Über ungewöhnlich ausgebreitete Xanthomatose ohne Hypercholesterinämie

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Siemens : Ungewshnl. ausgebreit. Xanthomatose ohne HypercholesterinXmie. ~3L felt man nunmehr etwa 5 proz. Kali- oder Natronlauge oder Ammoniak in das Wasser, so werden die Stellen sehwefel- bis apfelsinengelb. Das ist ein Farbensloiel , das kein mensehllches Gewebe darbietet. Insbesondere das leimgebende Bindegewebe und die Nerven nicht, was deswegen her- vorzuheben ist, weft man diese Gesehwiilste auf Wueherung einer der beiden Gewebssorten zuriiekftihren will. Das Farbenspiel ist aber eine in das Gebiet der Chemic des Belebten gehSrende Erseheinung. Da es dem Mensehengewebe fremd ist, so weist es um so mehr in das Gebiet der Botanik, als dutch Sehwefelsgure in gleieher Art angewendet gerade bei Pflanzenstoffen manehmM reehg eigenartige Farbungen hervorgerufen werden. Vortr. belegte das Gesagte vielfaeh dutch Projektion yon Prapa- raten oder naeh Priiloaraten naturgetreu ausgeftihrten Bildern. Der erste -- so sehloB Vortr. --, der den zuv6rderst nieht all; gemein geglaubten Naehweis gebraeht hat, dal3 Pflanzen -- I-Iyphomy- zeten -- beim Mensehen eine Krankheit -- den Favus -- erzeugen kSn- nen, wenn sie sieh auf ihm anzusiedeln Verm6gen, war der deutsche For- seher Seh6nlein. Die vom Vortr. besproehenen Ergebnisse m6gen dartun, dab die deutsche Forsehung mit S e h 6 nl ei n eine aussiehts- reiehe Bahn betreten hat. 52. Herr Siemens-Breslau: 0ber ungew~hnlich ausgebreitete Xantho- matose ohne Hypercholesteriniimie. M. H. ! Ieh mSehte lhnen die Moulagen und Photographien eines 21jahrigen Fabrikarbeiters demonstrieren, der seit 2 Jahren an einem Xanthoma tuberosum multiplex leidet. Die Anamnese ist ohne Besonderheiten, Am klinisehen Bilde ist vor allem bemerkens- wert, dab das Leiden eine ganz u ngew6h nli eb e A usbreit u ng zeigt : es ist nieht nut die I.iaut in grSgerer Ausdehnung erkrankt, sondern es sind aueh befallen die Mammillen, die Lippen, die Conjunetiven, der harte Gaumen, die Tonsillen, die hintere l~aehenwand und selbst der Larynx. Frei, oder fast frei, sind eigentlieh nat die Akren, n~tmlieh Nasenspitze; Ohrmuseheln, H~nde und Ftil3e. Besonders stark befallen sind aueh Hals und Gesieht; die wulstige xanthomatSse Infiltration yon Wangen, Stirn, Augenbrauen und Lidern maeht das Antlitz des Patienten geradezu zu einer Facies leontina. Histologiseh bietet der Fall keine Besonder- heiten; wit fanden iiberall reiehlieh Xanthomzellen und Xanthom- riesenzellen mit ihrem doppelbreehenden Inbalt. Am klinisehen Bride ist noeh auffallend, dag das Leiden unseres Patienten besonders am Beginn unserer Beobaehtung eine reeht groBe Jthnliehkeit mit dem X a nth o m a diabetie or u m hatte, vor allem wegen des starken Hervor-

Transcript of Über ungewöhnlich ausgebreitete Xanthomatose ohne Hypercholesterinämie

Siemens : Ungewshnl. ausgebreit. Xanthomatose ohne HypercholesterinXmie. ~3L

felt man nunmehr etwa 5 proz. Kali- oder Natronlauge oder Ammoniak

in das Wasser, so werden die Stellen sehwefel- bis apfelsinengelb. Das ist ein Farbensloiel , das kein mensehllches Gewebe darbietet. Insbesondere das leimgebende Bindegewebe und die Nerven nicht, was deswegen her- vorzuheben ist, weft man diese Gesehwiilste auf Wueherung einer der beiden Gewebssorten zuriiekftihren will. Das Farbenspiel ist aber eine in das Gebiet der Chemic des Belebten gehSrende Erseheinung. Da es dem Mensehengewebe fremd ist, so weist es um so mehr in das Gebiet der Botanik, als dutch Sehwefelsgure in gleieher Art angewendet gerade bei Pflanzenstoffen manehmM reehg eigenartige Farbungen hervorgerufen werden.

Vortr. belegte das Gesagte vielfaeh dutch Projektion yon Prapa- raten oder naeh Priiloaraten naturgetreu ausgeftihrten Bildern.

Der erste -- so sehloB Vortr. --, der den zuv6rderst nieht all; gemein geglaubten Naehweis gebraeht hat, dal3 Pflanzen -- I-Iyphomy- zeten -- beim Mensehen eine Krankheit -- den Favus -- erzeugen kSn- nen, wenn sie sieh auf ihm anzusiedeln Verm6gen, war der deutsche For- seher S e h 6 n l e i n . Die vom Vortr. besproehenen Ergebnisse m6gen dartun, dab die deutsche Forsehung mit S e h 6 nl ei n eine aussiehts- reiehe Bahn betreten hat.

52. Herr Siemens-Breslau: 0ber ungew~hnlich ausgebreitete Xantho- matose ohne Hypercholesteriniimie.

M. H. ! Ieh mSehte lhnen die Moulagen und Photographien eines 21jahrigen Fabrikarbeiters demonstrieren, der seit 2 Jahren an einem

Xanthoma tuberosum multiplex leidet. Die Anamnese ist ohne Besonderheiten, Am klinisehen Bilde ist vor allem bemerkens- wert, dab das Leiden eine ganz u ngew6h nli eb e A usbreit u ng zeigt : es ist nieht nut die I.iaut in grSgerer Ausdehnung erkrankt, sondern es sind aueh befallen die Mammillen, die Lippen, die Conjunetiven, der harte Gaumen, die Tonsillen, die hintere l~aehenwand und selbst der Larynx. Frei, oder fast frei, sind eigentlieh nat die Akren, n~tmlieh Nasenspitze; Ohrmuseheln, H~nde und Ftil3e. Besonders stark befallen sind aueh Hals und Gesieht; die wulstige xanthomatSse Infiltration yon Wangen, Stirn, Augenbrauen und Lidern maeht das Antlitz des Patienten geradezu zu einer Facies leontina. H i s t o l o g i s e h bietet der Fall keine Besonder- heiten; wit fanden iiberall reiehlieh Xanthomzellen und Xanthom- riesenzellen mit ihrem doppelbreehenden Inbalt. Am klinisehen Bride ist noeh auffallend, dag das Leiden unseres Patienten besonders am Beginn unserer Beobaehtung eine reeht groBe Jthnliehkeit mit dem X a n t h o m a d i a b e t i e or u m hatte, vor allem wegen des starken Hervor-

432 Siemens: Ungew0hnl. ausgebreit. Xan~homatose ohneHypercholesterin~mie.

tretens der entztindlichen Erscheinungen und der subjektiven Be- schwerden (Schmerzen, Jucken). Es fand sieh aber keine Spur yon Diabetes. ]~lberhaapt war das Ergebnis der i n n e r e n U n t e r s u e h u n g vbllig negativ. Auch die verschiedenen Proben aLtf alimentgre Gly- kosurie und die Galaktoseprobe hat ten ein negatives Resultat.

Der Fall ist aber nicht nur interessant wegen seiner ungewbhnlichen Ausbreitung und wegen des Fehlens jedweder interner Komplikation, sondern er hat auch, wie uns scheint, e i n e g e w i s s e p r i n z i p i e l l e B e d e u t u n g f f i r u n s e r e A u f f a s s u n g y o n d e r G e n e s e des X a n - t h o ms. Wir fanden ngmlich bei der Untersuchung des Blutes, die dankenswerter Weise Herr Priv.-Doz. R o s e n t h a l yon der Med. Klinik in Breslau ausffihrte, dal~ d a s C h o l e s t e r i n i m B l u t e u n s e r e s P a t i e n t e n n i c h t v e r m e h r t war . Diesem Befunde mbchten wir durum einen besonderen Wer t beilegen, well die Untersuchungen mehr- reals, in gr61]eren Zeitabst~tnden ausgefiihrt warden, und well in der Zeit, in welche die Blutuntersuchtmgen fielen, ein allm~thliches Fortschreiten des xanthomatbsen Prozesses m i t S i c h e r h e i t zu k o n s t a t i e r e n w a r ; davon werden Sie sich an den Photographien und Moulagen leicht fiberzeugen kbnnen. Es liegt hier also der Fall vor, daI~ bei einer mul- tiplen Xanthomerkrankung die Hypercholesterin~mie im Stadium pro- gressionis fehlt. D ie H y p e r c h o l e s t e r i n a m i e i s t a l s o k e i n e ob l i - g a t e B e d i n g u n g f i i r d ie X a n t h o m b i l d u n g be i d e r m u l t i p l e n t u b e r b s e n X a n t h o m a t o s i s , und wir kommen bei der Erklgrung der Genese des Xanthoms nicht aus obne die Annahme einer K o n s t i - t u t i o n s a n o m a l i e b e s t i m m t e r Z e l l e n u n d Z e l l k o m p l e x e i m S i n n e e i n e r g e s t e i g e r t e n C h o l e s t e r o p h i l i e derselben, also einer gesteigerten Affinit~t zu Cholesterinfetts~ureestern.

Zum Schlul] mbchte ich noch mitteilen, dal3 ich aueh den im Xanthom befindliehen gelben Farbstoff untersueht habe. Die gelbe Farbe der Xanthome wird nicht durch die Cholesterinester bedingt, sonderndurch besondere Pigmente, die zu der Gruppe der L i p o e h r o me gehbren, und die sich aus der Xanthommasse unschwer extrahieren lassen. Die M e n g e d er L i p o c h r o m e war in den Xanthomen alterdings a u f f a l l e n d g e r i n g ; die Xanthommasse enthielt nur etwa halb soviel Lipoehrom wie das Unterhautfet t unseres Patienten. Aber nieht nur die r e l a t i v e Menge an Lipochromen, auch deren a b s o l u t e Menge war nicht groB, denn der Lipoehromgehalt im Unterhautfet t unseres Patienten entsprach vollkommen den normalen Durchsehnittswerten. Die Haupt- repr~sentanten der Lipochrome, d a s C a r o t i n u n d d a s X a n t h o p h y l l , w a r e n b e ide sowohl im Unterhautfet t als in der Xanthommasse v e r - t r e t e n , und zwar fund ich in beiden mehr Carotin als Xanthophyll: Dieser Untersehied war aber in der Xanthommasse geringer: die Xan- thome enthielten ~lso r e l a t i v m e h r X a n t h o p h y l l als das subcutane

Siemens : Seltenere und kompliziertere Vererbungsmodi b. Flaatkrankheiten. 433

Fett . Ob diesem Befund eine prinzipielle Bedeutung zukommt, l~I3t sich nattirlieh erst entscheiden, wenn eine gr613ere Anzahl anderer Xanthom- f~lle in an~loger Weise untersueht worden sind.

53. Herr Siemens-Breslau: Ober seltenere und kompliziertere Ver- erbungsmodi bei I-Iautkrankheiten.

In der Dermatologie spielt die Vererbung" eine besonders gro•e Rolle. Die Anwendung der modernen vererbungstheoretischen Be- trachtungsweise ist deshalb gerade in unserem Spezialfach in besonders hohem Mal3e bereehtigt, und die verschiedenen Modalitgten der Ver- erbung lassen sich gerade an dermatologischen Beispielen besonders anschaulich demonstrieren.

Die moderne Vererbtmgslehre, die unter dem Zeichen M e n d e ls steht, hat gleichsam eine ganz neue Denkweise in unsere Vorstellungen yon der Erblichkeit gebracht. Es ist aber nieht schwer, sich in diese Denk- weise and damit in das W*esen des Mendelismus hineinzufinden, wenn man sich nur erst einmal die Bedeutung z w e i e r B e g r i f f s p a a r e klar- gemacht hat ; ich meine erstens das Begriffspaar ,,homozygot-hetero- zygot", zweitens das Begriffspaar ,,dominant-rezessiv". Vor allem mfissen wir uns daran gew6hnen, uns als Grandlage eines erblichen Merkmals und folglich auch einer erblichen Xrankhei t nicht einfach eine Erbanlage vorzustellen, sondern vielmehr stets ein Erbanlagenp a a r , dessen einer Paarling yore Vater, dessen anderer yon der Mutter s tammt. Habe ich nun yon meinem Vater irgendeine normale Erbanlage zu einem best immten Merkmal erhalten, und ist der dazugehOrige Paarling, der yon meiner Mutter s tammt, gleichfalls normal, so bin ich h o m o z y go t (,,gleichanlagig") in bezug auf das betreffende Merkmal, und zwar homozygot-gesund. Habe ieh eine bestimmte Krankheitsanlage yon meinem Vater und die gleiehe Krankheitsanlage yon meiner Mutter empfangen, so bin ieh homozygot-(,,gleiehanlagig"-)krank. Habe ieh aber yon meinem Vater eine Krankheitsanlage ererbt, wghrend der entsprechende, yon meiner Mutter s tammende Anlagenpaarling normal ist, so bin ich h e t e r o z y g o t (,,verschiedenanlagig") in bezug auf die betreffende Krankheit .

Manche Krankheitsanlagen haben nun bei heterozygotem Vor- handensein (also bei ihrem Zusammentreffen mit einem gesunden Anlagepaarling des anderen Elters) die F/~higkeit, jenen gesunden Erb- anlagenpaarling zu fiberdecken : die heterozygoten, verschiedenanlagigen Individuen sind dann manifest krank. Andere Krankheitsanlagen da- gegen werden bei heterozygotem Vorhandensein regelmgl3ig-yon ihrem gesunden Anlagenpaarling iiberdeckt: die heterozygotem Individuen sind dann i~uBerlieh gesund. Man unterscheidet danach d o r a in a n t e

Archly f. Dermatologie u. Syphilis. O. ]~d, 188. 28