnde oder schon vorhandene tuberkul6se Herde mit gentigender Sicherheit gegeben. Weitere Zusammenh~nge werden noch zu er6rtern sein.

Mit dem Ausdruck Infiltrierung ist die pathologisch-physiologische Deutung schon vorweggenommen. Die yon La~nnec beschriebene ,,gelatin6se Infi l t rat ion", die sich wohl mit Rind/leisch's , , inveteriertem ()dem" deckt, bezieht sich augen- scheinlich auf ~ltere Infiltrierungen. Die hierbei beschriebene Atelektase wird sowohl als Folge wie als Ursache des 6demat6sen Zustandes gedeutet. Es sind Einzelfalle beschrieben, wo die Sektion einer ausgesprochenen groBen Infiltrie- rungsform eine anatomische Ursache fiir eine solche Atelektase ergeben haben soll, n~imlich eine komprimierende tuberkul6se Drtise oder einen durch K~se verstopften BronchuslS). Eine solche Atelektase mit sekund~rem 0dem ist m6glich und vermag die beschriebenen klinischen Symptome zu erkl5ren.

Page 14: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

kTber die exsudativel~ Lungeninfiltrierungen der I)rimaren und sekund,~ren Tuberkulose. 601

Erinnert sei auch an KrSnigs 2a) unspezifische einseitige Spitzenatelektase infolge Nasenverengerung. Aber es handelt sich, wenn solche prim~tren Atelektasen wirk- ]ich vorkommen sollten und die beschriebene Bronchusverstopfung nicht nur als zuf~lliger Nebenbefund zu werten ist, sicherlich nur um Einzelfi~lle. Die Lokali- sation eines derartigen atelektatischen 0dems miiitte schon ~hnlich der eines Infarktes sein. Bei sekund~ren Herdinfiltrierungen mfil~te es sich um periphere Sektorenausschnitte, aber nicht wie fast ausschliei31ich um zirkumfokale Lokali- sationen handeln. Ffir die in allen Lungenfeldern gleichmi~l~ig sich ausdehnenden Formen der Hiluslungeninfiltrierung ist eine Bronchusverstopfung yon vornherein auszuschliel3en.

Bei der grol3en Masse der Infiltrierun.gen handelt es sich augenscheinlich um eine ser6se Hyperdmie und Lymphdmiea), wie sie als Vorstadium und Begleit- erscheinung vieler exsudativer Entziindungen bekannt ist. Die meisten Autoren bezeichnen dementsprechend die Infiltrierung auch als Entziindung, z. B. Klin- kerr 4) als sympathische Entziindung, Ranke 2) als serOs entztindliche Durchtr/~n- kung, Enge114) als paratuberkul6se Entzfindung, Tendeloo 5) als kollaterale Ent- zfindung, Schmorl a) als zirkumfokale Entziindung usw. Ob man den Zustand als Entzfindung oder Infiltrierung bezeichnet, h/~ngt letzten Endes yon der umstri t- tenen Terminierung des Begriffes der Entziindung ab. Gemeint ist stets dasselbe : die mit einer Hyper~mie einhergehende ser6se, lymphocyt~re Durchtr~tnkung des Lungengewebes. Pathologisch-anatomisch wird der Nachweis nur selten mSglich sein. Einmal kommen die Fi~lle sehr selten in dem labilen Durchgangs- s tadium der Infiltrierung zum Tode, welter verschwinden die geringeren Grade sehr leicht gegeniiber den Erscheinungen des terminalen Lungen6dems und der Hypostase. Analogien sind z. B. der unspezifische Gelenkhydrops bei Epi- physentuberkulose oder manche tuberkul6se Ascitesformen. DaB Hyper~mien der Lfinge besonders starke und prompte ,R6ntgenerscheinungen bedingen, ist bekannt, ebenso daI] 1/~nger dauernde Stasen indurative VerS~nderungen zur Folge haben k6nnen, besonders am G ef~13bindegewebe und im Interst i t ium. Man wird also geringgradige cirrhotische Befunde nach Infiltrierungen nicht ohne weiteres als indurative tuberkul6se Gewebsveri~nderungen auffassen diirfen. ])as gleiehe gilt yon den so h~ufigen Begleitpleuritiden, insbesondere den Interlob~rschwarten.

Die Er6rterung der ~tiologie der In/iltrierungen fiihrt in das Reich der umk~mpften Theorie, auf die nur so weit eingegangen werden soil, wie sich aus der fiirsorgerischen Beobachtung Folgerungen ziehen lassen. Weleher besonderen Art die immunbiologischen Vorg~tnge und Reaktionen dabei sind, m6gen die Fachleute miteinander ausmachen.

Orth 3) hat schon 1901 eine Fernwirkung yon den 5rtlichen Herdvorg~ngen unterschieden. Die erste Tuberkulin/ira verzeichnet zahlreiche Berichte tiber sehr erhebliche, oft in k~sige Pneumonien iibergehende Randentziindungen des Herdes nach gr6Beren Tubcrkulindoscn. Virchow a) pr/~gte damals den Ausdruck Tuberkulin-Injektionspneumonie. Man deutet das jetzt bekanntlich als eine Reizwirkung des Tuberkulins auf den Herd und wiirde bei derartig starken Herdreaktionen yon Kunstfehlern sprechen. Man nimmt an, daf~ das Gewebe um den Herd mehr oder minder stark sensibilisiert ist, dab also in der Umgebung des Herdes eine Entziindungsbereitschaft besteht, und zwar eine spezifische for Tuberkulin. Diese Herd- randentziindungen und Infiltrierungen treten im Verlaufe der tertii~ren Phthise bekanntlich auch spontan auf. Man hat sogar behauptet21), daI3 die chronische Lungentuberkulose generell in Schtiben verlaufe, die jedesmal mit einem pneumonischen Stadium beg/~nnen, das sich

Beitr~ge zur KUnik der Tuberkulose. Bd.59. ~9

Page 15: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

6 0 2 F. R e d e k e r :

entweder rtickbilde oder in Ulceration iibergehe. Tats~chlich wird man sieh dieser Auffassung auch fiir terti~re Phthisen mehr oder minder n~hern, wenn man oft genug und in kurzen Abst~nden rSntgt. Man kann diese Anschauung sogar dahin erweitern, dab die Exacerbation der terti~ren Phthise nicht nut anatomisch sekund~re Erscheinungen zeigt, sondern dab zugleich die terti~re Allergieform sieh wieder der sekundhren nahert oder gar in sie zurfiek- fhllt. Die terti~ren Infiltrierungen w~iren dann gleieh den sekund~ren zu bewerten, doch soll das hier nicht weiter er6rtert werden. Diese spontanen Herdrandinfiltrierungen erkl~rt man namentlieh seit Liebermeisters 22) Arbeiten fiber das Kreisen yon Tuberkelbacillen im Blur in Analogie zur Tuberkulinherdwirkung als Folge einer Eigentuberkulinisierung. Endo- oder Exotoxine der im Blut kreisenden, irgendwie aus dem Herd ausgeschwemmten Tuberkelbacillen (andere sprechen yon Stoffwechsel- oder Zwischenprodukten der Tbc.- Bacillen, wieder andere von Abbaustoffen der Gewebszellen) sollen als Reizstoffe auf die sensibilisierte Umgebung des Herdes wirken.

Durch eine solche Eigentuberkulinisierung wird sicherlich ein Teil der be- schriebenen sekundaren Infiltrierungen verursacht werden. Es sind das die F~lle, wo die Infiltrierung als Ausdruckserscheinung einer Exacerbation ex dis- positione, recte ex conditione, anzusehen ist, z. B. infolge einer akuten Infek- tionserkrankung oder einer chronischen Schhdigung durch Unterern~hrung, oder sinkende Aufzuchtsbedingungen usw. Diese in der Literatur immer noch vor- herrschende Annahme gentigt jedoch fiir die Mehrzahl der F~lle keineswegs, auch nicht unter Hinzuziehung der unsicheren Hilfshypothese einer l~esistenz- schw~che bestimmter Altersklassen, also vornehmlich des Pubert~tsalters. Verf. hat das wiederholt betont 15, ~, 24). Disposition und Unterern~hrung sind ftir das Schicksal der sekund~ren Kindertuberkulose nicht so allein ausschlaggebend, wie durchweg angenommen wird. Fiir die Mehrzahl unserer Infiltrierungsf~lle sind d.tspositionelle Einfliisse nicht nachzuweisen. Dagegen tritt ein anderer Faktor fast regelm~i[3ig in den Vordergrund: der der massiven Superin/ektion.

~ber die immun-biologische Wirkung der Superin/ektion liest man wenig. Keine der vielen theoretischen und experimentellen Arbeiten gibt dariiber Auf- schluB, was aus den oft massenweise konsumierten Bacillen wirdl), die keine neuen Herde setzen. Den K6rper unver~ndert verlassen werden sie kaum, ebenso- wenig als reaktionslose Parasiten weiterwachsen. Angenommen, sie wfirden irgendwie abgebaut, so fragt man sich, unter welchen Reaktionen. Es ist nicht einzusehen, warum beim Abbau dieser k6rperfremden Bacillen nicht genau so gut Reizstoffe in die Blutbahn gelangen k6nnen wie beim Abbau eigener herd- ausgeschwemmter Bacillen, und weshalb dann diese Stoffe nicht die gleiche Reaktion auslOsen sollen wie die eigenen Bacillen. Meinicke ~5) berichtet, dal~ die neueintretenden Arzte und Pflegerinnen in seiner Heilstgtte sehr bald besonders stark auf Tuberkulin zu reagieren pflegen, und fiihrt diese Erscheinung mit Recht auf eine Sensibilisierung durch die nicht zu vermeidende Superinfektion zurtick. Spricht man vonAutotuberkulinisierung durch herdausgeschwemmte Eigenbacillen, so mul~ man in logischer Erg~nzung auch eine Infektionstuberkulinisierung durch konsumierte fremde Bacillen annehmen. Unter diesem Gesichtswinkel ist die biolo- gische Wirkung der schweren Superinfektion verst~ndlich. Ihre vornehmliche Ausdrucksform ist die sekund~re Lungeninfiltrierung, ganz entsprechend der Wirkung einer schweren Tuberkulinreaktion oder der Eigentuberkulinisierung.

Unter unseren Infiltrierungen sind alle drei :~tiologien vertreten. Die ver- einzelten leichten Formen nach Pirquet-Impfung sind erw~hnt. Fall 7 zeigt eine

Page 16: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

['ber die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primaren und sekundaren Tuberkulose. 603

groBe Infiltrierungsform nach Petruschky-Einreibung. Hi~ufiger mugte man eine endogene Exacerbation, also eine Eigentuberkulinisierung, annehmen, wenigstens war dann eine Infektionsquelle nicht nachweisbar. Die weitaus fiberwiegende Mehrheit war jedoch als ausgesprochene Infektionswirkung aufzufassen. Darunter fallen naturgemiig zun~chst alle Prim~irinfiltrierungen. Die grSgte Gruppe stellen die typischen Sekundi~rinfiltrierungen bei massiver Superinfektion. Die Reakt ion in Gestalt der Infiltrierung erfolgt bier hiiufig sehr prompt , bei manchen FMleu kann man sie voraussagen. Man muB nur oft genug durchleuchten. Das Schicksal dieser Superinfektionsinfiltrierungen hi~ngt nun keineswegs zuerst von der Dis- positionsprophylaxe ab. Die kri~ftigsten und blfihendsten Kinder reagieren genau so h~ufig mit einer Inffltrierung wie die anderen, vielleicht sogar hiiufiger. Der Verlauf kann bei ihnen genau so b6sartig werden wie bei den sehwiiehlichen. MaB- gebend seheint in erster Linie das Fortbestehen, Absehw/~ehen oder Sistieren der Superinfektion zu sein. In dem einen Falle k o m m t es evtl. zur k~sigen Pneu- monie, im anderen zur sehnellen restlosen Resorption. Dazwisehen liegen bei labiter Superinfektion die langdauernden und die rezidivierenden Formen. Natfir- lich handelt es sich wie im ganzen Komplex der Tuberkulose aueh hier nicht um absolute Postulate, sondern um relative. Eigentuberkulinisierungen wie Super- infektionswirkungen kOnnen sieh kombinieren oder abweehseln, wobei der Zu- stand des fokalen 1-Ierdes wiehtig ist. Wahrseheinlich bildet das infiltrierte Gewebe einen gfinstigen Boden fiir neue Herdbildungen. Auch hier ist es keines- wegs erwiesen, da6 die Eigenbaeillen ein Monopol ffir Neuansiedlungen haben. Doch soll auf diese umstr i t tene Frage der aerogenen oder hi~matogenen Re- infektion nicht eingegangen werden. Wie ieh sehon gelegentlieh ausftihrte2~), k o m m t es bei der exogenen Reinfektion wenigstens im sekund~ren Stadium gar nicht auf die neue Herdbildung an. Zur Erkl~rung ihrer praktiseh nieht abzu- leugnenden gewaltigen Wirkung genfigt vollkommen die immunbiologisehe Ein- wirkung der Superinfektion auf den schon bestehenden Herd, z. B. in Gestalt der Infiltrierung. Diese Infiltrierung ist ftir jede Epoche der Tuberkulose das erregende Moment. Sie leitet wenigstens im Lungengewebe die Bildung des er- kennbaren Primi~rkomplexes ein. Ih r Abklingen ist das Zeiehen einer vorli~ufigen Stabilisierung dieses Komplexes. Bleibt sie bestehen, kann es schon im Stadium des Primi~rsekund~rkomplexes zu sehwerem Kontak twaehs tum und Einschmel- zungsvorg~ngen kommen. I m sekundhren Stadium ist die Infiltrierung das Alarmzeichen, durch welches jede Exacerbat ion ex conditione wie ex superinfee- tione eingeleitet wird. Auch hier entscheidet das Schicksal der Infiltrierung fiber den Verlauf der Tuberkulose. Ffir die tertiiire Phthise scheint in eingeschr~nkteren Mal3e dasselbe zu gelten.

Es seien nunmehr einige Zahlen iiber die Hiiu/igkeit der primiiren und .~ekun- diiren In[iltrierungen gegeben. Als Testeinheit w/ihle ich unseren Fiirsorgebezirk Miilheim-Styrum mit rund 10 000 KOpfen. Die Zahlen lassen sich leicht auf andere Verhi~ltnisse umrechnen.

Der Bezirk ist sozialhygienisch ziemlich minderwertig und fagt gr6gtenteils ungelernte Arbeiter. Die fiirsorgerische Erfassung daft gut genannt werden, z. B. sind s/tmtliche 1923 gestorbene Tuberkulosen vorher bekannt gewesen. Von den z. Z. 1600--1700 Schulkindern haben wir fiber 1000 in aktenm~giger Oberwachung. Allein vom Januar 1923 bis M/~rz 1924 sind tiber 1000 RSntgen-Untersuehungen vorgenommen worden. In den folgenden 3 Tabellen

39*

Page 17: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

604 F. Redeker:

sind shmtliche sei~ 1922 in diesem Bezirk von mir beobaehteten Infiltrierungen zusammen- gestellt. Die vorliegende Arbeit sttitzt sieh selbstverst~ndlich auf welt zahlreichere F~lle aus allen unseren ]2"tirsorgebezirken.

I. Wdhrend der Beobachtung entstandene Prim(irin/itt,rierungen bei vorher Pirquet- negativen Kindern.

1. S.K. 4 j . M . 2. E.Sch. 6 j . M .

3. M.F. 7j.M. 4. Fr.V. 7j.M.

5. L.Sh. 8j .M. 6. L.B. 6j. Kn.

Dauer Infektions- Lokalisat ion GrOBe in Ausgang

quelle Monaten

Vater Mutter

Wohnung Mutter

Vater Vater ?

r. Hilus-Oberfeld r. I~Iilus-Mittelfeld

1. Obeffeld r. Unterfeld

r. Hflus-Mittelfeld 1. Hilus-Oberfeld

Ill.

kl.

g r , g r .

kl. In.

Resorbiert~ o. B. Pr. Sek. Compl. darauf re-

sorbiert~ vgl. Fall 1. besteht noch. Resorption, aber rezidivie-

rend, vgl. Fall 4. Resorbiert. Pr. Sek. Compl.

II. Wdhrend der Beobaehtung entstandene Sekundarin]iltrierungen bei vorher schon Pirquet-positiven Kindern.

lnfek- .2 tiona- Ausgangszustand Lokalisat ion :~ g AusgJng quelle

7. E.V. 3j.M.

8. St.C. 7j.M.

9. E.E. 9j.M. 10. E.A. 13j.M. 11. E.Seh. 13 j. M.

12. O.Sch. 13j.M.

13. C1.B. 13j, M. 14. R. Sch. 4j.Kn. 15. K.Seh.gj .Kn. 16. Fr.R. 10j.Kn. 17. W H. 12j.KnJ

18. H.G. 12j.Kn.!

Mutter

?

Mutter Bruder Vater

?

?

hart. Pr. Sek. Cpl. diff. l:[il.-Lg.-Feld m.

o.B. r. }til.-Mittelfeld m.

Br.-Dr.-Tbk. Ik. Mittelfeld Br.-Dr~-Tbk. r. Unterfeld

~veich.Pr.Sek.Cpl. r. Oberfeld gr. aart. Pr. 8ek. Compl. r . Unterfeld und inks, eirrhot. Hil.-

Oberfeldbahn lks. Hil.-Obeffeld gr. Skrofulose r. Hil.-Mittelfeld m.

Sehwest.lhart. Pr. Sek. CpL Bruder o .B. Mutter Skrofulose Vater Br.-Dr.-Tbk.

5 hatter Prim. Sek. Compl,~ vgl. Fall 5.

8 cirrhot.umgewandelt~ dann resorbiert, o. B.

- - bald darauf verzogen. 6 L cirrhot.umgewandelt. 3 } cirrhot.umgewandelt.

Mutter ttals.-Dr.-Tbk.

diff. Hil.-Lg.-Feld m. lks. Unterfeld m. r. Itil.-Mittelfeld m.

lk. Unterfeld gr.

bdsts. Schmetter- i gr. lingsform ]

,Irechts resorbiert. 5 I[inks" eirrhot, umgewand.

10 cirrhot.umgewandelt. - - best. noch, vgl.Fall3. 7 akt. Br.-Dr.-Tbk.

10 resorbiert, o. B. 12 resorbiert, o. B.,

chron. Katarrh. 3 Meningitisgestorben.

11I. Bei der Au/nahme nachgewiezene, also 8chou vorhandene In/i!trierun ,en.

19. A.D. 20. M.J.

21. ILD. 22. H.K. 23. H.K.

Iniek- tions- quelle

Vater u. Mutter

: M u t t e r Vater u. Mutter

Mutter Vater

l j .M. 3j.M.

4j.~. 6 j .M. 7j.M.

Lokalisat ion

lk. Oberfeld gm r. lk. Hil.-Mittelfeld .

r. l:lil.-Unteffeld i i r. t{il.-Unteffeld r. Hil.-Mittelfeld

r Ausgang

3 Meningitis gestorben - - besteht noch

besteht noch akt. Prim: Sek. CompL

1 cirrhot, umgewandelt

Wahr- seheinliehe

Art

Prim.-Inf. ?

?

Prim.-Inf. Sek.-Inf.

Page 18: über die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primären und sekundären Tuberkulose

0bet die exsudativen Lungeninfiltrierungen der primaren und sekundaren Tuberkulose. 605

I I I . (Fortsetzung).

24. A.T. 8j.M.

25. M.W. 9j.M

26. M.P. 9j.M.

27. G.A. llj.M. 28. M.S. 11 j.M. 29. A.B. llj. M.!

30. K.P. 14j.M.

31. H.B. 2j. Kn. 32. A.Sp. 3j. Kn. 33. H.O. 6j. Kn.

34. J.K. 8j.Kn.

35. St.T. 10j.Kn.

36. N.T. 12j. Kn.

]nfek- tions-

quelle Loka l i t a t ion

a~ .M

A usgang Wahr-

scheinUche Art

Geschwist,[I ~gl. il

r. 35 u. ~il

M utter ?

?

S c h w e s t . ?

Schwes te r

Vater extra-

fami l i a r

Mutter 2 Tanten

extra~ f ami l i a r

Vater Phthis .

B rude r u. Schwes te r v o r 2 Jahr . gesto~bcn,

j e t z t schlech-

tes te Auf- zuchtsbe- d ingungen

diff. Hil.-Lg.-Feld 13

r. Unterfeld 15 a) lk. Unterfeld gr. 25 b) r. Unterfeld gr. 4 r. Hil.-:Mittelfeld gr. - - r. Unterfeld gr. 11

bdsts. Oberfeld gr. 8

r. Mittelfeld gr. rezidi- v i e r end

r. YIil.-Mittelfeld knl. 11 diff. ItiL-Lg.-Feld . - -

lk. I-Iil.-Mittelfeld 14

diff. Hil.-Lg.-Feld 8

r. Itil.-Oberfeld ira. 10

cirrhot, umgewandelt

resorbiert, vgl. Fall 8 resorbiert i cirrh, umgew.,vgl. Fall 9 besteht noch cirrhot, umgewandelt bdsts, cirrhot, umgew. terti~tre, aktive Phthise,

vgl. Fall 11 resorbiert besteht noch Pr. Sek. Cpl., vgl. Fall 2 resorbiert

cirrhot, umgewandelt

resorbiert

Sek.-Inf.

Sek.-hff. Sek.-Inf. Sek.-Inf.

? Sek.-Inf.

?

Sek.-Inf. ? ?

Prim.-Inf. Sek.-Inf.

Sek.-Inf.

Sek.-Inf.

Beobachtet sind demnach in diesem Bezirke innerhalb 2--3 Jahren 36 In- filtrierungsfglle, darunter 18 yore Entstehen an, und zwar 15 davon bis zum Ab- klingen. Die restlichen 18 bestanden schon bei der Aufnahme. Von den 18 Ent- stehungsbeobaehteten sind 6 ~ 331/a% wohl siehere Primgrinfiltrierungen. Bei den 18 anderen ist ein Urteil nieht immer mSglich, 3 sind ziemlich sichere und 3 weitere wahrscheinliche Prim~rinfiltrierungen (Nr. 21, 31, 32), zusammen also wieder 331/a~ In dieser letzteren Gruppe der Aufnahmeinfiltrierungen sind besonders sehwere und ehronisehe Formen enthalten. Die Durchschnittsdauer yore Aufnahmetag bis zum Abklingen betr~gt hicr 12 Monate, wozu noch die unbekannte, vor der Aufnahme liegende Zeitdauer hinzuzurechnen ist. Dagegen betragt bei den Entstehungsbeobachteten die Gesamtdurchschnittsdauer vom Entstebungsbeginn bis zum Abklingen nur 71/~ Monate. Wir glauben, dai~ diese giinstigere Zahl nicht zum wenigsten eine Wirkung des frfihzeitigeren Einsetzens der Superinfektionsprophylaxe bei den Entstehungsbeobachteten ist. Frische Infiltrierungen nehmen wir sofort aus dem Elternhause heraus in unsere Kinder- anstalten. Typisch ist, dal~ die einzige fiber 1 Jahr dauernde Primarinfiltrierung (Nr. 2) bei zwar relativ sauberer, aber tiberaus eigenwilliger Familie vorkam, yon der das Kind vorzeitig aus der Anstalt und die Mutter ebenso vorzeitig aus der Heilst~tte nach t tause geholt wurden, bei der also die Superinfektionsprophy- laxe nut unvollkommen blieb. Auf der anderen Seite sind die kurz dauernden Aufnahmefalle (Nr. 22, 26, 33) gerade so]che, die wir nach der Vorgesebichte augenscheinlich ganz im Beginn zu Gesicht bekamen, und bei denen wit deshalb

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606 F. Redeker:

reehtzeitig eingreifen konnten. Der kfirzeste Fall (Nr, 33) ist unter den Beob- achtungsbeispielen als Fall 2 beschrieben. Bei ibm hatte die Superinfektion schon vorher aufgehSrt, deshalb das schnelle Abklingen. Allerdings ist gerade bei dem langst dauernden Fall (Nr. 26a) eine Infektionsquelle bei der Aufnahme und spiterhin nicht mehr nachzuweisen gewesen. In 26 Fallen ~ 72% war eine siehere Superinfektion vorhanden. Bei Nr. 25 zeigte die Mutter Driisendurch- bruchsnarben und mehrere harte Lungenherde, aber keinen klinisehen aktiven Befnnd. Bei Nr. 6 war der angeblich stets hustende Vater noch n ich t zur Untersuchung hereinzubekommen. Nr. 27 ist noch nieht geklart. Bei den Geschwistern Nr. 24, 35 und 36 handelte es sieh um sehwere Generalisations- stadien, Nr. 35 mit Wirbelsiulen- und Hiiftgelenktuberkulose, Nr. 36 mit Hornhauttuberkulose und 24 mit Skrofuloderma. Die urspriingliehe Infektions- quelle in Gestalt yon 2 alteren phthisischen Geschwistern war mit deren Tod schon seit 2 Jahren erloschen, die h~usliehen Verhi~ltnisse denkbar miserabel. Hier sind wahrseheinlieh konditioneUe Faktoren fiir das lange Weiterbestehen oder Wiederaufflaekern der Infiltrierungen entscheidend gewesen. Fiir die restliehen 4 Fi l le war eine Iniektionsquelle nieht naehzuweisen. Er- wahnt sei noch Nr. 3, wo die sehr schwere Infiltrierung ganz unvermutet auftrat. Eine Quelle war zunichSt nieht naehzuweisen, bis wir entdeckten, dai] die Familie einige Monate vorher umgezogen war in eine Wohnung, die yon einer katastrophal geendeten Phthisikerfamflie bewohnt gewesen war. Beide Eltern und ein grol3er Sohn innerhalb weniger Monate an Ph~hise gestorben, 2 weitere Kinder phthisisch und nur 2 Kinder kliniseh noch gesund. Es war schlulMesinfiziert. Nahe liegt die Vermutung einer massiven Iiffektion (lurch ein h~usliches Bacillendepot. Einen gleichliegenden Parallelfall beobaehteten wir in einem anderen Ffirsorgebezirk.

Von den 36 F~llen sind 12 Knaben und 24 Midehen. Dieses Verh~ltnis finder man stets bei allen Untersuehungen kindlicher Tuberkulosen. Wie ieh wiederholt betont habe i5, 2~, 2~), ist die wahrscheinliche Ursache hierfiir die gr~)l~ere hi~usliche Ansteekungsexposition der Madchen. Ein Vorwiegen der Midehen fehlt im Kriechalter und wird erst im Sehulalter deutlieh. Im Gegensatz zu den Knaben hoeken die Midchen besonders im spaten Schulalter mehr in don Hiuse rn herum, dementsprechend haben sic aueh stets die hShere positive Pirqnet-Zahl, der schlfissigste Beweis ffir ihre hiufigere Infektion. Typiseh fiir diese Expositions- verhiltnisse ist eine Altersaufteihmg der Infiltrierungen: 7 Mi~dehen und 5 Knaben unter 7 Jahren, aber 17 Midchen dariiber gegenfiber nur 7 Knaben. Also besteh~ im vorsehulpfiichtigen Alter noch kein wesentlicher Untersehied. Dagegen ist der Unterschied bei den 7--11jhhrigen schon voll ausgesprochen: 4 Knaben gegen 12 Midehen. Es ist das fibrigens bei den'Sterbeziffern genau so, wo die Zahlen der 5--10 j ihrigen Midehen genau so hoch fiber denen der Knaben liegen wie die der 10--15jihrigen. Die bei den M~dchen friiher liegende Puber ta t be- dingt also den Unterschied nieht. Es handelt sich anscheinend um die gr513ere Exposition der Madchen zur Superinfektion, zu Hause wie bei den Nachbarn.

Von den 36 Inffltrierungen zuziiglich der 3 Doppelfalle (Nr. 26, 28 und 12) sind 22 ----- 61% Hiluslungeninfiltrierungen, und zwar 6 diffuse Formen, wihrend 16 yon einem bestimmten Hiluspol in ein bestimmtes Lungenfeld sich ausdehnten. Mit 2 Ausnahmen sind die Hiluslungeninfiltrierungen kleinere oder mittlere For-

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(~ber die cxsudativen Lungeninfiltrierungen der prim~ren und sekundaren Tuberkulose. 607

men, dagegen sind yon den 17 Lungeninfiltrierungen 14 ausgesprochen grol3e Formen. Sie gehen fibrigens auch meistens vom Hilus aus. /qur 3 sind mehr fleckfSrmige mittelgro~e Formen. Die Lokalisation der einseitigen Infiltrierungen war bei den tIilusformen 11 mal rechts und 5 real links, bei den Lungenformen 8 real reehts und 6 mal links. Von den Lungenfeldern sind unter Hinzureehnung des doppelseitigen Falles •r. 29 am meisten beteiligt das reehte Unter- und Mittelfeld mit je 8 Fi~llen, es folgen das linke Oberfeld mit 6 Fi~llen, das rechte Oberfeld mit 4 Fillen, das linke Unter- und Mittelfeld mit je 3 Fiillen. Am 15. III . 1924, bei Absehlu[~ der Arbeit, waren 6 Infiltrierungen noch nicht abgeklungen, 14 resorbiert, 4 hat ten mit einem Prim~rkomplex geendigt, 11 waren indurativ-cirrhotisch umgewandelt, 1 in eine aktive Puberti~ts-Phthise fiberge- gangen, 2 an Meningitis gestorben und 1 vorzeitig verzogen.

Zu den Folgerungen /iir die therapeutische und ]iirsorgerische Praxis ist nur noch wenig zu sagen. Es kommt auf zweierlei an: 1. den gefahrdrohenden Augen- blick im tuberkulSsen Gesehehen zu erfassen und 2. richtig einzugreifen.

Zu 1. Das iibliche Fahnden nach , , tuberkulosegefihrdeten" schwichliehen I~ndern ist als Erfassungsmethodik zwar sehr einfach und gestattet die schSnsten Statistiken ira Jahresberich~ und Lokalbli~ttchen, ist aber ein vollkommen un- taugliches Mittel. Man erfal~t dabei neurolabile, einzige und Wurmkinder, weiter altrachitisch gehemrhte, vererbt luetische, aufzuchtsverkiimmerte usw., aber keineswegs die Gruppe der sehwindsuchtsbedrohten Kinder. Um diese zu erfassen, ist das einzige Ausscheidungsmittel die 2malige Pirquet- oder Moro-Impfung. Intracutanimpfungen mSgen in der Klinik empfehlenswert und ffir genaue Fest- stellungen des Durchsuchungsgrades notwendig sein, in der Fiirsorgearbeit sind sie aus psychologischen Griinden nieht anwendbar und zudem unnStig. Die Kinder, auf die es ankommt, reagieren auch auf Pirquet oder Moro. Das zweite Ausseheidungsmittel aus der Gruppe der Pirquet-Positiven ist nun wieder nicht das schwi~ehliche oder kr~nkliehe Aussehen, sondern in erster Linie die RSntgendurehleuehtung der Lungen. Diese zielt letzten Endes auf In- filtrierungszust~nde als typisehe Alarmzeichen. Je naeh Beobachtungsbefund, naeh Exposition usw. ist die Durchleuehtung verschieden hi~ufig zu wiederholen, bei jedem pirquet-positiven Kind mindestens alle Jahre einmal, bei labilen Er- scheinungen und Expositionen alle 3 Monate, in bestimmten Stadien noch 5iter. Techniseh ist die Terminliste unentbehrHch.

Zu 2. Die wichtigste und erste Mal3regel ist die Verhinderung und Ver- ringerung der massiven Superln/ektion. Hiergegen t r i t t alles andere in den Hinter- grund. Die Dispositionsprophylaxe in Gestalt yon Speisungen, Milchkarten, Leibesfibungen usw. braucht deshalb nich~ vernachl~ssigt zu werden. Sie ist aber mehr minder wirkungslos, wenn nicht die Verhiitung der Superinfektion damit parallel geht. Ffir den Heflst~ttenaufenthalt und namentlich die Krankenhausbe- handlung gilt vice versa das gleiche. Was gemeint ist, mSge Nr. 9 der Liste beleuehten. Das I~ind kam aus der Taubstummenanstalt , reagierte auf das Zusammensein und Zusammenschlafen mit der bacilliren Mutter mit einer tuberkulSsen t tornhaut- entziindung und wurde in das Krankenhaus einer Nachbarstadt gesehickt. Dorthin folgte die Mutter wenige Tage spi ter wegen ihrer desolaten Phthise. I)as Kind ist dann tiiglieh stundenlang aus den Kinderr~umen des Krankenhauses in das Phthi-

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608 F. Redeker: ~ber die exsudativen Lungeninfiltrierungen usw.

s ike rz immer zur Mut t e r gegangen, die nach wenigen W o c h e n s ta rb . ] )as K i n d reagier te auf diese Behand lung mi t e inem H a n d g e l e n k h y d r o p s und der Lungen- inf i l t r ierung.

Der Inhalt der Arbeit sei ]curz zusammenge/a[3t.

1. Es werden die e x s u d a t i v e n In f i l t r i e rungse rsche inungen der Lunge bei pr i- roa re r und sekund~re r Tuberku lose e inhei t l ich zusammengefal~t und ihrem Befund und Ver lauf nach kurz besehr ieben. U n t e r s c h i e d e n w i r d zwischen P r imer - und Sekun- d~r inff l t r ierung d e m Tube rku lo se s t ad ium nach, zwischen Hi lus lungen- und Lungen- in f i l t r i e rung de r H a u p t l o k a l i s a t i o n naeh, zwischen groi]en u n d k le inen F o r m e n der Ansdehnung nach. Die W i c h t i g k e i t des RSn tgenve r f ah rens und besonders die B r a u c h b a r k e i t de r I )u reh l euch tung bei k ind l i chen Tuberku losen werden be ton t .

2. Die In f i l t r i e rung wi rd als ser6se l y m p h o c y t ~ r e D urc h t r~nkung des sen- s ibi l is ier ten Lungengewebes gedeu te t . Nach de r J~tiologie werden h ierbe i un te r - sehieden die sel tene Tuberku l in re iz fo rm, die hi iufigere E igen tube rku l in i s i e rung durch he rdausgeschwemmte Eigenbac i l len und die wei taus i iberwiegende Super- in fek t ions form durch konsumie r t e f remde Baeil len.

3. E in ige Beobach tungsbe r i eh t e belegen diese Anschauungen . E ine auf e inen b e s t i m m t e n abgegrenz ten Ff i r sorgebez i rk bezogene S t a t i s t i k such t f iber t t i~uflgkeit u n d D a u e r de r e inzelnen F o r m e n AufschluB zu geben und zeigt besonders das u de r Madehen im Sehula l ter . Hierff i r wird u n t e r Ableh- nung der d ispos i t ionel len Erk l~ rungen die be i den Miidehen gr0Bere Expos i t i on zur hi~usliehen Super in fek t ion h a f t b a r gemach t .

4. Die Primi~rinf i l t r ierung wird als die ers te nachweisbare Ersche inung des sich b i ldenden P r im~rsekund~rkomplexes angesehen, die Sekundhr in f i l t r i e rung als de r A u i t a k t und die E in l e i t ung der E x a c e r b a t i o n und de r d rohenden Genera l i sa t ion .

5. Die Infi lLrierung wi rd als das e r regende M o m e n t und Ala rmze iehen im t ube rku lb sen Geschehen bezeichnet , und zwar wi rd als aussch laggebend fiir das wei te re Sehicksal de r In f i l t r i e rung und d a m i t de r Tuberku lose i i b e r h a u p t d ie S is t ie rung oder E inschr i inkung der wei te ren Super in fek t ion erkl~irt. Demen t - sp reehend wird de r rech tze i t ige Nachweis de r In f i l t r i e rung u n d die h ierzu er- forder l iehe regelrni~Bige rSntgenologisehe Kon t ro l l e a l ler p i rque t -pos i t i ven K i n d e r in den M i t t e l p u n k t a l ler Er fassungs- und ( Jbe rwachungsa rbe i t gestel l t .

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