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Königliche Technische Hochschule. zu AACHEN. --._-. - .. _ ..•. .._- Die Uebergabe des Rektorates am ersten Juli 1895. Aachen 1895. t.ä Rue]jc'scilC AcciJenzdruckerei und Litll. Anstalt, Aadlclt.

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Königliche Technische Hochschule.zu AACHEN.

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Die

Uebergabe des Rektoratesam

ersten Juli 1895.

Aachen 1895.t.ä Rue]jc'scilC AcciJenzdruckerei und Litll. Anstalt, Aadlclt.

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~ach Ablauf der fünften Rektoratsperiode fand all1Jf.0, 1. Juli 1895 die feierliche Uebergahe des Rektoramtesvon dem scheidenden Rektor, Geheimen Regierungsrat ProfessorDr. Friedrich He in zer li n g, an den für die nächste Amts­periode, vom 1. Juli 1895, bis ebendahin 1898 auf Grundder ·Wahl der Gesamtheit der Abteilungskollegien von demHerrn Unterrichtsminister ernannten Rektor, Professor In tze,statt.

Auf Einladung des Rektors und des Senates der Tech­nischen Hochschule versammelten sich an dem genanntenTage, vormittags 11 Uhr, die l\Iitglieder des Lehrkörpers,die Assistenten, die Studierenden, sowie eine grosse Anzahlvon Freunden und Gönnern der Hochschule mit ihren Damen.

Die Uebergabe wurde von dem scheidenden Rektor mitfolgender Rede eröffnet:

Hochansehnliche Versammlung!

Bevor ich die letzte Pflicht meiner Amtsführung alsRektor dieser Technischen Hochschule: Die Uebergabe desRektorates an meinen geehrten Amtsnachfolger, Herrn Pr 0­

fes Sol' I n tz e, erfülle, entspreche ich dem bisherigen Ge­brauche, indem ich eine kurze Uebersic1lt über das ·Wirkenund über die Entwickelung unserer Hocllschule währendmeiner dreijährigen Amtsthätigkeit voranzuschicken mirgestatte.

Diese Entwickelung war, wie in den früheren, so auchin den drei letzten Studienjahren eine ruhig fortschreitende,welche sich durch die Einführung neuer Lehrgebiete, durchErweiterung und Vermellrung der wissenschaftlichen Samm­lungen, durch den Eintritt neuer Lehrkräfte, durch die Ver­anstaltung neuer Vorträge, durch bauliche Erweiterungenund Veränderungen sowie durch allmähliche Steigerung derBesucllsziffer zu erkennen gegeben hat.

Unter den neu eingeführten Lehrgebieten sind in derAbteilung für Bauingenieurweseu die Vorlesung'en überEis e nb ahn b e tri e b zu erwähnen, welche die wesent­lich vermehrten Vorlesungen über Eisenbahnbau nach derpraktischen Seite zu ergänzen bestimmt sind. Die EIe k t r 0­

c he mi e, welche man an anderen Hochschulen neu ein­führt, wird hier seit Jallren gelehrt, aber durch die Ge·

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währung bedeutenderer Mittel sowie dureil die Einfüllrung .eines besonderen Studienplanes für Elektrotechniker wesent­lich gefördert werden. Durch die zu Ostern 1895 neu ge­schaffene Docentur für Bot an ik wird auch den Chemikern,welche sich der Untersuclmng von Nahrungsmitteln widmenwollen, durch Vorlesungen über systematische Botanik,Pflanzenanatonie und Pflanzenphysiologie in Verbindung mitmikroskopischen Uebungen Gelegenheit gegeben werden, ihreStudien in dem Gebiete der organischen Chemie zu ver­vollständigen.

Als neues Lehrgebiet wurde mit Genehmigung des HerrnMinisters dem Herrn Dr. med. Lieven ein b akt e I' i 0 ­

log i s ehe s Pr akt i k u m einzurichten gestattet.Für Detaillieren von Gebäudeteilen und für Encyklopädie

des Bauingenieurwesens wurden besondere Modell- und Plan­sammlungen angelegt und die Sammlung Hir Kunstgeschichtesowie die Handbibliothek für Nationalökonomie wesentlichvermehrt. Ebenso wurden dill Bibliothek und die übrigenSammlungen der Technischen Hochschule durch zahlreicheZuwendungen nicht unerheblich erweitert. An den Dankfür die gütigen Geschenkgeber sei die Hoffnung geknüpft,dass dieselben der Hochschule auch ferner ihr ,Vohlwollenbewahren werden.

Als neue Lehrkräfte begannen am Anfange des Studien­jahres 1893!94 ihre Lehrthätigkeit als Nachfolger desverstorbenen Geheimen Regierungsrat v. Kaven der Pro­fessor, Eisenbahnbau- und Betriebs - Inspektor a. D.Dr. BI' ä u I er; an Stelle des an die Technische Hochschulein Berlin berufenen Dr. vVilhelm Stahl der ProfessorDr. Sch ur für darstellende Geometrie und graphische Statikund an Stelle des wegen chronischer Erkrankung aus demLehrkörper der Technischen Hochschule ausgeschiedenen Pro­fessors Dr. Laves der Professor Dr. van der Borght fürNationalökonomie. Im StUdienjahre 1893/94 begann als Nach­folger des an die Universität Göttingen berufenen ProfessorsDr.VischerProfessor Dr. S eh mi d seineVorträge über allgemeineund ausgewählte Gebiete der Kunstgeschichte. Die Vorträge undUebungen in dem Samariterkurse : "Die erste Hilfeleistungbei plötzlichen Unglücksfällen" wurden an Stelle des leiderso früh verstorbenen Herrn Dr. med. Völckers von HerrnDr. med. 11üller in erfolgreicher vVeise fortgesetzt. Dasbereits erwähnte bakteriologische Praktikum wurde zuerstim Sommersemester 1894 von Herrn Dr. med. Lieven ab­gehalten. An die Stelle des verstorbenen GewerberatsDr. Bernouilli trat im Studienjallre 1893/94 Herr Regie­rungs- und Gewerberat Stor p, an die Stelle des von lJiel'

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versetzten Telegraphendirektors Fuchs im Studienjahre1892/93Herr Telegraphendirektor Fr anz Schmitt. Für den nacheiner 15jllhrigen vielseitigen, erfolgreichen Lehrthätigkeitan der hiesigen Technischen Hochschule an die TechnischeHochschule zu Graz berufenen Professor Dr. Forchheimertrat im Anfange des Studienjahres 1894/95 der bis dahinim praktischen Eisenbahndienste beschäftigte Regierungs­und Baurat Mehrtens ein, um die Vorträge und Uebungenin Strassenbau, ,Vasserversorgung und Entwässerung derStädte, Baumaterialienlehre und Encyklopädie des Bau­ingenieurwesens zu übernehmen. Da Herr Professor Mehrtensdie während eines Studienjahres bekleidete Professur bereitsim Herbste 1895 leider aufgeben wird, um einem ehren­vollen Rufe als Professor des Brückenbaues und der Statikder Baukonstruktionen an der Technischen Hochschule inDresden zu folgen, so sind die Schritte zur Gewinnung eiuesgeeigneten Nachfolgers sofort gethan worden und steht zuerwarten, dass derselbe seine Lehrthätigkeit zu Anfang desStudienjahres 1895/96 beginnen wird. Zur Erteilung' desbereits erwähnten Unterrichts in der Botanik wurde derPrivatdocent der Technischen Hochschule zu BraunschweigHerr Dr. ,V i eIe l' als Docent berufen, welcher seine Vor­träge und mikroskopischen Uebungen im Sommersemester1895 begonnen hat.

Was die baulichen Angelegenheiten betrifft, so wurdeder unter meinem Herrn Amtsvorgänger begonnene Anbaufür das Physikalische Kabinet fertig gestellt. Die Ver7handlungen über die Errichtung des fitr die Bedürfnisse desBergbaues, der Elektrotechnik, der l\fineralogie, der Geologieund der llIarkscheidekuude als notwendig erkannten Er­weiterungsbaues - zu welchem die Aachener und ~Iünchener

Feuerversicherungs-Gesellschaft und der Verein zur Be­förderung der Arbeitsamkeit in dankenswertester ,Veise eineViertelmillion bewilligt und die Königliche Staatsregierungdie gleiche Summe zugeschossen hat - diese Verhandlungenmit dem Herrn ~Iinister der öffentlichen Arbeiten und derstädtischen Verwaltung sind im Jahre 1893 durch denKommissar des Herrn ~Iinisters, Herrn Geh. Ober-Regierungs­rat Dr. ,Ve h l'e n p fenn i g, Dank dem Entgegenkommender städtischen Verwaltung, soweit gefördert worden, dassim Jahre 1894 mit den Vorarbeiten begonnen werden konnte.Die Pläne dieses Erweiterungsbaues wurden unter Benutzungeines vom Herrn Professor He nr ici ausgearbeiteten, vor­läufigen Entwurfes durch die von dem Herrn l\finister deröffentlichen Arbeiten hiermit beauftragten Baubeamten inVerbindung mit dem Rektor und den beteiligten Professoren

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der Technischen Hochschule festge3tellt. Die Ausführuugdes Baues wurde den Herren Kreisbauinspektor Mol' i tzund Regierungsbaumeister He nn i c k e unter der oberenLeitung des Herrn Geh. Baurat Kruse übertragen, welche,nach Fertigstellung des Erdgeschosses, zur Zeit mit derHochführung der beiden oberen Geschosse beschäftigt sindund die Vollendung des Baues mit Einschluss der innerenEinrichtung zum Herbst 1896 in Aussicht stellen. Hierzukommt nocll die Herstellung eines besonderen Ateliergebäudesfür das unter Leitung des Docenten, Herrn BildhauerKr aus s , stehende Modellieren und Bossieren. Für diemikroskopischen Uebungen in der Botanik wurde vorläufigund bevor die nach Fertigstellung des Erweiterungsbaues indem Hauptgebäude und in dem alten Laboratorium verfüg­bar werdenden Räume frei geworden sind, in dem neuenchemischen Laboratorium ein besonderer Raum von ge­nügender Ausdehnung und Beleuchtung vorübergehend ein­gerichtet, auch ein Teil des zur Hochschule gehörigen Grund­stückes dem Docenten für Botanik zur Anpflanzung von ver­schiedenen, für die botanischen Vorlesungen wichtigen Ge-wächsen überwiesen. •

Von grosseIn 'Werte für die Hochschule ist der durchden Ministerialerlass vom 5. April 1895 zunächst für dasneue Laboratorium genehmigte, inzwischen ausgeführte An­schluss an das städtische Elektricitätswerk,welcher vorerst für die Lieferung yon Kraft für die Vor­l(lsungen und Uebungen in der Elektrochemie bestimmt ist.

Zur weiteren Regelung des Dienstes des Technischenund Uuterpersonals der Technischen Hochschule ist an dieStelle vorübergehender Bestimmung'en eine von dem Senatevorgelegte, von dem Herrn 1.Iinister durch Erlass vom23. Januar 1895 genehmigte Dienstordnung getreten.

"Während der drei letzten Studienjahre wurden von denAbteilungen für Architektur, Bauingenieurwesen, Maschinen­ingenieurwesen, Berg·bau,. HÜttenkunde und Chemie zahl­reiche wissenschaftliche Ausflüge mit Studierenden veran­staltet, wobei letzteren wieder Unterstützungen aus dem vomVerein zur Beförderung der Arbeitsamkeit zu diesem Zweckin dankenswertester 'Weise lviederum bewilligten lIittelngewährt werden konnten.

Zum BesuclJe der Kolumbischen 'Weltausstelluilg inChicago wurden den Herren Professoren, Geh. Reg.-RatHerrmann, Gutermuth, Intze und Schulz ausser­ordentliche Beihilfen aus Staatsmitteln gewährt;

Der Geburtstag Sr. Majestät des Kaisers wurJe in denletzten drei Jahren in der ·festlich geschmückten Aula durch

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Festreden: "Das Vermittelungsgesetz", "Friedrich der (trosseals Bauherr", "Krieg und Volkswirtschaft" gefeiert, worinbezw. der zeitige Rektor, Professor Dr. SchmidundProfessor Dr. van der Borght als Festredner den Ge­fühlen der Dankbarkeit und Verehrung Ausdruck gaben,während durch die hiernach von der Studentenschaft ver­anstalteten Kaiserkommerse diese Feiern einen solennen·akademischen Abschluss. fanden.

Einer zahlreichen Teilnahme auch seitens des Publikumshatten sich die von Herrn Professor Dr. S c h m i d währendder Winterhalbjahre 1893/94 und 1894/95 in der Aula abge­haltenen, durch Vorführung von Skioptikonbildern erläuterten,ausserordentlichen kunstgeschichtlichen Vorträge zu erfreuen.

Zu der von dem Herrn Kultusminister genehmigtenTeilnahme an der Feier des 200jährigen Bestehens derUniversität Halle-Wittenberg am 2. bis 4. August 1894wurden von dem Senate der zeitige R e ktor und derProfessor Dr. va n der Bor g h t als Vertreter der hie­sigen Technischen Hochschule gewählt und mit der Ueber­reichung einer künstlerisch ausgestatteten Adresse, sowieeiner wissenschaftlichen, von Professor Dr. Cl ais e n ver­fassten Festschrift "Untersuchungen über die Oxymethylen­Derivate der Ketone" betraut.

An der Feier zur Vollendung des 80. Lebensjahres desFürsten Bismarck beteiligte sich in Verbindung mit. denübrigen acht aeutschen Technischen Hochschulen, die hiesigetechnische Hochschule an der Uebersendung einer gemein­samen, künstlerisch ~usgestatteten Adresse, wofür inzwischenein Dankschreiben von dem Fürsten eingegangen ist.

Leider llatte die Hochschule während der letzten dreiStudienjahre ausser dem schon tlrwälmten Verluste des KollegenDr.med.Völckers den Verlust von drei Studierenden zu beklagen.Am 28.Dezember 1892 starb derStudierendll des Maschinenbaues,Ludwig Markert aus Lissabon. Der Lehrkörper und dieStudentenschaft gaben seiner Leiche, behufs Bestattung inder südlichen Heimaterde, das Geleite zum RheinischenBahnhofe. Am 15. Januar 1894 starb der Studierende desBauingenieurwesens Charolampos Lekös al~S Leonidion inGriechenland und zwar zu Hannover, wohin er sich behufseiner Operation begeben hatte, ferner am 17. Dezember des­selben Jahres der Stndierendeder Chemie Peter Schmitzaus Frenz in seiner Heimat. Als Zeichen der Teilnahmewurden im Namen der Technischen Hochschule Trauer­kränze auf die Gräber des im besten Mannesalter inBerUn verstorbenen, in Darmstadt beerdigten, viel­betrauerten" ehemaligen Kollegen, Professor Dr. W i 1heIm

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S t a h I und der beiden, der reinen nnd angewandtenWissenschaft zu früh entrissenen Korypliäen \Ve I' n e rSieme'ns und Hermann HeImholtz, ferner auf dieGräber der um die Technische Hochschule verdientenMänner, des Herrn Kommerzienrat K 0 n I' a d S tal' t ~ unddes bevollmächtigten Direktors der Aachener und Münchener

. Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Herrn B I' Ü g gern a n n ,niedergelegt.

Der Besuch der Hochschule hat sich während der letztendrei Studienjallre einer allmählichen Steigeruug zu erfreuengehabt. Fasst man die Besucher im ·Winter- und Sommer­Semester, also im ganzen Studienjahre, zusammen, so betrugder Besuch im Studienjahre 1891,92: 176 Studierende,70 Hospitanten und 15 Gäste, zusammen 261; im Studien­jahre 1894/95: 257 Studierende, 102 Hospitanten und24 Gäste, zusammen 383, was einer Zunahme von 122Besuchern entspricht. In den beiden Studienjahren 1892/93und 1893/94 hatte diese Zunahme bezw. 42 und 92 be­tragen. Von jenen 383 Besuchern der Hochschule entfallenan Studierenden und Hospitanten auf die Abteilung fürArchitektur 64, auf die Abteilung für Bauingenieurwesen41, auf !Iaschinenbau 83, auf Elektrotechnik 54, auf Berg­bau 31, auf Hüttenkunde 35, auf Chemie 43, auf Elektro­chemie 6, auf Abteilung V für allgemeine ·Wissenschaften 2,wozu noch 24 Gäste Jwmmen. Nach der nunmehr ein­geführten Einteilung der Studienjahre in Semester sind fürdas Sommer-Semester 1895 eingeschrieben 315 Besncher.Von diesen entfallen an Studierenden und Hospitanten aufdie Abteilung für Architektur 48, auf die Abteilllng fürBauingenieurwesen 38, auf Maschinenbau 70, auf Elektro­technik 47, auf Bergbau 24, auf Hüttenkunde 33, aufChemie 31, atif Elektrochemie 6, auf Abteilung V für all­gemeine ·Wissenschaften 2, wozu noch 16 Gäste zu rechnensind. •

Um für die heute beginnende neue Rektoratsperiode eineeinfache, aber würdige Fe i e I' d·e s 25 jäh I' ig e n Be­stehens der Königlichen Technischen Hoch­schule, welche am 12. Oktober des Kriegsjahres 1870unter dem Donner der Kanonen als eine Stätte friedlicherWirksamkeit feierlich eröffnet wurde, vorzubereiten, wurdeauf Antrag des zeitigen Rektors ein zu diesem Zweck ausGliedern des Lehrkörpers und der Studentenschaft zu­sammengesetzter Fest-Ausschuss gewählt, welcher gegenEnde des Jahres 1894 etwa tausend Einladungen zurTeilnahme an alle diejenigen früheren Studierenden verschickte,deren zeitige Adressen zu ermitteln waren. Hierauf sind

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rnnd 600 Znsagen, darunter solche von dem Auslande, ins­besondere von Holland, Belgien, Oesterreich,Frankreich, Engl an d, S eh weiz, Spanie n uudNo r d am erik a eingelaufen, zu welchen etwa 250 Teil­nehmer der gegenwärtigen Studierenden hinzukommen werden.Die Gesamtzahl der Teilnehmer auch aus den Kreisen derBehörden, der zur Zeit und früher hier thätigen Professoren,der Gönner und Freunde der Hochschule, dürften sich hier­nach über tauaend belaufen. Die weiteren Vorbereitungen,insbesondere die Feststellung der Fcstortlnung und derenAusführung, wurden sodann einem teils von dem ganzenLehrkörper, teils von der ganzen Studentenschaft gewähltenFes t- Aus s c h u s s übertragen, welcher bereits damit be­schäftigt ist, alle zu einer einfachen, aber würdigen Jnbel­feier erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Hochgeehrte Anwesende!

Nachdem ich Ihnen in kurzen Zügen ein Bild deräusseren und inneren Entwickelnng unserer TechnischenHochschule während der drei letzten Studienjahre zu ent­werfen versncht habe, gereicht es mir zur angenehmenPflicht, allen Denen meinen herzlichen Dank abzustatten,welche mich während meiner Amtsthätigkeit als Rektorerfolgreich unterstützt haben. In erster Linie gebührt dieserDank dem vorgesetzten hohen Mi ni s te ri um für die wohl­wollende und ausgiebige Fürsorge für unsere HochschnIe undihre einzelnen Glieder. Den mannigfachen Anträgen und·Wünschen der Hochschule, insbesondere des Lehrkörpers,der Stndentenschaft, des Verwaltungs-, technischen und Unter­personals, ist stets, insoweit die damaligen Verhältnisse desStaates es gestatteten, bereitwillig entsprochen worden.

Ferner schulde ich warmen Dank dem KöniglichenKo m mi s sa r, Herrn Regierung'spräsidenten v. H ar tm an n,welcher alle die Technische Hochschule betreffenden Ver­handlung-en mit dem Herrn Minister vermittelt hat. Sowohlin dem hierdurch bedingten schriftlichen, als auch in demin manchen Fällen schneller fördernden mündlichen Verkehrhabe ich für ein stets freundliches Entgegenkommen zu danken.

Mein besonderer Dank gebührt Ihnen, meine wertenHerren Ko II e gen, für die allseitig'e erfolgreiche Uuter­stütznng, welche Sie mir während meiner Amtsführung, ins­besondere auch auf denjenigen Gebieten haben zu teil werdenlassen, welche umfangreiche, speciell fachliche Arbeit erfor­derten. Zur besonderen Genngthuung gereicht mir der ohneAusnahme gepflegte freundlich-kollegialische Verkehr mit

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allen ,Gliedern des Lehrkörpers, welcher mir die amtlicheThätigkeit erleichtert und die Interessen unserer TechnischenHochschule erfolgreich gefördert hat. Möge er stets einleuchtendes \Vahrzeichen unserer Technischen Hochschule seinlmd bleiben!

Ihnen, meine Herren. S tu die l' end en , danke ich fürdas schätzbare Vertrauen, welches Sie Ihrem zeitigen Rektorallseitig entgegcngebracht und erhalten, sowie für das freund­liche Entgegenkommen, welches Sie mir stets gezeigt haben,wenn es sich um allgemeine Angelegenheiten der Hochschule,um besonderc Angelegenheiten einzelner Körperschaften oderauchE'iuzelner handelte.

Mein Dank würde aber nicht vollständig sein, wenn ichuuterliesse, aUen Gliedern des Lehrkörpers und der Studenten­schaft unserer Technischen Hochschule sowie allen Beamtenfür die mir bei Vollendung des 70. Lebensjahres erwiesenenEhren, durch welche ich zugleich hoch erfreut wurde, auchvon dieser Stelle aus nochmals herzlich zu danken.

Nunmehr ersuche ich Sie, geehrter Herr Kollege In tz e,das Amt des Rektors unserer Technischen Hochschule zuübernehmen. Indem ich dasselbe in Ihre Hand lege, wünscheich, dass unsere Technische Hochschule unter Ihrer Leitungweiter blühen, wachsen und gedeihen möge! Seien Sie über­zeugt, dass alle Herren Kollegen und Beamten Sie in IhrerAmtsführung und in Ihren Bestrebungen für die Förderungunserer Technischen Hochschule gern und nach Kräftenunterstützen werden. Ebenso überzeugt bin ich, dass unsereStudentenschaft ihnen das Rektoramt ebenso erleichtern wird,wie dies bei mir der Fall war.

Jetzo bitte ich Sie, an meine Stelle zu treten undgestatte mir, Sie durch einen warmen Händedruck als zeitigerRektor dicser Hochschule herzlich zu begrüssen.

Hierauf richtete der neuantretende Rektor, ProfessorIn t z e, folgell<le Ansprache an die Versammlung:

Hochansehnliche Versammlung!

Ihnen, meine verehrtim Herren Kollegen, hab~ ich beiAntritt des ,weben von meinem Herrn Amtsvorgänger mil'übertragenen Rektorats zunächst meinen aufrichtigen Dankdafür auszudrücken, dass Sie durch Ihre vom Herrn Mi­nister bestätigte ·Wahl mir das Uass des Vertrauens entgegen­gebracht haben, welches der nach unserer Verfassung füreine dreijährige Amtsperiode zu wählende Rektor unbedingtnötig. hat, wenn er mit Freudig'keit an die Erfüllung seiner

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Pflichten herantreten soll. Ich kann nur dalum bitten, dieNachsicht und die wohlwollende Gesinnung, welche allemeine Kollegen an unserer Hochschule im Laufe von 25Jahren mir ohne mein Verdienst in so reichem lIasse ent­gegengebracht haben, mir auch für die Zukunft bewahrenZLl wollen, da Sie meine Arbeitslast hierdurch erleichtern,meine Arbeitskraft und Arbeitsfreudigkeit aber wesentlichsteigern werden.

Seien Sie überzeugt, dass es stets meine Hauptaufgabesein wird, meine Pflichten zu erforschen und zu erfüllenund nicht nach etwaigen Rechten zu suchen.

Als erste Pflicht meines neuen Amtes muss ich es nunbetrachten, meinem Herrn Amtsvorgänger, dem nunmehrigenHerrn Prorektor Heinzerling, den warmen Dank, im Namenmciner Herren Kollegen, da für auszusprechen, dass der­selbe in tl'euester Hingabe seines Amtes gewaltet, in ge­wissenhaftester Weise die Beschlüsse des Senates ausgefiihrtund die Interessen der Abteilungen nach besten Kräftenvertreten hat. ]lföge Ihnen, verehrter Herr Prorektor, derAusdruck der Gesinnungen, welche Ihnen der Senat bei Ge­legenheit .der 70. Wiederkehr Ihres Geburtstages in llerz­lichster IVeise darbrachte, zu einer wolllthuenden Erinnerungan die verflossene Amtsperiode g'ereichen.

Es dient mir zur Beruhigung, dass die sämtlichenRektoren der letzten vier Amtsperioden, die Herren Wiillner,Dürre, Herrmann und Heinzerling, in dem heute beginnendenAmtsjahre Mitglieder des Senats sind. Hierin und in derMitwirkung des ständigen Senatsmitgliedes, des· Herm Pro­fessor Schulz, liegt eine Gewähr dafür, dass im neuenSenat keine Bescilliisse ~efasst werden dürften, welche mitdem Geiste früherer Verhandlungen im lViderspruch stehenkönnten, und dass sowohl der neu eintretende Rektor alsauch die neu hinzutretenden Mitglieder des Senats von denErfahrungen der fünf genannten, um das Gedeihen unsererTechnischen Hochschule sehr verdienten Herren grossen Nutzenziehen werden.

Von Ihnen, meine Herren Beamten, darf ich erwarten,dass Sie auch mich, ebenso wie meine Herren Amtsvorg·änger,durch die P fl ich t tre u e, welche das preussische Beamten­tum auszeichnet, im Interesse der Technischen Hochschule,der wir alle dienen, gerne unterstützen werden. Möge Ihnendie Freudigkeit im Beruf erhalten bleiben.

Sie, meine Herren Studierenden und Zuhön~r, wollenüberzeugt sein, dass ich es nicht nur als meine Amtspflichtbetrachte, .aUe auf die Förderung Ihres Studiums gerichtetenberechtigten Wünsche nach besten Kräften im Senat zu

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vertreten, sondern dass es mit' znr besonderen Frende g'e­reichen würde, wenn ich Ihnen in meinem neuen Amte inder angedeuteten Richtung noch mehr von Nutzen seinkönnte, als d;ies in' den Fächern, die uns in persönliche Be­rührung brachten, bisher stets mein 'Wunsch gewesen ist.

Hochansehnliche Versammlung!

'Venn heute vor 3 Jahren mein Herr Amtsvorgängeran dieser Stelle seinen Vortrag über die Entwickelung deSBrückenbaues mit dem Dichterworte einleitete:

~Das Alte sturzt. es ändert sich die ZeitUnd neues Leben blüht aus den Ruinen",

so möchte ich meine. Betrachtungen an die Thatsache an­knüpfen, dass: In unserer Zeit manc}J. Bauwerk stürzt, nach"dem es kaum vollendet. -

Ist es nicht eine erschreckende Thatsache, dass kaumvullendete Brücken oder Hallen einstürzen, Dämme weichen,Häuser zusammenfallen, und dass diese Erscheinungen miteiner unheimlichen Regelmässigkeit wiederkehren? Ist esnicht, als ob durch solche Ereignisse das 'Vort des Dichtersuns vor die Seele gerückt würde:

"Denn die Elemente hassenDas Gebild der Menschenhand!"?

Der Verhlst an Hab und Gut nicht nur, sondern auchan Menschenleben mahnt ganz besonders die TechnischenHochschulen, sowohl die Professoren als auch die Studieren­den, nachzuforschen, welche Ursachen diese Erscheinungenveranlassen und wie man derartige Ereignisse sicher ver­hüten kann.

Ist es nicht erklärlich, wenn Angesichts der jüngstenKatastrophe von Bouzey bei Epinal in Frankreich die fran­zösischen Zeitungen über die vermeintliche Unfehlbarkeit derIngenieure des Instituts des ponts et chaussees spotten undsagen: die Römer und Aegypter bauten Brücken und Dämme,

. welche gehalten haben, und wir bauen solche, die halten nicht.'Venn bei dieser Gelegenheit einige französische In­

genieure nach den Zeitungsberichten behauptet haben, derDamm von Bouzey habe allen Anforderungen in Bezug .aufSicherheit und Dauerhaftigkeit der Konstruktion entsprochen,dann darf man sich nicht über die höhnende Bemerkung im,Temps' vom 30. April d. J. wlmdern, welche lautet: "DerDamm hätte nach Ansicht der Ingenieure halten müssen, daer dies nicht gethan hat, so ist der Damm im Unrecht." ­Als einzelne Ingenieure die Ursache' der Zerstörung demstrengen Froste des verflossenen 'Vinters zuschrieben, be­merkte der ,Gaulois' vom 30. April d. J. mit Recht:

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"Mussten denn nicht die Ingenieure die Wirkung-en desFrostes vorhersehen und hiergegen Sicherheit schaffen?" -

Diese _Erscheinungen und Fragen, auf welche Unbe­rufene gerne schnell den Spruch bereit haben: ~Alle Theorieist grau", drängen zu der Erwägung, welclle Anforderungenstellt die Praxis an den ausübenden 'l'eclllliker, und welcheMittel bietet die Technische Hochschule den Studierenden,um diesen Anforderungen zu genügen?

"Venn ich nun versuche, auf diese Frage näller einzu­gehen, soweit dies in einem kurzen Vortrage möglich ist,so werde ich natürlich besonders die Bauten im Augehaben, welche meinem Specialgebiete des Bauingenieurwesensangehören; indessen werden die Betrachtungen auch zumgrossen Teil auf die Bauten der ArcllÜekten und zum kleinenTeil auf die Bauwerke der übrigen ausübenden TechnikerAnwendung. finden können.

Der vierjäbrige Studiengang der Bauingenieure schreibtnach unserem Programm folgende Lehrgegenstände vor: Im1. S tu die n j a h I' e : Höhere Mathematik I, DarstellendeGeometrie, Mecllanik I, Experimentalphysik, Experimental­chemie, encyklopädischer Kurs, Baukonstruktionslehre, Na:­tionalökonomie und deutsche Arbeiterversicherung - also 8Lehrgegen stände in wöchentlich 39 bis 41 Vortrags­und U e bu n g s s tun den.

Im 2. Studienjahre: Höhere lIathematik II, Gra­phische Statik, Mechanik II, Praktische Geometrie, Geodäti­sches Praktikum, ·Wasserbau I, Bürgerliche Baukunst, Ge­schichte der Baukunst und Formenlehre encyklop~ Kurs,Maschinenlehre, Technologic I, Elemente der Mineralogie undGeologie, Hydrometrische Arbeiten, Grundzüge der Finanz­wissenschaft, _ also 13 Lehrg'egenstände in 38 bis46 Stunden wöchentlich.

. Im 3. S t u die nj a h re: Höhere Baukonstraktionen mitmafhematisclJer Begründung, Detaillieren von Gebäudetei~en T,Baumaterialienlehre Veranschlagen und Bauführung, Heizungund Lüftung derGeb~ude,Bürgerliche BaukunstlI, .Ge~dätiscllesPraktikum II Geographische Ortsbestimmung, Elsenbalm­Tra<;ieren B/ückenbau I Baumaschinen, Praktische Tele­graphie 'Städtekanalisati~n Gewerberecht, Geschichte der, , . d .Nationalökonomie _ also 17 L ehr g e gen s t än e III,35 bis 40 Stunden wöchentlich.

Im 4. Stu di e nj a h r e: Tunnelbau, Wasserbau II,Brückenbau II Eiseilbahnbau Eisenbahnbetrieb, Eisenbahn-

, , F' dmaschinenbau Grundzüge des Lokomotivbaues, Iguren- unLandschaftsz;iclmen, Encyklopädie der Rechtswissenschaft,BaUl'echt und Ställtische ,Vasserversorgung - also 11 L ehr-

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geg-enstände in 35 bis 39 Htunden wöchentlich.In 4 Jahren sind also 49 Lehrgegenstände zu

bewältigen. Werden diese Studien, wie sie aufl. den Vor­schriften für die Staats- und Diplom-Prüfungen als not­wendig ·oder wenigstens empfehlenswert sich ergeben, mitEifer betrieben, so wird die Leistungsfahigkeit eines normalbeanlagten Studierenden fast erschöpft, besonders wenn häus­liche Ausarbeitungen von Vorträg'en und das Studium vonLehrbüchern und Zeitschriften hinzukommen; es ergeben sichdann leicht 60 bis 70 Arbeitsstundim in der Woche. Es isterklärlich, dass diejenigen Studierenden, welche die genannteerforderliche Leistungsfähigkeit nicht besitzen, zu demMittel greifen, sich eine' Erleichterung durch Einschränkungder häuslichen Arbeiten und der Konstrnktionsübungen zuverschaffen, während sie die Vorlesungen, als den wichtigsten'reil des Unterrichtes, weniger leicht versäumen.

Es ist jedoch sehr bedenklich, wenn es unterlassen wird,in möglichst weitem Umfange allen Konstruktions-Uebungenbeizuwohnen, da nur durch diese Uebungen besondersdie Bauingenieure, die Architekten und die :l\Iaschinen­ingenieure das Mass des Könnens und niclJt nur des'Wissens sich aneignen werden, welches zu einer frucht­bringenden Thätigkeit im praktiscllen Leben umsomehr er­forderlich ist, als der scharfe 'Wettbewerb in der gegen-'wärtigen Zeit im technischen Beruf an jeden Einzelnen dieallerhöchsten Anforderungen stellt.

'Wenn nun durch die neuesten Vorschriften des HerrnMinisters der öffentlichen Arbeiten vom 15. April 1895über .. die Ausbildung und Prüfung im Staatsbaufache für dieBauingenieure noch wesentlich gesteigerte, zum Teil ganzneue Anforderungen im Maschinenbau, im Schiffb'au und inder Elektroteclmik hinzukommen, so wird die Beantwortungder Frage des Herrn l\Iinisters der geistlichen, Unterrichts­und !Iedizinal-Angelegenheiten, wie man den Studiengangund Stundenplan der Technischen Hochschule etwa zu ändernhabe,. um den neuen Vorschriften gerecht zu werden, fitrden Lehrkörper der Technischen Hocllschule sehr schwierig,da bei dem fortwährenden Anwachsen des Lehrstoffes inallen bereits gelehrten Gebieten ein vierjähriges Studiumkaum aus)'eiclJt,' und man sich schwerlich so bald ent­sclJliessen wird, zu einem fünfjährigen Studium ii.berzugehen.- vVenn es auch möglich sein wird, in dem vierjällrigenStudien- und Stundenplan die den gesteigerten Anforderungenentsprechenden Vorlesungen und Uebungen unterzubringen, undwenn auch die neu lliuzukommenden Vorlesungen vermutlichregelmässig besucllt werden, so müsste doch schon eine

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wesentlich gesteigerte Leistnngsfälligkeit der Studierendeneintreten, wenn nicht eine weitere Beeinträchtigung in derGewandtheit des Zeidmens und Konstruierens erfolgen soll.

'Während bis zum Jahre 1886 nach Abschluss derStndien eine einzig'e Prüfung, die Baufiihrerprüfung, zubestehen war, ist seit 1886 diese Prüfung in zwei Teilezerlegt: in eine Vorpriifung nach 2jährigem Studium undin eine erste Hauptprüfung nach 4jälll'igem Studium; manhat hierdurch eine Erleichterung' der Priifung angestrebtund auch woM erzielt, obgleicll es in neuester Zeit nichtan Stimmen fehlt, welche auch diese Einrichtung wiedergeändert seIlen möchten.

Mit Abschluss der ersten Hauptprüfung für den Staats­dienst oder der Diplom-Hauptprüfung von der TechuischenHocllschule tritt der Studierende in die Praxis.

Nach Abscllluss der Studien soll z. B. der Bau-Ingenieurbefahigt sein, nacll gegebenem Programm alle Entwiirfe undBerechnungen zu fertigen, welche im Eisenbahn-, Briicken­und 'Wasserbau verlangt werden können:

Tritt der Ingenieur in die Praxis und soll nun denEntwurf für ein auszufiihrendes Bauwerk schaffen, so findeter sellr häufig, dass die Grnndlagen zu einem abgeschlossenenfesten Programm fehlen, und dass der Krebsschaden unsererZeit, das ist die grosse Eile, mit der lleutigeu Tages ent­worfen und gebaut werden muss, die Schaffung durchauszuverlässiger Grundlagen für den Entwurf verhindert. FiirBauwerke, deren Dauer und Benutzung in der Regel aufJahrhunderte zn bemessen ist, fehlt nicht nur meistens dieZeit, gründliche Vorarbeiten zu machen, deren Umfang undAusführung währen'd des Studiums eingehend gelehrt wird,sondern auch häufig die allernotwendigste Zeit, welche zueiner sorgfältigen Ueberlegung und Bereclmung der Bau­werke erforderlich ist, indem man sich der trügeriscllenHoffnung hingiebt, dass während der Bauausführuug dasFehlende nachgeholt werden könne.

J edel' gewissenhafte Konstrukteur ist zuuäcllst ver­pflichtet, seine Auftraggeber darauf aufmerksam zn maclJen,dass der Mangel geeigneter Vorarbeiten und eine auf un­sicherer Grundlage übereilte Bearbeitung eines Entwurfessich bei der Ausfiihrung durch wesentliche Zeitverlnste, ofterforderliche vollständige Umäuderung des Entwurfes underhebliche Mellrkosten rächen, und dass hierdurch stets dieGüte und die Zweckmässigkeit des Bauwerkes beeinträchtigtwerden.

Durch rechtzeitige Geltendmaclmng der vOl'genannten, injedem Falle sachlich zu begründenden Ansichten, hat schon

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mancher Konstrukteur seinen Auftraggebern einen grossenDienst erwiesen und sich deren Dankbl!-rkeit erworben.

Unterlässt der Konstrukteur eine solche Mahnung, sowird er sehr häufig in die Lage gedrängt, gegen seinebessere Ueberzeugnng einen Entwurf durchzuführen, den erbei Kenntnis aller nachträglich entdeckten Umstände wesent­lich anders gestaltet haben würde. Auf diese "Weise ist iumanchen grösseren Ingenieurbau schon der Keim der Zer­störung hineingetragen, wenn es dem bauleitenden Ingenieuran Selbstverläugnung und ::Mut fehlte, rechtzeitig der ver-

o • fehlten Bauausfül1l'ung Einhalt zu gebieten und einer, wennauch vollständig zu verändernden Ausführung das 'Wort zureden.

Hat der Ingenieur seinen ersten grösseren Entwurf,der zur Ausführung bestimmt ist, vollendet, so wh:d er indem erhebenden Bewusstsein, Neues schaffen zu können, miteiner gewissen Genngthuung und Freude seinen Namenunter diesen Entwurf setzen.

Mancher, der freudig eine solche Unterzeichnung vor­nahm, hat nicht geahnt, zu welcher Handhabe seine Unter­schrift fiir den Reclltsanwalt und vielleicht auch für denStaatsanwalt werden sollte, wenn der vollendete Bau denberechtigten Anforderungen an Güte und Dauerhaftigkeitnicht entsIN'ach, oder wenn vielleicht gar Gesundheit undLeben von Menschen verloren gingen, durch Fehler in derKonstruktion oder bei der Bauausführung.

Die Verantwortung, welche z. B. nach dem rheinischenRecht die Konstrukteure und Erbauer 10 Jahre lang nachder Vollendung des Baues tragen, lastet schwer auf derenSchultern und zwingt dieselben häufig, auch wenn sie un­schuldig sind, Prozesse zu führen, aus denen oft erst nach10 Jahren der Schuldige hervorgeht, - aber schwer­wiegender noch ist fiir einen gewissenhaften Konstrukteurdie V~rantwortlichkeit, wölche er in seinem Gewissen fiir alleseine Bauwerke trägt, so lange wie er lebt. Von dieser Ver­antwortlichkeit und dem Bewusstsein etwaiger Schuld kannihn selbst das freisprechende Urteil eines Gerichtes nichtbefreien.

'Vohl "ist der Konstrukteur auf Grund seiner umfassendenStudien a; der Technischen Hochschule befähigt, den Bauim Ganzen seinem Zwecke entsprechend zu entwerfen unddessen einzelne Teile nach den Gesetzen der Mechanik oderder graphischen Statik und den Lehren über die physi­kalischen und chemischen Eigenschaften der Materialien inpassender Stärke zuibestimmen; immer aber wird hierbeider Bau in seinem fertigen Zustande vorausgesetzt und doch.

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muss der Bau erst dnrcll die verschiedenen, mehr oderweniger bei der Bauausführullg willkührlich zu wäJ;JelldenStufen der Fertigstellung hindurchgebracllt werden undmuss derselbe erst ein gewisses Alter en'eicht Haben, bevoralle die Voraussetzungen zutreffen,. von denen man beim Ent­wurf und ber der statistischen Untersuchung ausgegangen ist.

In dem Fortschreiten eines Bauwerkes und der lliermitverbundenen fortwährenden. Veränuerung der äusseren Kraft­wirkungen unu der Eigenschaften unu Gegenwirkungen derBauteile ist eine beständige Gefahr des Misslingens zusuchen, besonders wenn man Mufiger eintretende, misser­g-ewölmlich grosse äussere Kraftwirkungen, .wie Sturm,Hochfluten, Erdbeben in Betracllt zieht, die den unfertigen,weniger widerstandsfähigen Bau trefferikönnen.

Reclmet man nun noch hinzu, dass die Ausfiihrung einesBauwerkes durch Eigennutz, NaclJIässigkeit, Unkenntnis,Eitelkeit und Bosheit der bei der Ausführung beteiligteulIensehen in ungünstigster 'Weise beeinflusst werden kann,wenn nicht eine gewissenhafte energische Bauleitung allediese Einwirkungen fern hält, so· wird man zugeben müssen,dass der Konstrukteur auch nach sorgfältigster Aufstelluugseines Entwurfes und der erforderlicheu wiederholten Prüfungseiner Rechnungen und Ueberlegungen nicht berechtigt ist,unter seine Arbeit die stolzen 'Worte des Mathematikers zusetzen: "Quod erat demonstrandum" - nein für den Kon­stmkteur bleibt noch die Beweisführung übrig, dass wirklichdas nach dem Plane auszufüllrende Bauwerk seinen Zweckerfüllt und dauernd standfähig ist.

In dieser Beziehung können wir eine Bauausführung,besonders eines grösseren InO"enieurbauwerkes mit gewaltigeno •Kraftwirkungen oder eines bedeutenden Hochbaues, nut, • Jeiner Fahrt durch den Ocean vergleichen. - Bevor lllC Itdie 'Ware im jenseitigen Hafen sielleI' geborgen ist, kannman nicht über sie verfügen. Wenn auch die Fahrt oft beisonnigem ,Vetter angetreten wird, so können doch gar bahlNebel und Sturm Klippen und Eisberge die grössten Ge­falnen bringen. 'Der Beginn einer Bauausfiihrung gleichtseIlr oft der Abfahrt des Schiffes bei sonnigem Wetter undveranlasst sehr leicht zu übereilten Schliissen auf guteVollendung' und daIICr zu einer weniger sorgfältigen Aufsicht.IP" Verfolgen" wir den Verlauf einer grösseren Bauausfiihrungin den Hauptzügen :

Jeder Bau beginnt mit der Fundierung.Wird die Baugrube hergestellt, zu welchem Zweck

häufig eine künstliche Umschliessung gegen Aussenwasserlind eine künstliche Trockenhaltung von Grundwasser er-

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forderlicll wird, die ganz besondere Vorsicht 'und Aufmerk-,samkeit .erfordern - so zeigt sich sehr bald ob die voraus­gesetzte, .. oder durch einzelne Untersuchungen festgestellteBodenbeschaffenheit auch für die ganze Baugrube zutrifft.Je weniger umfangreich und eingehend die Vorarbeiten ge­macht wurden, um so leichter wird man finden, dass man sichgrossen Täuschungen llingegeben hat.

. Die Ge)vissenhaftigkeit des Ingenieurs sollte in einemsolchen Falle .ihn veranlassen, sofort die sorgfältigsten Er­wägungen und UntersucllUngen anzustellen, um in der bestenWeise den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen,wenn auch der Entwurf vollständig umgestossen und bereitsabgeschlossene Verträge, in denen solche Fälle vorgesehensein sollten, rückgängig gemacht werden müssten. 'Venn essich bei einer mögli(:herweise verfehlten Bauausfiihrung ümbedeutende Geldverluste und besonders um Gesundheit undLeben 'von Menschen llandeln könnte, so muss der bau­leitende Ingenieur den Mut haben, unter Umständen von derAusführung des Baues an der geplanten Stelle ganz abzu­raten. ' Eigennutz und Eitelkeit stellen sich häufig einemsolchen einscIllleidenden Entschlusse entgegen., 'Vie ichspäter nachweisen werde, llätte unter den beim Bau desDammes von Bouzey im Jahre 1882 gefundenen, durchmangelhafte Vorarbeiten nicht geniigend klargestellten Boden­verhältnissen der bauleitende Ingenieur unbedingt erklärenmiissen, dass. unter den obwaltenden Umständen der Damman der geplanten Stelle nicht ausgefiillrt werden diirfe;das grosse kürzlich .eingetretene Ungliick wäre dann ver­hindert worden.

Der bauleitende Ingenieur fiihIt in solchen ernstenAugenblicken die ganze 'Vucht seiner' Verantwortlichkeit'und befindet sich mitten im Sturm der durch solclle Fragenaufgeregten Leidenschaften. Wehe ihm, wenn er aus einemsolchen inneren Kampfe nicht als Sieger hervorgeht.

Es tritt nun die Frage auf, ob die technischen 'Vissen­schaften, wie sie an der Hochschule gelehrt werden, dembauleitenden Ingenieur die Mittel an die Hand geben,sich mit Bestimmtheit nach einer Richtung entsclleiden zukönnen.

Die Geologie und die Lehren über die verschiedenenFundierungsarten, iiber die Bt)scllaffenlleit und Tragfähigkeitder Bodenarten, iiber die Einwirkungen des Grumlwassers

, auf die Bodenarten und auf die Bauwerke geben den er­forderlichen Anhalt, der durch eine umsichtige Bodenunter­suchung und Versuche iiber die Tragfähigkeit der einzelnenBodenschichten noch zu verstärken ist. Auch hier kann die

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Wissenschaft entscheidend eingreifen, wenn auell noch manchesIntegral im Untergrunde der Baugruben versteckt liegt undder Auffindung durch das geistige Auge eines geschicktenIngenieurs lJarl't; besonders gilt dies von einem zuver­lässigen .Ausdruck, der die Beziehungen zwischen der Trag­fähigkeit des Bodens für die Belastung durch grössere Bau­werke zu den 'Ergebnissen der Probebelastungen kleinererFlächen darstellt.

Die wissenschaftliche Untersuchung über die Stand­fähigkeit der Bauwerke soll an der Grenze des Bauwerkesselbst, d. h. dort, wo das Bauwerk sich auf den natürlichenBoden setzt, nicht Halt machen, wie dies so oft geschieht,sondern sich auch darauf erstrecken, wie schliesslich derBoden die Kräfte aufnimmt, die ihm vom Bauwerk zuge­mutet werden. Gerade manche alte Bauwerke frühererJahrhunderte, deren Konstruktion wir lläufig, wenn auchbisweilen mit Unrecht, bewundern, zeigen bei genauerUntersuchung, dass den Praktikern jener Zeit, denen unserewissenschaftlichen Hilfsmittel nicht zu Gebote standen, dierichtige Erkenntnis von der 'Wirkung der Bauwerke aufden Untergrund gefehlt hat, und dass manche dieser Bautendaher reellt gefährlich sind.

Der bauleitende Ingenieur muss während der Ausführungeines Baues unausgesetzt seine Aufmerksamkeit auf alle ein­tretenden Erscheinungen lenken und einer Schädigung desBaues durch dieselben vorbeugen, ja er muss eine besondereErfindungsgabe entwickeln in der Auffindung aller etwamöglichen Schädigungen, um niemals dut:ch ein verhängnis~

volles Ereignis überrascht zu werden. Eine beschaulicheAufsicht und ruhige Tage darf der ausführende Ingenieurnicht erwarten, da er im beständigen Kampfe mit den Er­scheinungen und den Kräften der Natur und häufig auchmit den Hindernissen, welclle die Menschen bereiten, dieVollendung seines Bauwerkes erstreben muss.

Für die Fundierung und den weiteren Aufbau des Bau­werkes wird nun meistens die Anwendung von Steinmaterialund llIörtel erforderlich. Die Auswahl des Steinmaterialserfordert oft grosse Vorsicht, da es auf Festigkeit, Dauer­haftigkeit und häufig auf ein dem Bauwerke besonders ent­sprechendes specifisches Gewicbt ankommt. Ist nicht durchdie Erfahrung bei ausgefiihrten Bauten die Güte des Stein­materials nacbgewiesen, oder darf man nach den geologischenVerhäItnissen nicht annell1uen, dass aus den betreffendenSteinbrüchen immer gleicllmässlg gutes Material geliefertwerden kann, oder handelt es sich um noch nicht erprobtekiinstlicbe Steine) so muss eine sorgfältige Prüfling. des

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Steinmaterials vorg'enommen werden. Hierzu bieten die invielen Staaten eingerichteten Prüfungsstationen für Bau­ll1aterialien die Möglichkeit." Bei der Anwendung des Steinmaterials wird man häufiggegen die Neignng der BaullUndwerker anzukämpfen haben,das schlechteste JHaterial in die Fundamente zn bringen,obgleich hier meistens die grösste Sicherheit und Dauer-haftigkeit erzielt werden sollte. .

In betreff des Mörtels, der die Steine zu verbinden llUt,sollte man glauben, dass dessen Herstellung und Verwendungauf rein praktischen ErfaJ.trungen beruhe und hierfür imLaufe vieler Jahrhunderte uuumstüssliche Regeln sichherausgebildet hätten, uud doch llUt auch hier erst aufGrund wissenschaftlicher Untersuchungen und Versuche iiberdie chemische Zusammensetzung der Uaterialien über dieErhärtung und die Festigkeiten sowie über die elastischenEigenschaften der JHörtelarten in der neuesten Zeit einwesentlicher Fortschritt erzielt werden können. Erst aufGrund neuerer BeobaclItungen und genauer Messungen derletzten J alu'il hat man in Zahlen feststellen können, wiedurch Unterschiede der Temperatur und des Druckes grosseMauermassen ihre Form verändern und ist llierdurch daraufaufmerksam g-emacht, welche Bedeutung die grössere odergeringere Elastizität des Mörtels besitzt" wenn es sich umdie Verhindertillg der Bildung von Rissen und Spalten imMauerwerk handelt.

'Während nun gewöhnliche Uörtelarten erst in mehrerenMonaten eine gering-e Erllärtung zeigen und nur einigehydraulisclle lIörtel 'in wenigen Wochen eine bemerkbareFestigkeit erreichen, wird die Bauausführung bisweilenderart beschleunigt, dass manche stärker beanspruchte Bau­teile noch ganz weichen Mörtel, besitzen. Besonders nach­teilig wirkt auf frischen Mörtel der an den Kanten mancherBauteile sich verstärkende Druck, wie derselbe durch ausladendeHausteine, b~vor sie vollständig eingemauei't sind, oder durchHorizOliitalschub von Bogen- und Gewölbekonstruktionen oderauch Sturmdruck gegen Mauerflächen während der Aus­führung oft hervorgerufen wird. Alle diese Wirkungenwährend der Bauausfiill1'lmg zu bedenken, ist die Aufgabedes bauleitenden Ingenieurs oder Architekten; ihm liegt diePflicllt ob, I' e c h t z e i t i g geeignete Gegenwirkungen zuschaffen, um den Gleichgewichtszustand zu erhalten; jedeUnterlassung in dieser Richtung ist strafbar. V i eIe Un­glücksfälle sind darauf zurückzuführen, dass man beim Ver­lauf der Bauausfiihrung dem Handwerker,der die Ent­stehung' und W~irkung der Kräfte nicht beurteilen konnte,

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es überlassen hat, wie er nach seiner Bequemlichkeit odernach dem Interesse seines !IeisterR die Reihenfolge dereinzelnen Arbeiten einrichtete. ~Ian darf nie vergessen, dasswährend einer Bauausführung oft der Druck derHand oder die Last eines einzigen Ziegelsteines, an der ge­fährlichen Stelle ausgeübt, die erste Ursache zum Einsturzeines Bauwerkes sein kann, und dass es daher die Haupt­aufgabe des Bauleitenden ist, .die· Reihenfolge der Arbeitenso einzurichten, dass derartig gefährliche Momente überhauptnicht eintreten.

Einen gefährlicheu Feind hat man besonders w äh I' endder Bauausführung in dem Froste zu suchen, der den frischen

-~Iörtel zerstört und d,ts Mauerwerk lockert. Bei Neubauten,welche kurz vor Eintritt des Frostes in gewöhnlichßm Mörteleiligst aufgeführt und wohl noch während des Frostes unterDach gebracht werden, -tritt eine Zerstörung des Mauerwerksmit Beginn des ersten Tauwetters um so leichter ein, jedünner die ~Iauepl sind und je mehr Durchbrechungen desUauerwerks (wie z. n. bei zahlreichen, oft dicht neben ein­ander liegenden Rauchzügen) dem Froste den Eintritt in dasInnere gestattet haben.

Alle hiergegen anzuwendenden Schutzmittel werden wäh­rend des Studinms bekannt gegeben; sollen also auch zurAnwendung gelangen.

Alle Eisen- oder Holzkonstruktionen, die der Ingenieuroder der Architekt anzuwenden hat, bedürfen nun wiederumeiner eingehenden statischen Untersuchung, welche bis indie kleinsten Verbindungen hinein sich erstrecken soll, denndie Erfahrung lehrt, dass die Handwerker nicht im standesind, den ihnen oft vollständig unbekannten Kräften durchdie Regeln ihres Handwerkes Rechnung zu tragen, und dassder Einsturz von Gebäuden oder Ingenieurbauten häufigauf das Versagen einer einzigen Nietverbindung, eineseinzigen Schraubbolzens oder einer schlechten Holzverbindungzurückzuführen ist.

Auch bei der Auswahl der Materialien muss der Kon­strukteur änsserste Vorsicht anwenden, um Fehler im ~Ia­terial zu entdecken bevor es in die Konstruktion gebracht,wird. Bei grossen Konstruktionen, wie Brücken- und Hallcn­bauten, erfordert die Ausführung der hierauf bezüglichcnfortlaufenden Untersuchnngen oft die Thätigkeit mehrererIngCl~ieure einige Jahre hindurch, wenn der bauleitende In­genieur mit ruhiO"em Gewissen die schwere Verantwortungfür das Gelino-en" des Bauwerkes tragen soll. Auf alle beidiesen Arbeit:n zu beachtenden Gesichtspunkte macht dieTechnische Hochschule während des Studiums aufmerksam.

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AUe .Feinde des Materials und die rechtzeitige Bekämpfungderselben, sowie die hierbei mit Erfolg anzuwendendenMittel lernt der Studierende kennen.

Ueberblickt man die Summe aller Hindernisse, welchesich eiuer grösseren Bauausführung durch die Naturkräfteund die Eigenschaften der Materialien entgeg'enstellen, sodarf man sich nicht wundern, dass manches Bauwerk schonwährend der Ausführung versagt, weil keiner der genanntenFaktoren übersehen werden darf, und man oft genötigt ist,sich auf die Gewissenhaftigkeit der Mitwirkenden zu ver·lassen, da man als Bauleiter nicht immer und überall zu­gegen sein kann. Um möglichst sicher zu sein, dass auchin seiner Abwesenheit ganz in seinem Sinne gehandeltwird, darf der bauleitende Ingenieur oder Architekt nichtmüde werden, alle Mitwirkenden, oft bis zum Arbeiter hinab,über ihre eigene Verantwortlichkeit und über den Zweckder Vorschriften und der Anordnungen aufzuklären, damitdieselben aus U e bel' zeug u n g das thun, was für dasGelingen des Baues notwendig ist. .

Hat nun ein bauleitender Ingenieur sein Bauwerk glück­lich vollendet,llat er sein Schiff mit der Ladung gIiicklichdurch den Ocean der Bauausführung geleitet, ohne Schadenzu leiden, dann sind die anfängliche ~iegesgewisslleit undder Uebermut einer ruhigen Auffassung und dem Ernstegewichen, der gewöhnlich jeden gewissenhaften erfahrenenIugenieur oder Architekten durch das Leben geleitet, da eres gelernt hat, sich stets der vollen Verantwortlichkeit bewusstzu sein und immer nur auf die Hindernisse zu blicken,welche sich der Bauausführung entgegenstellen.

Er wird erfahren haben, in welchen Puukten seinefrüheren Bauausführungen verbesserungsbedürftig sind, undwird dies .bei ferneren Ausführungen nutzbringend ver­werten.

Mit dankbarem Gemüt gegen Gott wird ein bauleitenderIngenier den fettigen Bau seinen Auftraggebern abliefern,wenn er ihnen sagen darf, dass kein Mensch bei dessenAusführung verunglückte, denn trotz der grössten Um­sicht einer Bauleitlmg gelingt es doch nur selten, grosseBauwerke olme Verlust an Menschenleben fertig zustellen.

AusseI' den technischen Schwierigkeiten, welche die Aus­führung eines g-rösseren Bauwerkes bietet, stellen sich. demausführenden Techniker sehr häufig noch grosse Hindernisseentgeg'en, welche die bei der Ausführung grosser BauteneJngesetzten Kommissionen bereiten, sobald entgegenstehendeMeinungen zu bekämpfen sind.

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·Wie man in einem solchen Falle mit den IIen s eh enund ihren Lei den s eh a fte n fertig werden kann, dasgehört freilich, trotz der grossen Zahl der Lehrgegenstände,nicht in das Lehrgebiet der Technischen Hochschule undmuss dem Taktgefiihle und der Gewandtheit jedes Bauleitendenüberlassen bleiben.

Das aber darf hier wohl gesagt werden: wenn det' bau­leitende Ingenieur nicht schroff abweisend, auf sein Besser­wissen pochend, auftritt, sondern streng sachlich und beider ·Wahrheit bleibt, auch keine !Ii~he scheut, um seineAnsichten zu be gr ii nde n, oder endlich, wenn er gegen­teilige Vorschläge sachlich prüft und das Gute derselbenzu verwerten sucht, dann wird es ihm erleichtert, mitKommissionen fertig zu werden und er wird oft die Freudehaben, einen anfänglichen Gegner als Freund auf seine Seitezu z~ehen. Im Ernstfalle wird es ihm dann ein besonderesUebergewicht versclJaffen, wenn er zur Verhinderung einerSchädigung des Bauwerkes erklären muss, nur dann dievolle Verantwortung für das Gelingen des Baues tragen zukönnen, wenn seine unabänderliche Ansicht zur Annahmegelangt.

Zum Schluss darf ich mir gestatten, auf einige Beispieleaus der Praxis hinznweisen, welche geeignet sind, dasVorgetragene zu erläutern und einen Begriff davon zugeben, mit welchen gewaltigen, sich unserem Vorstellungs­vermögen fast entziehenden Kräften, der Ingenieur oft zurechnen hat.

Können wir die KolJle als das Mittel betrachten,. inwelchem die Sonnen- und zum Teil die Erdwärme frühererJahrtausende aufgespeichert und uns zur Nutzbarmachungüberliefert wurde, so haben wir in dem gewaltigen Kreis­lauf des ·Wassers vom Meere zu den Höhen in Dampfformund zurück zum Meere in· tropfbar flüssiger Gestalt dieSonnenwärme der Gegenwart zu suchen, umgesetzt inmechanische Arbeit. Aus diesem gewaltigen Vorrat anmechanischer Arbeit, der nach unseren Begriffen als un­versieg·bar anzusehen ist, kann die Menschheit grossenNutzen schöpfen indem sie dem fliessenden ·Wasser be­stimmte ·Wege ;nweist um Motoren zu treiben. Seit die

, 'tElektrotechnik den Beweis geliefert hat, dass man nuNutzen, d. h. zu billigem Preise, Wasserkräfte durch Elek­tricität auf grössere Entfernungen (jetzt schon unbedenklichauf 30 bis 50 km) üßertragen kann, um sie. als Kraft oderLicht, bezw. als elektrischen Strom, ja zum Teil schon als,Värme abzuo-eben gewinnt die Ausnutzung der 'Vasser-'" ,kräfte mehr und mehr an Boden. Je höher man das

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"Wasser im Gebirge zurückhält, um es nutzbar zu machen,desto grösser ist die Energie, mit der dasselbezum Meere'zurückstrebt. Der sichtbare Strom unserer "Wasserläufe uudder uusiehtbare, langsam sich fortbewegende breite Stromdes Grundwassers, der alle Hindernisse durch Beharrlichkeitüberwindet, sie finden beide erst Ruhe im Meere, wenn derletzte Rest des Oberflächengefälles verbraucht ist.

Diese im Wasser des Gebirges aufgespeicherte Energieist es, welche nicht nur für die Nutzbarmachung, sondernauch in betreff der hierin versteckten Gefahren die be­sondere Aufmerksamk~it des Ingenieurs herausfordert.

Stürzt ein aus der Erdoberfläche llerausragendes Bau­werk ein, so ist der Schaden ein räumlic~l beschränkter,stürzt aber eine in g-rösserer Höhe, im Gebirge, zurück­gehaltene \Yassermasse plötzlich hervor, so wird derSchaden räumlich und auch sachlich in der Regel grosseAusdehnung annehmen, und kann man auch auf diesen Falldas "Wort des Dichters anwenden:

~Doch furchtbar wird die Himmelskraft,'Venn sie der Fesseln sich entmfrt,Einhertritt auf der eig'nen SpUl',Die freie Tochter der Natur!"

Als im Jahre 1888 in Sonzier bei Montreux die achtMeter llOhe Seitenmauer eines Hochbehälters, der nur 5000km \Yasser enthielt, wich, stürzte diese \Yassermasse inetwa 15 Minuten auf 300 Meter Tiefe in den benachbartenGenfer See hinab, eine Leistung von 22000 Pferdekräftenin der genannten Zeit entwickelnd, und daher alles ver­wüstend, was sich diesem Anprall entgegenstellte.

Obgleich in diesem Falle unzweifelhaft nachgewiesen ist,dass die Konstruktion viel zu schwach und die Ausführungder Mauerung äusserst mangelhaft vorgenommen war, wurdendie Erbauer zur Verwunderung der technischen Kreise vonden Schweizer Gerichten freigesprochen; es scheinen dieRichter der Ansicht des Verteidig"ers der Erbauer sich an­geschlossen zu llaben, dass die Natur sich ihre Geheimnissenur gegen grosse Opfer entreissen lasse. Ob. die verant­wortlichen Erbauer durch diesen Richterspruch in ihremGewissen Beruhigung gefnnden haben, darf wohl bezweifeltwerden.

Die Ing'enieure können mit der Bevölkerung nur den\Vunsch llaben, dass in jedem derartigen Falle die vo Il e\V a h rh ei t an. den Tag kommt,und '(lass kein Techniker,selbst nicht aus erklärlichem Mitleid mit einem Fach­genossen, zur Verdunkelung der Thatsachen oder ihrer Er­klärllllgen beiträgt.

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In seinem Berichte vom. 15. Februar 1892 iiber dieAusführung von Sammelbecken im Gebirge ruft der Inge­nieur Marins Bouvier, Inspecteur general des Ponts etChaussees, den Ingenieuren zu: .

•Ihrem Geiste müssen, mag e<; sich um die Errichtungoder Unterhaltung solcher Bauten handeln, stets die schreck­lichen Folgen eines Einsturzes derselben vorschweben, wiedieselben dUl;ch die Unglücksfälle dargethan sind, w~lche

die Dammbrüche von Pnentes, Bradfield, Tabia und Rabraim Gefolge hatten.

Mit Recht hat einer unserer hervorragendsten Ingenieure,Krantz, in seiner Studie iiber die Reservoil'mallern gesagt:.Angesichts solcher lIIöglichkeiten darf der Ingenieur nichteinen Beweis von Kühnheit geben, oder der Bevölkerungdas Unterpfand einer zur· \Viedergutmaclmng so grosseI'Katastrophen unzulänglichen Verantwortlichkeit anbietenwollen. - lIag sie auch noch so wenig zur Verwegenheithinneigen, so wi.rd doch in einem solchen Falle die Küllll­heU beinahe unmoralisch. -Man muss sie streng ächten undsich dem Grundsatze einer ängstlichen Vorsicht unterwerfen.Der gleiche Grundsatz der Vorsicht drängt sich bei derFrage der Unterhaltung" der bestehenden Bauten auf, unddie Gefaln' einer fortschreitenden Verschlechterung desMörtels unter der langsamen Einwirkung der Sickerungen,auf welche die gewichtige Stimme des General-InspektorsGuillemain in seinem Kursus der Binnenschiffahrt auf~

merksam gemacht hat, scheint uns der regen Aufmerksamkeitjener Ingenieure wiirdig zu sein, denen die Unterhaltungdieser Bauten anvertraut wurde."" -

Die Grösse des \Vasserdruekes, der durch die Absperrungvon Thälern erzeugt wird, mag durch folgende Zahlen er-läutert werden. .

Der horizontale Wasserdt'uck, welcher gegen die Rem­scheider ThalBperre wirkt, beträgt 20 Millionen Kilogramm,die Last des Mauerwerks derselben etwa 42 MillionenKilogramm.

Gegen den im April d. J. zerstörten Damm von Bonzeybei EpillaI, welcher iiber 500 Meter Länge in der Kronebesass, wirkte ein horizontaler \Vasserdruck von etwa80 Millionen Kilogramm; während der Druck gegen den120 lIIeter langen mittleren zerstörten Teil dieses Dammesetwa -20 Milliollen Kilogramm betrug.

In 15 Minuten stürzte durch die Bruchstelle diesesDammes die \Vassermasse von 7 i\Iillionen Kilometern thal­abwärts. Auf ein Gefälle von 100 Metern, welches aufetwa 10 bis 12 Kilometer I..änge des Thales unterhalb Bouzey

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zu rechnen sein wird,entwickelte der Absturz dieser \Yasser­masse in 15 Minuten eine absolute Leistung von etwa10 Millionen Pferdekräften, etwa 3 bis 4 mal so viel, alsdie gewaltigen Fälle des Niag:ua besitzen.

.Darf man sich wundern, wenn durch solche Riesenkräfteganze Ortschaften und Hunderte, ja, wie beim Dammbruchoberhalb Johnstown vor mellreren Jahren, viele Tausendevon Menschen vernichtet werden!

Fragt man nun nach den Ursachen der jüngsten Katastrophevon Bouzey, so steht der Ingenieur auch hier durchaus nichtvor einern Rätsel, da hier gegen alle Regeln gesündigt ist,welche eine sichere Konstruktion und eine sorgfältige Aus­führung vorschreiben. Zu verwundern ist nur, dass einederartige Ausführung gerade in Frankreich möglich war,wo doch vorzügliche Ausführungen, welche die Bewnnderungder Ingenieure aller Nationen schon auf der Ausstellnng inWicn im Jahre 1873 hervorriefen, in grösserer Zahl mitErfolg durchgeführt. waren, und wo Ingenieure in denhöchsten Stellungen ihre Fachgenossen stets zu äussersterVorsicht in betreff der Damm-Ausführungen ermahnten.

Der etwa 21 Meter hohe Damm von Bouzey, welchernur etwa 15 Meter \Vasserstauüber Thalsohle auszullaltenhatte, 'und über 500 Meter Länge in der Krone besass,wurde im Jahre 1882 auf unzuverlässigem Untergrundeerbaut, welcher aus Thon und Sand und klüftigem, starkwasserführendem losen Sandsteinfelsen bestand. UnzureichendeVorarbeiten haben jedenfalls die ung'enügende Tiefe und Artder Fundierung veranlasst. Es wäre Pflicht des bauleitendenIngenieurs gewesen, bei Freilegung des Untergrundes dieAusführung des Baues an dieser Stelle ganz zu unterlassen,oder wenigstens eine derartige Umarbeitung des Entwurfeseintreten zu lassen, dass der Bau etwa das 3- bis .4facheder wirklich aufgewandten Kosten erfordert hätte. ,

Das Profil' der Mauer, aus leichtem losem Sandstein, mitnur 2000 Kilogramm Gewicht eines Kubikmeters Uauerwerkhergestellt, war viel zu schwach, um die bei solchen Mauernäusserst gefährlichen Zugspannungen zu verhüten. Um dieg'egen Umkippen und Verschieben erforderliche. Sicherhejtzu bieten, hätte unter den obwaltenden Umständen die Uaueretwa zweimal so stark sein müssen, als sie ausgeführt war.Da die Mauer bei irrellr als 500 Meter Länge in der KronegeraJlinig ausgeführt wlll'de, so hat sie durch die Einwirkungdes Frostes vertikale Riss'e erhalten, in welche das\Vasser eindringen und in' Verbindung mit dem Frosteäusserst nachteilig wirken' musste. Hätte man der :Uauerim Grundriss eine dem 'Wasser zugekehrte Gewölbeform ge-

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geben, so würde sie trotz der zu geringen Stärke und trotz­der ungünstigen Untergrundverhältnisse noch notdürftiggehalten haben.

Schon im März 1884, als die Mauer zum erstenmalekaum mit 70 Proz. des vollen Thalbeckeninhaltes in Anspruchgenommen war, wurde der jetzt fortgerissene Teil -derselbenvon etwa 120 lIeter Länge um etwa 30 Centimeter horizontalverschoben. Durch die im Mauerwerk und im UntergrundeentstaThdenen Undichtigkeiten ging täglich eine Wassermengevon 30000 Kubikmetern verloren. .

\Var es schon schwer erklärlich, dass die erste Aus~

führung des Dammes von Bouzey in Fra ukre i eh zuge­lassen wurde, so ist es ganz unverständlich, dass unter denAugen der französischen Behörden und der hervorragenden

- französischen Ingenieure der beschädigte Damm von Bouzeyin den Jahren 1888 und 1889 einer Reparatur unterzogenwurde, welche nach den vorliegenden Beschreibungen undZeichnungen des Ober-Ingenieurs Denys vom 1. Februar 1892lediglich darauf gerichtet war, eine weitere Verschiebungdes !Iauerfusses .zu verhindern und eine bessere Abdichtungim Untergrunde zu. erzielen, ohne die erforderliche Sicherheitgegen Umkippen zu schaffen und ohne die Gefahr desAufreissens der Mauer an der Wasserseite durch Auf­hebung der Zugbeanspruchungen daselbst zu beseitigen. Hierbeiist nicht zu übersehen; dass es überhaupt sellr sclJ\ver ist,nachträglich einer derartigen verfehlten Anlage die erforder­liche Sicherheit zu .,-erschaffen.

Der verflossene sehr strenge Winter hat nun die Mauerderart gelockert. dass dieselbe an der "'vasserseite bei ge­fülltem Thalbecken und der daselbst gesteigerten starkenBeanspruchung auf Zug aufriss. Durch Eindringen des'Wassers in die entstannene horizontale Fuge und den hier­durch lJervorgerufenen vertikalen Wasserdruck nach oben,musste die Mauer förmlich explodieren, wobei Mauerklötzevon etwa 200 Kubikmeter Inhalt durch die hervorbrechenden\Vasserwogen auf grosse Entfernungen fortgeschleudert wurden.

Es ist nun verwerflich, wenn Ingenieure sich dazu her­geben, derartige Konstruktionen als zulässig bezeichnen unddie Ursachen der Zerstörung in Dunkel hüllen zu wollen.Man braucht auch in diesem Falle nach keinen Geheimnissenzu forschen, da der Damm von Bouzey nur seine Schuldig~

keit gethan IJat, als er den auf ihn wirkenden Natur­kräften wich.

Die in Frage' kommenden Wirkungen hätten unbedingtvon den konstruierenden \lnd bauleitenden Ingenieuren vor­hergesehen werden müssen.

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Für die Lehrer . und. die Studierenden der TecllllisclIenHochschulen erwächst in' AnbetraclIt der gewaltigen Natur­kräfte, welche bei vielen Bauwerken auftreten, die Pflicht,mit äusserster Gewissenhaftigkeit die Wirkung dieser Kräftezu studieren und die Konstruktionen' denselben anzupassen,um in allen Teilen und unter allen Umständen den Gradder Sicherlleit zu sclIaffen,· ·.welchen man nach den Eigen­schaften der ang-ewandten Konstruktionsmaterialien bestimmtanzugeben im stande ist.

\Venn auch schon während lies Studiums an den Tech­nikel' sehr holle Anforderungen gestellt werden müssen und wennauch eine schwerwiegende Verantwortung den ausübendenTechnikererwartet, so wird doch der frische, frohe Mut, welcherein erfreuliches Vorrecht der akademischen Jugend ist, vor derUeberwindung solcher Schwierigkeiten nicht znrückschrecken..

. Ihnen, meine lieben Herren Studierenden, kann ich imNamen des Lehrkörpers der Technischen Hochschule und aufGrund langjähriger Erfahrungen an mir selber, an meirienfrüheren Kommilitonen und an älteren Studierenden unsererHochschule die bestimmte Zusicherung geben, dass die wissen­schaftliche Grundlage, welche Sie für Ihre Specialgebietean der Technischen HoclIschule erwerben· können, Ihnen einenie versagende Stütze in Ihrer demnächstigen Praxis bietenwird, und dass die Anwendung und Förderung der tech­nischen \Vissenschaften Sie befähigt, die zahlreichen, immerneuen Aufgaben der Technik sielter zu lösen, 'ohne ängst­lich nach Vorbildern ausschauen zu müssen.

Hat doch die Ingenieur-Abteilung auf der\Velt-Aus­stellung in Chicago. den von allen Nationen anerkannten er­freulichen Beweis geliefert, dass die wissenschaftliche Aus­bildung der Ingenieure an den TechnisclIen HochschulenDeutschlands die deutschen Ingenieure zu Leistungen be­fähigt, welche diejenigen ausländischer Ingenieure zum Teilweit überflügelt haben. Durch diese Erfolge ist der Beweisgeliefert, dass Theorie und Praxis im Baufache keine Gegen­sätl':e sind, sondern sich vollständig decken oder ergänzen,und dass der SpruclI im Giebelfelde des nenen chemischenLaboratoriums: "Mens agitat molern", d. h: "Der Geist be­herrscht die Materie" auch für die Baukunst gilt.

Aus den Erfahrungen, welclIe die Technische Hochsclllliezu Aachen seit 25 Jahren in ihren Beziehungen zu derPraxis lIat ,sammeln können, darf man wohl den SclIlussziehen, dass die Ueberzeugung von der Richtigkeit derTheorien in technischen Fragen in immer weitere Kreisegedrungen, uud damit das Vertrauen zu· den Leistungen derakademisch gebildeten TeclIniker gewachsen ist.

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Damit Sie, meine' Herren Studenten, nun die Bedeutungund die Verantwortlichkeit der Ihrer harrenden Thätigkeitaus eigener Erfahrung rechtzeitig kennen lernen, muss ichIhnen eine erste praktische Thätigkeit wünschen, welcheeiner stürmischen Fahrt durclI den Ocean vergleicllbar is',.dann werden Sie aus einer solclleu Prüfungszeit . mit derBescheidenheit, Festigkeit und Umsicllt llervorgehen, welchedie Grundlage für eine segensreiclle TlJäfigkeit bilden müssen,die Sie im Dienste Ihrer Nächsten und Ihres Vaterlandesauszuüben berufen sind.

Rüsten Sie sich zu dem Ihnen bevorstehenden Kampfegegen die Naturkräfte, indem Sie die geistigen 'Waffenanlegen und scllarf erhalten, welche Ihre Lehrer an unsererHochschule Ihnen zu liefern freudigen Herzens bereit sind.

Nutzen Sie die Gelegenlleit, welche lImen hier durchdie guten Beziehungen des Lehrkörpers zu den Studierendenund durch' den möglichen regen persönlichen Verkehr mitIhren Lehrern in den Uebungsstunden geboten ist.

Sie werden dann in späteren Jahren gerne an IhreStudienzeit zurückdenken und bei voller Freudigkeit und~efriedigung in Ihrem Berufe die 'Wahrheit des Dichter­wortes an sich erfallrell:

»Das ist's j:l, was don l\Ienschon zieret,Und dazu ward ihm der Verstand,Dass er im innern Herzen spüret.\Yas er erschafft mit seiner Hand."

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