Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

6
(Aus der Deutschen psychiatrischen Universit~tsklinik, Prag.) Uber Ver~inderungen des Anfallsbildes dutch iiuBere Einwirkungen im Krampfanfalle. Von Dr. Robert Klein. Assistent der Klinik. (Eingegangen am 23. Mal 1929.) In einer Reihe von F~llen konnte E. Hirsch 1 nachweisen, daB be- stimmte psychische Erlebnisse, die mit der Anfallssituation in irgcnd- einer Beziehung standen, im Bilde der folgenden epileptischen Anf~lle wieder auftreten kSnnen; es wurde dabei der Frage nachgegangen, wie die in der Anfallssituation aufgenommenen Erlebnisse sich in den sp~teren Anf~llen dokumentieren, welche Erlebnisspuren in diesen auf- deckbar sind. Schilder ~ hat das in den psychischenAusnahmszust~nden bzw. in der Reevolutionsperiode Erlebte in der anfallsfreien Zeit bei den epileptischen Patienten nachweisen k5nnen; er konnte in diesem Zustand Eingepr~gtes mit verschieden groBer Genauigkeit bei den einzelnen F~llen in den intervall~ren Phasen reproduzieren lassen. Uns legen einzelne Fi~lle die Frage vor, was mit Erlebnissen geschieht, die yon auBen w~hrend des Anfalles selbst einwirken, ob sie spurlos vor- fibergehen oder ob Anhaltspunkte vorhanden sind, dab sie irgendwelche Verarbeitung erfahren, und worin diese besteht. W~hrend es sich bei Schilder um den Zustand des ver~nderten BewuBtseins handelt und um psychische Erlebnisse in diesem, ist bei uns der Ausgangspunkt der Krampfanfall selbst, also die Phase des BewuBtseinsverlustes; dem- entsprechend werden es auch mehr somatische Erlebnisse und Zeichen sein, die wir miteinander in Verbindung setzen. In dem 1. Falle handelt es sich um einen 35 Jahre alten Epileptiker, der seit Jahren an typischen epileptischen Anf~llen litt mit Zungenbil~, ohne dab irgendwelche Vorboten den Anf~llen vorausgingen; er fiel plStzlich hin mit vollst~ndigem BewuBtseinsverlust, wobei er nach An- gaben der Angeh6rigen allgemeine Kr~mpfe hatte. Vor ungef~hr 1 Jahr verletzte er sich nun w~hrend eines Krampfanfalles am linken Bein, 1 Diese Z. 105. Diese Z. 81.

Transcript of Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

Page 1: Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

(Aus der Deutschen psychiatrischen Universit~tsklinik, Prag.)

Uber Ver~inderungen des Anfallsbildes dutch iiuBere Einwirkungen im Krampfanfalle.

Von Dr. Robert Klein.

Assistent der Klinik.

(Eingegangen am 23. Mal 1929.)

In einer Reihe von F~llen konnte E. Hirsch 1 nachweisen, daB be- stimmte psychische Erlebnisse, die mit der Anfallssituation in irgcnd- einer Beziehung standen, im Bilde der folgenden epileptischen Anf~lle wieder auftreten kSnnen; es wurde dabei der Frage nachgegangen, wie die in der Anfallssituation aufgenommenen Erlebnisse sich in den sp~teren Anf~llen dokumentieren, welche Erlebnisspuren in diesen auf- deckbar sind. Schilder ~ hat das in den psychischenAusnahmszust~nden bzw. in der Reevolutionsperiode Erlebte in der anfallsfreien Zeit bei den epileptischen Patienten nachweisen k5nnen; er konnte in diesem Zustand Eingepr~gtes mit verschieden groBer Genauigkeit bei den einzelnen F~llen in den intervall~ren Phasen reproduzieren lassen. Uns legen einzelne Fi~lle die Frage vor, was mit Erlebnissen geschieht, die yon auBen w~hrend des Anfalles selbst einwirken, ob sie spurlos vor- fibergehen oder ob Anhaltspunkte vorhanden sind, dab sie irgendwelche Verarbeitung erfahren, und worin diese besteht. W~hrend es sich bei Schilder um den Zustand des ver~nderten BewuBtseins handelt und um psychische Erlebnisse in diesem, ist bei uns der Ausgangspunkt der Krampfanfall selbst, also die Phase des BewuBtseinsverlustes; dem- entsprechend werden es auch mehr somatische Erlebnisse und Zeichen sein, die wir miteinander in Verbindung setzen.

In dem 1. Falle handelt es sich um einen 35 Jahre alten Epileptiker, der seit Jahren an typischen epileptischen Anf~llen litt mit Zungenbil~, ohne dab irgendwelche Vorboten den Anf~llen vorausgingen; er fiel plStzlich hin mit vollst~ndigem BewuBtseinsverlust, wobei er nach An- gaben der Angeh6rigen allgemeine Kr~mpfe hatte. Vor ungef~hr 1 Jahr verletzte er sich nun w~hrend eines Krampfanfalles am linken Bein,

1 Diese Z. 105. Diese Z. 81.

Page 2: Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

R. Klein: ]~ber Ver~nderungen des Anfallsbildes im Krampfanfalle. 471

er hat te nachher an dieser Stelle noch ganz geringe Schmerzen, die aber in kfirzester Zeit vollst/indig verschwanden; auch hinterlieB diese leichte Verletzung keine sichtbaren Ver/~nderungen. In den1 folgenden Anfall, der nach einem Intervall yon etwa 3 Wochen auftrat, kam es nun, bevor er das BewuBtsein verlor, in demselben Bein, das er sieh bei dem vorhergehenden Anfalle verletzt hatte, zu Kribbeln und Ameisen- laufen. Von da ab traten, wenn auch nicht stets, so doch sehr haufig, die gleichen Par/~sthesien als Vorboten der Anf/~lle auf.

Es bewirkte also eine Verletzung eines bestimmten KSrpergebietes im Anfalle, dab in den sp/s Anf/~llen entsprechende Parasthesien als Teilerscheinung der Anfalle bzw. als sensible Aura zum Vorschein kamen. Es kommt-bei diesem Falle nicht in Frage, dab es sich um eine reflektorisch ausgelSste Epilepsie handeln kSnnte; wenn wir eine solche doeh heranziehen, so ist es wegen der teilweisen Deckung der Fragestellung; denn abgesehen yon anderen Einwendungen gegen die Abgrenzung einer besonderen Form als I~eflexepilepsie, wird ja viel- fach darauf hingewiesen, dab die peril)here Verletzung, die in genetischem Zusammenhang mit dem Ausbruch der Erkrankung gebracht wird, w~hrend eines der ersten Anf~lle aufgetreten sein konnte. Ist dies der Fall, so wird der Meehanismus weitgehend dem gleich, den wir an un- serem Patienten geschildert haben; die Verletzung w~hrend eines An- falles, ein somatisches Erlebnis, wird in die folgenden Anf~lle ein- bezogen. Wie sehr nun die Skepsis gegen einen Zusammenhang yon peripherer Verletzung und Anfallsursache berechtigt ist, zeigt die Krankengeschichte eines Falles der Klinik, der yon G. Hermann unter einem anderen Gesiehtspunkte bereits ver6ffentlieht wurde; hier sell sie nur soweit angefiihrt werden, als sie die fiir unsere Frage in Betracht kommenden Punkte beriihrt. Der Patient, ein Epileptiker mit deut- lichen epileptischen Charakterver~nderungen und intellektuellen StSrun- gen gab an, dab er seit einem Unfalle bei dem er mit dem reehten Bein in eine Maschine geriet und sieh haupts~chhch die reehte Zehe verletzte, an Krampfanf~llen leide. Er gab welter an, dab er vor den Anfgllen heftigere Schmerzen und Zuekungen in der rechten Zehe ver- spiire und dab es erst dann zu allgemeinen Krgmpfen mit BewuBtseins- verlust komme. Demgegeniiber geht aus den Angaben der Frau hervor, dab der Patient schon mehrere Jahre vor dem Unfall an Anf~llen ge- litten hat. Wenn in diesem Falle die Angaben des Patienten allein vorgelegen w~ren, so h~tte man zumindest auf eine zeitliche Coincidenz yon Ausbrueh der Erkrankung und peripherer Lgsion schlieBen mfissen. Sind bier die Angaben des Patienten einwandfrei riehtig gestellt und so ein kausaler Konex zwischen Epilepsie und Trauma auBer Diskussion gestellt, so wird dies in vielen anderen Fgllen yon sogenannter Reflex- epilepsie nieht so leieht gelingen. Wenn aber, worauf ja vielfach hin-

Page 3: Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

472 R. Klein: Uber Ver~nderungen des Anfallsbildes

gewiesen wird, jene F~lle yon Reflexepilepsie, die mit einer peripheren Verletzung in Zusammenhang gebracht werden, sich so verhalten wie der hier angeffihrte Fall und damit die Verletzung nicht Anfallsursache sondern Anfallsfolge ist, so bek~me der Mechanismus, der in unserem 1. Falle zum Ausdruck kommt, eine allgemeinere Bedeutung; dab ni~m- lieh kSrperliehe Verletzungen bzw. exogene Reize w~hrend eines An- falles sich in den sp~teren Anf~llen manifestieren und mit dem Anfalls- bride dauernd verknfipfen und verschmelzen kSnnen. Das ist eine um so merkwiirdigere Tatsaehe, als jede Empfindung, jede Reaktion auf sensible Reize w~hrend des Anfalles vollst~ndig ausgesehaltet zu sein scheint. Man kann zur Erkl~rung dieses Meehanismus an verschiedene MSglichkeiten denken. Man kSnnte annehmen, dab psychische Momente eine Rolle spielen, dab ein w~hrend des Anfalles zugezogenes Trauma nachtr~glich psychisch verarbeitet und ~hnlich wie in den F~llen yon E. Hirsch in die folgenden Anf~lle aufgenommen wird. Dies k5nnte vor allem dann der Fall sein, wenn die Verletzung einen hSheren Grad erreieht hat, wie es z. B. bei dem 2. hier beschriebenen Patienten ge- wesen ist; ist jedoch die Verletzung so gering, wie in unserem 1. Falle, so wird eine psyehogene Nachwirkung und Verarbeitung nieht sehr wahrscheinlich sein. Man kSnnte sich weiter vorstellen, dab eine ver- letzte Stelle, die auch sonst zu schmerzhaften Sensationen neigt, in einem Zustande besonderer Labilit~t, wie es die Phase des epileptisehen Krampfanfalles darstellt, vor allem betroffen wird und dab die auch normalerweise nieht ganz fehlenden Erscheinungen in diesem Stadium mit besonderem Nachdruck hervorkommen wfirden. Aueh daffir gilt das zuerst Angefiihrte; es wfirden fiir eine solche Erkl~rung haupts~ch- lich jene F~lle in Betracht kommen, in denen Narben, sichtbare grSbere Verletzungen vorhanden sind.

W~hrend des epileptischen Krampfanfalles ruft ein peripherer Reiz keinerlei Reaktionen hervor, das Entladungsmaterial hat sich derart angesammelt, die einzelnen Zuckungen treten so rasch hintereinander auf, dab sensible Reize kein Latenzstadium antreffen, die Selbst- entladung nimmt alle reaktiven Abfuhrwege so sehr in Beschlag, dab exogene Reize verloren gehen miissen, sich nicht wie sonst durchsetzen kSnnen. Aber damit ist noch nicht gesagt, dab sie auch u~irklich spurlos versehwinden. Das kSnnte man nur dann annehmen, wenn man eine periphere Aufnahme jeglicher Reize, eine Weiterleitung von solehen unbedingt in Abrede stellen wollte. Das ist aber nicht be~iesen. Aus den experimentellen Erfahrungen MusIcens 1 geht hervor, dab sich an den myoklonisehen Kr~mpfen so ziemlieh alles beteiligt, was peripher- w~rts leitet, so findet jeder sensible Reiz alles was sonst ansprechbar ist in Eigenerregung und vermag sich nicht auszuwirken; wenn aber

1 Epilepsie. Springer 1926.

Page 4: Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

durch Aul3ere Einwirkungen im Krampfanfalle. 473

ein w~hrend des Anfalles an der K6rperperipherie gesetzter Reiz doch ins Zentralnervensystem eindringt -- eine solche M6glichkeit muB zu- gegeben werden --, so wird er, vom energetisehen Gesichtspunkte be- traehtet, nieht versehwinden, er wird sich irgendwie umsetzen und gelegentlich zum Vorschein kommen kSnnen. Einen giinstigen Umstand fiir die Umsetzung einer so unterdrfickten Abreaktion bietet nun sicher- lich das Entladungsstadium in der Phase des epileptischen Krampf- anfalles. Dies um so mehr, als die Gleichzeitigkeit yon Reiz und Anfalls- phase daffir gewil3 auch gfinstige Vorbedingungen geschaffen hat (in Parallele zum zeitlichen Funktionsaufbau, der ehronogenen Lokalisation im Sinne Monakows). So k6nnte die Verknfipfung von Par~sthesien mit dem Anfallsbilde nach einem im Anfalle gesetzten Reiz als eine Art Nachentwieklung angesehen werden, die ihr Entstehen dem verdankt, dab infolge besonderer Umst~nde, d . i . infolge des Anfalles, der l~eiz nicht entsprechend verarbeitet und abgefiihrt werden konnte.

Welche yon den hier versuchten Deutungen fiir die beiden erw~hnten F~lle zutrifft, l~[3t sich nieht sieher entscheiden. Handelt es sich aber um eine organische Verknfipfung, so wie es zuletzt diskutiert wurde, so mfiSte man sich vorstellen, dab eine Stelle der Mehrladung, eine Stelle herabgesetzter Reizschwelle durch den ~ul3eren, nieht abreagierten Reiz irgendwo im Zentralnervensystem geschaffen wurde, der bei einer allgemeinen endogenen Entladung den fibrigen Erscheinungen voraus- eilt und so zur somatischen Aura wird. Ist aber einmal eine solche Bindung zustande gekommen und in den Meehanismus des epileptisehen Anfalles eingedrungen, so wfirde es bei der Tendenz des epileptischen Anfalles, an seinem Typus festzuhalten, verst~ndlich sein, da[~ das neu hinzukommende Moment aueh welter beibehalten wird, selbst wenn die friiheren Bedingungen wegfallen.

Es sei zum Sehlul3 noch ein weiterer Fall hinzugeffigt, der wenn aueh der hier besehriebene Mechanismus nicht so durchsichtig ist, seine wesentlichen Zfige doch erkennen l~l]t. Eine typische Epileptica mit allgemeinen Kr~mpfen, BewuBtlosigkeit und Zungenbi[3, deren Anf~lle seit etwa 7 Jahren bestehen, gibt an, dal~ sie in letzter Zeit, bevor der Anfall fiber sie kommt, eine Bewegung im Bauche spfire, ein Geffihl, wie zum Stuhldrang, hierauf werde sie sehwindlig und verliere das Bewufttsein. Dieses Geffihl sei erst aufgetreten, als sie ihren Dienst- posten verlassen hat te; um ihre Stellung nieht zu verlieren und vor ihren Dienstgebern ihre Anf~lle zu verbergen, sei sie rasch auf das Klosett geeilt, sobald das Gefiihl einer eigenttimlichen -;~ngstlichkeit in ihr aufstieg, das vor den Anf~llen aufzutreten pflegte und woran sie sonst das Herannahen der Anfalle merkte. Als sie nun den Posten verlieB und sie ihre Anf~lle nicht mehr verheimliehen mul~te, t rat das angegebene Geffihl im Bauche vor den Anfiillen auf. Hier fAllt zum

Page 5: Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

474 R. Klein: ~ber Ver~nderungen des Anfallsbildes

Unterschiede gegen die frfiheren F/ille das neu hinzutretende Moment nieht in den Krampfanfall selbst, sondern in die Phase, die ihm unmittel- bar vorangeht ; es vermengen sich aber auch noch psychisehe mit soma- tischen Erscheinungen. Die Patientin war eine Zeitlang gewohnt, beim tterarmahen des Anfalles das Klosett aufzusuchen; man kann annehmen, dab damit die Vorstellung des Stuhlganges mehr oder weniger bewuBt verbunden war; es mag auch sein, dab sie der Wunsch danach beherrscht hatte, dab sie sich psychisch darauf einstellte, vielleicht um ihre Hand- lungsweise vor sich und ihren Dienstgebern zu rechtfertigen, um dem SchuldbewuBtsein, etwas vorget~useht zu haben, zu entgehen -- es w/~re das ein Zug, der dem frSmmelnden Charakter der Epileptiker keineswegs fremd ist; ob im AnschluB daran tats/~ehlich Stuhldrang aufgetreten ist, ob dieser im herannahenden Anfall bereits untertauchte, das m6ge dahingestellt bleiben. Jedenfalls sehen wir aber bei den folgenden Anf/~llen, dab diese Situation dem Anfallsmechanismus ein- verleibt wurde und in dem somatisehen Korrelat (Bewegung im Bauehe wie zum Stuhlgang) den Anf/~llen als Aura vorausging. Es bleibt in diesem Falle unsicher, ob der w/~hrend der Anfallsphase neu hinzu- gekommene Faktor sich nur im Psychischen bewegte oder ob auch noeh kSrperliche Erscheinungen auftraten. Bei der hier in Rede stehenden Funktion besteht aber ein so enger Konnex zwischen psychischer Si- tuation und Vorstellung einerseits, Geffihl und Akt andererseits, dab man das letztere nicht ohne weiteres wird ablehnen kSnnen. Damit wiirde sich aueh bier ein zuf/illig zu der Krampfphase hinzutretendes kSrperliches Erlebnis (Reiz) dauernd mit dem Anfallsmechanismus ver- knfipft haben.

Nun sind die hier angefiihrten F~lle und diejenigen der Reflex- epilepsie, die hierher geh6ren, nur ein Bruehteil yon solehen, bei denen die Bedingungen ffir einen derartigen Meehanismus gegeben sind; Ver- letzungen w~hrend des epileptischen Anfalles sind so iiberaus h~ufig und doeh kommt es nur relativ selten zu derartigen Naehwirkungen, wie sie hier besehrieben sind. Was fiir besondere Bedingungen gegeben sein miissen, damit das zum Anfall hinzutretende ~uBere Moment sieh in den sp~teren Anf~llen bemerkbar maeht, dariiber kann niehts aus. gesagt werden.

Die bisher angefiihrten F~lle zeigen u.a., wie durch einen kom- plizierten Mechanismus das Anfallsbild vers werden kann. Be- ziiglieh der allgemeineren Fragestellung nach der Ver~nderung des Anfallsbildes durch exogene Einwirkungen sei noch folgender Fall angefiihrt:

N. R., yon Beruf Chauffeur, der an der Klinik ambulatoriseh unter- sucht wurde, gab an, dab er seit 1/2 Jahre an Kr~mpfen leide. Er spiire zuerst einen Sehmerz in der reehten Sehulter, dann einen Krampf im

Page 6: Über Veränderungen des Anfallsbildes durch äußere Einwirkungen im Krampfanfalle

durch ~uBere Einwirkungen im Krampfanfalle. 475

rechten Arm, hierauf einen solchen auch im rechten Bein. Seit Beginn der Erkrankung h/~tte er 6 solcher Anf/~lle gehabt. Er sei dabei voll- st/~ndig bei Bewul]tsein, keine Sprachst6rung, kein Ubergehen der Kr/~mpfe auf die andere K6rperseite, keine Beteiligung des Gesichtes. Der 1. Anfall sei fiber ihn gekommen, als er gerade im Bette lag, die Arme und Beine ausgestreckt. Im Anfall sei es zu einem Streckkrampf des rechten Armes und des rechten Beines gekommen. Es sei das Geffihl einer Starre dieser Scite gewesen. Der 2. derartige Anfall sei gerade bcim Chauffieren aufgetreten, dabei sei bei Herannahen des Anfallcs der Arm in Streck- und Abduktionsstellung gewcsen, das Bein in Knie- und Hfiftgelcnk gebcugt. Der Anfall h/s in dieser Stellung Arm und Bein krampfhaft fixiert u n d e r sei nicht imstande gewesen, den Krampf aktiv zu fiberwinden, ebensowenig wie er es vermocht hatte, die Streckstellung beim 1. Anfall zu/~ndern. Bei den weiteren Anf/fllen sei es dann immer so gewescn, dab in der jeweiligen zufi~lligen Stellung die beiden Extremit/itcn krampfhaft fixiert wurden. Es handelt sich hier gewiB um cerebral ausgelSste Anf/s ihre Genese ist unklar. Die entsprechenden Untersuchungen ergaben keinen sieheren Anhaltspunkt ffir die Art und Lokalisation des Prozesses. Entsprechend den frfiheren F/~llen zeigt auch dieser, dab cerebral ausgel6ste Kr~mpfe durch/~uBere Einflfisse abgeitndert werden k6nnen. Allerdings ist dcr Mechanismus dieses Falles ein ganz anderer, als bei den frfiher angeffihrten. Denn hier vermochte jede ~nderung der i~uBeren Situation den Krampf- anfall selbst zu ver/~ndcrn; und zwar so, dab die jeweils gegebene Stellung der Extremiti~tcn die Verteilung des Krampfes bestimmte; es kam zu einem Krampfe der Strecker, wenn die Extremiti~ten in Streck- stellung sich befanden und umgekehrt. Die Muskeln, die beim Ein- treten des Anfalles gerade innerviert waren, wurden durch den Anfall mit Tonus fiberladen.