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MATERIALDIENST Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen 74. Jahrgang 12 / 11 ISSN 0721-2402 H 54226 Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen Komparative Theologie Zivilreligiöse Dimensionen in den Weihnachtsansprachen der Bundespräsidenten 20 Jahre „Jesus Freaks“ Stichwort: Coaching Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

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ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

74. Jahrgang 12/11IS

SN 0

721-

2402

H 5

4226

Christlicher Glaubeund nichtchristliche Religionen

Komparative Theologie

Zivilreligiöse Dimensionen in den Weihnachtsansprachen der Bundespräsidenten

20 Jahre „Jesus Freaks“

Stichwort: Coaching

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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Reinhard Hempelmann„Religionen, Religiosität und christlicher Glaube“Erinnerung an die VELKD/AKf-Studie 443

Friedmann EißlerKomparative TheologieEine Alternative zu bisherigen religionstheologischen Konzepten? 449

Edgar S. Hasse„Ein gesegnetes Fest!“Zivilreligiöse Dimensionen in den Weihnachtsansprachen der Bundespräsidenten 456

Karina Meyer20 Jahre „Jesus Freaks“Die Entwicklung einer Jugendbewegung 460

Interreligiöser DialogTrägerverein für interreligiöses Zentrum in Berlin gegründet 466

EsoterikRuediger Dahlke und die Musterkommune TamanGa 467

Gralsbewegung70. Todestag von Oskar Ernst Bernhardt 468

Coaching 471

INHALT MATERIALDIENST 12/2011

ZEITGESCHEHENBERICHTE

INFORMATIONEN

ZEITGESCHEHENIM BLICKPUNKT

BÜCHERSTICHWORT

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Manfred BöcklDie kleinen Religionen EuropasWoher sie kommen und welchen Einfluss sie haben 474

Hamed Abdel-SamadDer Untergang der islamischen WeltEine Prognose 477

BÜCHER

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Stellungnahmen zur Frage des Verhältnis-ses des christlichen Glaubens zu dennichtchristlichen Religionen sind ebensozahlreich wie vielstimmig geworden. DieDiskussion über die religionstheologi-schen Modelle Exklusivismus, Inklusivis-mus und Pluralismus geht zwar weiter,gleichzeitig drängt sich der Eindruck auf,dass es dabei vor allem um den Wettstreitunterschiedlicher inklusivistischer Per-spektiven geht; neuerdings auch um eineauf konkrete Themen zielende kompara-tive Religionstheologie, die sich mit unter-schiedlichen theologischen Interessenverbindet. Römisch-katholische Theolo-ginnen und Theologen sind sich in ihrenStellungnahmen zur Religionstheologiegenauso wenig einig wie ihre evangeli-schen Kolleginnen und Kollegen. Was Ers-tere freilich miteinander verbindet, ist dieBezugnahme auf einschlägige Aussagendes Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), insbesondere auf die „Erklärungüber das Verhältnis der Kirche zu dennichtchristlichen Religionen“ (Nostra ae-tate). Ein solcher gemeinsamer Bezugs-punkt fehlt im Kontext evangelischerTheologie. Umso wichtiger ist es, die vor-liegenden religionstheologischen Stel-lungnahmen zur Kenntnis zu nehmen und

ihre Anliegen in heutigen Diskursen zuberücksichtigen.

Hinweise zur Rezeption

1991 wurde im Auftrag der ArnoldshainerKonferenz (AKf) und der Kirchenleitungder Vereinigten Evangelisch-LutherischenKirche Deutschlands (VELKD) die Studie„Religionen, Religiosität und christlicherGlaube“ herausgegeben.1 Es lohnt sich,an diese Studie nach 20 Jahren zu erin-nern. Sie enthält wichtige Impulse undformuliert Perspektiven, die für gegenwär-tige religionstheologische Diskurse undkirchliches Handeln von Relevanz sind,und weist darauf hin, dass und wie es imKontext evangelischer Theologie und Kir-che möglich ist, zentrale Aspekte religi-onstheologischer Urteilsbildung auszu-sprechen. Mit der Erinnerung an die Stu-die werden zugleich Impulse des Theolo-gen und Religionsphilosophen Carl HeinzRatschow (1911-1999) gewürdigt, die insie eingingen und bis in charakteristischeSprachformen hinein erkennbar sind.2Bereits Ende 1984 beschlossen der Vor-stand der AKf und die Kirchenleitung derVELKD, das Thema des Verhältnisses deschristlichen Glaubens zu den außerchrist-

Das Thema „Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen“ ist weiterhin in derDiskussion. Wir erinnern an die vor 20 Jahren publizierte Studie „Religionen, Religiosi-tät und christlicher Glaube“, gefolgt von einem Blick auf die religionstheologischen Im-pulse, die gegenwärtig von der sogenannten „Komparativen Theologie“ ausgehen.

Reinhard Hempelmann

„Religionen, Religiosität und christlicher Glaube“Erinnerung an die VELKD/AKf-Studie

IM BLICKPUNKT

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lichen Religionen gemeinsam theologischzu bearbeiten. Dies geschah dann in denJahren 1985 bis 1990 in einer Arbeits-gruppe, deren Vorsitzende die Theologie-professoren Ratschow und Theo Sunder-meier waren. 1991 wurde das Ergebnisder Gruppe präsentiert und die Studie„Religionen, Religiosität und christlicherGlaube“ publiziert. Sie fand Beachtung,wurde rezipiert und geriet auch in Verges-senheit. Anders ist kaum zu erklären, dassin dem 2003 publizierten Beitrag derKammer für Theologie „ChristlicherGlaube und nichtchristliche Religionen.Theologische Leitlinien“ (EKD-Texte 77),der mit guten Argumenten einen diffe-renzhermeneutischen Zugang zum Verste-hen nichtchristlicher Religionen entfaltet,die Studie unerwähnt bleibt. In der Hand-reichung des Rates der EKD „Zusammen-leben mit Muslimen“ (2000) findet sichein an der Oberfläche bleibender Bezugzur Studie, wenn etwa konstatiert wird,dass sich die evangelischen Kirchen den„eigentlichen theologischen Fragen, diemit der Präsenz fremder Religionen in un-serer Nachbarschaft gegeben sind, ... nurzögernd genähert“ haben, „auch wenndie Studie ‚Religionen, Religiosität undchristlicher Glaube’ wichtige Perspektiveneröffnete“.3 Explizit genannt und entfaltetwerden diese Perspektiven allerdingsnicht. In den Literaturempfehlungen derHandreichung heißt es: „Diese Studienimmt die Beziehungen zwischen demchristlichen Glauben und den anderenWeltreligionen auf der Basis des Bekennt-nisses zum dreieinen Gott in den Blick.Zum Welthandeln dieses Gottes gehörenauch die Religionen. Daher bestimmt siedas Verhältnis der Christen zu den Reli-gionen mit den drei Stichworten: Mission,Dialog und Zusammenleben.“4 In eineähnliche Richtung geht die implizite Re-zeption der Studie in der Handreichungdes Rates der EKD „Klarheit und gute

Nachbarschaft“ (EKD-Texte 86): Dortheißt es: „Dialog und Mission schließensich nicht aus. Christliche Mission ver-steht sich in der Trias von Zusammenle-ben (Konvivenz), Dialog und Mission.Christen sind auch gegenüber Muslimenihrem Zeugnisauftrag verpflichtet.“5

Ausdrückliche Bezugnahmen auf die Stu-die finden sich in Arbeitshilfen für denevangelischen Religionsunterricht anGymnasien zum Thema „Östliche Religio-nen und christlicher Glaube“, die vondem Münchener Pfarrer Christian Wende-bourg publiziert wurden.6 Über seine reli-gionswissenschaftlichen und theologi-schen Orientierungen legt er in Band 3Rechenschaft ab und entwickelt ein reli-gionstheologisches Modell, das sich derEinordnung in gängige Ansätze (exklusi-vistisch, inklusivistisch, pluralistisch) ent-zieht. Wendebourg entwickelt seine Per-spektiven im Anschluss an Carl Heinz Rat-schow, die VELKD-Akf-Studie „Religio-nen, Religiosität und christlicher Glaube“und Arbeiten des früheren Leiters derEvangelischen Zentralstelle für Weltan-schauungsfragen Reinhart Hummel. Zu-gleich sucht er das kritische Gespräch mitheutiger Religionstheologie und beziehtsich immer wieder auf aktuelle Debatten.Angesichts der Aporien, in die gängigeVorschläge zur Verhältnisbestimmungzwischen christlichem Glauben und an-deren Religionen führen, plädiert Wende-bourg „für ein neues dogmatisches undreligionsgeschichtliches Modell evangeli-scher Theologie: das vergleichend-bezeu-gende. Denn nur dieses vermag die inner-weltliche Wirklichkeit bestimmter letzt-gültiger Wahrheitsansprüche im Pluralis-mus zu begründen, ohne über die Perso-nen Andersglaubender urteilen zu müssenund zu dürfen ... Ziel des vergleichend-bezeugenden Modells ist die Ermutigungund Befähigung zur Begegnung mit ande-ren Religionen und zum Verständnis für

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sie, hier für die östlichen und ihre Anhän-gerinnen, aus dem christlichen Glaubenheraus.“7

Anliegen der Studie

In der VELKD-AKf-Studie werden Perspek-tiven der Universitätstheologie (v. a. Missi-ons- und Religionswissenschaft und Syste-matische Theologie, Altes und Neues Tes-tament) mit denen von Kirchenleitungen,Gemeinden und Verantwortlichen für dasHandlungsfeld Religions- und Weltan-schauungsfragen verbunden. Beides be-gegnet in den Ausführungen: Reflexionen,die ins Grundsätzliche gehen, und einedetaillierte Kenntnis der Religionskultur,wie sie vor mehr als zwei Jahrzehnten inDeutschland und Europa vorzufinden war.Die grundsätzlichen Orientierungen blei-ben auf kirchliches und gemeindliches Le-ben bezogen, die religionstheologischeUrteilsbildung steht im Dienst kirchlicherVerantwortung.

• Die Studie fragt nicht nur nach der Ver-hältnisbestimmung zu den großen religiö-sen Traditionen, sondern beschreibt, ana-lysiert und beurteilt auch jene Formen vonReligiosität, die sich in neureligiösen Be-wegungen des 20. Jahrhunderts kundtun.Die vorgenommene Typologie unterschei-det zwischen Religion, Neureligion undQuasi-Religion. Zur Mun-Bewegung, zurTranszendentalen Meditation, zu Sciento-logy und vor allem zur New-Age-Bewe-gung finden sich differenzierende Wahr-nehmungen und Beurteilungen. ZwischenReligion und Religiosität wird dabei un-terschieden. „In den Religionen geschiehtdie Erfahrung von Ungesichertheit und ih-rer göttlichen Bewahrung zugleich ... Inder Religiosität bleibt menschliche Nich-tigkeit mit sich allein.“8

• Der Studie kann auch entnommen wer-den, dass das Thema „Wiederkehr der Re-

ligion“ nicht erst nach dem 11. September2001 ins Zentrum öffentlicher Diskursegelangte. Auf viereinhalb Seiten wird die-ses Thema explizit verhandelt, u. a. mitdem Hinweis darauf, dass die „Offenheitder Menschen gegenüber allem Religiö-sen – auch dem Okkulten – wächst“.9• Die Studie thematisiert Erwartungen, diein interreligiösen Begegnungen an diechristliche Seite gestellt werden: „Absagean den Kulturimperialismus ... Anerken-nung des religiösen Pluralismus ... Ver-zicht auf Mission ... Gemeinsame Frontgegen den Säkularismus ...“10 Gleichzeitigwerden Basisinformationen über „inEuropa missionierende Religionen“ wieden Islam, den Hinduismus, den Buddhis-mus, den Lamaismus gegeben.11 In diesenPassagen redet die Studie nicht abstraktvon den Religionen, sondern verbindetdie Vermittlung von Basiswissen mit Hin-weisen auf zentrale Herausforderungen inder Religionsbegegnung: „Die Begegnungmit dem Islam als Frage nach der Einheitvon Religion und Politik“12, mit dem Hin-duismus „als Frage nach dem Monotheis-mus“13, mit dem Buddhismus „als Fragenach der Leidensaufhebung und einerselbstlosen Existenz“14, mit dem Lamais-mus „als Frage nach der Inkarnation“.15

• Die heute intensiv diskutierte Frage desSchöpfens aus verschiedenen religiösenQuellen wird von der Studie insofern vor-weggenommen, als ein eigenes Kapitelunter die Überschrift „Beispiel interreli-giöser Existenzen“ gestellt wird. Zu denMöglichkeiten und Grenzen interreligiö-ser Einzelexistenzen äußert sich die Stu-die in großer Zurückhaltung. Die Darstel-lung hat hier vor allem deskriptiven Cha-rakter.16

• Anders als zahlreiche in den letzten Jah-ren publizierte religionstheologische Re-flexionen versucht die Studie, bibeltheo-logische Zusammenhänge zusammenfas-send darzustellen, und geht dabei auf

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zentrale alt- und neutestamentliche Aus-sagen zu Fremdreligionen ein.17

• Die Anfragen des Judentums an die Kir-che werden gesondert thematisiert. DasVerhältnis zwischen Christentum und Ju-dentum hat eine eigene Dignität, dieschon durch die Bezogenheit auf gemein-same heilige Schriften deutlich wird. „DasZeugnis der Kirche gegenüber Israel kannnicht in gleicher Weise Mission sein wiegegenüber den anderen Religionen, denndie Kirche ist nur mit Israel durch eine ge-meinsame Grundlage verbunden.“18

• Für das Gelingen der Kommunikationder Christinnen und Christen mit Angehö-rigen anderer Religionen wird ein Stand-ort der Buße bezogen. Die christlicheHaltung „darf nicht ein überlegenesWahrheitsbewusstsein sein, für das alleaußerchristlichen Religionen düsterer Dä-monendienst ... sind ... Der zu jedem reli-giösen Glauben gehörige Absolutheitsan-spruch hat mit einem Standort ‚geistlicherÜberlegenheit’ nichts zu tun.“19 DerStandort der Buße und der Bescheidenheitwird mit Hinweisen auf die „Sakralisie-rung der Botschaft Jesu“ begründet, mitder „Konfessionalisierung des einen Lei-bes Christi“ und mit der „Indigenisierungdes Kerygmas in seiner weltweiten Aus-breitung.“20 Der Sakralisierung steht die„Verborgenheit Gottes in Jesu höchst pro-faner Menschlichkeit“ entgegen, die derSehnsucht nach „religiöser Unmittelbar-keit“ nicht genügt. Die Konfessionalisie-rung markiert „die Zerreißung des einenLeibes Christi“. Die Studie resümiert die-sen Abschnitt mit den Worten: „Man mussin vieler Hinsicht sagen, dass wir dieWahrheit Gottes in der Gefangenschaftunserer sakralen, denkerischen wie ethni-schen Bedürfnisse halten.“21 Die Situationdes Christen ist insofern die der Angefoch-tenheit. Hochmut und ein stolzes Überle-genheitsgefühl sind keine Optionen fürdie angefochtene christliche Existenz.

• Die grundlegende Perspektive zumtheologischen Verstehen nichtchristlicherReligionen wird u. a. so formuliert: „Gottregiert und erhält die Welt auch durch dievielen Religionen hindurch, deren Gläu-bige uns an Selbsthingabe, Frömmigkeitund Andachtstiefe oft viel voraus ha-ben.“22 Zum Standort der Buße gehört dieEinsicht, dass eine letzte Bewahrheitungdes christlichen Glaubens nur durch dasunverfügbare Wort Gottes selbst gesche-hen kann, „das in Jesus Christus als Heilder Welt erschienen ist“.23

• Besondere Beachtung verdient die inder Studie vertretene Auffassung, dass Re-ligionsbegegnungen auf drei verschiede-nen Ebenen erfolgen: der Ebene der Mis-sion, des Dialoges, des Zusammenlebensbzw. der Konvivenz, ein Begriff, den derMissionswissenschaftler Theo Sunder-meier prägte.24 Die Trias von Mission,Dialog und Konvivenz wird in der Studietrinitätstheologisch begründet.25 Ihre Zu-sammengehörigkeit wird unterstrichen,wobei die Mission dem Geist Gottes, derDialog dem Wort Gottes, die KonvivenzGott, dem Schöpfer, zugeordnet wird.

Abschließende Überlegungen

1. Die Studie geht davon aus, dass Dialog-fähigkeit die Kenntnis des Eigenen voraus-setzt. Aus dem Zentrum des christlichenGlaubens wird das Verhältnis zu dennichtchristlichen Religionen bestimmt.Mit dieser Perspektive entzieht sich dieStudie einer Zuordnung, wie sie in gängi-gen religionstheologischen Modellen vor-genommen wird. Sie unterstreicht, dassSelbstrelativierung keine überzeugendeStrategie darstellt, Differenzen auszuhal-ten und Toleranz einzuüben. Ebenso we-nig ist eine Deutung der Religionen als„bloßer Ausdruck dämonischer Mächte“angemessen.26 Die religiös pluralistischeWelt fordert eine sprachfähige und hörbe-

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reite Theologie, die beides miteinanderverbindet: Respekt vor dem anderenGlauben und Auskunftsfähigkeit im Blickauf den eigenen Glauben. 2. In vielen Passagen trägt die Studie dieHandschrift Carl Heinz Ratschows, andessen 100. Geburtstag am 22.7.2011 ge-dacht wurde. Eine wesentliche Grundlagefür Verständnis und Wahrnehmung derReligionen ist für ihn die reformatorischeUnterscheidung zwischen Gesetz undEvangelium und die mit ihr gegebene dif-ferenzierte Wahrnehmung göttlichenHandelns als Welthandeln und Heilshan-deln. Religionen gehören demnach zumWelthandeln Gottes, sie sind als Lebens-vollzüge unter dem Gesetz des Schöpferszu verstehen. Allerdings werden sie nichtpauschal unter die Kategorie des Gesetzessubsumiert, wie die christliche Religionauch nicht ausschließlich als Evangeliumentfaltet wird. Vielmehr geht es um viel-schichtige Verhältnisbestimmungen. Dennauch die Ethik der Religionen hat Ant-wortcharakter. Auch im Blick auf dasChristentum ist die bleibende Unterschei-dung zwischen Gesetz und Evangeliumgeltend zu machen, da der durch denGlauben Gerechtfertigte ein Sünder bleibt.Wie in Natur und Geschichte, so wirktGott, der Schöpfer und Erhalter der Welt,auch in den Religionen. Diese sind des-halb „im Urteil des christlichen GlaubensTeil des Weltwaltens des dreieinigen Got-tes – ‚den Menschen gegeben, damit sieGott suchen sollten, ob sie ihn wohl füh-len und finden möchten’ (Apg 17,27a)“.Der dreieinige Gott „bringt darin Lebenzur Gestalt, besorgt und vollendet es“. Al-lerdings bleibt dieses Welthandeln Gottesverborgen und anfechtend, „bis es in JesuWort, Werk und Person ausgelegt und imGeist Gottes erhellt wird“.27 Die skizziertePerspektive, die an den Kategorien Gesetzund Evangelium und der Rechtfertigungs-botschaft orientiert ist, zielt darauf ab, die

Religionen wahrzunehmen, zu würdigenund ihre Weisheit und Gestaltungskrafternst zu nehmen. Gleichzeitig will sie dieBesonderheit und den christlichen Wahr-heitsanspruch im Gegenüber zu den Reli-gionen zur Geltung bringen und damitdas Christentum als Religion verstehen,die anderen Religionen gegenüber etwaszu sagen hat, also nicht nur Religion unterden Religionen, sondern auch für die Reli-gionen ist. 3. Mit Recht hat Theo Sundermeier in er-läuternden Sätzen zur VELKD/AKf-Studiedarauf hingewiesen, dass in ihr die Be-deutung des ersten Glaubensartikels fürdas Verstehen der Religionen herausge-stellt wird. „Gott, der Schöpfer allerDinge, ist zugleich ihr Erhalter. Er regiertdie Menschen und Völker auf seine Weiseund mit seinen Mitteln. Zu diesen Instru-menten gehören nicht nur die Regierun-gen, sondern in gleicher Weise auch dieReligionen (Röm 13 ist hier verwendbar),durch die Gott das Zusammenleben derMenschen ordnet und sie in ihrem Huma-num bewahrt.“ Religionen sind wie Regie-rungen „zugleich Menschenwerk und vorPervertierungen nicht geschützt ... Wir ha-ben es in den Religionen mit Menschenzu tun, an denen Gott und durch die erschon immer handelt. Das führt uns zuRespekt gegenüber der anderen Religion,eine der wichtigsten Voraussetzungen,Konvivenz zu verwirklichen, aber aucheine ihrer zentralen Folgen.“28

4. Zahlreiche praktische Hinweise derStudie haben an Aktualität nichts verlo-ren: Die Sprach- und Hörfähigkeit deschristlichen Glaubens muss „neu erlernt“werden. Die Formen des Zusammenle-bens müssen „sorgfältig erwogen und injede Konzeption von Gemeindeaufbaumit einbezogen werden“.29 Auch 20 Jahrenach der Publikation der Studie muss kon-statiert werden, dass theologische Ausbil-dung und kirchliche Praxis erst begonnen

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Anmerkungen

1 Religionen, Religiosität und christlicher Glaube.Eine Studie, hg. im Auftrag der VELKD und der AKf,Gütersloh 31993, zuerst veröffentlicht 1991.

2 Aufgenommen wurden Impulse Ratschows vor al-lem von Christoph Schwöbel. Vgl. ders., Christ-licher Glaube im Pluralismus, Tübingen 2003. ZuRatschows Religionstheologie vgl. auch EkkehardWohlleben, Die Kirche und die Religionen. Per-spektiven einer ökumenischen Religionstheologie,Göttingen 2004, 222-232.

3 Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland. Ge-staltung der christlichen Begegnung mit Muslimen.Eine Handreichung des Rates der EvangelischenKirche in Deutschland, Gütersloh 2000, 22.

4 Ebd., 120.5 Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Mus-

lime in Deutschland. Eine Handreichung des Ratesder Evangelischen Kirche in Deutschland, Güters-loh 2006, 113.

6 Christian Wendebourg, Östliche Religionen undevangelischer Glaube. Ein Unterrichtsprojekt für die10. Jahrgangsstufe. Band 1: Einführung und Unter-richtsentwürfe. Band 2: Materialien. Band 3: Religi-onskundliche und religionstheologische Einführung,herausgegeben von der GymnasialpädagogischenMaterialstelle der Evangelisch-Lutherischen Kirchein Bayern, Erlangen 2001 (Bd. 1 u. 2), Erlangen2002 (Bd. 3).

7 Ebd., 452.8 Religionen, Religiosität und christlicher Glaube,

a.a.O., 19.9 Ebd., 28.

10 Ebd., 44ff.11 Ebd., 50ff.

12 Ebd.13 Ebd., 55ff.14 Ebd., 61ff.15 Ebd., 67ff.16 Ebd., 72ff. Reinhold Bernhardt kritisiert die schroffe

Beurteilung der New-Age-Bewegung, wie sie seinerMeinung nach in der Studie erfolgt. Er entdeckt ei-nen Widerspruch zwischen dieser Ablehnung undden Ausführungen zu den interreligiösen Existen-zen. Vgl. ders., Multiple Religiosität. Aus verschie-denen Quellen schöpfen, Zürich 2009, 10f.

17 Religionen, Religiosität und christlicher Glaube,a.a.O., 91ff.

18 Ebd., 107.19 Ebd., 108.20 Ebd., 108ff.21 Ebd., 116.22 Ebd.23 Ebd., 117.24 Theo Sundermeier, Konvivenz und Differenz, hg.

von Volker Küster zum 60. Geburtstag, Erlangen1995, vgl. auch Religionen, Religiosität und christli-cher Glaube, a.a.O., 125ff.

25 Ebd., 118ff.26 Ebd., 127.27 Carl Heinz Ratschow, Die Religionen, HST Bd. 16,

Gütersloh 1979, 122.28 Theo Sundermeier, Zusammenleben mit Menschen

verschiedener Religionen und Kulturen, in: Rein-hard Hempelmann (Hg.), Zwischen den Welten.Migrationsgemeinschaften in Europa, EZW-Texte187, Berlin 2006, 47.

29 Religionen, Religiosität und christlicher Glaube,a.a.O., 131.

haben, sich auf den Dienst in einer reli-giös und weltanschaulich pluralistischenWelt einzustellen. Zu dieser Aufgabe ge-hört beides: die vertiefte Wahrnehmung

des fremden und des eigenen Glaubens.Die Studie „Religionen, Religiosität undchristlicher Glaube“ gibt dafür nachden-kenswerte Anstöße.

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Wie verhält sich das Christentum zu dennichtchristlichen Religionen? Wie gehenwir mit religiöser Pluralität um? In wel-cher Haltung, auf welcher Grundlage ge-schieht die Begegnung mit Andersglau-benden? Wie steht es um das Verhältnisvon Zeugnis und Dialog? Wer sich derGegenwart nicht verschließen will, suchtAntworten auf diese Fragen. Die Religi-onswissenschaft leistet ihren Beitrag mitDeskription und Analyse aus der Außen-perspektive. Die Theologie der Religionenversucht, eine Verhältnisbestimmung ausder Innenperspektive heraus zu entwi-ckeln. Dabei hatte man sich über langeZeit an einem Dreierschema von Exklusi-vismus, Inklusivismus und Pluralismusorientiert, dessen Diskussion jedoch zu-nehmend als unbefriedigend empfundenwird. Das Schema ist trotz aller Differen-zierungsbemühungen zu starr, und es ver-sucht, ganze Systeme in den Blick zu neh-men, um zu einem religionstheologischenUrteil über sie zu kommen. Zu viel Ab-straktion, zu pauschal der Versuch, aufdiesem Wege über religiöse Wahrheitsan-sprüche zu befinden – so die Ansicht ei-ner wachsenden Zahl theologischer For-scher vor allem aus dem katholischen Be-reich. Sie bringen mit neuen Fragestellun-gen neue Dynamik in die religionstheolo-gische Debatte. Die recht unterschiedlichen Ansätze undVerfahrensweisen werden unter dem Be-griff „Komparative Theologie“ zusammen-gefasst. Die Pioniere der hierzulandenoch wenig bekannten Entwicklung ge-hen neue Wege und haben nichts wenigerals die Überwindung der bisherigen Apo-

rien in Angriff genommen. Dabei steht einAnliegen im Vordergrund: Wie kann derWahrheitsanspruch des eigenen Glaubensmit einer respektvollen, ja positiven Wür-digung anderer Religionen in Verbindunggebracht werden? Es wird als Grunddi-lemma empfunden, wie der Paderbornerkatholische Theologe Klaus von Stosch esgenannt hat, dass keines der bisherigenreligionstheologischen Modelle Antwortauf diesen doppelten Wunsch gebenkann. In einer „interreligiösen, verglei-chenden, dialogischen und zugleich auchkonfessionellen Theologie“1 sollen daherdurch Begegnung und Vergleich konkreteElemente der Lehre und der religiösenPraxis verglichen und auf diesem Wege(Vor-)Urteile aus der Vogelperspektive ver-mieden werden. Das religionstheologi-sche Urteil wird gleichsam aufgeschoben,um der Bewährung im Einzelfall bzw. invielen Einzelfällen Platz zu machen. Da-durch, dass Gemeinsamkeiten und Diffe-renzen anhand von Fallbeispielen explizitvon einem konkreten Standpunkt aus erar-beitet werden, soll eine pauschale Beja-hung ebenso wie eine pauschale Vernei-nung des Wahrheitsgehalts anderer Reli-gionen vermieden werden. Denn „Reli-gionen sind keine Wahrheitscontainerund nicht in der Weise vergleichbar, dassman schaut, in welcher Religion am meis-ten Wahrheit enthalten ist“.2 Doch ist vielunbefangener, als man es bisher gewöhntwar, vom Wahrheitsanspruch, ja vom „eigenen Unbedingtheitsanspruch“ dieRede. Er wird ernst genommen und in sei-nem Verhältnis zu anderen Wahrheitsan-sprüchen bedacht.3

Friedmann Eißler

Komparative TheologieEine Alternative zu bisherigen religionstheologischen Konzepten?

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Aporien der religionstheologischen Relationierungsmodelle

Das zentrale Anliegen der KomparativenTheologie lässt aufhorchen. Denn tatsäch-lich kann man es als eine Sackgasse be-trachten, wohin die Theologie der Religio-nen bislang geführt hat. Der Exklusivis-mus wird als dialogresistent und als un-tauglich angesehen, eine Antwort auf dasgenannte Grunddilemma zu geben, da erandere Religionen pauschal als Irrwegeverurteile und somit eine positive Würdi-gung fremder Wahrheitsansprüche garnicht erst versuche. Der Inklusivismus(auch Superiorismus genannt) hält daranfest, dass Heil und Wahrheit in unüber-bietbarer Gestalt in der eigenen religiösenTradition zu finden seien, gesteht anderenReligionen jedoch zu, „Strahlen“ oder„Samenkörner“ der Wahrheit zu enthal-ten. Diese seien zwar letztlich auf dieVollgestalt der Wahrheit in Christus aus-gerichtet und wiesen auf sie hin, ließenaber immerhin Raum für darauf aufbau-ende Wertschätzung. Der Pluralismusgeht diesbezüglich am weitesten, indemer die Vermittlung von Heil und Wahrheitin allen Religionen – zumindest den Welt-religionen – als gleichwertig betrachtet.Jede religiöse Tradition erkenne und ver-wirkliche auf ihre je eigene und dochebenbürtige Weise nur Aspekte des einenWirklichen (the Real, Ultimate Reality),das aller Religion zugrunde liege.4Ausgehend von diesem Schema werdenInklusivismus und Pluralismus als Lö-sungsansätze für das Grunddilemma dis-kutiert. Unbefriedigend sind die Ergeb-nisse deshalb, weil sie entweder auf diepauschale Abwertung anderer Religionenoder auf die Relativierung ihrer Geltungs-ansprüche hinauszulaufen scheinen.Denn der Inklusivismus kann die andereReligion nur als defizitäre Gestalt der ei-genen Perspektive wahrnehmen, zuge-

spitzt gesagt: Er kann am Fremden nur das„andere Eigene“ schätzen, während dasgenuin Differente davon abgehoben wird.Die Stärke des Pluralismus ist, oberfläch-lich betrachtet, dass er dem fremden An-spruch nichtselektiv Ebenbürtigkeit ein-räumt. Zwar soll damit gerade der Wert-schätzung der fremden Religion Ausdruckverliehen werden, doch wird diese durcheine Nivellierung, ja durch die Missach-tung des jeweiligen Selbstverständnisseserkauft. Die Wahrheitsansprüche der Reli-gionen werden als bloße Aspektwahrneh-mungen auf einen gemeinsamen Urgrund,eine letzte Wirklichkeit bezogen. Kontra-diktorische Widersprüche können dahernur auf der Seite menschlicher Erkenntnisverbucht werden – was in der Konse-quenz die konkreten Glaubensaussagenund -formen der vitalen Religionen inhalt-lich entleert und auf einer abstrakten Me-taebene in einen Inklusivismus höhererOrdnung einbindet. Was sich offen undtolerant gebärdet, stellt sich als doktrinäreGleichschaltung von reduzierten Teil-wahrheiten heraus. Es sind daher berech-tigte Zweifel erhoben worden, ob ein plu-ralistischer Ansatz tatsächlich religiöseVielfalt ohne radikale Vereinnahmung,das Fremde also wirklich als Fremdes res-pektieren kann.

Ansätze der Komparativen Theologie

Hier setzt die Komparative Theologie ein.Ihr „Sitz im Leben“ ist die konkrete Be-gegnung von Christen mit anderen Kultu-ren und religiösen Traditionen. Ihre Vertre-ter setzen angesichts der angesprochenenAporien auf reflektierte Standpunktbezo-genheit sowie auf Offenheit, die durcheine „mikrologische Vorgehensweise“ ge-wahrt bleiben sollen. Die Aufmerksamkeitwird auf konkrete Differenzen gerichtet,doch nicht in neutralem Abstand wie inder Religionswissenschaft, sondern von

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einer theologischen Überzeugung aus.Auf der anderen Seite wird mit der Mög-lichkeit gerechnet, dass der Andere Über-zeugendes zu sagen hat und darin unbe-dingt anerkannt werden muss. Dazu be-darf es des offenen und (möglichst) unvor-eingenommenen Dialogs, der eine Aner-kennung nicht vorab vollzieht, sie aberauch nicht von vornherein ausschließt.Eine vor der Auseinandersetzung bereitsbehauptete Übereinstimmung ist ebensoVerweigerung eines Dialogs wie die pau-schale Diskreditierung. Noch entschiede-ner als bisher wird daher auf das aufmerk-same Zuhören und das Motto „Miteinan-der reden – nicht (nur) übereinanderreden“ Wert gelegt. Dieser Dialog ist nieabgeschlossen, er betrachtet seine Ergeb-nisse stets als partiell und vorläufig undhält sich für künftige Korrekturen offen.Der Dialog trägt dazu bei, die eigene Po-sition besser zu verstehen und unter Um-ständen zu verändern. Die Offenheit derWahrnehmung und die kritische Haltunggegenüber religionstheoretischen Allge-meinbegriffen wird nicht zuletzt deshalbso stark betont, weil man sich dezidiertabsetzen möchte von jeglicher „Apologe-tik“, die freilich nur als Konglomerat vonpolemischer Verzerrung und überhebli-cher Funktionalisierung anderer Religio-nen zur Demonstration eigener Überle-genheit in den Blick kommt.5 Unter Kom-parativen Theologinnen und Theologengehen die Meinungen auseinander, wieweitgehend eine gemeinsame Basis oderein gemeinsamer Bestand an Grunderfah-rungen und Ausdrucksformen theologischgefasst werden kann und soll. Damithängt auch die ungeklärte Frage zusam-men, wie weit man sich in den Anderen„einfühlen“ kann, wie weit man gehenkann nicht nur in der Kenntnis von, son-dern in der Teilnahme an der Perspektivedes Anderen. Eine der besonders brisan-ten Fragen in dem Feld!

Die Methoden und Ergebnisse komparativforschender Theologinnen und Theologenkönnen hier nicht ausführlich dargestelltwerden. Wir nennen nur drei Namen undBeispiele aus ihrer Arbeit, um einen Ein-druck zu vermitteln. • Francis X. Clooney SJ (Harvard DivinitySchool, Jahrgang 1950) ist einer derHauptrepräsentanten der neuen Kompara-tiven Theologie. Der Theologe und Indo-loge entwickelt seine christliche Theologieim Dialog mit verschiedenen hinduisti-schen Theologien. So studiert er beispiels-weise Advaita-Vedanta-Texte und Texteaus Thomas von Aquins Summa Theolo-giae nebeneinander, erforscht die reicheKommentarliteratur dazu und initiiert mitunterschiedlichen methodischen Strate-gien einen intensiven Lernprozess, derden Leser involviert und transformiert.Zwar bleibt der Theologe nach Clooney in(s)einer Tradition verwurzelt, denn eine„Inter-Religion“ wird nicht angestrebt.Doch davon zu unterscheiden ist eine „In-ter-Theologie“ – diese ist gewollt undgründet bewusst als eine „konstruktiveTheologie“ in zwei (oder mehreren) reli-giösen Traditionen, die möglichst tiefge-hend und möglichst authentisch erfasstwerden sollen. Um nach vielen Verglei-chen zu einer systematischen Einschät-zung kommen zu können, braucht esClooney zufolge „das Wachsen einer inte-geren Gemeinschaft, die eine doppelteLoyalität teilt und eine Perspektive ge-meinsamen Verständnisses hat“.6 Solcheine Gemeinschaft müsse aber erst nochentstehen. Dieser Entstehungsprozesskann neue Allianzen und neue religiöseGrenzziehungen mit sich bringen. Einigeder Buchtitel Clooneys sind hier verräte-risch: Theology After Vedanta (1993); See-ing Through Texts (1996); Hindu God,Christian God: How Reason Helps BreakDown the Boundaries between Religions(2001; Hervorhebungen F.E.).

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• James L. Fredericks (Los Angeles, lehrtein Japan) beschäftigt sich mit dem Ver-gleich von Christentum und Buddhismus.Er kommt etwa im Vergleich trinitätstheo-logischer Begriffe (wie Person, Wesen,Hypostase) in orthodoxer Auslegung mitLehren Dogens (13. Jahrhundert, Gründereiner der Hauptrichtungen des Zen) überdie buddhistische Relationsontologie zuebenso differenzierten wie anregendenEinsichten. Sie stellen die trinitätstheolo-gische Debatte, die vor allem auch inner-christlich geführt wird, noch einmal inein anderes Licht, zum Beispiel: Wie dieBuddha-Natur unabhängig von den Din-gen keine Existenz hat – denn alle Dingesind leer, ohne Selbstsein, ohne Sub-stanz –, so liegt der Durchdringung vonVater, Sohn und Heiligem Geist keineExistenz voraus, kein Wesen, das vorherund unabhängig von der perichoretischenGemeinschaft der drei göttlichen „Perso-nen“ wäre. Die Hypostasen sind dem-nach nicht einem metaphysischen Seins-grund untergeordnet, sie sind nicht Seins-weisen einer unpersönlichen Gottheit,sondern die Gemeinschaft personalerLiebe und Freiheit aller drei Personenwechselseitig und zugleich. Damit istauch eine Hierarchisierung der Trinitäthinfällig. Bei James L. Fredericks ist viel-leicht am stärksten das Motiv vorhanden,bei der eigenen Grundüberzeugung zubleiben und die andere Religion als Hilfezu benutzen, um den eigenen Glaubenbesser zu verstehen.• Klaus von Stosch ist Leiter des Zentrumsfür Komparative Theologie und Kulturwis-senschaften (ZeKK), das 2009 als neue in-terdisziplinäre Forschungseinrichtung ander Universität Paderborn etabliert wurde,die erste dieser Art in Deutschland. Er hatsich auf den Islam spezialisiert und setztsich für die institutionelle Verankerung is-lamischer Theologie an deutschen Univer-sitäten ein. Er will durch das komparative

Verfahren die Grundanliegen von Inklusi-vismus und Pluralismus so verbinden,dass keine Widersprüche hinsichtlich deschristlichen Wahrheits- und Unbedingt-heitsanspruchs wie auch hinsichtlich derbegrifflichen Möglichkeit der Anerken-nung des Anderen als Anderen entstehen.Diese Möglichkeit müsse gedacht werdenkönnen, da andernfalls die Selbstmittei-lung Gottes in Jesus Christus, die als sol-che Offenheit für Differenz zum Ausdruckbringt, unglaubwürdig werde. Die Redevon dem sich ungeachtet aller Differen-zen allen Geschöpfen zuwendenden Gottmuss mithin möglich machen, Anders-gläubige in ihrer Andersheit zumindestnicht negativ einschätzen zu müssen. VonStosch geht von der Beobachtung aus,dass Glaubenssätze regulativen Charakterhaben. Religiöse Überzeugungen werdendeshalb erst richtig verstanden, wenn ihreVerwobenheit mit konkreten Lebenszu-sammenhängen, also ihre praktischenAuswirkungen im Leben angemessen be-rücksichtigt werden. Das bedeutet –schon angesichts der unendlichen Vielfaltreligiöser Sprachspielformen –, dass ab-grenzende Urteile immer als vorläufig zugelten haben, aber auch und vor allem,dass zum Verstehen letztlich das „Mitspie-len der Sprachspiele des Anderen“ not-wendig ist.7 Erst vom Verständnis auf die-ser Ebene aus kann ich sehen, so Klausvon Stosch, ob und inwieweit meineFremdinterpretation mit der Eigeninterpre-tation des Anderen übereinstimmt und woKorrekturen nötig sind. Bei von Stoschzeigt sich am deutlichsten das (durchausauch politische) Interesse, auf die Nega-tivpresse des Islam theologisch zu reagie-ren. Er sieht es als Aufgabe christlicherTheologie, „echte Gleichwertigkeit vonMuslimen in ihrem religiösen Glaubendenken zu können, ohne Abstriche beimchristlichen Wahrheitsanspruch zu ma-chen“.8

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Kritische Überlegungen

Die Komparative Theologie übt einerseitsentschieden Zurückhaltung, was religi-onstheologische Urteile angeht. Anderer-seits dringen von Stosch und andere da-rauf, sich in die theologische Position desAnderen hineinzuversetzen und darausSchlüsse „echter Gleichwertigkeit“ zu zie-hen. Wie soll das funktionieren? Eine spe-zifische Schwierigkeit der komparativenVerfahren, so weit sie hier in den Blick ge-nommen wurden, besteht in dem fließen-den Übergang vom Respekt im Umgangmit Andersgläubigen zur Anerkennungdes anderen Glaubens. Zwischen demAnliegen, Religionen und ihren Anhän-gern Respekt entgegenzubringen, unddem Anliegen, andere Religionen „positivzu würdigen“ bzw. ihren Wahrheitsan-spruch „anzuerkennen“ (was immer dasheißen mag), liegen jedoch nicht nur äs-thetische Grade, sondern kategoriale Un-terschiede, etwa zwischen kommunikati-vem Anspruch und normativer Relevanz.Hier fehlt es an Klarheit darüber, was un-ter Positionalität, Grundüberzeugung,Wahrheitsanspruch etc. verstanden wer-den soll – Begriffe, die ja positiv aufgegrif-fen werden. Es fehlt an Klarheit, dass eineandere Religion – doch wohl in ihremWahrheitsanspruch – nicht anerkanntwerden kann, ohne dass man die eigeneverlässt, was man üblicherweise als Kon-version bezeichnet. Durch eine andereReligion berührt und ergriffen zu werden,kann methodisch sicherlich nicht gefor-dert werden; natürlich kann und darf esauch nicht ausgeschlossen werden. DieOffenheit für unbedingte Anerkennungschließt daher auch Konversion nicht aus,vielmehr ist jenen Recht zu geben, die Be-kenntnis und Zeugnis als Bestandteil derKomparativen Theologie verstehen.9Doch es gibt keine „Teilkonversion“ – wasdie Rückfrage aufwirft, wie denn die Posi-

tionalität verstanden werden soll, wenn esimmer nur vorläufige und gleichsampunktuelle Vergleiche gibt, systematischeErkenntnisse daraus aber vertagt werden.Indem von Stosch Unbedingtheitsansprü-che durch ihre Verortung in Sprachspielenletztlich doch relativiert – nämlich in Be-zug auf kontingente Faktoren einschränkt– und sie offenbar so nebeneinanderstelltund ineinandergreifen lässt, dass sie ein-ander nicht mehr ausschließen (können),werden sie als Unbedingtheitsansprücheobsolet. Zumindest bei einzelnen Vertre-tern changiert die Komparative Theologieerheblich zwischen Verwurzelung in dereigenen Tradition und Etablierung einerneuen Form jenseits der vitalen Religions-gemeinschaften auf der Grundlage eineseigenen, nämlich pluralistischen An-spruchs. Was von der Komparativen Theologie inDeutschland bisher bekannt geworden ist,bleibt trotz aller Informiertheit im Detailalso im Hinblick auf eines der Kernthe-men, die eigene Positionalität, erstaunlichblutleer. Auf einer hohen intellektuellenReflexionsebene wird eine systematischeund religionsphilosophische Theoriebil-dung geleistet, die dafür, dass sie explizitmit dem christlichen Wahrheitsanspruchumgeht, überraschend wenig Bezugnimmt auf die christlichen Urkunden, zu-allererst auf die Heilige Schrift, dann auchauf die Bekenntnisse. Dies ist freilich nichtzufällig so. Christliche theologischeGrundeinsichten werden auf der Ebenechristlicher (also sozusagen interner)Sprachspiele angesetzt, eben um sie in ih-rer (sprachspiel-)praktischen Verankerungauf ihre „Tiefengrammatik“ hin befragenund so mit entsprechenden Phänomenenaus anderen Religionen und deren Tiefen-grammatik vergleichen zu können. Damitwird ihnen allerdings der regulative Cha-rakter für das gesamte Theorielayout abge-sprochen – was dem Anspruch entgegen-

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steht, eine christliche Theologie der Reli-gionen zu formulieren. Dies bleibt auf dersystematischen Ebene nicht ohne Folgen.Nur um zwei Beispiele zu nennen: Dassdas Evangelium die „Frohe Botschaft“nicht nur für einen Kreis von Auserwähltenoder zufällig im christlichen KulturkreisGeborene, sondern für „alle Welt“ ist,kann auch unter der Anforderung des Rufsnach Wertschätzung und Anerkennungnicht einfach introvertiert oder schlicht ab-geblendet werden. Dasselbe gilt für dieReflexion auf die menschliche Situationim Licht von Gen 3 (Geschöpflichkeit,Sterblichkeit, Sünde, Gottebenbildlich-keit), der in einer christlichen Theologieder Religionen ein grundsätzlicher, regula-tiver Charakter eingeräumt werdenmüsste. Geschieht dies nicht, stellt sich dieFrage, welcher Theorierahmen für denkomparativen Gesamtrahmen gelten soll.Welche theologische Kriteriologie wirddas Verfahren leiten? So tendiert die Kom-parative Theologie dazu, die komparativeBezugnahme auf zwei oder mehrere reli-giöse Traditionen in ein größeres Ganzeszu überführen und zu einer eigenen, inter-religiösen Theologie fortzuentwickeln.Manche Vertreter fordern explizit, denGlauben „nicht mehr länger an nur einebestimmte Glaubensgemeinschaft und ih-ren theologischen Diskurs“ zu binden.10

Die – berechtigte – Forderung eines ratio-nalen Zugangs macht so den rationalenZugriff auf einer Metaebene zum Joch, indas die zu vergleichenden Religionenletztlich eingespannt werden.

Fazit

Die unhintergehbare Realität des religiö-sen Pluralismus fordert Theologie und Ge-sellschaft heraus. Es ist zukunftsblind undgeradezu skandalös, dass vielerorts biszum heutigen Tag Theologie studiert wer-den kann, ohne dass eine gründliche Aus-

einandersetzung mit mindestens einer le-benden nichtchristlichen Religion stattfin-det (und oft das Judentum nur im Rahmen„neutestamentlicher Zeitgeschichte“ vor-kommt!). Ein zentrales Anliegen der Kom-parativen Theologie verdient daher breiteBeachtung und Unterstützung: das theolo-gische und interreligiöse Studium dernichtchristlichen Religionen in der Hal-tung „epistemischer Demut“ angesichtsder Unbedingtheit heterogener Wahrheits-ansprüche. Der kundige komparative An-satz kann den Dialog von Vertretern unter-schiedlicher Religionen vertiefen, klären,schärfer konturieren.11

Es hat sich freilich gezeigt, dass auch dieKomparative Theologie von den Grundfra-gen, die sich schon bisher jeder Religions-theologie gestellt haben, nicht suspendiertist. Und es ist nicht zu übersehen, dass siesich je nach Akzentuierung derzeit vor-nehmlich zwischen Inklusivismus und –der Mehrheit der Protagonisten näherlie-gend – pluralistischen Optionen ansiedelt.Der komparative Prozess darf aber, jakann nicht die im Letzten theologisch zudeutende Konkurrenz zwischen differie-renden Wahrheitsansprüchen aufhebenoder negieren. Er kann auch die entschei-dende und existenzielle Bindung an das,was – angesichts der menschlichen Er-kenntnisgrenzen in aller Demut – alsWahrheit erkannt worden ist, nicht kurzer-hand als vorläufig erklären, um sich nichtfestlegen zu müssen.12 Andernfalls fällt erhinter seinen Anspruch zurück in eine re-lativistische Perspektive, die den Religio-nen Teilwahrheiten oder Aspekte derWahrheit zuschreibt. Die Schwächen ei-ner solchen Sicht sind vielfach beschrie-ben und begründet worden. Insofern istdas, was von Stosch für das Grunddi-lemma hält, vielleicht nicht das entschei-dende. Vielleicht liegt das Grunddilemmadoch darin, dass wir es noch nicht gelernthaben, die unbedingte Geltung der eige-

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nen Wahrheitsgewissheit mit der unbe-dingten Achtung vor fremden Wahrheits-ansprüchen so zu verbinden, dass Liebeund Klarheit, Solidarität und Kritik in unse-

rer menschlichen Zuwendung dem sichungeachtet aller Differenzen allen Ge-schöpfen zuwendenden Gott die Ehre ge-ben.13

Anmerkungen

1 Francis X. Clooney, Hindu God, Christian God.How Reason Helps Break Down the Boundariesbetween Religions, Oxford u. a. 2001, vii (zit. nachVolker Küster, Einführung in die InterkulturelleTheologie, Göttingen 2011, 289).

2 K. v. Stosch / K. Bergdolt, Wahr oder tolerant?, 20.3 „Es geht dabei um ein nicht-reduktionistisches Sich-

Abarbeiten an dem Problem, das durch die Unbe-dingtheit heterogener Wahrheitsansprüche ent-steht.“ So K. v. Stosch in: R. Bernhardt / K. v. Stosch(Hg.), Komparative Theologie, 18.

4 Die vierte mögliche Grundoption, der Atheismus,bleibt hier außer Betracht.

5 Fairness und Authentizität werden apologetischerVoreingenommenheit und Verzerrung gegenüber-gestellt. Immerhin gibt es einige Stimmen, die indem konfessionellen Charakter Komparativer Theo-logie auch die apologetische Komponente sehenund positiv würdigen (so F. X. Clooney).

6 Zit. nach R. Bernhardt / K. v. Stosch (Hg.), Kompara-tive Theologie, 112.

7 K. v. Stosch, Komparative Theologie – ein Auswegaus dem Grunddilemma ...?, 305.

8 K. v. Stosch, Der muslimische Offenbarungsan-spruch, 53f.

9 Und dies nicht als Einbahnstraße. Man darf es aus-sprechen: Dem christlichen Glauben darf missiona-rische Ausstrahlungskraft zugetraut werden!

10 Norbert Hintersteiner, zit. in: R. Bernhardt / K. v.Stosch (Hg.), Komparative Theologie, 337.

11 Siehe Felix Körner, Reizwort Dialog. Wo das christ-lich-muslimische Gespräch schärfer werden muß,in: Stimmen der Zeit 113 (2008), 535-546. Uner-lässlich ist dazu das Studium der Grundlagentexteder Originalquellen in den jeweiligen Ursprachen.

12 „Wem ein Gott nicht widerfuhr, der sieht seineGottheit nicht ein! Der Absolutheitsanspruch derReligionen ist daher für die eigene Religion unab-weisbar, für jede fremde Religion nicht nachvoll-ziehbar“, formulierte schon Carl Heinz Ratschow inseiner markanten Diktion (Die Religionen, HST 16,

Gütersloh 1979, 127). Umstrittenheit Gottes (1. Ge-bot!), Unterscheidung von Evangelium und Gesetz,Heilshandeln und Welthandeln Gottes – diese undandere Themen bleiben einer christlichen Theolo-gie der Religionen aufgegeben.

13 Noch einmal Ratschow (ebd.): „Toleranz quillt ausder Tiefe der eigenen Gotteserfahrung ... Wo aberder fremde Gott in seiner ganzen Unzugänglichkeitrespektiert ist, da beginnt die religiöse Toleranz.“

Literatur

Bernhardt, Reinhold / Stosch, Klaus von (Hg.), Kompa-rative Theologie. Interreligiöse Vergleiche als Wegder Religionstheologie, Beiträge zu einer Theologieder Religionen Bd. 7, Zürich 2009

Bochinger, Christoph, Religionsvergleiche in religions-wissenschaftlicher und theologischer Perspektive,in: Hartmut Kaelble / Jürgen Schriewer (Hg.), Ver-gleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-,Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. / New York 2003, 250-281

Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen.Theologische Leitlinien, EKD-Texte 77, hg. vom Kir-chenamt der EKD, Hannover 2003

Clooney, Francis X., Comparative Theology. DeepLearning Across Religious Borders, Oxford 2010

Klimkeit, Hans-Joachim (Hg.), Vergleichen und Verste-hen in der Religionswissenschaft, Studies in Orien-tal Religions Bd. 41, Wiesbaden 1997

Patton, Kimberley C. / Ray. Benjamin C. (Hg.), A Ma-gic Still Dwells. Comparative Religion in the Post-modern Age, Berkeley / Los Angeles / London 2000

Stosch, Klaus von / Bergdolt, Klaus, Wahr oder tole-rant? Zum Grunddilemma der Theologie der Reli-gionen, Paderborn u. a. 2009

Stosch, Klaus von, Komparative Theologie – ein Aus-weg aus dem Grunddilemma jeder Theologie derReligionen?, in: ZKTh 124 (2002), 294-311

Stosch, Klaus von, Der muslimische Offenbarungsan-spruch als Herausforderung komparativer Theolo-gie, in: ZKTh 129 (2007), 53-74

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Die praktisch-theologische Wahrnehmungvon Zivilreligion fokussiert sich gegenwär-tig auf die Frage nach Gestalt und Funk-tion von Religion in gesellschaftsöffent-lichen Liturgien wie den Trauerfeiern fürin Afghanistan gefallene Bundeswehrsol-daten und für die Opfer von Amokläufen.1Während diese massenmedial kommuni-zierten Vollzüge den Charakter von Uni-katen haben und insofern ein liturgischesWagnis darstellen, gehört die Repräsenta-tion von Zivilreligion in den Weihnachts-ansprachen der Bundespräsidenten2 seitden 1960er Jahren zum festen jahreszyk-lischen Ritualbestand der Mediengesell-schaft und damit zur traditionalen Kultureines zentralen und omnipräsenten Festes.Im Unterschied zu den öffentlichen Litur-gien, an denen staatliche und kirchlicheAkteure gleichermaßen beteiligt sind, istbei den Ansprachen zum Christfest derBundespräsident mit seinem Mitarbeiter-stab das vom kirchlich-institutionellenKontext unabhängige Subjekt möglicherreligiöser Deutungspraxis. Dass zivilreli-giöse Dimensionen in den über das Fern-sehen verbreiteten Reden auftreten kön-nen, ist Konsens in der religionssoziologi-schen Forschung.3 Bleiben die bisherigenStudien empirisch auf eine einzelne An-sprache (Luckmann) bzw. theoretisch aufdie Beschreibung des Phänomens (Vö-gele, Lübbe, Hoffmann) bezogen, will dervorliegende Bericht auf der Basis einer

Kriteriologie insgesamt elf per Zufallsaus-wahl generierte Weihnachtsansprachenqualitativ und quantitativ auf ihre zivilreli-giöse Substanz untersuchen und damitzur Exploration gegenwärtiger religiöserWeihnachts-Empirie beitragen. Weil dieReden als ein normativ auf Verständigungzielender Kommunikationsprozess und alsmediales Ereignis verstanden werden kön-nen, soll neben der religionssoziologi-schen auch die publizistik- und kommuni-kationswissenschaftliche Perspektive ge-wählt werden. Gegenstand der Untersu-chung waren Weihnachtsansprachen vonChristian Wulff (2010), Horst Köhler(2009, 2006, 2005), Johannes Rau (2003,2002, 2001, 1999), Roman Herzog (1998,1995) und Richard von Weizsäcker(1984).

Zur Kriteriologie

Seit dem Aufsatz des Soziologen RobertN. Bellah „Civil Religion in America“(1967) sind Begriff und Phänomen „CivilReligion“ auch in Deutschland auf der re-ligionssoziologischen Themenagenda. Imdeutschsprachigen Kontext modifiziert als„Zivilreligion“, hat sich nach Vögele4 Ni-klas Luhmanns ethisierende Definition„Grundwerte als Zivilregion“ nicht durch-setzen, sondern Hermann Lübbes Be-schreibung von Zivilreligion als „Sammel-begriff für Phänomene öffentlicher politi-

Edgar S. Hasse, Hamburg

„Ein gesegnetes Fest!“Zivilreligiöse Dimensionen in den Weihnachtsansprachen der Bundespräsidenten

BERICHTE

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scher Präsenz von Elementen religiöserKultur“5, die kirchlicher Zuständigkeitnicht obliegen, etablieren können. Zu denSignaturen von Zivilreligion in Deutsch-land werden nach Lübbe u. a. der Gottes-bezug in der Präambel des Grundgeset-zes, die Erwähnung des Gottesnamens inden Weihnachtsansprachen der Bundes-präsidenten, der bundespräsidiale Gottes-segenswunsch, auf Bibeln abgelegte Eideund das Kruzifix in bayerischen Schulengenannt. Vertreter der Zivilreligions-Thesegehen also davon aus, dass die moderneGesellschaft auf „religiösen Kitt“6 ange-wiesen ist.Weil es bislang nur wenige Studien überdie systematische Entwicklung von Skalender Religion und damit zur Operationali-sierung religiöser Aussagen in mündlicher,schriftlicher und bildlicher Form gibt7,wurden zur vorliegenden Untersuchungzivilreligiöser Inhalte in den genanntenWeihnachtsansprachen mit religionskul-turhermeneutischer Intention und im Re-kurs auf Lübbe folgende spezifizierteIdentifikationsmerkmale festgelegt: Aussa-gen mit theologischen (Name Gottes, Se-genswunsch) und christologischen Konno-tationen (Menschwerdung Gottes, GeburtChristi) sowie im weitesten Sinne symbo-lischen (Krippe, Stern von Bethlehem) undbiblischen Verweisen. Wenn eines undmehrere dieser Merkmale in den Redetex-ten identifiziert werden konnten, galt dieAnnahme zivilreligiöser Inhalte als verifi-ziert.

Weihnachtsansprache als TV-Ereignis

Die vom öffentlich-rechtlichen Fernsehengesendeten Reden der Bundespräsidentensind alle Jahre wieder Bestandteil der öf-fentlichen Inszenierung des Christfestes inder Gesellschaft. Die Weihnachtsanspra-che von Christian Wulff im vergangenenJahr verfolgten allein in der ARD am 25.

Dezember 6,49 Millionen Zuschauer. Mitihrem Vollzug werden diese TV-Redenselbst zum Ereignis, über das andere Fern-sehsender, Hörfunk und Printmedien we-gen ihrer Aktualität und Bedeutsamkeit alswichtige Kriterien der Nachrichtenselek-tion ausführlich berichten.8 Saßen dieBundespräsidenten bei der Aufzeichnungihrer Reden bisher an ihrem Schreibtisch,so entwickelte sich die Ansprache vonChristian Wulff, seit 2010 im Amt, im ver-gangenen Jahr zu einem performativenAkt. Erstmals waren rund 200 ehrenamt-lich aktive Bürger, darunter Polizisten,Pfadfinder und Helfer des Malteser Hilfs-dienstes, zu der Aufzeichnung im BerlinerSchloss Bellevue eingeladen. Dabeiwandte sich der Bundespräsident stehendund nicht sitzend und insofern mit mehrGestik ans Volk und die geladenen Bürger,sodass die TV-typische „sekundäre Orali-tät“ als eine Mündlichkeit, die auf Schriftberuht9 und damit auf einem zuvor wohlbedachten Redemanuskript, zum perfor-mativen Akt wurde, der in der Berichter-stattung der Medien über dieses Ereignisdie neue Form relevanter erscheinen ließals die Inhalte.

Formaler Aufbau

Nach der noch näher zu beschreibendenGrußformel „Gesegnete Weihnachten“,die häufig zusätzlich auch im Namen derGattin des jeweiligen Bundespräsidentenausgesprochen wird, beginnt im erstenTeil die Retrospektive auf das zu Ende ge-hende Jahr; es folgt der Ausblick auf daskommende Jahr und schließlich dasethisch-appellative Finale. Der Skopus derReden liegt stets in der ausführlichen Ent-faltung einer „staatsbürgerliche(n) Tole-ranz- und Beistandsmoral“10, die vonLuckmann in Luhmanns Sinne als zivilre-ligiöses Phänomen interpretiert wird. ImUnterschied aber zu Luckmann, der die

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Form der Weihnachtsansprachen mit demAufbau einer kirchlichen Moralpredigt(Anprangern von Missständen, Unheils-prophetie, moralischer Appell) ver-gleicht11, waren diese Elemente als rheto-rische Grundarchitektur in den elf analy-sierten Texten nicht zu entdecken. Wäh-rend die Unheilspropheten im achten vor-christlichen Jahrhundert klare Schuldzu-weisungen für die ökonomischen und so-zialen Verhältnisse vornahmen12 und einSzenario göttlichen Gerichts entwarfen,sind die Christfest-Reden der Bundespräsi-denten in Retrospektive und Prospektivevon einer positiven Grundhaltung ge-prägt, die eher von Vertrauen in die Pro-blemlösungsfähigkeit der Zivilgesellschaftzeugt als von fundamentaler Gesell-schaftskritik, Horrorszenarien und Un-heilsprophetie. Beispiel dafür ist etwa dieAnsprache von Horst Köhler im Jahr 2005mit der zentralen Aussage: „Gemeinsamsind wir stark.“ Selbst in der Ansprache Jo-hannes Raus von 2001 – dem Jahr der Ter-roranschläge in Amerika und der wach-senden Diskussion über postulierte Zu-sammenhänge zwischen Religion undGewalt13 – wird auf die politische Funk-tionalisierung von angstbesetzten Zu-kunftsszenarien zugunsten einer Pointie-rung politischer Entscheidungskompetenzim Blick auf militärische Aktionen ver-zichtet. Aufgrund dieses empirischen Be-fundes sollte Luckmanns formale Qualifi-zierung von Weihnachtsansprachen imSinne alttestamentlicher Unheilsprophe-tien revidiert werden.

Bundespräsident dixit: Ein gesegnetes Fest!

In allen elf analysierten Ansprachen konn-ten den Kriterien entsprechende zivilreli-giöse Aussagen diagnostiziert werden. Aufder Basis dieses eindeutigen Befunds kannfestgestellt werden, dass die Zivilreligion

nach wie vor zur Signatur bundespräsidia-ler Repräsentation in der weihnachtlichgestimmten Öffentlichkeit gehört. In neunvon elf Weihnachtsansprachen wurde dietheologisch konnotierte Segensgrußform„Ein gesegnetes Weihnachtsfest“ explo-riert, die entweder am Anfang und/oderam Ende steht. Mit dieser präludierendenbzw. finalen Sakralisierung erhalten dieReden ein signifikantes zivilreligiöses Fra-ming. Die Segensgrußformel fehlt aller-dings bei Wulff 2010 und Rau 1999. An-ders als der von Wulff 2010 verwendetenicht-sakrale Gruß „Fröhliche Weihnach-ten, liebe Mitbürgerinnen und Mitbür-ger!“, der sich in seiner Genese eigentlichund ursprünglich aus der biblischen Ver-kündigung des Engels an die Hirten her-leitet14, stellt die Verwendung der Segens-grußformel funktional die Anschlusskom-munikation zum tradierten christlich-reli-giösen Weihnachtsfest her. Indem einBundespräsident diese Segensgrußformelwählt, trägt er zur gesellschaftsöffentli-chen Manifestation von Zivilreligion undinsofern zur Repräsentanz von Elementenreligiöser Kultur bei. Dass Wulff dieserTradition im vergangenen Jahr nichtfolgte, ist ein erster Indikator für die Ver-mutung eines auch die Zivilreligion be-treffenden Umformungsprozesses, der imKontext von Modernisierungs- und Säku-larisierungsprozessen zu betrachten ist.

Plausibilitätsverlust von Zivilreligion

Zwar verzichtete auch Johannes Rau 1999auf die weihnachtliche Segensgrußformel,aber die Durchsicht seiner Rede ergab imTextverlauf explizite zivilreligiöse (christo-logisch konnotierte) Aussagen wie „Wich-tig ist, woran Weihnachten erinnert: anChristi Geburt, an das Geschehen im Stallvon Bethlehem.“ Auch in weiteren Weih-nachtsansprachen lassen sich biblische(Köhler 2006: „Die Weihnachtsge-

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schichte, wie sie in der Bibel überliefertist, beschreibt alles andere als eine heileWelt“, Herzog 1995: „... erinnern uns andie biblische Geschichte von einem heili-gen Paar“), christologische (Weizsäcker1984: „Gott wendet sich in Christus denMenschen zu“) und theologische Ver-weise (Rau 2002: Weihnachten kündetvon der „Nähe Gottes zu jedem einzelnenMenschen“) feststellen. Diese zivilreligiö-sen Kriterien haben allerdings bei weitemnicht jenes Gewicht, das der kollektivenBeistands- und Toleranzmoral beigemes-sen wird.Wulffs Rede vom vergangenen Jahr indesverzichtet in toto auf theologische, chris-tologische und biblische Bezüge und bie-tet lediglich singulär einen Beleg für einenzivilreligiösen Kommunikationsversuch:„Was vor 2000 Jahren auf den Feldernvon Bethlehem als Gruß der Engel an dieHirten erklang, das ersehnen wir uns auchheute noch: Friede auf Erden.“ Unter Ver-zicht auf die Verwendung des Gottesna-mens und den Hinweis auf den kirchlichtradierten Grund und Anlass des Christfes-tes erscheinen lediglich die Engel alsletzte Repräsentanten von Transzendenz.Meine These ist, dass die massenmedialeKommunikation von Zivilreligion hier ihrePlausibilität bei den Rezipienten verlierenkann, weil die kognitive religiöse Dimen-sion zugunsten einer Säkularisierungsan-passung ausgeklammert wird – indem un-spezifisch von „Feldern“, „Bethlehem“und den „Hirten“ die Rede ist, ohne sie ineinen biblischen, theologischen undchristologischen Erklärungsrahmen zustellen. Wer den christlich tradierten Kon-text nicht kennt, versteht darunter mög-licherweise nicht das, was eigentlich in-tendiert ist. Weil nach einer Forsa-Um-frage vom Dezember 2006 im Auftrag derIllustrierten „Stern“ jeder zehnte Bundes-bürger – in Ostdeutschland sind es 20Prozent der Befragten – nicht weiß, wa-

rum Weihnachten gefeiert wird, könnensolche Umformungen durch die Reden-schreiber des Bundespräsidenten von denRezipienten als reine Säkularisate, allen-falls als „säkulare Religiosität“15 und da-mit als religiös indifferent wahrgenommenwerden. Verständigung im Kommunikati-onsprozess kann aber nur erzielt werden,wenn Kommunikator und Rezipient übereinen gemeinsamen, übereinstimmendenZeichenvorrat verfügen; Verständigungliegt also nur dann vor, wenn der Rezi-pient eine ihm mitgeteilte Aussage so ver-steht, wie sie vom Kommunikator auchgemeint ist.16 Droht der kollektive christ-liche Code sich trotz eines neuen Interes-ses an Religion in einer säkularisiertenGesellschaft aufzulösen und das Wissenüber den Ursprung des Weihnachtsfestesverloren zu gehen, gewinnt die kognitive,auf grundsätzliche Wissensvermittlungzielende religiöse Dimension17 an Bedeu-tung, wenn bundespräsidiale Weihnachts-ansprachen den Anspruch haben, Zivilre-ligion plausibel und verstehbar zu ma-chen. Die Redenschreiber im Bundesprä-sidialamt stehen daher vor der Aufgabe,das christliche Framing auf der religiösenWissensebene wenigstens mit minimalenbiblischen, christologischen und theologi-schen Konnotationen ins Sprachspiel zubringen, wenn Zivilreligion in der Me-diengesellschaft weiterhin zur verstehba-ren Signatur der weihnachtlich gestimm-ten Gesellschaft gehören soll.

Anmerkungen

1 Vgl. Kristian Fechtner / Thomas Klie (Hg.), RiskanteLiturgien. Gottesdienste in der gesellschaftlichenÖffentlichkeit, Stuttgart 2011.

2 www.bundespräsident.de.3 Vgl. Klaus Hoffmann, Civil Religion in der BRD am

Beispiel des Weihnachtsfestes, epd-Dokumentation1/1985, 39-62; Hermann Lübbe, Modernisierungs-gewinner. Religion, Geschichtstheorien, DirekteDemokratie und Moral, München 2004, 83; Wolf-gang Vögele, Zivilreligion in der Bundesrepublik

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Deutschland, Gütersloh 1994, 250-251; ThomasLuckmann, Unheilsschilderung, Unheilsprophezei-ung und Ruf zur Umkehr. Zum historischen Wandelmoralischer Kommunikation am Beispiel der Weih-nachtsansprachen eines Bundespräsidenten, in:Anne Honer / Ronald Kurt / Jo Reichertz (Hg.), Dies-seitsreligion. Zur Deutung der Bedeutung modernerKultur, Konstanz 1999, 39-57.

4 Vgl. Wolfgang Vögele, Zivilreligion, a.a.O., 210-221.

5 Hermann Lübbe, Modernisierungsgewinner, a.a.O.,83.

6 Eberhard Jüngel, Religion, Zivilreligion und christ-licher Glaube. Das Christentum in einer pluralisti-schen Gesellschaft, in: Burkhard Kämper / Hans-Werner Thönnes (Hg.), Religionen in Deutschlandund das Staatskirchenrecht, Münster 2005, 55.

7 Vgl. Robert Kecskes / Christof Wolf, Christliche Re-ligiosität. Konzepte, Indikatoren, Messinstrumente,in: KZfSS 45 (1993), 270-287.

8 Vgl. Edgar S. Hasse, Weihnachten in der Presse.Komparative Analysen der journalistischen Wahr-nehmung des Christfestes anhand der „Weihnachts-ausgaben“ ausgewählter Tageszeitungen und Zeit-schriften (1955-2005), Erlangen 2010.

9 Vgl. Günter Thomas / Roland Rosenstock, Fernse-hen. Medienreligion / Alltagsrituale / Religiöse Bri-colage / Kirche in der Medienwelt, in: Wilhelm

Gräb / Brigit Weyel (Hg.), Handbuch PraktischeTheologie, Gütersloh 2007, 263-274.

10 Thomas Luckmann, Unheilsschilderung, Unheils-prophezeiung und Ruf zur Umkehr, a.a.O., 55, dereine Weihnachtsansprache Richard von Weizsä-ckers untersucht hat.

11 Vgl. ebd., 49f.12 Vgl. Christof Hardmeier, Erzähldiskurs und Rede-

pragmatik im Alten Testament, Tübingen 2005,260.

13 Vgl. Edgar S. Hasse, „Alle Jahre wieder“ – eine neueAufmerksamkeit für Religion in Zeitungen und Zeit-schriften?, in: Sabine Plonz / Walter Klaiber (Hg.),Wie viel Glaube darf es sein? Religion und Missionin unserer Gesellschaft, Stuttgart 2008, 57-73.

14 Vgl. Guido Fuchs, Heiligabend. Riten, Räume. Re-quisiten, Regensburg 2002, 75.

15 Reinhard Hempelmann, Religion und Religiosität inder modernen Gesellschaft. Evangelische Beiträge,EZW-Texte 179, Berlin 2004, 6.

16 Vgl. z.B. Roland Burkart, Kommunikationswissen-schaftliche Grundlagen und Problemfelder. Umrisseeiner interdisziplinären Sozialwissenschaft, Wien31993.

17 Vgl. Charles Y. Glock, Über die Dimensionen derReligiosität, in: Joachim Mattes, Kirche und Gesell-schaft. Einführung in die Religionssoziologie II,Reinbek 1968, 150-168.

Karina Meyer, Göttingen

20 Jahre „Jesus Freaks“Die Entwicklung einer Jugendbewegung

Die ersten Jahre: „schrill und laut“

Die Jesus Freaks blicken im Jahr 2011 aufzwei wechselvolle Jahrzehnte ihres Beste-hens zurück. Seit ihren Anfängen als alter-native christliche Jugendbewegung1, diezum Beispiel mit spektakulären missiona-rischen Aktionen auf der Hamburger Ree-perbahn bekannt wurde, hat sich einigesverändert. Über den ursprünglichen Anspruch derBewegung gibt der 1994 von GründerMartin Dreyer formulierte „6-Punkte-

Plan“ Aufschluss. Darin heißt es: „... Gotthat die Jesus Freaks berufen, schrill undlaut, unüberhörbar in ihrer Stadt zu sein... um die Menschen wachzurütteln undihnen den Weg zu Gott zu zeigen“; manwill „Kopf sein, und nicht Schwanz“, eine„Gang, die sich als Ziel gesetzt hat, ein ra-dikales Leben mit Jesus zu verwirk-lichen“.2 Institutionalisierter Religion stan-den die Jesus Freaks lange Zeit sehr kri-tisch gegenüber, wie der erste Satz ihresüber Jahre auf Flyern und Internetseitenviel verwendeten Selbstdarstellungstextes

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deutlich ausdrückt: „Ja, wir sind der Über-zeugung, dass trotz Papst, Hexenverbren-nung, geldscheffelnden TV-Predigern undklerikalen Langweilern hinter der Sachemit Jesus etwas Wahres und sehr Phantas-tisches steht.“3 Vor allem gegen die Amts-kirchen, denen man unchristlichen Tradi-tionalismus und einen die christlichenGlaubensinhalte relativierenden Liberalis-mus vorwarf, grenzte man sich scharf ab.Wissenschaftliche Theologie wurde teil-weise als Gefahr für den unmittelbarenZugang zu Gott abgelehnt. Die Jesus Freaks wurden von der Pressemeist als harmlose Exoten und von Sozio-logen als Ausdruck individualisierter Er-lebnis-Religiosität gesehen. Von kirchli-cher Seite wurde ihr entschiedenes christ-liches Engagement für Jugendliche undkirchenferne Gruppen einerseits begrüßt,andererseits der Selbstgewissheit ihresAuftretens und der „Starrheit der Lehre“4

mit Vorbehalten begegnet. Der Funda-mentalismusverdacht lag nicht fern.Verschiedene Entwicklungen haben zuVeränderungen innerhalb der Bewegungbeigetragen, vorrangig wohl die generelleAlterung der (Ur-)Mitgliedschaft – mög-licherweise auch der Zuwachs an JesusFreaks mit kirchlichem Hintergrund – undKonflikte, die innerhalb der Leitung undum die Gestaltung der Leitungsstrukturentstanden. Auch durch Verbindungen zuder umstrittenen Bewegung „Wort undGeist“5 wurden Spannungen und Spaltun-gen ausgelöst, die einen Reflexionspro-zess in Gang setzten.

Konflikte um die Leitungsstruktur

Die Spontaneität war und ist ein Marken-zeichen der Jesus Freaks, auf das sie vielWert legen. Zwangsläufig bildeten sich inder Bewegung, je mehr sie wuchs, aberauch stärker formale Strukturen. Mitte der1990er Jahre wird Jesus Freaks Internatio-

nal e.V. (JFI) als Dachorganisation gegrün-det, und bald darauf findet das ersteGruppenleitertreffen statt. Zusätzlich be-treuen von nun an Regionalleiter mehrereGemeinden. 1999 wird der „Ä-Kreis“6 zurgeistlichen Leitung der Bewegung einge-setzt; die rechtliche Leitung übernimmtder Vereinsvorstand von JFI. Der Ä-Kreisbesteht aus fünf Mitgliedern, von denenvier (männliche) Mitglieder über vieleJahre konstant bleiben und die Bewegungentscheidend prägen. Zwei von ihnen ge-hören zur Hamburger Jesus-Freak-Grup-pe, die lange zentraler Bezugspunktbleibt.7Schon in dem 2001 eigens publiziertenRückblick „Jesus Freaks – ten years after“ist von einer Krise und einem Neuanfangdie Rede. Einige Faktoren, die zum Erfolgder Bewegung beitrugen, werden alsgleichzeitig problematische erkannt, da-runter die „Urbesetzung unserer Arbeitaus Leuten mit einem extremen Charak-ter“8. Es werden außerdem die Überlas-tung von Mitarbeitern, Uneinigkeit undAbkapselungen innerhalb der Bewegungbeklagt.In den Jahren darauf scheinen Problemeeher zu- als abzunehmen. Zwischen 2005und 2007 kommt es verstärkt zu Konflik-ten innerhalb des Ä-Kreises und zwischendiesem und dem Vereinsvorstand. Auchinnerhalb der Bewegung wächst die Un-zufriedenheit mit der Leitungsstruktur.9Die Gesamtleitung obliegt wenigen, unddie vorhandene Struktur bindet die vielfäl-tigen Gruppen und Menschen nicht zu-friedenstellend ein: „Es wurde klar, dasswir unsere theologische und persönlicheVielfalt zunehmend in einem Gegenein-ander ausleben.“10 Ein wichtiger Faktorfür Veränderungen innerhalb der Bewe-gung ist auch das Altern der Mitglieder.Neue Lebenssituationen wie Elternschaftund altersbedingte Entwicklungsprozesselassen neue Fragen aufkommen.

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Der Einfluss von „Wort und Geist“

Zu Konflikten und Kontroversen innerhalbder Jesus-Freak-Bewegung führte auch derEinfluss, den die charismatische Bewe-gung „Wort und Geist“ um Helmut Bauerhatte. Nachdem viele „Wort und Geist“zunächst offen und interessiert gegen-überstanden, wuchs mit deren offensicht-lich zunehmender Radikalisierung dieSkepsis unter einem Großteil der JesusFreaks. Der Leitungskreis der Jesus Freaksverfasste offenbar schon um das Jahr 2006herum eine erste warnende Stellung-nahme11; dennoch wechselten neben Ein-zelpersonen mehrere Leiter, darunter mitTaade Voß (inzwischen Leiter „Wort undGeist“ Nürnberg) und Patrick Preneuxauch zwei Mitglieder des JFI-Leitungskrei-ses, zu der neuen Bewegung und mit ih-nen Gemeindeglieder oder sogar ihre ge-samten Gemeinden.12

Die Jesus Freaks distanzieren sich heuteklar von „Wort und Geist“ als sektiereri-scher Gruppe; sie kritisieren die Mittel-punktstellung des Menschen statt Gottesund die immer weitere Loslösung derLehre von biblischen Grundlagen. Inzwi-schen bemühen sich die Jesus Freaks auchum eine Aufarbeitung der verursachtenSpaltungen. Dazu gehört die Diskussiondarüber, welche eigenen Problemlagen esermöglicht haben, dass „Wort und Geist“auf viele Mitglieder eine solche Anzie-hungskraft ausüben konnte.Selbstkritisch wird in der Jesus-Freak-Zeit-schrift „Der kranke Bote“ die „Unfähigkeitzur Selbstreflexion“ angemerkt, die ge-rade unter den Jesus Freaks mit ihrem ho-hen Anteil jüngerer Menschen und ihrer„Ausrichtung auf die unteren Schichten“13

verbreitet sei. Eine gestörte Beziehung zusich selbst behindere die Ausbildung ei-nes reifen Glaubens und erhöhe die An-fälligkeit für Lehren wie die von „Wortund Geist“, die die Überwindung des ei-

genen Geistes als Ideal setzen. Auch fürLeiter, die an eigener Unreife oder an derUnreife ihrer Gruppe leiden, biete „Wortund Geist“ mit „ihrem Leiterkult“ ein „Pa-radies“.14 Begegnet werden müsse derProblematik durch die Förderung vonMündigkeit und Kritikfähigkeit.In einem anderen Artikel warnt „Storch“,langjähriges Mitglied des JFI-Leitungskrei-ses, vor mangelnder Bibelkenntnis, diedazu führe, dass „Übernatürliches“15 vor-schnell als Wirken des Heiligen Geistesgesehen werde. Charismatiker, zu denensich auch weite Teile der Jesus Freaks zäh-len, und Menschen, „die mit einer Sehn-sucht leben“, seien anfälliger für „Verfüh-rung“16 und sollten zur Unterscheidung,was tatsächlich Gottes Wirken sei, dieLehre eines geistigen Führers und ihreKonsequenzen sorgfältig mit den Lehrender Bibel abgleichen. Zu den Mitgliedern, die zu „Wort undGeist“ gewechselt sind, gibt es teils nochfreundschaftlichen Kontakt, teils ist dieEntfremdung enorm. Bei vielen JesusFreaks herrschen Enttäuschung und Wutüber die Gemeindespaltungen vor, demwieder andere mit Bemühungen um Ver-gebung begegnen. Die in den vergange-nen Jahren erfolgte Neustrukturierung derBewegung soll auch der Vorbeugung sol-cher Einflussnahme von außen dienen.

Jesus-Freak-Konzil

Als Reaktion auf die Probleme innerhalbder Bewegung kam die Idee eines Konzilsauf. Mit der Bezeichnung wollte man mitVerweis auf die Reformkraft des ZweitenVatikanischen Konzils bewusst an kir-chenhistorische Traditionen anknüpfen.17

Nach Informationsarbeit und Vortreffenauf Regionalebene fand vom 17. bis 21.Mai 2007 das Konzil mit 130 Teilnehmernstatt. Dabei ging es um Fragen nach Zielund Vision der Bewegung ebenso wie um

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die Umgestaltung von Organisations- undLeitungsstrukturen.18 Die in Arbeitsgrup-pen entstandenen Protokolle19 wurdenanschließend von gewählten Vertretern ineinem zweiten Arbeitsprozess, der einenZwischenbericht mit Diskussion auf demFreakstock, dem großen Festival der JesusFreaks, einschloss, zu einer Charta zusam-mengefasst.20 Die Charta enthält einGlaubensbekenntnis, das erste dieser Artder Jesus Freaks, sowie eine Darstellunggrundlegender Werte und der neuen Or-ganisationsstruktur. Das Glaubensbekenntnis enthält – mitdem Bekenntnis zu Gott als Schöpfer, Je-sus als Sühneopfer, der direkten Erfahrbar-keit Gottes für den Menschen – die ge-meinsamen Glaubensinhalte der verschie-denen protestantischen Denominationen.Ausdrücklich wird auch auf die Einheitder Christen im Leib Christi und auf dieKirche als „sichtbarer Ausdruck diesesLeibes in der Welt“ hingewiesen. Unter dem Stichwort „Vision & Werte“finden sich Elemente des 6-Punkte-Planswieder. Anstatt von einer „Gang“ ist jetztvon einer „Familie, Gang, Bewegung“ dieRede, zu der jeder durch freie Entschei-dung gehören könne. Die Schlagworte„laut und schrill“ sind ersetzt durch „hotand spicy“, in Anspielung auf Verse imNeuen Testament (Offb 3,15; Luk 12,49;Matth 5,13), und ihr Anspruch ist deutlichabgewandelt: „Wir wollen durch unserLeben Hinweis auf Jesus sein, mal provo-kant, mal leise, aber immer radikal in Gottgegründet und authentisch.“ Jugend-sprachliche Ausdrücke sind nicht mehrvermehrt zu finden, und die Ziele der Be-wegung sind weit weniger offensiv formu-liert: „Wir wollen diese Welt aktiv mitge-stalten, voneinander und von anderen ler-nen, protestieren wo nötig und helfen womöglich. Als Jesus Freaks wollen wir so le-ben, wie Jesus es vorgelebt hat, zu denMenschen hingehen und für sie da sein,

ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Hin-tergründe.“ Neben dem missionarischenZiel, das in der ursprünglichen Fassungdes Plans den größten Stellenwert ein-nahm, bekennt man sich in der Chartazum Einsatz für die Wahrung von „Würdeund Gleichberechtigung aller Menschen... unabhängig von Bildung, Geschlecht,Religion, (ethnischer) Herkunft, ([sub-]kul-tureller) Prägung und finanziellen Mög-lichkeiten u.v.m.“. Da das Thema Leitung, auch im Zusam-menhang mit dem Einfluss von „Wort undGeist“, im Vorfeld sehr kontrovers disku-tiert worden war, nimmt es in der Chartaviel Raum ein. Es wird zu einer gleichwer-tigen Geschlechterrepräsentation in Lei-tungspositionen aufgerufen und ein Lei-tungsverständnis formuliert, das auf derZustimmung der Geleiteten zur Leitunggründet. Leiter sollen bezüglich ihrer eige-nen Lebensführung glaubwürdig sein undKritikfähigkeit zeigen: „Das höhere Maßan Verantwortung verlangt ein höheresMaß an Transparenz und Kommunikationbei Leitern. Leiter sind bereit, ihr eigenesLeben dauerhaft zu reflektieren und stel-len sich der Beurteilung von außen.“ Be-tont wird außerdem die Wichtigkeit, alsLeiter nicht die eigene Belastungsgrenzezu überschreiten.

Veränderte Organisationsstruktur, verändertes Selbstverständnis

Die neue Organisations- und Leitungs-struktur der Jesus Freaks sieht eine Dezen-tralisierung der Leitung und mehr Klarheitüber Zuständigkeiten und Beteiligungs-möglichkeiten vor. Grundsätzlich sollenEntscheidungen auf möglichst niedrigerEbene getroffen werden. Für alle Entschei-dungen, die die Bewegung im Ganzen be-treffen, ist ein Leitungskreis verantwort-lich, der gegenüber dem vorherigen Lei-tungsteam in der Anzahl der Mitglieder

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erweitert ist und ausdifferenzierte Arbeits-bereiche umfasst.21 Neben dem Diakon-kreis, der rechtliche und organisatorischeAufgaben übernimmt, gehören dem Lei-tungskreis die Regionalleiter und die Lei-ter offizieller Arbeitsbereiche wie Freak-stock oder Seelsorge an sowie per Wahlbestimmte Einzelpersonen.Zwei- bis dreimal jährlich soll der Lei-tungskreis mit einem Beraterkreis (dazugehört z. B. Gründer Martin Dreyer) zumTreffen von Jesus Freaks Deutschland (JFD)22 zusammenkommen, an dem au-ßerdem Vertreter von „Pools“ teilnehmenund das jeder Jesus Freak als Gast besu-chen kann. Mit Pools werden alle netz-werkartigen Zusammenschlüsse ohne offi-ziellen Status als Arbeitsbereich bezeich-net. Auf die Einbindung solcher Initiativenwird Wert gelegt, ebenso wie auf die An-hörung individueller Anliegen.Kommunikation und Vernetzung findenüber die neugestaltete Homepage statt.Dort kann man bereits Pools wie „1-Christ-Ehe oder „Familienpool“23 beitre-ten oder einer der vielen losen Interessen-gruppen von „Wort und Geist Leute lie-ben“ – die für die Aussöhnung mit überge-wechselten Mitgliedern eintritt – bis zu„dancen bis 4.30“24. Auch die offiziellenArbeitsgruppen wie das „StrukturteamJFD“ nutzen diese Seite als offen zugäng-liche Informations- und Kommunikations-plattform.Die Veränderungen im Selbstverständnisund -anspruch der Jesus Freaks schlagensich bei näherem Hinsehen auch im aktu-ellen Selbstdarstellungstext der Home-page25 nieder. Der oft verwendete Titel„Uns über wir“ ist zum schlichteren„Über uns“ geworden, aus den „Kaput-ten, Fertigen, Kranken, Abhängigen, Ver-arschten, Verstoßenen, Armen“26, denenJesus sich speziell zugewandt habe, sinddie „Verstoßenen und Armen“ geworden.Die vormals einschränkende Bemerkung

beim Bekenntnis zur Ökumene ist durchein Bekenntnis zur Vielfalt ersetzt worden:Aus „Wir ... wollen ... uns nie über andereChristen erheben, auch wenn uns ihr Stiloder ihre Theologie nicht gefällt“ wird„Jede Gemeinde und jeder Christ ist etwasBesonderes und hat einen Auftrag vonGott – und wir wollen unseren Auftrag er-füllen!“ Anstatt klarer Abgrenzungen wirdjetzt auch in anderen Dokumenten dieVielfalt innerhalb der Bewegung hervor-gehoben, die die Problematik ebenso wieden Reichtum der Bewegung ausmache:„Freaks sind Individualisten“27, heißt es ineinem Protokoll vom Konzil. Einend seidie Liebe zu Jesus.

Einschätzung und Ausblick

Die neue Organisations- und Leitungs-struktur ist das Ergebnis eines Entwick-lungsprozesses, den viele Jesus Freaksselbst als gesunden Reifungsprozess derjungen Bewegung sehen. Wurde zu Be-ginn die Vision klar in der Mission, d. h.der Ausbreitung der Bewegung, gesehenund das „ganz Andere“ der Jesus Freaksim Vergleich zu anderen Gemeinden be-tont, wurde die Frage nach Identität undAuftrag in den letzten Jahren neu gestellt. Einerseits wird gerade nach den Erfahrun-gen mit „Wort und Geist“ eine stärkeretheologische Positionsbestimmung für nö-tig erachtet, andererseits lehnt man dieVorgabe offizieller Lehrmeinungen nachwie vor ab. Der Gratwanderung zwischenOffenheit und Festlegung wird mit einerCharta begegnet, die über einen Kern anGlaubensüberzeugungen hinaus Raum fürunterschiedliche Gestaltungsmöglichkei-ten lässt. In der systematischen Strukturie-rung der Organisation und Leitung sehennicht wenige eine Gefahr für die Sponta-neität und die Mittelpunktstellung dergeistlichen Vision. Man hofft aber, dass sieletztlich der Dezentralisierung und De-

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mokratisierung dient und die weitgehendeUnabhängigkeit der Ortsgruppen beigleichzeitig stärkerer Einbindung in dieGesamtbewegung gewahrt bleibt. Nachwie vor wird auf die persönliche Bezie-hung zu Gott und die absolute Geltungchristlicher Glaubensinhalte großer Wertgelegt. Eigene Überzeugungen werdennun aber mit mehr Zurückhaltung formu-liert; der Fundamentalismusverdachtdürfte sich durch die neueren Entwicklun-gen relativiert haben. Die scharfe Abgrenzung gegenüber tradi-tionellen kirchlichen Strukturen und alszu liberal empfundener Universitätstheo-logie, die anfangs die Identität geprägtund sicher viel zur Dynamik der JesusFreaks beigetragen hat, ist ein ganzesStück weit zurückgenommen. In derCharta bekennt man sich klar zur Öku-mene, und nicht wenige Jesus Freaks stu-dieren inzwischen selbst Theologie. MitZusammenschlüssen wie der Evangeli-schen Allianz, aber auch mit den Landes-kirchen bestehen verschiedene Formender Zusammenarbeit, etwa durch gemein-same Veranstaltungen oder Erteilung vonKonfirmandenunterricht. Das – in seinemUmfang verkleinerte – Freakstock ebensowie die anderen Großtreffen der JesusFreaks finden inzwischen auf dem Ge-lände des koptischen Klosters in Borgen-treich statt, was offensichtlich beide Sei-ten als Bereicherung erleben. Die Frage nach dem eigenen Selbstver-ständnis der Jesus Freaks ist nicht abge-schlossen und wird es vermutlich auchnie in der Weise sein, wie es bei anderenchristlichen Gemeinschaften der Fall ist.Dabei ist der Gedanke, eine Kirche ge-rade für „Freaks“ und gesellschaftlicheRandgruppen zu sein, in der Bewegungnach wie vor lebendig. Ob die JesusFreaks weiterhin für ihre ursprünglicheZielgruppe attraktiv bleiben, wird sichzeigen. Dafür spricht, dass in die Bewe-

gung bereits eine große Zahl von Anhän-gern verschiedener subkultureller Szenenfest integriert ist. Offen ist, ob sich die ju-gendliche Dynamik erhält. Um dienächste Generation, deren Musikstil undSzenekulturen andere sind als vor 20 Jah-ren, bemüht man sich inzwischen mit ei-ner eigenen Jugendarbeit namens 2T22(in Berufung auf 2. Tim 2,2). In jedem Fallgilt, dass die Jesus Freaks im Vergleich mitanderen christlichen Gemeinden nachwie vor eine stark alternativ geprägte Ge-meinschaft sind, deren Gestalt wenigervon konstanten, festgeschriebenen Struk-turen oder Lehrinhalten festgelegt wird,sondern die in hohem Maße von ihren je-weiligen Mitgliedern abhängig ist.

Anmerkungen

1 Vgl. Stefanie Schwarz, Die Jesus Freaks – eine reli-giöse Jugendkultur, in: MD 2/2009, 52-58.

2 Michael Ackermann, Jesus Freaks, Wuppertal 1994,99-104. Im Internet noch als Zitate der Jesus-Freak-Homepage von 1998 zu finden unter www.religio.de/sekten/jesusfreaks.html. (Wenn nicht andersangegeben, wurden die in diesem Beitrag genann-ten Internetadressen am 20.8.2011 zuletzt abgeru-fen).

3 In der Fassung noch zu finden unter www.jesusfreakscelle.de.tl/Jesus-Freaks-Celle.htm.

4 Notker Schrammek, Die Lockerheit der Formen unddie Starrheit der Lehre. Das Freakstock-Festival2001 der Jesus-Freaks vom 26. bis 29. Juli 2001 inBoxberg bei Gotha, in: MD 10/2001, 347-349.

5 Vgl. Stefanie Schmiedler, Ein radikal übernatürli-ches Leben. Die „Wort+Geist“-Bewegung und der„Völkerapostel“ Helmut Bauer, in: MD 5/2009,177-183.

6 „Ä-Kreis“ steht für Ärsche-Kreis (statt des üblichen„Ältesten-Kreises“) und soll humorvoll auf die bib-lisch begründete Dienerschaft von Leitern verwei-sen.

7 Jesus Freaks International (Hg.), Jesus Freaks. Tenyears after ..., Wuppertal 2001, 12ff; www.jesusfreaks.com/content/geschichte.

8 Jesus Freaks International (Hg.), Jesus Freaks, a.a.O.,101.

9 http://konzil.jesusfreak.de/2006/09/06/2-offizielles-schreiben-zum-konzil (31.5.2010).

10 http://de.jesusfreaks.com/content/charta-jfd.11 www.pastor-storch.de/2009/07/08/wort-und-geist-

vs-peter-wenz.12 www.jesusfreaks.com/content/geschichte.

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13 M. Anderfuhren, Selbstkritik. Jesus Freaks tragenMitschuld am Erfolg von „Wort und Geist“, in: Derkranke Bote 5/2009, 24, http://de.jesusfreaks.com/dkb/download.

14 Ebd., 25.15 Storch, Vorsicht vor Scharlatanen. Charismatiker

sind anfällig für Verführung, in: Der kranke Bote5/2009, 30, http://de.jesusfreaks.com/dkb/download.

16 Ebd., 31.17 http://santacrux.blogspot.com/2005/10/wir-brauch

en-ein-konzil.html (31.5.2010).18 http://konzil.jesusfreak.de/about/ (31.5.2010).19 Einsehbar unter http://de.jesusfreaks.com/protocol?

page=1.20 http://de.jesusfreaks.com/content/charta-jfd

(alle folgenden Zitate sind daraus entnommen).21 http://de.jesusfreaks.com/content/jfd-leitung.22 Spiegelte die erste Namensgebung (Jesus Freaks In-

ternational) die spontane Vision wider, ist die Um-benennung in Jesus Freaks Deutschland Ausdruckder aktuellen Situation, in der die Integration der(zahlenmäßig geringen) Gruppen außerhalbDeutschlands in die Struktur zwar beidseitig ge-wünscht wird, aber noch nicht realisiert ist.

23 http://de.jesusfreaks.com/og/pools.24 http://de.jesusfreaks.com/og.25 http://de.jesusfreaks.com/content/%C3%BCber-jes

us-freaks-de (daraus sind die folgenden Zitate desaktuellen Selbstdarstellungstexts entnommen).

26 http://jesusfreakscelle.de.tl/Jesus-Freaks-Celle.htm(daraus ist auch das folgende Zitat des ursprüng-lichen Selbstdarstellungstextes entnommen).

27 http://de.jesusfreaks.com/content/konzil-gruppenarbeit-gentechnik.

INFORMATIONENINTERRELIGIÖSER DIALOG

Trägerverein für interreligiöses Zentrumin Berlin gegründet. (Letzter Bericht:6/2011, 228ff) Im Herzen Berlins soll „einneues Bet- und Lehrhaus auf dem Petri-platz für eine gute Nachbarschaft von Ju-dentum, Christentum und Islam“ entste-hen. Jetzt wurde der gemeinnützige Trä-gerverein gegründet. Damit ist das 2009von der evangelischen Ortsgemeinde St.Petri – St. Marien vorgestellte Projekt ei-nen wichtigen Schritt weiter. Auf den Fun-damenten der bis 1964 zwischen Potsda-mer Platz und Alexanderplatz aufragen-

den Petrikirche(n) ist ein – auch architek-tonisch – bislang einmaliger und einzigar-tiger interreligiöser Sakralraum geplant,der Symbol und Wirkungsstätte für einfriedliches Zusammenleben der drei prä-genden Religionen der Stadt sein soll. Derin allen Belangen gemeinsam verantwor-tete Bau wird für Synagoge, Kirche undMoschee „unvermischt und zugleich in di-rekter, wahrnehmbarer Nachbarschaft“drei getrennte Räume haben, die sich zueinem gemeinsam zu nutzenden Zentral-raum öffnen lassen. Die getrennten Berei-che sollen Gottesdienst und Gebet dienen,während der gemeinsame Bereich für ver-schiedene Formen von Lehre und Ge-spräch vorgesehen ist. „Ob es im Zuge derZusammenarbeit im dann errichteten‚Haus Gottes‘ zu einer vor allem liturgi-schen Erweiterung dieser Ausgangskon-stellation kommen wird, soll offen blei-ben“, schreiben die Initiatoren (alle Zitates. Informationsbroschüre, www.marienkir-che-berlin.de/de/presse). Inhaltlich soll esweder zu Vermischungen noch zu Genera-lisierungen oder zur religiösen Vereinnah-mung kommen, ist den Beteiligten wich-tig. „Dem Konzept des neuen Bet- undLehrhauses näherstehend ist deshalb derAnsatz einer Komparativen Theologie, dieihren Ausgang nimmt von der gelebtenVielfalt religiösen Lebens, diese beobach-tet, auf ihre theologischen Anschauungenhin befragt und so Vorurteile ausräumt undin einer vergleichenden Hinwendung zumEinzelfall Verständnis des Fremden und Be-reicherungen der eigenen Identität sucht.“ Vereinsvorsitzender ist Gregor Hohberg,Pfarrer der Kirchengemeinde St. Petri – St.Marien. Dem Vorstand gehören fernerdessen Pfarrerskollege Roland Stolte,Maya Zehden (Jüdische Gemeinde zuBerlin), Rabbiner Tovia Ben Chorin (Abra-ham Geiger Kolleg), Ercan Karakoyun undImam Kadir Sanci (Forum für Interkulturel-len Dialog, Gülen-Bewegung) an. Das Ku-

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ratorium unter Vorsitz des Berliner Kultur-staatssekretärs André Schmitz ist mit LalaSüsskind (Jüdische Gemeinde), RabbinerWalter Homolka (Abraham Geiger Kol-leg), Superintendent Bertold Höcker (Kir-chenkreis Berlin Stadtmitte) und weiterenPersönlichkeiten aus Kultur und Politik be-setzt. Die Finanzierung des Projekts istnoch nicht gesichert. Die Kirchenge-meinde kann einen erheblichen Betragzur Verfügung stellen, heißt es; ein weite-res Ziel sei die Gründung einer Stiftung. Erstaunlich ist angesichts des fortgeschrit-tenen Planungsstadiums, dass weiterhineine breitere Diskussion über Sinn, Ge-stalt und Inhalt des Gesamtprojekts in derÖffentlichkeit kaum zu vernehmen ist.Zumindest in der kirchlichen Öffentlich-keit müsste schon aufgrund der überregio-nalen Bedeutung, die das Projekt an demmarkanten Ort mit dem interreligiösenFormat hat und haben wird, die Debatteüber die davon ausgehenden Signale ge-führt werden. Dabei wäre u. a. über dieBedeutung und Praxis gemeinsamer reli-giöser Feiern, insbesondere über das Ver-hältnis von multireligiösem und interreli-giösem Gebet, wie es bisher unterschie-den wurde, (erneut) nachzudenken. Dassder Partner der Gülen-Bewegung, die kei-nerlei Moscheegemeinden hat und vor al-lem im Bildungsbereich auf nicht unum-strittene Weise expansiv tätig ist, schon in-nerislamisch relativ isoliert dasteht,stimmt im Blick auf den gesamtgesell-schaftlichen Rückhalt skeptisch. Auch hatsich die katholische Kirche bisher auffal-lend distanziert verhalten. Das Unterneh-men läuft Gefahr, ohne die nötige Verbrei-terung der Basis, ohne die nötige Veranke-rung in den Gemeinden vor Ort zu einem(teuren) Prestigeobjekt zu werden, das je-denfalls vorderhand mehr politischenZwecken als dem „guten Miteinander derdrei Religionen“ dient.

Friedmann Eißler

ESOTERIK

Ruediger Dahlke und die Musterkom-mune TamanGa. Was bedeutet TamanGa?Laut Gründer Ruediger Dahlke setzt sichder Name zusammen aus dem balinesi-schen Wort für Garten und der Abkürzungfür Gamlitz, einer 3100-Seelen-Gemeindeunweit von Graz. Dort engagiert sich derpromovierte Arzt und Psychotherapeut ge-meinsam mit seiner Partnerin Rita Faselfür den Aufbau von TamanGa, eines„Ökodorfs mit spiritueller Lebensbasis“(www.archimedes88.ch/de/tamanga).Dahlke, geboren 1951 in Ostberlin, arbei-tete von 1977 bis 1989 an Thorwald Deth-lefsens Privatinstitut mit. Gemeinsam ver-fassten sie „Krankheit als Weg“, dochführten Differenzen zur Trennung. – Kern-thema der inzwischen rund 50 Dahlke-Bücher, seiner Vorträge und Seminare istdas Wohl von Mensch und Welt aus eso-terischer beziehungsweise spirituellerSicht. Er behandelt Themen wie Gesund-heit, Psychosomatik, Reinkarnations- undFastentherapie, Okkultismus, Karma, mor-phogenetische Felder, individuelle Ent-wicklung oder die globale Gesamtlage.Bei Jürgen Flieges „Wörishofener Herbst“zum Thema „Ehrfurcht vor dem Leben“(28.10.-1.11.2011) fungierte er als einerder Hauptreferenten.Dahlke gründete 1990 mit seiner FrauMargit das Heilkundezentrum Johannis-kirchen in Niederbayern. Inzwischen ver-antwortet sie die Leitung des Zentrums(www.dahlke-heilkundezentrum.de), wäh-rend er mit seiner Partnerin Rita Fasel, dieals Iris-, Hand- und Fußdiagnostikerin ar-beitet, neue Wege beschreitet (www.dahlke.at, www.archimedes88.ch/de/ueber-mich).Dazu gehört das Engagement für die Mus-terkommune. „Wir bauen hier seit einemJahr ... das Zentrum TamanGa auf, ein Se-minar-Zentrum und eine kleine Lebensge-

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Mit TamanGa wollen Dahlke und Faseleine Keimzelle für die Erneuerung der Ge-sellschaft schaffen. Die Nahrungs- und dieEnergieversorgung folgen „grünen“ und„karmischen“ Prinzipien, Askese spieltkeine Rolle. Wohn- und Seminarhäusersamt Meditationshalle, Kino undSchwimmbad sollen mithilfe modernsterTechnik Wohlbefinden ermöglichen. AbMärz 2012 nimmt das Zentrum Gäste auf,es eröffnet mit einem Fastenseminar.Dann beginnt der Praxistest für den utopi-schen Lebenstraum.

Angelika Koller, München

meinschaft, wo wir uns aus eigenem An-bau versorgen und vegan und genüsslichleben können. Allerdings sehe ich schonnoch meine Aufgabe darin, weiter in derWelt nach dem Rechten zu schauen ...“,sagt Dahlke. Auf die Frage, welche Le-bensregeln man für das TamanGa auf-stelle, verweist er auf seine Publikationen„Die Schicksalsgesetze“, „Das Schatten-prinzip“ und „Lebensprinzipien“.Im Roman „Habakuck und Hibbelig“ be-zog sich Dahlke bereits 1986 auf Erfah-rungen mit dem schottischen Findhorn-Projekt. Seit 2008 plant er nun mit Rita Fasel ein besseres Findhorn. Es leben inGamlitz bereits einige Menschen in einer„auf seelische Entwicklung zielenden Le-bensgemeinschaft, die sich auf eine ge-meinsame Philosophie gründet und überden eigenen Tellerrand von Konkurrenzund Egoismus hinausschaut“. Dem OrtGamlitz im südsteirischen Naturparkdürfte das Zentrum TamanGa als beleben-der Wirtschaftsfaktor mit ökologischemAnsatz willkommen sein. Inwieweit sichdie spirituelle Philosophie mit der Weltan-schauung der Bevölkerung verträgt (94Prozent Katholiken), bleibt allerdings ab-zuwarten.Ein Element der TamanGa-Philosophie istdie vegane Ernährung ohne Fleisch, Fisch,Eier oder Milch. Dahlkes Buch „PeaceFood“ (München 2011) propagiert sienicht nur der Gesundheit wegen. So hälter es für ein „Verbrechen gegen dieMenschlichkeit“, wenn die Massentier-industrie eine Milliarde Tonnen Getreideund Soja als Futter verschwendet (212f).Dahlke hofft, dass dieses „Buchkind“ einegroße Welle auslöst, viele Menschen undnoch mehr Tiere retten wird und sogar zurRettung des Planeten Erde beiträgt. Ent-sprechend will TamanGa zum Veganertumverlocken, indem man eine Genuss-Kü-che pflegt, wie sie die im Buch publizier-ten Rezepte vorstellen.

GRALSBEWEGUNG

70. Todestag von Oskar Ernst Bernhardt.Am 6. Dezember 2011 jährt sich zum 70.Mal der Todestag von Oskar Ernst Bern-hardt, der sich Abd-ru-shin („Sohn desLichts“) nannte und auf den die Gralsbe-wegung zurückgeht. Aus diesem Anlass hat die Zeitschrift„GralsWelt“ ihrer aktuellen Ausgabe (No-vember/Dezember 2011) eine Beilageüber den Gründer der Bewegung beige-fügt. Die Darstellung von Monika Schulzekonzentriert sich auf die Verfolgung Bern-hardts durch die Nationalsozialisten undsein Wirken auf dem Vomperberg in Tirol.Die Weise dieser Würdigung Bernhardtsverdeutlicht seinen Stellenwert in der Be-wegung: Die Anhänger seiner Lehre be-gegnen ihm mit Erfurcht und Bewunde-rung, respektieren aber sein Anliegen,dass es nicht auf seine Person, sondern al-lein auf die Inhalte seiner Lehre an-komme. So schreibt Werner Huemer, derChefredakteur, im Editorial der „Grals-Welt“ zur Sonderbeilage: „Wir wollen da-mit dem Bedürfnis zahlreicher Leser ent-sprechen, mehr über den Autor des Wer-kes ‚Im Lichte der Wahrheit’ zu erfahren,haben die Beilage aber mit der gebotenen

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Zurückhaltung und großem Bemühen umSachlichkeit gestaltet.“Oskar Ernst Bernhardt hat mit der Gralsbe-wegung eine neue gnostisch-esoterischesowie naturphilosophische Erkenntnisreli-gion begründet (Hans-Diether Reimer). Siehat zahlreiche christliche Elemente aufge-nommen, kann aber nicht mehr auf bibli-scher Grundlage christlich genannt wer-den. Den Namen „Bewegung“ gaben sichdie Anhänger am Anfang selbst, weil siekeine Kirche oder religiöse Gemeinschaftmit festen Strukturen bilden wollten. Struk-turen, die entstanden sind, stehen vor al-lem im Dienst des Ziels, die „Gralsbot-schaft“ Bernhardts zu verbreiten und esdamit dem Einzelnen zu ermöglichen, sichdas darin vermittelte Wissen zu erschlie-ßen. Sonntägliche Andachten, drei Feier-tage im Jahr, Gedenktage und weitere kul-tische Handlungen sollen dem Bedürfnisnach einer gemeinsamen Gottesverehrungentgegenkommen.Die „Gralsbotschaft“ ist in BernhardtsHauptwerk „Im Lichte der Wahrheit“ ver-öffentlicht. Sie beansprucht, als „eineneue Offenbarung aus Gott“ ein vollstän-diges und übersichtliches Wissen über diewichtigsten Zusammenhänge der Schöp-fung zu vermitteln. Der Erkenntnis Su-chende soll über das durch Bernhardt ver-mittelte Wissen zu Gott zurückgeführtwerden. Für die Verbreitung der Gralsbot-schaft sorgt die „Stiftung Gralsbotschaft“in Stuttgart. „Im Lichte der Wahrheit“wurde bisher in 17 Sprachen übersetzt,zuletzt auch ins Isländische, Arabischeund Chinesische. 1,4 Millionen von derStiftung autorisierte Exemplare wurdennach ihrer Auskunft weltweit verkauft.Über die Gültigkeit der verschiedenenAusgaben gab es in der VergangenheitStreitigkeiten, die zum Teil zu Abspaltun-gen geführt haben. In Deutschland gibt es über 3000 versie-gelte „Bekenner der Gralsbotschaft“, die

sich auch „Kreuzträger“ nennen und mitdem gemeinnützigen Verein „Grals-Ver-waltung für Deutschland e.V.“ in Mün-chen in Kontakt stehen. Anhänger derGralsbewegung in Deutschland versam-meln sich in 25 regionalen Gralskreisen.Darüber hinaus rechnet die Gralsbewe-gung mit weit mehr Anhängern, zu denensie keinen direkten Kontakt hat. Die Lei-tung der Gralsbewegung in Deutschlandliegt gegenwärtig bei Martin Schott. Weltweit gibt es etwa 30 000 „Bekennerder Gralsbotschaft“ in 46 Ländern. DerSitz der Internationalen Gralsbewegungbefindet sich in Schwaz im österrei-chischen Bundesland Tirol, die Leitunghat Jürgen Sprick. 1998 kam es zu einerSpaltung der Bewegung, als SiegfriedBernhardt aus der Familie Oskar ErnstBernhardts Anspruch auf die Leitung derInternationalen Gralsbewegung erhob. Inden darauffolgenden Auseinandersetzun-gen trennte sich Siegfried Bernhardt vonder bestehenden Gralsbewegung undgründete das „Gralswerk“. Seitdem hatdie Internationale Gralsbewegung nichtmehr ihren ursprünglichen Sitz auf demVomperberg, sondern im nächstgelegenenOrt.Die deutsche Gralsbewegung tritt nichtmissionarisch auf, bemüht sich aber, vorallem jüngere Menschen anzusprechen,unter anderem mit Veranstaltungen undSommerfreizeiten für Kinder und Jugend-liche. Nicht zuletzt scheint es ihr mit derseit 1996 neu erscheinenden „Zeitschriftfür ganzheitliches Denken und förderndeLebenswege“ („GralsWelt“) zu gelingen,neue Leser zu gewinnen. „GralsWelt“ er-scheint derzeit zweimonatlich in einerAuflage von 9500 Exemplaren, davon6500 Abonnements. Im November 2011wurde der Internetauftritt der „StiftungGralsbotschaft“ erneuert (www.gral.de).Auf der ansprechend gestalteten Seitekönnen Artikel aus „GralsWelt“ im Archiv

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nachgelesen werden, es gibt aktuelle Be-richte und Informationen über Bücher undVeranstaltungen. In einem neu eingerich-teten Shop können Produkte erworbenwerden, darunter auch „Im Lichte derWahrheit“ als Hörbuch in einer neuen,„weniger pathetischen“ Aufnahme, wieein Sprecher der Stiftung sagte.Eine Biografie über Oskar Ernst Bernhardtist nicht im Verlagsprogramm zu finden.Offenbar gehen die Meinungen über eineintensivere Beschäftigung mit seiner Per-son in der Bewegung auseinander. Manfürchtet, die Person könne von der Bot-schaft ablenken. Anlässlich seines 125.Geburtstages im Jahr 2000 veröffentlichte„GralsWelt“ eine Serie von MonikaSchulze über das Leben Bernhardts, dieauch in erweiterter Form in einer Fest-schrift mit dem Titel „Ich lebte das, wasich schrieb ...“ erschien. Damit möchteman fehlerhaften Informationen, wie sieim Internet kursieren, entgegenwirken. Oskar Ernst Bernhardt wurde am 18. April1875 in Bischofswerda (Sachsen) als Sohneines Gerbers und Gastwirts geboren. Erabsolvierte eine kaufmännische Ausbil-dung und machte sich 1897 in Dresdenals Kaufmann selbstständig. Im selbenJahr heiratete er Martha Oeser. 14 Jahrelang unternahm Bernhardt weite Reisen,die ihn unter anderem in den Orient undnach New York führten, und betätigte sichschriftstellerisch im Verfassen von Reise-berichten, Romanen und Theaterstücken.In London wurde er vom Ersten Weltkriegüberrascht und auf der Isle of Man inter-niert. Dort beschäftigte er sich intensiv mitphilosophischen und religiösen Themen.Nach seiner Entlassung 1919 kehrte ernach Dresden zurück. 1924 wurde seineerste Ehe geschieden und er heiratete Ma-ria Kauffer, die aus ihrer ersten Ehe dreiKinder mitbrachte. Mit seiner neuen Fami-lie zog Bernhardt nach Tutzing am Starn-berger See. Dort begann er religiöse Ab-

handlungen zu verfassen, die er in den„Gralsblättern“ (1925-1930) unter demPseudonym Abdruschin, später Abd-ru-shin – einer arabisch-persischen Wort-schöpfung –, veröffentlichte. Er hielt öf-fentliche Vorträge, die 1926 zusammenge-fasst in seinem dreibändigen Hauptwerk„Im Lichte der Wahrheit“ im MünchnerVerlag „Der Ruf“ erschienen. 1928 er-warb er auf dem Vomperberg bei Schwazin Tirol ein ehemaliges Jagdhaus, das ermit seiner Familie bezog. Das Jahr giltauch als Entstehungszeit der Gralsbewe-gung. Anhänger begannen sich um seinWerk zu versammeln. Er lehnte es ab, diesich formierende Bewegung zu führen,um einem Personenkult entgegenzusteu-ern. Am 29. Dezember 1929 erlebte Bern-hardt die Offenbarung seiner göttlichenSendung. Anhänger, die in seiner Nähe le-ben wollten, zogen auf den Vomperberg,wo die „Gralssiedlung“ mit eigenerSchule und Feuerwehr entstand. Bern-hardt entwickelte seiner Lehre entspre-chende kultische Handlungen. Am 12.März 1938, nach dem „Anschluss“ Öster-reichs an das Deutsche Reich, wurdeBernhardt verhaftet und verbrachte sechsMonate in einem Innsbrucker Gefängnis.Die Gralssiedlung wurde aufgelöst und ineine NS-Gauschulungsburg umgewan-delt. Ende 1938 ging Bernhardt mit seinerFamilie zurück nach Sachsen, da es ihmverboten wurde, sich länger in Österreichaufzuhalten. 1939 zog er nach Kipsdorfim Erzgebirge, wo er am 6. Dezember1941 66-jährig starb. Nach dem Krieg er-hielt seine Familie die Anlagen auf demVomperberg zurück. 1949 wurde seinLeichnam dorthin überführt und in einempyramidenförmigen Grabmal beigesetzt.Die Gralssiedlung wurde das Zentrum desGeisteslebens und der Verwaltung der In-ternationalen Gralsbewegung.Von christlicher Seite wird vor allem derAnspruch Bernhardts kritisiert, der „Men-

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schensohn“ und von Christus verheißene„Tröster“ zu sein, der dem Menschen dasentscheidende Wissen und das Gerichtüberbringt. Bemerkenswert ist die Zurück-haltung im Umgang mit der Person Bern-hardts innerhalb der Bewegung. Zu sei-nem Todestag, der ein jährlicher Gedenk-tag in der Bewegung ist, sind keine beson-deren Veranstaltungen geplant.

Claudia Knepper

Coaching

Coaching ist ein Sammelbegriff für einezielorientierte Kurzzeitberatung. Andersals bei der Supervision, die zu einem be-währten Instrument der Reflexion undOptimierung beruflicher Praxis auch inder Kirche geworden ist, sind die Entwick-lungsziele eines Coachingprozesses häu-fig schwer zu überprüfen oder nur vageformuliert. Kritiker fragen zynisch nach:„Heißt Coaching, den Einzelnen zu opti-mieren, um ihn besser ausbeuten zu kön-nen?“ Trotz der meist unklaren Zielverein-barung investieren Unternehmen hoheSummen in die Weiterbildung ihrer Mitar-beiter durch Coaching-Angebote. Von der Wortbedeutung her ist der„Coach“ der Kutscher, der die Pferde desWagens steuert. Später etablierte sich derBegriff im Sport und verdrängte die Be-zeichnung „Trainer“. Heute ist er auch imWirtschaftsleben präsent. Beschränktesich Coaching zunächst auf ein exklusivesFührungskräfte-Training, hat sich darausheute ein breit gefächerter Beratungs-markt entwickelt. Coaching-Experten fürdie richtige Entscheidungsfindung sinddabei gut im Geschäft. Es gibt nicht nurUnternehmens-, Finanz-, Steuer- oder Ver-braucherberater. Allen möglichen Lebens-

STICHWORT

situationen und beruflichen Anforderun-gen wird ein professioneller Beratungsbe-darf unterstellt: Lehrer werden für denSchuldienst gecoacht, Politiker für Wahl-kämpfe fit gemacht, Frauen darauf vorbe-reitet, nach der Familienphase wieder inden Beruf zurückzukehren, moderne Pfar-rer unterziehen ihre Verkündigung einem„Predigtcoaching“.

Coaching in Zeiten der Krise

Die Wirtschafts- und Finanzkrisen derletzten Jahre haben das Vertrauen in tradi-tionelle Werte und bislang verlässlicheMärkte nachhaltig erschüttert. Die sozio-ökonomischen, ökologischen und kultu-rellen Krisenphänomene haben zu einerweit verbreiteten Verunsicherung geführt.Deshalb werden seit einigen Jahren sehrgrundsätzlich die Voraussetzungen undFunktionsweisen der Erwerbsarbeit undProduktivität neu und intensiv diskutiert.Bei aller Unterschiedlichkeit der Deutun-gen und Lösungsvorschläge wird überein-stimmend hervorgehoben, dass trotz allertechnischen Errungenschaften der Menschin seiner ganzen Vielfalt als Körper-Seele-Geist-Einheit das höchste Gut in der Ar-beitswelt darstellt. Damit kommen auchseine religiös-spirituellen Bezüge und Be-dürfnisse zum Tragen. Gerade angesichtsknapper werdender materieller Ressour-cen wächst der Stellenwert der Spirituali-tät in der Arbeitswelt – sowohl als persön-liche Mitarbeiterressource als auch für dieBereiche der Unternehmenskultur, Orga-nisationsentwicklung und Mitarbeiterfüh-rung.Die durch Unübersichtlichkeit und Unbe-rechenbarkeit gekennzeichnete gesell-schaftliche Ausgangslage befördert dasBedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle.Die Sehnsucht nach einfachen Rezeptenwächst in dem Maße, in dem die eigeneLebenswirklichkeit als komplex, unüber-

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sehbar und widersprüchlich empfundenwird. Was boomt, sind folglich Lebens-hilfe-Angebote, Ratgeber-Literatur undCoaching-Konzepte. Angebote zur indivi-duellen Begleitung und ganzheitlichenFörderung, Übungen zur Leistungsverbes-serung und Tipps zur Stressresistenz sowieBeratungen zur Herstellung der „Work-Life-Balance“ prägen den Markt der Per-sonalentwicklung und des Führungstrai-nings. Derzeit bieten im deutschsprachi-gen Raum bis zu 50 000 Coachs diesbe-zügliche Dienstleistungen an, deren Qua-lität sehr unterschiedlich ausfällt. Kritikerwerfen vielen Anbietern fehlende fach-liche Qualifikationen vor und sprechenvom Optimierungs- oder Coachingwahn.

Selbstverständnis und Qualitätsstandards

Coaching versteht sich als ein interaktiver,personenzentrierter Beratungs- und Be-treuungsprozess, der berufliche und pri-vate Inhalte umfassen kann. „Interaktiv“bedeutet, dass im Coaching keine Dienst-leistung am Klienten vollzogen wird, son-dern Coach und Klient gleichermaßen ge-fordert sind und auf „Augenhöhe“ zusam-menarbeiten. Dem Klienten soll keineVerantwortung abgenommen werden.Coaching will individuelle Beratung aufder Prozessebene sein. Ein Coach sollkeine Lösungen vorschlagen, sondernseine Klienten begleiten und dazu anre-gen, eigene Lösungen zu entwickeln. AlsProzessberater will er kein Besserwissersein, sondern eher ein beobachtenderRatgeber. Coaching will die Selbstrefle-xion und die Verantwortung fördern, umHilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Welche professionelle Grundausbildungdabei nützt, ist umstritten. Zahlreiche An-bieter auf dem Coaching-Markt sind keinePsychologen. Der Berufsverband Deut-scher Psychologen, der eine eigene Zerti-fizierung psychologischer Coachs anbie-

tet, geht davon aus, dass viele Coaching-Prozesse deshalb scheitern, weil nicht-psychologischen Coachs das Wissenfehle, psychische Störungen zu erkennen,oder sie mit der Psychodynamik helfenderBeziehungen nicht vertraut seien. Die festgelegten und überprüfbaren Qua-litätsstandards eines professionellen Be-rufsverbandes können dem Nutzer helfen,nach fachlichen Kriterien auszuwählenund keinem Motivationsguru auf denLeim zu gehen. Weil der Begriff „Coa-ching“ jedoch nicht geschützt ist undkeine klare fachliche Anbindung hat, tum-meln sich unter diesem Label die unter-schiedlichsten Angebote: Es gibt Glücks-coachs, Hypnose-, Astro- und Tantra-coachs, Bachblüten- und Kinesiologie-Coaching (der „feinstoffliche Mensch“)sowie Berater, die Karrierewege anhandder Schädelform ablesen wollen. Die Festlegung von Qualitätsstandardsdurch einen Berufsverband ist für die boo-mende Branche wichtig. Während es inanderen europäischen Ländern wie Frank-reich oder Großbritannien nur einen oderzwei Coaching-Dachverbände gibt, kon-kurrieren in Deutschland mehr als 20 miteigenen Ausbildungen und Zertifikatenum Mitglieder. Das erschwert die Transpa-renz und die Orientierung. Ein Dachverband, der Deutsche Bundes-verband für Coaching (DBVC), hat einFünf-Punkte-Konzept erarbeitet, das alsOrientierungshilfe für Coaching-Nutzerdienen soll. Bei einem seriösen Coaching-Angebotsollten die nachfolgenden Kriterien erfülltsein:1. Der Coach führt einen ordentlichenGeschäftsbetrieb mit entsprechend ausge-statteten Räumen und einem transparen-ten Angebot. Das Konzept und die Metho-dik des Coachs sind öffentlich nachvoll-ziehbar, frei von Ideologie und entspre-chen wissenschaftlichen Standards.

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2. Ein Coaching-Vertrag wird freiwillig ge-schlossen und beinhaltet alle Rahmenbe-dingungen, wie beispielsweise den zeitli-chen Umfang der Leistung, Ziele, Kosten,Ergebnisüberprüfung, und ist jederzeitvon beiden Parteien kündbar.3. Der ehrbare Coach behandelt alle In-formationen streng vertraulich, bewahrtdabei eine unabhängige, neutrale Posi-tion, arbeitet ausdrücklich im Sinne einerAllparteilichkeit und setzt die zur Verfü-gung stehenden Ressourcen in einem ef-fektiven Kosten-Zeit-Methoden-Verhältnisein.4. Der Coach hat eine fachlich ausgewie-sene und anerkannte Ausbildung und legtseinen Leistungsnachweis offen. Er nutztQualitätssicherungsmethoden und reflek-tiert seine Arbeit in regelmäßiger Supervi-sion.5. Die Coaching-Arbeit ist unvoreinge-nommen und im Grundsatz ergebnisof-fen, orientiert sich am Kundennutzen undbehält darüber hinaus das Gemeinwohlim Blick. Einzig die Klienten bestimmenund verantworten ihr Erkennen, Entschei-den und Handeln ebenso wie ihr Nicht-Handeln.

Auf mangelnde Authentizität und man-gelndes Reflexionsvermögen eines Coa-ching-Anbieters können nach Erfahrungendes genannten Dachverbandes neben an-deren folgende Merkmale hinweisen, dieals Ausschlusskriterium für ein zweifelhaf-tes Seminar dienen sollen: Erfolgsverspre-chen beziehungsweise Perfektionsphan-tasien, Überidealisierungen und Vereinfa-chungen, Machbarkeitsideologien undvorgetäuschte Konfliktfreiheit.

Einschätzung

Ein Hauptproblem der zielorientiertenKurzzeitberatung im Coaching-Formatliegt darin, dass die Ziele meist erst im

Laufe eines Beratungsprozesses klarer her-vortreten. Zuweilen ändern sie sich auch,weil im Beratungsverlauf die Bedeutungbislang unbekannter Einflussfaktoren ver-standen wird. Oft berühren die Fragenexistenzielle Themen. Die Grenzen zwi-schen einem fachlich begründeten Vorge-hen und ideologischer Beeinflussung sindfließend. Coaching kann helfen, Kommu-nikationsprozesse zu fördern, Strukturenzu klären und Entwicklungsprozesse an-zustoßen. Eine fachlich begründete Bera-tung hat dabei immer ein klar begrenztesund erreichbares Beratungsziel im Blick.Allerdings versprechen viele Coaching-Angebote, optimale Selbstentfaltung undSelbst(er-)findung möglich zu machenund teilweise auch existenzielle Lebens-fragen beantworten zu können. Keine fremde Expertenmeinung sollte deneigenen gesunden Menschenverstand er-setzen. Wenn Alltagskonflikte sofort an„Fachleute“ weitergeleitet werden, ist derEinzelne zwar die Verantwortung zu-nächst los, eine solche „Delegationsmen-talität“ wird sich aber als Bumerang erweisen, weil sie übersieht, dass einePersönlichkeit maßgeblich an der Bewälti-gung von Krisen wächst. Wird allen Kon-flikten und Krisen aus dem Weg gegan-gen, beraubt man sich der zwar schmerz-haften und mit Niederlagen versehenen,aber letztlich charakterprägenden Identi-tätsbildung. Außerdem sollte man beden-ken, dass anderen Menschen Einfluss aufdas eigene Leben eingeräumt wird, wasausgenutzt werden und bis in die Unmün-digkeit führen kann.

Literatur

Böhmer, Annegret / Klappenbach, Doris, Mit Eleganzund Humor. Supervision und Coaching in Organi-sationen und Institutionen, Paderborn 2007

Lindner, Erik, Coaching-Wahn. Wie wir uns hem-mungslos optimieren lassen, Berlin 2011

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474 MATERIALDIENST DER EZW 12/2011

Schwertfeger, Bärbel, Der Griff nach der Psyche. Wasumstrittene Persönlichkeitstrainer in Unternehmenanrichten, Franfurt a. M. 1998

Utsch, Michael, Management und Spiritualität. Streif-zug durch einen boomenden Markt, epd-Dokumen-tation 44-45/2008, 5-9

Utsch, Michael, Scharlatane auf dem Coaching-Markt,in: MD 5/2007, 189f

Utsch, Michael, Wohin entwickelt sich der Coaching-Markt?, in: MD 12/2008, 467-469

Werle, Klaus, Die Perfektionierer, Warum der Opti-mierungswahn uns schadet – und wer wirklich da-von profitiert, Frankfurt a. M. 2010

Internet

www.coaching-report.de

Michael Utsch

Manfred Böckl, Die kleinen ReligionenEuropas. Woher sie kommen und wel-chen Einfluss sie haben, Patmos-Verlag,Ostfildern 2011, 165 Seiten, 17,90 Euro.

Angesichts der religiösen Vielfalt unsererGesellschaft hat es sich Manfred Böcklzum Ziel gesetzt, „die interessantestenkleinen Religionen und Konfessionen un-seres europäischen Kulturkreises“ vorzu-stellen. Dargestellt werden 16 Gemein-schaften, die der Autor in drei Kategorienunterteilt. Unter „Kleine Religionen mitjüdisch-christlichen Wurzeln“ finden sichdie Darstellungen von neun Religionsge-meinschaften, darunter christliche Freikir-chen, die Zeugen Jehovas, die Waldenser,und die tschechischen Hussiten. In einemzweiten Teil geht der Autor auf „KleineReligionen mit islamischen Wurzeln“ einund nennt hier die Baha’i, die Alevitenund die Salafisten. „Kleine Religionen mitvorchristlichen Wurzeln“ werden im drit-ten Teil dargestellt. Hier geht es um „Kelti-sches Neuheidentum“, „Schamanismusder Samen“, „Wicca“ und „Ásatrú“, wo-

bei Wicca besser als „neue Hexen“ undÁsatrú besser als neugermanisches Hei-dentum bekannt sein dürfte.Den Einzeldarstellungen stellt Böckl eineausführliche Einführung voran, die mit„Von Schamanen, Druiden, Christen, Ket-zern und Salafisten – Eine kurze Religi-onsgeschichte Europas“ überschrieben ist.Außerdem gibt es ein kurzes Glossar undausgewählte Literatur. In seiner Einführung spannt Böckl einenweiten Bogen. Seine „kurze Religionsge-schichte“ beginnt mit der Darstellung derprähistorischen und vorchristlichen Epo-che Europas, die etwa die Hälfte der Ein-führung ausmacht. Der Schwerpunkt liegtauf der Darstellung der keltischen Götter-welt (11-13). Insgesamt, so Böckl, „zeich-neten sich die vorchristlichen ReligionenEuropas durch große gegenseitige Tole-ranz aus“, die er „schon per se im alteuro-päischen Polytheismus begründet“ sieht(13). Diese seiner Meinung nach „weltof-fene Vielgottlehre“ stehe „der biblischenVorstellung von einem ‚einzigen wahrenGott’ und der damit verbundenen Intole-ranz schon von Natur aus“ entgegen (14).Dass die Christen, wie Böckl erwähnt,„unter verschiedenen römischen Kaisernblutige Verfolgungen ... erlitten“ (14), willjedoch nicht so recht zu dieser These undzu dem „heidnisch-liberalen Geist“ (14)passen, den der Autor den Römern zu-schreibt. Der europäischen Religionsge-schichte seit Ende des Zweiten Weltkriegswidmet Böckl in seiner Einführung ledig-lich etwa eine halbe Seite und sieht „inden demokratischen und aufgeklärten Ge-sellschaften Europas ein friedliches undtolerantes Miteinander ... unterschiedli-cher Weltanschauungen“, das er aller-dings von den „Großkirchen“ infrage ge-stellt und von „fanatischen Religionsgrup-pen“ bedroht sieht. Zu Letzteren zählt erdie „islamischen Moslembrüder und fun-damentalistische Salafisten“ (23).

BÜCHER

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Nach welchen Kriterien der Autor die ein-zelnen religiösen Gruppen, die er aus-führlicher darstellt, ausgewählt hat, be-gründet er nicht. So bleibt auch die Frageunbeantwortet, warum wichtige religiöseGruppen und Strömungen der Gegenwartin Böckls Buch nicht erwähnt werden.Während er im dritten Teil vier neuheidni-sche Gemeinschaften darstellt, sucht manvergeblich nach Informationen zu vielenanderen religiösen Gruppen und Strö-mungen der Gegenwart. Dazu gehörenbeispielsweise die Pfingstbewegung bzw.einzelne Pfingstkirchen, auch die Mormo-nen sucht man vergeblich. Die Neuapos-tolische Kirche wird unter der befremdlichanmutenden Bezeichnung „Neuapostoli-ker“ behandelt. Die Religionen und Be-wegungen mit asiatischem Hintergrundsind Böckl keine Erwähnung wert.Dass die Darstellung des Heidentums unddes Neuheidentums in diesem Buch einenderart breiten Raum einnimmt, mag zu-nächst verwundern, bis man sich etwasgenauer mit der Person des Autors be-schäftigt. Der Klappentext beschreibt ihnals freien Schriftsteller und Verfasser vonSachbüchern und historischen Romanen,der sich besonders mit „Propheten und ih-ren Weissagungen“ befasst. Die Internet-seite des Autors (www.manfred-boeckl-schriftsteller.de) ist dagegen wesentlich in-formativer. Dort bezeichnet Böckl sichselbst als Kelten, dem es am wichtigstengeworden sei, „eine geistige Heimkehr inskeltische Heidentum“ zu proklamieren:„Keltisch-heidnischer Geist versöhnt mitunserer Mutter Erde und besiegt die bruta-len Machtmenschen und Imperialisten.“Letztere sieht Böckl vor allem in der ka-tholischen Kirche am Werk. Denn als ei-nen weiteren Schwerpunkt seiner Tätig-keit nennt er auf seiner Internetseite seinAnliegen, „historische und auch moderneVerbrechen oder humanitäre Irrwege ins-besondere der katholischen Kirche ins Be-

wusstsein der Menschen zu bringen“. Ei-nige seiner Bücher sind im Kopp-Verlagerschienen, der sehr zutreffend auch alsVerlag für Enthüllungsliteratur, Verschwö-rungen, unterdrückte Informationen undGeheimgesellschaften bezeichnet wird.Vor diesem Hintergrund wird verständ-lich, warum Böckl neuheidnischen Bewe-gungen in seinem Buch einen weit bedeu-tenderen Stellenwert einräumt, als ihnenim religiösen Spektrum der Gegenwart, indem sie bestenfalls ein sehr kleines Seg-ment darstellen, tatsächlich zukommt.Dessen ungeachtet sieht Böckl dennoch„seit einigen Jahrzehnten ein neuesabendländisches Heidentum“ aufblühen(23). Konkrete Angaben, die diese Thesebelegen könnten, etwa Namen neuheidni-scher Vereinigungen, findet man in BöcklsDarstellungen nur vereinzelt, Mitglieder-zahlen sucht man leider vergeblich. Bei-spielsweise nennt er im Zusammenhangmit der „wiederbelebten germanischenReligion“, ohne weitere Angaben dazu zumachen, neben anderen eine im Jahr2000 in Trier entstandene Ásatrú-Vereini-gung (151). Gemeint ist offenbar der „El-daring“, der als die mitgliederstärkste neu-heidnische Vereinigung in Deutschlandgilt, dessen Mitgliederzahl aber auf ledig-lich ca. 200 Personen geschätzt wird. Der Frage, wie sich die christlichen Ge-meinschaften zum Nationalsozialismusverhielten, räumt Böckl breiten Raum einund kritisiert deren Fehlverhalten, das esohne Zweifel gab, ausführlich und heftig.Die unrühmliche Rolle, die einige neu-heidnische Vereinigungen in Vergangen-heit und Gegenwart bei der Verbreitungneonazistischen, rassistischen und demo-kratiefeindlichen Gedankenguts gespielthaben und spielen, handelt er dagegenmit nur einem einzigen Satz ab: „Nach-dem die germanische Kultur und Religionin den Jahren der nationalsozialistischenDiktatur in Deutschland von den damali-

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gen Machthabern gründlich fehlinterpre-tiert und für verbrecherische Zweckemissbraucht wurden, muss hier klarge-stellt werden, dass Ásatrú mit neonazisti-schen Bestrebungen absolut nichts zu tunhat“ (151f). Das ist nicht nur falsch, son-dern Böckl bleibt damit weit hinter demProblembewusstsein und der kritischenAuseinandersetzung mit dieser Frage inder neuheidnischen Szene selbst zurück.Viele neuheidnische Vereinigungen, da-runter auch der „Eldaring“, distanzierensich deutlich von derlei Gedankengut.Auch der neuheidnische „Rabenclan“ en-gagiert sich „aktiv gegen rassistische unddemokratiefeindliche Weltanschauungen,die im und mit dem Neuheidentum ent-standen sind“ (www.rabenclan.de). Den-noch gibt es in der neuheidnischen Szenebis heute auch die gegenteilige Tendenz,vertreten beispielsweise durch die „Artge-meinschaft – Germanische Glaubens-Ge-meinschaft“ (s. dazu die Darstellung desNRW-Verfassungsschutzes auf www.mik.nrw.de).Dass in Böckls Ausführungen insbeson-dere die katholische Kirche sozusagen diedunkle Folie bildet, vor deren Hintergrunddas Neuheidentum im hellen Glanz er-strahlt, überrascht nicht. Gemäß seinerProgrammatik zeichnet Böckl nicht nur inseiner Einführung ein einseitiges Bild derkatholischen Kirche, die demnach imLaufe der Geschichte „heidnische Religio-nen verfolgt“ (14), ihre Gegner„ausrottet“(20), „blutig und zu rigoros triumphierte“(16), „brutal missioniert“ (17) „hetzt“ (18),ihre Gegner auf dem Scheiterhaufen ver-brennt (21), „diskriminiert“ (21), „vernich-tet“ (20) und für „grausamste Pogrome“(21) verantwortlich ist. Nach den positi-ven Beiträgen der katholischen Kirchenicht nur zur Religionsgeschichte Europassucht man in Böckls Darstellung leidervergeblich; immerhin ist er bereit zuzuge-stehen, dass es vereinzelt „Widerstand

aufrechter Christen gegen den Faschismusgab“ (22). Auch in der Gegenwart sieht erdie Religionsfreiheit durch die „Großkir-chen“, insbesondere durch die „Existenzder katholischen und evangelischen Sek-tenbeauftragten“ (23), infrage gestellt. Ineinem Interview mit dem Deutschlandra-dio bezeichnet er deren Tätigkeit, die erals „Bespitzelung und Diskreditierung derkleinen Religionen“ zu diffamieren ver-sucht, sogar als „verfassungswidrig“(www.dradio.de, Sendung vom 11. Juni2011). Will man ein Fazit ziehen, so muss festge-stellt werden, dass sich Böckls Buch weni-ger durch eine fachlich fundierte, sachli-che und faire Darstellung der religiösenSzene auszeichnet, sondern durch seineidealisierte Darstellung der „Religionenmit vorchristlichen Wurzeln“ und seinescharfe, in ihrer Einseitigkeit polemischeund überzogene Kritik am Christentumund an den Kirchen. Auch wenn das Buch kein Lexikon ist,darf der Leser angesichts des Anspruchsdes Verlags, ein „informatives Sachbuchund Hilfsmittel im interreligiösen Dialog“anzubieten, erwarten, dass die Auswahlder in der Übersicht und in den Einzeldar-stellungen beschriebenen Religionen be-gründet wird, wenn schon keine für diereligiöse Szene der Gegenwart repräsenta-tive Auswahl getroffen wurde. Das ist lei-der nicht der Fall. Auch gravierende sach-liche Fehler muss sich der Autor zurech-nen lassen. So handelt es sich bei „Je-hova“ nicht um den „Gott des Alten Testa-ments“, den auch die anderen „bibelmo-notheistischen Religionen“ als „obersteund unanfechtbare Instanz“ ansehen (87),sondern um eine falsche Übersetzung desbiblischen Gottesnamens „Jahwe“.Dass er sich in religionsrechtlichen Fragenoffenbar nicht auskennt, zeigen seine Aus-führungen zur Neuapostolischen Kirche.Anders als in anderen europäischen Staa-

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ten sei sie in Deutschland nicht „gesetz-lich anerkannt“ (97). Eine ausdrücklichegesetzliche Anerkennung von Religions-gemeinschaften gibt es in Deutschlandbekanntlich nicht, die Anerkennung vonReligionsgemeinschaften als Körperschaf-ten des öffentlichen Rechts dagegenschon. Und diesen Körperschaftsstatus hatdie Neuapostolische Kirche bereits seitlangem inne. Hinzu kommt, dass sich in Böckls Buch,außer im sehr kurz gehaltenen Literatur-verzeichnis, wenn überhaupt, nur sehrvage Quellenangaben finden. Sie findensich nicht einmal dort, wo Böckl den In-halt wichtiger Quellentexte, z. B. von Be-kenntnisschriften, nicht im Wortlaut, son-dern lediglich mit seinen eigenen Wortensinngemäß wiedergibt (z. B. 46). Weiter-führende Literaturangaben oder Linkssucht man in den Einzeldarstellungenebenso vergeblich wie bibliografischeVerweise auf Selbstdarstellungen undQuellenschriften der dargestellten Ge-meinschaften. Wer eine informative und – bei aller Kri-tik, die an Religionsgemeinschaftenselbstverständlich geübt werden darf –eine faire und ausgewogene Darstellungkleiner Religionsgemeinschaften der Ge-genwart erwartet, wird enttäuscht. Dassausgerechnet der katholische Patmos-Ver-lag dieses Buch in sein Programm aufge-nommen hat, ist befremdlich, auch wennsich der Verlag von den ÄußerungenBöckls im oben genannten Interview dis-tanziert. Man sehe sich als Verlag „gefor-dert, ein möglichst differenziertes Bild dervielfältigen Stimmen und Stimmungen dergeistigen Landschaft unserer Zeit zu bie-ten“, und verstehe sich dabei „als Kataly-sator von Dialog und informierter Aus-einandersetzung“, teilte der Verlag aufeine entsprechende Anfrage hin mit. DassBöckl dazu einen konstruktiven Beitragleistet und darüber hinaus den „Regeln

von Seriosität, Fairness, Qualität undKompetenz“, denen sich der Verlag in sei-nen Veröffentlichungen verpflichtet sieht,gerecht wird, muss leider infrage gestelltwerden.

Matthias Neff, Trier

Hamed Abdel-Samad, Der Untergang derislamischen Welt. Eine Prognose, Droe-mer Verlag, München 2010, 240 Seiten,18,00 Euro.

Der inzwischen durch verschiedene Fern-sehauftritte bekannte Politikwissenschaft-ler und Historiker Hamed Abdel-Samadhat mit seinem zweiten Buch „Der Unter-gang der islamischen Welt“ ein zugleichpersönliches und provokantes Sachbuchgeschrieben, in dem er die Situation der„islamischen Welt“ analysiert und denVersuch einer Vorhersage bevorstehenderEntwicklungen unternimmt. 1973 inÄgypten als Sohn eines Imams geboren,studierte Abdel-Samad in Ägypten Franzö-sisch und Englisch und dann ab 1995 inDeutschland Politik. Seine Dissertationschrieb er an der Universität Münchenüber das „Bild der Juden in ägyptischenSchulbüchern“.Mittlerweile ist sein neues Buch auch imkleinen ägyptischen Merit-Verlag auf Ara-bisch erschienen, nachdem es zuerst nurvom deutschen Droemer Verlag publiziertworden war. In seinem Buch möchte erden Finger auf die Wunde der islamischenIdentität legen und mit teilweise drasti-schen und zuweilen plakativen Aussageneine Diskussion über die Rolle des Islamim Zusammenhang mit der Stagnation derislamischen Welt anstoßen. Schon hiertaucht allerdings die erste begriffliche Un-schärfe auf, denn wenn er von der islami-schen Welt redet, so meint er doch vor-wiegend die arabische Welt und nur amRande zentralafrikanische und asiatische

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Staaten. Anhand vieler persönlicher Bei-spiele und Erfahrungen versucht er zu un-termauern, dass die islamische Welt auf-grund ihrer religiösen Erstarrung dem Un-tergang geweiht ist. Den Anstoß für seine Überlegungen bildetnach eigener Aussage die Lektüre des imJahre 1918 erschienenen kulturphiloso-phischen Werks von Oswald Spengler„Der Untergang des Abendlandes“, das erzu Beginn seines Studiums in Deutsch-land erstmals las. In Spenglers Buch fander eine Begründung für seine Abneigunggegenüber dem ihn überfordernden west-lich-dekadenten Lebensstil, der im starkenGegensatz zu seiner intensiven religiösenErziehung stand, die er bei seinem Vatergenossen hatte. Aus dieser Konstellationheraus wird die sehr persönliche Heran-gehensweise Hamed Abdel-Samads andas Thema besonders deutlich. Bereits in seinem ersten, 2009 erschiene-nen Buch „Abschied vom Himmel“ be-schreibt er seine Entwicklung von einemdurch eine schwere Identitätskrise gepräg-ten Muslim, der mit der paradoxen westli-chen Lebensweise nicht zurechtkommt,hin zu Akzeptanz und Überwindung sei-ner durch den Islam geprägten Unmün-digkeit. Paradigmatisch steht dafür seineoft wiederholte Aussage „Ich bin vomGlauben zum Wissen konvertiert“. Dieshat es ihm ermöglicht, „den Untergangdes Abendlandes“ aus einer anderen Per-spektive zu lesen und den Islam und seineKultur als Ursache für die Probleme der„islamischen Welt“ ins Auge zu fassen.Sein Buch „Der Untergang der islami-schen Welt“ stellt die Zusammenfassungseiner Überlegungen dar und beschreibt,warum seiner Meinung nach der Islam„bankrott“ gehen wird und muss, um zueiner Erneuerung der „islamischen Welt“zu gelangen.Sein Buch wirkt dabei weniger als einSachbuch, da es – wie schon erwähnt – zu

einem großen Teil aus persönlichen Anek-doten und Erfahrungen besteht, die zwareinen sehr persönlichen Zugang zu seinenGedankengängen eröffnen, aus wissen-schaftlicher Perspektive aber nicht ohneWeiteres verallgemeinerbar sind. In eini-gen Kapiteln versucht er allerdings, ausseinem persönlichen Blickwinkel auszu-brechen und eine politikwissenschaftlicheAnalyse durchzuführen. Besonders gelun-gen ist dem Autor die Darstellung und Be-schreibung der ägyptischen und saudi-arabischen Schulbücher der letzten Jahre,bei der die politisch gesteuerte Ge-schichtskonstruktion der herrschendenRegime vom Autor besonders eindringlichherausgearbeitet wurde. An zahlreichenBeispielen wird die Zerrissenheit der isla-mischen Identität aufgezeigt, die zwi-schen dem Stolz auf die eigenen kulturel-len Leistungen und dem Gefühl schwankt,durch einen nicht näher identifiziertenWesten in Form von Kreuzzügen, Kolonia-lismus und Zionismus unterdrückt wordenzu sein. Andere, für die Geschichte der is-lamischen Welt ebenfalls bedeutende Er-eignisse, wie die Zerstörung Bagdads1258 durch die Mongolen, werden voll-kommen außer Acht gelassen. Durchdiese systematische Geschichtskonstruk-tion wird eine einseitig dargestellte Ge-schichte der Unterdrückung des Islamdurch den Westen propagiert und legiti-miert. Eine Allgemeingültigkeit kann die-sen Aussagen jedoch nicht zugesprochenwerden, da sich der Autor lediglich aufdie Schulbücher zweier arabischer Länderbeschränkt.In weiten Teilen des Buches argumentiertHamed Abdel-Samad aus einer psycholo-gischen Perspektive, die er mit einigenhistorischen Fakten zu untermauern sucht.So versucht er, für die Unfähigkeit vielerMuslime, mit den „Kränkungen“ des„Westens“ richtig umzugehen, Erklärun-gen zu finden. Ziel des Autors scheint zu

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sein, das „islamische“ Denken aus seinervon ihm attestierten unschöpferischen undselbstzerstörenden Haltung zu befreienund die „Ketten des Islam zu sprengen“.Religiöse Reformer versuchen in seinenAugen nur, den Ketten einen neuen „An-strich“ zu geben, sie aber nicht abzuschüt-teln. Hier steht Abdel-Samad in der Tradi-tion radikaler Aufklärer, die in der „selbst-verschuldeten Unmündigkeit“ der Mus-lime die Ursache der Probleme erkennenund dagegen angehen möchten. Das Vor-handensein äußerer Entwicklungen, diezur heutigen Situation der „islamischenWelt“ mit beigetragen haben, wird zwarnicht bestritten, doch misst der Autor demkeine besondere Bedeutung zu. Er ver-weist auf die innere Wandlungsfähigkeitdes Islam, die dieser braucht, falls er sichals gesellschaftliche Kraft erhalten möchte.Seine Prognose ist in weiten Teilen eherdüster, wie es auch der Titel des Buchesnahelegt, wobei er gerade daraus Kraft zuschöpfen sucht. So endet sein Buch mitdem Satz: „Der Wald wird niederbrennen,und der Rauch wird zum Himmel steigen.Aber neue Bäume werden an der gleichenStelle trotzdem wachsen.“Gerade dieses Bewusstsein für geschichtli-chen Wandel macht das Buch interessant,das in weiten Teilen mit vielen plakativenund verkürzten Thesen arbeitet, aber nurselten den Eindruck einer unreflektiertenIslamkritik aufkommen lässt. Es ist einesehr persönliche Auseinandersetzung desAutors mit den Problemen der „islami-schen Welt“, und aufgrund dieser Heran-gehensweise mangelt es dem Buch anwissenschaftlicher Schärfe und Aussage-kraft. Es beeindruckt aber durch seine Of-fenheit und das Ziel, Probleme anzuspre-chen und zur Diskussion zu stellen.

Rabih El-Dick, Hildesheim

AUTORENDr. theol. Friedmann Eißler, geb. 1964, Pfar-rer, EZW-Referent für Islam und anderenichtchristliche Religionen, neue religiöseBewegungen, östliche Spiritualität, interreli-giösen Dialog.

Rabih El-Dick, geb. 1981, Diplom-Sozialpä-dagoge, Student der Religionswissenschaftund Politik an der Universität Hannover,Praktikant der EZW im Februar und März2011.

Dr. theol. Edgar S. Hasse, geb. 1960, Redak-teur der WELT-Gruppe in Hamburg, Lehrbe-auftragter am Lehrstuhl für Praktische Theo-logie, Religions- und Medienpädagogik ander Universität Greifswald sowie an derEvangelischen Hochschule für Soziale Arbeitund Diakonie Hamburg.

Dr. theol. Reinhard Hempelmann, geb.1953, Pfarrer, Leiter der EZW, zuständig fürGrundsatzfragen, Strömungen des säkularenund religiösen Zeitgeistes, pfingstlerischeund charismatische Gruppen.

Claudia Knepper, geb. 1973, evangelischeTheologin, wissenschaftliche Mitarbeiterinder EZW.

Dr. phil. Angelika Koller, geb. 1955, Schrift-stellerin und Dozentin für Religionswissen-schaften und Literatur in der Erwachsenen-bildung, München.

Karina Meyer, geb. 1983, Studentin der Fä-cher Spanisch sowie Werte und Normen(Masterstudiengang) und Psychologie an derGeorg-August-Universität Göttingen.

Matthias Neff, geb. 1963, Diplom-Theologe,Referent für Weltanschauungsfragen undSekten im Bistum Trier.

Dr. phil. Michael Utsch, geb. 1960, Psycho-loge und Psychotherapeut, EZW-Referent fürchristliche Sondergemeinschaften, Psycho-szene, Scientology.

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Anschrift: Auguststraße 80, 10117 Berlin Telefon (0 30) 2 83 95-2 11, Fax (0 30) 2 83 95-2 12Internet: www.ezw-berlin.deE-Mail: [email protected]

Redaktion: Friedmann Eißler, Ulrike LiebauE-Mail: [email protected]

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Bezugspreis: jährlich € 30,– einschl. Zustellgebühr.Erscheint monatlich. Einzelnummer € 2,50 zuzügl.Bearbeitungsgebühr für Einzelversand. Abbestellungensind nur mit einer Frist von 6 Wochen zum Jahresendemöglich. – Alle Rechte vorbehalten.

Bei Abonnementwunsch, Adressenänderungen, Abbestellungen wenden Sie sich bitte an die EZW.

Druck: Maisch & Queck, Gerlingen/Stuttgart.

IMPRESSUM

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ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

74. Jahrgang 12/11

ISSN

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1-24

02 H

542

26

Christlicher Glaubeund nichtchristliche Religionen

Komparative Theologie

Zivilreligiöse Dimensionen in den Weihnachtsansprachen der Bundespräsidenten

20 Jahre „Jesus Freaks“

Stichwort: Coaching

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

umschlag1211.qxp 22.11.2011 08:30 Seite 1