Venedig - Seemacht mit imperialem Anspruch 1381 - 1499 · rium oder Hegemonie....

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Nr. 83

Ulrich Menzel

Imperium oder Hegemonie?

Folge 5: Venedig - Seemacht mitimperialem Anspruch 1381-1499

Dezember 2007

ISSN-Nr. 1614-7898

)

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5. Venediq - Seemacht mit ~perialem Anspruch 1381-1499

5.1. Venedig versus Genua

5.2. Der langsame hegemoniale Aufstieg im Mittelmeer

5.3. Die Grundlagen der venezianischen Macht

5.4. Die hegemoniale Ordnung

5.5. Der hegemoniale Niedergang als Folge des osmanischen Auf­

stiegs und der Verlagerung der Gewürzrouten

Bei diesem Text handelt es sich um die fünfte Fallstudie zum Projekt "Impe­rium oder Hegemonie. Historisch-komparative Untersuchungen zu einem aktuel­len Problem", das seit 2001 bearbeitet wird. Weitere Fallstudien werdenfolgen und zu einem späteren Zeitpunkt als Kapitel einer umfassenden Mono­graphie zum Thema Verwendung finden. Zum theoretischen Rahmen vgl. meinenAufsatz "Anarchie oder hegemoniale Ordnung?" In: WeltTrends 12.2004, Nr.44, S. 125-142 sowie meine Auseinandersetzung mit Herfried Münkler "Imperi­um oder Hegemonie? Die USA als hegemoniale Ordnungsmacht" In: Kommune23.2005/06, Dez.-Jan., S.65-72.

Folge 1: Song-China 960-1204.= Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften Nr. 78, Ap­ril 2007.

Folge 2: Pax Mongolica 1230-1350 und die G10balisierung vor der Globalisie­rung.= Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften Nr. 79, Juni2007.

Folge 3: Genua und die mediterrane Weltwirtschaft 1261-1350.= Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften Nr. 80, Sep­tember 2007.

Folge 4: Die frühen Ming (1368-1435) und die Restauration des Tributsys­tems.= Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften Nr. 82, No­vember 2007.

Weitere Materialien zum Thema sowie eine laufend erweiterte Bibliographie,in der auch alle hier zitierten Titel verzeichnet sind, findet sich unter:http://www-public.tu-bs.de:8080/~umenzel/inhalt/dienstleistungen/biblio­

graphien.html.

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5. Venedig - Seemacht mit imperialem Anspruch 1381-1493

5.1. Venedig versus Genua

Wenn Genua bereits ein ganzes Kapitel (Folge 3) gewidmet ist,

stellt sich die Frage, ob es notwendig ist, auch Venedig ein

eigenes Kapitel einzuräumen. Auf den ersten Blick scheinen die

beiden Rivalinnen, die rund 200 Jahre um die Führungsrolle im

Mittelmeerraum gerungen haben, so viel Ähnlichkeiten aufzuwei­

sen, dass der Grenznutzen einer weiteren Fallstudie nur gering

zu sein scheint. Beide waren italienische Stadtstaaten mit re­

publikanischer Verfassung, beide hatten eine oligarchische

Prägung, bei der wenige große Familien das Sagen hatten, beide

waren ausgesprochene Seemächte mit nur beschränkten territori­

alen Ambitionen, beide waren in Europa Vorreiter und Träger

der nautischen und kommerziellen Revolutionen am Übergang vom

Spätmittelalter zur frühen Neuzeit, beide waren Handelsrnächte

und internationale Dienstleister ohne eigentliche, allenfalls

geringe, landwirtschaftliche bzw. gewerbliche Basis, beide

bildeten Scharniere zwischen Orient und Okzident, zwischen

West- und Osteuropa, beide betrieben eine diplomatische Schau­

kelpolitik zwischen den großen Mächten ihrer Zeit mit nur be­

grenzter Loyalität gegenüber dem lateinisch-christlichen A­

bendland und beide lieferten, hegemonietheoretisch argumen­

tiert, die gleichen internationalen öffentlichen Güter, näm­

lich ein globales Handelsregime und Schutz der Meere. Selbst

das äußere Erscheinungsbild ihres Aufstiegs und Niedergangs

weist viele Ähnlichkeiten auf: In beiden Fällen eine lange

Aufstiegsphase und eine ebenso lange Phase des Niedergangs,

keine ganz eindeutige Zeitspanne, die als Hegemonialphase i­

dentifiziert werden kann, und der Umstand, dass eher externe

als interne Faktoren für den Niedergang verantwortlich zu ma­

chen sind. Mit allen diesen Merkmalen bilden sie typologisch

nahezu das komplette Gegenstück zum Reich der Mongolen.

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Doch damit enden die Parallelen. Auf den zweiten Blick gibt es

wesentliche Unterschiede, die es nicht nur wert sind, genannt

zu werden, sondern auch daraufhin zu untersuchen sind, ob sie

weitere Erkenntnisse zum Generalthema liefern. Dazu gehört zu­

erst der Umstand, dass beide Städte in den hegemonietheoreti­

schen Ablaufmodellen, etwa bei Modelski, nacheinander genannt

werden. Der genuesische Hegemoniezyklus soll von 1190-1300 ge­

dauert haben und sich erst auf die "Champagne-Messen" und dann

auf den "Schwarzmeerhandel" als Leitsektoren gestützt haben.

Der venezianische Hegemoniezyklus mit den Leitsektoren "Galee­

renflotten" und später "Pfeffer" soll sich daran angeschlossen

und von 1300-1430 gedauert haben1•

Dass es eine zeitliche Abfolge hinsichtlich der internationa­

len Bedeutung beider Seestädte gegeben hat, ist unbestritten.

Das, was Modelski als unterschiedliche Leitsektoren identifi­

ziert, sind im Grunde nur Aspekte des Leitsektors "Fernhan­

deI", je nachdem, ob das Transportmittel (Galeerenflotten),

die wichtigste Handelsware (Pfeffer), eine zeitweise wichtige

Herkunftsregion (Schwarzes Meer) oder eine zeitweise wichtige

Zwischenhandelsregion (Champagne-Messen) hervorgehoben werden.

Diese unterschiedlichen Aspekte allein überzeugen aber kaum

als Periodisierungsschema. Beide Städte unterhielten im gesam­

ten fraglichen Zeitraum Galeerenflotten, für heide war Pfeffer

eine wichtige Handelsware, heide trieben Handel im Schwarzen

Meer, lediglich die anfängliche Hauptabsatzregion beider Städ­

te war verschieden. Genua, am Thyrrenischen Meer gelegen, war

aufgrund der geographischen Nähe zu Frankreich auf die Cham­

pagne-Messen orientiert, während Venedig, am Nordende der Ad­

ria gelegen, eher in Richtung Deutschland und damit auf die

oberdeutschen Handelszentren wie Nürnberg ausgerichtet war.

1 George Modelski/ William R. Thompson, Leading Sectors and World Powers:The Coevolution of Global Politics and Economics. Columbia S.C. 1996, S.69,171, 191.

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Die Lei tsektoren-Argumentation ist also nicht besonders ein­

leuchtend und keineswegs zwingend.

Das gleiche gilt für die Periodisierung. Die Festlegung für

Genua auf die Periode 1190-1300 kommt 60-70 Jahre zu früh. Es

konnte bereits nachgewiesen werden, dass die Stärke Genuas von

der Pax Mongolica abhing - also eher der Zeitraum 1260-1350 zu

veranschlagen ist. Deshalb ist das Argument "Schwarzmeerhan­

del \\ insofern wichtig, als die kommerzielle Kooperation mit

den Mongolen sich auf die Karawanenroute ab Tana an der Mün­

dung des Don bezog und nicht auf die beiden südlicher gelege­

nen Seerouten via Persischem Golf oder Rotem Meer. Der Faktor

Mongolen spielt aber in dem zitierten Schema keine Rolle.

Folglich ist auch die angenommene Terminierung im Falle Vene­

digs (1300-1430) etwa 80 Jahre später anzusetzen. Der Verfall

der Pax Mongolica und die damit verbundene Beeinträchtigung

des Asienhandels hat den Konflikt zwischen Genua und Venedig

wieder angeheizt, der als Verteilungskonflikt um einen

schrumpfenden Markt interpretiert werden muss. Venedig ging

daraus im sog. Chioggia-Krieg als Sieger hervor. Der Friede

von Turin (1381) sicherte Venedig die Vormacht im Levante­

Handel.

Als Endpunkt der venezianischen Vormachtstellung bietet sich

das Jahr 1500 an, als Venedig in eine prekäre Zweifrontensitu­

ation geriet. Der zweite Krieg mit den Osmanen (1499-1503)

wurde durch die Niederlage in der Seeschlacht bei Zonchio ent­

schieden, die nicht zuletzt auf die Wirkung der osmanischen

Artillerie zurückzuführen ist. Von diesem Schlag hat sich Ve­

nedig nie wieder so richtig erholt. Nahezu gleichzeitig traf

in Venedig die Hiobsbotschaft von der Landung einer portugie­

sischen Flotte unter Vasco da Gama in Calicut (Indien). Die

Portugiesen versuchten in den Folgejahren mit unterschiedli­

chem Erfolg, die Zufahrten zum Persischen Golf und zum Roten

Meer von Osten her zu blockieren und dadurch Venedig von der

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Zufuhr mit Pfeffer aus Indien abzuschneiden. Im Falle des Per­

sischen Golfs gelang dies, nicht zuletzt durch die Annexion

von Hormuz 1543, zeitweise sehr erfolgreich. Im Falle des Ro­

ten Meeres gelang es hingegen kaum. Aden wurde 1513 vergeblich

belagert, die Sperrung der Zufahrt mit Hilfe der Flotte blieb

lückenhaft. Dennoch - der Pfefferhandel auf den alten Routen

wurde immer wieder unterbrochen und war in der Tendenz rück-

läufig, wenn er auch nie ganz versiegte und sogar zeitweise

eine Renaissance erfuhr. Gegen beide Ereignisse - Aufstieg der

Osmanen und Niedergang der alten Gewürzrouten - war Venedig am

Ende machtlos.

Das Jahr 1500 ist aber nur ein symbolisches Datum. Bis sich

der portugiesische Einbruch in Asien dauerhaft und gravierend

bemerkbar machen konnte, sollte noch viel Zeit vergehen. Erst

der Eintritt der Niederländer in den Asienhandel ab etwa 1600

bedeutete den endgültigen Durchbruch der Atlantikroute2• Umge­

kehrt hatte die Expansion der Osmanen in Kleinasien und auf

dem Balkan eine lange Vorgeschichte. Die Eroberung Konstanti­

nopels 1453, die Eroberungen in Griechenland (Argos 1462) und

im Schwarzen Meer (Caffa 1475) waren wichtige Schritte, die

Besetzung von Argos für Venedig sogar ein Kriegsgrund, der zum

ersten venezianisch-osmanischen Krieg (1463-1479) geführt hat­

te. Venedig war also schon lange zuvor im östlichen Mittelmeer

in die Defensive gedrängt worden.

Das Problem der Phaseneinteilung a la Modelski liegt auch dar­

in, dass er die verschiedenen politischen, militärischen und

wirtschaftlichen Faktoren, die zu berücksichtigen sind, nicht

integriert, sondern je nach Kontext militärisch quanti tativ

mit der relativen Flottenstärke oder technisch-wirtschaftlich

mit den Leitsektoren argumentiert, vermutlich weil für die

2 Vgl. Dazu Niels Steensgard, The Asian Trade Revolution of the SeventeenthCentury: The East India Company and the Decline of the Caravan Trade. Chi­cago 1974; Morris Rossabi , "The Decline" of the Central Asian CaravanTrade. In: Tracy 1993. S. 351-370.

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Phase vor dem portugiesischen Hegemoniezyklus die Vergleichs­

daten über die Galeerenflotten der Mittelmeeranrainer fehlen.

Hier wird deshalb folgende Festlegung getroffen: Der genuesi­

sehe Zyklus dauerte von 1261 (Vertrag von Nymphaion) bis 1381,

der venezianische Zyklus von 1381 bis 1499. Konsequenz der

Terminierung ist, dass Genua auf die Mongolen und damit die

Landroute via Tana und die Mittelpassage via Trapezunt und

Persien (Ilkhanat) fixiert war, während Venedig eher auf die

mamelukische Karte, also die südliche Route via Alexandria und

Rotes Meer, setzte. Aus dieser Periodisierung folgt das Argu­

ment, das so die zeitliche Lücke zwischen den Fallstudien zu

Genua und Portugal geschlossen werden kann.

Ein weiterer, nicht geringer Unterschied ist geopolitischer

Natur3• Beide waren zwar oberitalienische Hafenstädte, aber Ge­

nua lag im Westen, getrennt durch einen Gebirgszug von der

Lombardei, und war damit eher auf die französischen Alpenpässe

orientiert. Sein kaum vorhandenes Hinterland trug dazu bei,

dass Genua über den schmalen Streifen an der Ligurischen Küste

hinaus in Oberitalien keine territorialen Ambitionen hatte.

Venedig hingegen am Ostrand Oberitaliens gelegen und zunächst

nur eine Ansammlung von kleinen Inseln in der Lagune, die erst

im Laufe der Stadtentwicklung überbaut wurden, stand die Po­

Ebene offen. Die Eroberung der Terraferma bis zum Gardasee -

also großer Teile des oberitalienischen Festlandes machte

Venedig auch zu einer bescheidenen Territorialmacht , die das

eigentliche Hoheitsgebiet - die Lagune - verlassen hatte und

im Machtspiel der italienischen Staaten (Florenz, Mailand,

Kirchenstaat etc.) mitmischte.

Seine geographische Nähe zum Brenner hieß natürliche Orientie­

rung nach Süddeutschland. Deutsche Kaufleute, die seit 1222 in

Venedig eine Faktorei (Fondaco dei Tedeschi) am Rialto unter-

3 Vgl. dazu Gerhard Rösch, Venedig und das Reich. Handels- und verkehrspo­litische Beziehungen in der deutschen Kaiserzeit. Tübingen 1982.

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hiel ten und Metalle (Kupfer, Eisen, Silber) lieferten, waren

die Partner im Handel mit Zen t r a Leu r opa". Die nahen Dolomiten

und später andere Alpenregionen versorgten Venedig mit Nadel­

holz und Eisen, die Po-Ebene mit Eichenholz und Hanf, so dass

Venedig lange Zeit über die strategisch wichtigen Rohstoffe

für den Schiffsbau selber verfügen konnte, während Genua schon

früh auf die Versorgung aus der Schwarzmeerregion angewiesen

war. Dieses Hinterland war zudem von zahlreichen Wasserläufen

durchzogen, die den Binnentransport an die Küste ermöglichten

und auf denen Venedigs Flussflotte zur Sicherung patrouillier­

te. Genua musste zudem einen langen Konflikt mit Pisa, der na­

hezu gleichwertigen Konkurrentin im Westen, austragen, während

Venedig mit Ancona oder später Ragusa in der Adria nur zweit­

rangige Konkurrentinnen hatte. Ein wesentlicher Schritt war

deshalb die Eroberung der dalmatinischen Gegenküste, die Un­

garn abgerungen werden musste, so dass die Adria bis Korfu und

Otranto zu einem "venezianischen Binnenmeer" wurde, dessen An-

rainer Venedigs Mangel an Seeleuten zur Bemannung der Flotte

lange Zeit abhelfen konnten, während Genua hier schon früh ein

Knappheitsproblem hatte.

Venedig war zudem aufgrund seiner Bevölkerungszahl immer deut­

lich größer als Genua, wenn auch denselben großen Schwankungen

aufgrund der Pestepidemien ausgesetzt. Zwischen 1200 und 1350

verdoppelte sich die Bevölkerung von etwa 80.000 auf 160.000,

wobei hier die kleineren Orte der Lagune mitgezählt sind. Dies

ermöglichte sogar eine beträchtliche Auswanderung. Im venezia­

nischen Quartier in Konstantinopel sollen bereits um 1200 etwa

10.000 Personen gelebt haben. Auch gab es eine beträchtliche

Siedlungsauswanderung nach Kreta, Zypern und andere Kolonien,

wo die Venezianer eine Plantagenwirtschaft aufzogen. Der Pest­

ausbruch von 1347 reduzierte Venedigs Bevölkerung innerhalb

von 18 Monaten um drei Fünftel. Eine einzige Galeere, von Caf-

4 Vgl. H. Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch­venezianischen Handelsbeziehungen. Stuttgart 1887.

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fa auf der Krim kommend, präziser die Flöhe im Fell der mit­

reisenden Ratten, war dafür verantwortlich. Nach Caffa dürfte

die Pest über Tana und damit auf der Überlandroute via Zent­

ralasien oder über Trapezunt und damit auf der Route via Per­

sien aus China gelangt sein. Das Bevölkerungsniveau zur Mitte

de s 14. Jahrhunderts wurde lange Zeit nicht wieder erreicht.

Genauere Zahlen lieferten erst die Zensen von 1509 (115.000),

1563 (168.000) und 1581 (134.000)5. Im Vergleich zu Genua ver­

fügte Venedig also über eine deutlich größere Bevölkerung (Ve­

nezianer und Anrainer der Adria in den dortigen venezianischen

Besitzungen), die hinsichtlich der kritischen Frage, wie viel

Galeeren bemannt werden konnten für eine große Schlacht, wie

schnell man in der Lage war, im folgenden Jahr eine neue Flot­

te aufzubieten, der Unterschied sein konnte, der über Sieg o­

der Niederlage entschied.

Ob dies auch für die Handelsmarine ein Faktor war, ist immer­

hin denkbar. Das gilt zumindest für die personalintensiven Ga­

leeren. Eine Trireme mit drei Mann pro Ruderbank auf jeder

Seite benötigte bei dreißig Ruderbänken immerhin 180 Ruderer ­

die eigentlichen Seeleute und Seesoldaten gar nicht mitgerech­

net. Hier erklärt sich, warum Venedig am System der freiwilli­

gen Ruderer lange festhalten konnte, die erst später durch

Sträflinge ergänzt wurden, während Genua aufgrund seiner ge­

ringeren Bevölkerungszahl schon früh auf Sklaven zurückgreifen

musste. Da die Ruderer im Konfliktfall auch Kämpfer waren, die

ihre eigene Bewaffnung mitführten, hatte Genua hier ein weite­

res Handicap zu tragen, da man Sklaven schwerlich mit eigenen

Waffen ausrüsten und keine Kampfmotivation erwarten konnte.

Eine klassische Dilemmasituation. Die Lösung des Problems

"Knapphei t an Ruderern" durch den Einsatz von Sklaven schuf

das Problem "weniger Kämpfer" in der Seeschlacht oder bei ei­

nem Piratenüberfall!

5 William H. McNeill, Venice: The Hinge of Europe 1081-1797. Chicago 1974,S. 132.

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Der größere Bevölkerungsüberschuss ist möglicherweise auch ein

Grund, warum Venedig nicht nur Handels-, sondern seit Beginn

des 13. Jahrhunderts, genauer seit der ersten Zerschlagung des

Byzantinischen Reiches, auch die erste europäische Kolonial­

macht wurde. Insbesondere auf den Inseln des östlichen Mittel­

meers errichtete Venedig eine regelrechte Plantagenwirtschaft

zum Anbau von Zucker und Baumwolle auf der Basis von Sklaven-

arbeit, was Heynen in seiner Auseinandersetzung mit Werner

Sombart zu der These verleitet, dass gar nicht so sehr die

Handelsprofi te, sondern die koloniale Ausbeutung des Mittel­

meers die eigentliche wirtschaftliche Grundlage Venedigs gewe­

sen sei6.

Entscheidendes Datum wäre demzufolge das Jahr 1204 mit der Er­

oberung Konstantinopels. Venedig sicherte sich einen Teil der

Erbmasse von Byzanz - vor allem in der Ägäis - und gebot so

über ein beträchtliches Kolonialreich. Diese koloniale Orien­

tierung traf für Genua (Mastix-Produktion auf Chios) nur in

vergleichsweise geringem Umfang zu. Venedig wäre damit auch

der eigentliche Ursprung des europäischen Kolonialsystems, das

sich später im Zuge der europäischen Welteroberung vom östli­

chen Mittelmeer über die Atlantik-Inseln (Madeira, Azoren, Ka­

naren, Kap Verden) bis in die Karibik, nach Nordostbrasilien

und in die amerikanischen Südstaaten ausdehnen sollte. Damit

ist die Plantagenwirtschaft gar keine Erfindung der klassi­

schen europäischen Kolonialmächte. Genua war also eher der

nautische und kommerzielle Pionier, dessen Errungenschaften

Venedig nur übernahm und systematisierte, während Venedig eher

der koloniale Pionier mit allen Komponenten (Zucker- und Baum-

wollplantagen, Sklavenarbeit, Zuckermühlen, Sklavenhandel,

Vermarktung von Zucker und Baumwolle, Dreieckshandel) gewesen

ist.

6 Reinhard Heynen, Zur Entstehung des Kapitalismus in Venedig. Stuttgart1905. Dieses Buch ist fast so alt wie die These, wird in der neueren Lite­ratur aber kaum noch aufgegriffen.

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Als weiterer Umstand muss die unterschiedliche Zugehörigkeit

zu größeren politischen Gebilden genannt werden. Genua gehörte

zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, dem selbster­

nannten und faktischen Nachfolger des Weströmischen Reiches.

Zwar vermochte es schrittweise seine Souveränität gegenüber

dem Kaiser durchzusetzen, blieb formal aber immer Teil des

Reiches. Venedig hingegen gehörte zu Byzanz, also dem Nachfol­

ger von Ostrom, unterstand anfänglich mindestens der byzanti­

nischen Hegemonie7• Dies hieß politische und wirtschaftliche

Orientierung auf Byzanz, wo es aufgrund immer weiter ausge­

dehnter Privilegien eine bevorzugte Marktposition einnehmen

konnte. Der Doge wurde ursprünglich, ein deutlicher Hinweis

auf hegemoniale Unterordnung, vom byzantinischen Kaiser ins

Amt eingeführt. Der byzantische Einfluss auf die Architektur

des Markus-Doms in Venedig ist unverkennbar. Erst 1187 bzw.

1204 wurde Venedig als Folge des Vierten Kreuzzuges wirklich

souverän und konnte seitdem noch ungehinderter seine Schaukel­

politik zwischen Ost und West betreiben. Also: Genua war nach

Westen, nach Frankreich, nach Spanien, nach Portugal, sogar

nach Flandern orientiert, musste sich seinen Weg ins Schwarze

Meer regelrecht frei kämpfen, während Venedig den Platzvorteil

im gesamten Machtbereich von Byzanz hatte und im Westen immer

nur mit Zeitverzug auf den genuesischen Routen, so etwa nach

Flandern, folgen konnte. Von daher hatte Venedig in seinem

historisch bedingten Selbstverständnis viel eher eine Mittler-

funktion zwischen Orient und Okzident, zwischen dem alten

Westrorn und dem alten Ostrom und noch lange an dieser Rolle

festgehalten, als Genua sich längst nach Westen gewandt hatte

und zu den Finanziers der portugiesischen Indienfahrten und

der Spanischen Habsburger mutiert war.

7 Zur frühen hegemonialen Rolle von Byzanz vgl. Ekkehard Eickhoff, Seekriegund Seepolitik zwischen Islam und Abendland. Das Mittelmeer unter byzanti­nischer und arabischer Hegemonie (650-1040). Berlin 1966.

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Die unterschiedliche Zugehörigkeit zu dem nur lose geknüpften

und feudal geprägten Kaiserreich bzw. dem zentralistischen By­

zanz, einer orientalischen Despotie ohne rivalisierende Macht­

zentren wie Feudalherren , Kirche, freie Reichsstädte, Ri t ter­

orden, Bünde von Handelsstädten, erklärt einen weiteren Unter­

schied. Genua war eine Republik mit einer minimalen staatli­

chen Struktur, in der die großen Kaufmannsfamilien das Sagen

hatten und die Kräfte des Marktes herrschten. Venedig hingegen

war zwar auch eine Republik, aber mit einem hohen Maß an Zent­

ralismus und einer strikten bürokratischen Kontrolle der Wirt­

schaft. In dieser unterschiedlichen politischen Verfasstheit ­

liberale vs. bürokratische Grundordnung drückt sich nicht

zuletzt die ursprüngliche Zugehörigkeit zum römisch­

katholischen Westen bzw. zum griechisch-orthodoxen Osten aus.

Mehr noch, der venezianische Staat regulierte nicht nur die

Wirtschaft in umfassender Weise, er war selber unternehmerisch

tätig in strategisch wichtigen Bereichen wie der Werft- und

Rüstungsindustrie und im Galeerenhandel. Der harte Kern der

venezianischen Macht, das Arsenal, und die großen Handelsga­

leeren gehörten dem Staat. Die relative Autonomie der Kolonien

und Faktoreien war folglich im Vergleich zu Genua viel gerin­

ger. Die Kolonien hatten erhebliche Kontributionen an die

Zentrale zu leisten bis hin zu einem festgelegten Aufgebot an

Galeeren, die im Kriegsfalle zu stellen waren. Im Grunde wur­

den über Jahrhunderte alle relevanten Entscheidungen von Gre­

mien, den diversen Räten des Dogen, und nicht einzelnen Han­

delsherren entschieden. Dies ging bis zur Bestellung von

Schiffs kapitänen und Flottenkommandeuren, den Abfahrtszeiten

der Galeeren, den Zollsätzen für einzelne Waren oder der Zahl

der Reservegaleeren, die im Arsenal zu lagern waren.

In der venezianischen Geschichte finden sich zwar viele große

Staatsmänner und Admiräle, aber kaum Erfinder, Fabrikanten,

Ingenieure, Entdecker oder sonstige Innovatoren, wie sie so

typisch für Genua sind. Venedig war in nautischer oder kommer-

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zieller Hinsicht der Nachahmer und Perfektionierer dessen, was

Genua vorgemacht hatte. Dazu gehörte auch eine rigide soziale

Organisation der Gesellschaft, Anlass zu der These, dass der

Karneval das Ventil bildete, um wenigstens einmal im Jahr, al­

lerdings hinter der Maske, aus dieser Rigidität ausbrechen zu

können.

Ein letzter Unterschied muss erwähnt werden. Die Literaturlage

im Hinblick auf Venedig ist deutlich besser als im Fall Genua.

Das gilt sowohl für die großen Monographien, etwa die Arbeiten

von Frederic C. Lane" wie für die zahlreichen Einzelstudien .

Hier spiegelt sich die alles in allem größere Bedeutung Vene­

digs, das naturgemäß die höhere Aufmerksamkeit der i talieni­

sehen und internationalen Historiker gefunden hat, nicht zu­

letzt, weil Venedig auch stärker in die großen internationalen

Konflikte des 15. und 16. Jahrhunderts verwickelt war. Es

spiegelt aber auch die bessere Quellenlage, weil Venedig über

staatliche Archive mit zentral gesammelten Dokumenten verfüg­

te, während man in Genua den mühsameren und ausschnitthafteren

Weg über die privaten Firmenarchive gehen muss. Selbst dieses

Detail bringt den Unterschied zwischen beiden Kommunen noch

auf den Punkt.

8 Einen kurzen Überblick gibt J.-C. Hocquet, Venedig. In: Lexikon des Mit­telal ters, Bd . VIII. Sp. 1459-1471. Die neuesten Gesamtdarstellungen lie­fern John Julius Norwich, A History of Venice. New York 1989 und Pet erFeldbauer/John Morrissey, Venedig 800-1600. Wasservögel als Weltmacht. Wien2002. Vgl. ferner die knappe Darstellung bei Peter Feldbauer/John Morris­sey, Weltmacht mit Ruder und Segel. Geschichte der Republik Venedig 800­1600. Essen 2004; der wichtigste Autor zum Thema ist sicherlich Frederic C.Lane, Venetian Ships and Shipbuilders of the Renaissance. BaI timore 1992(1. Aufl. 1934); ders., Venice and History. Baltimore 1966; ders., Seere-public Venedig 1980; ders., Studies in Venetian Social and Economic His­tory. London 1987; ferner der sehr ausführliche, aber veraltete W. CarewHazlitt, The Venetian Republic: Its Rise, Its Growth, and Its Fall A. D.409-1797. 2 Bde. London 1915; Heinrich Kretschmayr, Geschichte von Venedig.3 Bde. Aalen 1986 (1. Aufl. 1920); McNeil 1974; der Sammelband von BrianPullan (Hrsg.), Crisis and Change in the Venetian Economy in the Sixteenthand Seventeenth Centuries. London 1968; Gerhard Rösch 1982; ders., Der ve­nezianische Adel bis zur Schließung des Großen Rats. Zur Genese einer Füh­rungsschicht. Sigmaringen 1989 sowie das Kapitel zu Venedig in Scammel1981. Sehr informativ ist auch Norbert Huse, Venedig. Von der Kunst, eineStadt im Waser zu bauen. München 2005.

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5.2. Der langsame hegemoniale Aufstieg ~ ~tte1meer

Der langsame hegemoniale Aufstieg Venedigs vollzog sich über

nahezu 400 Jahre, wenn man das Jahr 922 bzw. das Dogat von

Petrus 11. Orseolo (991-1008) als Anfang und das Jahr 1381 mit

dem Frieden von Turin als Endpunkt dieses Aufstiegs annimmt.

992 bietet sich deshalb an, weil aus diesem Jahr die erste ü­

berlieferte Chrysobulle stammt, in der Venedig Handelsprivile­

gien in Byzanz eingeräumt werden, ein Hinweis, dass der byzan­

tinische Kaiser Venedig noch ganz selbstverständlich als Teil

seines Reiches be t r acht.e t e". Das Jahr 1381 markiert den Ab­

schluss des 4. Seekriegs zwischen Genua und Venedig, der mit

einer genuesischen Niederlage endete und Venedig im östlichen

Mittelmeer und damit auch im Handel mit der Levante als Füh­

rungsmacht etablierte.

Dass diese Aufstiegsphase so lange, viel länger als im Falle

Genuas, gedauert hat, lässt sich darauf zurückführen, dass der

Aufstieg beider Seestädte nahezu parallel verlief, Genua aber

lange Zeit die Nase vorn hatte, und dass der hegemoniale Aus­

scheidungskampf nicht in einer großen Entscheidungsschlacht,

sondern über zahlreiche Etappen in vier großen Seekriegen und

vielen kleineren Gefechten und Freibeutereien beider Seiten

ausgefochten wurde. Mal obsiegte die eine, mal die andere Sei­

te. Hierzu gehört auch der Umstand, dass es keine Stehenden

Heere bzw. permanent unterhaltenen Flotten gab, die einen mi­

litärischen Erfolg durch Besetzung oder Blockade hätten dauer­

haft machen können. Wenn es der in einer Seeschlacht unterle­

genen Seite gelang, in der folgenden Saison eine neue Flotte

auszurüsten oder zu kaufen und zu bemannen, konnte selbst eine

katastrophale Niederlage der Vorsaison wettgemacht werden.

Entscheidend für den Ausgang dieses Hegemonialkonflikts war

also nicht so sehr, welche aktuellen Verluste eine Seite j e-

9 Vgl. dazu Lilie 1984.

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weils hinnehmen musste, sondern die Frage, über welche Res­

sourcen sie langfristig verfügte, diese Verluste immer wieder

wettzumachen.

Dami t sind zwei Facetten des Aufstiegs Venedigs genannt: Die

Emanzipation von Byzanz und dessen kommerzielle Durchdringung

sowie die Dauerrivalität zu Genua. Hinzu kamen allerdings noch

zwei weitere Facetten, nämlich die territoriale Expansion in

der Adria, im östlichen Mittelmeer und zuletzt auf dem italie­

nischen Festland sowie die Knüpfung eines Netzes von Nieder­

lassungen und Privilegien in alle vier Himmelsrichtungen. Da­

bei wurden wahlweise diplomatische Mittel oder militärischer

Druck, eine frühe Form der uKanonenbootdiplomatie", einge-

setzt. Der Faktor territoriale Expansion macht deutlich, dass

Venedig sich anders als Genua nicht mit dem Status einer See­

macht begnügte, die sich auf Flotte und Stützpunkte verlässt,

sondern ein, wenn auch bescheidenes, Imperium errichten woll­

te. Das venezianische Territorium war nicht nur größer als das

genuesische, es stand auch unter direkter Kontrolle der Mut­

terstadt. Damit konnte Venedig mehr Ressourcen mobilisieren

als Genua. Hier liegt möglicherweise der entscheidende Grund,

warum sich Venedig letztlich gegenüber Genua durchzusetzen und

trotz seines relativen Niedergangs bis weit ins 16. Jahrhun­

dert hinein in der Wel tpoli tik und Weltwirtschaft prominent

mitzuspielen vermochte. Genua hingegen hat immer das Prinzip

der Selbstverwaltung seiner Kolonien verfolgt, die wenig di­

rekte Kontributionen zu leisten hatten.

Die Emanzipation von Byzanz vollzog sich schrittweise und über

einen langen Zeitraum10• Wichtige Stationen war die Chrysobulle

des Jahres 1082, als Venedig ein eigenes Viertel in Konstanti­

nopel außerhalb der Stadtmauer am gegenüberliegenden Ufer des

10 Zu den rechtlichen Aspekten dieser Emanzipation vgl. Walter Heinemeyer,Die Verträge zwischen dem oströmischen Reich und den italienischen StädtenGenua, Pisa und Venedig vom 10. bis 12. Jahrhundert. In: Archiv für dieDiplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 3.1957. S. 79-161.

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Goldenen Horns (Pera) in Höhe der heutigen Galata-Brücke ein­

geräumt wurde ll. 1148 wurde dieses Viertel deutlich vergrößert

und soll um 1200 etwa 10.000 Venezianern Platz geboten haben.

Dieses war eine für damalige Verhältnisse beträchtliche Zahl,

die die Bevölkerung vieler prominenter mittelalterlicher Städ­

te in Europa übertraf. Das Viertel beinhaltete eine Werft,

Landungsbrücken und Faktoreien, eine Straßenzeile mit der Län­

ge einer 1/3 Meile und Häuser zu beiden Seiten vor der Stadt­

mauer, die auch das Ausländerviertel umgab 12• Die Quartiere von

Arnalfi, Pisa und Genua schlossen sich an. Im Grunde handelte

es sich hier um den Prototyp eines Vertragshafens (Treaty

Port), ein System das zunächst im Mittelmeer und später im Zu­

ge der europäischen Expansion auf das Becken des Indiks, die

südostasiatische Inselwelt bis nach China und Japan ausgedehnt

wurde. Also auch hier waren die Italiener die Vorreiter. Der

rechtliche Status der Ausländerviertel ist nicht ganz klar.

Seit 1204 stand das venezianische Quartier aber eindeutig un­

ter Kontrolle der Lagunenstadt mit Konsul, Rat und Gericht. Es

war der zentrale Umschlagplatz für den Handel mit und im By­

zantinischen Reich, das seine ursprüngliche territoriale Aus­

dehnung zwar schon verloren hatte (1071 war Anatolien an die

Osmanen verloren gegangen), aber immer noch große Teile des

Balkans, Kleinasiens und Syriens umfasste. Außerdem kontrol­

lierte es den strategischen Zugang zum Schwarzen Meer. Mit dem

Privi leg wurde Venedig auch die Zoll- und Handelsfreiheit im

Reich eingeräumt mit der Konsequenz, dass dessen gesamter See­

handel von Venedig abgewickelt wurde. Eine weitere Bestimmung

des Privilegs lautete, dass Arnalfi, im Golf von Salerno gele­

gen und ehemals auch unter byzantinischer Oberhoheit stehend,

in Abhängigkeit von Venedig geriet. Der Realitätsgehalt dieser

Bestimmung ist eine offene Frage, da Amalfi längst unter nor­

mannische Herrschaft geraten war. Sie bedeutete auf jeden

11 Für die Frühphase vgl. Horatio F. Brown, The Venetians and theQuarter in Constantinople to the Close of the Twelfth Century.Journal of Hellenie Studies 40.1920. S. 68-88.12 Ein Plan des Quartiers ist abgebildet bei Brown 1920, S. 74.

VenetianIn: The

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Fall, dass damit eine Konkurrentin im Handel mit Byzanz unter­

geordnet wurde.

Abb. 5.1: Konstantinopel, Goldenes Horn und Ausländervorstadt

Pera Mitte des 16. Jahrhunderts

Stich des Venezianers Giovanni Andrea Vavassore, Mitte des 16. Jhs.

Im Gegenzug verpflichtete sich Venedig, Byzanz militärische

Unterstützung zu leisten. Bei Bedarf war ein bestimmtes Kon­

tingent an Galeeren zu stellen . Handelsprivilegien gegen Ga­

leeren war seitdem die eigentliche Grundlage der venezianisch­

byzantinischen Beziehungen. Damit errang Venedig gegenüber den

konkurrierenden Hafenstädten einen weiteren Vorteil, wenn es

auch nicht verhindern konnte, dass auch Genua, Pisa und Amalfi

eigene Quartiere in Konstantinopel zugestanden wurden. Auch

der byzantinische Kaiser suchte die Italiener gegeneinander

auszuspielen. Venedigs Position in Byzanz war nämlich nicht

unbestri tten. Mehrmals verweigerte der Kaiser die Erneuerung

des Handelsprivilegs, so 1118 oder 1171-1182, als es zu offe­

nen Konflikten karn. Venedig sah sich deshalb mehrfach zu Flot-

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tendemonstrationen veranlasst, um durch militärischen Druck

seine wirtschaftlichen Interessen zu wahren.

Der nächste Schritt in der Emanzipation vom Mutterland wurde

im Jahre 1187 vollzogen, als es erstmals zu einem regelrechten

Vertrag (Paktum)13 und nicht mehr nur zur Gewährung von Privi­

legien kam. Auch wenn der Gegenstand der gleiche war wie zu­

vor, nämlich Freihandel gegen militärischen Beistand, und nur

die Liste der Häfen und Inlandsorte , zu denen Venedig Zugang

hatte, immer länger wurde, so war dies in politischer Hinsicht

doch ein wichtiger Schritt. Venedig gehörte seitdem auch de

jure nicht mehr zu Byzanz, ein Ausdruck dessen lang anhalten­

dem Siechtums.

Dritter und letzter Schritt war schließlich der berühmte Vier-

te Kreuzzug (1203-1204), der auf venezianischem Druck umgelei­

tet wurde, also gar nicht Palästina erreichte, sondern zur Er­

oberung von Konstantinopel durch die Kreuzritter führte14. Hin­

tergrund dieser intriganten Affäre war ein Vertrag zwischen

den Kreuzfahrern und Venedig, das 200 Transportschiffe und 50

Kriegsgaleeren zur Unterstützung des Kreuzzuges stellen soll­

te. Als die Kreuzritter in Venedig eintrafen, um an Bord zu

gehen, stellte sich heraus, dass das Heer bedeutend kleiner

war, als zuvor angenommen, und dass die Ritter nicht in der

Lage waren, die verabredete Summe aufzubringen. Darauf schlug

die Stadt einen Deal vor. Die Transportkosten sollten aus der

Kriegsbeute bezahlt werden, wobei Venedig sich aber eine Ände­

rung der Kriegsziele vorbehielt. Zunächst wurde Zara (1203) an

der dalmatinischen Küste erobert, ein schon lange begehrter

13 Brown 1920, S. 69. Insofern kann dieses Jahr im völkerrechtlichen Sinneals das Jahr der Unabhängigkeit betrachtet werden, während 1204 eher diepolitische Unabhängigkeit markiert.14 Zu den Details vgl. William Ledyard Rodgers, Naval Warfare under Oars4th to 16th Centuries: A Study of Strategy, Tactics and Ship Design. Anna­polis 1967, S. 119 ff.; Franz Georg Maier, Byzanz und der Balkan bis zurEroberung Konstantinopels durch die Türken 1081-1453. In: Schieder 1987. S.1125-1168; Lilie 1984, S. 594.

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Stützpunkt zur Kontrolle der Adria. Anschließend musste eine

Palastrevolution in Konstantinopel zum Vorwand einer militäri­

schen Intervention dienen, die mit der Eroberung der Stadt un­

ter venezianischer Beteiligung und unter Führung des Dogen En­

rico Dandolo endete, der bis zu seinem Tod (1205) in Konstan­

tinopel residierte. Die Pferde auf dem Marcus-Dom waren Teil

der Kriegsbeute und sind heute noch zu besichtigen. Das ur­

sprüngliche Ziel des Kreuzzuges wurde nicht weiter verfolgt,

zumal Venedig auch kein gesteigertes Interesse haben konnte,

in einen Konflikt mit den Mameluken zu geraten, der bei einer

Landung in Palästina oder Ägypten unweigerlich ausgebrochen

wäre. Es mag sein, dass auf Seiten der römisch-katholischen

Kreuzri tter neben der Gier, feudale Besitzungen zu erobern,

auch die Schwächung der griechisch-orthodoxen Konkurrenz eine

Rolle gespielt hat. Dass man damit auch das letzte "Bollwerk"

gegen den Vormarsch der Osmanen zerstörte und ihnen den Weg

öffnete, wurde offenbar nicht gesehen oder billigend in Kauf

genommen.

Die Eroberung von Konstantinopel führte jedenfalls zur zeit­

weisen Zerschlagung des Byzantinischen Reiches, zur Gründung

des Lateinischen Kaiserreiches (1204-1261) und zu einem Tei­

lungsvertrag15 • Ein Viertel des Reiches wurde dem lateinischen

Kaiser zugeschlagen. Die übrigen drei Viertel wurden zur Hälf­

te zwischen Venedig und den neuen fränkischen (d.h. deutschen

und französischen) Lehnsherren als Kriegsbeute aufgeteilt.

Daneben verblieb ein byzantinischer Reststaat . Die Konsequen­

zen für Venedig waren gewaltig. Venedig wurde nicht nur über

Nacht vom ehemaligen Untertan zur Beherrscherin von Byzanz. Es

war auch der eigentliche Sieger des Vierten Kreuzzuges. Aus

seinem Teil der Erbmasse (immerhin drei Achtel des alten Ter­

ritoriums) gewann es in den Jahren 1204-1211 auch militärische

Stützpunkte (Modon und Koron auf dem Pelepones sowie auf Kre-

15 Vgl. dazu Kretschmayr 1920, Bd. 2, S. 4.

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tal und seine ersten Kolonien in der Adria (Ragusa, Durazzo),

in der Ägäis (Naxos, die Zykladen und Sporaden) und im östli­

chen Mittelmeer (Kreta). Damit setzte auch die venezianische

Siedlungsauswanderung ein. Kurzfristig wurde sogar erwogen,

die Hauptstadt des neuen Reiches von Venedig nach Konstantino­

pel zu verlegen1 6 und damit auch symbolisch die alte Zugehörig­

keit zu Byzanz und im Sinne der Nachfolge einen eigenen impe­

rialen Anspruch zu unterstreichen! Auch das Lateinische Kai­

serreich verblieb wirtschaftlich unter venezianischer Kontrol­

le. Das Schwarze Meer wurde für Venedig geöffnet. Durch die

Inbesitznahme von Soldaia auf der Krim bekam es, wie Caffa im

Falle Genuas, einen zentralen Umschlagplatz für die Schwarz­

meerregion . Damit gewann Venedig nicht nur Zugang zu deren

Rohstoffen, sondern auch den Zugang nach Asien via Tana auf

der Landroute bzw. auf einer neuen Karawanenroute via Trape­

zunt an der Schwarzmeerküste Kleinasiens, die über Täbris zum

Persischen Golf führte. Auch nach der Restauration des Byzan­

tinischen Reiches behielt Venedig seine Kriegsbeute.

Das Jahr 1204 markierte mithin den Beginn der ersten großen

Blüte Venedigs, zumal gleichzeitig die Konkurrentin Genua im

Osten einen herben Rückschlag verzeichnen musste. Diese Blüte

sollte bis 1261 dauern, als der byzantinische Kaiser nochmals

in der Lage war, Konstantinopel mit militärischer Unterstüt­

zung Genuas zurückzuerobern. Damit wird deutlich, dass die

Konkurrenz der beiden Städte immer wieder auch auf dritten

Schauplätzen ausgetragen wurde. Das Byzantinische Reich ver­

mochte so noch für fast 200 Jahre als eine Art Schrumpfkopf

weiter zu existieren, bis die Eroberung Konstantinopels durch

die Osmanen 1453 dessen endgültiges Ende markierte. Bittere

Konsequenz der Restauration für Venedig war, dass es zwar sei­

ne Kolonien behalten konnte, aber seine Position in Konstanti­

nopel und damit auch den Einfluss im Schwarzen Meer wieder

16 So John Julius Norwich, Venice: The Rise to Power. London 1978, S. 173.

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verlor. Erst seit 1268 war die schrittweise Rückkehr nach Kon­

stantinopel möglich. Der venezianische Schwarzrneerhandel er­

rang aber nie die Bedeutung wie die Route via Alexandria.

Die territoriale Expansion Venedigs vollzog sich in drei

Schritten. Erster Schritt war die Eroberung oder zumindest

Kontrolle der Gegenküste in der Adria. Die dalmatinische Küste

und die vorgelagerten Inseln mussten Ungarn abgerungen werden.

Bereits 1115-1118 war Venedig hier erfolgreich. Erst 250 Jahre

später, 1356, wurde Dalmatien wieder an Ungarn abgetreten und

konnte nochmals in einem langen Krieg 1409-1420 zurückerobert

werden. Als Folge des Vierten Kreuzzuges und der Aufteilung

des Byzantinischen Reiches erhielt Venedig auch die Kontrolle

über Ragusa, später eine weitere Konkurrentin im Levante­

Handel, Teile des heutigen Albaniens (Durazzo) und die Insel

Korfu (bis 1267). Mit der Kontrolle von Ausgang und Ende der

Adria sowie aller wichtigen Orte an der Gegenküste zu Italien

konnte erstmals davon gesprochen werden, dass die gesamte Ad­

ria zur Einflusszone Venedigs geworden war. Lediglich das als

Konkurrentin verbliebene Ancona wurde erst 1264 durch einen

Vertrag in Abhängigkeit gebracht, der Ancona den Zwischenhan­

del für Dritte außerhalb der Adria untersagte.

Mit diesen Eroberungen war für Genua der Zugang zur Adria ver­

sperrt. Zu den Ägäis-Inseln (Zykladen, Sporaden und Kreta mit

der Hauptstadt Candia) kamen militärische Stützpunkte auf dem

griechischen Festland (Peloponnes). Damit gewann Venedig eine

durchgehende Kette von territorialen Besitzungen und militäri­

schen Stützpunkten von der Lagune entlang der Adria, um Grie­

chenland herum bis nach Konstantinopel, dem Gebiet der sog.

Romania, ganz im Sinne einer klassischen Seemacht, die zur

Kontrolle ihrer Routen Stützpunkte und Versorgungsstationen

benötigt. Im Schwarzen Meer war die territoriale Präsenz Genu­

as deutlich stärker mit Teilen der Krim (Caffa), Tana und Be­

sitzungen an der türkischen Schwarzrneerküste, während Venedig

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sich hier mit Handelsniederlassungen begnügte. Die Kontrolle

über die Kolonien war anfänglich eher gering. Erst ein Auf­

stand in Kreta (1363-1366) führte dazu, dass Venedig regel­

rechte Garnisonen unterhielt, eine Politik, die von Genua nie

verfolgt wurde.

Ende des 14. Jahrhunderts, nach dem 4. Seekrieg mit Genua,

wurde das Kolonialreich in Griechenland erweitert. 1383 kamen

Negroponte (Euböa), 1386 erneut Korfu, das zwischenzeitlich an

die Staufer gefallen war, 1392 erneut Albanien mit Durrazzo

hinzu. Argos und Nauplion folgten 1388. Damit wurde Venedig in

klassischer Hegemonialfunktion Garantiemacht in Griechenland,

eine Rolle, die Byzanz schon lange nicht mehr hatte wahrnehmen

können. 1407 fielen Lepanto, 1422 Korinth und 1423 Saloniki an

Venedig. Seitdem war in Griechenland die venezianische Kon­

trolle nahezu vollständig . Gleichzeitig (1416) begann aller­

dings der lange Konflikt mit den Osmanen, die 1430 ihrerseits

Saloniki den Venezianern abringen konnten und damit zur neuen

Konkurrentin in der Ägäis aufzusteigen vermochten.

Die dritte und letzte, am Ende für Venedig besonders problema­

tische Welle der territorialen Expansion, begann nach dem 4.

Krieg mit Genua (1381) auf dem italienischen Festland und

führte zur Eroberung der Terraferma, die Venedig als sein na­

türliches Hinterland verstand. Eine erste Eroberung von Trevi­

so (1339) blieb zunächst vereinzelt und wurde nicht vor 1388

konsolidiert. Erst die vorübergehende Schwäche Mailands, das

über einen beträchtlichen Terri torialbesi tz verfügte, konnte

genutzt werden. Von 1404-1405 vermochte Venedig Vicenza, Vero­

na, Padua, seit 1420 auch Feltre, Belluno und das Friaul und

damit die Holzreviere des südöstlichen Alpenabhangs zu annek­

tieren. Da im gleichen Jahr auch Dalmatien zurückerobert wurde

und 1427 noch Bergamo hinzukam, war Venedig im Laufe der Zeit

zu einer bedeutenden Territorialmacht in Oberitalien, gleich­

rangig mit Mailand und Florenz, aufgestiegen.

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Der Vorteil lag zweifellos darin, dass Venedig sich damit eine

eigene Nahrungsmittelversorgung verschaffte und die strate­

gisch wichtige Waldregion in den Alpen kontrollierte. Nachtei­

lig war umgekehrt, dass es seitdem einen Spagat zwischen See­

und Landmacht zu leisten hatte. Es wurde in die Konflikte der

italienischen Territorialstaaten hineingezogen und musste des­

halb neben der Flotte auch ein Stehendes Heer unterhalten, das

im Gegensatz zur Flotte nur kostete und nichts einbrachte. Die

italienischen Staaten schlossen sich 1509 in der Liga von

Cambrai gegen Venedig zusammen und konnten ihm mit Unterstüt­

zung Frankreichs bei Agnadello eine empfindliche Niederlage

beifügen. Dennoch, Ende des 15. Jahrhunderts erreichte Venedig

seine größte territoriale Ausdehnung und wurde von den Mächten

der Zeit nicht mehr nur als Handels- und Seemacht, sondern

auch als Territorialmacht wahrgenommen.

Streng zu unterscheiden von der territorialen Expansion ist

die Etablierung eines Netzes von Handelsniederlassungen mit

ganz unterschiedlichem Status. Hierbei verhielt sich die vene­

zianische Politik nicht grundsätzlich anders als die von Ge­

nua. Auch im Falle Venedigs kann man als Faustregel nehmen: Je

wei ter östlich desto förmlicher und desto eher unter Einsatz

von Gewalt, je weiter westlich, desto informeller und diploma­

tischer bis hin zum Unterhalt bloßer Faktoreien, wie sie auch

deutschen Kaufleuten in Venedig eingeräumt wurden. Allerdings,

Venedig folgte in der Regel den Spuren Genuas, das im "fernen

Osten" (Schwarzes Meer) wie im "fernen Westen" (Flandern und

England) die Türen geöffnet hatte.

Grob lässt sich dieses Handelsnetz in acht Teilregionen unter­

teilen:

1. Byzanz/Romania: Hier handelte es sich zunächst um

schlichte Privilegien, die der Kaiser eingeräumt hatte.

Mit zunehmender Schwäche der Byzantiner wurde dabei auch

militärischer Druck eingesetzt und seit 1204 regelrechte

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Eroberung betrieben. Aus den privilegierten Niederlassun­

gen wurden Kolonien und militärische Stützpunkte.

2. Syrien/Palästina: Hier war Venedig wie Genua Trittbrett­

fahrer der Kreuzzüge und konnte in den Küstenstädten der

Kreuzfahrerstaaten wie Accon eigene Viertel mit befestig­

ter Komponente (Wehrturm) einrichten. Im Unterschied zu

Genua war Venedig mit militärischer Unterstützung zurück­

haltender, da man es sich mit den gegnerischen Mameluken

nicht völlig verderben wollte, während Genua hier unbe­

fangener vorging, da es eher auf die mongolische Karte

setzte.

3. Alexandria: Die Südroute durch das Rote Meer hatte für

Venedig immer die erste Priorität im Handel mit dem Os­

ten. Die Mameluken waren zwar manchmal Gegner wie in den

Kreuzzügen, aber öfter Partner, manchmal sogar regelrech­

te Verbündete wie am Ende gegen die Portugiesen. Venedig

setzte auf Verträge mit dem Sultan, um an die Gewürze des

Orients zu kommen. Umgekehrt hatte der Sultan Interesse

an einem verlässlichen und dauerhaften Partner, um die

Durchgangszölle überhaupt realisieren zu können. Außerdem

benötigte er dringend einen Lieferanten für Holz u. a.

kriegswichtige Materialien. Nur wenn Venedig in die

christliche Koalition gezwungen wurde, so während der

Kreuzzüge und nach dem Fall von Akkon durch das Handels­

verbot des Papstes, musste es sich widerwillig umorien­

tieren. Bereits 1173 wurde die erste Faktorei in Alexand­

ria errichtet.

4. Lajazzo/Kleinar.menien: Der Hafen des christlichen Klein-

armeniens, zwischen Syrien und der Türkei gelegen, war

kurzzeitig (1323-1347) das Nadelöhr, um die Blockadepoli­

tik durch den Bann des Papstes zu unterlaufen, wenn auch

Tunis und Zypern gleichermaßen als Zwischenstationen ge­

nutzt wurden. Die Eroberung von Kleinarmenien durch die

Mameluken (1347) beendete dieses Intermezzo und förderte

die neuerliche Annäherung.

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5. Deutschl.and: Dauerhaft war der Handel mit Deutschland,

der 1177 seinen Aufschwung nahm, als Barbarossa Venedig

die Zollfreiheit im Reich eingeräumt hatte, nachdem die

Lombardische Liga bei Legnano den Zugriff der Staufer auf

Italien abgewehrt hatte. Bereits 1222 wurde die Fondaco

dei Tedeschi, die deutsche Handelsniederlassung am Rialto

gegründet. Nürnberg und andere oberdeutsche Städte wurden

zu Partnern eines gleichberechtigten Handels, bei dem die

deutsche Seite Kupfer, Eisen, Silber und Felle lieferte

und im Gegenzug Gewürze und andere orientalische Waren

bezog.

6. Schwarzes Meer: Sehr viel später als Genua, nämlich erst

nach 1204, bekam Venedig Zugang zum Schwarzen Meer mit

Niederlassungen auf der Krim (Soldaia) und in Tana. Noch

später, nämlich erst 1319, kam es zum Vertrag mit Byzanz

zur Öffnung von Trapezunt und damit zur Eröffnung der Ka­

rawanenroute via Täbris zum Persischen Golf. Die mongoli­

sche Variante spielte für Venedig aber nie die gleiche

Rolle wie für Genua.

7. Fl.andern und Engl.and: Venedig schickte 1314 seine erste

Galeere nach Flandern und 1316 seine erste Galeere nach

England . Hier waren Southampton und London bzw. Brügge

(Sluis) und Antwerpen die Endpunkte eines Galeerenver­

kehrs, der kontinuierlich auf hohem Niveau bis 1533 un­

terhalten wurde.

8. Aque Horte: Hierunter ist die europäische Küste des west­

lichen Mittelmeers, also die französischen und spanischen

Häfen, soweit sie nicht unter muslimischer Kontrolle

standen, zu verstehen.

9. Berberküste: Die nordafrikanischen Häfen waren die letz­

ten, die seit 1436 in das venezianische Handelsnetz ein­

bezogen wurden. Aque Morte und Berberküste, die in einer

Rundfahrt gemeinsam angelaufen werden konnten, spielten

aber nur eine geringe Rolle.

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Die Skizzierung der Routen machte deutlich, dass Venedig vor­

rangig nicht mit rückständigen Gebieten, sondern mit hochzivi­

lisierten Reichen wie Byzanz, Ägypten, Persien, indirekt auch

mit Indien und China, Handel trieb und überwiegend Luxusgüter

transportierte. Dies unterschied es von der Hanse oder den

Niederlanden in Nord- und Ostsee, die mit Stapelgütern handel­

ten. Ähnlich wie Genua musste Venedig dabei permanent mit

Rückschlägen kämpfen, die militärische Interventionen erfor­

derten oder kurzfristige Reorientierungen mit neuen Bündnis­

verpflichtungen verlangten. Dabei zogen Venedig, Genua und die

anderen Seestädte keineswegs an einem Strang. Im östlichen

Mittelmeer bekämpften sie sich untereinander genauso häufig

wie sie in gemeinsamer Frontstellung gegen die Muslime lagen.

Die Rückschläge in Byzanz wurden bereits ausführlich darge­

stellt. In Syrien/Palästina erlitt Venedig das gleiche Schick­

sal wie Genua. Mit dem Fall von Akkon war seine militärische

Präsenz an der Levante-Küste beendet. Seitdem war man auf die

Kooperation mit den Mameluken angewiesen. 1238 gab es einen

Vertrag, in dem zum ersten Mal vom venezianischen Konsul in

Alexandria gesprochen wurde, dem die Aufsicht der Faktorei an­

vertraut und die Rechtssprechung bei Streitigkeiten unter Ve­

nezianern wie zwischen Venezianern und den "Franken" zugestan­

den wurde. In Alexandria musste man allerdings mit dem zeit­

weisen Handelsverbot des Papstes umgehen, in Lajazzo, dem Aus­

weg aus dem Embargo, mit der Eroberung Kleinarmeniens durch

die Mameluken. Die Schwarzrneerrouten via Tana und Trapezunt

wurden unterbrochen durch die Pest, die in Venedig drei Fünf­

tel der Bevölkerung dahinraffte, und den Verfall des Mongoli­

schen Reiches. Dieser hatte in Persien sogar noch früher ein­

gesetzt als im Herrschaftsbereich der Goldenen Horde. Selbst

der Handel im Westen blieb nie ungestört. Der Hundertjährige

Krieg zwischen Frankreich und England (1339-1453) führte zur

Kontrolle des Ärmelkanals durch England und leitete dessen

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frühe protektionistische Handelspolitik ein, die auch gegen

die Italiener gerichtet war.

Das eigentlich feste Bündnis mit dem Reich, genauer den frän­

kischen Ritterheeren, Grundlage der Kooperation in den Kreuz­

zügen, erhielt einen ersten Bruch durch die "Sizilianische

Vesper\\17. Aragon hatte 1282 Sizilien gegen ein französisches

Ritterheer mit Hilfe der überlegenen Waffentechnik seiner Bo­

genschützen erobert. Diese Niederlage war der Anfang vom Ende

der mittelalterlichen Ritterheere, markierte den Beginn der

Renaissance und damit die Blüte der italienischen Stadtstaaten

unabhängig vom Reich. Bis dato hatte ein Ritterheer von ein

paar hundert schwergepanzerten Reitern genügt, um in Europa

große Reiche zu erobern. Bei der damaligen Kampf technik Mann

gegen Mann war dem Ansturm eines kompakten Ritterheeres in

vollem Galopp und mit gesenkten Stoßlanzen niemand gewachsen.

Sollte ein solches Heer in der Ferne zum Einsatz kommen, war

die Logistik der italienischen Galeeren notwendig, um die Rit­

ter vor Ort zu bringen. Das Zusammenspiel von Ritterheer und

Galeerenflotte war die eigentliche Basis der Interessengemein­

schaft von Fränkischem Reich und italienischen Hafenstädten.

Selbst auf See wurde noch das Prinzip des Zweikampfs verfolgt.

Seeschlachten wurden geführt, indem die Galeeren nach vorheri­

gen Rammmanävern längssei ts gingen und auf Deck Mann gegen

Mann gekämpft wurde. Selbst eine kleine Flotte von 10 Kriegs­

galeeren mit einer Besatzung von 200-250 Mann pro Galeere

konnte eine beachtliche Streitmacht von 2500 Kämpfern bilden,

wenn die Ruderer ihre Bänke verließen und zu den Waffen grif­

fen. Eine solche Flotte war zu Wasser eine vergleichbare

Streitmacht wie ein Ritterheer aus 2500 Reitern.

Diese Konstellation änderte sich durch die Innovation des Bo­

genschützen. Auch kompakte Ritterheere konnten jetzt sehr ef-

17 Vgl. dazu McNeill 1974, S. 40 ff.

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fektiv aus der Distanz bekämpft werden wie die leichte Reite­

rei der Mongolen in Südeuropa mehrfach demonstriert hatte. Ge­

nauso machte der Einsatz von Bogen- oder Armbrustschützen auf

Galeeren diese von einer Nachkampf- zu einer Distanzwaffe. Die

Durchschlagskraft dieser Innovation hatte sich erstmals 1282

auf Sizilien erwiesen. Damit war die Grundlage des Bündnisses

von Ritterheer und Galeere bzw. der Franken mit den italieni­

schen Hafenstädten, der alten Landmacht mit den alten Seemäch­

ten, nicht mehr gegeben. Die politische Konsequenz war, dass

Venedig sehr viel unabhängiger vom Reich operieren und sich

stärker in Richtung Mameluken orientieren konnte.

Der eigentliche hegemoniale Ausscheidungskampf mit der Konkur­

rentin Genua erstreckte sich von 1253 bis 1381 und wurde in

vier Seekriegen ausgefochten. Der 1. Seekrieg (1253-1259) ent­

zündete sich an der Kontrolle der Handelsrouten. Venedig ver­

mochte zwar 1258 die Seeschlacht vor Akkon, der wichtigsten

Bastion der Kreuzfahrer in der Levante, zu gewinnen, konnte

aber nicht verhindern, dass Byzanz 1261 mit genuesischer Hilfe

restauriert wurde, ein schönes Beispiel, wie wenig dauerhaft

damals ein Seesieg ohne permanente große Flotte eigentlich

wirkte. Das Ergebnis des 1. Seekrieges im Hinblick auf den

kommerziellen Einfluss war ein Unentschieden. Genua reakti­

vierte den Asienhandel auf der zentralasiatischen Route, Vene­

dig kooperierte mit den Mameluken und konzentrierte sich auf

die Südroute . Das Jahr 1270 markierte einen Frieden, der auf

französischen Druck zustande gekommen war. Vor dem Hintergrund

der Kreuzzüge bestand auf französischer Seite kein Interesse,

dass beide als Partner benötigten Seestädte sich untereinander

bekriegten.

Der 2. Seekrieg (1293-1298) fand statt vor dem Hintergrund des

päpstlichen Handelsverbots mit den Muslimen nach dem Fall von

Akkon. Der Verlust der italienischen Niederlassungen in der

Levante, damit die Aufgabe der mittleren Route, musste kompen-

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siert werden. Die Variante via Kleinarmenien war zwischen bei­

den Städten umkämpft und führte zur venezianischen Niederlage

vor Lajazzo. Konsequenz war die erstmalige Umrüstung der vene­

zianischen Galeeren durch den Einsatz von Bogenschützen. Das

Jahr 1298 erlebte die größte Seeschlacht zwischen beiden Flot­

ten bei Curzola. Die Schlacht endete mit hohen Verlusten für

Venedig, doch konnte Genua den Sieg nicht nut zen, da seine

Flotte entsprechend der Saison aus den genannten Gründen (Ern­

tezeit, Handelsmarine) wieder heimfahren musste und Venedig im

nächsten Jahr eine neue Flotte aufbieten konnte. So karn es

1299 im Frieden von Genua zu einern neuerlichen Patt, das durch

die Auf teilung der Einflusszonen im östlichen und westlichen

Mittelmeer dokumentiert wurde, ohne dabei noch Pisa im Westen

bzw. Byzanz im Osten zu konsultieren oder gar einzubeziehen.

Der 3. Seekrieg (1351-1354) stand ganz im Zeichen der Pestepi­

demie in Europa, dem Zusammenbruch des Mongolenreichs und dem

drastischen Verfall des Handels. Auch Venedig verlor drei

Fünftel seiner Bevölkerung. Er endete mit einer Niederlage Ve­

nedigs und dem Vertrag von Genua. Venedig musste den Handel

mi t den Mongolen und der Schwarzmeerregion aufgeben. Erneut

wurde dieser Verlust durch die Hinwendung zu den Muslimen, den

Routen via Beirut und Alexandria, kompensiert.

Der 4. Seekrieg bzw. Chioggia-Krieg (1378-1381) entzündete

sich an dem venezianischen Versuch, wieder in die Schwarzmeer­

region zurückzukehren. Venedig besetzte die kleine Insel Tene­

dos am Eingang zum Marmarameer, mit deren Hilfe die Dardanel­

len kontrolliert werden sollten. Das war ein Kriegsgrund für

Genua, das diesmal eine andere Strategie verfolgte. Die genue­

sische Flotte griff die Stadt Venedig direkt an, drang in die

Lagune ein und besetzte die Stadt Chioggia am südlichen Rand

der Lagune. Damit geriet Venedig in eine bedrohliche Lage. In

einer äußersten Kraftanstrengung gelang es 1380, Chioggia zu

entsetzen und die an Land gegangenen Genuesen zurückzuschla-

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gen. Venedig setzte dabei erstmals Schiffsgeschütze ein. Der

Sieg über Genua wurde 1381 im Frieden von Turin besiegelt.

Dieser bestätigte das venezianische Handelsmonopol im Levante­

Handel und die endgültige Abdrängung Genuas ins westliche Mit­

telmeer. Der 5. Seekrieg (1431) mit der Seeschlacht bei Porto­

fino ist demgegenüber nur noch als Nachhutgefecht zu bezeich­

nen.

Das Muster dieses anhaltenden Ausscheidungskampfes ist klar

erkennbar. Auslöser des Konflikts waren immer wieder Handels­

fragen entweder Verteilungskämpfe um einen schrumpfenden

Markt oder konfliktträchtige Reaktionen auf das Agieren Drit­

ter wie die Eroberung von Akkon durch die Mameluken, das Han­

deIsverbot des Papstes mit den Muslimen, der Zusammenbruch des

Mongolenreiches. Immer war Venedig als aufsteigende Macht der

Herausforderer, immer war Genua als etablierte Seemacht dieje­

nige, die der venezianischen Herausforderung dank seiner über­

legenen Flot te offensiv begegnen wollte. Dreimal konnte Genua

mehr oder weniger die Herausforderung erfolgreich abwehren,

konnte die Seesiege aber nicht in einen dauernden Erfolg um­

münzen. Das hätte verlangt, die Lagunenstadt zu besetzen, zu­

mindest dauerhaft zu blockieren wie seiner Zeit im Falle Pisas

vorexerziert. Dazu reichte die genuesische Seemacht aber nicht

aus, konnte aufgrund der genannten strukturellen Faktoren auch

nie ausreichen. Genua verfügte über zu wenige Menschen, nicht

über eine große permanente Flotte. Jede Expedition war nur ei­

ne saisonale Angelegenheit, deren Ende nicht nur durch die

Jahreszeit, sondern auch durch die zivilen Anforderungen an

die Mannschaft bestimmt wurde. Wenn die Oliven- und Feigenern­

te anstand, wurden die Ruderer zu Hause gebraucht. Auch konnte

die Handelsmarine nicht dauerhaft ihrer Mannschaft entblößt

werden, da sonst die Einnahmen der Handelsstadt weggebrochen

wären.

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Also musste man immer wieder heimfahren und einen Kompromiss­

frieden suchen. Dieser ließ dem anfänglich unterlegenen Vene­

dig die Zeit, irmner wieder eine neue Flotte auszurüsten, so

dass sich das Patt wieder herstell te. Im Zweifelsfalle, wenn

die genuesische Flotte zu übermächtig war, wie 1295, stellte

man sich einfach nicht zum Kampf, und die Genuesen mussten un­

verrichteter Dinge abdrehen.

Als Genua im 4. Krieg endlich die strategische Konsequenz ge­

zogen hatte und ein Landungsunternehmen versuchte, war es dem

Erfolg durchaus nahe. Dass sich am Ende dennoch Venedig durch­

setzte, mag auf die geänderte Waffentechnik (Einsatz von

Schiffskanonen) zurückzuführen sein. Der entscheidende und

langfristig wirksamere Faktor muss aber der Umstand gewesen

sein, dass Venedig einfach größer war und aufgrund seiner

zentralistischen Verfassung seine Ressourcen auch effektiver

zum Einsatz bringen konnte. Auf Dauer konnte Genua trotz sei­

ner technologischen Überlegenheit nicht genug Schiffe, Ruderer

und Finanzmittel aufbringen. Im Chioggia-Krieg war dieser Um­

stand letztlich kriegsentscheidend. Die Durchsetzung Venedigs

in diesem Ausscheidungskampf ist also nicht so sehr in überle­

gener Technik oder größerer militärischer Kompetenz, sondern

in der besseren Fähigkeit zu suchen, die eigenen Ressourcen

optimal zu mobilisieren. Diese Fähigkeit hatte sehr viel zu

tun mit seiner staatlichen Verfasstheit.

5.3. Die Gruncllagen der venezianischen Macht

Die Grundlagen der venezianischen Macht waren naturräumlicher,

politischer, kommerzieller und technisch-industrieller Art.

Sie ähnelten denj enigen Genuas in vieler Hinsicht, so dass

hier nur noch die Unterschiede hervorzuheben sind. Die geogra­

phische Lage der Lagune am nördlichen Ende der Adria bevorzug­

te Venedig gleich mehrfach. Während Genua von der Po-Ebene

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durch den Appenin abgeschnitten war, stand Venedig der Weg

nach Oberitalien offen. Dieses war über sein Flusssystem sogar

für venezianische Binnenschiffe befahrbar. Das südliche Voral­

penland lieferte lange Zeit genügend Holz für den Schiffsbau.

Der Holzmangel und der Zwang, das strategisch so wichtige

Schiffsholz von weither aus dem Schwarzen Meer zu importieren,

stellte sich für Genua sehr viel früher und gravierender. Als

die Wälder der Dolomiten erschöpft waren, konnte Venedig auf

die Wälder Dalmatiens zurückgreifen. Hanf zur Herstellung von

Schiffstauen lieferte die Po-Ebene.

Die im Vergleich zu Genua östlichere Lage führte zur natürli­

chen Orientierung über den Brenner nach Süddeutschland als der

wichtigsten Absatzregion der Waren, die Venedig in der Levante

eingekauft hatte. Im Gegenzug lieferten die Deutschen die für

die venezianische Werft- und Rüstungsindustrie strategisch

wichtigen Metalle, aber auch Edelmetall, das zum Ausgleich der

chronisch negativen Handelsbilanz mit der Levante dringend be­

nötigt wurde.

Venedig war zwar wie Genua eine Republik, aber dennoch in sei­

ner politischen Verfassthei t sehr verschieden. Während Genua

als der Prototyp einer liberalen, frühbürgerlichen Kommune mit

auf ein Minimum beschränkten staatlichen Strukturen anzusehen

ist, wo der Markt die letzte Regulierungsinstanz bildete, war

Venedig der Prototyp eines frühmodernen Staatskapitalismus,

dirigiert von einer hierarchisch aufgebauten Oligarchie. Diese

Oligarchie rekrutierte sich ursprünglich aus den großen Fami­

lien des Stadtadels. Diese besetzten dauerhaft die wichtigsten

politischen und militärischen Ämter der Kommune, verheirateten

ihre Söhne und Töchter in die europäischen Herrscherhäuser,

stell ten Kardinäle und päpste, waren aber zugleich als Kauf­

leute (Shakespeares "Kaufmann von Venedig") im Fernhandel en­

gagiert. Insbesondere die Familien Dandolo und Tieopolo hatten

quasi ein Abonnement auf das Amt des Dogen. Der vielleicht be-

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rühmteste Doge, Enrico Dandolo, war zugleich Befehlshaber des

Vierten Kreuzzuges, Eroberer von Konstantinopel und Vollender

der Emanzipation Venedigs von Byzanz. Erst seit Mitte des 13.

Jahrhunderts wurde die Herrschaft des Stadtadels durch neue

Familien erweitert, zu Wohlstand gekommene Kaufleute und Hand­

werker, die als Nouveau Riches vielfach über ein bedeutend hö­

heres Einkommen als der alte Stadtadel verfügten. Venedigs o­ligarchie war aufgrund ihrer Interessenidentitäten sehr viel

homogener als die der Rivalin Genua und zerfiel auch nicht in

Fraktionen wie die Guelfen und Ghibellinen, ein weiterer Grund

für die längere Stabilität Venedigs gegenüber Genua. Repräsen­

tativer Ausdruck dieser Oligarchie waren die städtischen Pa­

lazzi, die entlang des Canale Grande, vor allem in der Nähe

der Rialto-Brücke, errichtet wurden. Das Viertel am Rialto war

auch das kommerzielle Zentrum der Stadt, wo die Kaufleute und

Bankiers ihre Sitze bzw. "Bänke" auf offener Straße aufge­

stell t hatten, während das politische Zentrum durch den Mar­

kusplatz und den Dogenpalast markiert wurde. Daran an schloss

sich mit Castello und dem Arsenal das gewerblich-militärische

Zentrum, an dessen Spitze ein Admiral stand.

Bei rund 100.000 Einwohnern im Jahre 1200 stützte sich das po­

litische System auf etwa 200 Familien, darunter 20-50 sog.

große Familien, deren Abkömmlinge für die Spitzenämter in Fra­

ge kamen. Diese Zahl wurde seit 1250 durch den "Aufstieg des

Volkes" um wohlhabende bürgerliche Familien leicht angehoben.

Aus den 200 Familien rekrutierten sich etwa 500 Beamte, die

die Geschicke der Stadt und des venezianischen Imperiums lenk­

ten1 8 • An der Spitze stand der auf Lebenszeit gewählte Doge,

der in der Frühphase noch als byzantinischer Beamter fungier­

te. Im Schnitt bekleidete ein Doge dieses Amt für etwa 12 Jah­

re. Ihm unterstand eine pyramidenförmige Struktur aus diversen

18 Vgl. dazu Lane 1980, s. 155 ff.

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Räten mit unterschiedlichen Kompetenzen und gegenseitigen Kon­

trollbefugnissen.

Abb. 5.2: Die Pyramide des venezianischen staates

Doge

Großer Rat

Senat (60)

Rat des Dogen (6)

Rat der Vierzig (40)

(300-400, später 1100)

Generalversammlung (Volk)

Quelle: Lane 1980, S. 155.

Die eigentliche Regierung (Signoria) bestand aus zehn Perso­

nen, dem Dogen, dem aus sechs Mitgliedern (für jeden Stadtbe­

zirk) bestehenden Rat des Dogen, der für ein Jahr bzw. sechs

Monate gewählt wurde, sowie den drei Vorsitzenden (Capi) des

Rats der Vierzig. Wahlgremium der Amtsinhaber war der Große

Rat, im 13. Jahrhundert das eigentliche Zentrum der Macht.

Hier waren alle einflussreichen Familien Venedigs vertreten.

Der Große Rat wählte alle Beamte der Stadt und die Mitglieder

der anderen Räte, verabschiedete Gesetze, schlichtete Konflik-

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te innerhalb der Verwal tung, verordnete Bestrafungen und er­

ließ Begnadigungen. Mitglieder des Großen Rats war man Kraft

Amtes, wie die Räte des Dogen, oder aufgrund seiner Zugehörig­

kei t zu den wichtigen Familien. Er bestand ursprünglich aus

300-400 Personen, den Vertretern des Stadtadels, und wurde

1296/97 um die Vertreter der bürgerlichen Familien auf über

1100 Personen erweitert. Jeder, der Rang und Namen in Venedig

hatte, war hier vertreten. Da dieses Gremium für die Beratung

der Tagespolitik zu groß war, gab es zwischen dem Großen Rat

und dem Rat des Dogen zahlreiche Gremien mit unterschiedlichen

Kompetenzen. Wichtigstes Zwischenglied war der Rat der Vierzig

(Quarantia). Er bildete als Berufungsgericht die Spitze des

Gerichtswesens, bereitete aber auch die Finanzgesetzgebung zur

Genehmigung durch den Großen Rat vor. In seiner Bedeutung ü­

berlagert wurde er später durch den 60-köpfigen Senat (Consi­

lium Rogatori oder Consiglio dei Pregati), der für den Außen­

handel, das Gesandtschaftswesen und die Flotte zuständig war.

Wenn nötig, konnten der Rat der Vierzig und der Senat auch ge­

meinsam tagen. Auf unterster Ebene gab es die Generalversamm­

lung des Volkes, die auf dem Markusplatz zusammentrat und eher

akklamierende Funktion hatte, indem sie grundlegende Gesetze

ratifizierte oder die Wahl des Dogen durch den Nominierungs­

ausschuss bestätigte. Dieses akklamatorische Gremium wurde al­

lerdings 1423 durch den Großen Rat abgeschafft, indem dieser

sich selbst zur letzten Instanz erklärte.

Diesem System zugrunde lag keine geschriebene Verfassung, son­

dern das Gewohnheitsrecht. Das Prinzip gegenseitiger Kontrolle

und sich überlappender Zuständigkeiten kannte noch keine Ge­

waltenteilung, sorgte aber für die dichte Kohärenz einer Elite

aus persönlich bekannten Personen, die durch Verwandtschaft

und Interessenlage miteinander verwoben war. Folglich gab es

wie im 17. Jahrhundert in den Niederlanden keine wirkliche

Trennung von Politik, Militär und Handel. Der Handel finan­

zierte den Staat, das Militär schützte den Handel, der bis ins

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letzte bürokratisch kontrolliert war. Diese symbiotische Be­

ziehung war der eigentliche Kitt, der das System zusammenhielt

und es lange zeit so effizient machte. Konfliktträchtig war am

ehesten die persönliche Konkurrenz der großen Familien. Mögli­

che Gegensätze innerhalb der herrschenden Klasse wurden da­

durch abgefedert, dass die bürgerliche Elite rechtzeitig koop­

tiert wurde, bevor sie revoltieren mochte, und der Stadtadel

sich umgekehrt kommerziellen Aktivitäten zuwandte.

Abb. 5.3: Doge Leonardo Loredau (1501-1521)

Gemälde von Gentile Bellini ca. 1501.

Das zentralistische Prinzip galt auch für die Besitzungen au-

der

den

ei-

die genuesischen Kolonien sich

in finanzieller Hinsicht autonom

WährendAdria.der

selbst verwal teten und auch

waren, wurden die venezianischen Kolonien seit 1204 durch

nen Stadthalter regiert. Lediglich die Niederlassungen in

wl' e Tyrus oder Akkon basierten aufKreuzfahrerstädten

ßerhalb

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Selbst regierung der Kaufleute. Einen besonderen Status hatte

das venezianische Viertel in Konstantinopel, in seiner Mi­

schung aus Zentralismus und Selbstregierung . So konnten die

Kolonien unmi ttelbar zur Unterstützung der Mutterstadt heran­

ge zogen werden. Das galt nicht nur für abzuliefernde Finanz­

beiträge, sie mussten auch entsprechend ihrer Leistungsfähig­

kei t festgelegte Kontingente von Galeeren zur Auffüllung der

venezianischen Flotte abstellen. Im Falle Kretas, eine der

größten Kolonien, waren das z.B. vier Galeeren.

Wenn Venedig sich einen derart üppigen Apparat von Gremien ne­

ben der eigentlichen Verwal tung leisten konnte und der Staat

öffentliche Aufgaben wahrnahm, die über den Kernbereich der

inneren und äußeren Sicherheit weit hinausgingen, bedurfte es

beträchtlicher Finanzmittel, die sowohl über die Steuer wie

über die Einnahmen aus staatlicher Unternehmertätigkeit aufge-

bracht wurden.

Abb. 5.4: Europäische Staatshaushalte 1410 und 1423

PORTUGALSPANIEN

S.454. Dl' e schraffierten Kreise zeigen das VolumenQuelle: BraudeI 1998,

von 1410, die schwarzen Kreise von 1423.

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Im Jahre 1410 betrug der geschätzte venezianische Staatshaus­

ha Lt etwa 1, 1 Mio. Duka t eri!". Damit erreichte er in etwa die

Hälfte des englischen und französischen bzw. ein Drittel des

spanischen, aber ein Mehrfaches des genuesischen Staatshaus­

haltes. Diese Relation unterstreicht nochmals die unterschied­

lichen Größenverhältnisse. Im Jahre 1423, das durch eine Krise

der Staats finanzen in ganz Europa gekennzeichnet war, die in

Venedig wesentlich gedämpfter als im übrigen Europa ausfiel,

entsprach das Volumen des venezianischen Haushalts mit 800.000

Dukaten in etwa dem Haushalt der drei größten europäischen

Territorialmächte. Wenn man unterstellt, dass auf der Ausga­

bensei te das Militär den mit Abstand größten Posten einnahm

und die Ausgaben für das Militär ein Indikator für Stärke

sind, dann lässt sich der Schluss ziehen, dass Venedig auf dem

italienischen Festland außer Mailand keinen Konkurrenten zu

fürchten brauchte und dass die venezianische Militärmacht der

spanischen, englischen und französischen durchaus ebenbürtig

war, die portugiesische sogar um ein Mehrfaches überstiegen

haben muss. Wenn man weiter berücksichtigt, dass Militärmacht

für Venedig in erster Linie Seemacht hieß, wird deutlich, dass

auch ohne präzise Vergleichs zahlen die venezianische Kriegsma­

rine zu Beginn des 15. Jahrhunderts die mit Abstand mächtigste

in Europa gewesen sein muss.

Dami t kommen wir zum eigentlichen machtpolitischen Kern, den

Grundlagen der venezianischen Hegemonie, nämlich seiner Flot­

te, die mit einer Mannschaftsstärke von 30.000 Mann (Kriegs­

wie Handelsmarine) lange Zeit die größte in Europa war20

• Diese

bestand aus den gleichen Schiffstypen wie in Genua. Die beiden

wichtigsten waren die Galeere mit einern Deck, die in verschie­

denen Varianten gebaut wurde, je nachdem, ob sie kommerziell

oder militärisch eingesetzt wurde, und das Rundschiff (Kogge),

19Braudei 1998, S. 454. '

20 Z . 1992 (1 Aufl. 1934); ferner Freden.c C. Lane,u den De t a.i l s vgl. Lane . . 11 1968 S 22-46

Venetian Shipping in the Commercial Revolutlon. In: Pu an ., .

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mi t drei Decks und zwei Kastellen, das nahezu ausschließlich

kommerziell genutzt wurde. Von 1300 bis 1500 war das venezia­

nische "Hauptkampfschiff" im Sinne Modelskis die Trireme, eine

Galeere, bei der auf jeder Ruderbank drei Mann saßen im Unter­

schied zur älteren Bireme mit nur zwei Mann 21• Die Besatzung

bestand bei 25-30 Bänken auf jeder Seite aus 150-180 Ruderern,

etwa 20 Bogen- und Armbrustschützen (später Kanoniere) sowie

etwa 10 Seeleuten zur Bedienung von Ruder und ein oder zwei

Hilf ssegel, insgesamt etwa 200 Mann. Diese Galeere verfügte

über einen Laderaum von etwa 140 später bis 250 Tonnen bzw.

verlangte etwa einen Mann pro Tonne Laderaum. Die geringe La­

dekapazität verwies das Operationsgebiet auf Küstennähe, um

immer wieder Proviant und Wasser für die zahlreiche Mannschaft

aufnehmen zu können. Gerudert wurden die Galeeren im Hafen,

bei Windstille oder Gegenwind und vor allem im Gefecht. Der

Einsatz von Rudern machte den entscheidenden Vorteil in der

Manövrierfähigkeit gegenüber dem Segelschiff aus. Galeeren

konnten präzise und in Formation an einem Punkt in Stellung

gebracht werden, gar anhalten und für kurze Zeit mit hoher Ge­

schwindigkeit (Rammgeschwindigkeit) auf das feindliche Schiff

zusteuern, während Segelschiffe, zumal in Formation, weil ab­

hängig von der aktuellen Wind- und Strömungssituation, sehr

viel schwerer zu manövrieren waren. Auf offener See wurde auch

auf den Galeeren Segel gesetzt.

21 Grundlegend zur militärischen Funktion der Galeere vgl. Rodgers 1967.

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Abb. 5.5: Venezianische Krieqsqaleere

Quelle: Gibbons, Tony (Hrsg.l: Die Welt der Schiffe. München 2007. S. 36.

Die Trireme konnte sowohl militärisch wie kommerziell einge­

setzt werden. Faktisch war sie beides. Da sie aufgrund der ge­

ringen Ladekapazität und der hohen Personalstärke den Segel­

schiffen, die bei größerem Laderraum mit viel weniger Seeleu­

ten also einer deutlich besseren Relation von Fracht zu Perso­

nal auskamen, wirtschaftlich unterlegen war, diente sie nur

für kostbare Frachten auf langen Strecken. Die größten Galee­

ren verkehrten auf der längsten Route nach Flandern. Die Ga­

leere aus Alexandria z. B. transportierte etwa 2,5 Mio. Pfund

Gewürze, die einem Kaufpreis von 300.000 Dukaten entsprachen,

die auf der Hinfahrt in bar mi t zuführen waren22• Hier konnte

sie ihren Vorteil der größeren Schnelligkeit und größeren Si­

cherheit gegenüber Piraten ausspielen, konnten die Ruderer

doch im Nahkampf auch als Verteidiger eingesetzt werden. Eine

Flotte von drei, vier oder gar fünf Triremen war bereits eine

stattliche Streitmacht von bis zu 1000 Mann, die auf See so

leicht niemand zu fürchten brauchte. Dabei ging es keineswegs

nur um den Schutz gegen Seeräuber, etwa die muslimischen, die

von der Berberküste aus operierten, sondern gleichermaßen ge-

22Lane 1992, S. 26.

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gen christliche Seeräuber, oftmals in Wirklichkeit die italie­

nischen Konkurrenten. Die Trennschärfe zwischen Handel und

Seeräuberei war bis ins 17. Jahrhundert, solange auf See kein

Gewal tmonopol durchzuset zen war, nicht immer gegeben. Selbst

die Unterscheidung zwischen Krieg, staatlichen und privaten

Raubzügen war nicht eindeutig, wurden doch "Kreuzzüge" gegen

Seeräuber geführt bzw. Raubzüge gegen Muslime als Kreuzzüge

deklariert und umgekehrt 23• Die reinen Kriegsgaleeren waren

kleiner, hatten weniger Laderaum, waren dafür deutlich schnel­

ler. An der Optimierung der konstruktionstechnisch sich wider-

sprechenden Ziele Schnelligkeit, militärische Schlagkraft,

Wirtschaftlichkeit und Seetüchtigkeit wurde lange gefeilt.

Den eigentlichen Kern der Galeerenschifffahrt bildeten die

Staatsgaleeren für die Handelsschifffahrt (Galeere da Merca­

to). Diese Galeeren wurden vom Staat gebaut und verkehrten nur

auf den langen Routen, die von Antwerpen ganz im Westen bis

nach Tana an der Mündung des Dons in das Asovsche Meer ganz im

Osten reichten. Eine solche Galeere konnte die Strecke von

Southampton bis Otranto am Eingang zur Adria, etwa 2500 See­

meilen, in der Rekordzeit von 31 Tagen zurücklegen. Der Staat

betrieb die Galeeren aber nicht selber, sondern versteigerte

sie (ganz oder in anteiligen Partien) von Fahrt zu Fahrt an

den meistbietenden Kaufmann. Der Staat bestimmte aber auch die

Routen, die Zahl der eingesetzten Galeeren, die Kapi täne und

die Abfahrtszeiten, um so eine optimale Koordination der ein­

zelnen Glieder des venezianischen Handelssystems zu ermögli­

chen. So konnte die Ankunft der Karawanen mit den Pfeffersä­

cken in Beirut oder der Nilschiffe in Alexandria mit der An­

kunft der Galeere, dem Umschlag und der Weiterleitung in ande-

re Regionen abgestimmt werden.

23 VI' . F Die italienische Levante-Piraterie und die. g . dazu Marle-Lulse avreau~ . ahrhundert. In: Viertel-

Slcherheit der Seewege nach syrlen lm 12. und 13. Jjahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 65.1978,4. s. 461-510.

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00033427

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Eine Galeere war auch eine soziale Organisation2 4 • Gerudert

wurden die Galeeren nämlich ursprünglich von freien Bürgern.

Jeder Stadtteil (Contrade) Venedigs hatte ein bestimmtes Kon­

tingent an Ruderern und Ausrüstung zu stellen. Hinzu kam der

Unterhai t von Söldnern als Seesoldaten . Die Ruderer führten

ihre eigenen Waffen mit und waren deshalb im Gefecht auch als

Seesoldaten einsetzbar. Dies wiederum bedeutete eine starke

Motivation und gewisse Mitsprache der Ruderer an Bord. Hier

liegt ein Grund für die spätere maritime Überlegenheit gegen­

über Genua oder den Osmanen. Die Knappheit der Ruderer hatte

in Genua frühzeitig dazu geführt, die freien Ruderer durch

Sträflinge oder Sklaven zu ersetzen, die im Konfliktfall, da

unbewaffnet, nicht als Soldaten einsetzbar waren. Während die

einfachen Bürger für die Mannschaft aufkamen, mussten die gro­

ßen Familien, je nach Vermögen, ein bis drei Galeeren samt

Ausrüstung und Bewaffnung für mindestens 20 Mann stellen2 5• Ve­

nedig hatte also das System des wehrbaren Bürgers, der zu den

Waffen gerufen wird, um seine Stadt zu verteidigen, auf die

Flotte übertragen.

Die Rundschiffe (Koggen) verfügten zuerst über Seitenruder und

zwei Masten mit Lateinsegel, später nach nordeuropäischem Mus­

ter über Heckruder und Rahsegel, das einfacher als das La­

teinsegel zu bedienen war und deshalb weniger Seeleute, etwa 1

Mann pro 5 Tonnen, verlangte. Dieser Übergang wurde begleitet

von der Einführung der Bogenschützen, so dass die Schiffe auch

als Distanzwaffe eingesetzt werden konnten. Hierfür war die

Kogge mit ihren höheren Seitenwänden besser geeignet als die

flache Galeere. Bei einer Ladekapazität von 400 t benötigte

man nur 8-10 Bogenschützen als Bedeckung, was gegenüber der

Galeere einen enormen Kostenvorteil ausmachte2 6

• Die Rundschif-

24 V 1 d d' C L Venetian Seamen in the Nautical Revolution ofg. azu Fre er1C . ane,the Middle Ages. In: Lane 1987.25 Rösch 1989, S. 165 f . '26 Vgl. dazu Frederic C. Lane, The crossbo~ in, the Naut1cal Revolution ofthe Middle Ages. In: Explorations in Econom1c H1story 7.1969. S. 161-171.

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fe wurden deshalb zur Massenfracht eingesetzt, verkehrten auch

nicht auf der langen Route nach Flandern und unterlagen nicht

oder nur kaum den strikten Regeln der Galeere da Mercato.

Während die Rundschiffe und die rein kommerziell genutzten Ga­

leeren auf privaten Werften gebauten wurden, wurden die

Staats- und Kriegsgaleeren im Arsenal gebaut2 7• Das Arsenal war

mit 2000-3000 Beschäftigten das eigentliche Herz der venezia­

nischen Macht und seinerzeit der größte Industriekomplex in

ganz Europa2 8• Nur in China dürfte es noch größere Betriebe

(Werften) gegeben haben. Das Arsenal wurde 1104 gegründet und

zweimal beträchtlich erweitert. Der erste Ausbau in den Jahren

1303-1325 zum ffNeuen Arsenal" vervierfachte die Fläche und war

eher kommerziell motiviert. Venedig wollte größere Galeeren

bauen können, um in der Konkurrenz gegenüber Genua mi tzuhal­

ten. Die zweite Erweiterung 1473 zum ffNeuesten Arsenal" bedeu­

tete nochmals eine Verdoppelung. Mittlerweile hatte das Arse­

nal aber nur noch militärische Funktion. Jetzt sollten die Ka­

pazitäten zum Bau und zur Lagerung von Kriegsgaleeren gestei­

gert werden, um in der Phase des relativen Niedergangs der os­

manischen Herausforderung zu See begegnen zu können. Vorge­

schrieben war seitdem, dass zuerst 25, später 50 und zuletzt

100 Reservegaleeren permanent in den Docks zu lagern waren,

die innerhalb weniger Tage einsatzfähig gemacht werden konn­

ten.

27 . A ects of the Construction of Warships inDazu Ruggiero Romano, Economlc sp

Venice in the SJ.·xteenth Century. In: pullan 1968. .2 f h V tlan Arsenal: Workers

8 Vgl. dazu Robert C. Davis, Shipbuilders 0 . t e eneand Workplace in the Preindustrial City. Baltlffiore 1991.

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Abb. 5.6: Arsenal nach der zweiten Erweiterung

Foto aus Norbert Huse, Venedig. München 2005. S. 95. Am linken Bildrand be­findet sich der älteste Teil mit dem Haupteingang.

Das Arsenal hatte drei Aufgaben: (1) Bau, Ausrüstung und Repa­

ratur von Galeeren, (2) Lagerung von Galeeren und deren rasche

Indienststellung im Ernstfall seit der ersten Erweiterung und

(3) Herstellung von Waffen und Ausrüstungsgütern für den

Schiffsbetrieb aller Art. Beschäftigt wurde unter dem Kommando

eines Admirals eine breite Palette von Handwerkern wie Zimmer­

leute, Segelmacher und Seiler. Hinzu kamen Sägewer k, Gießere i,

Schmieden und Pulvermühlen zur Herstellung von Kanonen,

Schießpulver, Waffen und Rüstungen, ferner Vorrats lager, sogar

eine Bäckerei zur Herstellung von Schiffszwieback. Dabei ver­

folgte das Arsenal eine ausgefeilte Technik innerbetrieblicher

Abläufe mit hoher Standardisierung der gefertigten Komponenten

und ausgeklügelter interner Arbeitsteilung. Zu diesem Zwecke

waren die einzelnen Abteilungen des Betriebsgeländes durch

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Wasserstraßen miteinander verbunden, die wie eine Art Fließ­

band fungierten, so dass Stück für Stück die Ausrüstung kom­

plettiert werden und am Ausgang eine fertige Galeere das Arse­

nal verlassen konnte.

Außer Venedig besaßen im 16. Jahrhundert, als die letzte Aus­

baustufe erreicht war, nur Barcelona, Gallipoli und Konstanti­

nopel vergleichbare Arsenale, während die Arsenale von Ale­

xandria, Saloniki und Lissabon zweitrangig waren2 9• Das Arsenal

baute aber nicht nur Kriegsgaleeren (erst nachrangig Handels­

galeeren), sondern betrieb auch eine systematische Militärfor­

schung, veranstaltete Übungsschießen oder Testfahrten neuer

Galeerentypen in der Lagune, um die Kombination von Schnellig­

keit, Seetüchtigkeit, militärischer Stärke und Ladekapazität

zu optimieren.

Die Fertigungskapazitäten beliefen sich auf 3-4 Neubauten pro

Jahr3o • Bei einer Bauzeit von zwei Jahren waren demnach immer

8-10 Galeeren im Bau. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer

von 10 Jahren unterhielt Venedig ständig 30-40 Galeeren, die

aus dem Arsenal stammten. Wenn man berücksichtigt, dass nur

etwa 10 Prozent der gesamten venezianischen Tonnage im Arsenal

gebaut wurde, ergibt sich ein laufender Gesamtbestand von 300­

400 Schiffen der unterschiedlichsten Typen und Verwendungen.

Nicht berücksichtigt sind hier außerordentliche militärische

Anstrengungen, die ein größeres Aufgebot von Kriegsgaleeren

erforderten, das sich aus diversen Quellen (private Schiffs-

werften in Venedig, Werften in den Kolonien, Umrüstung

Handelsgaleeren oder Zukauf von Dritten) speiste.

von

29 John Francis Guilmartin, Jr., Gunpowder and Galleys: Changcimbng ~deChn01l907g4Yd

. . h S· teenth Century. a r~ ge ,an Med~terranean Warfare at Sea ~n t e lXS. 10130 • d 1619-1669 insgesamt 341

In der Spätphase des 17. Jahrhunderts wur en von f . t 0 . 1991leichte Galeeren, im Schnitt 6,8 Galeeren pro Jahr ge ertlg. aV1S ,S.81.

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Der konstruktive Höhepunkt des Arsenals wurde im Jahre 1504

erreicht. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 7 Galeeren auf

See, 9 waren im Arsenal gelagert und 20 waren im Bau. Hinzu

kamen 3 Galeeren, die älter als 14 Jahre waren3 1• Wenn man be­

rücksichtigt, dass sei t 1525 die Zahl der gelagerten Reserve­

galeeren immer weiter gesteigert wurde, wird die eigentliche

militärische Logik deutlich. Entscheidend für die veneziani­

sche Seemacht war nicht die Größe der im Hafen ankernden oder

auf den Meeren kreuzenden Flotte. In normalen Jahren dürften

das kaum mehr als 10 Galeeren gewesen sein, die zum Küsten­

schutz oder zur Bekämpfung von Piraten eingesetzt wurden. Ent­

scheidend war die Fähigkeit, rasch eine große Flotte bei Be­

darf zu mobilisieren. Venedig war innerhalb von wenigen Wochen

in der Lage, eine Flotte von 100 oder mehr Galeeren auszurüs­

ten und in See stechen zu lassen. Und es war in der Lage, auch

nach einer verlustreichen Seeschlacht in der nächsten Saison

eine neue Flotte zu mobilisieren. Seine eigentliche Stärke lag

also nicht in der Größe der Flotte, sondern in der Fähiqkeit,

eine Flotte bauen, ausrüsten und lagern zu können. Dies bis

zur großbetrieblichen Perfektion getrieben zu haben, war die

eigentliche innovatorische Leistung Venedigs, auf die sich

seine maritime Stärke gründete.

Diese Fähigkeit besaß die al te Rivalin Genua nicht mehr bzw.

nicht in gleichem Maße. Nur der neue türkische Rivale kam mit

seinen vergleichbar großen Arsenalen in Gallipoli und Konstan­

tinopel an diese Fähigkeit heran. Insofern macht es auch kei­

nen Sinn, a la Modelski lange Zeitreihen über die Flottenstär-

k d 't de Flotten dere der Kriegsgaleeren aufzustellen un nu, n

Konkurrenten zu vergleichen. Die aktuelle Flotte schwankte von

Jahr zu Jahr und war auch nur bescheiden. Wichtig war die Grö-. h h der Kapa-

ße der potentiellen Flotte. Diese richtete SlC nac

zität des Arsenals, der Kunstfertigkeit und dem Arbeitstempo

31Lane 1992, S. 137 f.

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seiner Handwerker, der Erfindungsgabe und dem Organisationsta­

lent der Schiffsingenieure und Waffenmeister, dem Vorrat an

Schiffsholz und anderen Materialien und nicht zuletzt an der

Fähigkei t, den Nachschub für die strategischen Rohstoffe, die

das Arsenal verarbeitete, zu sichern. Das Rohholz wurde erst

im Arsenal gesägt und zu den einzelnen Bauteilen (Planken,

Masten etc.) verarbeitet. Insofern war der Zugriff auf die

Wälder der Poebene (Eiche) und des Alpenabhangs (Nadelholz)

und später Dalmatiens von der gleichen strategischen Bedeutung

wie der Metallhandel mit Deutschland für die Rüstungsindust­

rie . Aus dieser Perspektive ist es nicht verwunderlich, dass

die deutschen Kaufleute mit ihrer Faktorei in Venedig einen

hoffierten und privilegierten Status besaßen.

Ein anderer Aspe kt sollte erwähnt werden. Da die wertvollste

Fracht auf den wichtigen Routen auf Galeeren und nicht auf Se­

gelschiffen transportiert wurde, wurde der lukrativste Teil

des venezianischen Handels auf "dual use" - Schiffen abgewi­

ckelt. Aufgrund der vielen bewaffneten Ruderer und des Konvoi­

prinzips (muda) bildeten sie eine beachtliche Streitmacht, die

sich selber verteidigen konnte und der zusätzlichen Bedeckung

durch reine Kriegsgaleeren wie im Falle anderer Schiffstypen

nicht bedurfte. Diese Form der "Seeversicherung" war ein beab­

sichtigter kostenreduzierender Faktor32

ihrem finanziellen Fundament.

Dami t kommen

schen Macht,

wir zu einer wei teren Grundlage der veneziani­

Unbestritten ist,

dass der Staat über beträchtliche Einnahmen verfügte und des­

halb in der Lage war, das riesige Arsenal zu unterhalten. Al­

lein seine Kosten sollen sich auf 100.000 - 200.000 Dukaten

und damit etwa auf ein Fünftel des Staatshaushaltes belaufen

haben. Die Unterhaltskosten für die Flotte sind dabei nicht

32 Eine sehr detaillierte Beschreibung einer f~ü~enLouise Bünger Robbert A Venetian Naval ExpedltlonlihY/Lopez/Slessary 1969. S. 141-151.

Konvoifahrt liefertof 1224. In: Her-

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mitgerechnet. Eine in der Literatur weit verbreitete These

lautet: Das finanzielle Fundament Venedigs waren die Handels­

profi te. Venedig handelte wohlgemerkt kaum mit Waren, die es

selber herste 11 te, sondern war in erster Linie Zwischenhänd­

ler. Hochprofitabel war der Gewürzhandel, das eigentliche ubig

business" der damaligen Zeit. Daran partizipierte der Staat in

doppelter Weise - durch die Versteigerung des Frachtraums der

Staatsgaleeren und durch seine Steuereinnahmen. Einzige nen­

nenswerte wirtschaftliche Aktivität neben dem Schifffahrtssek­

tor waren die Sal zgewinnung in der Lagune und die Manufaktur

von Luxusgütern wie z.B. Glaswaren auf der Insel Murano.

Die andere, weniger verbreitete, These lautet: Es waren die

Einkommen aus der Kolonialwirtschaft 33• Venedig war im Grunde

die erste Kolonialmacht im modernen Sinne mit einem, gemessen

an der Größe der Stadt, beträchtlichen Kolonialbesitz im öst­

lichen Mittelmeer. Neu war, dass in diesen Kolonien im großen

Stil Plantagenwirtschaft auf der Basis von Sklavenarbeit zur

Erzeugung von Zucker und Baumwolle betrieben wurde. Demnach

sollen in den Jahren 1430-1500 etwa 40 Prozent der Einnahmen

Venedigs aus den Kolonien gestammt haben. Ob diese Zahlen zu­

treffen, welche Relation zwischen Kolonialprofiten und Han­

deIsprofi ten bestanden hat und ob die in den Kolonien erziel­

ten Einkommen tatsächlich via Besteuerung auch dem Staat dien­

lich waren, dürfte empirisch zuverlässig kaum mehr zu klären

sein. Die Kontroverse zeigt immerhin, dass sich hier eine neue

Tendenz andeutete. Neben die Partizipation am Fernhandel trat

das Motiv der kolonialen Ausbeutung. Spätere europäische WeIt­

er b t fortgesetzt. Während Por-o erer haben beide Wege konsequen

t h deL und die Be-ugal auf das staatliche Monopol im Gewürz an

steuerung , h Pr1'vathandels setzte und sichdes innerasiat1sc en

erst spät dem Zuckeranbau in Brasilien zuwandte, dürfte im

F k I . ale Ausbeutungalle Spaniens von Anfang an die direkte 0 ona

-------------33 V 1

g . Heynen 1905, s. 4.

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durch Plantagen und Minen den Handelsprofit in seiner

tung bei weitem übertroffen haben. Im Falle Spaniens

Bedeu-

war es

auch ganz eindeutig so, dass der Staat durch den Abzweig des

Quintero direkter Nutznießer der Gold- und Silberminen in den

Kolonien war und damit seine Militärmacht finanzierte.

Schließlich sind noch Faktoren zu nennen, die unter die Beg­

riffe "kommerzielle" und "nautische Revolution" fallen. Dazu

gehört die Erfindung der doppelten Buchführung, die ganz neue

Unternehmensformen erlaubte, die Erstellung eines Hafenbuchs

für das gesamte Mittelmeer im Jahre 1250, die Mathematisierung

und damit Verbesserung der Genauigkeit von Seekarten durch die

Verwendung des Gitternetzes (sog. Portolankarte) seit 1270,

eine Erfindung, die aus Pisa stammte, aber erst in Venedig

allgemein verbrei tet wurde, die Verwendung der Sanduhr zur

Zeitmessung ab 1345/46, und die Verbesserung des Kompasses

durch die Befestigung der Magnetnadel auf dem Zifferblatt

(Windrose). Hinzu kamen laufend kleine Fortschritte in Hydro­

graphie, Geographie und Astronomie. Konsequenz dieser nauti­

sehen Innovationen war, dass die Schiffe größer wurden, dass

das Frachtaufkommen pro Seemann zwischen 1400 und 1560 von 5-6

tauf 7-8 t gesteigert werden konnte und die Möglichkeit, das

Mittelmeer auch im Winter zu befahren und damit die Umschlags-

h verdoppe l n34. Bis datogesc windigkeit des Warenverkehrs zu

musste die Schifffahrt von Oktober bis April ruhen. Dies erin­

nert an die Einführung der Nassreiskultur im Song-China, die

im SÜden des Landes zwei Ernten pro Jahr möglich machte.

Hinsichtlich der Bewaffnung ist zu erwähnen, dass Venedig nach

d 1 (1248) Bogenschützener verlustreichen Schlacht von Curzo a

auf und sl' e daml't zu einer Distanzwaffeden Galeeren einsetzte

't Kanonen erfolgte erst­machte. Die Ausrüstung der Galeeren ml

34 V d Productivity in SeaborneT ql , dazu Frederic c. Lane, Technology an L vant Trade in the LaterransPortation. In: Lane 1987; Eliyahu Ashtor, e

Middle A . 1983 S 6ges. Prlnceton ,..

----------

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malig im Chioggia-Krieg, wurde aber weniger konsequent vollzo­

gen als bei den Osmanen. Damit berühren wir bereits die Ursa­

chen für den relativen Niedergang. Es scheint, dass Venedig

aufgrund seiner führenden Rolle als Galeerenproduzent zu lange

an der Galeerentechnik festgehalten hat, statt wie später etwa

die Niederlande auch im Mittelmeer auf mit Kanonen ausgerüste­

te Segelschiffe zu setzen.

5.4. Die hegemoniale Ordnung

Wenn die These zutrifft, dass es eine enge Symbiose von Han­

delspolitik und Militärpolitik innerhalb der politischen Elite

Venedigs gegeben hat, dann muss sich diese Symbiose auch in

der geographischen Verteilung von Handelsniederlassungen, Ko­

lonien, Militärstützpunkten und Basen der venezianischen Flot­

te wiederspiegeln. Die hegemoniale Ordnung müsste demnach die

gleiche Reichweite besessen haben wie die der Handelsbeziehun­

gen. An dieser Stelle erweist sich die Berücksichtigung der

staatlichen Regulierung eines großen Teils des venezianischen

Außenhandels als hilfreich zu Beantwortung der Frage. Grund­

sätzlich lassen sich fünf Typen unterscheiden35

: (1) Reiner

Privathandel ohne staatliche Einflussnahme auf den Schiffsver­

kehr. Dieser wurde auf den kleineren Segelschiffen abgewi­

ckelt; (2) reiner Privathandel in Kombination mit reguliertem

Schiffsverkehr und (3) reiner Privathandel in Kombination mit

lizensiertem Schiffsverkehr. Beides wurde auf Koggen und Kara­

cken abgewickelt und diente dem Transport von Massenfrachtgü­

tern; (4) private Fracht auf staatlichen Schiffen mitstri kt

reguliertem Schiffsverkehr. (5) reiner Staatshandel auf staat­

lichen Schiffen wie z.B. die Versorgung und Transportleistung

für die Kreuzritter. Die Galeere da Mercato, der eigentliche

~35 F

:"'.' : '.' ',. . rederic C.I,~· t i o. ' in. In Lane't",,' j..... ,. ,J i

;f :

Lane, Merchant Galleys, 1300-34: Private and Communal Opera­

1966. S. 193-226.

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Kern des venezianischen Galeerensystems, entsprach dabei dem

Typ 4.

Hierbei handelte es sich um ein abgestimmtes System von ur­

sprünglich fünf und später sechs Hauptrouten, das seit etwa

1320 entwickelt wurde und für gut 200 Jahre bis in die 1530er

Jahre Bestand hatte. Permanent unterhalten wurden etwa 10-20

Staatsgaleeren des Standardtyps von 150 Tonnen Ladekapazität,

die ausschließlich zum Transport kostbarer Fracht auf langen

Strecken eingesetzt wurden. Die Galeeren fuhren grundsät zlich

in Konvois von zwei, drei oder mehr Schiffen (muda) in einem

regelrechten Linienverkehr. Festgelegt waren nicht nur die Ab­

fahrtszeiten, sondern auch die jeweiligen Zwischenstopps auf

den Routen. Dabei wurde darauf geachtet, dass diese mit dem

möglichen Eintreffen der Überlandkarawanen am Ostrand des Mit­

telmeers und des Schwarzen Meers abgestimmt waren. Welche Wa­

ren jeweils transportiert wurden, hing von der jeweiligen Rou­

te ab. Zur Besatzung gehörten neben Ruderern, Seeleuten und

Bogenschützen auch Segelmacher, Ärzte, Notare, Schreiber, Kö­

che u.a.

Die zum Einsatz kommenden Galeeren wurden im Arsenal gebaut

und blieben im Staatsbesitz. Nur der Frachtraum wurde privaten

Kaufleuten meistbietend versteigert. Später konnte sich das

Gebot nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Fahrten bezie­

hen.

Folgende Routen, die von Venedig über Zara und Korfu bzw.

Otranto am Ausgang der Adria gemeinsam verliefen und sich erst

danach verzweigten, wurden von der Galeere da Mercato bedient:

1. Romania. Darunter ist der westliche Teil des ehemaligen

byzantinischen Reiches zu verstehen. Unterschieden wurde

die niedere Romania (griechisches Festland und Ägäis­

Inseln) und die obere Romania (Pera und Schwarzrneerhä­

fen) . Diese Doppelroute bediente auch den zentralasiati-

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schen Handel ab Tana bzw. ab Trapezunt via Persien zum

Persischen Golf. Hier war auch für Venedig die Kooperati­

on mit den Mongolen geboten.

2. Beirut. Darunter ist die Linie zur syrisch-palästi­

nensischen Küste mit Zwischenhalt in Kreta, Rhodos oder

Zypern zu verstehen. Hier wurde der Handel auf der Mit­

telpassage via Damaskus, Bagdad, Basra und dem Persischem

Golf bedient. Sie verlangte die wechselnde Kooperation

mit den Kreuzfahrern, den Mongolen und später den Mamelu­

kenherrschern, war also politisch schwierig zu handhaben.

3. ~exandria. Darunter ist die direkte und von Venedig be­

vorzugte Linie ins Nil-Delta wie Kreta zu verstehen. Von

dort aus ging es über Kairo ins Rote Meer und weiter nach

Asien. Diese war, weil nur ein Partner benötigt wurde,

die politisch am einfachsten zu handhabende und die kos­

tengünstigste. Sie nahm den meisten Handel mit Asien auf,

da man durch das Rote Meer ganz nah an das Mittelmeer he­

rankam und nur eine kurze Distanz zu Land überwinden

musste. Diese Route konnten später die Portugiesen nie

unterbinden. Eine Nebenlinie (TrafegoJ führte nach Tunis

und Tripolis und stellte das Bindeglied für den Transsa­

hara-Handel dar. Hier war ebenfalls die Kooperation mit

den Mameluken geboten. Aufgrund der Interessenharmonie

kann fast von einer Kooperation aus Eigeninteresse ge­

sprochen werden3 6 , die gar keiner übergeordneten Hegemoni­

almacht bedurfte.

4. Aque HOrte (Aigues Mortes). Diese Route bediente das

westliche Mittelmeer, nämlich Süditalien, Neapel, Sizi­

lien sowie die französischen und spanische Küste, soweit

sie nicht von den Muslimen kontrolliert wurde.

5. Fl.andern. Die Route nach Flandern war die mit Abstand

längste und war reserviert für den Handel mit Nordeuropa.

Im Ärmelkanal trennten sich die Routen und liefen engli-

36 So auch Ashtor 1983, S. 12.

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sehe (Southampton und London) wie flandrische (Brügge,

Antwerpen) H~fen an. Diese Route des "Seewegs nach Flan­

dern" wurde eingerichtet aufgrund des Niedergangs der

Champagne Messen und weil durch diverse politische Kon­

flikte in Flandern die Landroute zu unsicher geworden

war3 7•

6. Seit 1436 kam als letzte Route die Linie an die Berber­

küste, die von den Muslimen kontrollierten Hä f e n von Tu­

nis bis Malaga in Südspanien, hinzu, wobei diese als

Rundfahrt mit der Aque Morte-Route kombinierbar war.

Nicht alle Routen wurden ununterbrochen über die 200 Jahre be­

dient. Die erste Galeere nach Flandern trat die Reise 1316 an,

die letzte im Jahre 1532. Zuerst eingestellt wurde der Linien­

dienst in die obere Romania, weil das Ende des Ilkhanats 1335

die Route via Trapezunt und Persien unsicher gemacht hatte,

und die Auflösung des Mongolenreiches ab 1347 den spärlichen

Liniendienst nach Tana beendete. Der besonders lukrative Han­

del mit Beirut und Alexandria wurde zwar durch diverse politi­

sche Ereignisse immer wieder gestört oder kurzzeitig unterbro­

chen, aber bis 1535 aufrechterhalten. Dessen Ende hatte weni­

ger pali tische Gründe. Hier war vielmehr die Konkurrenz der

Portugiesen zu spüren, die den Gewürzhandel auf die Atlantik­

route umzuleiten suchten und Antwerpen anstelle von Venedig

zum Zentrum des europäischen Gewürzhandels machen wollten.

Erstmals bekam Venedig im Jahre 1502 keinen Pfeffer mehr in

Alexandria. Auch wenn der Pfefferhandel zwischenzeitlich wie­

der aufgenommen wurde, so lohnte sich ab 1535 diese letzte

Route offenbar nicht mehr. Der Vormarsch der Osmanen beein­

trächtigte den Handel in der unteren Romania. 1453 eroberten

die Osmanen Konstantinopel und sperrten den Zugang zum Schwar­

zen Meer. Nach dem zweiten Krieg mit den Osmanen (ab 1503)

37, Vgl. dazu Alwyn A. Ruddock, The Flandern Gallays. In: The Jo~rn~l of theH.l.storical Association 24.1940, March. S. 311-317; sehr de t a i Ll.Le r t; auchAdolf Schaube, Die Anfänge der venezianischen Galeerenfahrten nach derNordsee. In: Historische Zeitschrift 101.1908. S. 28-89.

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gingen auch die Stützpunkte in Griechenland verloren. Das Vor­

rücken der Osmanen in Nordafrika seit 1529 hatte auch Einfluss

auf den Handel mit Alexandria und Nordafrika.

Die Zeitpunkte, zu denen die einzelnen Glieder des Systems der

Galeere da Mercato aufhörten zu funktionieren, sind ideale In­

dikatoren, wie lange von der Existenz einer mediterranen Welt­

wirtschaft, wie lange und mit welcher regionalen Reichweite

von einer venezianischen Hegemonialordnung gesprochen werden

kann. Ob sie funktionierte oder nicht, hing vom Geschick der

venezianischen Diplomatie, der relativen Stärke der Flotte und

von der Handelskonkurrenz ab, die erst von Genua und später

von Portugal auf der Atlantikroute um Afrika herum ausgeübt

wurde. Die Mameluken, seit 1529 sogar die Osmanen, waren hier

keine Konkurrenten, sondern Partner, da auch sie nur ein Zwi­

schenglied im Gewürzhandel mit Asien darstellten. Hier ging es

nicht um die Frage, wer hat das Handelsmonopol, sondern wie

werden die Einnahmen aus dem Zwischenhandel verteilt. Das "Ve­

nezianische Weltsystem" hatte demnach folgendes Aussehen:

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Abb. 5.7: Das Venezianische We~tsystem ~ 14./15. Jahrhundert

Persischer Golf

Trapezunt

Tana

Soldaia

Neapel

Nümberg

Venedig

Trans-Sahara

Mallorca

Aque Morte

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Die Abbildung zeigt die sechs Äste des "Venezianischen Wel t­

systems" anhand der Routen der Galeere da Mercato. Eingetragen

sind nur die wichtigsten Stationen. Dabei handelt es sich um

Hafenstädte mit venezianischen Faktoreien (z.B. Southhampton),

um Konzessionsgebiete (z. B. in Konstantinopel), reine Mili tär­

stützpunkte (z.B. Modon) und um regelrechte Kolonien wie Kre­

ta.

Die Romania-Route führte vom Ausgang der Adria in Korfu via

Modon und Negroponte bis Konstantinopel mit Abzweig nach Salo­

niki, von dort (obere Romania) ins Schwarze Meer nach Soldaia

auf der Krim und Tana an der Mündung des Don bzw. nach Trape­

zunt. Tana und Trapezunt waren die Ausgangshäfen des zentral­

asiatischen Überlandhandels . Die Beirut-Route zweigte von Mo­

don ab via Kreta, Rhodos und Zypern nach Beirut. Beirut und

andere Häfen an der syrisch-palästinensischen Küste waren die

Umschlagshäfen des Handels auf der mittleren Passage via Da­

maskus über den Euphrat zum Persischen Golf. Die Eroberung von

Akkon und der Bann des Papstes führten vorübergehend dazu,

dass dieser Handel via Laj az zo nach Persien umgeleitet werden

musste.

Die Alexandria-Route (ab 1346) ging entweder von Modon über

Kreta direkt nach Alexandria oder mit Zwischenstationen via

Sizilien über Tunis und Tripolis nach Alexandria. Auch die

Beirut-Galeeren (ab 1374) konnten den nordafrikanischen Umweg

nehmen. Das von den Mameluken kontrollierte Alexandria im Nil­

delta war für Venedig immer die wichtigste Station im Handel

mit dem Orient 3 8 • Deshalb war Venedig durchgängig um gute Be­

ziehungen mit dem Sultan bemüht, die am Ende, als es galt, die

Portugiesische Konkurrenz aus östlicher Richtung auszuschal­

ten, sogar eine militärische Komponente hatte. Venedig unter-

38 Vgl. Eliyahu Ashtor The Venetian Supremacy in Levantine Trade: Monopolyor Pre-colonialism? I~: The Journal of European Economic History 3.1974,1.S. 5-53.

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stützte die Aufstellung einer mamelukischen Galeerenflotte im

Roten Meer, die die Portugiesen im indischen Gujarat (Schlacht

vor Diu) bekämpfen sollte.

Die Flandern-Galeere, die die längste Strecke zu bewältigen

hatte, führte auf direktem Weg von Otranto über Sizilien und

Mallorca durch die Straße von Gibralta, machte Zwischenhalt in

Cadiz und Lissabon, umrundete die iberische Halbinsel und

durchquerte die Biskaya. Vor der Einfahrt in den Ärmelkanal

teilte sich die Route in einen englischen Zweig nach Southamp­

ton und London und einen niederländischen Zweig nach Brügge

(bzw. später Sluis) und Antwerpen. Selbst in Southhampton gab

es eine kleine venezianische Niederlassung.

Die Aque-Morte-Galeere bediente von Sizilien aus den nordwest­

lichen Rand des Mittelmeers, die Galeeren zur Berberküste den

südwestlichen Rand. Braudel hat sich die verdienstvolle Mühe

gemacht, über den Zeitraum von 1330-1570 die Zahl der Galee­

renfahrten auf den diversen Routen zu ermitteln.

Abb. 5.8: Die Zahl der Fahrten auf den Routen der Galeere

da Mercato 1330 - 1570

KRETA

TA NA

40 1550 60 1570:

MODON

BEIRUT

ZYPERN

ARMENIEN

ROMANIA

FLANDERN

AIGUES MORTES

KONSTANTINOPEL

40 1450 60 70 80 90 1500 10 20 301340 1350 60 70 80 90 1400 10 20 30

Quelle: Braudei 1998, 8.71.

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00033427

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Demnach fuhren auf einer Route selten mehr als fünf Galeeren

pro Jahr. Wenn man die Standardgaleere von 150 Tonnen Ladeka­

pazität zu Grunde legt, waren das 750 Tonnen im Schnitt. Dies

klingt nicht sehr beeindruckend. Wenn man allerdings die Art

der Fracht berücksichtigt, dann stellten 1500 Tonnen Pfeffer

oder andere Gewürze aus Alexandria und Beirut pro Jahr einen

sehr beachtlichen Wert dar, der einen erheblichen Teil des eu­

ropäischen Bedarfs gedeckt haben dürfte. Die Aufstellung gibt

auch Auskunft über die relative Bedeutung der einzelnen Rou­

ten. Anfänglich war die Route in die Romania entsprechend der

tradi tionellen Bindung an Byzanz am wichtigsten. Hier brach

der Handel nach 1450 ab, wobei die obere Romania im Unter­

schied zu Genua nie eine besondere Bedeutung gespielt hat. Das

Schwarze Meer war genuesisches Terrain. Deshalb waren für Ge­

nua die guten Beziehungen zu den Mongolen so wichtig, wichti­

ger als zu den Mameluken. Die Masse des venezianischen Orient­

Handels wurde immer über Beirut und Alexandria abgewickelt,

wobei der Handel via Beirut erst etwa 40 Jahre später, nämlich

seit 1380 kontinuierlich wurde. Die Galeeren nach Flandern ka­

men den beiden Levante-Routen in ihrer Bedeutung recht nahe,

während die Routen nach Aque-Morte und an die Berber-Küste

später aufgenommen wurden (1410 bzw. 1440) und immer nur ge­

ringe Bedeutung hatten.

In einem Normaljahr wurden demzufolge kaum mehr als 20 Galee­

ren in Flotten von drei bis vier Schiffen eingesetzt. Bei der

Dokumentation handelt es sich wohlgemerkt nur um die staatlich

regulierte Galeerenfahrt, nicht aber um die freie Schifffahrt

(auf Galeeren und Rundschiffen) , die im Laufe des Untersu­

chungszeitraums immer weiter zugenommen haben dürfte. Die Ter­

minierung der venezianischen Hegemonialordnung von 1381-1499

lässt sich also durch diese Daten in etwa bestätigen. Ledig­

lich f" sofern man hier Konstantinopel undur die Romania-Route,

Zypern hinzu zähl t, müsste der Zeitraum um etwa 40-50 Jahre

vorverlegt werden. Dies liegt aber daran, dass der veneziani-

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sehe Aufstieg als Handelsmacht durch die Privilegien in Byzanz

befördert wurde und hier ab 1204 erdrückend war.

Die diesem System zugrunde liegende Handelsstruktur ähnelt

der, die schon im Falle Genuas herausgearbeitet wurde. Deshalb

nur die wichtigsten Merkmale: Der Handel mit der Romania re­

flektierte die klassische Arbeitsteilung zwischen West- und

Osteuropa. Venedig importierte Rohstoffe wie Felle, Honig,

Wachs, aber auch Sklaven aus dem Schwarzmeerraum, dazu Gewür­

ze, auch Seide aus Byzanz. Es exportierte Holz für den

Schiffsbau und Fertigwaren wie Metalle, Tuche, Waffen, Nah­

rungsmi ttel sowie Edelmetall zum Ausgleich der Handelsbilanz.

Tana war für Venedig (Caffa für Genua) der wichtigste Sklaven­

markt (Einkauf) im Schwarzen Meer, Candia auf Kreta der wich­

tigste Absatzmarkt für Sklaven. Luxusgüter spielten im Handel

mit der Romania nur eine untergeordnete Rolle.

Der Handel mit Alexandria und Beirut entsprach dem klassischen

Muster des Levante-Handels. Venedig importierte auf beiden

Routen Pfeffer, Gewürze und Baumwolle und exportierte Hol z,

Eisen (beides für den Schiffsbau), Kupfer, Sklaven sowie Edel­

metall, weil auch hier die Handelsbilanz permanent negativ

war. Aus dieser Struktur wird das gegenseitige Interesse von

Venedig und seinen muslimischen Handelspartnern deutlich. Die

Mameluken waren dringend an den Rohstoffen für den Schiffsbau

und an Sklaven interessiert, um überhaupt eine Werft- und Rüs­

tungsindustrie unterhalten zu können. Sie bezahlten mit Gewür­

zen, die sie selber aus Asien bezogen hatten. Venedig bezog

hier die Gewürze, die in Europa besonders profitabel abzuset­

z 11 d i, e f ür die europäischeen waren, und ägyptische Baumwo e,

Textilindustrie benötigt wurde. Um 1400 wurden allein via Ale­

xandria und Damiette jährlich etwa 500 Tonnen Gewürze impor­

tiert, die zu 60 Prozent aus Indien stammten. Der Gewürzhandel

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versprach Profite von bis zu 40 Pro z en t l". Trotz dieser Inte­

ressenharmonie , beide wollten am Zwischenhandel profi tieren,

gab es auch einen permanenten ordnungspolitischen Konflikt.

Venedig wollte gegenüber dem Sultan Freihandel durchsetzen,

weil es billig in Alexandria einkaufen wollte, um zu Hause ei­

nen möglichst hohen Profit erzielen zu können, während der

Sul tan an möglichst hohen Zöllen interessiert war. Insofern

war der Pfefferhandel trotz der grundsätzlichen Kooperations­

bereitschaft immer eine hochpolitische Angelegenheit, die Kom­

promisse verlangte.

Der Handel mit Flandern und England hatte eine gänzlich andere

Struktur. Hier war Venedig der Lieferant von Gewürzen, Zucker,

Seide, kostbaren Textilien und anderen "Kolonialwaren", aber

auch von Alaun, einem Rohstoff für die Herstellung von Textil­

farben. Es bezog Wolle und schwere Tuche aus England bzw. di­

verse Fertigwaren aus Flandern. Zwei Galeeren genügten be­

reits, um etwa 10 Prozent des damaligen englischen Tuchexports

aufzunehmen4o •

Auf der Landroute über den Brenner nach Nürnberg und andere

süddeutsche Städte, die von deutschen Kaufleuten bedient wur­

den, exportierte Venedig Pfeffer und Gewürze und importierte

Kupfer, Eisen und Silber. Dieses Silber war lange Zeit die

wichtigste Quelle, um die negative Handelsbilanz mit dem Ori­

ent auszugleichen. Das übrige Metall aus Deutschland landete

im eigenen Arsenal oder wurde an Mailand weiterverkauft, wo es

in der dortigen Waffenmanufaktur Verwendung fand. Der Handel

mit Aque Morte und der Berberküste (Häute, Wachs, Getreide)

war demgegenüber nachrangig, nahm aber den Transsahara-Handel

mit Sklaven, Elfenbein, Straußenfedern, Datteln und vor allem

Gold aus Guinea und Sudan auf, das auf diese Weise auch als

Zahlungsmittel in den Asienhandel eingespeist wurde.

3940 Scamrnel 1981, S. 10I.

Scamrnel 1981, S. 88.

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Aus diesen Angaben wird dreierlei deutlich. Das venezianische

Weltsystem hatte, zumindest indirekt, eine Reichweite, die

weit über das Liniennetz der Galeere da Mercato hinausging.

Über die diversen Zwischenstationen reichte es bis nach Per­

sien, Indien, Indonesien (Moluccen) und China, im Osten bis in

das slavische Hinterland des Schwarzen Meeres, im Süden durch

die Sahara bis nach Guinea und in den Sudan, im Norden bis

nach Süddeutschland und Zentraleuropa und im Westen über Spa­

nien und Portugal bis nach Südengland und Flandern. Auf diese

Weise wurde nicht nur der Mittelmeerraum selber integriert,

sondern alle damals wirtschaftlich bedeutenden Regionen Euro­

pas und zum Teil sogar Asiens an das mediterrane System ange­

schlossen. Venezianische Kaufmannsniederlassungen gab es von

Southhampton ganz im Westen bis Zayton41 in Südchina.

Die zweite Funktion des Systems bestand darin, die internatio­

nale Arbeitsteilung zu organisieren. Die englische und nieder­

ländische Tuchindustrie wurde mit dem Rohstoff für die Färbe­

rei versorgt, englische Wolle, niederländische und englische

Tuche wurden im Mittelmeer abgesetzt, ägyptische Baumwolle ge­

langte nach Italien. Venedig versorgte die holz- und eisenar­

men Regionen am südlichen Mittelmeerrand mit Metall (Kupfer

und Eisen) und Schiffsholz aus den Alpen und den deutschen

Bergbauregionen. Es besorgte die Sklaven, die auf den Planta­

gen Zyperns und Kretas oder auf den Ruderbänken der Mameluken

benötigt wurden. Es bediente den europäischen Bedarf nach Ge­

würzen und orientalischen Luxuswaren. Es war der größte Baum­

wollmarkt in Europa und Drehscheibe für Pfeffer, Gewürze, Kup­

fer, Tuche und Wolle. Es produzierte Zucker und Baumwolle auf

seinen Plantagen in Zypern und Kreta für den italienischen und

westeuropäischen Bedarf. Und es sorgte dafür, dass die Bilan­

zen ausgeglichen wurden. Wenn die Verrechnung der Barterge­

schäfte keinen Ausgleich ergab, wurde Silber aus Deutschland

41 Hier waren es Anfang des 14. Jahrhunderts Italiener diverser Herkunft, soauch Genuesen und Florentiner, vgl. Ashtor 1983, S. 60.

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oder Gold aus Guinea, geprägt zu Dukaten in Venedig, als Zah­

lungsmittel eingesetzt. Bei all dem fungierte Venedig aber nur

als Zwischenhändler. Lediglich der Bedarf des mari timen Sek­

tors selber, Schiffe und Schiffsausrüstung, Waffen, diverse

Eisenwaren, nautische Instrumente und Karten sowie Zucker und

Baumwolle auf den Plantagen der Kolonien waren Eigenprodukte.

Der militärische Aufwand, den Venedig betreiben musste, damit

das System auch sicher funktionierte, dass Venedig und nicht

eine der italienischen Konkurrentinnen den Handel abwickelten,

wurde natürlich in erster Linie betrieben, weil es sich für

Venedig rechnete. Die Handelsprofite, nicht nur im Gewürzhan­

del, waren auf der Ex- wie auf der Importseite in alle Rich­

tungen offenbar so hoch, dass der militärische Overhead, Un­

terhalt des Arsenals, der Flotte, der militärischen Stützpunk­

te und der sonstigen Ausgaben, problemlos finanziert werden

konnte. Aber - indem Venedig diesen militärischen Aufwand be­

trieb und auf diese Weise 200 Jahre lang als der Zwischenhänd­

ler Europas fungierte, stellte es auch ein wichtiges interna­

tionales öffentliches Gut bereit - nämlich das internationale

Handelsregime. Dieses beruhte wahlweise auf Privilegien durch

Byzanz oder die Mongolen, auf Eroberungen wie den Kolonien,

auf guten diplomatischen Beziehungen wie gegenüber den Mamelu­

ken, auf Verträgen bzw. Transportdienstleistungen wie mit den

Kreuzfahrern oder auf Marktbeziehungen wie gegenüber Deutsch­

land, England und Flandern. Letztere waren, wie 1348 mit Nürn­

berg, sogar durch einen Freihandelsvertrag geregelt.

Ohne dieses institutionell gestaffelte internationale Regime

hätte es keine kommerzielle Revolution in Europa und ohne die

dadurch mögliche internationale Arbeitsteilung auch keine Pro­

toindustrialisierung42 in Europa gegeben. Insofern hat Venedig

42 Vgl. dazu Peter Kriedte/Hans Medick/Jilrgen Schlumbohm, Industrialis~erungVOr der Industrialisierung. Gewerbliche Warenproduktion auf dem Land ln derFormationsphase des Kapitalismus. Göttingen 1978, S. 80 ff.

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neben und nach Genua einen wesentlichen Beitrag geleistet,

dass Europa das Entwicklungsgefälle gegenüber dem Orient all­

mählich abbauen konnte, dass in Europa sich erste industrielle

Zentren (Oberitalien, Flandern, Brabant) bilden konnten, dass

sich ein Ost-West-Gefälle innerhalb Europas selbst herausbil­

dete, dass die Entwicklung der Bergbauzentren in Deutschland

wie der Woll- und Tuchproduktion in England und den Niederlan­

den auch exportgetrieben war. Neben dieser herausragenden Rol­

le verblassen die anderen öffentlichen Güter, an denen auch

Dritte zu partizipieren vermochten, wie etwa der stetige Kampf

gegen die Seeräuber im Mittelmeer, die Logistikdienste für die

Kreuzfahrer, die sich verbreitenden nautischen Kenntnisse, die

Öffnung von Byzanz und der Romania für den Handel, die Poli­

zeiaufsicht in der Adria, der militärische Schutz der Griechen

gegen die Osmanen und die Versorgung des internationalen Han­

dels mit einem allgemein akzeptierten Zahlungsmittel aus Sil­

ber- und Goldmünzen als Weltgeld und als wichtiges Gläubiger­

land mit Weltkredit 43•

5.5. Der hegemoniale Niedergang als Folge des osmanischen Auf­

stiegs und der Verlagerung der Gewürzrouten

Der hegemoniale Niedergang 4 4 Venedigs ist eher auf externe Her­

ausforderungen und weniger auf interne Ursachen zurückzufüh­

ren. Venedig sah sich einer Zangenbewegung von osmanischer Ex­

pansion im Osten und portugiesischer Expansion im Westen aus­

gesetzt, der es nicht viel mehr als hinhaltenden Widerstand

entgegensetzen konnte. Der historische Zufall wollte es, dass

deren symbolisch herausragende Daten, nämlich die veneziani­

sche Niederlage gegen die Osmanen in der Seeschlacht bei Zon-

43 Vgl. zu diesem sicher nicht zu gering einzuschätzenden Aspekt das monu­mentale Werk "Mo;ey and Banking in Medieval and Renaissance Venice". Bd. 1:Frederic C. Lane/Reinhold C. Mueller, Coins and Moneys of Account. Bd. 2:Reinhold C. Mueller, Panics and Public Debt, 1200-1500. Baltimore 1985,1997.44 Vgl. dazu den Sammelband von Pullan 1968.

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chio und die Landung von Vasco da Gama im indischen Calicut

auf dasselbe Jahr 1499 fielen. Der eigentliche Hegemonialkon­

flikt 11 erfolgte im Osten, während die portugiesische Konkur­

renz im Westen nur langsam und nie wirklich durchschlagend

wirkte. Letzteres ist eine der Erklärungen, warum der Nieder­

gang Venedigs sich über einen so langen Zeitraum erstreckte.

Seit Mitte des 15. Jahrhunderts hatte die Expansion der Osma­

nen auf dem ehemaligen Territorium von Byzanz immer mehr an

Fahrt gewonnen. Konsequenz war ein 1416 beginnender Konflikt

zwischen Venedig und den Osmanen um die Führungsposi tion im

östlichen Mittelmeer, um das Erbe des Byzantinischen Reiches.

Zu einem Zeitpunkt, als Venedig immer noch auf Expansionskurs

war (Einrichtung der 6. Galeerenroute an die Berberküste 1436,

Posi tionsgewinne in Dalmatien 1420, Korinth 1422 und Saloniki

1423), als noch Nachhutgefechte mit Genua geführt wurden (1431

Seeschlacht bei Portofino und erfolgloser Angriff auf Chios),

trat im Osten der neue mächtige Herausforderer bereits auf den

Plan. Die Osmanen waren als Steppenvolk ursprünglich wie die

Mongolen eine reine Territorialmacht, die aber später ernst­

hafte maritime Ambitionen im Mittelmeer, im Roten Meer und im

Persischen Golf bis nach Nordindien entwickelten. 1431 erober­

ten sie Saloniki, ein erster Rückschlag für Venedig, und

schließlich 1453 Konstantinopel selbst trotz tatkräftiger mi­

litärischer Unterstützung von Seiten der Genuesen und zögerli­

cher Unterstützung von Seiten der Venezianer. Damit war nicht

nur das Byzantinische Reich an sein endgültiges Ende gekommen,

die Osmanen kontrollieren seitdem auch den Zugang zum Schwar­

Zen Meer und waren bemüht, die ehemaligen byzantinischen Be­

sitzungen auf dem Balkan wie in Kleinasien und der Levante zu

erobern.

Zunächst versuchte sich Venedig mit der neuen Situation zu ar­

rangieren. Einerseits verstand man sich als Garantiemacht für

Griechenland, andererseits suchte man die wirtschaftliche Po-

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sition im Osten durch ein Arrangement mit den Osmanen zu be­

haupten. Zu diesem Zweck wurden 1451 und 1454 Verträge ge­

schlossen, die Venedig weiterhin den wirtschaftlichen Zugang

unter Freihandelsbedingungen garantieren sollten. Als die Os­

manen allerdings 1460 eine Invasion in Dalmatien unternahmen

und damit in die Adria eindrangen und 1462 Argos besetzten,

war das der lange abzusehende und befürchtete Kriegsgrund für

Venedig. Im ersten Osmanischen Krieg (1463-1479) konnte sich

Venedig noch halbwegs behaupten. Die zweite Erweiterung des

Arsenals (1473) und die Aufstockung der Reservegaleeren bis

auf 100 war eine äußerste Anstrengung, um wenigstens der mari­

timen Expansion der Osmanen standzuhalten, wenn man schon de­

ren territoriale Expansion nicht stoppen konnte. Dass Venedig

die Eroberung von Negroponte und damit den faktischen Verlust

der Romania im Jahre 1470 zulassen musste, lässt sich bereits

als Wendepunkt in der relativen maritimen Stärke beider Mächte

interpretieren.

Ein perspektivisch wichtiger Nebenschauplatz ist der Umstand,

dass im fraglichen Zeitraum die Po.r t uq.i e s eri die Zuckerproduk­

tion auf Madeira nach venezianischem Muster (Zypern und Kreta)

aufnahmen. Damit verließ das Kolonialsystem den Mittelmeerraum

in Richtung Westen. Auch auf dem Zuckersektor , dem zweiten

Bein neben dem Fernhandel, kündigte sich also Konkurrenz an.

Zwar vermochte Venedig im Verlaufe des Krieges mit den Osmanen

seine Position in Zypern zu verbessern, erst ein Protektorat

über die Insel zu errichten und sie dann vollends zu annektie­

ren, gleichzeitig eroberten die Osmanen aber Caffa (1475) und

kontrollierten seit 1477 das gesamte Schwarze Meer. Der erste

Friede von 1479 sah weitere osmanische Zugewinne in Albanien,

Negroponte und der Ägäis. Venedig geriet vollends in die De­

fensive, als die Osmanen im folgenden Jahr Rhodos angriffen,

weiter in der Adria vordrangen, und sogar Otranto an der Süd­

spitze des italienischen Festlandes von See aus einnahmen. Nur

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der Tod des osmanischen Herrschers Mehmet (der Eroberer) 1481

wendete das Schicksal. Die Osmanen zogen sich wieder aus Ita­

lien zurück. Diese maritimen Aktivitäten stellten aber unter

Beweis, dass sie eine veritable Seemacht geworden waren, deren

Arsenale eine vergleichbare Leistungsfähigkeit wie das der Ve­

nezianer entwickelt hatte.

Der zweite Krieg mit den Osmanen (1499-1503) brachte den ei­

gentlichen Wendepunkt. Die relativen Machtpositionen Venedigs

und der Osmanen kreuzten sich. Die Seeschlachten bei Zonchio

1499 und 1500 markierten die Wende. Trotz aller Anstrengungen

war Venedig nicht mehr in der Lage, den überlegenen Ressourcen

der Osmanen Gleichwertiges entgegenzusetzen, nicht mehr in der

Lage, genau wie zu früheren Zeiten gegenüber Genua, die Ver­

luste des Vorjahres wettzumachen. Insbesondere fehlten die Ru­

derer, Seeleute und Soldaten zur Bemannung der Galeeren, wäh­

rend die Osmanen auf ein schier unerschöpfliches personelles

Reservoir zurückgreifen konnten und ihre Verluste immer wieder

ausglichen.

Hinzu kam eine waffentechnische Überlegenheit, die strategisch

und taktisch eingesetzt wurde. Erstmals wirkte die Artillerie

schlachtenentscheidend, weil - Galeerenschlachten wurden immer

in Küstennähe ausgefochten - die Osmanen sehr erfolgreich ihre

Küstenbatterien zum Einsatz brachten und in geschickter Weise

die Manöver der Schiffe in Küstennähe mit diesen Batterien ko­

ordinierten45 • Auch kamen auf türkischer Seite Schiffsgeschütze

zum Einsatz, die nicht nur auf Galeeren, sondern auch auf Se­

gelschiffen postiert waren. Damit wurde erstmals aus einer

Seeschlacht, die trotz der Bogenschützen auf den Decks längs­

seits gegangener Galeeren Mann gegen Mann ausgefochten wurde,

ein echter Distanzkampf. Der Vorteil der waffentragenden Rude­

rer auf den venezianischen Galeeren gegenüber den unbewaffne-

45 Vgl. dazu Frederic C. Lane, Naval Actions and Fleet Organization, 1499­

1502. In: Hale 1973, S. 146-173.

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ten Rudersklaven auf den osmanischen Galeeren war kompensiert,

das alte Dilemma durch die neue Kampf taktik (Distanzkampf)

aufgelöst. Das Ende der Galeere als "Hauptkampfschiff", die

bis zum Ende des 15. Jahrhunderts das Mittelmeer beherrscht

hatte, und damit das Ende einer Ära kündigte sich an. Die Che­

mie (Pulver) löste die Mus kelkraft (Ruder, Bögen, Schwerter)

ab. Der kommandierende venezianische Admiral erwies sich als

unfähig, mit dieser neuen strategischen und taktischen Si tua­

tion - der Kombination von Galeere, Segelschiff, Schiffskanone

und Küstenbatterie - umzugehen. Das Ergebnis des zweiten Krie­

ges war der Verlust der wichtigsten Militärstützpunkte in

Griechenland, der Festungen Modon und Koran, die die Fahrten

in die Romania kontrolliert hatten. Venedig blieben nur noch

die Inseln, während das Festland um die Ägäis herum in osmani­

sche Hand geriet.

Während im Osten die Militärrnacht Venedigs getroffen wurde,

erfolgte im Westen der Anschlag auf die Handelsmacht Venedig.

1499 erfuhr man in Venedig, dass eine portugiesische Flotte in

Indien gelandet war und dort versuchte, den Gewürzhandel, der

bislang via Persischem Golf oder Rotem Meer nach Europa ge­

langt war, unter Kontrolle zu bringen. Die Idee lautete, die­

sen auf portugiesischen Schiffen um Afrika herum auf der At­

lantikroute nach Europa zu transportieren, damit arabische

Zwischenhandelsprofite und die hohen mamelukischen Durchgangs­

zölle in Alexandria von 100 Prozent zu umgehen, den Venezia­

nern das Geschäft am europäischen Ende der Kette abzujagen und

Antwerpen zum neuen Zentrum des europäischen Gewürzhandels zu

machen. Mit dieser Strategie traf man den wirtschaftlichen

Nerv Venedigs.

Um dieser Strategie zum Erfolg zu verhelfen, mussten die Por­

tugiesen nicht nur versuchen, die Gewürze direkt in Indien o­

der Indonesien zu kaufen, sondern auch den arabischen Handel

auf den alten Routen zu unterbinden, also die Zufahrten zum

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Persischen Golf und zum Roten Meer zu blockieren, indem sie

Hormuz und Aden eroberten. Damit richteten sie sich aber glei­

chermaßen gegen die Mameluken, die wie Venedig ein Glied des

Zwischenhandels zwischen Asien und Europa stellten. 1502 und

1505 waren die portugiesischen Bemühungen immerhin so erfolg­

reich, dass erstmals venezianische Galeeren in Beirut und Ale­

xandria keinen Pfeffer mehr laden konnten. Die Reaktion er­

folgte prompt in einer gemeinsamen Anstrengung von ägyptischem

Sultan und venezianischem Dogen gegen den neuen gemeinsamen

Konkurrenten. 1509 erschien eine mamelukische Galeerenflotte

vor dem Diu in Indien, um die dortige portugiesische Flotte

anzugreifen. Das Holz zum Bau der Galeeren wurde von Venedig

aus dem Schwarzmeerraum geliefert, die Ruderer stammten aus

Griechenland. Aber diese offensive Abwehrschlacht blieb er­

folglos. Die Galeeren waren gegen die mit Kanonen bestückten

portugiesischen Galeonen chancenlos. Auch hier zeigte sich,

dass Venedig und seine Verbündeten die Zeichen der Zeit nicht

erkannt hatten und zu lange auf eine veraltete Technik (Galee­

re für den Nahkampf statt Galeone für den Distanzkampf) ge­

setzt hatten 4 6•

Umgekehrt gelang es zwar den Portugiesen, Hormuz und damit den

Eingang zum Persischen Golf zu besetzen, der Versuch, auch A­

den zu erobern, scheiterte allerdings mehrfach. Stattdessen

entsandten sie eine jährliche Flotte aus Goa, die den Zugang

zum Roten Meer kontrollieren bzw. sperren sollte, was aber nie

so richtig gelang. Damit ergab sich im Mittleren Osten ein

Patt. Portugal konnte zwar einen Teil des Gewürzhandels umlei­

ten, die Route durch das Rote Meer blieb aber weitgehend of­

fen, wenn auch die Pfefferpreise aufgrund des höheren Sicher­

heitsaufwandes von Seiten der Mameluken im Roten Meer deutlich

46 Hierzu David Ayalon, Gunpowder and Firearms in the Mamluk Kingdom : AChallenge to a Medieval Society. London 1956; John Francis Guilmartin Jr.,~unpowder and Galleys: Changing Technology and Mediterranean Warfare at Sea1n the Sixteenth Century. Cambridge 1974.

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stiegen4 7• Auch so drückte sich die portugiesische Konkurrenz

auf dem europäischen Pfeffermarkt aus.

Nachdem der Versuch, das Rote Meer zu blockieren, gescheitert

war, suchte Portugal 1517 eine kühne Entscheidungsschlacht.

Eine Flotte wurde von Portugal um Afrika herum ins Rote Meer

geschickt. Dort traf sie auf eine bizarre Gegenkoalition.

1516/17 hatten nämlich die Osmanen Syrien und Ägypten erobert

und damit auch die Interessennachfolge der Mameluken angetre­

ten. Damit trafen die beiden aufsteigenden Mächte auf der

Westflanke (Portugal) und der Ostflanke (Osmanen) Europas im

Süden erstmalig unmittelbar aufeinander. Vor Jidda kam es zu

einer Seeschlacht zwischen portugiesischen Galeonen und osma­

nisch/mamelukischen Galeeren, die von Venedig und Ragusa, der

neuen Handelsstadt unter osmanischer Oberhoheit an der dalma­

tinischen Küste, unterstützt wurden. Technisch, wenn man so

will, eine Schlacht zwischen der aufstrebenden atlantischen

Moderne und dem absteigenden mediterranen Mittelalter. Die Ga­

leeren konnten sich im flachen und von Riffen durchsetzten Ro­

ten Meer letztmals durchsetzen. Portugal als kleine europäi­

sche Randmacht war einfach zu schwach, um tatsächlich eine um­

fassende Hegemonialordnung im Atlantik östlich der Tordesil­

las-Linie und im Indik bis in die Ausläufer des Roten Meeres

und des Persischen Golfes hinein zu errichten. Damit blieb das

Patt vorläufig erhalten. Die Gewürzroute über das Rote Meer

blieb offen. Auch die Route über den Persischen Golf, den

Euphrat und an die syrische Küste konnte nicht völlig von Por­

tugal unterbunden werden. Der alte Karawanenhandel wurde noch­

mals wiederbelebt 48 • Jedenfalls verkehrten die Galeeren nach

Beirut und Alexandria bei allerdings abnehmender Bedeutung

47 Vgl. dazu Frederic C. Lane, Pepper Prices before da Gama. In: Journal ofEconomic History 28.1968. S. 590-597.48 Vgl. dazu Niels Steensgaard, Carracks, Caravans and Companies: The Struc­tural Crisis in the European-Asian Trade in the Ear1y 17th Century. Kopen­hagen 1973; ferner Frederic C. Lane, The Mediterreanean Spiee Trade: Fur­ther Evidence of Its Revival in the Sixteenth Century. In: Pullan 1968.

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noch bis in die 1550er Jahre 4 9• Das lag aber nicht nur an der

Verlagerung der Handelsrouten auf dem Atlantik, sondern auch

daran, dass ihr kostspieliger, weil so personalintensiver Ein­

satz gegenüber den Segelschiffen im Mittelmeer nicht mehr

wettbewerbs fähig war. Deren Transport wurde durch die Bestü­

ckung mit Kanonen sicherer. Die These leuchtet deshalb ein,

dass erst das Auftreten der Niederländer auf den mediterranen

und asiatischen Schauplätzen seit etwa 1570 bzw. 1600, die

dort Venedig bzw. Portugal den Rang abliefen, das wirkliche

Ende des Gewürzhandels auf der alten Route und damit auch für

Venedig bedeutete5 0•

Ganz im Westen gab es ein Problem ganz anderer Art. Der Höhe­

punkt der Galeeren nach Flandern war unter der Herrschaft

Heinrich VII. (1485-1509) erreicht. Sein Nachfolger, Heinrich

der VIII. griff zu protektionistischen Maßnahmen, die gegen

den Wollexport gerichtet waren und die Wollverarbeitung in

England fördern sollten. Damit ging der englische Zweig der

Rückfracht für die Flandern-Galeere verloren, ein Grund, warum

diese Route 1532 eingestellt wurde 51•

Diese Hinweise machten deutlich, dass Venedig nicht nur einen

Hegemonialkonflikt mit den Osmanen im östlichen Mittelmeer zu

führen hatte, sondern aufgrund seiner komplexen internationa­

len Mittlerrolle auf vieles reagieren musste, und dass auch

der Auf- und Abstieg dritter und vierter Mächte Wirkungen

zeigte. Venedig war, weil es sich gegenüber den beiden Flügel­

mächten im Westen und im Osten Portugal und Osmanisches

Reich kommerziell wie militärisch behaupten musste, immer

weniger in der Lage, das von ihm errichtete Handelsregime noch

durchzusetzen. In dem Maße, wie diese Fähigkeit schwand, sor­

tierte sich das System neu und andere Mächte traten auf den

49So auch die Belege von Ashtor 1974, S. 38.

50Vorwort des Hrsg. In Pullan 1968, S. 20f.

51Vgl. dazu Ruddock 1940.

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Plan, die die Zuständigkeit für internationale öffentliche Gü­

ter für sich reklamierten.

Das Bild bliebe unvollständig, wenn die internen Gründe für

den Niedergang nicht berücksichtigt würden. Hier sind vor al­

lem zwei zu identifizieren: Das zu lange Festhalten am Galee­

rensystem und der Anspruch, neben der Seemacht auch noch Ter­

ritorialmacht in Italien sein zu wollen. Venedig war zweifel­

los dank seines Arsenals und des ausgefeilten Systems der Ga­

leere da Mercato lange Zeit die führende Seemacht im Mittel­

meer. Aber es hielt zu lange an dem fest, was seine einstige

Stärke begründet hatte und wollte die Zeichen der Zeit nicht

erkennen. Der Höhepunkt im Bau von Handelsgaleeren war erst

1504 erreicht, als die Portugiesen längst in den Indik vorge­

drungen waren. Das Segelschiff war zwar in einer herkömmlichen

Seeschlacht aufgrund seiner begrenzten Manövrierfähigkei t der

Galeere unterlegen, seit es aber mit Kanonen bestückt wurde,

konnten Seeschlachten aus der Distanz geführt und gewonnen

werden. Dies war vor Diu erstmals der Fall. Die Galeone war im

Grunde eine schwimmende Festung mit zwei Kastellen am Heck und

am Bug, die zum Feind transportiert werden konnte und nicht

defensiv den Angriff des Feindes zu erwarten hatte. Sowohl die

Osmanen (in Zonchio 1490) wie die Portugiesen in Diu (1509)

hatten bewiesen, dass die Artillerie schlachtentscheidend sein

konnte und dass das Segelschiff, richtig eingesetzt, der Ga­

leere überlegen war. Da es auch mit viel kleinerer Besatzung

auskam, stellte sich das Problem des Mangels an Ruderern nicht

mehr. Venedig benötigte für eine große Flotte von 100 Galeeren

immerhin 18.000 Ruderer! Außerdem war die Galeere ein Fahr­

zeug, das aufgrund seiner geringeren Seetüchtigkeitund des

großen Proviant- und Wasserbedarfs der zahlreichen Mannschaft

nur in Küstennähe operieren konnte. Die Flanderngaleere war

logistisch die äußerste mögliche Anstrengung. Ansonsten war

sie ein Fahrzeug, das im Mittelmeer, im Schwarzen Meer, im Ro­

ten Meer, im Persischen Golf, vielleicht noch an der nordindi-

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schen Küste verkehren konnte, nicht aber über den Atlantik in,

die Neue Welt, um Afrika herum und quer durch den Indik fahren

konnte. Es muss allerdings festgehalten werden, dass die Por­

tugiesen (oder gar Spanier) den Venezianern keineswegs bezüg­

lich der Segelschifftechnologie überlegen waren. Die wichtigs­

ten Innovationen waren bereits im Mittelmeer von Genua (und

Venedig) für den Mittelmeerraum vollzogen worden, bevor sie im

Atlantik zum Einsatz kamen 52• Venedigs Versäumnis war es, die

Galeeren rechtzeitig aufzugeben und sich se1ber auf die Atlan­

tik-Routen zu begeben, um dort die Konkurrenz mit Portugal of­

fensiv auszutragen.

Venedig hatte aus heutiger Sicht gleich mehrere strategische

Fehler begangen: Zu langes Festhalten an der Galeere, Unter­

schätzung der Bedeutung der Schiffsartillerie und zu langes

Festhalten an den alten Routen. Eine frühzeitige Umstellung

auf die neue Konstellation hätte auch Venedig in die Lage ver­

setzt, am Atlantikhandel zu partizipieren. Es ist nicht ein­

sehbar, wieso das viel kleinere und finanziell viel schwächere

Portugal zwangsläufig Venedig den Rang abgelaufen hat. Dies

hätte allerdings auch bedeutet, dass die Italiener sich in die

Konflikte zwischen Kastilien und Po r t.uqa L, die 1494 in Torde­

silIas vorläufig gelöst wurden, hätten einmischen müssen.

Der zweite strategische Fehler war der Versuch, sich auch noch

als italienische Territorialmacht zu etablieren. Damit wurde

Venedig in die Konflikte des italienischen Staatensystems ein­

bezogen, sah sich Bündnissen wie der Liga von Cambrai im Jahre

1509 ausgesetzt. Diese war als westlich-christliches Bündnis

gegen die Koalition von Venedig mit den Mameluken geschlossen

worden. Auch wenn letztere gegen Portugal gerichtet war, so

schien Venedig aus der Perspektive der italienischen Staaten

doch zu mächtig und zu orient freundlich . Die Niederlage bei

52So auch Lane 1992, S. 44.

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Agnadello gegen die geballte Macht von Reich, Papst, Spanien

und Frankreich war der Preis.

Venedig musste also an beiden Fronten stark sein. Als Seemacht

und Lagunenstadt unterhielt es eine Marine von etwa 30.000

Mann, als Territorialmacht auf dem italienischen Festland ein

Söldnerheer von 40.000 Mann. Beides verschlang zu große Res­

sourcen, ein klassischer Fall von imperialer Überdehnung. Der

Unterhalt des Arsenals wurde immer aufwendiger und kostete En­

de des 16. Jahrhunderts allein 25-30 Prozent des Staatshaus­

halts 53, totes Kapital, da Venedig seine Galeeren nicht mehr

bemannen konnte, weil es über eine zu geringe Bevölkerung ge­

bot. Hinzu kam die wachsende Holzknappheit, die es nötig mach­

te, schließlich den ganzen Alpenraum als Nachschubregion ein­

zubeziehen. Das Vorrücken der Osmanen in Dalmatien und im

Schwarzen Meer beeinträchtigte und versperrte den veneziani­

schen Zugang zu alternativen Holzregionen. Venedig konnte sich

letztlich nicht entscheiden, ob es weiterhin Scharnier im Han­

del zwischen Orient und Okzident bleiben oder Teil des italie­

nischen Staatensystems werden wollte.

Am Ende verlor es an allen Fronten, konnte immer nur hinhal­

tenden Widerstand leisten, seinen Abstieg zwar verlangsamen,

aber nicht verhindern. Die Einführung der Seeversicherung als

Ersatz für die die Handelsschifffahrt schützende Kriegsgaleere

war zwar eine raffinierte und kostengünstige Innovation aber

keine dauerhafte Lösung. Es verlor sowohl in der Galeerenkon­

kurrenz zu den Osmanen wie in der Segelschiffskonkurrenz ge­

genüber den Portugiesen und später Niederländern. Bewaffnete

Segelschiffe waren schneller, sicherer und wirtschaftlicher,

da sie mehr Ladung bei weniger Mannschaft zu transportieren

vermochten. Die Zölle und Zwischenhandelsprofite der Mameluken

und Venezianer flossen in die Taschen zuerst der Portugiesen

53Vorwort des Herausgebers in Pullan 1968, S. 7.

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und später der Niederländer. Der Atlantikhandel war aufgrund

der langen Distanzen und der Notwendigkeit zur eigenen Präsenz

in Asien per se zwar nicht billiger aber eine Alternative, die

militärisch durchsetzbar war und Venedig langfristig das Was­

ser abgrub.

Genua hatte aus der neuen Situation frühzeitig die Konsequenz

gezogen. Es wandte sich nach Westen und verlegte sich beschei­

dener auf die bloße Finanzierung der Ambitionen der Portugie­

sen und Spanier. Venedig wollte sich im Osten behaupten, konn­

te zwar noch lange als wichtiger maritimer Bündnispartner der

Spanier in deren Rivalität mit den Osmanen bestehen, war aber

nur noch Juniorpartner. Sich als Seemacht und Territorialmacht

zu behaupten und dabei noch auf eine veraltete Schiffstechnik

zu setzen, dazu waren seine Kräfte zu schwach angesichts der

neuen europäischen Flügelmächte.

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FORSCHUNGSBERICHTE

aus dem Institut für Sozialwissenschaften (ISW)

Das Institut für Sozialwissenschaften gibt Forschungsberichte heraus, die die Forschungsarbeiten derMitarbeiter und Mitarbeiterinnen dokumentieren. Die Nummern 1-15 sind als Forschungsberichtedes Seminars für Politikwissenschaft und Soziologie erschienen.

I. Krieger, IngridILompe, Klaus: Zur Lebenslage von Frauen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ­ein Ost-West-Vergleich. Erste Interpretation empirischer Ergebnisse und Konsequenzen für dieInstrumente des "zweiten" Arbeitsmarktes. November 1993.2. Aufl. April 1994. 52 S.

2. Lompe, Klaus (Hrsg.): "Von der Automobilregion zur Verkehrskompetenzregion". Die Region alspolitisches und ökonomisches Handlungsfeld für die Steuerung politischer, sozialer und technolo­gischer Innovationen. Januar 1994. 3. Aufl. April 1994. 52 S.

3. Vogel, Ulrike: Fachengagement und Studienerfolg bei Ingenieurstudentinnen und -studenten. ZurEntwicklung verallgemeinerungsfähiger Aussagen in einer qualitativen Studie. April 1994. 30 S.

4. Menzel, Ulrich: Der Flug des Drachen. Nachholende Modemisierung in Ostasien aus entwick­lungspolitischer Perspektive. Mai 1994. 83 S. (vergriffen)

5. Lompe, Klaus/Blöcker, Antje/Lux, Barbara/Syring, Oliver: Neue Formen der Kooperation undder wissenschaftlichen Politikberatung in der Region - Wirkungen und Folgeaktivitäten des HBS­Projektes: "Regionale Bedeutung und Perspektiven der Automobilindustrie" unter besonderer Be­rücksichtigung der Gewerkschaften als regionale Akteure der Wirtschafts- und Strukturpolitik inSüdostniedersachsen. September 1994. 125 S.

6. Hummel, Hartwig: Weltmacht wider Willen? Japan in der internationalen Politik der neunzigerJahre. Januar 1995.40 S.

7. Lompe, Klaus (Hrsg.): "Perspektiven der Regionalisierung der Strukturpolitik in Niedersachsen".Dokumentation eines Workshops am 21.10.1994 in Braunschweig. Februar 1995. 103 S.

8. Lompe, KlauslWarnecke, Dirk: "Die Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen als Diversifi­kationsstrategie zur Beschäftigungssicherung in der Region Südostniedersachsen? - Dokumentati­on eines Symposiums am 9.2.1 995 in Wolfsburg/Fallersleben. Juni 1995. 100 S.

9. Vogel, Ulrike: Zur Qualifikation von Studentinnen und Studenten der Ingenieurwissenschaften.Empirische Ergebnisse. September 1995.40 S.

10.Gambe, Annabelle/Hummel, Hartwig/Menzel, Ulrich/Wehrhöfer, Birgit: Die Ethnisierung inter­nationaler Wirtschaftsbeziehungen und daraus resultierende Konflikte. Entwurf eines For­schungsprojekts. Oktober 1995. 32 S. (vergriffen)

11.Hummel, HartwiglWehrhöfer, Birgit: Geopolitische Identitäten. Kritik der Ethnisierung einer sichregionalisierenden Welt als paradigmatische Erweiterung der Friedensforschung. Januar 1996. 33S.

12.Lompe, KlauslMangels-Voegt, Birgit/Düsing, Ralf/Fricke, GeraldIVlcek, Olaf: Zur Diskussionabnehmender Handlungsfähigkeit des Zentralstaates und der Rolle neuerdezentraler Verhand­lungssysteme. Februar 1996. 136 S.

13.Menzel, Ulrich: Lange Wellen und Hegemonie. Ein Literaturbericht. Februar 1985.2. Aufl. No­vember 1996. 58 S.

14.Gambe, Annabelle: Overseas Chinese Entrepreneurship in Southeast Asia. November 1996. 145S.

15.Vogel, Ulrike/Capello, Claudia: Zur Steigerung der ,,Attraktivität" des Ingenieurstudiums. Vorar­beiten zu einem empirischen Projekt. Dezember 1996. 45 S.

16.Hummel, Hartwig: "Japan Bashing". Die Ethnisierung der Handelsbeziehungen zu Japan im poli­tischen Diskurs der USA. Februar 1997.68 S. (vergriffen)

17.Wehrhöfer, Birgit: Der französische Migrationsdiskurs als Beitrag zur ethnischen GrenzziehungEuropas. Februar 1997; 2. Aufl. Juli 1998.87 S.

18.Menzel, Ulrich: The West Against the Rest. Samuel Huntingtons Rekonstruktion des Westens.Mai 1997; 3. überarb. u. erw. Aufl. August 2003.42 S.

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19.Lompe, Klaus/Schinnacher, Andrea/Warnecke, Dirk: Regionales Risikokapital und Existenz­gründung. September 1997. 185 S.

20.Menzel, Ulrich unter Mitarbeit von Katharina Varga: Theorie der Internationalen Beziehungen:Einführung und systematische Bibliographie. Oktober 1997. 3. Aufl Oktober 1998. 151 S.

21.Hummel, Hartwig: Der neue Asianismus. Die Ethnisierung der Handelsbeziehungen zu den USAim politischen Diskurs Japans. November 1997. 76 S.

22.Gambe, Annabelle: Competitive Collaboration: Western Liberal and Overseas Chinese Entrepre­neurship in Southeast Asia. November 1997. 101 S.

23.Wehrhöfer, Birgit: Das Ende der Gemütlichkeit. Ethnisierung im deutschen Migrationsdiskursnach dem Ende des Ost-West-Konflikts. November 1997. 121 S. (vergriffen)

24.Gambe, Annabelle/Hummel, Hartwig/Menzel, UlrichlWehrhöfer, Birgit: "Kampf der Kulturen" inden internationalen Wirtschaftsbeziehungen? Februar 1998.2. Aufl. Oktober 1998. 95 S.

25.Vogel, Ulrike/Capello, Claudia/Meinel, Tanja/Brants, Oliver/Carsten, Ingo: Zum Interesse amTechnikstudium bei Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. April 1998. 91 S. (vergriffen)

26.Lompe, Klaus (Hrsg.): Verbundspezifische Projekte im Rahmen regionalisierter Strukturpolitik inNordrhein-Westfalen. Dokumentation eines Workshops am 12.11.1998. Januar 1999. 59 S.

27.Dietz, Bernhard/Menzel, Ulrich: "Brandstifter" oder Anwälte des demokratischen Friedens? DieRolle der Medien in bewaffneten Konflikten. Untersucht anhand politischer Entscheidungsprozes­se der deutschen Bundesregierung in ausgewählten militärischen Konflikten der 1990 Jahre. Ent­wurf eines Forschungsprojekts. März 1999.2. Aufl. Februar 2001. 34 S.

28.Vogel, Ulrike/Capello, Claudia /MeineI, Tanja/Brants, Oliver/Carsten, Ingo: Zur Steigerung derAttraktivität des Ingenieurstudium. Bericht über Maßnahmen im Studium. März 1999.127 S.

29.0kfen, Nuria: Das Asia-Europe-Meeting - Eine neue Partnerschaft? März 1999. 2. Aufl. Januar2000.95 S.

30.Menzel, Ulrich: Jenseits des Staates oder Renaissance des Staates? Zwei kleine politische Schrif­ten. März 1999.2. Aufl. Januar 2000.59 S.

31.Vogel, UlrikelMeinel, Tanja/Capello, Claudia/Brants, Oliver/Thomas, Dirk: Zur Effizienz desMagisterstudiengangs an der TU Braunschweig. März 1999. 48 S.

32.Lipper, Tobias: Die Realität des Virtuellen. Grundüberlegungen zur empirischen Usenet-Forschung. Mai 1999.53 S.

33.Hummei, Hartwig: Schwindet die Bedeutung der UNO? Juli 1999.21 S.34.Rehfeld, Dieter: Regionalisierungsprozesse - eine Zwischenbilanz. Februar 2000. 52 S.35.Dietz, Bernhard: Medienberichterstattung, "Öffentliche Meinung" und Außenpolitik. Grundele­

mente eines interdisziplinären Forschungsansatzes. Februar 2000. 48 S.36.Vogel, Ulrike/Hinz, ChristianaIBrants, OliverlThomas, Dirk: Befragungen von Absolventinnen

und Absolventen sowie Studierenden zur "Attraktivität" des Ingenieurstudiums. März 2000. 57 S.37.Vogel, UlrikelFröhlich, Evelin: Frauen und Männer im Ehrenamt im Landkreis Gifhom. März

2000.53 S.38.Matthias, Maik: Internet Governance. Der Wandel des Domain Name Service. April 2000. 87 S.39.Menzel, Ulrich: Eurozentrismus versus ReOrientierung. Die Rückkehr der großen Theorie in die

entwicklungspolitische Debatte. Oktober 2000. 30 S.40.Vogel, UlrikelFröhlich, Evelin: Frauen und Männer im neuen Ehrenamt im Landkreis Gifhom.

November 2000. 40 S.41.Kämmer, Olaf: Internet oder Chinanet. Chinesische Datennetze zwischen Modemi­

sierungserfordernis und staatlichem Kontrollanspruch. Dezember 2000. 43 S.42.Vogel, Ulrike/Hinz, Christiana/Thomas, Dirk: Studienprobleme und Gefahren des Studienab­

bruchs im Ingenieurstudium. Februar 2001.90 S.43.Priesernann, Christina/Vogel, UlrikelHahn, ManuelalWenzel, Gabriele/Priesemann, Thomas:

Lokale Abfallwirtschaft und Entsorgungsverhalten von Frauen und Männern. Juni 2001. 238 S.(vergriffen)

44.Böckmann, Britta/Rademacher, Horst/Schramm, Michael: Innovative Berufs- und Ausbildungsak­tionen für Straffällige, Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung eines Projekts desNds. Justizministeriums und der Europäischen Kommission als EU-Projekt nach Art. 6 der ESF­Verordnung. Januar 2002. 184 S.

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45.Rölke, Peter: Mitbestimmung 2000 (I). Methoden- und Ergebnisbericht einer Belegschaftsumfra­ge bei der Salzgitter AGIPPS. Dezember 2001.141 S.

46.Heinrich, KatharinaIVogel, Ulrike: Bildungsentscheidungen nach Schicht und Geschlecht. Eineempirische Untersuchung zu Studierenden der Ingenieurwissenschaften an einer Fachhochschule.März 2002. 172 S. (vergriffen)

47.Menzel, Ulrich unter Mitarbeit von Stefan Jahns: Ausländische Studierende an der TU Braun­schweig. Bestandsaufnahme und hochschulpolitische Empfehlungen. März 2002. 154 S.

48.Rölke, Peter: Mitbestimmung 2000 (Il). Methoden - und Ergebnisbericht einer Belegschaftsum­frage bei der EKO Stahl GmbH. März 2002. 169 S.

49.Lompe, Klaus (Hrsg.): Bilanz und Perspektiven der Montanmitbestimmung. Dokumentation einesSymposiums am 1.3.2002. Oktober 2002. 116 S.

50.Vogel, UlrikelHinz, Christiana: Biographische Erfahrungen und Karriere-Entscheidungen beiFrauen auf dem Weg in Führungspositionen der Wissenschaft. Februar 2003. 196 S.

51.Huk, Thomas: Multimediales Lernen - ein Überblick über die Forschungslandschaft. Juni 2003.34 S.

52.Huk, Thomas/Lipper, Tobias/Steinke, MattiaslFloto, Christian: CRlMP: MedienwissenschaftlicheUntersuchung multimedialer Lernsoftware - ein Forschungsansatz. Juni 2003. 42 S.

53.Menzel, Ulrich: Die neue Hegemonie der USA und die Krise des Multilateralismus. Juni 2003.60S. 2. Aufl. Dezember 2003.

54.Loges, Bastian: Gibt es ein Regime humanitärer Intervention unter dem Dach der Vereinten Nati­onen? September2003. 88 S. 2. Aufl. Januar 2005.

55.Lompe, KlauslWeis, Hinrich: Arbeits-Stadt-Region 2030 Südostniedersachsen. Oktober 2003.142 S.

56.Blöcker, Antje: ArbeitnehmerInnen - Beteiligung an Regionalisierungsprozessen in Südost­niedersachsen und Südniedersachsen. Oktober 2003.46 S.

57.Loges, Bastian/Menzel, UlrichlUlbricht, Sascha: Die Debatte um humanitäre Intervention, dieDoktrinen der USA und die Regimebildung durch die Vereinten Nationen. Dezember 2003.43 S.2. Aufl. Oktober 2007.

58.Burges, Katharina: Internationale Beziehungen in Deutschland. Vorgeschichte und institutionelleAnfänge bis zum Beginn der 1960er Jahre. Mit einem Vorwort von Ulrich Menzel. Februar 2004.203 S.

59.Menzel, Ulrich: Anarchie der Staatenwelt oder hegemoniale Ordnung? Mai 2004. 26 S.60.Vogel, UlrikelHinz, Christiana: Karrieren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an

Hochschulen. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung in den Fachgebieten Mathematik undSozialwissenschaften. Juli 2004. 215 S.

61.Loges, Bastian: Die Neue Weltordnung und das Regime humanitärer Intervention, Die Politik derUSA im UN-Sicherheitsrat 1989-1991. September 2004. 62 S.

62.Köhne-Finster, Sabine: "Und es kommt jeden Tag etwas Neues auf mich zu." Eine empirischeUntersuchung zur Lebenssituation ehemaliger Wohnungs loser im Westlichen Ringgebietl Braun­schweig. Januar 2005. 93 S.

63.Thobaben, Henning: Der Wasserkonflikt im Jordanbecken. Kooperationspotentiale im Wassersek-tor als Beitrag zur Lösung des Nahostkonflikts? Februar 2005. 115 S.

64.Köhne-Finster, Sabine: Genderaspekte in der sozialen Stadtteilentwicklung, August 2005.65 S.65.Heere, Gerald: Ulrich Menzel- Werke und Wirkungen 1974-2005. Oktober 2005.258 S.66.Stübig, Steffen: Humanitäre Interventionen als Bestandteil von US-Sicherheitsstrategie von 1990. bis 2004. Oktober 2005. 146 S.

67.Rebe, Bemd: Lembuch des Urheberrechts. Dargestellt in Schaubildern und Fallbeispielen aus derRechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Januar 2006.205 S.

68.Köhne-Finster, Sabine (Hrsg.): Das Siegfriedviertel in Braunschweig. Eine sozialräumliche Be­trachtung. Februar 2006. 165 S.

69.Menzel, Ulrich: Globalisierung und Global Governance I: Foliensatz zur Vorlesung im WS2005/06. März 2006. 188 S.

70.Menzel, Ulrich: Globalisierung und Global Governance 11: Foliensatz zur Vorlesung im SS 2006... September2006. 146 S. .

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71.Birke, Gero: Nationale und internationale Ansätze zur Regulierung von Private Military Compa­nies. September 2006. 175 S.

72.Himmelmann, Gerhard: Wandlung des "Modells Deutschland" zur "Shareholder-Gesellschaft".Die "Deutschland AG" im Prozess der Globalisierung/Internationalisierung. September 2006.27 S.

73.Gunkel, Adrian/Krieger, Ingrid: Studentische Lebenslagen an der TU Braunschweig - Lebens­lagen auf dem Grenzniveau? Empirische Ergebnisse einer Untersuchung unter Studentinnenund Studenten der TU und HBK. Januar 2007.56 S.

74.Eichner, Detlef: Politikdidaktische Zugänge im Kontext von Ökonomie und Gesellschaft amBeispiel von Betriebs- und Berufserkundungen in Kindertagesstätten und Kindergärten. Febru­ar 2007.31 S.

75.Menzel, Ulrich: Internationale Politische Ökonomie (IPÖ). Foliensatz zur Vorlesung im WS2006/07. März 2007. 203 S.

76.Mangels-Voegt, Birgit/Paul, Regine: Politikvermittlung und Fernsehen in Deutschland. Zwi­schen "gewollter" Entpolitisierung und verfassungsrechtlicher Bindung an den Willensbil­dungsauftrag. März 2007.48 S.

77.Mangels-Voegt, Birgit/Paul, Regine: Herausforderung demografischer Wandel. NachhaltigeHandlungsstrategien fiir die Arbeitswelt. März 2007.46 S.

78.Menzel, Ulrich: Imperium oder Hegemonie? Folge 1: Song-China 960-1204. April 2007. 49 S.79.Menzel, Ulrich:lmperium oder Hegemonie? Folge 2: Pax Mongolica 1230 - 1350 und die

Globalisierung vor der Globalisierung. Juni 2007. 58 S.80.Menzel, Ulrich: Imperium oder Hegemonie? Folge 3: Genua und die mediterrane Weltwirt­

schaft 1261 - 1350. September 2007.63 S.81.Menzel, Ulrich: Einfiihrung in die Internationalen Beziehungen (IB). Foliensatz zur Vorlesung

im SS 2007. Oktober 2007.194 S.82.Menzel, Ulrich: Imperium oder Hegemonie? Folge 4: Die frühen Ming (1368-1435) und die

Restauration des.Tributsystems. November 2007.68 S.83.Menzel, Ulrich: Imperium oder Hegemonie? Folge 5: Venedig - Seemacht mit imperialem

Anspruch 1381-1499. Dezember 2007. 74 S.

Die Forschungsberichte können beim Institut fiir Sozialwissenschaften zum Selbstkostenpreis zzgl.7% Mehrwertsteuer + Portokosten bestellt werden.Anschrift: Bienroder Weg 97,38092 Braunschweig, Tel. 0531-391-8917, Fax 0531-391-8918

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