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managerSeminare | Heft 209 | August 2015 Moralisches Missverständnis – Information ist alles C Nie war Wissen so verfügbar wie heute. Wer etwas nicht weiß, schaut einfach im Internet nach. Das ist so selbstverständlich, dass man glauben kann, jedes Wissen sei potenziell für jeden verfügbar, man müsse sich nur „aufschlauen“. Doch das gilt nur für eine bestimmte Form von Wissen, das Infor- mationswissen. Daneben gibt es aber andere Formen, die weniger leicht zu beschaffen sind, zum Beispiel das Gewohnheitswissen, das einen morgens sicher zum Arbeitsplatz bringt und Routineaufgaben ohne großes Nachdenken bewältigen lässt. Dann gibt es das Erfahrungswissen, mit dessen Hilfe man die Qualität seiner Arbeit verbessern und schwierige Situationen meistern kann. Und es gibt eine vierte Wissensdimension, die im Arbeitsleben oft nicht den Stellenwert hat, die sie verdient: das Lebenswissen. Man könnte auch von Weisheit sprechen. Im Mittelalter war Weisheit der Gipfel aller Verstandestätigkeit, das höchste Ziel, das ein guter Mensch anstreben konnte. In der Weisheit verbanden sich nach damaliger Vorstellung Charakter und Wissen zu einer Einheit, es ging um das richtige Handeln, um das Verstehen des Ursprungs, Sinns und Ziels dieser Welt, um die letzten Dinge wie Tod, Himmel und Hölle. Im heutigen Verständnis würde man Weisheit vielleicht zutreffender als ein Expertenwissen auf dem Gebiet der fundamentalen Pragmatik des Lebens be- schreiben. Expertenwissen deshalb, weil es bei der Weisheit um qualitatives Wissen geht, nicht um quantitatives. Ein Experte weiß nicht unbedingt viel, er weiß gut. Dieses gute Lebenswissen befähigt zu ausgewogenen Urteilen, fundierten Ratschlägen und zum Umgang mit Ungewissheiten. Vor allem aber dient es als ein ethisches Korrektiv bei der Nutzung anderer Wissensformen – und es hilft, Menschen besser zu verstehen. Weisheit ist damit eine Führungsqualität ersten Ranges, oder sollte es zumindest sein. Denn Weisheit geht über oberflächliches In- formationswissen hinaus. Eine weise Füh- rungskraft würde etwa einen Mitarbeiter nie nur nach Leistungsdaten beurteilen, sondern auch seine individuellen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen berück- sichtigen, seine Talente, seinen Charakter, seine Grenzen. In der Philosophie werden eine Reihe weiterer Unterschiede definiert: A Ein weiser Mensch versucht, Irrtümer und Täuschungen zu minimieren. Ein unweiser Mensch schließt Irrtümer und Täuschungen dogmatisch aus. A Alles, was uns sinnvoll, nützlich und brauchbar erscheint, ist immer auch unnütz, unbrauchbar unsinnig, je nach Blickwinkel. Wer etwas absolut bewertet, ist unweise. A Ein weiser Mensch stellt Wahrheiten und Selbstverständlichkeiten in Frage. Denn Dinge verändern sich, und ihre Bewertung ist subjektiv. Jeder Mensch hat das Recht, sich an Selbstverständlichkeiten zu binden, aber nicht, sie für andere verpflichtend zu machen. A Ein weiser Mensch kann differenzieren und komplexe Sachverhalte ohne wesent- lichen Verlust vereinfachen und begreifbar machen. Der unweise Mensch verliert sich in der Komplexität. A Der weise Mensch denkt in Alternativen. Es gibt für ihn zu jeder Vorgehensweise auch noch eine andere Möglichkeit. Der unweise Mensch denkt nicht alternativ, sondern ad- versativ. Ihm ist es wichtig, Widersprüche zu widerlegen. A Ein weiser Mensch versucht, sich auf die Wertvorstellungen, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse anderer Menschen einzu- stellen. Der unweise Mensch geht davon aus, dass seine eigenen Werte, Erwartungen, Be- dürfnisse und Interessen auch für andere gelten. Je mehr wir uns auf das Informationswis- sen und seine Verfügbarkeit stützen, desto mehr laufen wir Gefahr, das Wissen um das Leben und das Menschsein zu verlieren und Mitarbeiter nur noch als Funktionseinheiten zu sehen. Sie sind jedoch keine seelenlosen Zombies, sondern soziale Wesen mit indi- viduellen Fähigkeiten und Grenzen, die zu würdigen nicht nur ethisch ist, sondern auch entscheidend für den Unternehmenserfolg. In diesem Sinne: Seien Sie weise. UlfD.PoséC ExpertefürWirtschaftsethik undUnternehmenskultur [email protected] N S O W Ulf D. Posé: Der ethische Kompass

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    Moralisches Missverständnis – Information ist alles

    C Nie war Wissen so verfügbar wie heute. Wer etwas nicht weiß, schaut einfach im Internet nach. Das ist so selbstverständlich, dass man glauben kann, jedes Wissen sei potenziell für jeden verfügbar, man müsse sich nur „aufschlauen“. Doch das gilt nur für eine bestimmte Form von Wissen, das Infor-mationswissen. Daneben gibt es aber andere Formen, die weniger leicht zu beschaffen sind, zum Beispiel das Gewohnheitswissen, das einen morgens sicher zum Arbeitsplatz bringt und Routineaufgaben ohne großes Nachdenken bewältigen lässt. Dann gibt es das Erfahrungswissen, mit dessen Hilfe man die Qualität seiner Arbeit verbessern und schwierige Situationen meistern kann. Und es gibt eine vierte Wissensdimension, die im Arbeitsleben oft nicht den Stellenwert hat, die sie verdient: das Lebenswissen. Man könnte auch von Weisheit sprechen.

    Im Mittelalter war Weisheit der Gipfel aller Verstandestätigkeit, das höchste Ziel, das ein guter Mensch anstreben konnte. In der Weisheit verbanden sich nach damaliger Vorstellung Charakter und Wissen zu einer Einheit, es ging um das richtige Handeln, um das Verstehen des Ursprungs, Sinns und Ziels dieser Welt, um die letzten Dinge wie Tod, Himmel und Hölle. Im heutigen Verständnis würde man Weisheit vielleicht zutreffender als ein Expertenwissen auf dem Gebiet der fundamentalen Pragmatik des Lebens be-schreiben. Expertenwissen deshalb, weil es bei der Weisheit um qualitatives Wissen geht,

    nicht um quantitatives. Ein Experte weiß nicht unbedingt viel, er weiß gut. Dieses gute Lebenswissen befähigt zu ausgewogenen Urteilen, fundierten Ratschlägen und zum Umgang mit Ungewissheiten. Vor allem aber dient es als ein ethisches Korrektiv bei der Nutzung anderer Wissensformen – und es hilft, Menschen besser zu verstehen.

    Weisheit ist damit eine Führungsqualität ersten Ranges, oder sollte es zumindest sein. Denn Weisheit geht über oberflächliches In-formationswissen hinaus. Eine weise Füh-rungskraft würde etwa einen Mitarbeiter nie nur nach Leistungsdaten beurteilen, sondern auch seine individuellen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen berück-sichtigen, seine Talente, seinen Charakter, seine Grenzen. In der Philosophie werden eine Reihe weiterer Unterschiede definiert:A Ein weiser Mensch versucht, Irrtümer und Täuschungen zu minimieren. Ein unweiser Mensch schließt Irrtümer und Täuschungen dogmatisch aus.A Alles, was uns sinnvoll, nützlich und brauchbar erscheint, ist immer auch unnütz, unbrauchbar unsinnig, je nach Blickwinkel. Wer etwas absolut bewertet, ist unweise. A Ein weiser Mensch stellt Wahrheiten und Selbstverständlichkeiten in Frage. Denn Dinge verändern sich, und ihre Bewertung ist subjektiv. Jeder Mensch hat das Recht, sich an Selbstverständlichkeiten zu binden, aber nicht, sie für andere verpflichtend zu machen.

    A Ein weiser Mensch kann differenzieren und komplexe Sachverhalte ohne wesent-lichen Verlust vereinfachen und begreifbar machen. Der unweise Mensch verliert sich in der Komplexität. A Der weise Mensch denkt in Alternativen. Es gibt für ihn zu jeder Vorgehensweise auch noch eine andere Möglichkeit. Der unweise Mensch denkt nicht alternativ, sondern ad-versativ. Ihm ist es wichtig, Widersprüche zu widerlegen. A Ein weiser Mensch versucht, sich auf die Wertvorstellungen, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse anderer Menschen einzu-stellen. Der unweise Mensch geht davon aus, dass seine eigenen Werte, Erwartungen, Be-dürfnisse und Interessen auch für andere gelten.

    Je mehr wir uns auf das Informationswis-sen und seine Verfügbarkeit stützen, desto mehr laufen wir Gefahr, das Wissen um das Leben und das Menschsein zu verlieren und Mitarbeiter nur noch als Funktionseinheiten zu sehen. Sie sind jedoch keine seelenlosen Zombies, sondern soziale Wesen mit indi-viduellen Fähigkeiten und Grenzen, die zu würdigen nicht nur ethisch ist, sondern auch entscheidend für den Unternehmenserfolg. In diesem Sinne: Seien Sie weise.

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