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Uber einige klinisch-psychologische Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. Zugleich ein Beitrag zur Psychopathologie der Korsakowschen Psychose. Von Kurt Schneider. (Aus der K. Universit/~tsklinik fiir Gemiits- und Nervenkrankheiten zu Tiibingen [Prof. Dr. R. Gaupp].) Mit 36 Textfiffuren und 2 Tafeln. ( Eingegangen am 13. Januar 1912. ) Wenn wir uns heute nach den positiven Ergebnissen und Erfolgen umsehen, die die neueren klinischen Methoden zur Priifung geistiger F~higkeiten brachten, so haben wir alle Ursaehe, recht skeptiseh zu sein; ja es wird uns schwer fallen, Jaspers 1) zu widerlegen, wenn er meint, ,,dab keine dieser neuen Aufgaben trotz ihrer Kompliziertheit im einzelnen Falle mehr leistet, als eine geschickt gefiihrte Unterhaltung mit entsprechender Fragestellung". Woran das liegt, ist schon yon manchen Seiten betont worden: an der UnmSgliehkeit, das Subjektive ganz auszusehalten, an der Sehwierigkeit, auf solchen Gebieten mit Zahlen und mel~baren GrSl]en zu arbeiten, wohl vor allem aber an der UnmSglichkeit, die Ergebnisse exakt psychologisch zu definieren: wir wissen im Grunde nie genau, was wir priifen; wit sind gezwungen, mit Begriffen zu arbeiten, die -- chemisch gesprochen -- komplizierte Verbindungen darstellen, deren einzelne Elemente wir nicht einmal alle kennen, geschweige denn zu analysieren vermSgen. Bei den nachstehenden Untersuchungen bin ich mir dieser Schwierig- keiten wohl bewuBt, und sie kOnnen und wollen aueh nicht dariiber hinweghelfen. Sie wollen nur zeigen, wie dankbar es auch innerhalb der gegebenen Grenzen und trotz teilweisen Verzichts auf ,,exakte" Resultate sein kann, Kranke mit experimentellen Methoden zu unter- suehen, wie ausgiebig solche Untersuchungen namentlich auch fiir die Symptomatologie der einzelnen Erkrankungen sein kSnnen. Ich habe meinen Versuchspersonen zuerst einige Bilder vorgelegt, wie sie sieh unter den bekannten ,,Bildern zum Anschauungs- u nterrieht fiir die Jugend" (Sehreiber, EBlingen) finden. Es handelt x) Jaspers, Die Methoden der Intelligenzprfifung und der Begriff der De- menz. Diese Zeitschr. Ref. I, 423. 1910. Z. f. d. g. Neur. u. Psych. O. V~r-I. 37

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Uber einige klinisch-psychologische Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse.

Zugleich ein Beitrag zur Psychopathologie der Korsakowschen Psychose.

Von

Kurt Schneider. (Aus der K. Universit/~tsklinik fiir Gemiits- und Nervenkrankhe i ten zu Tiibingen

[Prof. Dr. R. Gaupp].)

Mit 36 T e x t f i f f u r e n und 2 Tafeln.

( Eingegangen am 13. Januar 1912. )

Wenn wir uns heute nach den positiven Ergebnissen und Erfolgen umsehen, die die neueren klinischen Methoden zur Priifung geistiger F~higkeiten brachten, so haben wir alle Ursaehe, recht skeptiseh zu sein; ja es wird uns schwer fallen, J a s p e r s 1) zu widerlegen, wenn er meint, ,,dab keine dieser neuen Aufgaben trotz ihrer Kompliziertheit im einzelnen Falle mehr leistet, als eine geschickt gefiihrte Unterhaltung mit entsprechender Fragestellung".

Woran das liegt, ist schon yon manchen Seiten betont worden: an der UnmSgliehkeit, das Subjektive ganz auszusehalten, an der Sehwierigkeit, auf solchen Gebieten mit Zahlen und mel~baren GrSl]en zu arbeiten, wohl vor allem aber an der UnmSglichkeit, die Ergebnisse exakt psychologisch zu definieren: wir wissen im Grunde nie genau, was wir priifen; wit sind gezwungen, mit Begriffen zu arbeiten, die -- chemisch gesprochen -- komplizierte Verbindungen darstellen, deren einzelne Elemente wir nicht einmal alle kennen, geschweige denn zu analysieren vermSgen.

Bei den nachstehenden Untersuchungen bin ich mir dieser Schwierig- keiten wohl bewuBt, und sie kOnnen und wollen aueh nicht dariiber hinweghelfen. Sie wollen nur zeigen, wie dankbar es auch innerhalb der gegebenen Grenzen und trotz teilweisen Verzichts auf , ,exakte" Resultate sein kann, Kranke mit experimentellen Methoden zu unter- suehen, wie ausgiebig solche Untersuchungen namentlich auch fiir die Symptomatologie der einzelnen Erkrankungen sein kSnnen.

Ich habe meinen Versuchspersonen zuerst einige Bilder vorgelegt, wie sie sieh unter den bekannten , , B i l d e r n z u m A n s c h a u u n g s - u n t e r r i e h t fiir die Jugend" (Sehreiber, EBlingen) finden. Es handelt

x) Jaspers , Die Methoden der Intelligenzprfifung und der Begriff der De- menz. Diese Zeitschr. Ref. I, 423. 1910.

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. O. V~r-I. 37

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sich dabei nicht um die Benennung einfacher Gegenst~nde, sondern um die Aufgabe, ein komplizierteres Bild, das zahlreiche einzelne Gegen- st~nde enth~lt, als ein Gauzes aufzufassen und mit der das Ganze treffenden und ersehSpfenden Benennung zu bezeichnen. Es massen deshalb Bilder gew~hlt werden, deren Inhalt so eindeutig ist, dab er unter einer einzigen Benennung untergebracht werden kann. Von den zahlreichen, in dem erw~hnten Buche enthaltenen Bildern eignen sich daher nur wenige. Als am meisten geeignet ersehienen mir die beiden sehon wiederholt ( H e i l b r o n n e r , ReiB) zu solchen Prafungen beniitzten Kiiehenbilder (,,die l~ndliehe Kiiche" und ,,die st~dtische Kaehe"), ferner die Ernte (,,das Feld zur Zeit der Ernte") und der Markt (,,der Marktplatz"). -- Ieh legte zuerst die st~dtisehe Kiiche vor, da sie mir einfaeher zu erfassen erscheint, als die l~ndliehe, in der allerhand Dinge herumstehen, die imstande sind, einen fliiehtigen oder unaufmerksamen Beschauer zu anderen Bezeiehnungen zu verleiten, wie ja in der Tat auf dem Land die Kiiehe aueh zu anderen Zweeken dient. Naehdem ich die beiden Kiichen nacheinander vorgelegt und bei jeder: ,,was ist das ?" oder ,,was stellt das dar ?" gefragt hatte, frug ich nach dem Unterschied zwischen beiden Kiichen, wenn er nicht von selbst schon angegeben worden war. Erfolgte die Antwort nicht gleich, so lieB ich die Versuchs- person aueh die erste Kaehe noch einmal sehen, was sie abrigens meist auch selbst verlangte. Als drittes Bild wurde die Ernte gezeigt, die am meisten Schwierigkeiten maehte, manchmal geniigte bier die Frage, ,,was ist das?" oder ,,was stellt das dar?" nicht, sondern kS muBten weitere Fragen gestellt werden: ,,wie k6nnte man das mit Einem Wort heiBen ~." oder -- namentlich bei intelligenten Personen: ,,was warden Sie unter das Bild schreiben?" Den SchluB machte der ,,Markt", bei dem meist das einfache Vorlegen mit der Frage ,,was ist das ?" geniigte oder, wenn die Versuchsperson Einzelheiten aufz~hlte, wenigstens die erg~nzende Frage: ,,was ist das Ganze?"

Die Reaktionszeit wurde bei diesen ersten, mehr einleitenden Ver- suehen nicht gemessen. Verging lange Zeit, bis eine Antwort kam, wurde dies im Protokoll dutch Striche angedeutet. Natiirlieh wurde alles aufgeschrieben, was die Versuehsperson zu den einzelnen Bildern sagte.

Wenn wir uns nun fragen, was bei diesen einfaehen Versuehen ver- langt wird, so ist das folgendes: verschiedene Einzeleindriieke sollen zu einem Gesamteindruek vereilfigt, als soleher aufgefaBt und mit einer passenden Benennung belegt werden. Grundbedingung zur LSsung dieser wie jeder Aufgabe ist eine gewisse Aufmerksamkeit, ohne die eine gute Auffassung nicht gedaeht werden kann. Es handelt sich nun zwar um eine in gewissem Sinn kombinatorisehe T~tigkeit, aber doeh wohl nieht um eine Funktion iiberlegender Intelligenz, nicht um eine logisehe Leistung, sondern -- jedenfalls in den allermeisten F~llen -- um eine

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rein assoziative T~tigkeit, um eine Ausniitzung friiher gemachter Er- fahrungen, um eine ,,Verwachsung reproduktiver Faktoren mit dem Gegebenen"l), um ein identifizierendes Erkennen. Wir verlangen also bei diesen Versuchen kaum eine geistige Leistung, jedenfalls keine kom- binatorische NeuschSpfung, mit der erst die eigentliche Intelligenz beginnt (vgl. Rieger2) . Etwas hShere Anforderungen stellt die ,,Unter- schiedsfrage", die Frage nach dem Unterschied zwischen den beiden Kiichen und, wenn auch bei den meisten Versuchspersonen die Antwort wohl lediglich auf Grund einfacher assoziativer T~tigkeit effolgt, so ist doch nicht zu verkennen, dal~ fiir manche dazu ein Vergleichen und Uberlegen notwendig sein mag, dal~ es sich bei ihnen tats~chlich um einen Urteilsakt handelt.

Die Tatsache scheint mir n~mlich bei allen solchen Versuchen und bei der ganzen Frage, ob wir mit einer Methode nur assoziative oder wirkliche Verstandesleistung priifen, sehr wichtig zu sein, da] man auch innerhalb derselben Methode diese Frage nicht unbedingt nach der einen oder andern Richtung beantworten kann: das eine Individuum wird die Aufgabe rein assoziativ, das andere wirklich kombinatorisch, ver- gleichend, urteilend 10sen, und dazwischcn gibt es eine Menge von Uberg~ngen. Es kann ja iiberhaupt bier keine scharfe Trennung geben, urn so weniger, als ja auch die wirklich kombinatorische TKtigkeit zur Grundbedingung neben der Qualit~t auch eine gewisse Quantit~t assoziativer Verkniipfungen hat. Wir werden sp~ter bei der Besprechung und Beurteilung anderer Methoden finden, wie notwendig es ist, dait wir uns dieser Tatsachen immer bewul~t bleiben.

Die zweite Methode, die ich beniitzte, ist die H e i l b r o n n e r s c h e B i l d e r m e t h o d e 3 ) . Diese Methode ist geniigend bekannt, und ich verzichte deshalb darauf, sie hier zu schildern. Sie ist sehr nahe verwandt mit der yon V e r a g u t h und Cloe t ta4) angewandten Methode, yon einem Bild (sic nahmen Ansichtskarten) ein verdeckendes Stiick Papier etappenweise wegzuziehen, und eigentlich identisch mit der ganz neuer- dings von v. B e c h t e r e w und W l a d y c z k o 5) angegebenen ,,Methode

1) Karl Groos, Das Seelenleben des Kindes. Ausgew~hlte Vorlesungen. Berlin 1904.

2) Rieger, Beschreibung der IntelligcnzstSrungen infolge einer Hirnver- letzung ncbst eincm Entwurf zu einer allgemein anwendbaren Methodc der In- teUigenzpriifung. Wiirzburg 1888. S. 111.

3) Hei lbronner , Zur klinisch-psychologischen Untersuchungstechnik. Mo- natsschr, f. Psych. u. Neurol. I~', 115.

4) Veraguth u. Cloetta, Klinische und experimentelle Beobachtungen an eincm Fall yon traumatischer Li4sion des rechten Stirnhims. Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 3~, 407.

5) v. Bechterew u. Wladyczko, Beitr/~ge zur Mcthodik der objektiven Untersuchung yon Geisteskranken. Zeitschr. f. Psychotherapie u. medizin. Psy. chologie 1911. S. 87.

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der Wiederherstellung eines ganzen Gegenstandes nach einem grSl~eren oder kleineren Tell desselben".

Zu bemerken ist, dal~ es im Grunde zweierlei Typen yon Heilbronner- schen Serien gibt, die beide yon ibm oder seiner Schule stammen. Der erste und wohl urspriingliche Typus ist folgender: Der Gegenstand ist schon auf dem ersten Bl~ttchen in seinen Umrissen vollst~ndig oder wenigstens ann~hernd vollst~ndig gegeben (Heilbronners Lampe, Kirche, Kanone, Windmiihle, Fiseh) und wird auf den folgenden Bildern nut n~her ausgefiihrt. Der andere T y p i s t der: Auf dem ersten Bl~ttchen ist, -- aueh in den ~ul~eren Konturen, -- nut ein Fragment des Gegen- smndes zu sehen, zu dem dann im Lauf der Serie immer neue Teile treten, bis der Gegenstand vollst~ndig vorliegt. Den Gedanken dieses Typus linden wir ebenfalls sehon in den ersten yon Heilbronner ver- 6ffentlichten Bildern (Sehubkarren, Baum, Sehiff), aussehliel~lieh abet in einer zweiten, von seinem Schiller v. d. T o r r e n 1) ver6ffentliehten Serie.

Ich habe mich bei meinen Versuchen nicht entschlie•en kSnnen, die yon H e i l b r o n n e r oder v. d. T o r r e n verSffentlichten Bilderserien zu verwenden; die H e i l b r o n n e r s c h e n Originalserien, die sich naeh seinen Erfahrungen zur Untersuchung von Zust~nden mit Bewuf~t- seinsstSrung besonders eignen, waren fiir meine Zwecke zu leieht, ferner eignen sieh Schiff und Windmiihle sehleeht fiir unsere Gegend, wie ja auch H e i l b r o n n e r vorschl~gt, man solle bei der Auswahl der Bilder die Landeseigentiimlichkeitn beriicksichtigen. Die von v. d. T o r re n verOffentliehten Serien erseheinen mir einerseits in der Auswahl der Gegenst~nde fiir meine Zwecke ebenfalls nicht gliicklich, anderer- sei~s zu sehr iiberladen mit Einzelheiten. Sie sind, wie ich glaube, nur dann besonders geeignet, wenn man den Unterschied angeben lassen will, der zwisehen einem Bild und dem vorhergehenden besteht.

Ich habe mir deshalb selbst einige Serien entworfen und naeh ver- schiedenen Versuchen die in Tafel XIX wiedergegebenen als zweekm~$ig fiir die Untersuchungen bei weniger akuten Kranken gefunden. Am besten werden immer solehe Serien sein, in denen jedes neue Bild irgend- einen neuen Beitrag zur Charakteristik des Ganzen liefert, so dal~ also bei ]eder Nummer die MSgliehkeit gegeben ist, das Ganze zu erkennen. Natiirlieh wird bei den meisten Gegenst~nden irgendein Hauptcharak- teristikum auftreten, auf dessen erstmaliges Erscheinen dann die meisten ,,Treffer" fallen werden. So werden sich Bilder von Tieren (die auch sehon H e i l b r o n n e r vorschl~gt) besonders gut zu Serien eignen, da Tiere meist durch mehrere Merkmale charakterisiert werden. Man braucht nur die erste Serie ,,Maus" zu betrachten, um sich davon zu

1) v. d. Torren, tiber das Auffassungs- und UnterscheidungsvermSgen fiir optisebe Bilder bei Kindern. Zeitschr. f. angew. Psyehol. l, 189.

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iiberzeugen: Nase -- Bart -- Ohren -- Riieken -- Beine -- Schwanz, immer kommt etwas neues und in seiner Form fiir die Maus Charakte- ristisches hinzu.

WEhrend nun meine ersten 5 Serien in einfaehen schwarzen Strichen gehalten sind, habe ieh bei Serie 6--8 Farben angewendet, haupts~chlich durch die Untersuchungen v. S c h u c k m a n n s 1) veranlaBt. Ich habe so in der Serie ,,GieBkanne" jedes Bild doppelt gezeichnet, das eine Mal in sehwarzen Linien, wie in den anderen Serien, das zweite Mal in griinen Linien mit hellgriiner Fiillung. Ich schob nun die griine Serie zwischen die andern in der Weise, dab dieselbe Figur immer zuerst farblos, dann griin gezeigt wurde. Ich wollte sehen, ob eine griine Figur vielleieht die Reaktion ,,GieBkanne" bringen wiirde, naehdem dieselbe Zeichnung ohne Farbe diese Assoziation nicht zur Folge gehabt hatte. Ubrigens ist dies nur in ganz wenigen F~llen eingetroffen. Woran das liegt, weiB ich nicht recht; vielleicht nur daran, dab gerade fiir die Land- bev61kerung die GieBkanne nicht eo ipso griin ist, sondern dab sie mehr graue GieBkannen mit groBen gebogenen Henkeln zu sehen gewohnt ist. Meine GieBkanne erinnert dagegen mehr an die ZiergieBkanne eines Blumentisches. Trotz dieses Mangels wollte ich, des Farbenversuchs wegen, nicht auf ihre Aufnahme an dieser Stelle verzichten.

Die zweite Serie, in der ich Farben verwandte, ist die Serie ,,Birne". Nr. 4 zeigt dieselbe Zeichung, wie Nr. 3, doch ist die Birne nunmehr aus- gemalt in gelblichem Ton mit starker hochroter Schattierung und braunem Stiel. Das Maigl6ckchen endlich zeigt in Nr. 1 den Stengel in schwarz, in Nr. 2 in maigriin. In Nr. 3 sind die BlOtter nut in griinen Umrissen angegeben, in Nr. 4 griin ausgemalt und gerippt. Nr. 5 bringt dazu die weiBen G16ckehen. Der Stiel bleibt yon Nr. 2 ab maigriin.

Die Untersuchung mit diesen Serien schloB sich zeitlich sofort an die Versuche mit den Anschauungsbildern an. Zuerst wurde, um das Prinzip zu zeigen, eine von mir friiher angewandte, jetzt ausgeschiedene Serie ,,Gelbe Riibe" (analog der Birne) vorgelegt. Weitere Erkl~rungen waren nicht notwendig, wie ja das eben ein groBer Vorzug der Methode ist, dab man ihre Technik nicht zu erkl~ren braucht. Ich legte dann nach der Taschenuhr jedes Bl~ttehen 1/4 Minute vor und frug meist nur etwa so, ,,was gibt das wohl?" oder ,,kSnnen Sie sich jetzt was drunter vorstellen ?", wenn keine weiteren Aufmunterungen notwendig waren. In den meisten F~llen erfolgte die Antwort auch ohne jede Frage. Ieh schrieb dann alles auf, was die Versuchsperson sagte, aueh alle Zwischenfragen oder sonstigen, nicht zur Sache gehSrigen sprach- lichen J~uBerungen. Naeh 1/4 Minute folgte stets das niichste Bildehen. Im einzelnen waren natiirlich manchmal noch besondere MaBnahmen

1) v. Schuc kmann, Vergleichende Untersuchung einiger Psychosen mittels Bildchenbenennungsmethode. Monatsschr. f. Psych. u. Neurol. 21, 320.

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zur Ermunterung und Anregung der Aufmerksamkeit notwendig; ich werde, soweit es notwendig ist, im speziellen Teil darauf zuriickkommen.

Die Frage, was wir mit der Heilbronnerschen Methode priifen, ist sehr schwer zu beantworten. H e i l b r o n n e r selbst sprieht von ,,Kom- binationsf~higkeit" und lehnt sich dabei an R i e g e r und E b b i n g h a u s an. Beide, R i e g e r und E b b i n g h a u s , halten die ,,Kombinationsf~hig- keit" f f r den Hauptbestandteil der Intelligenz. So zitiert R i e g e r l) M a x Mii l le r mit folgender Definition des Denkens: ,,Das Denken be- deutet fiir mich niehts anderes, a|s kombinieren, d. h. verbinden" und E b b i n gh a u s 2) war der Ansicht, ,,die eigentliche Intelligenzt~tigkeit" sei ,,Kombinationst~tigkeit", was ikn bekanntlich veranlaftte, zur Priifung der Intelligenz eine Methode anzugeben, die sich eben mit der Priifung der Kombinationsf~higkeit befaftt.

So faftt aueh H e i l b r o n n e r seine Methode einerseits zwar als Priifung der Auffassungsf~higkeit, andererseits aber aueh als Priifung der Kombinationsf~higkeit, d. h. einer Verstandesleistung auf.

Gegen diese Ansicht hat sich besonders l~eift a) gewandt; er erbliekt auf Grund seiner Erfahrungen bei den Untersuchungen von Alkohol- berauschten mit der Heilbronnerschen Methode in ihr nicht die Priifung einer Verstandesleistung, sondern ausschlieftlieh assoziativer Leistungen und kommt zu dem Resultat, daft sie zu dem Nachweis von Urteils- st6rungen, wie ihn z. B. E b b i n g h a u s mit seinem Verfahren beabsich- tigt hat, nicht zu gebrauchen ist. Besonders der Umstand, ,,daft (lie Versuehspersonen in dem Vorgezeigten stets GegenstKnde zu erkennen glaubten, die ihnen besonders gelKufig waren", sprach ibm fiir seine Auf- fassung. Gerade hier widerspricht ihm He n d r i k s 4), der dies nur ganz vereinzelt beobaehtete, dagegen die Kranken ab und zu zwischen zwei Vorstellungen sehwanken sah, woraus er schloft, daft es sich doch sehlieft- ]ich urn eine urteilende Verstandest~tigkeit bei dieser Priifung handelte.

Ich glaube, daf~ wir auch hier mit einer generellen Betrachtungsweise, so verlockend sie in Hinsicht auf die Gewinnung exakter Resultate w~re, nicht durchkommen kSnnen, und ich glaube auch hier wieder, daft dieselbe Aufgabe sehr verschieden gel6st werden kann. Ich glaube, daft der Abgelenkte, der schwer zu Fixierende, der Benommene, der Delirante, in gewissem Grad auch der Demente rein passiv assoziativ auf das vorgelegte Bild reagiert, w~hrend die Versuchsperson, die die

1) a. a. O. S. 110. ~) Ebbinghaus , Uber eine neue Methode zur Priifung geistiger F~higkeiten.

Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. der Sinnesorgane 13, 414. 3) Reil~, Klinisch-psychologische Untersuchungen an Alkoholberauschtcn.

Kraepel in , Psychol. Arbeiten 5, 397. ~) He ndri ks, Psych. Untersuchungen beim Typhus abdominalis. Allgem.

Zeitschr. f. Psychiatric u. psych, gerichtl. Mcdizin 6~, 732.

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Aufgabe wirklich erfagt und merkt, worauf es ankommt, vollends aber die, die Freude und Interesse daran hat, mit viel hSherem geistigen Riistzeug, das heigt, wirklich riberlegend und kombinatorisch neu- schSpfend vorgeht. DaB es auch hier wieder zahlreiche Uberg~nge gibt, ist natrirlich. Aus diesem allem geht hervor, dab wir in der Heft- bronnerschen Methode jedenfalls keine allgemein verwertbare Prii- fungsmethode der Intelligenz besitzen.

Ieh wende reich nun zu der 3. Methode, mit der ich untersuehte, die ich die Methode der , , K o m b i n a t i o n s f i g u r e n " nennen m6chte. Es lag nahe, das Prinzip der Zusammenlegspiele, ,,Geduldspiele", der ,,Sorgenbrecher", , ,Kopizerbrecher" und wie sie alle heigenl), frir solche Untersuehungen zu verwenden. Aueh die mit Bildffagmenten beklebten K15tze, die, richtig zusammengeschoben, ein Bild geben (yon Z i e h e n 2) erwiihnt), gehSren in diese Gruppe. So erwghnt aueh B u s c h ~) ,,des Zusammensetzen von Bildern und Figuren aus ihren Bruehstiieken" in einem zusammenfassenden Referat fiber psychologische Methoden in der Psychiatrie. Doch scheinen mir diese Dinge, soweit ich die Literatui kenne, noch nieht frir die Prfifung geistiger Leistungen ausgearbeitet worden zu sein. Am ehesten noch yon B ine t4) : er lieg Kinder zum Zweck der Intelligenzprfifung ein in der Diagonale zerschnittenes Rechteck zusammensetzen; dabei wurde ein dem zersehnittenen gMches Reehteek als Vorlage daneben gelegt mit der Aufforderung, aus den beiden Stricken eine Figur zu legen, die der vorgelegten gleieh sei.

Was nun die , , K o m b i n a t i o n s f i g u r e n " von diesen Methoden unterscheidet, ist erstens das: es wird keine Vorlage gegeben, und zweitens: die Figuren stellen zwar Gegenstgnde dar, doeh sind diese nicht ausgemalt oder beklebt, sondern l e d i g l i e h d u r c h i h r e F o r m e h a r a ~ k t e r i s i e r t .

Die einzelnen Teile der Figuren, die im einzelnen auf Tafel XX ab- gebildet sind, sind, so wie ich sie verwandte, aus starker grauer Pappe geschnitten und etwa zehnmal so grog wie die Abbildungen. Wenn man ngher zusieht, kann man auch unter ihnen zwei Typen unter- scheiden: bei dem ersten Typus sind die einzelnen Fragmente in ihrer Form schon fiir das Ganze charakteristisch, bei dem zweiten (Haus, Kirche) sind sic dies nicht, sondern sind nur geometrisch exakte, frir sich genommen nichtssagende Figuren.

1) Das zurzeit wieder moderne amerikanische ,,Puzzle-Spiel" gehSrt auch hierher.

'~) Ziehen, Die Prinzipien und Methoden der Intelligenzpriifung. Berlin 1909.

a) Busch, Die Anwendung psychologischer Methoden in der Psychiatric. 5Iedizin.-naturwissensch. Archiv ~, Heft 3, 525.

4) Zit. nach Bobertag, Uber Intelligenzpriifungen nach der Methode yon Binet und Simon. Zeitschr. f. angew..Psychol. 5, 116.

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Bei der Priifung mit den Kombinationsfiguren hielt ich, vom Leiehten zum Schweren aufsteigend, die auf der Tafel angegebene Reihenfolge lest. Ieh legte immer ein zusammengehSriges P~ekchen (stets gleich geordnet) vor die Versuchsperson hin mit der Aufforderung: ,,versuehen Sie, ob Sic mir daraus irgendeinen sinnvollen Gegenstand auf dem Tisch zusammenlegen kSnnen." Aueh bei schweren Defektzust~nden wurde die Aufgabe stets sofort verstanden und in Angriff genommen. Nur ab und zu zeigte sich eine Neigung, nicht in der Ebene zu bleiben, dm aber nach einmaligem Hinweis meist aufgegeben wurde. Hatte die Versuchs- person sich nur eine Minute lang erfolglos bemiiht, so wurde der Gegen- stand genannt, z. B. so: ,,,machen Sic einmal einen Hammer draus.' War wieder eine Minute vergangen, wurde abgebrochen. Andererseits wurde die Zeit bis zu einer richtigen LSsung mit der Fiinftelsekundenuhr bestimmt. Es gesehah dies mehr der Bequemliehkeit halber, denn es hat natiirlieh wenig Sinn, hier mit Bruchteilen yon Sekunden zu reehnen. Es ist ja aueh ganz der Willkiir iiberlassen, ob man die Uhr arretieren will, wenn die richtige LSsung anscheinend erkannt wurde, und die Versuchsperson die Teile nur mehr genauer zusammenzuschieben hat, oder erst, wenn das letztere getan ist. Im allgemeinen babe ich ersteres getan, doch kann es sieh bier nicht um ganz genaue Resultate handeln. Jedenfalls liegt nichts daran.

Nun werden h~ufig zweierlei Reaktionen beobachtet, die nieht als richtige LOsungen gelten kSnnen, aber doeh auch nicht als vSllige Fehler gerechnet werden diirfen; es kam nicht selten vor, daI~ aus den Frag- menten ein Gegenstand gelegt wurde, der zwar einen guten Sinn gab, aber doch nicht eigentlich die richtige LSsung war. Entweder war es ein ganz anderer als der verlangte Gegenstand, oder zwar dieser, aber nicht ganz exakt ausgefiihrt. Zweitens kam es vor, dai~ ein Gegenstand vollkommen riehtig zusammengesetzt, aber nieht verstanden wurde. Die erste Gruppe reehnete ich als ,,gute Fehlreaktion", die zweite als ,,recht, aber nicht verstanden". Da~ diese letztere Fehlerart mit Vor- liebe und fast ausschliel~lich bei den Figuren vorkam, deren einzelne Teile niehts besagten, ist ohne weiteres verst~ndlieh: es kam zu einem einfaehen Aneinanderlegen der gleichlangen Strecken, und so wurde nieht selten in einer falschen Achse gebaut, was dann ein Nichtverstehen trotz richtiger LSsung zur Folge haben konnte.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen sich demnaeh in folgende Gruppen einordnen:

A) ohne dai~ der Gegenstand genannt wurde:

1. riehtig, 2. gute Fehlreaktion, 3. richtig ohne Verst~ndnis.

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B) nachdem der Gegenstand genannt wurde: 1. richtig, 2. gute Fehlreaktion, 3. richtig ohne Verst~ndnis.

C) keine oder ganz falsche LSsung. Zu der Teehnik der Untersuehung mit den Kombinationsfiguren

mSchte ieh noch bemerken, dab es ab und zu, wenn auch selten, vorkam, dab die Versuchsperson w~hrend der Arbeit einzelne Fragmente um- drehte. Es empfiehlt sich, diesen Fehler sofort selbst zu verbessern, da die Aufgabe durch einen solehen Zwischenfall erschwert wird, ob- gleich er bei den meisten Figuren einer richtigen LSsung (wenn auch im Spiegelbild) nicht im Wege steht.

Wenn wir fragen: welche geistigen T~tigkeiten werden mit der Methode der Kombinationsfiguren gepriift, so miissen wir eingestehen, dab die Dinge sehr kompliziert liegen. Auch hier handelt kS sich um ein Kombinieren und zwar im eigentlichsten Sinn, denn verschiedene Ein- zelheiten sollen zu einem Ganzen zusammengefiigt werden. Und wenn wir nun die Ebbinghaussche Definition der Intelligenz lesen, so werden wir finden, dab sie wSrtlich auf die Kombinationsfiguren anzu- wenden ist. Denn: ,,ihr Wesen liegt darin, dab eine grSBere Vielheit yon unabh~ngig nebeneinander bestehenden Eindriicken, die an und fiir sich ganz heterogene und zum Teil direkt gegeneinander laufende Assoziationen zu erwecken geeignet sind, mit Vorstellungen beant- wortet werden, die doeh zu ihnen allen passen, die sie alle zu einem einheitliehen, sinnvollen oder in irgendweleher Hinsieht zweekvollen Ganzen zusammensehlief~en".

Und doeh ist auch diese Methode keine reine Intelligenzpriifung. Wir sehen uns zuerst am besten die Art und Weise an, mit der dig

Versuehsperson vorgehen wird. Nehmen wir zun~ehst an, der Gegenstand ist nicht genannt, so hat der Untersuchte verschiedene MSgliehkeiten, die Aufgabe zu 15sen. Entweder: die ihrer Form nach fiir den Gegenstand charakteristisehen Fragmente werden assoziativ (vielleicht aueh dutch Uberlegung) als solehe erkannt, ski es nun einzeln, oder im Zusammen- hang mit den andern, so dab im letzteren Fall die Versuchsperson sich z. B. bei der Lampe etwa so sagt: ,,wenn das ein Milehglas ist, kSnnte das ein Zylinder sein." Andere aber werden die Aufgabe anders an- fassen: sic gehen rein geometrisch vor und sehen, welche Teile zu- sammenpassen, eine Technik, die z. B. beim Haus meist angewandt werden wird. Sind dann vielleicht zwei Teile riehtig aneinander ge- kommen, kSnnen sit, die einzeln genommen niehts sagten, jetzt die Assoziation des Ganzen erweeken, so dab der Rest der Aufgabe wieder auf solche Weise gelSst wird. Noeh andere sehieben die Teile wahllos umeinander, einmal so, einmal so, und da kann kS dann wohl gesehehen,

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daft pl6tzlich eine Figur auftaucht, an die die Assoziationen ankniipfen, eine Figur, die die Erinnerung an ein Ganzes erweckt, das dann plan- mgBig vollendet wird.

Wesentlich weniger von Zufis abh~ngig ist die LSsung der Auf- gabe, wenn das Ziel bekannt, wenn der Gegenstand genannt ist. Den Assoziationen sind dann schon ganz bestimmte Bahnen gewiesen und mit kritischem Uberlegen muft vorgegangen werden. Doeh ist es klar, daft wit's auch bier nicht mit einem reinen Intelligenzakt zu tun haben, daft vielmehr, ~hnlich wie bei der Ebb inghaus schen Methode die Gewandtheit in der Handhabung der Sprache, hier eine gewisse ,,Ge- wandtheit in der Handhabung der Form", ein gewisses Formenged~cht- his, wenn man will eine gewisse Geschieklichkeit zum mindesten sehr fSrderhch sein kann. Und eine solche Geschieklichkeit steht in keinem konstanten VerhMtnis zur Intelhgenz. Jedenfalls ist aber die Priifung mit Angabe des Gegenstandes, wenn auch mit gewissen Kautelen, eine ,,Intelligenzpriifung" zu nennen, und wir diirfen also, wenn wir die Resultate der Untersuchung ansehen, nicht die erste Rubrik als mal~-

gebend nehmen, sondern alle Rubriken iiberschlagen, nicht zuletzt die der ,,guten Fehlrcaktionen", die vielfach gerade dann zustande kommen, wenn die Versuchsperson einen richtigen Gedanken ha$, ihr aber die formale Gewandtheit zur korrekten Ausfiihrung fehlt. Sehr wesentlich ist natiirlich die letzte Rubrik, doch kann ein vOlliges Versagen, eine absolute Unf~higkeit, irgend etwas Brauchbares zustande zu bringen, natiirlich die verschiedensten Griinde haben. Es will eben auch hier jeder einzelne Fall individuell betrachtet werden, und wir werden hie mit einem Schema auskommen.

Was sind die Vorteile, was die Nachteile dieser Methode ? Auch sie hat den Vorteil der H eilb r o n ner schen Methode, daft die Technik kaum er- kl~rt zu werden braucht, und daft sie geeignet ist, Interesse und Teilnahme bei den Kranken zu erwecken. Denn wir sind ja so sehr auf den guten Willen unserer Kranken angewiesen. Diesen Vorzug haben wohl alle optisehen Methoden gegeniiber den akustischen. Dabei hat sie aber noch den besonderen Vorteil, daft die Person bei ihrer LSsung nicht zu sprechen braucht, und so kann sie in Zust~nden von Aphasie und Para- phasie wertvolle Dienste lcisten, iiberhaupt in Zust~nden, bei denen ein Versagen gegeniiber ~hnlichen Methoden nicht auf prim~rer mangel- halter Auffassung und Verarbeitung, sondern auf sekund~trer sprach- licher Entgleisung beruht.

Eine Nachteil der Methode ist ihre grS$ere Anforderung an die AktivitKt des untersuchten Individuums, ein Umstand, der ihre An- wendung besonders bei akuten Zustgnden, in denen H e i l b r o n n e r s Methode so vorziiglieh ist, einschr~nkt.

Als letzte Probe habe ich meinen Versuchspersonen E b b i n gha us-

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 563

sche K o m b i n a t i o n s s c h e m a t a vorgelegt. Auch diese Methode ist

zu bekalmt , als dal~ ich mich hier mi t einer e ingehenden Schilderung

aufha l ten miil]te. Ich habe fiir meine Zwecke zwei ziemlich kurze

Schemata gew~hlt, yon denen eines ffir Landleute , das andere mehr fiir

St~dter gedacht ist.

A.

Die H e u e r n t e . Die Heuernte . . . . . . . . im Sommer statt, wenn das . . . . . . hoch auf den

. . . . . . . . . . . . steht.Es wird mit der . . . . . . . . . . . . ab . . . . . . . . . . . . durchgeschfit- felt und ausgebreitet, damit es in der . . . . . . . . . . . . diirr . . . . . . . . . Am Abend wird . . . . . meist in . . . . . . . . . . . . gelegt. Wenn das Gras . . . . . . . . . . . . ist, f~hrt man mit den . . . . . . . . . . . . hinaus und holt es in die . . . . . . . . . . . . . Sparer w~ichst das Gras zwar . . . . . . . . einmal, wird . . . . . . . . nicht mehr so . . . . . . . . . , wie das erstemal. Man nennt dieses zweiie Gras . . . . . . . . . . . .

B.

Die E i s e n b a h n .

Wenn man verreisen will, geht man auf den . . . . . . . . . . . . . . . Zuerst kauft man sich am . . . . . . . . . . . . . . . eine . . . . . . . . . . . . . . . Dann geht man auf den Bahnsteig. Der Zug . . . . . . . . . schon bereit mit einer langen . . . . . . . . . . . . yon Wagen; die . . . . . . . . . . . . . . . . . zischt. Der Schaffner tuft: . . . . . . . . . . . . . . . . . !" Rasch steigt man ein und . . . . . . . . . sich einen guten . . . . . . . . . , womSglich . . . . . Fenster. Die Tiiren werden . . . . . . . . . . . . . . . Langsam beginnen die . . . . . . . . . . sich zu drehen, der Zug . . . . . . . . . ab. Die Zuriickbleibenden . . . . . . . . . . . . mit den Tfichern.

Tats~chlich aber ist der Unterschied kein so grol~er, denn das Thema, das in der , ,E isenbahn" behandel t wird, ist heutzutage ja auch den

meisten Landbewohnern gel~ufig. E inen Text, der wirklich f i i r St~dter zugeschni t ten ist (etwa etwas fiber den K i n e m a t o g r a p h e n ) k o n n t e ich n icht benii tzen, da sich un te r unsere K r a n k e n nur selten ein wirklicher

St~idter, d. h. Gin Gro6stgdter verirrt . E b b i n gh a us ging bei der Pri i fung mi t seiner Methode bekannt l ieh

so vor, dab er den Versuchspersonen das Schema in die H a n d gab und sie die Liicken schriftlich ausfiillen liel~. Nach 5 Minuten n a h m er ihnen den Bogen ab und ging d a n n bei der Berechnung yon den richtig aus- gefiillten Silben aus. I m allgemeinen ist es wohl aueh fiblich, ~hnlich vorzugehen, d. h. die Versuchsperson selber schriftlieh ausfiillen zu

lassen und ihr das Schema dann, sei es nach einer bes t immten Zeit,

sei es, wenn sie fertig ist, abzunehmen. Ich sah mieh genStigt, die Pr i i fung

etwas anders anzugreifen, da viele Kranke auf die genannte Weise n ieh t

zur LSsung der Aufgabe zu br ingen sind, und ma n so vielfach n icht

unterscheiden kann , was mangelnder Wille, mangelnde Aufmerksamkei t

und was wirklich Unf~higkeit ist. Ieh gab den Versuchspersonen - -

nachdem ieh ihnen an einem ~lteren Schema der Kl in ik kurz gezeigt hat te , um was es sich handel t - - Gin Schema in die Hand. und legte vor

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564 K. Schneider: (~ber einige klinisch-psychologische

mich ebenfalls eines hin. Dann liel~ ich lesen und fiillte naeh den Er- g~nzungen der Versuchspersonen selber in meinem Schema die Liieken aus. Wurde ein Wort nicht gefunden, d. h. kam die Versuchsperson iiberhaupt nieht fiber eine Lficke weg, wartete ieh eine halbe Minute, dann sagte ich das fehlende Wort und liel~ welter machen. Sinnlose Erg~nzungen schrieb ich natfirlich ebenfalls in die Lfeken; auf grobe formale Fehler machte ich aufmerksam. Zum Schlul~ wurde nach der Zeit gesehen, die zum Lesen des Textes gebraueht worden war. Ich glaube, daI~ man auf diese Weise einigermal~en vergleichbare Resultate bekommt, wenigstens bei Gesunden und bei den meisten Kranken. Ab und zu l~l~t sich die Untersuchung natfirlich nicht ganz streng dureh- ffihren. Als einen Naehteil mul~ man es bezeichnen, dab bei einem der- artigen Vorgehen der Untersuchende leichter in Versuehung kommt, nicht ganz passiv zu bleiben; doeh scheint mir das den Vorteilen gegen- fiber nieht so sehr in Betraeht zu kommen. Man sieht so jedenfalls viel besser, m weleher Weise die Versuehsperson die Aufgabe anfal~t, wie ihre Gedankeng~nge gehen, und bekommt nicht nur das endgiiltlge, vielfach auch durch Ungewandtheit im Schreiben verzSgerte Resultat. Viele Kranke, namentlich solche, die nicht beim Text bleiben, sondern gem neben hinausreden, sind nicht imstande, das Schema nach der sonst angewandten und bew~hrten Methode auszufiillen; sie brauchen eine st~ndige Kontrolle, ohne die sie nicht auf die Aufgabe zu fixieren sind.

Allen Versuchspersonen legte ich beide Texte vor und zwar zuerst immer den Text, der ihren Berufskreisen n~her lag, also mir fiir sie leichter vorkam. Ich mSchte dazu aber schon jetzt bemerken, da$ wenigstens der Lesedauer naeh im allgemeinen zwisehen beiden Texten kein groSer Unterschied gemacht wurde, da$ Landbewohner im allgemeinen ,,die Eisenbahn" mcht schlechter lasen, als ,,die Heuernte", da$ hSchstens St~dter dazu neigten, in der ,,Heuernte" falsche Worte einzusetzeu, die eben als Folge eines Nichtvertrautseins mit den l~ndlichen VerhKlt- nissen aufgefaI~t werden miissen.

Bei der Berechnung, die lediglich gauze WSrter, nicht Silben beriick- siehtigt, untersehied ieh zweierlei Fehler: ,,Auslassung" und ,,Falsche Erg~nzung". Ieh unterscheide mich hier von Weckl), der verl~ngerte Dauer der Ausffillung u nd Auslassung unter ,,Hemmung" zusammen- faint, und dann noch mit ,,sinnlosen Ausfiillungen" (,,Defekte") rechnet. Ieh folge etwa den yon 1~ e il~ ~) verwandten Berechnungen, der allerdings noeh eine dritte Kategorie ,,Formale Fehler" untescheidet. Bei der Durchsehnittsrechnung ffir die einzelnen Krankheitsgruppen nahm ieh

1) Week, Die Intelligenzpriifung nach der Ebbinghausschen Methode. Diss. Berlin 1905.

e) Reil~, a. a. O. S. 395.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 565

b e i d e S c h e m a t a z u s a m m e n und bekam so bei den Resultaten drei Gesichtspunkte:

1. Auslassungen, 2. falsche Erg~nzungen, 3. Lesedauer. Bei der psychologischen Beurteilung der E b b i n g h a u s s e h e n

Methode mSchte ich reich nicht lange aufhalten. Man hat sie als ,,die" Intelligenzprfifung aufgefaBt, obgleieh E b b i n g h a u s 1) selbst dabei grol~en Weft auf die Schnelligkeit der Auffassung und auf die rein formale Gewandtheit in der Handhabung der Sprache legt. Dies betonte neuer- dings namentlich auch J a s p e r s ~), der vor einer quantitativen Bewertung im Einzelfalle warnt, besonders wenn der Text ffir das betreffende Indi- viduum leieht ist. Ubrigens h~lt auch Z i e h e n a) eine zahlenm~Bige Berechnung filr ,,mii31ich und ilberflfissig", w~hrend sein Schiller W e c k 4) zu dem entschieden zu optimistischen Resultat kommt: ,,dab es auf diese Weise mSglich ist, den Geisteszustand eines Menschen, d.h. seine Intelligenz durch eine Zahl zum Ausdruek zu bringen".

Mag man sich fiber die theoretischen Grundlagen der E b b i n g h a u s- schen Methode auch streiten, sicher ist, dab wir in vielen F~llen tats~ch- lich ,,eine Funktion der fiberlegenden und vergleichenden Intelligenz" (ReiB) prfifen, wenn auch ira einzelnen manchmal Vorsicht geboten ist, wie sie ja bei allen diesen Prfifungen stets am Platz ist. Sicher ist aueh, dab sich die Methode in der Praxis sehr gut bew~hrt hat, so dal~ man sie ungern vermissen wfirde. In meinen Untersuehungen wollte ich sie besonders als verbale Parallele neben die drei andern optischen ,,Kombinationsmethoden" stellen. Wir werden auch sp~ter sehen, dab sie allein uns bei unseren Untersuchungen q u a n t i t a t i v wirklich etwas Eindeutiges geleistet hat.

Bevor wir zu den Resultaten unserer Untersuchungen ilbergehen, seien noch einige allgemeine Bemerkungen zur Versuchsanordnung vorausgeschickt: Die Untersuchungen fanden alle in einem besonderen Zimmer statt, in demselben, in das die Kranken sonst zur Exploration gerufen wurden. Wo es irgendwie ging, nahm ich in e i n e r Sitzung alle 4 Methoden hintereinander vor. Nur in wenigen F~llen muBte ich aus ~iuBeren oder aus Grilnden der Schonung yon diesem Prinzip abweichen. Die meisten Versuchspersonen wurden mit allen 4 Methoden unter- sucht, bei einigen war das nicht m6glich, so bei einzelnen schweren Hemmungszust~nden und bei sehweren Demenzen. Eine kleine Un- gleichm~fligkeit kommt auch dadurch in die Untersuehungen, dab ich

1) a. a. O. S. 433. 2) a. a. O. S. 413. a) a. a. O. S. 45. a) a. a. O. S. 64.

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566 K. Schneider: Uber einige klinisch-psychologische

bei den ersten FEllen die Kombinationsfiguren ,,Scheibe", ,,Fisch" ,,Sichel", , ,Hammer" noch nicht hatte. Ich entwarf sie erst spEter, als ich gemerkt hatte, dab einige leichtere Figuren noeh unbedingt not- wendig waren. Zu statistischen Zwecken wurden nur die FElle ver- wendet, die vollkommen gleichm~Big durchuntersucht wurden. -- Die einzelne Sitzung dauerte je nach der Disposition der einzelnen Personen eine starke halbe his anderthalb Stunden.

I. Normalversuehe.

Die 25 Gesunden, die ieh systematisch mit den 4 Methoden unter- suchte, setzten sich folgendermal3en zusammen:

5 Pfleger (Alter 19--28 Jahre), 16 Pflegerinnen (Alter: 19--33 Jahre),

1 Dr. phil. (Lehramtskandidat), 1 Justizreferendar, 1 can& phil., 1 gebildetes Fraulein (Volont~rin der Klinik).

Diese Zusammensetzung entspricht nach Geschlecht und Bildung etwa derjenigen der untersuchten Kranken.

Bedenken kOnnten gegen die Verwendung yon Pflegepersonal ge- ~ul3ert werden. Einerseits k6nnte man vermuten, dab Pfleger und Pflegerinnen die Untersuchungen bei den Kranken mitansahen und andererseits seheint es (besonders bei den Pflegerinnen) wahrscheinlieh, daI~ sie sich gegenseitig yon den Versuchen erz~hlten. Um diesen letzten Punkt zu umgehen, regte v. d. T o r r e n 1) bei seinen Kindern den Ehr- geiz an, indem er ihnen sagte, wenn sie andern yon den Versuchen er- z~hlten, so w~en diese ja schlauer, als sie selbst und k6nnten mehr, wenn sie dran k~men. Ich glaube, dab auch bei meinen Pflegerinnen ~hnliche Motive meine Bitte, zu schweigen, wirkungsvoll unterstiitzt haben, und als ich gegen Ende der Untersuchungen einmal eine Pflegerin frug, ob sie yon den Sachen schon geh6rt h~be, antwortete sie: ,,Wenn man eine d~riiber fragt, heiBts immer: ,ich w~re sch6n durum, was zu sagen -- ja gelt, dal3 du gescheiter bist, als ich' !" -- So glaube ieh nieht, dab viel dariiber gesproehen wurde; jedenfalls hatte ieh hei den Unter- suchungen auch nie Grund, in dieser Hinsicht Verdacht zu haben. Nur einmal hatte eine Pflegerin etwas in einem fremden auf dem Tisehe liegenden Protokoll vorher gesehen, was sieh dann aber so plump ~uBerte, dab der Fehler sofort an den Tag kam. Auch hierin hat v. d. T o r r e n 1) dieselben Erfahrungen gemaeht. -- Da ieh die Kranken durehweg im besonderen ~rztezimmer untersuehte, hatte keine Pflegerin und kein Pfleger Gelegenheit, die Untersuchnngen zu sehen; aneh wurden Bilder und Figuren dem Personal nicht zugEnglich aufbewahrt.

1) a. a. O. S. 191.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 567

N u r bei e inem Fa l l yon K o r s a k o w scher Psychose b rauch te ich wegen der Con t rac tu ren der P a t i e n t i n Un te r s t i i t zung ; es is t dies der einzige Fal l , den ich im K r a n k e n s a a l un tersuchte . Die bet ref fende Pflegerin, die mi r

bei den Kombina t ions f igu ren assis t ier te , habe ich un te r die 25 n i ch t

mi t aufgenommen, wohl aber des In teresses ha lbe r untersuch~: sie zeigte na t i i r l ich im al lgemeinen bessere Le is tungen als die anderen, doch war bezeichnend, dai~ sie, als ihr das , ,Haus" gegeben wurde, sofort , ,Ki rche" sagte, weil sie sich er innerte , da~ eine solche vorkam, und dal~ sie dann die ta ts~chl iche Ki rche ers t nach Angabe des Gegens tandes r icht ig mach te . Die andern Aufgaben, deren Lbsung sie n ich t sah, sondera bei denen sie als Saalpf leger in nu r zugehSr t ha t t e , 15ste sie k a u m besser, als sie es bei ihrer ohnedies gu ten In te l l igenz wohl ge tan h~t te . Auf der andern Seite w~re zu fragen, ob die Resu l t a t e n icht durch ein Unbehagen dem Vorgesetz ten gegeniiber, durch Angst , sich zu , ,b lamieren" , durch

, ,Emot ionss tup id i t~ t " ( J u n g ) gedr i ick t wurden. Auch das da f t ich wohl gering anschlagen, denn die Befangenhei t , die namen t l i ch die

Pf leger innen vereinzel t zun~chst an den Tag legten, ve r schwand in al len F~l len nach kurzer Zei t ; und schliel~lich is t bei K r a n k e n ja auch

mi t ~hnlichen Momenten zu rechnen. Die q u a n t i t a t i v e n Ergebnisse waren bei den Gesunden fo lgende:

1. Bi lder . 1. St~ltische Kfiehe als Kiiche erkannt . . . . . . . 25 unter 25 (100%) 2. L~ndliche Kiiche als Kiiche erkannt . . . . . . . 24 unter 25 (96 %) 3. Untersehied von selbst richtig angegeben . . . . . 13 unter 25 (52 %) 4. Unterschied auf Frage richtig angegeben . . . . . 11 unter 25 (44 %) 5. Untersehied nicht angegeben . . . . . . . . . . . 1 unter 25 ( 4 ~/o) 6. Ernte als solehe erkannt . . . . . . . . . . . . . 25 unter 25 (100%) 7. Markt als solcher erkannt . . . . . . . . . . . . 24 unter 25 (96 %)

2. } I e i l b r o n n e r s c h e Methode . Von 25 Gesunden erkannten:

1. die Maus: 2. den K i n d e r w a g e n : bei 1.: 2 ( 8 % ) bei 1.: - - - - bei 2.: 9 (36~o) bei 2.: - - - - bei 3.: 10 (40%) bei 3.: 8 (32%) bei 4.: 3 (12%) bei 4.: 6 (24%) bei 5.: 1 ( 4 % ) bei 5.: 6 (24%) bei 6.: - - - - bei 6.: 4 (16%) bei 7.: - - - - bei 7.: 1 ( 4 % ) bei 8.: - - - - bei 8.: - - - -

3. die Ka f f eemf ih l e : 4. die Wage : bei 1.: - - - - bei 1.: - - - - bei 2.: 2 ( 8 % ) bei 2.: 8 (32%) bei 3.: 7 (28%) bei 3.: 9 (36%) bei 4.: 15 (60%) bei 4.: 8 (32%) bei 5.: - - - - bei 6.: 1 (4%)

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568 K. Schne ider : (~ber e inige k l in isch-psychologische

5. die L a m p e :

bei 1.: - - - - bei 2.: 5 (20%) bei 3.: 4 (16%) bei 4.: 2 (8~ bei 5.: 1 (4~ bei 6.: 12 (48%) bei 7.: 1 ( 4 % )

6. die G i e B k a n n e :

bei 1.: - - - - bei 2 . : - - - - bei 3.: 3 (12%) bei 4.: 1 ( 4 % ) bei 5.: - - bei 6.: - - - - bei 7.: 2 ( 8 % ) bei 8. : - - bei 9.: 18 (72%) bei 10.: - - bei 11.: 1 ( 4 % ) bei 12.: - - - - bei 13.: - - - - bei 14. : - - - -

7. die B i r n e : 8. das M a i g l S e k e h e n :

bei 1.: 20 (80%) bei 1.: 6 (24%) bei 2.: 1 (4%) bei 2.: 1 (4%) bei 3.: 4 (16%) bei 3.: 5 (20%) bei 4.: - - - - bei 4.: 7 (280/0)

bei 5.: 6 (24%)

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n . 1. S e h e i b e :

A 1. R ich t ig ohne N e n n u n g des G e g e n s t a n d e s . . . . . . . . . . 2 5 ( 1 0 0 % ) A 2. Gute Feh l r eak t ion ohne N e n n u n g des G e g e n s t a n d e s . . . . . - - - - A 3. R i ch t i g ohne Vers tKndnis . . . . . . . . . . . . . . . . . - - - - B 1. R ich t ig n a c h N e n n u n g des G e g e n s t a n d e s . . . . . . . . . . - - - - B 2. Gute Feh l r eak t ion n a c h N e n n u n g des Gegens t andes . . . . . - - - - B 3. R i ch t i g ohne Ver s t~ndn i s . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. N i c h t r icht ig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. F i s c h : 3. S i c h e h 4. B e i l : 5. H a m m e r :

A 1. 23 (92~ 24 (96%) 14 (56%) 6 (24%) h 2 . - - - - 3 (12%) 2 (8~ A 3 . 1 ( 4 ~ B i. 1 (4%) I (4%) I (4%) 12 (48%) B 2. - - - - 1 ( 4 % ) B 3 . - - - -

C. - - - - 6 (24%) 5 (20%)

6. M i l c h k a n n e : 7. H a u s : 8. L a m p e :

A 1. l l (44%) 9 (36~ 7 (28~ A 2 . - - - - A 3. - - - - 4 (16%) 13 1. 11 (44%) 2 ( 8 % ) 12 (48%) B 2. - - - - I ( 4 % )

B 3. - - - - I ( 4 % )

C. 3 (12%) 8 (32%) 6 (24%)

9. K i r c h e : 10. S c h m e t t e r l i n g :

3 (12%) 3 (12%) 2 (8%)

12 (48%) 14 (56%)

7 (28%) 3 (12%) 3 (12%) 3 (12%)

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 569

4. E b b i n g h a u s s c h e Methode .

Zahl der Versuehspersonen . . . . . . . . . . 25. Im ganzen waxen Worte zu erg~iaazen . . . . . 750. (25 �9 30). Davon wurden ausgelassen . . . . . . . . . . 33, im Durehschnitt: 1,3. Davon wurden falsch erg~nzt . . . . . . . . . 14, im Durchschnitt: 0,5. Lesedauer im ganzen . . . . . . . . . . . . 94,5, im Durchschnitt: 3,8.

Wi r werden sparer bei der Besprechung der bei K r a n k e n gewonnenen Resu l t a t e sehen, wie wenig Bedeu tung im grol3en ganzen diesen Zahlen zukommt , und wie wei t in te ressan te r die qua l i t a t i ven Ergebnisse sind. Meiner Ans ich t nach auch mi t Hins ich t auf die In te l l igenzpr i i fung.

So kSnnen z, B. z~e i I nd iv iduen ein H e i l b r o n n e r s c h e s Bi ld beide an der gleichen Nummer , sagen wir Nr. 4, e rkennen und doch ve r r a t en (lie Benennungen yon 1 - - 3 bei dem einen ein kr i t i sches Nachdenken , beim ande rn ein re in ~ul~erlich assozi ierendes urtei ls loses Herausp lappe rn . W i t k o m m e n hier wieder auf die Ta tsache , dab dieselbe Aufgabe mi t ganz versch iedenen psychischen Werkzeugen gelSst werden kann. Be- sonders aus d iesem Grunde ha t man bei der s ta t i s t i schen Zusammen- s tel lung solcher Un te r suchungen ein so schlechtes Gewissen, auch ganz abgesehen yon der immer ,~ ieder zu be tonenden Ungle ichhei t , die durch die Verschiedenhei ten der Tagesdisposi t ion, die Aufmerksamke i t s schwan- kungen, die E rmi idung gegeben ist. I m Grunde kann man eben eigentl ich, was solche immerh in schon ziemlich hohen geis t igen Le is tungen an langt ,

kein I n d i v i d u u m mi t dem andern vergleichen; es fehl t an den gleichen Grundlagen , und dieser Fehle r is t durch das S t reben nach der ,,Gleich- he i t der Re ize" nat i i r l ich niemals ganz zu beseit lgen.

Wi r werden also wei t mehr Gewicht auf die qua l i t a t i ven Ergebnisse legen, und so sehe ich mich genStigt , diese auch bei den Gesunden wenigstens auszugsweise aufzufi ihren.

1. A n s c h a u u n g s b i l d e r .

l. St~dtisehe Kiiche: stets nur ,,Kiiche", einmal mit dem Zusatz: ,,ist sogax gut eingerichtet".

2. L~ndliche Kiiche: ,,B/~ekerei" - - ,,Speisekammer" - - ,,L~ndlicher Haushalt". 3. Unterschiedsfrage: ,,biirgerliche und Herrschaftskiiche" - - ,,die erste rein-

richer" - - ,,die erstere besser" - - ,,die erste war schSner" - - ,,die zweite ist /ilter" - - ,,net so flott" - - ,,primitiver" - - ,,d0rt mehr Geschirr" - - ,,die Frau koeht" - - ,,da ist kein so Herd" - - ,,die erste mehr Beamtenkiiehe".

4. Ernte: ,,Erntefeld" - - ,,'s ist also Erntezeit" - - ,,Garbenbinden" - - ,,da wird geerntet" - - ,,Aekerfeld" - - ,,Ernteszene" - - ,,Schneiden" - - ,,Garben aufladen" - - ,,Baderngeseh~ft".

5. Markt: , , Jahrmaxkt"-- , ,Gemiisemaxkt"-- , ,Obsternte imHerbst"- - , ,Herbs t" - - ,,Einheimsen" - - ,,Apfelbreehen" - - ,,Landwirtschaft" - - ,,Woehen- markt".

Es b l e ib t bei den Anschauungsbf ldern nat i i r i ich m a n c h m a l dem sub jek t iven Ermessen i iberlassen, ob m a n eine Bezeichnung als , , r icht ig"

Z. f. d, g. Neur. u. Psych. O. VIII. 38

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5 7 0 K . S c h n e i d e r : ~ b e r e in ige k l i n i s c h - p s y c h o l o g i s c h e

g e l t e n l a s s e n ~ i l l o d e r n i c h t . I c h h a b e a u c h s o l c h e B e n e n n u n g e n a u f -

g e f i i h r t , d i e d a n n n a c h t r ~ g l i c h n o c h v e r b e s s e r t w u r d e n .

2. H e i l b r o n n e r s c h e M e t h o d e . 1. M a u s :

1. , ,e in Q u a d r a t - - n i c h t g a n z " - - , , e in V i e r e r " (of t ! ) - - , , s i eh t a u s , wie w e n n m a n s t e n o g r a p h i e r e n w i i r d e " - - , , W i n k e l " - - , , S e h l a n g e " - - , , S e h a f " , , K u h " - - , , S c h w e i n " - - , ,e in T i e r l e " - - , , N a s e " - - , , K r u g " .

2. , , H u n d " - - , , D r a c h e n " - - , , V o g e l " - - , ,S t i i ck V i e h " - - , , M e n s c h " - - , , K u h " - - , , D r e i a n g e l " - - , , D r e i s p i t z " .

3. , , H a s " - - , , F i s c h " - - , , T i g e r " - - , , I g e l " - - , , K ~ t z e " . 2. K i n d e r w a g e n :

I. , , M a u s l o e h " - - , ,wie B o g e n " - - , , D r a c h e n " - - , , F ~ c h e r " (Sf ters) - - , , de r 4. Te i l e ines S c h i r m s " - - , , G e o m e t r i e - - d a s m i t d e m v e r b i n d e n " - - , , F a h n e " .

2. , , K r a n k e n w a g e n " - - , ,Sch i f f " ~ , , B r i i e k e " - - , , R e g e n s c h i r m " - - , , R e e h t - e e k " - - , , F l u g m a s c h i n e " - - , , S e n s e " .

3. , , P " (Sf ters) - - , , A n k e r " - - , , E r d k u g e l " . 4. , , W i e g e " - - , , F e n s t e r " .

3. K a f f e e m i i b l e : 1. , , M i i h l e z i e h e n " - - , , K e l l e r f e n s t e r " - - , , S c h u l r a n z e n " - - , , N ~ h t i s e h l e " . 2. , , S e h u b l a d e " ( seh r o f t ! ) - - , , K o m m o d e " ( s eh r o f t ! ) - - , ,S t i i ek M S b e l " - -

, , B a e k o f e n " - - , ,Soeke l zu e i n e m D e n k m a l " - - , , T u m s t a n g e " - - , ,Br ie f - k a s t e n " .

3. , , W a s c h k o m m o d " - - , , W a s e h t i s e h " ( m e h r f a e h ! ) - - , , T r u h e " - - , , N a c h t - t i s c h " - - , , K a s s e t t e " - - , , O p f e r b i i e h s e " - - , , K o f f e r " .

4o - -

5. , ,Schi i sse l m i t M S r s e r " . 4. W a g e :

I. , , K i n d e r s p i e l z e u g " - - , ,Deeke l fi ir e i n e n S p a r k o e h e r " - - , , H e n k e l f i i r i r g e n d w a s " - - , , F ~ e h e r " - - , ,Gr i f f y o n T e l e p h o n " - - , , Z a n g e " - - , , H a n d g r i f f u m S e h u b l a d e r a u s z u z i e h e n " - - , , S e h u h l S f f e l " .

2. , , B o h r e r " - - , , B r u n n e n " . 3. , ,Zwei Z a n g e n " - - , , K l e i d e r h a k e n " ( m e h r f a e h ) .

5. L a m p e : 1. , , K a f f e e t a s s e " - - , , B l u m e n s t o c k " - - , , S t o c k h a f e n " (5f te rs ) - - , , L e h n e v o n

S t u h l " - - , , K e l l e " - - , , H u t s e h a e h t e l " - - , , Z i e l s c h e i b e " - - , , N a e h t t o p f " . 2. , ,Te l le r z u r K a f f e e t a s s e " - - , , B a l l o n " . 3. , , K i i e h e n l a m p " . 4. , , Sp i ege l " - - , ,Sp iege l s t i s - - , , W a s c h t i s c h " - - , , W a s c h m a s c h i n e " - -

, , B l u m e n t i s e h " - - , , V a s e " - - , , ' s O be re i s t ~ i e K u e h e n d e c k e l " . 5. , , A m b o s " - - , , K e l e h " (h~uf ig! ) .

�9 1 " - - 6. , , S t a n d u h r " - - , , K l a p p s p m g e , , a u c h e ine W a g , a b e r e ine a n d e r e " . 6. G i e B k a n n e :

1. , , H a n d t u e h s t ~ n d e r " . 2. , , S c h r a n k " ( m e h r f a e h i ) - - , ,S t i iek y o n D e n k m a l " - - , , Z y l i n d e r " . 3. , , O f e n " - - , ,S t~ i~der" - - , , T a s e h e n l a m p e " - - , , B r i e f k a s t e n " - - , , B e e h e r "

( S f t e r s ) - , , H o l z b e e h e r " - - , , B i e r b e e h e r " - - , , S e h r a n k m i t o f t e n e r T i i r " (Sf ters) .

4. , O f e n s e h i r m " - - , , N a e h t t i s e h " - - , , Z i i n d h o l z b i i c h s e " - - , , G l a s " . 5. , , H e r d " - - , , P u l t " - - , , S e h r a n k " - - , O f e n " . 6. , , B l e c h b e e h e r " - - , , W a s s e r b e e h e r " .

Page 19: Über einige klinisch-psychologische Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. Zugleich ein Beitrag zur Psychopathologie der Korsakowschen Psychose

Unte r suchungsmethoden und ihre Ergebnisse . 5 7 1

7. , , K r u g " - - , ,Becher" - - , ,KaffeemaB". 8. - - 9. , , K M f e e k a n n e " (6fters).

7. B i rne : 1. , ,E i " - - , , B i r n - wie eine e lektr ische oder gew~hnl ich" .

8. Maig l~ckehen: 1. , , B l u m e " - - , , Ah r e" - - , , H a h n " - - , ,G lockenb lume" - - , ,Zweig" - - , ,Zi t ter-

g r a s " - - , ,Feder" . 2. , ,Sumpfgras" - - , ,Chlorophyl l?" - - , ,S tenge l" - - , ,Moos" - - , ,S t rauB" - -

, ,Schilf" - - , , W e l s c h k o m " - - , , B i t t e rk r au t " . 3. , ,Tulpe" . 4. , ,b l i ih t im F r i i h j a b r " .

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n .

1. Scheibe: Auf die n a c h Vol lendung der Aufgabe gest~llte F rage : , ,Was i s t das wohl ?" k a m e n folgende A n t w o r t e n : , ,Kuge l " m ,,hal~ so r u n d " ~ , ,An. fang zu e inem S t ~ e k h a f e n " - - , , runder Decke l " - - , ,Boden yon . . . P ' - - , , P l a t t e " - - , , T e l l e r " - - , , K r e i s " - - , :Wo m a n B l u m e n v a s e n draufs te l l t , oder die S t e h l a m p " - - , , M o n d " (oft l ) - - ,,zwei H a l b m o n d " .

2. Fisch : , ,S~iefelzieher". 3. S icheh F a s t s te t s wurde zuers t folgende Feh ' l reakt ion gemaeh~, die gerne

als , ,Eidechse" , , ,Sch lange" beze ichne t wurde, o f t abe r auch als , ,Sichel".

Als ,,nicht richtig" gerechnet. 4. H a m m e r :

,,Wegweiser" ,,Pfeife" ,Gute l~ehl- ,,Messer" ,,Ruder" ,,Richtig" (als ,,richtig" ge- (,,gute l~ehl- reaktion" (Sfters; (,,gute Fehl- (aufeinan-

rechnet), reaktion"). (sehr oft). ,,gute Fetil- reaktion'% dergelegt). reaktion").

5. Bell : Sehr of t in al len Var ia t ionen .

Als ,richtig" gereehnet. .Gute Fehlreaktion." ,,Nicht richtlg." ,,Nicht richtig."

38*

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572 K. Schneider: 0ber einige klinisch-psychologische

6. Milehkanne: Sehr oft:

~, Ht lAIS *

8. Lampe:

Als ,,ricl~tig" gerechnet.

~ ,,Tasse"

,,Nicht richtig", weil nut zwei Teile verwendet wurden.

,,Buch mit Rfickseite".

(,,Richtig, aber ohne Verst~ndnis".)

,,Gute Fehlreaktion". 9. Kirchc :

I " Als ,,riehtig" ,,Gute Fehlreaktion". gereehnet.

1 ,,Gute Fehlreaktion".

10, Schmetterling:

I1 ,,Gute Fehlrcaktio~".

\ I ,,Gute Fehl- reaktion".

l - 1 ,,Gute Fehl- reaktion".

,,R~tsch" (,,richttg ohne Verstiindnis").

Hier wurden die allerverschiedensten Figuren gelegt. Meist wurden die Fliigel als ,,BlOtter", der Leib als ,,Stiel" aufgefaBt. Auch die Bezeictmung ,Bi rnen" fiir die BlOtter, ,,Griff" und ,,Sohle" fiir den Leib kamen vor.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 573

4. E b b i n g h a u s s c h e M e t h o d e .

Auch beim Lesen der E b b i n g h a u s s c h e n Texte wiederholten sich gewisse Fehler mit Vorliebe, so in

A. ,,Die Heuernte ist im Sommer start". ,,wenn das Korn hoch auf den Feldern steht". ,,Am Abend wird es meist in die Scheune gelegt." ,,Sp/i- ter w~chst das Gras zwar wieder einmal." ,,wird dann nicht mehr so groB."

Die grSl~te Miihe machten immer die kleinen Worte: ,,es", ,,noch", ,,aber ~.

B. ,,Wenn man verreisen will, geht man auf den Zug." ,,Der Zug ist schon bereit, mit einer langen Lokomot ive von Wagen." ,,Langsam beginnen die Wagen sich zu drehen."

Auch bei dieser Methode wird man manchmal im einzelnen sch~,anken, ob man eine Ergiinzung als richtig gelten lassen soll, oder nicht. --

Sollte ich mich zum Schlusse noch fiber den Unterschied, den Ge- schleeht und Bildung bedingten, ~uBern, so muB ich sagen, dab ich mir hieriiber nach meinen doch immerhin nicht sehr zahlreichen Erfahrungen kein sicheres Urteil erlauben will. Doch kann ich vielleicht folgendes bemerken: Einen Unterschied zwischen den Geschlechtern konnte ich bei meinen Untersuchungen nicht linden; die Pflegerinnen arbeiteten so ziemlich gleich, wie die Pfleger. Dazu ist allerdings zu bemerken, dab unser Pflegermaterial, was Intelligenz und sonstige Fi~higkeiten anlangt, relativ wohl unter dem Niveau der Pflegerinnen steht. In der Art der LSsung einer Aufgabe zeigten sich wohl gewisse Unterschiede: Die Pfleger gingen kritischer vor, sie sagten eher nichts, als etwas Falsches, w~hrend die Pflegerinnen eine viel bliihendere Phantasie entwickelten und sehneller geneigt waren, mit einer Benennung zufrieden zu sein. Es deckt sich diese Beobachtung, die ja auch den Erfahrungen des Lebens entspricht, mit dem Resultat v. d. T o r r e n s l ) , dab ,,M~d- chert mehr und sinnloser konfabulierten, die Knaben sich in ihrer Auf- fassung strenger an die Wahrnehmung des wirklich Gegebenen" hielten. Dasselbe hat auch E b b i n g h a u s 2) beobachtet. DaB die Pfleger im der Wahl ihrer Benennungen, namentlich bei t t el l b r o n n e r s Methode, vielfach yon denen der Pflegerinnen abwichen, gehSrt mehr unter die durch den Beruf bedingten Abweichungen, auf die ich sp~ter noch aus- ffihrlicher zu reden kommen werde.

Der Bildungsgrad der Prfiflinge schien mir bei den optischen Methoden, wenigstens was die quantitativen Ergebnisse anlangt, keine Rolle zu spielen, bei E b b i n g h a u s dagegen sehr. Die gebildeten Versuchs- personen 15sten die Aufgabe durchweg viel rascher und fast ohne Fehler. Es hKngt dies, wie schon oben erw~hnt wurde, mit der grSBeren Sprach-

1) a. a. O. S. 215. 2) a . a . O. S. 436.

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574 K. Schneider: 0ber emige kliniseh-psychologische

gewandtheit zusammen und wohl auch damit, dal~ Gebildete besser und schneller lesen. Jedenfalls kSnnen wir sagen, dab die von mir an- gewandten Texte fiir Gebildete keine Intelligenzpriifung sind.

Was die Qualit~t der LSsungen anlangt, so ergab die Priifung mit den Bildern natiirlich keine Unterschiede, bei den H e i lb r o n n e r schen Serien wurde in den einzelnen Benennungen wohl etwas iiberlegender und w~hlerischer vorgegangen, und bei den Kombinationsfiguren war die Art, wie die Gebildeten die Aufgabe anfa~ten, doch recht verschieden v o n d e r der Ungebildeten: sie probierten nicht in raschem Wechsel planlos, ob es am Ende so etwas geben kSnnte oder so, sondern machten sich, wie die intelligenten Ungebildeten, mehr einen Plan, gingen viel iiberlegter und ruhiger vor. Die tats~chlichen Effolge fibertr~fen, wie ich mich auch sonst an vielen nicht systematisch durchgefiihrten Ver- suchen bei gesunden Gebildeten iiberzeugen konnte, sicher nicht die der Ungebildeten. Gerade bei dem planm~Bigen, iiberlegenden Vorgehen ist die Gefahr, sich in eine vorgefa~te Idee zu verrennen, sehr groin.

Welch grol~en Vorteil die Gebildeten bei der E b b i n g h a u s s c h e n Methode haben, sahen wit schon und haben auch bemerkt, dal~ inhaltlich kaum Fehler vorkamen, auch in der Heuernte nicht, obschon es sich um St~dter handelte. Allerdings machte der Dr. phil. den echt ,,st~dtischen" Fehler: ,,Die Heuernte findet im Sommer start, wenn das K o r n hoch auf den F e l d e r n steht."

Ich mSchte gleich hier auch den EinfluB besprechen, den der Beruf auf die Reaktionen hatte, obschon ich hierbei auch Beispiele aus den bei Kranken gemachten Erfahrungen nehmen muG. Wie wir schon oben sahen, hat ReiB 1) bei seiner prinzipiellen Stellungnahme zur Bewertung der H e i l b r o n n e r s c h e n Methode betont, wie regelm~ig die Alkohol- berauschten in den Bildern ihnen aus ihrem Beruf, aus ihrem Milieu gel~ufige und vertraute Dinge sahen. Wie wir ebenfalls sahen, hat H e n d r i k s 2) dies nur in einem einzigen Fall beobachtet.. Ich kSnnte aus meinen Erfahrungen viele Beispiele anfiihren, die ganz im Sinne der von l~ei{~ gemachten Beobachtungen sprechen, und ich gebe hier einige Proben.

Ein Schiller (Psyehopathie) und eine Schillerin (Chorea) bezeichneten beide Nr. 1 der Kaffeemiihle als ,,Schulranzen", derselbe Schiller (Gymnasiast) sah in Nr. 1 des Kinderwagens sofort eine geometrische Figur und sagte: ,,das mit dem verbinden", indem er mit dem Finger die Diagonale zog. Eine Forstwarts- frau (leichte periodische Depression) sagte bei Nr. 1 der Wage: ,,So hat mein Mann einen Jagdstock"; eine Flaschnerstoehter (Dementia praeeox) sagte, als sie bei Nr. 9 die GieBkanne erkannte, dazu: ,,ich werd's doch auch wissen, wenn mein Vater die macht; ich bin auch ein halber Flaschner"; der Sohn eines Loko- motivfilhrers sah in Nr. 3 der Lampe ein ,,Eisenbahnsignal", in Nr. 5 ,,Puffer",

1) a. a. O. S. 397. 2) a . a . O. S. 735.

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Untersuchung'smethoden und ihre Ergebnisse. 575

w~hrend ein ZSgling einer katholisehen Erziehungsanstalt (Imbezillit~t mit Hebe- phrenie) darin ,,Kelch oder Monstranz" erblickte. Auch wiirde ein Pfleger schwer- lieh auf ,,Deckel fiir Sparkoeher" (Wage 1), ,,Wasehmaschine" (Lampe 4), ,,Hand. tuehst~nder" (Gie[~kanne 1) gekommen sein, wie das Pflegerinnen taten.

Die Beispiele liel~en sich noeh beliebig vermehren, obschon unter meinen Versuchspersonen relativ wenige waren, die einen ausgespro- ehenen Fachberuf im Leben innehatten, da es sich fiberwiegend um Frauen handelte.

Interessant w~re auch zu erfahren, ob Zeichentalent die Aufgaben wesentlieh erleiehtert, und ich habe deshalb stets darnach gefragt. Ieh bin nieht zu dem sichern Ergebnis gekommen, das dem so ist. So hat ein Kunstmaler (Paranoia im K r a e p el i n schen Sinn), den ieh unter- suchen konnte, in seinen Leistungen keineswegs die andern fibertroffen. Es ist Ja auch klar, dab Sinn und Ged~chtnis ffir Formen mit aktivem Talent zum Zeichnen nieht durehaus immer zusammenfallen mul~. DaB jene F~higkeiten bei unseren optischen Methoden eine bedeutende Rolle spielen, ist wohl nicht zu leugnen. Und so haben wir hier schon wieder ein Etwas, das uns die statistisehe Bewertung der Resultate ersehwert und uns den Mut dazu nimmt, wenn er nieht sehon vorher gesunken ist.

Noeh wenige Worte fiber die Beziehung der bei den 4 verschiedenen Priifungen gewonnenen Resultate: Im allgemeinen liefen sie ziemlieh parallel, nur die Gebildeten hatten, wie erw~hnt, bei der E b b i n gh a u s - schen Methode einen bedeutenden Vorsprung.

II. Versuche an Is

1. N e r v e n k r a n k e .

Wenden wir uns nun zu den bei Kranken gewonnenen Untersuehungs- resultaten, so w~re zun~ehst eine Gruppe von -- kurz gesagt -- ,,Nerven- kranken" zu besprechen. Sie umfal~t: 1 Fall von multipler Sklerose, 1 Fall von Chorea, 4 F~lle von genuiner Epilepsie, 4 F~lle von Hysterie, 1 Fall von Psyehopathie. Wie anzunehmen war, ergaben sich hier abet weder quantitative noeh qualitative Besonderheiten; allerdings ist dazu zu bemerken, dab es sieh bei den 4 Epileptikern um ganz beginnende F~lle handelte, die noch keinerlei psyehisehe Ver~nderungen, keine Demenz, keine typisehe Schwerf~lligkeit und Umst~ndlichkeit zeigten.

Der Fall yon Chorea und 2 F~lle von Epilepsie betrafen Kinder; auch sie boten keinerlei wesentliche Abweiehung von dem normalen Durchsehnitt.

2. D e p r e s s i o n s z u s t ~ n d e .

Die folgende Gruppe umfaBt 7 Fglle von Depression. Es ist natiir- lich, dal~ nicht alle Depressionen sieh zu solehen Versuehen eignen: sehr starke Hemmung und starkes Mitsichselbstbesch~ftigtsein wird die

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576 K. Schneider: [)ber einige klinisch-psychologische

Versuche vielfaeh unmSglich machen. So lehnen namentlieh Kranke mit sehr starken Versiindigungsideen oder sie vollkommen beherrschen- den hypochondrischen Vorstellungen die Aufgaben ab mR der Bemerkung, dab das fiir sie doch keinen Wert habe, oder, dal~ ihnen damit nicht ge- holfen sei. So wird man in der Hauptsache auf leichtere F~lle ange- wiesen sein und nur gelegentlich einen Schwerkranken untersuchen kSnnen.

Sechs von meinen F~llen boten ein ziemlich gleiehm~i~iges Krank- heitsbild: leieht gehemmt, auf der Abteilung still fiir sieh, dankbar fiir Trost und Zusprueh und aueh den Versuchen zug/inglich.

Was die quanti tat iven Ergebnisse anlangt, so land sich bei den Bil- dern ein gewisses Zuriickbleiben den Gesunden gegeniiber: 2 konnten z. B. den Unterschied zwischen den beiden ,,Kiiehen" i iberhaupt nicht angeben. Aueh bei den H ei l b r o n n e r schen Serien arbeiteten sie etwas schleehter, w~hrend bei meinen Figuren dies nicht durehweg beobaehtet werden konnte. Sehr schSn zeigte sieh die Hemmung bei der E b b i ng - h a u s s e h e n Methode: Die durehschnittliche Lesedauer betrug 4,96 (Ge- sunde 3,8) Min., w~hrend sich die Zahl der durchschnittlich ausgelassenen und falseh erg~nzten Worte (Depressive 1,5 bzw. 0,7, Gesunde 1,8 bzw. 0,5) kaum ver~nderte. Ich verziehte auf eine ausfiihrtiche Wieder- gabe der Tabellen, da sie, wie gesagt, wenig Einheitliches bieten. Zudem scheint mir die Zahl der Untersuchungen zu gering, als da$ man das Reeht h/s aus ihnen allgemeine Schliisse zu ziehen.

Was die qualitativen Ergebnisse anlangt, so ~uSerten sich die depres- siven Ideen auch bei den sechs leichter Depressiven gelegentlich. So meinte die eine, als sie ein Bild der H e i l b r o n n e r s c h e n Serm nicht herausbraehte: ,,Das hat keinen Sinn und kein Stil -- grad wie ich !" -- Eine andere, die Frau eines Giiterschaffners und Tochter eines Bahn- w~rters, konnte ,,die Eisenbahn" vor Riihrung und Heimweh kaum zu Ende lesen, w~hrend sie sonst ganz ruhig geblieben war. Eine dritte erg~nzte bezeichnenderweise s tat t ,,die Zuriickbleibenden winken mit den Tiiehern": ,,weinen mit den Tiiehern".

Sehr sch6n zeigten sich die depressiven Ideen oder, wenn wir so sagen wollen, die , ,Komplexe" der siebten Kranken bei den Untersuehungen.

Es handette sieh um eine junge, erst seit kurzem erkrankte Lehrersfrau mit sehwerer ~ngstlicher Erregung und zahlreichen Selbstvorwiirfen. Die Kranke machte sich lebhafte Vorwiirfe, well sie einmal als 17jEhrige eine junge Katze an ihre Gesehlechtsteile gehalten habe, und suchte auch sonst in ratloser Angst naeh Siinden und Vergehen in ihrer Jugend. Andere Vorwiirfe bezogen sich dar- auf, dab sie in den ersten Jahren der Ehe zu ungeschickt gewesen sei, sich ihrem Ma~ne ganz hinzugeben, andere wieder auf religiSse Verfehlungen und Unter- lassungen. Folgende Stellen zeigen die ganze angstvolle un d egozentrische Weise, mit der die Kranke die Aufgabe 15ste (d~e Kr~nke war dabei sehr sehwer zu fixieren, d~ sie sieh immer wieder mit persSnliehen Fragen an den Untersuehenden wandte):

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 577

1. Bi lder . IAndliche Kiiche: ,,Da ist eine Katz', gucken Sie, Herr Doktor!"

2. H e i l b r o n n e r s c h e Methode . 2. Kinderwagen: ,,P heil~t das; das ist der Pater, gelt?" 4. Wage, Nr. 1: ,,Sagen Sie mir, was das bedeutet - - soll das grad yon der Elm.

sein ?" 5. Lampe, Nr. 5: ,,0 - - das ist der Kelch - - o liebster Heiland, wo du draus trunken

hast und gelitten - - und ich bin so gewesen." 6. Gie]kanne, Nr. 8: ,,Ein Bierglas - - ich hab doch auf dem Land net trunken ?"

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n . Milchkanne: ,,Das ist die Sfndenstraf' - - wenn ich allemal zu viel Milch gekriegt

hab, hab ich sie ausgeschiittet!" Haus: ,,Schulhaus." Lampe: ,,Das haben meine armen Eltern g'habt." Kirche: ,,Ja, da hat leider Gottes der Blitz 'reingeschlagen."

4. E b b i n g h a u s s c h e Methode . Die Texte wurden iiberraschenderweise zwar langsam, aber ohne Neben.

hinausreden gel5st; am Schlusse der ,,Eisenbahn" frug Patientin: ,,Nach R.?" (dem Ort, wohin sie sich verheiratet hatte).

3. M a n i s c h e K r a n k e .

Auch un te r den M a n i s c h e n werden re la t iv wenige solchen Unte r - suchungen zugs sein, da es oft unmSglich sein wird, sie fiir so lange Zeit zu fixieren. Sehr erregte K r a n k e scheiden ohnedies wenigstens bei den F iguren und bei den E b b i n g h a u s s c h e n Versuchen aus. I ch konn te nur 3 K r a n k e untersuchen, yon denen die eine versagte , w~hrend der Un te r suchung weinerl ich und mil~mutig wurde, aber die Aufgabe ohne Besonderhe i ten 15ste. Bessere Ergebnisse l iefer ten die beiden ande rn : Die f lo t te S t immung, der Rededrang , die Ideenf luch t zeigten sich sehr deut l ich, so dal~ man die Pro tokol le , , typisch man i sch" nennen kann. Was die Ideenf luch t an langt , so h a t H e i l b r o n n e r 1) selbst schon die E r f ah rung gemacht , daf3 sie bei Prf i fungen mi t seinen Bi ldern besonders rein zu sehen ist.

Ich drucke das eine der Pro tokol le vo l lkommen ab und gebe zuers t einige kl inische Mit te i lungen fiber die K r a n k e ; da es sich um einen ganz typ i schen Fa l l yon Manie handel te , da f t ich reich wohl mi t ganz kurzen Angaben begnfigen.

L. R., 23 Jahre alt, Dienstms Erblich nicht belastet. Armliche b~ius- liche Verh~ltnisse. Lernte in der Schule nicht gut; nachher im Dienst. Von Natur mlhig, etwas schwernehmend, leicht geriihrt, fromm, fleil3ig, immer einsam und ohne Freundinnen; angeblich nie Liebesverh~ltnis.

Sommer 1910 Beginn einer traurigen Verstimmung ohne s Grund. Lebte damals allein mit dem Vater zusammen, der sie vielfach miBhandelte. Fiihlte sich schwach und mfide, kam sich verlassen und ungliicklich vor, weinte viel.

1) a. a. O. S. 126.

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578 K. Schneider: Uber einige klinisch-psychologische

Im I)ezember fast plStzheher Umschlag: lieB sich veto Vater niehts mehr gefallen, erwiderte seine Schimpfereien, ging wieder mehr unter die Leute, fiihlte einen Trieb in die Ferne, war lustig und zeitweise ausgelassen. Eines Tages ging sie ohne ein Wort zu sagen and ohne einen Pfennig Geld dutch and wanderte in eine etwa eine Stunde weit entfemte Stadt M. Schon am n~chsten Tag fand sie dort eine Stelle als Dienstm~dehen. Nach 8 Tagen ging sie wegen Schlaf- and Appetit- losigkeit, starker Ermiidung and Kreuzsehmerzen zu einem Arzt. Naeh kurzem Aufenthalt in einem Krankenhaus wnrde sie einem katholisehen Stilt iibergeben, we sie sehr wenig gut tat. Naeh 1/4 Jahr lief sie weg und wieder naeh Hause, jedoeh nicht zum Vater, sondern zum Pfarrer, der sie am 8. Mai 1911 in die Klinik brachte.

Hier au~rordent l ich ]ebhaft, ungeniert, vorlaut, erotisch. Erz~ihlt unter vielem Lachen in burschikoser Weise yon ihren Erlebnissen. Klagt fiber allerhand ziehende Sehmerzen in den Gliedern; an ihrer Stimmung kann sie nichts Krank- haftes finden. Starker Rededrang und ausgesprochene Ideenflucht.

P r o t o k o l l v e t o 19. Mai 1911.

Status: Ausgelassen heiter, starker Rededrang, nimmt niehts ernst, ist leicht erotiseh, laeht viel.

I. B i l de r .

1. St~dtische Kiiehe: ,,Bildle 1) - - K o e h h e r d l e - - K i i e h e ! " 2. L~ndliehe Kiiehe: ,,Butterf~Ble - - Bildle - - Stub' - - ich glaub', d a b ' s wieder

a Kiiehe ist ." 3. Untersehied: ,,DAB da kein Herd drinn ist - - die Hiihnle - - die Katz - - " . 4. Ernte: ,,A Ernt - - das hab ieh auf den ersten Bliek gesehen." 5. Markt: , , - - Markt!"

2. H e i l b r o n n e r s c h e M e t h o d e . 1. Maus.

1. So kunstvoll bin ich net g ' l emt worden! 2. Das wei$ unser I-Ierrgott - - a VSgele. 3. (Laeht unb~ndig): A Katzkopf oder a Kuhkopf - - u n s e r Herrgott ha t

allerlei geschaffen 4. Da'st a M~usle - - da 's t zum Verreeken!

2. Kinderwagen. 1. A Bausteinle. 2. Dest die Riehtschnur - - wie's werden sell. 3. Je tz t kommt b a l d ' s Dach drauf. 4. Das k S n n t ' s Zimmer geben. 5. Das gibt d ' Fenster, glaub ich. 6. Je tz t gibts - - a Guckfensterle. 7. Ich mein, das wiir a Kinderchaisle.

3. Kaffeemiihle. 1. A Fiekmiihle. 2. Wieder so a Bausteinle, a g'hauenes. 3. Tischkasten - - er ist mir aber a bissle z' hoch. 4. getzt ists a Kaffeemiihl.

1) Ieh gebe die Protokolle zwar im allgemeinen hoehdeutseh wieder, doch kann ich den Dialekt im Interesse der Urspriingliehkeit und Ansehauliehkeit nieht iiberall vermeiden.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse . 5 7 9

4. Wage. 1. Des weil~ ich auch n e t - - zum rech t nausschlagen ? 2. Das weil~ ich wieder ne t - - a Hebeisen oder was ? 3. I eh glaub, das g 'hSr t an a Schmiede. 4. J e t z t ists a Wag - - wo m a n bald Ki r sehen wiegt.

5. Lampe. I. I ch glaub, a Putzmi ih le - - das is t ' s obers te F/s wo m a n oben 'nein-

schi i t te t . 2. Das vers teh ich net . 3. Was ich noch n e t gesehen hab. So ists, wenn man s a u d u m m ist! 4. A Obstmiihl? 5. Das weiB unser Her rgo t t , w a s ' s ist. 6. A Lamp.

6. GieBkanne. 1. Das weiB ich aueh n e t - - e twas Nichtsnutziges . 2. BloB griin, sehwarz und gr i in; schwarz is t der Teufel, griin die Hoffnung! 3. Das weiB ich wieder n e t - - grad wie a Ochs in a Apothek ' guckt! 4. 's Gleiehe wieder! 5. I ch weil~ ' s i m m e r noch n e t - - ich bin ha l t z ' durum fiir die Welt . 6. 's gleieh - - gleich und gleieh gesellt sich g e m . 7. Au - - j e t z t bin ieh klarer - - ich glaub, das kSnn t an GieBer geben im

Garten. 7. Birne.

1. Das is t a Bi rn ' oder ~pfe l? 8. MaiglSckchen.

1. Das gibt a ~ r ' - - oder a rech ts zum Hinhauen . Ich z i t ter wie Espenlaub , sagt man.

2. Griin - - das ist a Halm, wenn er noch n e t reif ist. 3. G r a d ' s ngmliche - - bloB hiingen die Dingle runter . 4. Das is t a Maibliimle.

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n .

(Abkiirzungen: r. n. = r eeh t n a c h ; n. n. = n ich t n a c h ; n. 1' Ref. = nach 1 Minute vergebl ichen Versuchens wurde der Gegens tand genannt) .

1. Scheibe: r. n. 5". , ,A Deckele, wo man an Hafen ' rauf stellen k a n n . " 2. F iseh: r. n. 8a/5 ' ' . , ,Hosentrgger - - Stiefelzieher - - F i sch . " 3. Sichel: r. n. 432/J '. 4. Beil: (n. 1' Ref. : Bell) n. 5"r . , aber Stiel konkav. , ,Wenn d ' H a n d h e b e t ( = H a n d -

griff) aueh a bisle k r u m m is t . " - - Nich t verbesser t n. 1'. 5. H a m m e r : (n. 1' Ref. Hammer ) n. n. 1'. 6. Milchkanne: (n. 1' Ref. Milchhafen) 1) r. n. 1' 4a/5 ' ' (unten schmal). 7. Haus: r. n. 364/a"~ aber in falseher Achse, deshalb n i ch t vers tanden . , ,Guek-

fens te r le . " 8. Lampe : (n. 1' Ref. Lampe) n. 221/6" r., aber Behgl ter ve rkehr t eingesetzt .

n . n . V . 9. Ki rche : (n. 1' Ref. Kirche) n. 1': Daeh als Chor auf die andere Turmsei te ,

sons t r. 10. Schmet te r l ing : (n. 1' Ref. Sehmet ter l ing) n. n. 1'.

1) I n Wirkl iehkei t wurde durchweg , ,Milehhafen" gesagt , da dies die hier- zu lande gebrguehliche Bezeiehnung ist.

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580 K. Schneider: ~ber einige klinisch-psychologisehe

4. E b b i n g h a u s s c h e Methode. (Zeichenerkl~rung: , , - -" = VerzSgerung; ,, ? (1/2')" = n a c h 1/2 Minute keine

Erggnzung.) A.

,,Die tIeuemte - - finder im August statt, wenn das Korn hoeh auf den Sten- geln steht. Es wird mit der Siehel oder Sense abgeschnitten, durchgesehiittelt das tut man bei uns net - - und ausgebreitet, damit es in der Hitze diirr wird. Am Abend wird - - ? (1/2') - - meist in - - Biisehel gelegt. Wenn das Gras diirr ist, f~hrt man mit dem Wagen hinaus und holt es in die Seheune. Sparer w~ichst das Gras zwar - - ? ( 1 / 2 ' ) - - einmal, wird - - abet nicht mehr so - - ? ( 1 / 2 ' ) , wie das erste- mal. Man nennt dieses zweite Gras ,Aftergras'."

(Zeit: 5'. Bemerkungen: Redet viel neben hinaus, liest ungenau.)

B.

Wenn man verreisen will, geht man auf den Bahnhof. Zuerst kauft man sich am Schalter eine - - Fahrkarte. Dann geht man auf den Bahnsteig. Der Zug h~lt sehon bereit mit einer langen - - Linie yon Wagen; die Schaffner - - Lokomotive zischt. Der Schaffner ruft: ,,Steigt ein - - Wiirzburg, Heilbronn, Stuttgart - - aussteigen!" Rasch steigt man ein und - - ? ( 1 / 2 ' ) - - sich einen guten Platz, wo- mSglich am Fenster. Die Tfiren werden gesehlossen. Langsam beginnen die Lokomobilen sich zu bewegen, der Zug geht ab. Die Zuriickbleibenden winken mit den Tiichern."

(Zeit: 41/4 '. Bemerkungen: s. A.)

Ebenso sehSn ist das andere Protokoll , das ein 20j~hriges Madchen

lieferte.

Die Kranke unterbrach ihre Angaben vielfach mit Entschuldigungen, wie: ,,So durum bin ich in meinem Leben net g'wesen, wie heut", oder ,,Sie diirfen mir's heut net iibelnehmen - - ich bin verriickt bis in die groBe Zeh'" oder ,,Ja, Herr Doktor, wenn man Sie so hinstellen wiirde - - was meinen Sie ?" Auch kri- tisierte sie gem, z. B.: ,,So hab ich in meinem Leben noch keine Lamp' gesehen - - so einen Kolben".

Quan t i t a t iv stehen die beiden F~lle un te r dem Durchschni t t der

Gesunden, nament l i eh bei den Methoden H e i l b r o n n e r u n d E b b i n g -

h a u s. H e n n e b e r g 1) maehte beim Deutenlassen von Bildern ~hnliche Er fah rungen ; er land, da[t Manisehe gern an Einzelhei ten anknfipf ten,

so dalt der Z u s a m m e n h a n g v i e l s e h l e e h t e r a u f g e f a g t w u r d e

a l s v o n G e s u n d e n .

4. D e m e n t i a p r a e c o x .

L~nger wird uns die Gruppe der Dement ia praecox beseh~ftigen.

Mein Material umfal~t : 11 F~lle hebephrenischen Charakters (7 M~dchen,

4 Manner), 2 mehr kata tonische (1 M~dchen, 1 Frau) und 4 mehr para- noide F~lle. Von diesen 17 seheiden bei der s tat is t ischen Verwendung

5 aus:

1) H e n n e b e r g , Zur Methodik der Intelligenzpriifung. Zeitschr. f. Psych. 64, 406.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 581

I Paranoide, weil die Untersuehung nicht ganz durchgefiihrt werden konnte.

2 Hebephrene aus demselben Grund. 1 Hebephrene wegen imbeziller Grundlage. 1 Hebephrene (Kind) wegen nur ganz unvollkommener Unter-

suehung. Demnaeh bleiben noch 12 Fi~lle. -- Man wird wegen der Verschieden-

heir der Zusti~nde (es handelt sich teils um frisehe, teils um ~ltere Fiille) bei so wenig zahlreichem Material den Wert einer statistischen Verarbei- tung aueh hier wieder gering ansehlagen 1) und ieh werde deshalb die Tabellen nieht abdrueken. Jedenfalls geht aus den Untersuehungen trotz nicht ganz einheitliehen Ergebnissen hervor, da$ wenigstens, was die Bilder, I t e i l b r o n n e r s Serien und meine Figuren anlangt, die Schizophrenen keineswegs hinter den Gesunden zuriickstehen, was auch H e i l b r o n n e r * ) sogar bei schon recht defekten Hebephrenen beob- achtete. Anders bei der E b b i n g h a u s s c h e n Methode. Hier ergibt sich die interessante, aber aus dem Charakter der Psyehose ohne wei- teres verstandliehe Tatsaehe, da$ die durchschnittlich falschen Er- g~nzungen ganz erheblich, namlich auf 2,8 (Ges. 0,5; Depr. 0,7) ange- waehsen sind. Auch W e c k a) land 39% ,,Defekte" gegen z. B. 10% bei seniler Demenz. Die Auslassungen sind ebenfalls vermehrt: 2,1 (Ges. 1,3; Depr. 1,5) und die Lesedauer: 5,4' (Ges. 3,9'; Depr. 4,96') ist ver- liingert.

Aber aueh hier bieten wieder die qualitativen Resultate viel mehr, und wir werden sehen, dal~ namentlich die Kombinationsfiguren ge- eignet sind, die ganze Zerfahrenheit, Geschraubtheit, ,,Disjektion" der Schizophrenen zu zeigen. HKufig werden wir aueh der Neigung, das Geschaute zu individualisieren oder egozentrisch zu deuten, be- gegnen, auch das Entlegene der Einfis (vgl. H e n n e b e r g 4 ) und ein leeres Ins-Blaue-Hineinreden (vgl. H e il b r o n n e r 5) wird uns gelegentlich auffallen. Was ieh im Gegensatz zu den Erfahrungen anderer nicht beobaehten konnte, war widerstrebender Negativismus: Die Kranken zeigten sieh mit Ausnahme einer schon sehr defekten I-Iebephrenen durehweg entgegenkommend, und auch in dem einen Fall bekam ich mehr, als ich bei der auch sonst sehr negativistischen Kranken erwartet hatte. Sie suchte die Untersuchung allerdings immer wieder abzu- brechen, lief zur Tiir, dr~ngte hinaus, schob die Saehen weg mit Worten

1) Vgl. hierzu auch NeiBer, Diskussionsbemerkungen zu Henneberg: Zur Methodik der Intelligenzpriifung. Zeitschr. f. Psych. 64, 408.

2) a. a. O. S. 124. a) a. a. O. S. 63. 4) a. a. O. S. 406. ,5) a. a. O. S. 124.

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582 K. Schneider: 0ber einige klinisch-psychologische

wie: ,,Das ist net geschafft" -- ,,Das bringt kein Brot ins Haus" -- ,,Meinem Vater sein M~dle ist nie mit Zigeunern gangen", und gab ihre Antworten nur sehr mil~mutig.

1. B i lde r .

Schon bei den Bildern zeigten sich typische Reaktionen. So muter es echt hebephren an, wenn ein Kranker auf die Frage, was ,,die Ernte" darstelle, antwortete: ,,die Herrlichkeit". Eine andere Kranke sagte dazu: ,,mein Lebenslauf". Dieselbe fal~te auch die ,,l~indliehe Kiiehe" egozentrisch, indem sie meinte: ,,-- wieder eine Kiiehe -- weiBt du, warum ~. -- weft ich immer so gem in der Kfiehe gewesen bin." Eine andere zeigte dieselbe Neigung, indem sie zugleich individualisierte, was auch v. S c h u c k m a n n bei Hebephrenen beobachtete. Sie deutete beim ,,Markt" auf eines der Dienstm~dehen und sagte: ,,Die sieht grad aus wie meine Emma."

Noeh viel deutlieher zeigte sich dies all es bei

2. H e i l b r o n n e r s M e t h o d e .

Die eben zitierte Kranke, die ein stark manisch gef~rbtes Zustands- bild bet, gab folgende Benennungen, die alle eine egozentrische Auf- fassung oder ein Individualisieren und Spezialisieren des Geschauten zeigen.

I~mpe Nr. 1: ,,Die Manteltasch' von meinem Mantel". Nr. 2: ,,Taufstein - - Ofensehirm mit Storchen dran".

Kaffeemiihle Nr. 2: ,,Meiner Schw~gerin ihr Beil~korb". Nr. 3: ,,Sehublad - - Opferbiiehs - - oben sehmeiBt man's Geld rein, unten

kommen d' Wahrheiten 'raus". Wage Nr. 3: ,,Fleisehwag". Birne Nr. 1: ,,Ein Birnensehnitz - - die gleichen wie in unserem Garten".

Und eine andere, die zu Hause im Stupor hinter verriegelter Tiir gelegen hatte, so dab der Vater die Tiirfiillung eintreten mul~te, sagte zu

Kaffeemiihle Nr. 1" ,,Wenn man's da 'naus schlagt, dann ist ein Loeh drinnen, dann ist's wie bei uns daheim, we der Vater's 'neingeschlagen hat". Femer sagte dieselbe bei

Kinderwagen Nr. 2: ,,Eine Axt kSnnt's geben, mit der hgtt' ieh mein' Vater to~- gesehlagen".

Kaffeemiihle Nr. 3: ,,He - - das kSnnt unsere Kommod' geben". Lampe Nr. 1: ,,AmboB - - was braueh' ich ein' AmboB?!"

Sehr bezeichnend ist auoh folgende Ausdrucksweise eines ttebe- phrenen:

Maus Nr. 2: ,,Eine eindeutige Maus". MaiglSekehen Nr. 4: ,,Ein foines Naturding".

Nr. 5: ,,Ein voUkommenes Pflanzchen, ein fertiges Schneegl6ckehen". Ein anderer reagierte auf die griine Farbe der GieBkanne Nr. 2 mit: ,,Eine

Wiese; eine Abgrenzung".

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 583

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n .

Unter den zahlreichen versohrobenen und merkwfirdigen Figuren. die ich zu sehen bekam, erw~hne ich folgende:

Aus: ,,Milchkanne"

AIIS: ~,H&us ~

,,Pult"

Aus: ,,Kirohe"

,,Wand"

Aus: ,,Lampe ' ~ N

,,Glocke"

\

,,zum Aus- maohen l"

,,Giei~kanne"

4. E b b i n g h a u s s c h e M e t h o d e .

Als Beispiel, wie sich die hebephrenische Zerfahrenheit beim Lesen der E b b i n g h a u s s c h e n Texte ~ugern kann, gebe ich die , ,Eisenbahn" einer 20j~hrigen (der Anamnese nach sehr eitlen) Kranken:

,,Wenn man verreisen will, geht man auf den - - Zug. Zuerst kauft man sich am Tag ein(e) Kleid. Dann geht man auf - - den Bahnsteig. Der Zug f~hr~ schon bereit mit einer langen Balme yon Wagen; die --? (1],) __ zischt. I)er Schaffner ruft: ,,Halt " Rasch steigt man ein und --? ( 1 / 2 ' ) - - sich einen guten Weg, wo- m6glich ans Fenster. Die Tiiren werden gefffnet. Langsam beginnen die Riider sich zu drehen, der Zug h~lt ab. Die Zuriickbleibenden Leute mit den Tiichem."

(Zeit: 4 Minuten.) Es ist abet notwendig, zu diesen Proben zu bemerken, dall auch sehr

schwer Kranke mitunter keinerlei qualitative Besonderheiten in ihren Resultaten aufwiesen. So fand ich z. B. eine Kranke, die mitten in Zeiten schwerster Erregung in einer ruhigen Stunde die Aufgaben

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584 K. Schneider: Uber einige klinisch-psychologische

gl~nzend 15ste und auch sonst dabe i n ichts Besonderes bot , nur bei der , ,Kirche" , die n ich t gelang, mein te sie scherzend: , ,Die br ing ich abso lu t n ich t he raus : das is t der beste Beweis, da[~ ich n ichts v o n d e r Ki rche ha l te - - ich pfeif d r au f . " Sie deu te t e also ihr Versagen gewissermaflen im Sinn einer , ,Verdr~ngung".

Auch hier mSchte ich zum Schlul~ ein P ro toko l l abd rucken , das namen t l i ch die hebephrenische Zer fahrenhei t und Gesch raub the i t zeigt und au~e rdem sehr schOn, wie sich auch der I n h a l t der Psychose , wie sich ihre domin ie renden Vors te l lungsgebie te in solchen Unte r suchungs - r e su l t a t en widerspiegeln kSnnen:

Aus der K r a n k e n g e s e h i c h t e . J. E., 19 Jahre, Mechaniker. - - Normale Entwieklung; in der Schule ordent-

licher Sehiiler. Baute sehon mit 15 Jahren eine Dampfmaschine. In der Lehre sehr gut, in der Fabrik sehr strebsam, zeichnete nebenher zu Hause bis in die tiefe Nacht hinein Maschinen. Hielt sich ganz von Alkohol und M~dchen zuriiek. 6 Woehen vor der Aufnahme in die Klinik (19. Mai 1911) Abnahme des KSrper- gewiehts und Magenbeschwerden. Vor 8 Tagen ganz akuter Beginn: Kam nach Hause und sagte, das Gesch~ft sei geschlossen, was nicht stimmte, sprach ganz verkehrt, trug seine Sachen umher, packte und wollte fort, ~ugerte Angst, man wolle ihn holen, man raBle schon mit dem Schliissel; war meist traurig, laehte aber manchmal dazwischen, war in steter triebartiger Unruhe, zog die Roll- l~den auf und nieder, war stSrrisch, sagte merkwiirdige Dinge: Man habe ihm seine Frau genommen u. a.

Hier in seinen vielfach unzusammenh~ngenden J~ul~erungen inhaltlich voll- kommen verworren; dabci allerlei phantastische Gedankeng~nge: Er sei im Luft- schiff hergekommen, er ,,spekuliere auf den deutsehen Kaiser", die ~rzte seien Offiziere; spricht viel Unzusammenh/~ngendes yon Uhren, Kompassen, Polen, Maschinen, fertigt auch eine technische Zeichnung an und ganz inkoh~rente Sehriftstiicke, ist dabei orientiert, bald ganz affektlos, bald leicht gehobener Stimmung, bald sehr depressiv.

(Weiterer Verlauf: Nach einigen Tagen vSllig geordnet, keine Sprachverwirrt- heir mehr, aber keine volle Krankheitseinsicht. Nach einigen weiteren Tagen: apathisch, indolent, sehr euphoriseh, vollkommen ruhig).

P r o t o k o l l vom 20. Mai 1911. Status: Entgegenkommend, zerfahren, affektlos.

1. Bi lder . 1. St~rdtische Kiiche: ,,Das ist eine Kiiche". 2. L~ndliche Kiiche: ,,Das ist eine Landkiiche". 3. Unterschied: - - 4. Ernte: ,,0konomie - - Garben binden - - landwirtschaftliche Arbeit". 5. Markt: ,,Ein Handel - - der Markt".

2. H e i l b r o n n e r s Methode . 1. Maus:

1. ein Viereck; 2. einen Drehpunkt; 3. ein Fisch; 4. eine Maus.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 5 8 5

2. Kinderwagen: 1. ein Sechseck; 2. ein Aehteek; 3. ein Kreis ; 4. ein Durchschni t t ; 5. eine Drehseheibe; 6. je tz t gibt 's zwei Weltkugeln; 7. einen Kinderwagen.

3. Kaffeemiihle: 1. eine Scheibe - - eine Tiire vielleicht - - ; 2. ein Tisch; 3. - - eine Sehublade - - eine Kasse; 4. eine Kaffeemiihle.

4. Wage: 1. Kegelspiel; 2. Dreiangel; 3. eine Wage.

5. Lampe: 1. ein Hafen; 2. ein Kreis; 3. ein Blumenstoek; 4. ein Blumenstoek - - eine Lampe.

6. GieBkanne: 1. eine Kiste ; 2. griin - - das ist die Landesfarb ' - - (wovon ?) - - yon den zwei Weltkugeln; 3. Tischplat t ; 4~ griines Tischpla t t ; 5. eine Tiire - - zu dem Sehreibtisch ; 6. je tzt ist 's grfin; 7. sehwarz ; 8. gri in; 9. ein Klappt isch;

10. ein griiner; 11. eine Sprenzkanne.

7. Birne: 1. eine Birne.

8. Maigl5ckchen: 1. ein Schl i t tschuh; 2. ein Stock; 3. das Laub kenn ieh ne t - - die Bliite zu dem Stock; 4. zwei - - ; 5. Maibliimle.

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n .

(Abkiirzungen s. S. 579.)

1. Scheibe: r. n. 4" , ,Kugel". 2. Fiseh: r. n. 3". 3. Siehel: ,,SehuhlSffel und Pfauenfeder" r. n, 511/5 " . 4. Beil: (n. 1' Ref. Bell) n. n. 1'. 5. Hammer : sofort , ,Hammer" r. n. 41/s ".

z. f. d. g. Neut. u. Psych. O, VIII. 39

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586 K. Schneider: ~ b e r einige klinisch-psychologische

6. Milchkanne: (n. 1' Ref. Milchkanne) n. n. 1'

, , t in 0 h r - - t i n neuer Kopf"

,,Nase" ~ ~ ,,Ohr"

,,ein Tr ich te r"

7. Haus: sofort: ,,eln Wohnhaus" n. n. 2 ' ,,Wegzeiger"

8. Lampe: n. 6/ ' ,,Lampe" r. n. 112/5 f/.

9. Kirehe: n, 1 / Ref. Kirche.

L I ,,ein neues Land -- eine neue KugeP'. n. 1'.

10. Schmetterl ing: (n. 1 / Ref. Schmetterling) n. n. 1'.

4. E b b i n g h a u s s c h e M e t h o d e .

(Zeichenerkl&rung s. S. 580.)

B.

Wenn man verreisen will, geht man auf den KompalL Zuerst kauf t man sich am ersten eine neue Uhr. Dann geht man auf den Bahnsteig. Der Zug h a t Verspi~tung - - schon bereit mi t einer langen - - Reihe yon Wagen; die Uhr zer- sp~tet zischt. Der Schaffner ruff , ,halt!". Rasch steigt man ein und die Loko- motive, der D~mpfer ist, sich ein gut Eisenbahn, womSglich - - - - ? {1/,) __ Fenster, eine schwarze. Die Tiircn werden auf- und zugemacht. Langsam beginnen der KompaB sich zu drehcn, der Zug - - - - geht ab. Die Zuriickbleibenden - - - - ? Q/z'} mi t den Tiichern. Die wissen nicht, wo hinaus - - die wickeln sich ein - - - - der KompaI~.

(Zeit: 6'.)

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 587

A. Die Heuernte ist im Sommer start, wenn das Korn hoch auf den Feldern

steht. Es wird mit der Ernte abgegeben, durchgeschiittelt und ausgebreitet, damit cs in der Biihne diirre wird. Am Abend wird - - er meist in die Scheune gelegt. Wenn das Gras griin ist, f~hrt man mit den M~hmaschinen hinaus und holt es in die - - Scheune. Sps ws das Gras zwar noch einmal, wird dann nieht mehr so - - griin, wie das erstemal. Man nennt dieses zweite Gras, ,,das Herbstgras" - - - - (liest welter; entsprechend dem Vordruck des Schemas):

Zeit: im Herbst. Bern.: im Friihjahr. - - - - (Zeit: 21/2'.)

5. P a r a n o i s c h e E r k r a n k u n g e n .

Auch zwei chronisch paranoide Kranke untersuchte ich. Den schon oben erw~hnten Kunstmaler und Zeichner (echte Paranoia im K r a e pe- l inschen Sinn) und eine Kranke mit ,,prs Beeintr~chtigungs- wahn". Beide ergaben weder quantitative noch qualitative Besonder- heiten, wie zu erwarten war. Die Kranke deutete jedoch nachher die vorgelegten Bilder bedeutungsvoll als ,,lauter Dinge, die mir fehlen" und das ,,Bell" als eine Drohung. Sic liel~ sich erst nach einiger Zeit beruhigen.

6. H e m m u n g s z u s t s

Von 7 schweren Hemmungszusts die ich teilweise ganz, teil- weise nur unvollstiindig untersuchen konnte, war einer nach einer schweren Infektion aufgetreten, bei den andern ist die Diagnose noeh fraglich. Ich verzichte deshalb auf ihre eingehende Bespreehung und mOchte nur erw~hnen, dal~ auch hier die Resultate der 3 optisehen Methoden oft erstaunlieh gute waren, ws die mit der E b b i n g - ha u ssehen Methode gewonnenen Resultate stets sehr schlecht waren.

Ein schwer gehemmtes junges M~idchen, das zur Zeit der Untersuchung als Katatonie aufgefagt wurde, sich aber dann sp~ter als zirkul~r geisteskrank herausstellte, 15ste die schwereren Figuren so: Milchkanne: nach 40" ohne Nennung des Gegenstandes richtig. Bell: nach 57" r. (ohne Ncnnung des Gegenstandes). Haus: nach 25" r. (ohne Nennung des Gegenstandes). Lampe: nach 30" r. (ohnc Nennung des Gegenstandes). Kirehe: naeh 15" r. (ohne Nennung des Gegenstandes). Schmctter]ing: nach 1' ,,Maienks (dann Ref.: Schmetterling) naeh 30" r.,

nur untere Fliigel vertauscht.

Vielleieht hat sieh die Kranke als Kindergs ab und zu mit ~ihnlichen Spielen beschs jedenfalls sind das ganz erstaunliche, den gesunden Durehsehnitt weir iiberragende Resultate.

7. P a r a l y s e .

lch hatte Gelegenheit, 7 Fs von progressiver Paralyse zu unter- suchen, und zwar:

1 expansive Form mit Gr61~enideen (m.),

39*

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588 K. Schneider: 0ber einige klinisch-psychologische

1 leer-euphorische Form (m.), 1 Fail im neurasthenisehen Stadium (m.), 1 Fall in der Zeit sehwerer Anf~lle (w.), 1 einfaeh demente Form (w.), 1 Tabesparalyse bei einer Imbezillen (w.), 1 juvenile Paralyse (w.).

In allen F$11en, abgesehen von dem letzten, war die Krankheit in noch nicht sehr fortgesehrittenem Stadium. Bei meiner Zusammon- stellung verwandte ich die juvenile Form nieht, sondern rechnete ledig- lieh mit den 6 andern.

Eine deutliohe Versehleehterung der Resultate zegte sich sehon bei der Frage naeh dem Untersehied der beiden Kiiehen: 5 unter 6 Kranken {83,3%) konnten den UnteIsehied nieht angeben (gegeniiber 4% der Gesunden). Aueh bei den He i lb ronne r schen Serien stehen die Para- lytiker hinter den Gesunden zuriiek, jedoch nieht sehr erheblieh. Die- selben Beobaehtungen maehte R e i l b r o n n e r t ) , dessen Paralytiker auffallend gut arbeiteten, und v. S c h u e k m a n n2), der land, dab bei der Paralyse ,,die optisehe VerblOdung" nicht ,,parallel der Allgemein- verblSdung" ging.

Die Kombinationsfiguren wurden fast durehweg erheblich sehleehter gelSst, doch hoben die guten Resultate der expansiven Form die Pro- zente bedeutend. Charakteristisch ist, daB unter den 6 Kranken drei das ,,Haus" richtig, aber ohne Verst~ndnis zusammensetzten, denn gerade bei dieser Figur sind die einzelnen Teile an sich nichtssagend, so dab sich die Aufgabe nicht rein assoziativ 15sen l~Bt. Die 3 andern braehten beim ,,Haus" iiberhaupt niehts zustande. Aueh der ,,Fisch" wurde yon einem Kranken ohne Verst~ndnis richtig gelegt.

Bei E b b i n g h a u s land ich sehr verl~ngerte durehsehnittliehe Lesedauer (6,54' gegen 3,8' bei Gesunden). Die Auslassungen (Par. 6, Ges. 1,3) iibertrafen die falschen Erg~nzungen (Par. 2,3, Ges. 0,5), eiue Erfahrung, die W e e k a) iibrigens nicht machte.

Wit sehen bei den Paralytikern also schon quantitativ eine erheb- liche Versehlechterung der Resultate.

Qualitativ war bei den Bildern eine Neigung, Einzelheiten aufzu- z~hlen, zu beobachten: Die Kranken schwatzten meist gedankenlos heraus, was sie eben sahen. Bei H e i l b r o n n e r fiel dasselbe auf: Die Benennungen verrieten eine sehr geringe Phantasie und ein ganz ober- fl~ehliches Assoziieren. Auch kehrten in der einzelnen Serie immer dieselben Worte wieder, was eine gewisse Denktr~gheit verriet.

1) a. a. O. S. 124. 2) a. a. O. S. 341. a) a. a. O. S. 63.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 589

So Maus:

Nr. Nr.

Lampe: Nr. Nr. Nr.

sagte eine Kranke (die einfach demente Form) zu

1.: ,,'s sind 2 Strich"; 2.: ,,2 Strich und etwas Rundes und ein Punkt drinn und nochmal 2 Punkt'"

1.: ,,ein ungleiches Viereck"; 2. : ,,rund und ein ungleiches Viereck"; 3.: ,,wieder rund und ein Viereck und oben ein Viereck";

Nr. 4. : ,,oben eine Rundung" ; Nr. 5. : ,,'s gleiche" ; Nr. 6.: ,,Lampe". Oder ein anderer zu

Kaffeemiihle: Nr. 1.: ,,Kasten, Kommod?" Nr. 2.: ,,Kommod"; Nr. 3.: ,,Kasten"; Nr. 4. : ,,Kaffeemiihle".

Die Beispiele lieBen sich noch um zahlreiche andere vermehren, denn solche Antworten fanden sich, abgesehen yon der expansiven Form, bei jedem Kranken massenweise. Die geringe Assoziationsauswahl ver- ursachte immer wieder einfach beschreibende oder das tats~chlich Ge- schaute wiedergebende Antworten und immer wieder die Antwort: ,,'s gleiche". -- W~hrend wir also bei den Schizophrenen eine Absonder- ]ichkeit und Verschrobenheit der Assoziationen sahen, bemerken wit hier eine Armut an AssoziationsmSglichkeiten; und deren l~eichtum ist ja ein wesentlicher Bestandteil der Intelligenz.

Ganz dem entsprechend finden wir auch bei den Figuren, wenn iiber- haupt etwas zusammengelegt wurde, v611ig ~rmliche, direkt kindische Formen:

,,Kirche"

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oder meist absoluten Unsinn, so folgende Figur aus den Fragmenten der ,,Kirche":

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590 K. Schneider: Uber einige klinisch-psychologische

Die K r a n k e n 5ber leg ten sich nichts , schoben die St i icke eben so ane inander und vcaren ba ld zufrieden. Auch zu fehlerhaf ten, aber doch

p r o d u k t i v e n LSsungen waren sie n ieh t mehr ims tande . Auch bei der E b b i n g h a u s sehen Methode dasse lbe : die LOsungen

waren uni iber legt , gedankenlos , sch lappig ; die K r a n k e n k i imme r t e n sieh wenig u m das, was das tand . Typiseh is t folgende LSsung der e infach demen ten F o r m :

,,Die Heuernte war schSn im Sommer stand, wenn das Wetter hoch auf den Wiesen steht. Es wird mit der S/ige (ab)gemhht, durchgeschiittelt und ausge- breitet, damit es in der DSrre diirr geworden ist. Am Abend wird - - es meist in - - ttaufen gelegt. Wenn das Gras - - diirr ist, fs man mit dem Wagen und Pferden und Leiter hinaus und holt es in die Seheuer ein. Sps ws das Gras zwar noeh einmal, wird 0hind - - - - n i c h t mehr so - - - - ? (1/2') - - w i e das erstc- real. Man nennt dieses zweite Gras 0hind."

Zeit: 4'.

Zum Schlul~ br inge ich das Pro tokol l der expans iven F o r m , das uns das Bi ld des K r a n k e n mi t seinem gehobenen Selbs tbewu$tse in , seiner euphor ischen S t immung , seinen l~ppisehen Scherzen und daneben seinen wissenschaf t l ichen Gr6$enideen sehr lebhaf t vor Augen stell t . Die Diagnose ws allein aus d iesem Pro toko l l zu stellen. Zugleich zeigt es fas t in jeder Zeile der An twor t en auf die H e i l b r o n n e r s c h e n Bilder, wie geradezu mal3gebend hierbei der Beruf und das Milieu eines P a t i e n t e n

sein kann , wie recht daher Rei l~ h a t t e , wenn er auf diesen P u n k t grol~en W e r t legte.

Aus der K r a n k e n g e s c h i c h t e .

B. T., 38 3ahr, Apotheker, in guten Verhs aufgewachsen. Sehr un- artiges Kind, schleeht gelernt, machte das Einj~hrigenexamen 2 Jahre zu sp~t. Dann Apothekerlehrling in versehiedenen Stellen; bekam iiberall Differenzen. Vom 16. Lebensjahr an sehr aussehweifendes Leben. Schwere Rauschzusts immer neue Schulden, viele Weibergeschichten, versp~tetes Examen. Von Lues niehts bekannt, dagegen ehronische GonorrhSe. Immer sehr lebhaft, witzig, voll yon P1/inen und Einfs Nach der Verheiratung vor 11 Jahren fleifiger; Leiter eines Drogen-en-gros-Gesehs Immer fahrig und unpraktisch; so viele ge- sch~ftliche Verluste. Ehe in der letzten Zeit nicht gliickhch; soll die Frau oft mil~handelt haben. Vor einem Jahr hs Fieber aus unbekannten Ursachen. Ende Dezember 1910 Tobsuehtsanfall; zerstSrte und zerschlug, was er bekommen konnte. Machte dann Reisen, schlol~ g ro~ und unsinnige Eink/i.ufe ab, ~uSerte in gehobener Stimmung zahlreiche GrSSenideen, renommierte mit Tausenden, mit transatlantischen Erwerbungen, mit Erfindungen und Entdeckungen.

Am 22. Dezember 1910 in die Klinik aufgenommen. Hier anfs au~r - ordentlieh sehwierig. Verlust jedes Sehamgefiihls. Unfls Schimpfen, sehr sehwere Angriffe auf Pfleger und s abenteuerliehe Prahlereien und GrS~en- ideen, die sich meist mit allerlei chemischen Erfindungen besch~ftigt.en. Mit der Zeit etwas ruhiger. - - KSrperlich: differente Pupillen, linke Pupille lichtstarr, die rechte reagierte wenig. Wassermann positiv.

UbergefShrt in die Landesirrenanstalt W.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 591

P r o t o k o l l v o m 8. A p r i l 1911.

1. B i l de r .

1. St~kltische Kiiche: ,,Eine Kiiche". 2. I~indliehe Kiiche: ,,Eine Kiiche und ein Ausgang zu einem Biigelzimmer". 3. Untersehied: ,,Alles anders - - - - - - Bauemkiiche und Stadtkiiehe". 4. Ernte: , ,Emte" . 5. ~vlarkt: ,,Kleine Messe".

2. H e i l b r o n n e r s M e t h o d e . 1. Maus:

1. Bucht bei Kiel, aueh Nase; 2 . - -

3. ein Biber - - eine Maus - - eine MiBgeburt.

2. Kinderwagen:

1. eine chemisehe Formel 1, 2, 3, 4, - - ein 16-Runder; 2. es ist noch nieht gleichsehenklig - - eine Ellipse; 3. eine halbe Ellipse, abgeselmitten, geteilt, mit einem Reehtwinkel; 4. ein Segment - - ein Kahn - - ein Segelsehiff! 5. die Kombination yon dem, was wir gehabt haben; 6. Kinderw~gelehen.

3. Kaffeemiihle: 1. ein K ~ t c h e n ; 2. ein Konsol zu einem Erker, zu einer Figur, zu einer Nippessache; 3. ein Kassettehen, Schmuckk~stchen; 4. eine Urne, ein versehlossenes Kochk~stehen; 5. ein Pulverisierungsapparat. Kann aueh - - - - ; 6. Pulverisiermaschine in der Form der Mutterkornmiihle, der Kaffeemiihle.

4. Wage:

1. ein Sehellenhalter, zu einem Lorgnett. Als Anh~ngsel zu einem Kollier; 2. eine Wage - - wo man (zeigt auf den Ring) den Finger nieht durehkriegt.

5. Lampe:

1. kleiner Topf oder Ubertopf zu BlumengewEchstopf. Kommt aueh in der Krystallographie vor, dieser abgeschliffene Hexaeder, ein - - (langer chemischer Name);

2. Seifenblase, Ball; 3. elektrischer Klingelknopf; 4. eine Retorte. Kochapparat auf Dampfapparat; 6. ein Sockel mit Konprimier; 6. jetzt ist 'ne Lampe. Auch was Komprimiertes: das Petroleum.

6. GieBkanne : 1. Zylinderhut - - nach einer lustigen Leistung; 2. Die Farbe ist die yon Brunnenkresse. Sonnenwirbelessalat; 3. Sockel yon Grabstein. Obelisk; 4 . - -

5. eine Windfahne; 6. - - Ofen? 7 , - -

8. Der Bliek ins Freie, ins Griine; 9. GieBkEnnehen.

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592 K. Schneider: Uber einige klinisch-psychologische

7. Bi lTle �9

1. Ohristbaumsehmuek; Gla~birne; Schnapsflasohe ; 2. eine Bime mit 1, 2, 3, 4 Butzen; 3. Stiel; 4. ein gequetsehter Pfirsieh - - aber der Butzen! - - - -

Birne gesehen. 8. Maigl~ekchen:

1. eine abgestutzte StrauBenfeder. Nerven yon zergliedertem Grashalm; 2. Da~ k~nnte bald zur Spargel gehn; 3. eine Liliaeee, we aueh die Tulpen hingehSren; 4. Asphedium ~) perintuse ? - - Gelbe Bliiten; 5. Zwiebelgew~ehs, MaiglSekehen. BlOtter sind schleeht.

so hab ieh noch keine

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n .

(Abkiirzungen s. S. 579.)

1. Seheibe: Legt anfangs die beiden Geraden zueinander senkrecht - - ,,eine halbe Ellipse und ein Halbkreis im reehten Winkel zu einander stehend", r .n . 25".

2. Yiseh: r. n. 31/~ ' ' . 3. Sicheh r. n. 61/~ ''. 4. Beil: schliel3t die Augen, tauscht; n. 1' selber ,,Beil"; n. n. 1'. 5. Hammer: n. 47" r. 6. Milchkanne: ,,Haeken an die Wand" (n. 1' Ref. Milchkanne), r. n. 2". 7. Haus: r. n. 47"; versteht nieht, weft schief. 8. I~mpe: n. 15"; selber ,,Lampe". r. n. 34". 9. Kirche: r. n. 21": ,,Kirehleiu bei Andermatt". 10. Schmetterling: (n. 1' Ref. Schmetterling) r. n. 1'.

4. E b b i n g h a u s s c h e Methode .

B. Inhaltlieh otme Besonderheiten. Nur: ,,Der Sehaffner ruff: ,,H611a, he, ein-

steigent - - 's Ziigle f~hrt 'naus". - - ,,Sueht" fehlt. Zeit: 2'.

A. Inhal~lich ganz ohne Besonderheiten. Keine Liieken. Zeit~: 2'.

8. D e m e n t i a s e n i l i s .

Einige senile K r a n k h e i t s f o r m e n werden uns nur kurz aufha l ten . I c h babe 2 F~lle von seniler Demenz und eine ha l luz ina tor i sehe Psyehose auf G r u n d endot i seher Gergusche bei beg innendem Senium un te r such t .

D i e eine der senil Dementen , eine vo l lkommen s tumpf gewordene F rau , bei der nu r die B i lde rme thode und die t t e i l b r o n n e r s e h e n

Serien mSglich waren, zeigte das S y m p t o m der Persevera t ion , des Haf tenble ibens , des Klebens sehr sch6n, das naeh K r a e p e l i n ~) da r in bes teht , , ,dab die K r a n k e n auf die verseh iedens ten E indr i i eke i m m e r

1) Vielleicht Erinnerung an den zu den Liliaeeeu gehSrenden Asphodelus ? 2) K r a e p e l i n , ~ber die Merkf~higkcit. Monatsschr. f. Psych. u. Neurol.

8, 25O.

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 593

die gleiche Bezeiehnung vorbr ingen, ohne jede Beziehung zu dem wirk l ichen I n h a l t der W a h r n e h m u n g " .

K affeemiihle: Nr. 1: - - ;

2: ,,das sind Kreuzle"; ,,das ist eine Mfihle"; ,,das ist eine Mtihle"; ,,das ist eine Miihle"; ,, Kaffeem~ihle ".

~r. Nr. 3: Nr. 4: Nr. 5: Nr. 6:

Wage: Nr. 1: Nr. 2: Nr. 3: Nr. 4:

Lampe: Nr. 1: Nr. 2" Nr. 3: Nr. 4: Nr. 5: Nr. 6: Nr. 7:

GieBkanne: Nr. 1: Nr. 2: Nr. 3: Nr. 4: Nr. 5: Nr. 6: Nr. 7: Nr. 8: Nr. 9:

,,das ist eine Miihle"; , ,auch" ; ,,Wag".

,,weiB ich net"; - - ; ,,Wag" ; - - ; ,,Wag" ; ,,Wag" ; ,,Wag" (Ref.: ,,Lampe").

,,weiB ich net"; ,,eine Lamp"; - - ;

- - ; ,,Becher" ; ,,auch" ; ,,aueh" (Ref. ,,nein!") ,,GieBkarme".

W i r sehen, wie die K r a n k e k o n s t a n t das e inmal gewonnene R e s u l t a t in die n/~chste Serie h ineint rs obsehon es do r t ganz unsinnig ist. Auch hier eine Leere, ein Mangel an Assoziat ionen, ve rbunden mi t Denkfau lhe i t und a l lgemeiner Indolenz .

Auch der andere senil Demente , bei dem ebenfal ls nur Bilder, H e i l - b r o n n e r s Methode und die e rs ten F iguren versueht werden konn t e n (die E b b i n g h a u s s c h e Methode war ihm n ieh t k la r zu maehen) , zeigte schleehte Resu l t a t e , aber ke in Kleben . Bezeichnend fiir den Al ten is t folgende L6sung der Bilder, bei denen er vor sieh hin sehmunze l te :

1. St'~l~isehe Kfiche: ,,a Miidle" (Ref.: ,,Kiiche"); 2. Lgndliche Kiiche: ,,auch ein Weibsbild" (Ref.: ,,Kiiche"); 3. Unterschied: - - ; 4. Ernte: ,,Fuhrwerk - - ROB" (Kef.: ,,das Ganze?") - - ,,ich weiB net, ich seh

baR, dab es ein Fuhr~erk is t"; 5. Markt: ,,auch Waren - - - - Weibsleut".

Diese le tz teren in teress ier ten ihn entschieden am meisten.

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594 K. Schneider: t~ber einige klinisch-psychologische

Die d r i t t e K r a n k e mi t der zen t ra len Schwerh0r igkei t bot , obschon sie n ich t demen t war, ganz auffa l lend schlechte Resu l t a te , die ich aber bei der sehr ~ngst l iehen F r a u auf psyehisch bedingte Momente zuri ick- f i ihren m6chte. - -

9. K o r s a k o w s c h e P s y c h o s e .

W e n d e n wir uns nun zum SchluB noch zu einigen F i l l e n von a lkoho- fischer K o r s a k o w s c h e r Psyehose. I ch habe 3 FElle un te r sueh t und zwar alle mehrmals , u m auch die Merk f ih igke i t zu pri ifen.

I c h beginne mi t der Besprechung dos Fal les B., da ich bei ihm a m

planm~Bigsten und kor rek tes t en vorging. I ch habe ihn eine ganze Woehe lang jeden Tag un te r such t und zwar immer zwischen 2 und 3 Uhr n a e h m i t t a g s und i m m e r im gleiehen Zimmer . Dann liel~ ieh eine Pause e in t re ten und wiederhol te genau einen Monat nach der 6. Un te r suchung diese noeh einmal, u m zu sehen, wieviel der K r a n k e in der dazwisehen l iegenden Zeit von seinen Kenn tn i s sen ver loren ha t te . I n der Zwischen- zeit sah ich den P a t i e n t e n k a u m einm~l, sprach jedenfal ls nie m i t ihm.

I ch bringe zuers t einige kl inisehe Not izen und wende reich d a n n zu den Unte rsuchungsresu l t a ten .

Aus der K r a n k h e i t s g e s c h i e h t e B. J. B., 48 Jahre, friiher •etzger, jetzt Wirt. - - Ein Bruder ist an Alkoholis-

mus zugrunde gegangen. - - Hat mittelgut gelernt; nach der Schule Metzgerhand- werk, kam an versehiedenen Orten herum, Milit~rzeit in Ulm, nachher Heirat und eigne Metzgerei ; da das Gesch~ft nicht ging, wurde er Wirt. - - Starker Alkohol- genuB, viel Wein und Kognak, letzteren bis zu einer Flasche im Tag. AI~ seit eincm Jahr nur noek sehr wenig, trank immer mehr. - - Etwa 8 Wochen vor dem Ein- tr i t t in die Klinik Delirium tremens: war vollkommen verwirrt, tat ba]d, als sei er Soldat, bald bediente er Giste, ging aus dem Bett, z~hlte Geld, schnitt Fleisch und Wurst auf, machte Witze, war iiberhaupt immer guter Stimmung, sah M~s springen, war sehr unrnhig. - - Nach 8 Tagen wurde er wieder klarer und ruhiger, zeigte aber eine sehr starke Merkfg, higkeitsstSrung, vergal~ oft, da~ er schon ge- gessen hatte, konnte sich den Namen des Arztes nicht merken, konnte sich nur noeh auf die Zeit bis zu seinen Dienstjahren besinnen. - - Der Gang war sch]echt; starke Schmerzen im Knie. - - Kam dann am 17. Mai 1911 in die Klinik.

Erinnert sieh an die Einzelheiten seines friiheren Lebens (bis etwa 1890) ganz gut, hat aber von den folgenden Jahren nut eine sehr liickenhafte und ver- schwommene Erinnerung, konfabuliert viel, ist nicht orientiert, hat ein gewisses Krankheitsgefiihl, kann sich gar niehts mehr merken, auch nicht die einfachsten Dinge. Liegt in den ersten Tagen meist ruhig und stumpf im Bett, steht nachts ab und zu auf, sucht seine Kleider, will hinaus. - - Dann Verschwindcn aller deli- ranten Erscheinungen: Patient ist aul~er Bett, ist heiter, liebenswiirdig und zu- ginglich, aber desorientiert tiber Ort, Zeit und Umgebung und ohne jedc Merk- f~higkeit.

KSrperlich: schlaffes Gesicht, belegte, zitternde Zunge, Pharyngitis, geringe Druekempfindliehkeit der Nervenpunkte, Tremor manuum, fibrill/s Zuckungen in verschiedenen Muskeln, erloschene Patellar- und Achillessehnenreflexe, spastisch- paretiseher Gang, positives Rombergsehes Ph~nomen. W a s s e r m a n n {2mal ausgefiihrt) negativ, geringe Dilatatio cordis.

Page 43: Über einige klinisch-psychologische Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. Zugleich ein Beitrag zur Psychopathologie der Korsakowschen Psychose

Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 595

Der Zustand des Kranken bei den Experimenten war immer derselbe: er war freundlich, humorvoll und anBerordentlich entgegenkommend. Er gab sich siehtlich Mfihe und suchte seinen Defekt zu verbergen. Eine gewisse Krankheits- einsieht war immer vorhanden. (~ber seine allgemeine Erinnerung an die sehon mit ibm vorgenommenen Untersnchungen schicke ich noch einige Bemerkungen den Protokollen voraus; die spezielle, die einzelnen Methoden betreffende Merk- f~higkeit ist in die Tabellen selbst aufgenommen: 2. Untersuchungstag: Er habe Ref. gesehen ,,bei dem Spiel da". Einzelheiten

weiB er nicht. Nur noch: ,,bei den Bildern". 3. Untersuchungstag: Kenne Ref. ,,,con gestern", man habe ,,B15ckle zusammen-

gestellt - - zu Blumen und VSgeln". 4. Untersuchungstag: Er habe ,,am Sonntag" (stimmt nicht) mit Ref. ,,Bilder-

r~tsel gelSst", man babe ,,so K~rtlein gehabt". 5. Untersuchungstag: Vor etwa 8 Tagen habe Ref. mit ihm ,,Bilder gemacht":

,,Fisch, Hi, user, Stein mit B15ckle" - - ,,Eisenbahn haben wir auch gehabt". - - Behi~lt den Namen yon Refi nicht fiber eine Minute.

6. Untersuchungstag: ,,Im Examen soll ich welter maclmn". Er sei schon ein- mal vorige Woche dagewesen, man habe ,,Bilder gemacht", auch eine Eisen- bahn.

7. Nach einem Monat: Er kenne Ref. ,,yore Sehen". Er habe einmal mit ihm ,,Farbenr~tseI gemaeht" - - ,,Bilder mit Tierle und Pflanzen". Wir werden sehen, daB, obgleich der Kranke demnach eine allerdings ganz

ungenaue, versehwommene und summarische Erinnerung an die Tatsache friiherer Untersuchungen hatte, er sich doch den einzelnen Untersuchungen gegenfiber so gut wie niemals erinnerte, so etwas schon einmal gesehen, gelesen oder getan zu haben. Es ist fibrigens auBerordentlich schwer, hier Suggestivfragen ganz zu vermeiden. Der Korsakowkranke sucht ja seine Defekte mit Konfabulationen mSglichst zu verbergen, und so wird schon die einfache Frage: ,,Haben Sie das sehon einmal gesehen ?" ihn zur Annahme ver!eiten kSnnen, dai~ das der Fall war und ihn entsprechend antworten lassen.

( P r o t o k o l l e zum Fall B. siehe S. 596--600.)

Bevo r ich die im Fal}e B gewonnenen Resu l t a t e n~her bespreche,

wende, ich reich zu den audern beiden F~llen, da sie mi t dem ersten

so viel Gemeinsames haben, dab sie alle zusammen besprochen werden

miissen.

Zuerst Fall F. Ich habe den Kranken nur zweimal untersucht und zwar in Abst~nden yon mehreren Monaten. Zur allgemeinen Orientierung gebe ich zuerst wieder einen Auszug aus dem Krankenblatt.

Aus der K r a n k h e i t s g e s c h i c h t e F.

Ph. F., 51 Jahre, Handelsmann. - - Von dem frfiheren Leben ist nicht sehr vie] bekannt. Zog als H~ndler umher; diente 1881--84 in Metz und Landau. Seit fiber einem Jahrzehnt tIausierer in einem wiirttembergisehen St~dtehen, arbeitete aber wenig mehr. lieB die Frau ffir das GescbKft sorgen, trank in den Wirtschaften herum (besonders Sehnaps) und kam in seinen VerhKltnissen immer mehr herunter. Ein halbes Jahr vor Aufnahme des Patienten in die Klinik (auf- genommen 2. Dezember 1909) kam seine Frau wegen Unterleibskrebs ins Kranken- haus. In dieser Zeit verkaufte Pat. sein Mobiliar, .macbte dann einen Selbst- mordversuch und kam wegen typischen Delirium tremens ins gleiehe Kranken- haus, in dem die Frau lag. Nach Ablauf des Deliriums stellte sich eine gewisse

(Fortsetzung siehe S. 601).

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600 K. Schneider: Ober einige kiinisch-psychologische

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Ontersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 601

Apathie ein; der Kranke war vollkommen desorientiert fiber Zeit und Aufent- hal tsort , sagte, er mfisse zum Milit/~r einriieken, zeigte gegen Abend ab und zu leichte delirante Unruhe, lachte oft vor sich hin, war zufrieden und lebte s tumpf in den Tag hinein. Jede Erinnerung an die Ereignisse der letzten Zeit fehlte voll- kommen; so konnte der Kranke, dessen Frau im Krankenhaus s tarb und deren Leiche er sah, sich dies alles keine Stunde merken; er behaupte t auch noch heute auf die Frage naeh seiner Frau, sic sei zu Hause, und es gehe ihr gut.

Am 2. Dezember 1909 Aufnahme in die Klinik. Vollkommen desorientiert, konfabuliert unsinnig, vergiBt nach einer Minute, was man ihm sagte, glaubt sich beim Milit/ir, erzhhlt alle Einzelheiten aus seiner Soldatenzeit, sucht Miitze und Gewehr, sagt, er miisse je tzt zum Hauptmann , verke]mt den Arzt, lebt ganz in der Zeit, da er 24 Jahre al t war, ha t fiir sein iibriges Leben keine Spur yon Erinnerung mehr. KSrperlich: leichte linke Faeialisparese, Tremor manuum, undeutliehe Sprache, unsicherer Gang, Druekempfind]ichkeit der Wadenmuskeln.

Nach wenigen Wochen Verschwinden der deliranten Zust~nde und ~oer - gang in ein vollkommen station~ires Bild: lebt apathisch, de~orientiert und ohne jedes Interesse dahin, fiillt seine Erinnerungsliicken mit Konfabulat ionen aus, wird immer s tumpfer und indolenter, ist sehr suggestibel und lenksam. Die Sprache ist verwaschen und schwer verst/indlich. Er lernte mit der Zeit behalten, wo er ist, sonst aber nichts, auch lebt er immer noch im Jah r 1884. Ab und zu kurze Erregungen: man habe ihm seinen Geldbeutel gestohlen, er wolle jetzt fort aus der Kaserne u. ii. Seit 11/4 Jahren fast vSllig unverii, ndert .

Wir haben es also hier mit einem vollkommen s tumpf gewordenen, ver- blSdeten Kranken zu tun, einem glteren und ungleieh sehwerern Fall, als der letzte war. Der Status bei den experimentellen Untersuehungen war beidemal derselbe: der Kranke war freundlich und willig und zeigte sogar eine gewisse Freude an seinen Erfolgen.

Zu den Kombinationsfiguren ist zu bemerken, dal~ ieh bei der ersten Unter- suehung den Kranken die einzelnen Figuren, die er n icht herausbrachte, 2 - -3 real wiederholen licit, bis er sie richtig zusammenlegen konnte. GrSl~te Schwierig- keit machte ihm Ebbinghaus. Er vergaB die Aufgabe immer wieder und sagte oft ganz ers taunt bei den Liicken: ,,da fehlt was", oder, wenn er nach einem Wort gefragt wurde: ,,das s teh t ne t da". Bei der zweiten Untersuchung war genau dasselbe der Fall.

Ich sah den Kranken zwischen den beiden Untersuehungen hSchstens ganz fliichtig und sprach nie mit ihm. Er ha t te keinerlei Er innerung an die erste Unter- suehung, als ich die zweite mit ihm vornahm.

1. B i l d e r .

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28. M~trz 1911. ] 18. Juli 1911. I

Kiiche 1. I Das ist a Kiiche ] Kiiche Kiiche 2. wieder auch Unterschied I Bauernkiiche dal3 da mehr Sach ist Ernte ]Fe ld- die tun Korn hinden--Ernte/ das ist a Ernte Markt , Obst. Markt. Stand -- Wochenmarkt. Erinnerung : -- habc das nie gesehcn.

2. H e i l b r o n n e r s M e t h o d e .

1. Maus 1. ! -- I wcil~ net 2. J Hund? ~ Kopf -- yon H sen v ieUe ieht 3. Katz ist's net Hasen 4. Das Jst a Katzenkopf-- oder Maus ? -- i Maus

s sieht einer Maus gleich. Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. VIII. 40

Page 50: Über einige klinisch-psychologische Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. Zugleich ein Beitrag zur Psychopathologie der Korsakowschen Psychose

602 K. Schneider: 0ber einige klinisch-psychologische

2. H e i l b r o n n e r s Methode .

2. Kinderwagen

3. Kaffeomtihle

4. Wage

5. L a m p e

6. GieBkanne

7. Birne

8. Maigl6ck.

E r inne rung :

l . Scheibe

2. F i sch

3. Sichel

4. H a m m e r

5. Boil

6. Mi | chkanne

7. H a u s

8. L a m p e

9. Kirehe

10. Schmet te r l ing

E f iune rung :

1. 2. 3. 4.

1. 2. 3. 4.

1. 2.

1. 2. 3. 4. 5.

1. 2. 3. 4. 5.

a: 9.

1. 2. 3.

1. 2. 3. 4.

5.

28. M~rz 1911. 18. Jul i 1911.

weiB ich auch ne t v e r s t e h ' s ne t

ein K i n d e r w a g e n l

auch ne t Kis t le - - d rauf ein N$ihkissen

Schiergar eine Kaffeemi ih l

Schuhl6ffel odor was D a s g ib t a W a g

keine Ahnung

Lamp.

auch not

weiB ich noch ne t K$lstle

wei~ ich not Hi~fele - - Ha fen

' s i s t so : ' s wlrd a Ha fen GieBkanne I

Luftbal lon - - da w ~ r ' s dicke Toil oben

Bi rn l j e tz t is t ' s wieder anders

m a n m e i n t ' s w~r a As t auch wieder so

B la t t dabei aha, da k o m m t s j e t z t - - weiB net,

wie roans heiBt Vergil~meinnicht ?

n ich t denken weiB n e t

Sehi rm - - odor K i n d e r w a g e n

Ze i tungsha l t e r KAstle KAstle

Kaf feemi ih l

8chuhzieher W a g

L a m p

K~lstle wieder so wei• n e t

weil~ noch ne t wie Kaffeehafen

Hafen neln N a c h tha f e n

Hafen Giei]kanne

wie Birn

weil~ n e t weiB n e t

wiichst im Garten, bl i iht wei~ kenn den N a m e n net

MaiglSckle H a b e nie so was gesehen.

3. K o m b i n a t i o n s f i g u r e n .

r. n. 7 " , ,Boden"

r. n. 91/(" , ,Fisch"

r. n. 13" ,,'s i s t doeh merkwi i rd ig"

anfangs messer~ihnl. F igur ; r. n. 5 "

n. l O " selber ,,Boil", alle Var ia t ionen n. n. 2 '

n. 6'" , ,Kaffeotass", r. n. 26", abe r an t en schmal

(n. 1' Ref . : Haas ) n. n. 1'

(n. 1' Ref . : Lampe) r. n. 71/5 ' '

(n. 1" Ref . : Kirehe) r. n. 1', a b e r D a c h als Chor.

(n. 1" l~ef.: Schmet ter l ing) n. n. 1", doch symm. Figur .

r. n. 22]~ ' ' , ,Bodon"

r. n. 5 " , ,Fisch"

r. n. 74h "'

an fangs messer~ihnl. F igu r ; r. n. 12'"

selber ,,Boil", dann alle Var ia t ionon r. n. 1" 49"'

sofor t selber , ,Kaffeekanne", r. n. 91/6 "

(a. 1' Ref . : Haus) r. n. 34t/~ ""

sofor t , ,Lamp", r. n. 401/~"

(n. 1' Ref . : Kirehe) n. n. 1"

selber , ,Flligel" (n. 1" Ref . : 8chmet - terl ing) n. n. 1' , ,woher soll m a n da~

w[sson ?"

H a b e n iemals so e twas gemach t .

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Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse.

4. E b b i n g h a u s s c h e Methode .

603

A 28. M~irz 1911 18. Juli 1911 B 28. M~rz 1911 18. ;lull 1911 r i c h t i g : richtig:

flndet

Gras

Wiesen

Sense

geschnitten

Sonne

wird

es

Haufen

trocken

Wagen

Seheune

noch

aber

hoeh

0hind

Zeit:

Erinnerung:

flndet

Gras

Boden

Sense

geschnitten

_ _ ? [~I,') - _

w i r d

- - e s

-- -- ? ( 1 I " ) -- --

- - -- dlirr

Wagen

Scheuern - -- ? ( ' / , ' ) -- --

_ _ ? (,/~') - - _

- - - - g r o 8

Ohmd

5'

- - Gras

Wiesen

Sense

gem~lht

Wiese

wird

ausgeholt, d. Gras

_ _ ? ( ~ / , ' ) - - _

- - dtirr

Wagen

Scheuem

noeh

aber

groO

Ohmd

3~I~"

habe das noch *lie gelesen.

Bahnhof Bahnhof

Sehalter Platz

Fahrkarte Uhr

steht I-- - - ? (ll~,) _ _ i

Reihe -- - - ? (*/,')

Lokomotive _ _ ? (1 /~ , )__

einsteigen - - e i n s t e i g e n

sucht !-- - - ? (1I~') __ - -

Platz Platz

am aln

gesehlossen ~ zugemaeht

R~der - - - - R~der

fahl~ __ __ ? ( 1 ] , ) _ _ _ _

winken - - winken

Zeit: 6~1,"

Bahnhof

Laden

Zigarre

steht

Reihe

- - Lokomotive

einsteigen

sucht

Platz

am

geGffnet

(beginnt der) Zug

geht langsam

winken

2 5 / 4 "

Keine Erinnerung.

Den dritten Fall, den Fall K., untersuchte ich sechsmal und zwar in verschieden langen Abst~nden; der 6. Untersuchungstag liegt relativ ]ange, ns 2 Monate hinter dem fiinften.

Aus der K r a n k e n g e s c h i c h t e K . :

S . K . , 32 Jah re , B~ckersf rau . Va te r h a t t e e ine Weinwi r t scha f t . Mit 17 J a h r e n Ble iehsucht , gegen die cler Arz t W e i n verordne te . W u r d e Tr inker in . Mi t 20 J ~ h r e n vor i ibe rgehend in e iner Tr inke rhe i l ans ta l t . M/t 25 J a h r e n Ver- he i r a tung . I n de r E he s t a rke r AlkoholmiBbrauch , besonders Schnaps . iKit e t w a 27 J a h r e n beg innende Appe t i f los igke i t , Miidigkei t , A b m a g e r u n g . Dam* auoh Magenbeschwerden , K r e u z - u n d Gl iederschmerzen , so d a b d a u e m d e B e t t r u h e n o t w e n d i g wurde . 14 Tage vor d e m E i n t r i t t in die K l in ik e in , ,Zungenschl i ig le" . Sp rach u n d e u t l i c h u n d a b u n d zu a u c h verwirr t , s ag t e a m heUen Tage , E n g e l se ien i m Z immer , seh ien aucb s o n s t Dinge zu sehen, die n i c h t d a waren . S ta rke Schmerzen bei jeder Lageve r ' dade rung des KSrpers . Meis t t e i l nahmlos u n d f a s t unbeweg l i ch i m Ber t . Mi t 28 J a h r e n A u f n a h m e in die K l i n i k ; muBte de r Schmer - zen wegen in l iegender S te l lung i m Gep~ckwagen t r an spo r t i e r t werden (12. D e z e m . ber 1907).

Lag hier steif im Bett, schrie bei jedem Versuch. ihre Lage zu ver'~iadern, sprach undeutlich, verwaschen, war desorientiert, verkannte den Arzt, zeigte eine gewisse Euphorie und keinerlei Vers~ndnis fiir ihren Zustand. Dabei sehwere polyneuritische Erseheinungen: An allen Gliedern ]~ihmungsartige Sehw~ohe, S~reckcontractur der Beine, nach wenigen Tagen Entwicklung einer Beuge- contractur der Handgelenke durch Contractur des M. flexor carpi ulnaris, auoh

40*

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604 K. Schneider: Ober einige klinisch-psychologische

Beweglichkeitsbeschr~nkung im Schulter- und Ellbogengelenk; dagegen freie Be- weglichkeit der Finger. Enorme Hyperalgesie. Sprachst5rung yon bulb~rem Charakter. Starker Verlust der Merkf~bigkeit und zahlreiche Konfabulationen. M~I3ige Schulkenntnisse.

Nach etwa einem halben Jahr langsamer (%ergang in den noch heute be- stehenden Zustand: neurologisch keine erhebliehe Ver~nderung mehr, doch nahmen die Schmerzen langsam bedeutend ab und stellten sieh Atrophien der kleinen Handmuskeln ein. Die Sprache wurde wieder deutlicher und ist meist geziert hochdeutseh; die Pupillen reagieren prompt auf Licht; Blasen- und Mastdarm- funktion ist ungestSrt. Die Kranke liegt nun schon seit 3 Jahren fast regungslos, stumpfsinnig im Bett, hat keinerlei psychisches Krankheitsgeffihl, keinerlei Wfinsche oder Interessen, lebt leer in den Tag hinein, ist heiter und zufrieden, fiber Oft, Zeit und Umgebung v511ig im unklaren, sprieht yon selbst kaum, kon- fabuliert auf Fragen, ~ul~ert gelegentlich GrSBenideen: sie heii~e ,,yon" K., ihr Gro6vater sei ,,der Herr Kaiser yon Rutland" gewesen, sie sei die ,,Patin des deutschen Kaisers" usw. Dabei treten nicht selten eigenartige Wortneubildungen auf. Die Merkf~higkeit ffir die letzten 3--4 Jahre ist fast vollkommen erloschen; die Kranke kennt die 2~rzte nicht, wei{~ nicht, we sie gestern war, ~as sie eben erst gegessen hat, wie lange sie schon dais t , in welchem Hause sie ist usw.

Auffallend ist eine relativ stark~ Ansprechbarkeit des Geffihlslebens.. So- bald - - etwa bei einer klinischen VorsteUung - - des Wort ,,Alkohol" genannt wird, ger~it die Kranke in groi~e Aufregung, weint und jammert zornig und verz~ eifelt, um sich gegen die Beschuldigung der Trunksucht zu wehren. Auch in andern Dingen ist sie sehr empfindlieh: so ring sie einmal, als man ihre FfiBe untersuehen wollte, sofort laut zu wimmern an: sie habe so FuBschweiB, sie mfisse sich sch~men. Ein andermal begann sie w~hrend einer Exploration pl5tzlich zu weinen: sie habe so ein rotes Gesicht, des sehe nicht sch5n aus. Auch hat sich bei ihr das Sehamgeffihl in peinlichster Weise erhalten.

Der kSrperliche Allgemeinzustand ist ausgezeichnet, die Kranke sicht bliihend aus. Die experimentellen Untersuchungen der K. fanden teilweise im Kranken- seal statt. Die Versuehsanordnung war dieselbe wie sonst, doch mul~te bei den Kombinationsfiguren wegen des k6rperlichen Zustandes etwas yon der sonst angewandten Methode abgegangen werden: die Kranke konnte sich nicht auf- riehten und zudem waren wegen der Handgelenkeontracturen ihre Bewegungen sehr ungeschickt. So liel~ ich sie die leichteren, nur aus 2 Teilen bestehenden Figuren in der Luft zusammensetzen, w~hrend ich ihr fiir die andern eine Unter- lage schr~g auf die Brust setzen liei3, auf der sie clann baute. Auch so war das fiir sie immer noch keine leichte Arbeit. Die Frage nach der Erinnerung konnte bier nie befriedigend gelSst werden, da die Kranke nie darauf antwortete, sondern immer drum herumredete und sich sehr vorsichtig ausdriickte. Man rut wohl recht daran, diese Unsicherheit und dieses ausweichende Antworten als ein kon- fabulierendes Verdecken der Erinnerungslficken aufzufassen.

(P ro toko l le zum Fall K. siehe S. 606--612.)

Zu den Protokol len ist n ich t viel mehr zu sagen. - - Was schon bei

den ers tmaligen Un te r suchungen auff~llt, ist des: die Resul ta te wollen i~ keinem rechten Verh~ltnis zu der Schwere der Al lgemeinverblSdung stehen. Die Resul ta te s tehen ~llerdings durchweg weit un te r dem nor-

malen Durchschni t t , doch fSllt uns schon ganz zu Beginn auf, da~ alle 3 Korsakowkranke den Unterschied der beiden Ki ichen wohl anzugeben

wu[tten. Nur bei den schwerervn F iguren und bei den E b b i n g l l a u s -

Page 53: Über einige klinisch-psychologische Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. Zugleich ein Beitrag zur Psychopathologie der Korsakowschen Psychose

Untersuchungsmethoden und ihre Ergebnisse. 605

schen Texten zeigt sich ein bedeutender Defekt. Bei letzteren betrug die Lesedauer durchschnittlich 8,3 t, ausgelassen wurden durchschnitt- lich 6,3, falsch erginzt 1,7 Worte. Ich bringe zum Vergleich noch einmal die bei andern Kranken gewonnenen Resultate im Zusammen- hang. Ich kann mir bei dieser Gelegenheit nicht versagen, hervorzu- heben, wie charakteristisch diese Zahlen fiir die einzelnen Psychosen sind, und betone noch einmal, dal~ keine der andern yon mir angewandten Methoden auch nur annihernd so gleichmiBige und eindeutige quali- tative Resultate brachte wie gerade die E b b i n g h a u s s c h e Methode.

Gesunde Depress. Dementia Paralyse Korsakow praecox

Es wurden durchschnittlich Worte ausgelassen . . . 1~3 1,5 2,1 6 6,3

Durchschnittlich Worte falsch erg~nzt . . . . . 0,5 0~7 2,8 2,3 1,7

Durchschnittliche Lese- dauer . . . . . . . . 3,8' 4,96' 5,4' 6,54' 8~3'

Betrachtet man nun die Resultate der wiederholten Untersuchungen, so finder man so gut wie durchweg ganz bedeutende Besserungen der Leistungen, obschon sich die Kranken nicht erinnerten, die Aufagbe schon einmal gel6st zu haben, sondern h6chstens ganz verschwommene allgemeine Erinnerungen hatten. Mitunter t raten auch voriibergehend wieder kleine Verschlech~erungen und Stillst~nde ein, abet am h~ufigsten ist doch ein gleichm~l~iges, mit ]eder neuen Untersuchung zunehmendes Besserwerden der Resultate. Wir sehen das in allen drei Fallen und bei alien Methoden. Wir finden also auch auf optischem Gebiet, was B r o d- m a n n i) auf akustischem land und so ausdriickte: ,,Damit ist aber das Fortwirken latenter Dispositionen dagewesener Vorstellungen und Vor- steUungsgruppen, a u c h n a c h d e m d ie se l ~ n g s t au s d e m Bewul~t - s e in g e t r e t e n und, wie in Zust~nden akuter Amnesie bei der K o r - s akowschen Psychose, scheinbar gi~nzlich vernichtet sind, erwiesen."

Auch nach einer Pause von ein und zwei Monaten ist in den F~llen B. und K. noch keine Abnahme der einmal erreichten Leistungsf~higkeit eingetreten~und im Fall F., dessen beide Untersuchungen fast vier Monate auseinanderliegen, ist bei der zweiten Wiederholung eine bei den H e i l - b r o n n erschen Serien ganz geringe, bei den Kombinationsfiguren und den E b b i n g h a u s s c h e n Texten sehr betrichtliche Verbesserung der Leistungen zu verzeichnen. G r e g o r ~) land auch auf akustischem Gebiet, dai~ durch h~ufiges Wiederholen sehr lang haftende Erinnerungs-

l) Brodmann, Experimenteller und klinischer Beitrag zur Psychopatho- logie der polyneuritischen Psychose. Journ. f. Psychol. u. Neurol. 3, 29.

2) Gregor, Beitr~ge zur Kenntnis der GedgchtnisstSrung bei der Korsakow- schen Psychosc. Monatsscht. f. Psych. u. Neurol. ~l, 19.

(Fortsetzung siehe 8. 613.)

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606

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Ul~tersuchungsmethoden und ihre Ergebuisse. 609

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Untersuchungsmethoden und ihre Er~'ebnisse. 613

spuren zu erzielen sind; er machte seine Erfahrungen ebenfalls an ab- gelaufenen Fiillen.

Noch etwas fiillt schon bei fliichtigem Durehsehen der Tabellen auf: eine durehweg in allen 3 F/illen und bei allen 4 Methoden ailftretende Neigung, einmal gemachte Fehler hartn~ckig festzuhalten. So finder man bei den Kombinationsfiguren im Verlauf wiederholter Unter- suehungen h~ufig dieselben immer wiederkehrenden Fehlerreaktionen. Auch wenn die richtige LSsung gefunden wird, gehen sie dieser oft voraus und erscheinen so wenigstens fiir einen Augenblick. Es ist an- zunehmen, da$ es oft gar nieht mehr zur Ausfiihrung einer solchen Fehl- reaktion kommt, da$s ie aber doeh, wenn auch nur, um sofort verworfen zu werden, in das Bewul~tsein des Kranken tritt . Die Assoziationen seheinen immer dieselben Wege zu gehen und man hat den Eindruek, da$ die Obung im wesentliehen hier nut eine Beschleunigung dieses Ablaufs zur Folge hut; es ist als ob das g a d l~ur schneller gedreht, der Faden schneller ablaufen wiirde.

Aueh in diesen Punkten decken sich meine Resultate mit den yon B r o d m a n n 1) auf akustisehem Gebiet gewonnenen; denn auch er fund, ,,da$ eine einmal gemachte Fehlproduktion mit gr6$ter Hartn~ckigkeit perseverierte".

Die Art, die Qualit~t der L6sungen bietet in den beiden ersten Fi~llen niehts besonderes; dagegen ist der Full K. in diesem Punkt ~uBerst interessant. Bemerkenswert ist einmal die Umst~ndlichkeit und Weit- schweifigkeit. Andererseits f~llt sehr auf, wie scharf diese doch ganz schwer verbl6dete Frau beobachtet und auffaSt. Diese Tatsachen deeken sigh nicht mit dem, was K r a u $ 2 ) , G r e g o r - g S m e r a ) und Mor - s t a d t a) bei der polyneuritischen Psychose feststellen konnten, n~mlich eine bedeutende Erschwerung der Auffassung, dagegen gehen sie der Beobachtung B o n h 6 f f e r s 5) parallel, wenn er schreibt: ,,Der formale Denkvorgang weist im fibrigen oft kaum eine Sch~digung auf. Die K_ranken kombinieren, soweit es ihre Merkf~higkeit zuliiflt, riehtig, sie rechnen richtig, haben in rein inteltektuellen Dingen oft ein ganz zutreffendes gaisonnement ."

1) a . a . O . S . 11. 2) Kraul~, t~ber Auffassungs- und Merkversuche bei einem Fall von poly-

neuritischer Psychose. Kraep. Psych. Arbeit. 4, 521. 3) Gregor - g5 met, Zur Auffassung einfacher optischer Sinneseindriicke bei

alkoholischen StSrungen, insbesondere der Korsakowschen Psychose. Neurol. Centralbl. 25, 339. 1906.

a) Morstadt , Experimentelle Untersuchungen fiber Auffassung und Merk- fi~higkeit bei Kranken mit Korsakowschem Symptomenkomplex. Diss. Stutt- gart 1909.

5) B o nh 5 ffe r, Die akuten Geisteskrankheiten tier Gewohnheitstrinker. Jena 1901. S. 136.

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614 K. Schneider: Uber einige klinisch-psychologische

Die Antworten der Patientin K. verraten vielfach ein solches ,,ganz zutreffendes Raisonnement", verbunden mit einer sehaffen und kri- tischen Beobachtung. Ich erinnere nur an die zoologischen Er6rte- rungen bei der Maus: sie denk~ an ein Schwein, aber ,,'s hat nieht den Aushang, wie sie so lgngliche Zacken haben", aueh gef~llt ihr der, ,Wiseh" nicht, wobei sie auf den Bart zeigt. Dann bei der Kaffeemfihle: sie denkt an eine Geldschatulle, aber der ,,Aufsatz" pa•t ihr nicht. Jedoch sie legt ihn sich zurecht: ,,Vielleicht tun Sie in den Aufsatz kleines Geld, dann kann man's gleieh langen." -- Ein andermal will ihr das Schlo~ und der Schliissel zur Schatulle fehlen: ,,Das ist eine Seha- tull -- seins so gut, das Ding hat kein Sehlfissele" und wieder ein andermal erklgrt sie sich aueh das: ,,Da ist sieher ein versehwiegenes SchlSBle dran, ein VexiersehloB." Und dann kommt sie auf die Kaffee- miihle, aber es ,,fehlt der Henkel, we man herummahlt". -- Oder bei der Lampe: sie erkenn~ sie als Lampe, ,,aber ohne Zylinder". ~hnlich ist es bei der GieBkanne: ,,Da fehlt noch's Vordere, dann ist's eine Sprenzkanne." Aueh die Zwischenbemerkungen bei E b b i n g h a u s ' Text B verraten zum mindesten eine rege Phantasie.

Ganz merkwiirdig ist die Ausdrueksweise der Patientin; daffir finden sieh fast in jeder Zeile Beispiele, denn sie spricht immer in dieser eigen- artigen Spraehe. Vieles ist ganz unverst~ndiieh und oft muB man an- nehmen, dab es sich um Paraphasien, nicht um Wortneubfldungen handelt. So bei Maus 3: ,,ein stellartiger Gegenstand -- der hat naus- geflaigert -- das ist wie eine Flat ter" , oder einmal bei 5: ,,Das ist ein- faeh ein Lapteier -- ein stellartiges Instrument ohne Schwanz" oder bei Lampe 4: ,,so hab ich schon marmeladeartige Gegenstgnde gesehen", ein Wort, das aueh bei GieBkanne 10 als ,,Marmeladenkanne" wieder- kehrt. Oder einmal bei Maigl6ckchen 4 ,,laugenartig" siehtlich start ,,lauehartig", das ein andermal vorkommt. Die Trermung gegenfiber den Wortneubildungen und Wortverdrehungen ist oft unm6glieh. Eine Neigung zu umschreiben zeigt sich durchweg: ,,warenhausartige Arbeit" -- ,,wanderrattenm~Big" -- ,,k6pfartig" -- ,,schirmbar" -- ,,kaffeemfihlenartige Arbeit" -- ,,sehlfisselm~13ig" usw. Immer besteht eine Neigung, konkrete Substantive zu vermeiden, wie es auch v. S c h u e k- m a n n bei der K o r s a k o w s c h e n Psychose einmal beobaehtete. Oft finden wir Worte, die zwar verstgndlich, aber doeh ganz ungew6hnlich und ungel~ufig sind: ,,Bauerskiiche" -- ,,Sennereiarbeit" -- ,,Ver- kaufung" -- ,,Abgebung" -- ,,Gi~rtnereiabgabe" -- ,,Aufschweifung" -- ,,Geldversorgung" -- ,,Anfgngel" -- ,,eine Rogg" -- ,,Wie griiner Auflauf" -- ,,GuBauflaufkanne" -- ,,nobelartig" - - , , H a l m g r a s " - - ,,Doppelroggen" und viele andere. Das gr6Bte Wortungetiim lieferte sie iibrigens einmal bei Gelegenheit der Maus, doeh naeh Ablauf der Viertelsminute. Sie bezeichnete sie als ein ,,lackbar umherspringbares

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Untersuchungsmethoden und ihre Erg'ebnisse. 615

hinstehbares Rattenschwein" und kurz darauf als ein , ,Stuttgarter Tiroler springbares schwanzhabendes Jodlerkatzenrattenschwein".

Ich glaube, dab diese merkwiirdige, vielfach doch ganz wie Dementia praecox anmutende Ausdrucksweise berechtigt, auf den Fall K. als auf einen auch klinisch recht eigenartigen hinzuweisen. Wenn auch bei anderen alkoholischen Psychosen solche Dinge wenigstens vereinzelt und andeutungsweise schon beobachtet wurden ( C h o t z e n l ) , SchrSder2) , so scheinen sie mir bei einem Fall, der so unzweifelhaft zu der poly- neuritischen Psychose zu rechnen ist, doch neu und ungewShnlich zu sein.

Auch eine Vorliebe, die Gegenst~nde zu spezialisieren, traf ich h~ufig bei Fall K., so �9 ,,Die geben Gemiise ab, wie bei uns der G~rtner Riehle", dann die ,,schwedische Sparkass". Oder beim ,,Gasschliissel" (Wage 1): ,,Das ist einer aus Nickel." Ein andermal wird er bezeichnet als ,,Ma- sehinenschliissel an so hoff~rtige Masehin, wie sie der Kaufmann Ziegler verkauft". Oder die Wage, die sie beim ,,Meehaniker Schneider" sah im Vorbeigehen. Und so noeh an vielen Stellen.

Aueh in diesem Falle sah ieh, was man wohl immer wieder sehen kann, wenn man sieh eingehender mit seinen alten Anstal~insassen abgibt, dab ein vollkommen bl6d erseheinender Kranker doeh noeh weir gr6~ere l~este yon intellektuellem Leben beherbergt, als man vorher glaubte. Und gerade unsere Methoden der Intelligenzpriifung k6rmen oft noeh reeht befriedigende, ja normale Resultate liefern -- und dooh ist der Kranke sehwer defekt!

Wenn wir diese Gedankenreihen weiter denken, iiberkommen uns reeht skeptisehe Gefiihle. Jedenfalls gibt es intellektuelle Funktionen, deren Defekte wir zurzeit noeh nicht experimentell festlegen k6nnen. R e i c h 3) spraeh in der Diskussion zu H e n n e b e r g s Vortrag ,,zur Methodik der Intelligenzpriifung" die Vermutung aus, es handle sieh um die Anspreehbarkeit des Vorstellungslebens, um Initiative, Bildung des Werturteils, also urn die mit affektiven Vorg~ngen verkniipften intellektuellen Vorg~nge. Vielleieht, jedenfalls ist es da noeh dunkel.

Und so kommen wir am Schlusse der Untersuehungen wieder zu ihrem Anfang zuriiek: zu dem Eingest~ndnis, da[3 unsere Methoden die Aufgabe einer exakten Bestimmung seeliseher Ausfallserseheinungen nieht befriedigend 16sen k6nnen. DaB sie deshalb doeh ihren Wert haben, und dal~ ihre Anwendung sieh dermoch lohnt, hoffen die vor- liegenden Mitteilungen wenigstens andeutungsweise gezeigt zu haben. --

i) Chotzen, Uber atypische Alkoholpsyehosen. Archiv f. Psyohiatrie 41, 387 u. 388.

3) SchrSder, (~ber chronisehe Alkoholpsychosen. Sammlung zwangloser Ab- handlungen aus dem Gebiet der Nerven- u. Geisteskrankheiten 6, tilt. 2 u. 3, S. 60 u. 62.

a) a. a. O. S. 413.