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Praxis der medizinischen Trainingstherapie I

Lendenwirbelsäule, Sakroiliakalgelenk und untere Extremität

Frank DiemerVolker Sutor

3., aktualisierte und erweiterte Auflage

662 Abbildungen

Georg Thieme VerlagStuttgart · New York

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Frank DiemerIm Rehling 687466 [email protected]; [email protected]

Volker SutorGesundheitsrondell – Zentrum für Physiotherapie,Ergotherapie, Logopädie und FitnessAustraße 3074336 Brackenheimwww.gesundheitsrondell.de, [email protected]; [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 20062. Auflage 2011

© 2018 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstr. 1470469 StuttgartDeutschlandwww.thieme.de

Printed in Germany

Zeichnungen: Helmut Holtermann, DannenbergMit Übernahmen aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U.Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Illustrationen vonM. Voll und K. Wesker. Stuttgart: Thieme

Umschlaggestaltung: Thieme GruppeSatz: Ziegler und Müller, text form files, Kirchentellinsfurt,gesetzt in APP 3B2, V. 9Druck: Westermann Druck GmbH, Zwickau

DOI 10.1055/b-004-132 252

ISBN 978-3-13-139983-0 1 2 3 4 5 6

Auch erhältlich als E-Book:eISBN (PDF) 978-3-13-164093-2eISBN (epub) 978-3-13-198093-9

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizinständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und kli-nische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse. Ganz be-sonders gilt das für die Behandlung und die medikamentöseTherapie. Bei allen in diesem Werk erwähnten Dosierungenoder Applikationen, bei Rezepten und Übungsanleitungen,bei Empfehlungen und Tipps dürfen Sie darauf vertrauen:Autoren, Herausgeber und Verlag haben große Sorgfalt da-rauf verwandt, dass diese Angaben dem Wissensstand beiFertigstellung des Werkes entsprechen. Rezepte werden ge-kocht und ausprobiert. Übungen und Übungsreihen habensich in der Praxis erfolgreich bewährt.Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden.

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mit der Krankheit zu tun.

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GeleitwortDie Bücher „Praxis der Medizinischen Trainings-therapie Band 1 und 2“ gehören seit vielen Jahrenzu den Standardwerken sowohl für Physiothera-peuten und Sportwissenschaftler als auch fürMediziner, die sich über die Möglichkeiten in derorthopädisch-traumatologischen Rehabilitationsowohl bei konservativer als auch nach operativerVersorgung informieren wollen.

Die 3., komplett neu überarbeitete Auflage re-flektiert die Veränderungen der letzten Jahre imBereich der aktiven Therapie. Ein großer Teil desBuches wurde auf der Basis neuerer Erkenntnisseund anhand von evidenzbasierten physiothera-peutischen, sportwissenschaftlichen und medizi-nischen Wissensbeständen neu erstellt und farbigbebildert. Nicht nur der theoretische, sondernauch der praktische Teil (Übungsteil) ist deutlichumfangreicher als in den früheren Auflagen, wasin der 3. Auflage durch 300 zusätzliche Seiten do-kumentiert wird.

Der Aufbau und die Struktur des Buches zeigtdurchgehend einen roten Faden. Im Kapitel 1, Bin-degewebe und Wundheilung, wird auf wichtigeFragen eingegangen, die nach allen Traumata undOperationen bedeutsam sind. Gerade in den letz-ten Jahren ist die Frage, wie Bindegewebe (z.B.Sehnen, Knorpel) sowie Muskeln und Knochen aufBe- und Entlastung reagieren und wie die ver-schiedenen Gewebe während der verschiedenenPhasen der Wundheilung durch Therapie und Trai-ning positiv beeinflusst werden können.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit den Grundlagender Trainingslehre, die sinnvollerweise primär auforthopädisch-traumatologische Anwendungsfelderbezogen sind. Neben praktischen Informationenwerden Fallbeispiele und Hintergrundinformatio-nen genannt.

Die weiteren Kapitel, die Lendenwirbelsäule,SIG, Hüfte, Knie und Fuß behandeln, haben immerdie gleiche übersichtliche Struktur, was für denLeser die Orientierung erleichtert.

Neben praktischen Hinweisen zur Untersuchunggibt es theoretische Informationen zu Anatomie,Biomechanik und möglichen Pathologien. DiePathologien werden meist anhand der Wund-heilungsphasen besprochen und orientieren sichnicht an den klassischen, zeitbezogenen Nach-behandlungsschematas, sondern an den funktio-nellen Fortschritten.

Zusammenfassend kann festgestellt werden,dass die Autoren Frank Diemer und Volker Sutor,auf der Basis der aktuellen Literatur und unterIntegration ihrer langjährigen praktischen Erfah-rungen, ein Buch geschaffen haben, das auch inder 3. Auflage als Standardwerk in der ortho-pädisch-traumatologischen Rehabilitation be-zeichnet werden kann und in dem nicht nur dertheoretische, sondern auch der praktische Bezugder Autoren erkennbar ist. Ich wünsche dem Bucheine weite Verbreitung - zum Wohle der Patienten.

Univ.-Prof. Dr. J. Freiwald M.A.

Bergische Universität WuppertalForschungszentrum für Leistungsdiagnostikund Trainingsberatung (FLT)Arbeitsbereich Bewegungs-und SozialwissenschaftenFuhlrottstraße 1042119 Wuppertal

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VorwortNach fast 10 Jahren und 3 Auflagen war es an derZeit, unserem Anspruch gerecht zu werden, aktu-elle wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien-ergebnisse praxisnah darzustellen.

Es hat sich viel getan in den letzten 10 Jahren.Viele Inhalte und Erklärungen im Buch haben wiraktualisiert. Zeichnungen wurde erneuert, zu vie-len Übungen haben wir anschauliche Fotos ge-macht und nicht zuletzt haben wir kleine Fehlerder Vorauflagen korrigiert.

Die Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichun-gen ist in den letzten Jahren schier unüberschau-bar geworden. Heute kann man kaum noch in al-len Bereichen spezialisiert sein. Trotzdem habenwir nach bestem Wissen und Gewissen versucht,die aktuelle Literatur in unsere praktischen Erfah-rungen einfließen zu lassen, um so ein praxisnahesBuch, angereichert mit Hintergrundwissen, zu prä-sentieren.

Selbstverständlich konnten wir nicht alle Quel-len verarbeiten. Darauf weisen wir ausdrücklichhin. Wir versuchten immer, den Überblick zu be-halten und nicht eine einzelne Quelle überzu-bewerten. Auch weil wir es für problematisch hal-ten, wenn einzelne Studienergebnisse aus vielenherausgehoben werden, was leider zu einer Pro-blematik in den letzten Jahren wurde. Mit diesereher zweifelhaften Methode sollen Ergebnisse be-oder widerlegt werden. Doch so einfach darf manes sich nicht machen. Ein kritischer Überblick übereine große Anzahl von Quellen ist notwendig, umqualifizierte Aussagen treffen zu können.

Auch bei dieser Ausgabe haben wir wieder unse-re Familien und die Mitarbeiter des Verlagesgrenzwertig belastet. Wir wollen deshalb herzlichunseren Frauen und unseren Kindern danken. Sie

mussten erneut viele Tage auf uns verzichten, indenen wir uns mit Literaturrecherche und demSchreiben beschäftigten. Ohne die Unterstützungunserer Familien wären weder unsere Bücher nochunsere anderen fachlichen Aktivitäten möglich. Ihrhaltet uns den Rücken frei. Danke!

Natürlich sollten wir noch vielen anderen Men-schen für ihre Unterstützung danken. Nicht allekönnen wir namentlich erwähnen. Unbedingtnennen wollen wir aber Nedi Goreta (unseremFreund und Geschäftspartner in der FOMT) sowieallen Lehrern und Assistenten der FOMT, die unsimmer wieder hinterfragen und unterstützen.Auch den Mitarbeitern und Kollegen in den Praxendanken wir. Sie überprüfen die Praktikabilität un-serer Inhalte. Danken wollen wir auch allen Teil-nehmern, die unsere Kurse besuchen, insbesonde-re denen, die uns kritische und positive Rückmel-dungen geben.

Vom Thieme-Verlag wollen wir insbesondereFrau Grünewald, Frau Plach, dem Fotografen HerrnOldenburg und Rosi Haarer-Becker (die uns vorvielen Jahren das Vertrauen schenkte und dieBücher ermöglichte) danken. Sie haben sehr vielGeduld mit uns gehabt und uns viele Fehler verzie-hen. Auch Prof. Freiwald wollen wir herzlich dan-ken, der sich trotz seiner knappen Ressourcen dieZeit nahm und das Geleitwort schrieb.

Zu guter Letzt wollen wir den Firmen Proxomed,Pixformance, Bort und MTD Balance für diefreundliche Bereitstellung der Bilder danken.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern vielSpaß und Erfolg mit der neuen Auflage und freuenuns über Feedback.

Frank Diemer und Volker Sutor

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Inhaltsverzeichnis

Medizinische Trainingstherapie

1 Bindegewebe und Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.1 Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.1.1 Bindegewebsphysiologie . . . . . . . . . 121.1.2 Bewegungsreize auf Bindegewebe . 21

1.2 Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501.2.1 Phasen der Wundheilung. . . . . . . . . 501.2.2 Spezifische Therapie verschiedener

Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

2 Grundlagen der Trainingslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

2.1 Motorische Hauptbean-spruchungsform Kraft . . . . . . . . . . 100

2.1.1 Anatomie der Muskelfaser(Muskelzelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

2.1.2 Kraftausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1032.1.3 Maximalkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1042.1.4 Schnellkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

2.2 Motorische Hauptbean-spruchungsform Ausdauer. . . . . . 116

2.2.1 Lokal aerobe dynamischeMuskelausdauer (A). . . . . . . . . . . . . . 116

2.2.2 Allgemein aerobe Grundlagen-ausdauer (B) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

2.2.3 Spezielle Ausdauermethoden (C) . . 122

2.3 Motorische Hauptbean-spruchungsform Koordination . . 122

2.3.1 Sinnesmodalitäten undKomponenten der Koordination . . . 122

2.3.2 Strategien der motorischenKontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

2.3.3 Verbesserung der Koordination(Testung und Training) . . . . . . . . . . . 131

2.4 Motorische Hauptbeanspru-chungsform Beweglichkeit . . . . . 153

2.4.1 Einflussfaktoren aufdie Gelenkbeweglichkeit . . . . . . . . . 153

2.4.2 Klinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1552.4.3 Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

3 Lendenwirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

3.1 Allgemeine Untersuchung . . . . . . 1723.1.1 Spezifische und unspezifische

Rückenschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . 1723.1.2 Subjektive Untersuchung . . . . . . . . . 1763.1.3 Objektive Untersuchung. . . . . . . . . . 177

3.2 Bandscheibe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1793.2.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1793.2.2 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1823.2.3 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1863.2.4 Physiologisches Altern

versus Degeneration . . . . . . . . . . . . . 1943.2.5 Interne Bandscheibenruptur –

Derangement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

3.2.6 Bandscheibenprolaps –Derangement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

3.3 Facettengelenk . . . . . . . . . . . . . . . . 2153.3.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2153.3.2 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2183.3.3 Degeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2213.3.4 Facettensyndrom. . . . . . . . . . . . . . . . 2223.3.5 Facettengelenkblockierung . . . . . . . 226

3.4 Instabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2293.4.1 Stabilität der LWS . . . . . . . . . . . . . . . 2293.4.2 Instabilität der LWS. . . . . . . . . . . . . . 247

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4 Sakroiliakalgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2684.2 Allgemeine Untersuchung . . . . . . 2684.2.1 Subjektive Untersuchung. . . . . . . . . 2694.2.2 Objektive Untersuchung . . . . . . . . . 269

4.3 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2734.3.1 Gelenkflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2734.3.2 Passive Stabilisatoren . . . . . . . . . . . . 2754.3.3 Aktive Stabilisatoren . . . . . . . . . . . . 2764.3.4 Innervation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

4.4 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2774.4.1 Mobilität des SIG. . . . . . . . . . . . . . . . 277

4.4.2 Stabilität des SIG . . . . . . . . . . . . . . . . 279

4.5 Hypermobilität (Instabilität). . . . 2864.5.1 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2864.5.2 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2874.5.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

4.6 Hypomobilität (Blockierung) . . . 2914.6.1 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2914.6.2 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2924.6.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

5 Hüftgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

5.1 Allgemeine Untersuchung . . . . . . 2995.1.1 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2995.1.2 Inspektion/Palpation . . . . . . . . . . . . 3015.1.3 Basisuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . 301

5.2 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3035.2.1 Knöcherne Anatomie . . . . . . . . . . . . 3035.2.2 Kapsel-Band-Apparat . . . . . . . . . . . . 3055.2.3 Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3105.2.4 Gelenkwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3155.2.5 Gelenkbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . 319

5.3 Labrum- und osteochondraleVerletzungen (mit oder ohnefemoro-azetabuläremImpingement) . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

5.3.1 Einteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3235.3.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

5.3.3 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3235.3.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

5.4 Gelenkflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3315.4.1 Degenerative Knorpelpathologie

(Koxarthrose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3315.4.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3325.4.3 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3335.4.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

5.5 Hüftendoprothese . . . . . . . . . . . . . 3425.5.1 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3425.5.2 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3425.5.3 Operationsmethoden . . . . . . . . . . . . 3445.5.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3535.5.5 Sportempfehlungen . . . . . . . . . . . . . 361

6 Kniegelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386

6.1 Allgemeine Untersuchung . . . . . . 3866.1.1 Subjektive Untersuchung. . . . . . . . . 3866.1.2 Objektive Untersuchung . . . . . . . . . 386

6.2 Vorderes Kreuzband . . . . . . . . . . . 3876.2.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3886.2.2 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3896.2.3 Vordere Kreuzbandruptur . . . . . . . . 396

6.3 Hinteres Kreuzband. . . . . . . . . . . . 4126.3.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4126.3.2 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4146.3.3 Hintere Kreuzbandruptur . . . . . . . . 417

6.4 Meniskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4266.4.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4266.4.2 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4296.4.3 Meniskusverletzungen. . . . . . . . . . . 433

Inhaltsverzeichnis

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6.5 Patellofemoralgelenk . . . . . . . . . . 4426.5.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4426.5.2 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4466.5.3 Patellofemorales Schmerzsyndrom 4506.5.4 Patellare Instabilität . . . . . . . . . . . . . 4626.5.5 Knorpelpathologie . . . . . . . . . . . . . . 4636.5.6 Sehnenreizung (Tendinose) . . . . . . . 468

6.6 Gelenkflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4706.6.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4706.6.2 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4716.6.3 Degenerative Knorpelpathologie

(Gonarthrose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4766.6.4 Traumatische Knorpelpathologie . . 487

6.7 Mediale Seitenband-verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492

6.7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4926.7.2 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4926.7.3 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4936.7.4 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494

6.8 Laterale Seitenband-verletzungen (LCL) . . . . . . . . . . . . . 498

6.8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4986.8.2 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4986.8.3 Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4996.8.4 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

7 Sprunggelenk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

7.1 Allgemeine Untersuchung . . . . . . 5257.1.1 Anamnese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5267.1.2 Inspektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5277.1.3 Palpation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5277.1.4 Basisuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . 5287.1.5 Weiterführende Untersuchung . . . . 529

7.2 Anatomie und Biomechanik . . . . 5307.2.1 Gelenke des Fußes. . . . . . . . . . . . . . . 5307.2.2 Ligamente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5337.2.3 Muskulatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538

7.3 Inversionstrauma . . . . . . . . . . . . . . 5487.3.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5497.3.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5497.3.3 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5507.3.4 Folgen von akuten und

chronischen Inversionstraumata. . . 5507.3.5 Primäre und sekundäre Prävention

von Inversionstraumata . . . . . . . . . . 552

7.3.6 Klinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5567.3.7 Scores/Klassifikationen . . . . . . . . . . 5607.3.8 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563

7.4 Begleitverletzungen. . . . . . . . . . . . 5747.4.1 Syndesmosenverletzungen . . . . . . . 5757.4.2 Mediale ligamentäre Verletzungen

(Ligg. deltoidea) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5787.4.3 Osteochondrale Verletzungen

des Talus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5797.4.4 Sinus-tarsi-Syndrom/subtalare

Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5807.4.5 Impingement-Syndrome . . . . . . . . . 583

7.5 Achillessehne . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5857.5.1 Tendinopathie der Achillessehne . . 5857.5.2 Achillessehnenruptur . . . . . . . . . . . . 5957.5.3 Gelenkflächen (Art. talocruralis,

Art. tibiofibularis). . . . . . . . . . . . . . . 608

8 Praktische Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636

8.1 Automobilisationen . . . . . . . . . . . . 6368.1.1 Automobilisation LWS . . . . . . . . . . . 6368.1.2 Automobilisation SIG . . . . . . . . . . . . 6428.1.3 Automobilisation Hüfte . . . . . . . . . . 6448.1.4 Automobilisation Tibiofemoral-

gelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6558.1.5 Automobilisation Patellofemoral-

gelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6588.1.6 Automobilisation Fuß . . . . . . . . . . . . 658

8.2 Lokale Stabilität undTiefensensibilität (StufenmodellKoordination A) . . . . . . . . . . . . . . . . 664

8.2.1 Tiefensensibilität (Lage-,Bewegungs- und Kraftsinn) . . . . . . . 664

8.2.2 Lokale Stabilität LWS. . . . . . . . . . . . . 6668.2.3 Lokale Stabilität SIG . . . . . . . . . . . . . 6688.2.4 Lokale Stabilität Hüftgelenk. . . . . . . 6688.2.5 Lokale Stabilität Kniegelenk. . . . . . . 6718.2.6 Lokale Stabilität Fuß . . . . . . . . . . . . . 671

Inhaltsverzeichnis

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8.3 Stufenmodell KoordinationStufe B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671

8.4 Stufenmodell KoordinationStufe C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675

8.4.1 Lauf-ABC und Sprungübungen . . . . 6758.4.2 Sprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6768.4.3 Sprung-ABC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6798.4.4 Würfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6828.4.5 Schüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684

8.5 Übungen mit und ohne Gerät . . . 6848.5.1 Symmetrische Komplexübungen . . 6848.5.2 Asymmetrische Komplexübungen. 6938.5.3 Hüftgelenksübungen . . . . . . . . . . . . 6988.5.4 Kniegelenksübungen . . . . . . . . . . . . 7308.5.5 Sprunggelenkübungen. . . . . . . . . . . 7318.5.6 Wirbelsäulenübungen . . . . . . . . . . . 7408.5.7 Übungen an stationären

Trainingsgeräten . . . . . . . . . . . . . . . . 745

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760

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Inhaltsverzeichnis

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1Teil 1

MedizinischeTrainingstherapie

1 Bindegewebe undWundheilung 12

2 Grundlagender Trainingslehre 95

3 Lendenwirbelsäule 172

4 Sakroiliakalgelenk 268

5 Hüftgelenk 299

6 Kniegelenk 386

7 Sprunggelenk 525

8 Praktische Übungen 636

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1 Bindegewebe und Wundheilung

1.1 Bindegewebe

1.1.1 BindegewebsphysiologieHauptindikationsgebiete in der medizinischenTrainingstherapie sind orthopädische und chirur-gische Schadensbilder. Im weitesten Sinne geht esdabei um die Behandlung von traumatisiertenoder geschwächten Bindegewebsstrukturen. Des-halb ist es wichtig, die physiologischen Gesetze,denen diese Strukturen unterliegen, zu verstehen.

In diesem Kapitel werden nur „passive“ Binde-gewebe wie z. B. Knorpel oder Ligamente behan-delt, wohl wissend, dass gerade die Plastizität die-ser Strukturen diesen Begriff als unpassend er-scheinen lässt. Die Muskulatur findet ihre Aner-kennung im Kapitel „Trainingslehre“ (Kap. 2).

Bestandteile der BindegewebeDas Bindegewebe hat 2 Hauptbestandteile:● Zellen● Matrix

ZellenDer Ursprung unserer Bindegewebszellen liegt imMesoderm. Ausgehend davon entscheiden ins-besondere das chemische Milieu und später diemechanische Belastung, zu welchen Zielzellen sichdiese Vorläuferzellen entwickeln. Dort, wo einegute Sauerstoffversorgung gegeben ist und hoheScherkräfte wirken, entwickeln sich Fibroblasten.In sauerstoffarmen Geweben, die zusätzlich Kom-pressionskräften ausgesetzt sind, differenzierensich dagegen Chondroblasten (Tägil und Aspenberg1999).

Merke

Es besteht also für jede Zelle und damit für jedesGewebe ein spezifisches chemisches und mecha-nisches Milieu, das für den Erhalt und die Funk-tion essenziell ist. Verändert sich dieses Milieu,führt dies primär zu einer schlechteren Funktionund sekundär zu einer Anpassung der Zelle.

Früh im vergangenen Jahrhundert wurden Zellenlediglich als flüssigkeitsgefüllte „Säckchen“ ange-

sehen. Erst als die Plastizität und die damit ver-bundenen Abläufe genauer untersucht wurden,konnte man die komplexe Zellstruktur identifizie-ren. Die Zelle besitzt neben ihren Organellen einSkelett, das sich von der Membran bis in den Kernfortsetzt. Mikrotubuli, Mikrofilamente und inter-mediäre Filamente sind Bestandteile des Gerüsts,das sowohl Elastizität als auch Kompressionsstabi-lität vermittelt.

Viele Manualtherapeuten bezeichnen dieseKombination aus elastischen und stabilen Elemen-ten als Tensegrity. Diese geniale Bauweise ist nichtnur in unserem Bindegewebe zu finden, sondernwird auch beim Brücken- oder Gebäudebau umge-setzt, um mit geringem Materialaufwand Stabilität,aber auch Elastizität zu erreichen. Die Zelle wirddadurch für Verformung sensibel und kann so ad-äquat auf mechanische Einflüsse in ihrer Umge-bung reagieren (Ingber 1993, 1998).

Das Zellskelett endet nicht an der Membran. Essetzt sich durch sogenannte Transmembranprotei-ne (z. B. Integrine, siehe ▶Abb. 1.3) auf die extra-zelluläre Matrix fort (Chiquet et al. 1996, Otte2001). Durch diese Verbindung hält die Zelle Kon-takt mit den anderen Bindegewebskomponenten,kann sich gegebenenfalls fortbewegen, sich stabilverankern oder einfach nur wahrnehmen, wie derSpannungszustand in der Matrix ist. Die Anzahlund Struktur der Integrine in der Zelle sind unteranderem abhängig von der mechanischen Belas-tung. So bilden sich bei physiologischen Trainings-reizen mehr Integrine aus, die für die Proliferation,Differenzierung der Zelle und im Weiteren für dieAdaption von passivem Bindegewebe eine Schlüs-selrolle spielen. Im Gegensatz dazu vermitteln In-tegrine, die sich an beschädigten Matrixkom-ponenten anlagern, bionegative Reize und könneneine Gewebedegeneration unterstützen (Loeser2014, Kjaer et al. 2009).

Neben diversen anderen Zellfunktionen, dienicht erörtert werden sollen, hat die Matrixsynthe-se sicherlich die größte Relevanz für die medizini-sche Trainingstherapie; die Bindegewebszelle pro-duziert ihre Umgebung selbst, in Quantität undQualität. Für den Therapeuten stellt sich nun diespannende Frage: Welchen Reiz braucht die Zelle,um ihre Funktion auszuführen, Matrix zu pro-duzieren und damit ein widerstandsfähiges Gewe-be zu bilden?

Bindegewebe und Wundheilung

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MatrixDie Matrix hat 3 Hauptbestandteile:● Fasern● Grundsubstanz● Wasser, Mineralstoffe usw.

Fasern

Fasern darf man sich wie Seile vorstellen, die ausaneinandergeketteten Molekülen bestehen. Meh-rere Seile werden übereinandergelegt und wieeine Kordel verdreht. Die fertige Faser kann entwe-der stabil (kollagene Faser) oder elastisch (elasti-sche Faser) sein. Die Verteilung und auch der Auf-bau von kollagenen und elastischen Fasern ineinem Gewebe werden durch die mechanische Be-anspruchung bestimmt. So werden allein 28 ver-schiedene Kollagentypen unterschieden, die spezi-fische Funktionen in den einzelnen Bindegewebenübernehmen (Shoulders and Raines 2009).

Die Funktion von „Seilen“ in einem Gewebe liegtauf der Hand. Sie sind für die Zugfestigkeit verant-wortlich. Dementsprechend sind z. B. in Ligamen-ten mehr Fasern zu finden als im Nucleus pulposusder Bandscheibe.

Grundsubstanz

Grundsubstanz besteht aus Molekülen, die sich zueinem großen Aggregat, Proteoglykan (PG), zu-sammenfinden. Dabei werden sogenannte Glyko-saminoglykane (GAG) über Verbindungsproteinean eine zentrale Eiweißkette gebunden. Viele PGwerden über Verbindungsproteine an eine Hyalu-ronsäurekette gebunden, und es entsteht ein Pro-teoglykanaggregat (▶Abb. 1.1a), im Knorpel z. B.Aggrekan. Die Bezeichnung der Proteoglykan-aggregate ist in den verschiedenen Bindegewebs-typen unterschiedlich.

Grundsubstanz ist für die Widerstandskraft ge-gen Kompressionskräfte verantwortlich. Dies liegtan der Anordnung der Glukosaminglykane sowiederen Ladung: die GAG sind innerhalb eines Pro-teoglykans wie die Borsten einer Bürste angeord-net, wobei die „Borsten“ eine negative Ladung auf-weisen. Bei Belastung werden die GAG aufeinanderzubewegt. Da sich gleichnamige Ladungen absto-ßen, treten entgegengesetzte Kräfte („repulsiveforces“) auf, die zu einer Abstoßung führen(▶Abb. 1.1b).

Chondroitinsulfatkette

Keratansulfatkette

intermolekulareladungsabhängigeAbstoßungskräfte

Entlastung

Zunahme derLadungsdichte,Zunahme derAbstoßungskräfte

BelastungHyaluronsäurekette

Linkprotein/Verbindungs-protein

a b

Abb. 1.1 a–b Grundsubstanz.a Aufbau eines Proteoglykans.b Intermolekulare Abstoßungskräfte unter Entlastung und bei Belastung.

1.1 Bindegewebe

1

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Wasser

Wasser als dritter Bestandteil der Matrix bindetsich an die Fasern und insbesondere an die Grund-substanz. Wasser ist aus mechanischer Sicht eben-falls für den Widerstand gegen Kompressionskräf-te verantwortlich, da es nicht komprimierbar ist.

Insgesamt entsteht ein homogenes Gewebe, in-dem die Zelle als „intelligente Struktur“ den Auf-und Abbau steuert und die Matrix die Stabilität ge-bende Komponente darstellt. Jedes Bindegewebebesteht aus diesen Anteilen, lediglich das Verhält-nis der Bestandteile und die molekulare Strukturder Gewebe sind unterschiedlich. So enthalten Ge-webe, die besonders gegen Druckkräfte stabil seinmüssen, mehr Grundsubstanz und Gewebe, dieprimär auf Zug belastet werden, mehr Fasern.

Zusammenfassung

● Bindegewebe ist anpassungsfähig.● Die medizinische Trainingstherapie setzt Trai-ningsreize, um diese Anpassungsvorgänge imSinne einer Funktionsverbesserung zu unter-stützen. Hierfür sind Kenntnisse der Binde-gewebsphysiologie unerlässlich.

● Bindegewebe besteht im Wesentlichen ausZellen und Matrix. Zellen steuern die Vorgängeim Gewebe, während die Matrix für Stabilitätsorgt.

● Die Zellen entwickeln sich entsprechend che-mischer und mechanischer Einflüsse. Ihr Auf-bau gewährleistet zugleich Elastizität undStabilität, eine Eigenschaft, die auch als „Ten-segrity“ bezeichnet wird. Integrine in der Zell-membran stellen Kontakt zur Umgebung herund ermöglichen so einen Kontakt mit der Um-gebung und Reaktionen auf Veränderungen imGewebe.

● Eine wichtige Funktion ist die Matrixsynthese.Als Matrix bezeichnet man extrazelluläre Antei-le des Bindegewebes. Sie besteht vor allem ausFasern, Grundsubstanz, Wasser und Mineral-stoffen. Fasern sind für die Stabilität gegenZugkräfte verantwortlich. Grundsubstanz ge-währleistet den Widerstand gegen Kompres-sion, ebenso wie Wasser, das an die Fasern unddie Grundsubstanz gebunden ist.

Turnover

Definition

Jedes Gewebe unterliegt einem ständigen Auf-und Abbau, den man als Turnover bezeichnet.Durch unsere alltäglichen Aktivitäten erhalten wirdie Qualität und Quantität unserer Gewebe.

Die Zeit, in der dieser Prozess vonstattengeht, wirdals biologische Halbwertszeit bezeichnet. Halb-wertszeit deswegen, weil in dieser Zeiteinheit 50 %des entsprechenden Gewebes auf- und wieder ab-gebaut wird. Die Nettobilanz ist null und an unserAlltagsniveau angepasst. Die Dauer des Turnoversist abhängig von der:● Matrixkomponente: Grundsubstanzmolekülewerden schneller synthetisiert als kollageneFasern.

● Molekülgröße: Je größer das zu produzierendeMolekül, desto länger dauert der Turnover;ein GAG ist daher schneller ersetzt als einPG-Aggregat.

● Gelenklokalisation: Werden gleiche Bindege-webstypen in verschiedenen Gelenken unter-sucht, so können diese eine unterschiedlicheTurnover-Rate aufweisen. Knorpelzellen imSprunggelenk sind biologisch aktiver und syn-thetisieren schneller Grundsubstanz als Knorpel-zellen im Kniegelenk (Kuettner und Cole 2005).Interessanterweise bleibt die unterschiedlicheSyntheseaktivität nur im spezifischen Gelenk-milieu erhalten. Werden z. B. Knorpelzellen ausdem Sprunggelenk entnommen, reduzieren sieihre Aktivität und eine erhöhte Syntheseleistungist nicht mehr messbar (Candrian et al. 2009).

● Allgemeinen Stoffwechselaktivität und Durch-blutungssituation: Je besser das Gewebe versorgtist, desto schneller ist auch der Turnover. Kolla-gene Fasern in biologisch „inaktiven“ Geweben,wie dem Knorpel oder der Bandscheibe, werdenso langsam ersetzt, dass die normale Lebens-erwartung für den physiologischen Austauschnicht ausreicht. Demgegenüber stehen andereGewebe, wie die Haut oder die Synovialflüssig-keit, die sich in relativ kurzer Zeit erneuern(siehe ▶Tab. 1.1).

Bindegewebe und Wundheilung

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Tab. 1.1 Turnover-Rate der Matrixkomponenten und aus-gewählter Bindegewebe (Brils et al. 1999, van Wingerden1998)

Gewebe Turnover-Rate

Grundsubstanz   2–9 Tage

Fasern 300–500 Tage

Haut   5–10 Tage

Synovia  14–21 Tage

Kapsel/Ligamente 300–500 Tage

Knorpel 300 Jahre

Bandscheibe  60 Jahre

Knochen  10 Jahre

Einflussfaktoren auf den TurnoverDie Ruheaktivität unserer Zellen stellt keinen stati-schen Ablauf dar. Diverse Faktoren haben Einflussauf die Geschwindigkeit des Umsatzes. Der Turn-over verändert sich unter anderem durch mecha-nische, thermische oder chemische Reize.

Thermische Reize

Je höher die Gewebetemperatur, desto intensiverist der Turnover. Bei normalen Wundheilungspro-zessen kann die lokale Temperaturerhöhung 2 °Cund mehr betragen (Weber 1990). Bleibt die Er-wärmung innerhalb bestimmter Grenzen, ist die-ser Mechanismus als positive Adaption zu sehen.Bei extremen Erwärmungen über 40 °C allerdingsüberwiegen die abbauenden Prozesse und Fibro-blasten gehen zugrunde. Unreflektierte Eingriffe inden Temperaturhaushalt (z. B. die grundsätzlicheKälteapplikation auf Gelenken in der postoperati-ven Phase) sind vor diesem Hintergrund nicht nurfalsche, sondern auch fahrlässige Eingriffe in phy-siologische Vorgänge (siehe Kap. 1.2.1)

Chemische Reize

Die meisten Informationsprozesse in unserem Kör-per werden über biochemische Substanzen ver-mittelt. Hormone, Eikosanoide oder Neurotrans-mitter, wie sie z. B. im Rahmen der Wundheilungfreigesetzt bzw. produziert werden, verändern da-bei anforderungsspezifisch Zellfunktionen. Mecha-nische Reize und die Freisetzung von Überträger-stoffen bedingen sich dabei gegenseitig bei der An-passung der Umschlagrate.

Mechanische Reize

Mechanische Reize stellen für den Therapeuten si-cherlich die interessanteste Möglichkeit dar, bio-positive Adaptionen auszulösen. Die genauen Me-chanismen, die zu einer Veränderung der biologi-schen Aktivität führen, sind nach wie vor nichtvollständig bekannt. Einige Möglichkeiten sollenim weiteren Verlauf diskutiert werden.

▶ Piezoelektrischer Effekt. Wie oben beschrie-ben, spielen im Bindegewebe elektrische Vorgängeeine Rolle. Mechanische Verformung führt zu ziel-gerichteten Ladungsverschiebungen innerhalb desbelasteten Gewebes (Basset und Pawluk 1972,▶Abb. 1.2). In der Physik wird dieses Phänomenpiezoelektrischer Effekt genannt. Offensichtlichreagieren Zellen auf diese Ladungsdifferenzen undpassen ihre Syntheseaktivität entsprechend derGröße der Veränderung an.

▶ Strömungspotenziale. Ein weiteres elektrischesPhänomen, das durch mechanische Reize ausgelöstwird, sind die sogenannten Strömungspotenziale.Gleiten geladene Flüssigkeiten an festen Oberflä-chen vorbei (z. B. Flüssigkeitsverschiebung ausdem Knorpel oder der Bandscheibe), entsteht einStromfluss entsprechend der Strömungsrichtung.Diese Ladungen könnten auch hier positive Signalefür die Zelle darstellen, die daraufhin ihre Aktivitätentsprechend anpasst (Basset und Pawluk 1972,Zernicke und Loitz 1994).

▶ Transduktion. Die mechanische Belastungwirkt auch direkt auf die Zelle ein. Entweder wirddas Skelett innerhalb der Zelle deformiert oder diemechanischen Reize werden über Integrine auf-genommen (▶Abb. 1.3). Integrine sind Bestand-teile der Zellmembran, die das Zellskelett mit der

Belastung mechanischeVerformung

piezoelektrischerEffekt

Abb. 1.2 Piezoelektrischer Effekt: mechanische Verfor-mung führt zu zielgerichteten Ladungsverschiebungen(nach Oschman 2000).

1.1 Bindegewebe

1

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extrazellulären Matrix verbinden. Bewegen sichkollagene Fasern, wird die Deformation durch die-se Fühler sofort registriert und intrazellulär in In-formationen für die Zelle übersetzt. Dieser Mecha-nismus wird als Transduktion bezeichnet und fin-det überwiegend auf chemischem Wege statt. So-mit werden mechanische Reize in chemische Sig-nale umgewandelt und mit der Freisetzung vonTransmittern beantwortet.

Die meisten dieser Botenstoffe sind in und umdie Zelle gespeichert und werden dem Reiz ent-sprechend freigesetzt (Chen 2003, Martin undBuckwalter 2000). Manche werden auf Verlangen,z. B. bei einem spezifischen Trainingsreiz, von derZelle selbst oder auch von anderen Körpergewebenwie dem zentralen Nervensystem (Hypophyse)oder der Leber produziert. Eine weitere Möglich-keit stellt die Öffnung von Ionenkanälen dar. Beimechanischer Belastung kommt es dadurch zueiner schnellen Verschiebung von geladenen Mole-külen und zu einer Anpassung des Zellpotenzials(Chiquet et al. 1996, Otte 2001).

Beispiele für solche Botenstoffe sind Wachs-tumsfaktoren wie IGF (Insulin-like-Growth-Factor), TGF (Transforming-Growth-Factor) oderFGF (Fibroblast-like-Growth-Factor) sowie Ionenwie z. B. Kalzium. Einmal freigesetzt, stimulierensie den genetischen Apparat und die Produktionvon neuen Matrixmolekülen beginnt. Die Freiset-zung erfolgt reizspezifisch, d. h. mechanische Be-lastungen unterschiedlicher Art (Druck/Zug), Fre-

quenz, Amplitude und Intensität führen zu unter-schiedlichen Reaktionen innerhalb der Zelle. Da-durch kann die Adaption genau an die Erfordernis-se (Größe und Art des Trainingsreizes) angepasstwerden (Frystyk 2010, Nindl 2010).

Zusammenfassung

● Turnover bezeichnet den ständigen Auf- undAbbau von Gewebe.

● Dieser Vorgang ist physiologisch und findet inunterschiedlichen Geweben unterschiedlichschnell statt und wird von verschiedenenFaktoren beeinflusst (▶Abb. 1.4).

MatrixsyntheseWird die Zelle durch die oben beschriebenen Me-chanismen genötigt, ihre Aktivität zu verändern,beginnt die Synthese dort, wo die genetische Infor-mation gespeichert ist: im Zellkern. Die Informa-tionen werden zunächst kopiert (Transkription)und an die Ribosomen versendet. Dort wird dieKopie gelesen und in spezifische Aminosäure-sequenzen übersetzt (Translation). Nach diesem„Bauplan“ wird im rauen endoplasmatischen Reti-kulum mit der Herstellung von Matrixmolekülenbegonnen. Im Golgi-Apparat werden die Moleküleweiter vervollständigt und in kleine Pakete (Vesi-

Integrine

Zellskelett(Mikrotubuli, Mikro-filamente, intermediäreFilamente)

Kernmatrix(Chromatin, Histone,chromatoassoziierteProteine)

extrazelluläre Matrix(Kollagen, Laminin,Fibronektin, Proteo-glykan)

Abb. 1.3 Verbindung zwischen demZellskelett und der extrazellulärenMatrix durch Integrine (nach Oschman2000).

Bindegewebe und Wundheilung

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kel) verpackt. Diese Vesikel bewegen sich zur Zell-membran und werden nach außen transportiert.Im Extrazellulärraum werden die einzelnen Unter-einheiten zusammengesetzt und es entstehen Fa-sern und Grundsubstanzmoleküle (Brils et al.1999, Mankin et al. 2000, ▶Abb. 1.5).

Die Synthese wird durch die Einflussfaktoren inQualität und Quantität gesteuert. Wirken keineWachstumsreize mehr, wird die Synthese redu-ziert. Des Weiteren reduzieren produzierte Ma-trixmoleküle über ein negatives Feedback die Zell-aktivität (Shekter 1986).

Zusammenfassung

● Die Matrixsynthese als wesentlicher Prozessbiologischer Anpassungsvorgänge beginnt imZellkern als Reaktion auf mechanische, ther-mische und chemische Reize.

● Kommt es zur Immobilisation, kehren sichdiese Prozesse um und Gewebe wird abgebaut.

Thermische Reize:– Mehrdurchblutung– physikalische Therapie

Chemische Reize:– Neurotransmitter– Wachstumsfaktoren– Wachstumshormone

Intrazelluläre Reaktion :– Aktivierung des genetischen Apparats– adaptive Proteinsynthese

Extrazelluläre Reaktion :– Differenzierung/Proliferation

von Vorläuferzellen

Feed-back-System:– positive oder negative Rückkopplung– Modulation der Prozesse

Ruheaktivität(Turnover)

Mechanische Reize:– piezoelektrischer Effekt– Strömungspotentiale– Deformierung

Zellskelett/Matrix

Transduktion in chemische Signale:– Öffnung von Ionenkanälen (Ca,…)– Freisetzung/Produktion von

Wachstumsfaktoren/Hormonen

Abb. 1.4 Einfluss verschiedener Reize auf das Bindegewebe.

1.1 Bindegewebe

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ImmobilisationBei Bewegungsmangel oder Immobilisationkommt es zu entgegengesetzten Abläufen (Immo-bilisationsschäden, ▶Abb. 1.6). Es fehlen die sti-mulierenden Reize und die Matrixsynthese redu-ziert sich bei einem beschleunigten Umsatz, d. h.bei einem erhöhten Turnover verschiebt sich dasVerhältnis zugunsten des Gewebeabbaus. Das Ge-webe verliert an Quantität (weniger Fasern undGrundsubstanzmoleküle) und Qualität (Ausrich-tung der Fasern, Entstehung von pathologischenCrosslinks zwischen den Fasern). Der Verlust vonGrundsubstanzmolekülen geht dabei schnellervonstatten, ist dafür aber eher reversibel als derVerlust von Fasern.

Grundsätzlich ist der Gewebeabbau infolge einerImmobilisation schneller und ausgeprägter als dernachfolgende trainingsbedingte Aufbau. Das giltselbst für Gewebe mit einer geringen Durchblu-tung bzw. einem eher langsameren Turnover. Kjaeret al. (2015) beziffern den möglichen Gewebeauf-bau in passiven Geweben mit 3–20%. Der Immobi-lisationsschaden dagegen beträgt fast immer 30oder mehr Prozent. Darüber hinaus berichtet Eck-stein (2003), dass nach einer Meniskusnaht undanschließender Immobilisation der Muskelquer-

schnitt um 38%, die Knorpeldicke um 14% ab-nahm. Der Muskelschwund war nach 18 Monatenvöllig kompensiert, der Verlust der Knorpeldickedagegen nicht! Bei der Behandlung nach Verlet-zungen müssen die Folgen einer Immobilisationimmer mitberücksichtigt werden. Wegen seinerlangsamen Turnover-Rate beeinflusst deshalb oftder Zustand des Gelenkknorpels die Therapie-planung.

Merke

Nach Traumata oder Operationen schließt sichoft eine Phase verminderter Belastbarkeit an, inder die Stabilität nicht nur im verletzten Gewebe,sondern in allen Anteilen des Arthrons herab-gesetzt ist. Bei einer kurzzeitigen Immobilisationsind diese abbauenden Prozesse reversibel. Wer-den 3–6 Wochen überschritten, so ist mit dauer-haften Schäden in den betroffenen Strukturen zurechnen.

Intrazellulärraum

raues endoplasmatisches Retikulum

Golgi-Apparat

Vesikel

Zellkern

Extrazellulärraum

Zellmembran

Matrixbausteine

Matrix-Makromolekül

Abb. 1.5 Ablauf der Matrixsynthese von der Transkription über die Translation, Verpackung der Moleküle in Vesikel,Transport zur Zellmembran und Fertigstellung im extrazellulären Raum (nach Mankin et al. 2000).

Bindegewebe und Wundheilung

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Zusammenfassung

● Da unterschiedliche Gewebe unterschiedlichschnell auf fehlende Bewegung und Belastungreagieren, sind die Auswirkungen einer Immo-bilisation in Knorpel, Knochen, Sehnen, Bän-dern, Nerven und Muskeln verschieden.

● Bei der Therapie müssen diese Unterschiedeberücksichtigt werden. Sie erfordern eine An-passung der Behandlung an das schwächsteGlied im Arthron.

Mechanische Eigenschaften

Belastungs-Deformations-KurveBindegewebe haben viskoelastische Eigenschaften.Werden sie mechanisch belastet (Kompressionoder Zug), kann die Reaktion des Gewebes anhandder Belastungs-Deformations-Kurve abgelesenwerden. (▶Abb. 1.7).

Im Anfangsbereich der Kurve nimmt die Elonga-tion des Gewebes zunächst stark zu. Dieser Teilder Kurve wird als Anzugs- oder „Fußbereich“(engl.: „toe region“) bezeichnet. Dort wird ledig-lich die im Ruhezustand vorliegende wellenartigeStruktur der kollagenen und elastischen Fasern ge-strafft. Es kommt also zu keiner Dehnung der ein-zelnen Fasern, sondern zu einem Gleiten innerhalbder Matrix bis zur geraden Ausrichtung. Manspricht deshalb auch von Matrixbelastung. Diehierfür benötigte Kraft ist relativ gering, da keine

chemischen Verbindungen überwunden werdenmüssen (Bogduk 1997).

An diesen Kurventeil schließt sich ein linearerBereich an. Das Endgefühl, das in vielen manual-therapeutischen Konzepten getestet wird, liegt in-nerhalb dieses Kurvenbereichs. Die Fasern werdennun bis zur maximalen Belastbarkeit der Verbin-dungen zwischen den Fibrillen gedehnt. Wird diemechanische Grenze überschritten, so kommt eszu Mikrotraumata und letztendlich zum endgülti-gen Versagen der Struktur, zu einer Ruptur.

HystereseWird die Belastung wieder auf null reduziert, sokehrt die Struktur mehr oder weniger in den Aus-gangszustand zurück. Dies hängt insbesonderevom Ausmaß der Deformierung ab. Bei Belastun-gen innerhalb der Toe-Region nimmt das Gewebein der Regel die ursprüngliche Länge ein. Bei Belas-tungen innerhalb der linearen Region verbleibt zu-nächst ein Dehnungsrückstand (Bogduk 1997),d. h. die Struktur ist weiterhin gedehnt. Nimmtdiese Dehnung ohne äußere Kräfte wieder auf nullab, spricht man von viskoelastischer Verformung.Bleibt eine Dehnung auf Dauer bestehen, sprichtman von plastischer Verformung (Brinckmann2000). Wie aus ▶Abb. 1.8 hervorgeht, entsprichtder rückläufige Kurventeil nicht dem deformieren-den. Der von beiden Kurven eingeschlossene Be-reich wird als Hystereseschleife bezeichnet undentspricht dem Energieverlust, der insbesonderedurch Reibung im Inneren des Gewebes entstehtund als Wärme abgegeben wird (Wright und Li2000).

3020100

Fuß-bereich

linearerBereich

% Verlängerung (ε)

Bela

stun

g (σ

)

SchädigungεσBelastungs-Deformationskurve = —

ε

σ

Abb. 1.7 Belastungs-Deformations-Kurve von visko-elastischen Geweben am Beispiel von Sehnengewebe(nach Sharma u Maffulli 2005).

Immobilisation

fehlende Einflussfaktoren

keine bioelektrischen Ereignisse odermechanische Verformung der Zelle

Umschlagsrate steigt

verminderter Aufbau (Quantität) mit schlechterer Qualität

Funktion geht verloren

Traumagefahr steigt

Abb. 1.6 Schematischer Ablauf des Immobilisations-schadens.

1.1 Bindegewebe

1

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Übertragen auf den Bewegungsapparat, ist eingeringer Energieverlust (eine kleine Hysterese-schleife) positiv zu bewerten. Es ist ein Merkmalviskoelastischer Gewebe, Energie zu speichern undwährend zyklischer Belastung wieder freizusetzen.Die Bewegung wird dadurch ökonomischer, derEnergieverbrauch wird reduziert. Im Sport könnenso Leistungen gesteigert, in der Rehabilitation vonHerz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch ortho-pädisch-traumatologischen Krankheitsbildernwertvolle Energieträger gespart werden.

Die oben beschriebenen Adaptionen bei Immo-bilisation haben einen großen Einfluss auf die Grö-ße der Hystereseschleife. Veränderungen imGrundsubstanz- und Wassergehalt sowie der kol-lagenen Faserausrichtung reduzieren nicht nur diemaximale Belastbarkeit des Gewebes, sondernauch die Energiespeicherung bei dynamischer Be-lastung (Schleip und Müller 2013).

CreepDie oben beschriebene Verlängerung des Gewebesbezieht sich auf eine relativ kurz einwirkendeKraft. Wirkt eine gleichbleibende, nicht traumati-sierende Kraft länger auf ein Gewebe ein, kommtes zu einer Deformierung. Diese nimmt zunächststark zu, lässt dann aber nach und erreicht schließ-lich einen Grenzwert. Dieser Vorgang wird als„creep“ (engl.: kriechen) bezeichnet.

Wüsste man genau, wie lange dieser Prozess fürjedes einzelne Gewebe dauert, könnten Kapsel-

oder Muskeldehnungen genauer ausgeführt wer-den. Da diverse Einflussfaktoren wie z. B. der Kolla-gengehalt, intermolekulare und intramolekulareCrosslinks oder einfach nur die gebundene Flüssig-keitsmenge den Creep verändern, kann man dieParameter für manuelle Techniken nicht exakt an-geben.

SpannungsrelaxationWird ein Gewebe konstant gedehnt, so nimmt dieanfänglich benötigte hohe Spannung mit der Zeitab. Nach einer gewissen Zeit nähert sie sich einemGrenzwert, ohne dass es zu einer weiteren Reduk-tion der Spannung kommt: Sie bleibt dann kon-stant. Dieser Vorgang wird als Spannungsrelaxa-tion bezeichnet.

Zusammenfassung

● Bindegewebe hat mechanische Eigenschaften.Diese hängen von der einwirkenden Kraft undder Dauer der Krafteinwirkung ab.

● Ist die dehnende Kraft gering, wird das Gewebegestrafft und die Fasern richten sich entlangder Zugrichtung aus. Man spricht von derMatrixbelastung.

● Mit zunehmender Kraft erfolgt eine Dehnungbis zur Zerreißgrenze.

● Aus der Dehnung kehrt das Gewebe zu seinerAusgangslänge zurück. Dabei verbleibt je nachEigenschaft des Gewebes sowie Dauer und In-tensität der Dehnung ein Dehnungsrückstand.

● Innerhalb eines Belastungs-Entlastungs-Zyklusgeht Energie verloren. Dieser Energieverlustwird als Hysterese bezeichnet. Je geringer erist, umso besser sind die elastischen Eigen-schaften des Gewebes im Hinblick auf dieBewegungsökonomie.

● Bei gehaltener Dehnung kommt es zu einerDeformierung des Gewebes, die man als„creep“ bezeichnet. Dadurch lässt sich dieBeweglichkeit verbessern. Allerdings gibt eskeine konkreten Hinweise, wie lange der Dehn-zustand, bezogen auf die verschiedenenGewebe, gehalten werden muss, um einenoptimalen Effekt zu erzielen.

● Mit der Zeit lässt bei einer gehaltenen Dehnungdie Spannung im Gewebe nach. Man sprichtvon einer Spannungsrelaxation.

Ausgangs-länge

Bela

stun

g

Hystereseschleife

Dehnungs-rückstand

Endlänge

Dehnung Muskellänge

Span

nung

Entla

stun

g

Abb. 1.8 Hystereseschleife mit Dehnungsrückstand(Bogduk 1997).

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1.1.2 Bewegungsreizeauf Bindegewebe

Bewegungsreize auf den KnorpelEine trainingsbedingte Anpassung des hyalinenGelenkknorpels kann auf mehreren Ebenen unter-sucht werden. Dabei kommen Messungen zur Be-stimmung des Knorpelvolumens oder der Knorpel-dicke besonders häufig zum Einsatz. Darüber hi-naus könnte eine Adaption aber auch durch einevergrößerte, druckaufnehmende Fläche (Gelenk-fläche) oder durch qualitative Veränderungen ent-stehen (Zusammensetzung der Matrix).

▶ Knorpeldicke/Knorpelvolumen. In hochauflö-senden MRT-Aufnahmen können die Knorpeldickeund auch das Knorpelvolumen bestimmt werden.Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einteilungvon einzelnen Zonen auf den Gelenkflächen. NachEckstein und Wirth (2011) sind weder der Knor-pelabbau bei einer Arthrose noch eventuell entste-hende anabole Anpassungen homogen über die ge-samte Gelenkfläche verteilt, sondern konzentrie-ren sich auf einzelne „Hauptzonen“ (siehe▶Abb. 1.9). Einen weiteren Einflussfaktor stellt derMesszeitpunkt dar. Nach Sitoci et al. (2012) könnenSchwankungen der Knorpeldicke allein über dieTages- bzw. Nachtzeit bis zu 12% betragen. Zuletztmuss das Alter der Probanden berücksichtigt wer-den. So macht es einen Unterschied, ob wachsen-der (vor Schluss der Wachstumsfuge), erwachsener(nach Schluss der Wachstumsfuge), alternder (re-

duzierte biologische Aktivität) oder arthrotischer(mit Vorschädigung) Knorpel beurteilt wird.

Mit dem wachsenden Gelenkknorpel beschäftig-ten sich bis dato nur wenig Wissenschaftler. DenDaten von Jones et al. (2003) zufolge kann die ge-netische Disposition durch physische Belastungpositiv beeinflusst werden. Eine höhere körper-liche Aktivität korrelierte dementsprechend miteinem größeren Gewinn von Knorpeldicke. Höchstproblematisch gestaltet sich bei solchen Unter-suchungen allerdings die Bestimmung der körper-lichen Aktivität, da diese bei Kindern häufig durchsubjektiv ausgefüllte Fragebögen der Eltern ange-geben wird. Trotz dieses kritischen Einflussfaktorsscheint eine Adaption vor Schluss der Wachstums-fuge möglich und führt innerhalb der genetischenGrenze zu einem „Abheben“ der maximalen Knor-peldicke von der genetischen Bank.

Erwachsener Knorpel wurde in der Vergangen-heit häufiger auf seine Adaptionsfähigkeit evalu-iert. Während Hanna et al. (2007) und Racunica etal. (2007) eine positive Korrelation von physischerAktivität und Knorpeldicke fanden, kamen vieleandere Autoren zu gegenteiligen Ergebnissen,sprich, keine erhöhte Knorpeldicke bei größererBelastung. Lediglich der patellofemorale Knorpelweist in einzelnen Fällen eine größere Fläche auf(Mühlbauer et al. 2000, Eckstein et al. 2002, Gratz-ke et al. 2007, Teichthal et al. 2012). In den meis-ten genannten Untersuchungen wird leider nichtprospektiv die Anpassung durch Training gemes-sen, sondern die zu einem bestimmten Zeitpunktgemessene Knorpeldicke und der Aktivitätsstatus.Adaptionen ausschließlich auf die körperliche Be-lastung zurückzuführen, wäre daher irreführend.Des Weiteren wird oft ein verminderter Abbau vonKnorpelmasse mit einer wirklichen Hypertrophiegleichgesetzt. Beides sollte in zukünftigen Arbeitenbesser getrennt und gesondert analysiert werden.Diese eher inhomogenen Ergebnisse können nunfolgendermaßen erläutert werden:● Eventuell wird erwachsener Knorpel durch Trai-ning nicht mehr dicker.

● Anpassungserscheinungen zeigen sich nicht ander gesamten Knorpelfläche, sondern nur durchdie Hypertrophie einzelner Hauptbelastungs-zonen.

● Einflussfaktoren wie das Geschlecht, die Bein-achse oder der Zustand des Gelenkknorpels(gesund oder beschädigt) dominieren die Er-gebnisse. Eine genauere Subgruppierung vonProbanden ist notwendig.

medial

medial

anterior

posterior

11

22

3

123

3

1 23

1 innere Zone2 zentrale Zone3 äußere Zone

lateral

lateral

Abb. 1.9 Belastungszonen des Tibiofemoralgelenks.

1.1 Bindegewebe

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Merke

Eine wirkliche Hypertrophie des erwachsenenhyalinen Gelenkknorpels ist nach heutigem Wis-sensstand eher unwahrscheinlich und beziehtsich, wenn überhaupt, auf einzelne Areale oderSubgruppen.

Im Alter kann die Syntheseleistung von Knorpelzel-len abnehmen und somit auch die Adaptionsfähig-keit auf Trainingsreize. Trainingsprogramme für äl-tere Personen beziehen sich daher eher auf den Er-halt bzw. einen reduzierten Abbau als auf einen ge-zielten Aufbau von Knorpelmasse. Unter bestimm-ten Voraussetzungen hat körperliche Aktivität ei-nen protektiven Effekt für den Verlust von Knorpel-gewebe. Insbesondere die Beinachse und der Gewe-bestatus (beschädigt oder gesund) sind hier diewichtigsten Kofaktoren. Dies bedeutet, dass ein ge-sunder Knorpel bei gerader Beinachse empfänglichbleibt für Wachstumsreize. Eine Vorschädigungund große Achsabweichung hingegen können beigleich großer Krafteinwirkung einen katabolenCharakter haben (Dore et al. 2013, Foley et al. 2007).

Ähnlich gestalten sich die Ergebnisse bei arthro-tischem Knorpel. Je größer die Vorschädigung des-to größer ist auch die Gefahr, dass mechanischeBelastung einen Abbau beschleunigen kann. Trai-ning mit Arthrotikern ist daher immer individuellzu planen und auf die klinische Reaktion des Pa-tienten abzustimmen. Gerade diesbezüglich wer-den große Anstrengungen unternommen. Erhart-Hledik et al. (2012) versuchten über die Messungeines Matrixmoleküls (COMP – „cartilage oligmet-ric matrix protein“) im Blutserum Patienten zuidentifizieren, die auf Training mit einem gestei-gerten Abbau reagieren. Höhere COMP-Werte 3–5,5 Stunden nach einer Laufbelastung zeigten einenegative Reaktion, sprich einen höheren Abbau inder Folgezeit, an. Möglicherweise wird der behan-delnde Therapeut irgendwann in der Lage sein, an-hand von Serumwerten individuelle Subgruppeneinzuteilen.

Interessante Ansätze für weit vorangeschritteneSchädigungen kommen von Wiegant et al. (2013).Sie traktionierten arthrotische Kniegelenke mittelseines Fixateurs über 2 Monate auf 5mm Gelenk-spaltweite. Neben einer Schmerzreduktion kam eszu einer partiellen Regeneration der Knorpeldicke(0,4–0,6mm) und einer Verkleinerung der knorpel-

freien Knochenfläche. Es ist daher durchaus mög-lich, dass Wachstumsreize bei beschädigter Struk-tur auch durch eine Entlastung entstehen können.

▶ Gelenkflächengröße. Eine Anpassung könnteauch durch eine vergrößerte druckaufnehmendeGelenkfläche entstehen. Eckstein et al. (2002) ver-glichen die Gelenkflächengröße des Kniegelenksvon sportlich aktiven Probanden (> 10 Stunden proWoche), die zusätzlich eine körperlich belastendeArbeit ausführen, mit sportlich wenig aktiven Kon-trollprobanden (< 1 Stunde pro Woche), die einerphysisch wenig belastenden Arbeit nachgehen. Dieaktiven Personen hatten eine um 7–8,8% größereGelenkfläche als die Kontrollprobanden. Ob dieseine trainingsbedingte Adaption des ausgewachse-nen Gelenks darstellt oder schon innerhalb desSkelettwachstums durch vermehrte Bewegungs-reize entstanden ist, bleibt bis heute allerdings un-klar. In der Arbeit von Gratzke et al. (2007) wurdeninaktive Personen mit professionellen Athleten(Gewichtheber und Wintersportler) verglichen.Hier waren die Unterschiede gering. Man konntenur eine nicht signifikant größere Gelenkfläche beiden Athleten feststellen. Eine Vergrößerung derGelenkfläche scheint also kein durchgängiges An-passungsmerkmal zu sein.

▶ Matrixzusammensetzung. Die Qualität vonKnorpel nur nach seiner Morphologie zu beurtei-len, wäre aber unzureichend. So ist ein durch ei-nen erhöhten Wassergehalt dickerer Knorpel nichtzwangsläufig auch belastbarer. Das Verhältnis dereinzelnen Matrixkomponenten zueinander ist si-cherlich wichtiger und für die Qualität entschei-dend (Franz et al. 2001, Mankin et al. 2000).

In diesem Zusammenhang konnten in den letz-ten Jahren durch spezifische Kontrastmittelunter-suchungen interessante Daten ermittelt werden.Dabei wird das Kontrastmittel Gadolinum venösappliziert und mit einer zeitlichen Verzögerungvon ca. 2 Stunden eine MRT-Aufnahme der Ziel-gelenke angefertigt. Die Matrixstruktur kann hier-durch dargestellt werden (unterschiedliche Einfär-bung der kollagenen Anteile und Grundsubstanz-moleküle). Roos und Dahlberg (2005) konntendiesbezüglich innerhalb eines viermonatigen Trai-ningsprogramms, bestehend aus Kraft- und Aus-dauertraining sowie koordinativen Trainings-methoden, eine qualitative Verbesserung derKnorpelmatrix darstellen. Zu ähnlichen Resultatenkommen Tiderius et al. (2004) und Ericsson et al.

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(2009). Gerade letztere Autoren stellen einen posi-tiven Zusammenhang zwischen der Kraft der knie-umgebenden Muskulatur und der Matrixzusam-mensetzung her. Während also für die Knorpel-dicke bzw. das Knorpelvolumen und die Gelenk-flächengröße inkonsistente Daten zu verzeichnensind, bestehen relativ eindeutige Ergebnisse füreine positive Beeinflussung der Knorpelmatrix.

Folgen einer ImmobilisationEinen Immobilisationsschaden kann man konstantnachweisen. Er tritt bereits nach 3–4 Wochen auf(Diekstall, Schulze und Noack 1995). Insbesonderedie Grundsubstanzmoleküle bilden sich schnellerzurück als die kollagenen Fasern. Selbst durch einezeitlich begrenzte Entlastung reduziert sich dieKnorpelmasse erstaunlich schnell. Hinterwimmeret al. (2004) konnten nach einer siebenwöchigenTeilbelastungsperiode bei operativ versorgten We-ber-B-/-C-Patienten eine Dickenabnahme desKnorpels im Kniegelenk der betroffenen Seite von2,9–6,6% feststellen. Bestätigt werden diese Ergeb-nisse von Hudelmaier et al. (2006) und insbeson-dere von Vanwanseele et al. (2004). In letzt-genannter Untersuchung kam es infolge einerQuerschnittslähmung zu einem durchschnittlichenVerlust der Knorpeldicke im Kniegelenk innerhalbeines halben Jahres von 11%. Der durch die erhöh-te Aktivität im Rollstuhl mehr belastete Schulter-gelenksknorpel zeigte dagegen keine makroskopi-sche Veränderung. Eine veränderte Matrixstrukturermittelten Owman et al. (2014) und Souza et al.(2012). Auch hier reduzierte sich schon nach kur-zer Zeit der Grundsubstanzgehalt, später kam eszu Veränderungen im kollagenen Netzwerk.

Während der Verlust von Proteoglykanen weit-gehend reversibel ist, regenerieren sich die kolla-genen Fasern wahrscheinlich nicht (Souza et al.2012, Otterness et al. 1998, Vanwanseele, Lucchi-netti und Stüssi 2002). Nach Immobilisations-phasen kann die Knorpelmorphologie auch nach18 Monaten im Vergleich zur gesunden Seite nochgestört sein, während das muskuläre Defizit zudiesem Zeitpunkt meistens schon behoben ist(Owman et al. 2014, Eckstein 2003).

Stoffwechsel und AdaptionGrundsätzlich erhält sich der Knorpel durch einausgeglichenes Verhältnis von anabolen und kata-bolen Prozessen. Beide werden primär mechanischaktiviert und sekundär chemisch vermittelt.

Anabole Vorgänge

Die Grundsubstanzsynthese im Knorpel kann di-rekt oder indirekt getriggert werden (Lee et al.1998, van den Hoogen et al. 1998). Eine direkteAktivierung liegt vor, wenn das Zytoskelett durchexterne Kompressionsreize deformiert wird. DieAktinfilamente, Mikrotubuli und intermediären Fi-lamente richten sich entlang der einwirkendenKraft aus und passen die Gestalt der Zelle an. DieForm und das Volumen des Zellkerns verändernsich und Transkriptionsprozesse werden eingelei-tet. In gleicher Weise wirken mechanische Reizeauf die Grundsubstanzmoleküle und die kollage-nen Fasern. Die Deformation wird durch die Trans-membranrezeptoren (Integrine) auf das Zytoske-lett übertragen oder aktiviert Second-Messenger-Kaskaden, die auf chemischem Weg die Synthese-leistung der Zelle anpassen (Loeser 2014, Otte2001, Smith et al. 2000, Trickey et al. 2000).

Sekundär kommt es zu Flüssigkeitsverschiebun-gen, welche die relative Konzentration der einzel-nen Matrixkomponenten innerhalb des Knorpelsverändern. Die Konzentrationsänderungen wirkenüber ein positives oder negatives Feedback auf denChondroblasten. Des Weiteren bilden sich elektri-sche Phänomene wie der piezoelektrische Effektund Strömungspotenziale. Die Potenzialgrößensind abhängig von der Knorpeldicke und der Rich-tung der einwirkenden Kraft. Belastungen parallelzur Faserausrichtung der Matrix produzierengrößere Ladungsverschiebungen. Die Potenzialesind unmittelbar nach der Belastung messbar undbleiben minutenlang bestehen (Basset und Pawluk1972, Kim, Bonassar und Grodzinsky 1995). Me-chanische Reize können so in der Matrix gespei-chert werden!

Ein wichtiger anaboler Faktor für die Knorpel-adaption ist der Wachstumsfaktor IGF (Neidel undSchulze 2000). Normalerweise liegen 90% dieserSubstanz in einem gebundenen Zustand vor. Soge-nannte Bindungsproteine verhindern eine Rezep-torkoppelung. Durch mechanische Reize werdenProteasen freigesetzt, die die Bindung zerstören.Der Wachstumsfaktor ist nun frei beweglich undkann eine Kopplung mit Rezeptoren in der Zell-membran eingehen und Adaptionsprozesse aus-lösen (Martin und Buckwalter 2000). IGF wird ineinem Reservoir in und um die Zelle herum ge-speichert, wird anforderungsspezifisch von ihrproduziert oder gelangt über den Blutstrom insentsprechende Gelenk (Van den Hoogen et al.

1.1 Bindegewebe

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1998, van den Lest, van den Hoogen und vanWeerden 2000, Chen 2003).

Herauszuheben sind in diesem Kontext die Ar-beiten von Neidel und Schulze (2000) und van denHoogen et al. (1998). Sie untersuchten den Einflussvon Wachstumsfaktoren auf die Syntheseleistungvon Knorpelzellen. Außerdem wurde der Zusam-menhang von mechanischer Belastung und Gehaltvon IGF in der Synovialflüssigkeit bestimmt. IGFwar zu über 60% für die gesteigerte Matrixsynthe-se verantwortlich. Belastete Gelenke weisen einenerhöhten IGF-Gehalt in der Synovialflüssigkeit auf.Möglicherweise produzieren SynovialzellenWachstumsfaktoren, die durch mechanische Belas-tung in die Synovialflüssigkeit abgegeben werdenund über diesen Weg in den Knorpel eintreten. Diedurch die Bewegung induzierte Weitstellung derKapillaren eröffnet einen weiteren Weg für che-mische Substanzen zum Gelenkraum. Die Synovi-alflüssigkeit nimmt durch diese Befunde eineSchlüsselposition nicht nur für die Ernährung, son-dern auch für den Knorpelerhalt ein.

Die biologische Aktivität der Zellen in den ein-zelnen Knorpelzonen weisen beträchtliche Unter-schiede auf. In Ruhe ist die Syntheseleistung deroberflächlichen Zellen um ca. 30% niedriger als dieder Zellen in der tiefen Knorpelzone. Auch die Sen-sibilität für mechanische Reize scheint in tiefenZellen höher zu sein. Ihre Aktivität ist nach mecha-nischer Kompression um bis zu 72% erhöht, wäh-rend die der oberflächlichen Zellen nur gering-fügig steigt (Lee et al. 1998, Aydelotte, Greenhillund Kuettner 1988).

Katabole Vorgänge

Innerhalb des normalen Turnovers werden Matrix-moleküle durch Matrix-Metallo-Proteasen abge-baut (Van Doren 2015). Die Vorläuferform dieserEnzyme wird auch im physiologischen Knorpel la-tent produziert und durch ein Kontrollsystem ge-steuert bzw. deren enzymatische Aktivierung ge-hemmt. Ausgehend davon entscheiden die mecha-nische Belastung (siehe ▶Tab. 1.2) und das che-mischeMilieu,wie starkder Knorpelabbau aktiviertwird. Bei moderater Aktivierung ist dieser Gewe-beabbau physiologisch und wird durch den gleich-zeitigen Aufbau kompensiert. Nach Verletzungenkann sich das Verhältnis der anabolen und katabo-len Prozesse zugunsten der Degradation verändern.Diese äußert sich insbesondere im Erscheinungs-bild der Arthrose und kann als Entartung des phy-siologischen Systems verstandenwerden.

Tab. 1.2 Abnormale Knorpelbelastung

Zu viel Zu wenig

repetitive Mikrotraumata,z. B. beim Sporteinmaliges Makrotrauma,z. B. schwere Gelenkverletzungerhöhte Gewichtsbelastung,z. B. durch Übergewicht

ImmobilisationEntlastungTeilbelastungBewegungsmangel

TrainingsaspekteDer Einfluss unterschiedlicher Trainingsparameterwie Intensität, Dauer oder Pausen für den Knorpel-aufbau sind nach wie vor nur unzureichend unter-sucht. Hinweise ergeben sich aber aus der Grund-lagenforschung.

Intensität

Wie oben beschrieben, benötigt jede Bindege-webszelle einen spezifischen mechanischen Reiz.Für die Entwicklung von Chondroblasten aus denVorläuferzellen müssen Kompressionsreize wir-ken. Dieses Prinzip bleibt für den Knorpel zeit-lebens bestehen. Anguläre Bewegung ohne Ge-wichtsbelastung reicht für den Erhalt des Knorpelsnicht aus (Walker 1998, Palmoski, Brandt und Co-lyer 1980)! Dynamische Kompressionsreize stimu-lieren die Matrixsynthese und sind statischen Rei-zen deutlich überlegen (Palmoski und Brandt1984, Walker 1998, Lammi et al. 1994). Bei stati-schen Aktionen ist die Belastung auf einen be-stimmten Teil der Gelenkfläche zentriert, wohin-gegen bei dynamischen Belastungen viele Anteileder Gelenkfläche gleichmäßig belastet werden(Eckstein et al. 2000).

Die Intensität, produziert durch externe Lastenoder interne Kontraktionskräfte des Muskels, soll-te nicht zu niedrig gewählt werden, da eine gewis-se Reizschwelle überschritten werden muss. Wiehoch diese Reizschwelle ist, muss individuell ent-schieden werden und ist von der Knorpelqualität,den einzelnen Wundheilungsphasen (z. B. nachautologer Chondrozytentransplantation oder Mo-saikplastik, siehe Kap. 1.2.2) und dem Stadium derDegeneration abhängig. Intraoperativ prüften Va-sara et al. (2005) mit einem Tasthaken die Integri-tät der Knorpeloberfläche. Sie konnten einen di-rekten Zusammenhang zwischen der Steifheit desKnorpels und der histologischen Qualität ermit-teln. Dies bedeutet, dass die gleiche mechanischeBelastung beim nicht degenerierten Knorpel einenur minimale Deformierung verursacht, während

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ein arthrotischer Knorpel vielleicht schon bis zurTraumagrenze verformt wird. Allgemeine, für allePatienten gleich gültige Empfehlungen sind dahernicht realistisch. Walker (1998) empfiehlt für denKnorpelerhalt moderate bis mittlere Intensitäten,was einem Kraftausdauer- oder lokalen Muskel-ausdauertraining (siehe Kap. 2) entspricht. Vondieser Richtlinie ausgehend sollte sich der Thera-peut in einem Versuchs-Irrtums-Prozess ohneSchmerzprovokation an die individuelle Belas-tungsgrenze heranarbeiten.

Dauer der Belastung

Das Verhältnis Seriendauer zu Serienpause wurdevon Palmoski und Brandt 1984 untersucht. EinVerhältnis von 1:1 inhibierte die Matrixsynthese,ein Verhältnis von 4:11hatte positive Anpassungs-erscheinungen zur Folge. Dabei sollte die Serien-dauer 100 Sekunden nicht überschreiten, da indiesem Zeitraum über 75–80% der mechanischenBelastung von den flüssigen Anteilen der Knorpel-matrix aufgenommen werden. Dies wird auch alsflüssige Phase innerhalb der Belastungsübernahmebezeichnet. Die festen Bestandteile werden zu-nächst geschont und werden erst nach der Ver-drängung des Wassers aus dem Knorpel vermehrtmiteinbezogen. Die Deformierung der Matrix-moleküle wird dann als feste Phase bezeichnet(Eckstein 2003, Adams et al. 1999).

Erholung

Für eine vollständige Erholung nach Kompressi-onsbelastungen müssen längere Zeiteinheiten ver-anschlagt werden. Nach 100 Kniebeugen hat derpatellare Knorpel seine Ausgangsdicke nach ca.90Minuten wieder erreicht (Eckstein et al. 2000).Ob diese Ergebnisse allerdings auf andere Knorpe-lareale übertragen werden können, ist zu bezwei-feln, denn die Deformation des Knorpels ist sowohlvom Alter als auch von der Knorpellokalisation ab-hängig. Im Kniegelenk z. B. kommt es selbst bei in-tensiver Belastung nur zu einer geringen Verfor-mung des femoralen Knorpels. Der tibiale Knorpeldagegen weist bei gleicher Krafteinwirkung einendeutlich höheren Dickenverlust auf. Darüber hi-naus wird die Verformung maßgeblich von denMenisken beeinflusst. Diese werden ihrer Funktionals „Puffer“ gerecht und reduzieren die Verfor-mung an den tibiofemoralen Kontaktflächen (Sut-ter et al. 2015, Eckstein et al. 2005).

Geschwindigkeit

Hohe Geschwindigkeiten stellen für Bindegewebegrundsätzlich eine größere Belastung dar. Die Be-lastungsdeformationskurve (▶Abb. 1.7) verschiebtsich nach links, was einer verminderten Belastbar-keit bei geringerer Deformation entspricht. Ins-besondere am Anfang des Trainingsprozesses istdeshalb auf eine moderate Geschwindigkeit beider Bewegungsausführung zu achten. Eine Rhyth-musvorgabe (1/1/1) oder (2/0/2) ist zu empfehlen.

Progression

Merke

Dem Patienten und dem Therapeuten sollte klarsein, dass biopositive Anpassungserscheinungendes Knorpels nicht nach Wochen zu erwartensind. Die Trainingsplanung sollte dementspre-chend auf mindestens ein Jahr ausgerichtet sein.

Die Progression innerhalb des Trainingsprozessesrichtet sich nicht allein nach der muskulärenAdaption, sondern auch nach dem langsamerenTurnover der Chondroblasten. Physiotherapeutenmüssen unbedingt darauf achten, dass dem ver-meintlich passiven Bindegewebe genug Zeit gege-ben wird, sich an die veränderte Belastung anzu-passen, um eine zu frühe Belastungssteigerungund damit weitere Knorpelpathologien zu vermei-den.

Die rasante Weiterentwicklung der bildgeben-den Verfahren könnte in der Zukunft eine Quanti-fizierung der Knorpelbelastung bei verschiedenenAktivitäten ermöglichen. Schon seit einigen Jahrenbemühen sich Wissenschaftler, mittels hochauf-lösendem MRT die Verformung des Knorpels zumessen. Die Ergebnisse sind vielversprechend undbestätigen teilweise die bestehenden Annahmen.Allerdings sind die meisten Untersuchungen nochauf das Knie- bzw. Schultergelenk beschränkt. Pro-blematisch ist lediglich die Einordnung der gewon-nenen Werte, denn es bestehen keine biopositivenbzw. bionegativen Grenzwerte bezüglich der Knor-pelverformung. Zum weiteren Literaturstudiumverweisen wir auf die Arbeiten von Eckstein et al.1999, 2000, 2005.

1.1 Bindegewebe

1

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Tab. 1.3 Trainingsbedingungen für eine positive Knorpeladaption

Parameter Krafttraining Ausdauertraining

Intensität mittel mittel

Geschwindigkeit moderat(1/1/1) – (2/0/2)

moderat (< 40 Umdrehungen/minauf dem Fahrradergometer)

Serienpause Belastungszeit(Verhältnis 4:11)

ohne

Seriendauer < 100 Sekunden

Trainingsprogression langsam (Faktor 3 im Vergleichzur muskulären Adaption)

langsam (Faktor 3 im Vergleichzur muskulären Adaption)

Trainingsprozess lang > 1 Jahr lang > 1 Jahr

Tab. 1.4 Risikofaktoren für die Entstehung einer Arthrose (mod. Silverwood et al. 2015, Loughlin 2015, Allen undGolightly 2015, Wang 2015, Bruyere et al. 2015)

Primär Sekundär Tertiär

Alter Knochenmasse/Dichte Geburtsgewicht

weibliches Geschlecht Alignment/Beinlängendifferenzen Vitaminstatus (Vitamin-D/K)

Übergewicht/Fettleibigkeit veränderte Knochenform Einkommen

relevante Gelenkverletzung Muskelkraft/Muskelmasse soziale Stellung

Genetik Arbeitsplatzfaktoren

physische Aktivität

Komorbidität (Herz-Kreislauf-Erkran-kungen, Diabetes mellitus)

hormonelle Faktoren (z. B. Östrogen)

Maladaption von KnorpelgewebeDie Arthrose gilt weltweit als die häufigste Ge-lenkerkrankung des Erwachsenen und stellt damiteinen bedeutenden Kostenfaktor in unserer Gesell-schaft dar. Aus diesem Grund rief die Weltgesund-heitsorganisation schon zur Jahrtausendwende zur„Bone-and-Joint“-Dekade auf, um die Forschungs-situation zu verbessern. Dies wird nun in einerVielzahl von Studien über die Epidemiologie undBehandlung dieses Krankheitsbildes deutlich. Amhäufigsten sind die Knie- und Hüftgelenke sowiedie Hand- und Schultergelenke an den Extremitä-ten betroffen. In der deutschen Bevölkerung be-trägt die Lebenszeitprävalenz für das weiblicheGeschlecht ca. ¼. Männer sind mit ⅙ etwas selte-ner betroffen. Diese Zahlen stellen offensichtlichnicht das Ende der Entwicklung dar. Allein im ers-ten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind sie um2,4–4,5% gestiegen (Rabenberg 2013).

Risikofaktoren

In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahlvon Risikofaktoren für die Entstehung oder Pro-gression einer Arthrose identifiziert. Ein Großteilder Arbeiten befasst sich dabei mit der Gonarthro-se. Die Hüft- bzw. Handgelenke sind in diesem Zu-sammenhang weniger bewertet. Die in der▶Tab. 1.4 zusammengefassten Risikofaktoren gel-ten daher nicht im gleichen Maße für alle Arthro-sen, vermitteln aber dennoch einen Eindruck überdie beitragenden Faktoren. Entsprechend dem Ein-fluss auf das Krankheitsbild wurde eine Einteilungin primäre (hoher Einfluss), sekundäre (geringerEinfluss) und tertiäre (unklarer Einfluss) Risikofak-toren vorgenommen.

▶ Alter. Das Lebensalter ist mit der potenteste Ri-sikofaktor überhaupt. In Abhängigkeit der unter-suchten Gruppe kommt es zwischen dem 40.–75.Lebensjahr zu einem besonders steilen Anstieg derPrävalenz der Arthrose. Davor und danach verläuftdie Kurve etwas flacher (siehe ▶Abb. 1.10, Raben-

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berg 2013, Silverwood et al. 2015). Nach Heijink etal. (2012) entwickeln sich im Alter, neben demphysiologischen Zelluntergang, Knorpelzellen, dieeine größere Menge von Wachstums- und Diffe-renzierungsfaktoren produzieren. Dieses bioche-mische Umfeld begünstigt den Abbau, bei einemgleichzeitig reduzierten Aufbau von Grundsub-stanz. Unterstützt wird dieser Prozess durch diereduzierte Sensibilität für anabole Wachstumsfak-toren (IGF) und die Akkumulation von Sauerstoff-radikalen.

▶ Weibliches Geschlecht. Frauen sind insgesamtmehr von Arthrosen betroffen. Eventuell sind hierunterschiedliche anthropometrische Faktoren (z. B.Femurschaft-Hals-Winkel) oder hormonelle Fak-toren der Hintergrund. Auch der EinflussfaktorMuskulatur (Kraft und Masse) könnte eine Rollespielen.

▶ Übergewicht und Fettleibigkeit. Ein hoherBody Mass Index (BMI) > 30 wird in den meistenStudien konsistent als starker Risikofaktor identifi-ziert (Allen und Golightly 2015, Silverwood et al.2015). Dies gilt sowohl für die Entwicklung alsauch die Progression einer Arthrose. In der Ver-gangenheit wurde das Übergewicht aber eher alsbiomechanischer Faktor angesehen, der die Ge-lenkbelastung steigert und auf diesem Wege denKnorpelabbau unterstützt. Mittlerweile wird deut-lich, dass nicht das Körpergewicht per se entschei-dend ist, sondern die Akkumulation von Fettgewe-

be. Gerade die abdominale bzw. viszerale Fettmas-se ist hier von großer Bedeutung.

Fettzellen produzieren eine Reihe von Stoff-wechselhomornen (Adiponektine), die eine proin-flammatorische Wirkung haben. Auf diesem Wegeentsteht eine systemische Entzündung, welche dieEntwicklung einer Vielzahl von Krankheitsbildernunterstützen kann. Unter diesen befinden sich diehäufigsten Zivilisationserkrankungen, wie z. B.Diabetes mellitus, Arteriosklerose und eben auchdie Osteoarthrose. In diesem Zusammenhang be-eindrucken die Daten von Karvonen-Gutierrez etal. (2014). In ihrer Arbeit korrelierte der Serum-wert des Adiponektins Leptin annähernd linearmit dem Schweregrad der Gelenkdestruktion.

Wang et al. (2015) führen folgerichtig den Be-griff „metabolische“ Arthrose ein. Vor diesem Hin-tergrund wird verständlich, dass die Gewichts-bzw. Fettreduktion als einer der wichtigsten Be-standteile in der Behandlung des Arthrotikers an-gesehen werden kann.

▶ Relevante Gelenkverletzung. Ein Makrotraumaist mit der Fettleibigkeit in allen Übersichtsarbei-ten der größte Risikofaktor für eine spätere Ge-lenkdegeneration. Der Terminus „posttraumati-sche Arthrose“ beschreibt diesen Umstand treffend(Allen und Golightly 2015, Silverwood et al. 2015,Roemer et al. 2015). Am eindeutigsten sind dieFolgen eines Traumas nach einer Ruptur des vor-deren Kreuzbandes am Kniegelenk beschrieben.Hier kann man schon nach wenigen Jahren dege-nerative Veränderungen feststellen. Bis heute ist esnicht gelungen, durch die gängigen Rekonstrukti-onstechniken oder eine bestmögliche Rehabilita-tion diesen Teufelskreis zu durchbrechen (sieheKap. 6.2, Chalmers et al. 2014, Smith et al. 2014,Nordenvall et al. 2014).

▶ Genetik. Analog zu vielen anderen Erkrankun-gen des Bewegungsapparates gibt es auch für dieEntwicklung einer Arthrose eine Risikogruppe, dieeine Prädisposition für eine frühe Degenerationaufweist. So beschreibt z. B. Hoaglund (2013) inseiner Übersichtsarbeit eine europäische Form derprimären Hüftarthrose, die durch genetische Vari-anten begünstigt wird. Auf zellulärer Ebene zeich-nen sich solche Varianten durch eine veränderteEntwicklung der Knorpel- und Knochenzellen bzw.durch einen eher katabolen Stoffwechsel aus(mehr Abbau, weniger Aufbau von Matrix und einegrößere Reaktionsbereitschaft auf Entzündungs-

Prozent

0

10

18 – 29 30 – 39 40 – 49Jahre

50 – 59 60 – 69 70+

20

30

40

50

60Frauen

Männer

Abb. 1.10 Lebenszeitprävalenz der Arthrose(Rabenberg 2013).

1.1 Bindegewebe

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Page 29: umfangreicher als in den früheren Auflagen, was in der 3. Auflage durch 300 zusätzliche Seiten do-kumentiert wird. Der Aufbau und die Struktur des Buches zeigt durchgehend einen

transmitter, Loughlin 2015; Valdes 2010). SelbstTraumata des vorderen Kreuzbandes könnten da-durch aufgrund einer reduzierten Stabilität deskollagenen Netzwerks eine genetische Grundlageerfahren (Posthumus et al. 2010).

▶ Muskelmasse. Der Einflussfaktor Muskelmasseist am häufigsten im Kontext der Gon- bzw. Patel-lofemoralarthrose untersucht worden. Diesbezüg-lich lassen sich in der Literatur inkonsistente Datenfinden. Nach Ruhdörfer et al. (2014) bestehen infrühen Phasen der Arthrose keine Unterschiede imQuadrizepsquerschnitt zwischen der betroffenenund der nicht betroffenen Seite. Berry et al. (2008)finden sogar einen negativen Zusammenhang zwi-schen der Größe des M. vastus medialis und derExistenz von patellofemoralen Knorpelschäden.Ein größerer Querschnitt korrelierte in dieser Ar-beit mit einer größeren Anzahl von Läsionen. Inanderen Arbeiten ergeben sich bei einem größerenMuskelquerschnitt eher positive Zusammenhänge.So weisen Probanden mit einem größeren M. vas-tus medialis ein höheres Knorpelvolumen (patello-femoral) auf oder verlieren bei bestehender Ar-throse weniger Knorpelmasse über einen Zeitraumvon 2–4 Jahren (Berry et al. 2008b, Wang et al.2012). Allen und Golightly (2015) sehen in ihrerÜbersichtsarbeit für die Muskelmasse nur schwa-che Zusammenhänge zur Entwicklung einer Ar-throse. Ein entscheidenderer Einfluss kann ihrerMeinung nach für den Verlauf des Krankheitsbil-des entstehen.

Insgesamt ist fraglich, ob eine Querschnittsmes-sung aussagekräftige Daten liefern kann, denn dieMuskulatur weist analog zu den passiven Bindege-weben des Gelenkes degenerative Veränderungenauf. Diese sind insbesondere durch einen größerenintramuskulären Fett- und Bindegewebsanteil cha-rakterisiert. Es könnte so trotz Atrophie eine Zu-nahme des Querschnitts entstehen (Dannhauer etal. 2015).

▶ Muskelkraft. Auch für den Faktor Kraft ergibtsich kein klares Bild. Nach Øiestad et al. (2015) isteine reduzierte Quadrizepskraft ein Risikofaktorfür die Entwicklung einer Gonarthrose. In den Ar-beiten von Allen und Golightly (2015) und Neogiund Zhang (2013) werden Studien mit gegentei-ligen Ergebnissen genannt. Vermutlich ist einestarke, über ein Gelenk hinwegziehende Muskula-tur nur dann positiv zu werten, wenn die Beinach-se für die untere Extremität bzw. die Stellung des

Schultergürtels für die obere Extremität im phy-siologischen Rahmen ist. Große Stellungsverän-derungen wie z. B. eine ausgeprägte Varus- oderValgusstellung des Kniegelenks verursachen beimuskulärer Aktivität Spitzenbelastung auf einergeringen druckaufnehmenden Fläche und könntenso auch destruierende Effekte haben.

Wichtiger scheint die Muskelkraft aber für dasAusmaß der Symptomatik (z. B. Schmerz) und dieFunktionseinschränkung bei bestehender Arthrosezu sein. Ruhdörfer, Wirth und Eckstein (2015) er-mitteln für eine Kraftreduktion von 6% (Quadri-zeps und ischiokrurale Muskulatur) eine circagleich große Verschlechterung in der Auswertunganerkannten Fragebögen. Interessanterweise kon-zentrieren sich Defizite nicht ausschließlich aufdas betroffene Gelenk. Auch kontralateral bzw. inangrenzenden Gelenken lassen sich Veränderun-gen messen. Dies lässt auf einen eher zentralen,vermutlich durch den Schmerz vermittelten Effektschließen (Steidle-Kloc et al. 2015, Judd et al.2014).

▶ Physische Aktivität (Sport/Arbeitsplatz). DiePartizipation in belastenden Sportarten wird seitJahrzehnten als Risikofaktor für eine Gelenkdege-neration diskutiert. Die Daten von Roemer et al.(2015) unterstützen diese Ansicht. Bei Fußball-spielern finden sie ein erhöhtes Risiko für die Ent-wicklung einer Gonarthrose. Dieser Zusammen-hang wird durch die große Wahrscheinlichkeiteiner Gelenkverletzung potenziert. Manche Auto-ren finden sogar nur bei den Fußballspielern einerhöhtes Risiko, die in der Vergangenheit eine re-levante Verletzung erlitten haben (Thelin et al.2006).

Die Arbeitsplatzbelastung scheint ebenfalls ei-nen Einfluss auf die Gelenke zu haben. Für dasKniegelenk werden am häufigsten Arbeiten mitwiederholter Kniebeugung oder in knieender Posi-tion als Risikofaktor genannt. Für das Hüftgelenkwerden Hebebelastungen, Treppensteigen oderstehende Arbeitsbelastungen beschrieben (Teich-tahl et al. 2015, Allen und Golightly 2015, Neogiund Zhang 2013).

Pathogenese

Die strukturellen Krankheitsprozesse gehen weitüber eine einfache mechanische Abnutzung desGelenkknorpels hinaus. Die oben beschriebenenRisikofaktoren begünstigen letztendlich zelluläreund biochemische Veränderungen.

Bindegewebe und Wundheilung

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Ein übergeordnetes Merkmal von arthrotischenKnorpelzellen ist die Veränderung des Phänotyps(morphologische und funktionelle Eigenschaftender Zelle). Bezeichnend hierfür ist eine Produktionvon minderwertiger Matrix, die der mechanischenBelastung nicht mehr standhält. Des Weiteren gehteine nicht unerhebliche Anzahl von Zellen zugrun-de. Dieser Prozess wird als Apoptose bezeichnetund kann sowohl durch biochemische (Adipokine,Entzündungsstoffe) als auch mechanische Belas-tung („high impact“ oder dauerhafte Überlastungbei Achsfehlstellung) induziert werden.

Zunächst wehrt sich der Knorpel gegen den dro-henden Verlust mit einem gesteigerten Turnover.Die Knorpeldicke kann daher in den frühen Phaseeiner Arthrose zunehmen (Cotofano et al. 2012,Eckstein und Wirth 2011). Erst später kommt eszur Reduktion der Knorpelmasse bis hin zum tota-len Verlust. Der angrenzende Knochen reagiert mitentgegengesetzten Adaptionen. Osteophytäre An-lagerungen und eine subchondrale Sklerosierungkönnen als verzweifelter, aber letztendlich erfolg-loser Versuch der Stabilisierung interpretiert wer-den. Beide bindegewebigen Veränderungen kön-nen in radiologischen Verfahren sichtbar gemachtund in verschiedene Schweregrade eingeteilt wer-den. Mit der bekannteste radiologische Score istder Kellgren-und-Lawrence-Score (▶Tab. 1.5).

Tab. 1.5 Kellgren-und-Lawrence-Score

Grad Charakteristika

0 normal

1 „zweifelhafte“ Veränderung am Gelenkspaltund am Knochen

2 definitive osteophytäre Anlagerung und geringeoder keine Veränderung des Gelenkspalts

3 osteophytäre Anlagerung, subchondraleSklerosierung, Deformität und moderateGelenkspaltverschmälerung

4 ausgeprägte osteophytäre Anlagerungen,subchondrale Sklerosierung, Deformität undstarke Gelenkspaltverschmälerung

Behandlung

Die Behandlung eines Arthrotikers ist für denSport- bzw. Physiotherapeuten eine besondere He-rausforderung, da eine wirkliche Heilung nichtrealistisch ist. Hier geht es vielmehr um einenlangfristigen Behandlungsplan, an dessen Ende oftein chronischer Schmerzpatient und/oder eine

operative Versorgung steht. Die OARSI (Osteo-arthritis Research Society International) und dieEULAR (European League against Rheumatism) ha-ben erst kürzlich, stellvertretend für viele andereGesellschaften, ihre Behandlungsempfehlungenaktualisiert.

Ihren Daten zufolge können 5 Säulen definiertwerden:

Checkliste

Behandlungsempfehlungen der OARSIund EULAR (mod. Fernandes et al. 2013,McAlindon et al. 2014)1. individueller Behandlungsplan2. Assessment (Gelenkfunktion, Alltagsfunktion,

Partizipation)3. Information/Patientenmanagement4. aktive Therapie

● Kraft● Ausdauer● Mobilität

5. begleitende Interventionen● biomechanische Entlastung● Viskosupplementierung

▶ Individueller Behandlungsplan. Die Ausprä-gung der klinischen Symptomatik bei der Gelenk-arthrose bietet ein weites Spektrum. In der frühenPhase sind die Patienten häufig noch sehr belast-bar, später sind die Möglichkeiten aufgrund desSchmerzes eingeschränkt. Allgemeine, für alle Pa-tienten gleich gültige Empfehlungen sind daherweder wünschenswert noch umsetzbar. Zu Beginnder Behandlung steht eine individuelle Befund-erhebung. Daraus ergeben sich in Absprache mitdem Patienten realistische und erreichbare Ziele,die im Sinne eines Therapeut-Patienten-Vertragesfestgelegt werden können.

▶ Assessment. In Anlehnung an die ICF-Klassifi-kation sollten Assessmentverfahren für die Ge-lenkfunktion (Mobilität und Kraft der Schlüssel-muskeln), alltagsnahe Leistungstests und aner-kannte Fragebögen zum Einsatz kommen. Erstkürzlich wurde in der Übersichtsarbeit von Dob-son et al. (2013) für Patienten mit einer Knie- bzw.Hüftarthrose eine „Batterie“ von Leistungstestsempfohlen:● 30 Sekunden Chair-Rise-Test● 40-m-Gehtest (auf Geschwindigkeit)

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