Die Historisch-Kritische Methode Im Licht der Bibel

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    Eta Linnemann

    Originaloder Flschung

    Historisch-kritische Theologie

    im Licht der Bibel

    Christliche Verlagsgesellschaft

    Dillenburg

    Christliche Literatur-Verbreitung

    Bielefeld

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    1. Auflage 19942. Auflage 1999

    Teilweiser Nachdruck von Eta Linnemann:Wissenschaft oder Meinung? Anfragen und AlternativenVTR Zhringerstrae 15a 90475 Nrnberghttp://www.clx.net/vtr

    1994 by CLV Christliche Literatur-VerbreitungPostfach 11 01 35 33661 Bielefeld

    Umschlag: Dieter Otten, GummersbachSatz: CLVDruck und Bindung: Elsnerdruck, Berlin

    ISBN 3-89397-754-6 (CLV)ISBN 3-89436-086-0 (CVD)

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    Inhaltsverzeichnis

    Einleitung 7

    Anmerkungen zum Studiumder historisch-kritischen Theologie 11

    Der Glaube der Theologieund die Theologie des Glaubens 34

    Die Denkweise der historisch-kritischen Theologie 46

    Exkurs: Verfhrungen 58

    Die Bibel und der moderne Mensch 65

    Gottes Wort 76

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    Einleitung

    Warum sagen Sie NEIN zur historisch-kritischen Theolo-gie? Diese Frage wurde mir gestellt und ich mchte vorabauf sie antworten:Mein NEIN zur historisch-kritischen Theo-logie entspringt dem JA zu meinem wunderbaren Herrn undHeiland Jesus Christus und zu der herrlichen Erlsung, die Erauf Golgatha auch fr mich vollbracht hat.

    Als Schlerin von Rudolf Bultmann und von Ernst Fuchs, vonFriedrich Gogarten und Gerhard Ebeling habe ich die bestenLehrer gehabt, welche die historisch-kritische Theologie mirbieten konnte. Auch sonst war ich keineswegs zu kurz ge-kommen: Mein erstes Buch erwies sich als ein Bestseller. Ichwurde ordentliche Professorin fr Theologie und Methodikdes Religionsunterrichtes an der Technischen Universitt inBraunschweig. Aufgrund meiner Habilitation ernannte manmich zur Honorarprofessorin fr Neues Testament an dertheologischen Fakultt der Philipps-Universitt in Marburgund nahm mich als Mitglied in die Society for New TestamentStudies auf. Ich durfte mich der zunehmenden Anerkennungdurch meine Kollegen erfreuen.

    Geistig beheimatet in der historisch-kritischen Theologie,

    war ich fest davon berzeugt, mit meiner theologischenArbeit Gott einen Dienst zu tun und einen Beitrag zu leistenzur Verkndigung des Evangeliums. Dann aber musste ich aufgrund von Einzelbeobachtungen und -informationenebenso wie aus Selbsterkenntnis einsehen, dass bei dieserwissenschaftlichen Arbeit am Bibeltext unter dem Strichkeine Wahrheit herauskommen kann und dass diese Arbeit

    der Verkndigung des Evangeliums nicht dient.Damals war das nur eine praktische Erkenntnis, aus Erfahrun-gen gewachsen, die ich nicht lnger wegzuleugnen ver-mochte. Inzwischen hat mir Gott durch Seine Gnade und SeinWort auch theoretische Einsicht gegeben in den Charakterdieser Theologie: Anstatt im Worte Gottes gegrndet zu sein,hat sie Philosophien zu ihrem Fundament gemacht, welche

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    sich entschieden haben, Wahrheit so zu definieren, dass Got-tes Wort als Quelle der Wahrheit ausgeschlossen und derGott der Bibel, der Schpfer Himmels und der Erde und Vater

    unseres Heilandes und Herrn Jesus Christus auf der Grund-lage dieser Voraussetzung nicht denkbar ist.

    Heute darf ich erkennen, dass sich in dem Monopolcharakterund der weltweiten Verbreitung der historisch-kritischenTheologie Gottes Gerichtvollzieht (Rm 1,18ff.). Gott hat esin Seinem Wort vorhergesagt: es wird eine Zeit sein, dasie gesunde Lehre nicht ertragen knnen, sondern nach ihreneigenen Lsten selbst Lehrer aufhufen, weil es ihnen in denOhren kitzelt (2Tim 4,3). Er hat auch verheien, dass ereine wirksame Kraft des Irrwahns sendet, dass sie derLge glauben (2Thes 2,11).

    Gott ist nicht tot; Er hat auch nicht abgedankt, sondern Erregiert und Er vollzieht bereits das Gericht an denen, die Ihn

    fr tot erklren oder als einen Gtzen deklarieren, der wederGutes noch Bses tut.

    Heute wei ich, dass ich jene anfnglichen Einsichten der vor-laufenden Gnade Gottes verdanke. Zunchst aber fhrten siemich in eine tiefe Frustration, auf die ich mit Abgleiten inSchte reagiert habe. Ich versuchte, mich zu betuben; ichwurde ein Sklave des Fernsehens und geriet in zunehmende

    Abhngigkeit vom Alkohol.Als ich vor dem Hintergrund eigener bitterer Erfahrung dieWahrheit des Bibelwortes erkennen konnte: Wer sein Lebengewinnen will, der wird es verlieren (Mt 10,39), fhrte Gottmich zu lebendigen Christen, die Jesus persnlich als ihrenHerrn und Heiland kennen. Ich durfte ihre Zeugnisse hren,in denen sie berichteten, was Gott in ihrem Leben getan hat.Schlielich sprach Gott selber durch das Wort eines Bruderszu meinem Herzen und durch Seine groe Gnade und Liebehabe ich mein Leben Jesus bergeben.

    Er hat es sogleich in Seine Heilandshnde genommen unddamit angefangen, es radikal zu verndern. Ich wurde freivon der Sucht, war hungrig und durstig nach Seinem Wort

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    und nach Gemeinschaft mit Christen und ich durfte Sndeklar als Snde erkennen, fr die ich bisher nur Entschuldigun-gen gehabt hatte. Ich kann mich noch an die herrliche Freude

    erinnern, als zum ersten Mal Schwarz wieder Schwarz undWei wieder Wei fr mich wurde und aufhrte, zu einemunterschiedslosen Grau ineinanderzuflieen.

    Etwa einen Monat nachdem ich mein Leben Jesus bergebenhatte, wurde ich von Gott berfhrt, dass Seine VerheiungenRealitt sind. Ich hrte den Bericht eines Wycliff-Missionars,

    der in Nepal diente. Er teilte mit, dass sein Sprachhelferwhrend seiner Abwesenheit ins Gefngnis gekommen war,weil es in Nepal verboten ist, Christ zu werden und was dieser

    junge Christ bei der Gerichtsverhandlung gesagt hatte. Auf-grund von frheren Berichten, in denen ich von diesemSprachhelfer gehrt hatte, war mir augenblicklich klar, dass erdiese Antwort niemals aus seinem eigenen Vermgen htte

    geben knnen. Markus 13,9-11 drngte sich in mein Bewusst-sein ein Wort, das ich bisher nur mit akademischem Interessezur Kenntnis genommen hatte und ich konnte nicht umhin,zuzugeben, dass diese Verheiung hier erfllt war.

    Schlagartig wurde ich davon berfhrt, dass Gottes Ver-heiungen Realitt sind, dass Gott ein lebendiger Gott ist unddass Er regiert. Denn so er spricht, so geschiehts; so er

    gebeut, so stehts da (Ps 33,9). Alles, was ich in den Mona-ten vorher an Zeugnissen gehrt hatte, fgte sich in diesemAugenblick wie Puzzle-Stcke ineinander und mir wurdemeine Torheit bewusst, angesichts dessen, was Gott heutetut, zu behaupten, die Wunder, welche im Neuen Testamentberichtet werden, seien nicht passiert. Schlagartig wurdemir klar, dass ich fr meine Studenten ein blinder Blinden-

    leiter gewesen warund ich tat Bue darber.

    Etwa einen Monat danach stand ich ohne Zutun von Men-schen, allein in meinem Kmmerlein vor der Entscheidung,entweder die Bibel weiter durch meinen Verstand zu kontrol-lieren oder mein Denken durch den Heiligen Geist verwan-deln zu lassen.

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    An Johannes 3,16 wurde mir diese Entscheidung klar, dennich hatte inzwischen die Wahrheit dieses Wortes erfahren. Esmachte jetzt mein Leben aus, was Gott fr mich und fr die

    ganze Welt getan hat seinen lieben Sohn dahinzugeben.Das konnte ich nicht mehr als ein unverbindliches Theologu-menon eines mehr oder weniger von der Gnosis beein-flussten theologischen Schriftstellers beiseite schieben. AufGottes verbindlicher Zusage kann der Glaube ruhen. Theolo-gische Stze sind nur von akademischem Interesse.

    Durch Gottes Gnade durfte ich dann Jesus als den erfahren,dessen Name ber alle Namen ist. Ich durfte erkennen, dassJesus Gottes Sohn ist, von der Jungfrau geboren, dass Er derMessias und Menschensohn ist und Ihm solche Titel nichtdurch menschliche berlegungen beigelegt wurden. Ichdurfte die Inspiration der Heiligen Schrift zunchst erkennenund dann auch lebendig erfahren.

    Ich habe nicht durch Reden von Menschen, sondern durchZeugnis des Heiligen Geistes im Herzen klare Erkenntnis,dass mein verkehrtes Lehren Snde war und bin froh unddankbar, dass mir diese Snde vergeben wurde, weil JESUSsie ans Kreuz getragen hat. Deshalb sage ich NEIN zur histo-risch-kritischen Theologie.

    Nach wie vor erachte ich alles, was ich gelehrt und geschrie-ben habe, bevor ich Jesus mein Leben bergab, fr einenDreck. Ich mchte die Gelegenheit benutzen, um darauf hin-zuweisen, dass ich meine beiden Bcher Gleichnisse Jesu und Studien zur Passionsgeschichte samt meinenBeitrgen in Zeitschriften, Sammelbnden und Festschriftenverworfen habe. Was sich davon in meiner Wohnung befand,habe ich 1978 eigenhndig in den Mll getan und bitte Sieherzlich, mit dem, was sich davon etwa noch auf IhremBcherbord findet, das Gleiche zu tun.

    Dr. Eta Linnemann,Prof. i.R.

    5. Juli 1985

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    Anmerkungen zum Studium der

    historisch-kritischen TheologieVorbemerkung: An der Formulierung des Themas wurde An-sto genommen. Man hat gesagt, es msse heien: An-merkungen zumStudium der historisch-kritischen Methode.

    Dazu liee sich manches sagen; ich mchte mich jedoch aufzwei Bemerkungen beschrnken:

    1. Die Formulierung historisch-kritische Theologie hlt sichdurchaus im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauchs.Wenn jemand zum Beispiel erzhlt, dass er zu einer Kneippkurfhrt, dann wei man, was er dort verordnet bekommt: Was-sertreten, Kniegsse und hnliches mehr. Exakt msste es frei-lich heien: Er fhrt zu einer Kur, in der er nach den weilandvon Pfarrer Kneipp gefundenen Methoden behandelt wird.Jeder wei, dass eine Kneippkur nach diesen Methoden er-folgt und sich gerade darin von anderen Kuren unterscheidet.

    Ebenso ist es in der Theologie. Die Theologie, wie sie heuterings um den Erdball sowohl in Ost-West- als auch in Nord-Sd-Richtung an den meisten Universitten gelehrt wird unddie ganz gewiss in Deutschland an den staatlichen Universit-

    ten das Monopol hat und den Alleinvertretungsansprucherhebt, basiert auf der historisch-kritischen Methode. Dieseist nicht nur Grundlage in den exegetischen Disziplinen. Sieentscheidet auch darber, was der Systematiker sagen kannund was man ihm abnimmt und wie man in Katechetik,Homiletik und Ethik vorzugehen pflegt. Vielleicht ist dasdenen, die darin leben, gar nicht so bewusst. Das Historisch-

    kritische hat wirklich wie ein Sauerteig den Teig diegesamte Universittstheologie durchdrungen. Wenn manaber stndig mit Sauerteig arbeiten muss, nimmt man denGeruch wahrscheinlich gar nicht mehr wahr, obwohl er, mitVerlaub gesagt, stinkt.

    2.Meine frheren Kollegen, mit denen ich bei den Meetingsder Society for New Testament Studies Gemeinschaft hatte,

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    wrden sich streng dagegen verwahren, wenn man sie alshistorisch-kritische Methodiker einstufen wrde anstatt alsTheologen. Denn sie selber verstehen sich als Theologen und

    wollen als solche ernst genommen werden. Dann ist es aberdoch wohl nicht verkehrt, ihre Arbeit als historisch-kritischeTheologie anzusprechen und nicht blo von historisch-kriti-scher Methode zu reden.

    Es liee sich gewiss noch mehr dazu sagen. Aber lassen wir esdabei bewenden und kommen zur Sache.

    A. Der Grundansatz der Theologie als Wissenschaft

    1. Es wird geforscht, ut si Deus non daretur, d.h. die RealittGottes wird von vornherein theoretisch ausgeklammert, auchwenn die Forscher einrumen, dass er sich in seinem Wortbezeugen knne.

    2. Der Mastab, an dem alles gemessen wird, ist nicht GottesWort, sondern das Prinzip der Wissenschaftlichkeit. Aus derSchrift entnommene Angaben ber Ort und Zeit, Handlungs-ablufe und Personen werden nur soweit akzeptiert, wie siesich mit den anerkannten Unterstellungen und Theorien inEinklang bringen lassen. Alles brige wird als unwissen-schaftlich abgewiesen. Die Wissenschaftlichkeit ist zumGtzen geworden.

    3. Voraussetzung der wissenschaftlichen Theologie ist dieEinordnung der Bibel und des christlichen Glaubens in dieVergleichsebene mit anderen Religionen und ihren heiligenSchriften. Auch da, wo man das Besondere des Christentumsbetont, ist die allgemeine religionswissenschaftliche Einord-nung die Grundvoraussetzung. Diese Vergleichsebene istaber keine Tatsache, keine Gegebenheit, sondern sie ist eineAbstraktion, ein Kunstgebilde, das man gewonnen hat auf-grund der Abwendung vom lebendigen Gott. (Wer Theologiestudiert, wird zwangslufig mit seinem Denken auf denBoden dieser lgenhaften Unterstellung versetzt.)

    4. Der Begriff Heilige Schrift wird religionsgeschichtlichrelativiert: Da auch andere Religionen ihre heiligen Schriften

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    htten, knne man nicht von vornherein davon ausgehen,dass die Bibel die Heilige Schrift sei. Deshalb wird mit ihrumgegangen wie mit jedem anderen Buch. Man macht kei-

    nen Unterschied in der Untersuchung der Bibel und derUntersuchung der Odyssee, wenngleich man in solcherUntersuchung Unterschiede zwischen beiden feststellt.

    Gerade im Feststellen solcher Unterschiede meint man derVerkndigung des Evangeliums einen Dienst zu tun. Manbersieht dabei, dass man in solchem Vergleichen das WortGottes zu religisen Vorstellungen und theologischen Be-griffen reduziert und dadurch aus dem lebendigen Worteinen toten Buchstaben macht. Erst auf der Kanzel wird dasoffenbar, wenn der Prediger sich vergeblich darum bemht,diesen toten Buchstaben zum Reden zu bringen und schlie-lich versucht, ihm mit Hilfe von Psychologie, Soziologie, So-zialismus und anderen -ismen Leben einzuhauchen.

    5.Man geht mit der Bibel nicht so um, dass man sie als Got-tes Wort respektiert.

    a) Es wird unterstellt, dass Bibelwort und Gotteswort nichtidentisch sind. Das, was zwischen den beiden Buchdeckelndes Bibelbuches an Gedrucktem stehe, sei an und fr sichnoch nicht Gottes Wort. Gottes Wort sei es lediglich dann,wenn es sich je und dann beim Lesen oder im Hren der Pre-

    digt als solches erweise.b)Man spielt das Neue Testament gegen das Alte aus, bis hinzu der Unterstellung, dass der Gott des Neuen Testamentsnicht derselbe sei, denn Jesus habe einen neuen Gottesbegriffgebracht. Paulus wird gegen Jakobus ausgespielt. Es wirdauch behauptet, der Paulus der Apostelgeschichte sei nichtvereinbar mit dem Paulus, der die Briefe an die Rmer,

    Korinther, Galater usw. geschrieben habe. Der Apostelge-schichte wird vielfach nur literarischer Wert zuerkannt. AlsBerichterstatter wird Lukas ebensowenig ernst genommenwie als Theologe; ja, seine Theologie, die man anstelleeiner treuen Wiedergabe des Geschehenen in jedem Satz ver-mutet, wird geradezu als negatives Paradebeispiel herausge-stellt. Mit grotesken literarkritischen Methoden, die sich

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    sofort ad absurdum fhren lieen, wenn man sich nur einmaldaran machte, sie auf das biografisch berschaubare Werkeines Dichters oder eines Theologen sagen wir Johann

    Wolfgang von Goethe oder Karl Barth anzuwenden, wur-den fr die Pastoralbriefe und fr den Epheser- und Kolosser-brief Behauptungen der Unechtheit aufgestellt und werdenunbesehen von einer Theologengeneration an die nchsteberliefert. Unterschiede zwischen einzelnen Bchern derHeiligen Schrift werden aufgebauscht und als Unvereinbar-keiten hochgespielt.

    c) Da man nicht an die Inspiration der Schrift glaubt, kannman nicht annehmen, dass die einzelnen Bcher der Schriftsich ergnzen. Man findet durch dieses Vorgehen in der Bibelnur noch ein paar Hnde voll unverbundener schriftstelleri-scher Erzeugnisse. Man rumt zwar ein, dass sich in ihnen derGlaube ihrer Verfasser bezeugt, aber man will nicht sehen,dass sich in ihnen der bezeugt, an den diese Verfasser glau-ben. Anders gesagt, man lsst sie nicht als Offenbarung gel-ten. Sie werden nur als schriftstellerische und theologischeErzeugnisse betrachtet. Als solche zwei- bis dreitausendJahre alt, von antiken Verfassern fr antike Leser geschrieben,in Verhltnissen, die nach historisch-kritischer Untersuchungangeblich vllig anders als die unsern sind, bescheinigt manihnen, alles andere als aktuell zu sein.

    d) Um dem Anspruch der Verbindlichkeit gerecht zu werden,den der Kanon fr die Kirche hat und natrlich auch zur eige-nen Orientierung, sucht man nach dem Kanon im Kanon.Fr einige bleibt nicht viel mehr brig als Rmer 7, der barm-herzige Samariter, Lukas 10 und das Gleichnis vom Weltge-richt, Matthus 25. Bei anderen fllt dieser Kanon im

    Kanon breiter aus. An diesem Mastab wird dann die ganzeBibel gemessen und es wird ausgesprochen oder unausge-sprochen Sachkritikgetrieben. Mit dem Rmerbrief wirdder Jakobusbrief abgewertet; vom paulinischen Glaubensver-stndnis wird 1. Korinther 15,5-8 kritisiert: Paulus sei hiernicht auf der Hhe seiner Theologie, da er von der Auferste-hung Jesu wie von einer historischen Tatsache rede.

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    e) Da man in den biblischen Bchern nur Erzeugnisse theolo-gischer Schriftsteller sieht, wird das einzelne Bibelwort zueinem unverbindlichen Theologomenon. Johannes 3,16

    zum Beispiel ist demnach nur eine theologische Aussage einesurchristlichen Theologen, der gegen Ende des 1. Jahrhun-derts sein Evangelium geschrieben hat und der entwederGnostiker (d.h. ein Hretiker) war oder die Gnosis mit Hilfeihres Vokabulars bekmpfte oder nur mehr oder weniger vonder Gnosis einer antichristlichen, teilweise auch pseudo-christlichen Heilslehre beeinflusst wurde. Anders gesagt:

    Fr die historisch-kritische Theologie ist Johannes 3,16 keineverbindliche Heilszusage Gottes, sondern nur eine unver-bindliche Menschenmeinung.

    In gleicher Weise verfhrt man mit smtlichen Gottesver-heiungen in der Bibel, obwohl sie doch nach Gottes WortJa und Amen in Jesus Christus sind (2Kor 1,20).

    6. Die Heilige Schrift wird als Text verstanden, welcher derAuslegung bedarf.

    Der unmittelbare Zugang zur Schrift wird zwar nicht bestrit-ten, aber er wird in Frage gestellt als subjektive, nur fr denAuslegenden selbst verbindliche existentielle Interpreta-tion und ohne einen vorherigen Durchgang durch die histo-risch-kritische Interpretation allein im Privatgebrauch fr

    zulssig erklrt.Verantwortliche Auslegung fr andere, z.B. in Predigt undUnterricht habe methodisch, nach Regeln, zu erfolgen,damit sie kontrollierbar sei. Der Heilige Geist, der weht, wo erwill, wird beiseitegestellt, weil kein Mensch jederzeit garan-tieren knne, dass er ihn hat (so Rudolf Bultmann). An seineStelle wird die Auslegungsmethode gesetzt, welche dieObjektivitt der Auslegung und ihre Angemessenheit an denBibeltext garantieren soll.

    Doch, der im Himmel sitzt, spottet ihrer. Abgesehen von eini-gen Grundannahmen und der bereinstimmung in denMethoden kann man sicher sein, dass da, wo sich zwei Theo-logen ber Ergebnisse ihrer Arbeit austauschen, in der Regel

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    zwei verschiedene Meinungen zutage treten. Wo dagegenBibellehrer, die Gottes Wort wrtlich nehmen, im Vertrauenauf den Heiligen Geist mitteilen, was sie empfangen haben,

    wird man immer wieder die Einheit im Geist und die berein-stimmung in der Lehre feststellen knnen quer durch Kon-fessionen, Kontinente und Zeitalter.

    7. Der nicht erklrte, aber praktizierte Grundsatz alttesta-mentlicher und neutestamentlicher Wissenschaft ist: So, wiees dasteht, kann es auf keinen Fall gewesen sein. Der Exegetist darauf eingestellt, Schwierigkeiten im Bibeltext zuentdecken und zu lsen. Je besser der Ausleger ist, umsogrer wird seine Findigkeit darin sein. Denn wenn er als Pro-fessor etwas taugen will, muss er sich einen Namenmachen. Dazu ist er verpflichtet, wenn er nicht ein Dieb seinwill, der sein Professorengehalt umsonst bezieht. Er ist in derZwangslage: Er muss nach Menschenehre trachten, auchwenn er charakterlich alles andere als ehrschtig ist. DemCharakter nach sind die meisten meiner frheren Kollegenweithin eher demtig und bescheiden, wie ich ihnen gernebescheinige. Aberdurch das System der Universittstheolo-gie stehen sie unter dem Zwang, sich einen Namen zumachen und nach Menschenehre trachten zu mssen.

    Unser Herr Jesus aber sagt: Wie knnt ihr glauben, die ihrEhre voneinander nehmt und die Ehre, die von dem alleinigenGott ist, nicht sucht? (Joh 5,44).

    Ein Theologiestudent, der dem Bedrfnis nach Anerkennungdurch Menschen noch nicht gestorben ist, steht unter demgleichen Druck. Kein Wunder, dass viele glubige Theologie-studenten bald ernsthafte Glaubensschwierigkeiten haben.Oft ist es auch so, dass sie vom Glauben abdriften, ohne es

    selber wahrzunehmen. Es bleibt so einiges hngen von dem,was sie gelernt haben wie sollte es anders sein? Dazu stu-dieren sie ja doch. Es werden Abstriche gemacht an GottesWort. Es wird ihm nicht mehr alles abgenommen, was er sagtund deshalb wird auch seine Kraft nicht mehr so erfahren.Die Pastoralbriefe sind nicht von Paulus, hat man gelernt;der Verfasser des Johannesevangeliums ist natrlich nicht

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    der Zebedaide Johannes, die 5 Bcher Mose sind nicht vonihm, sondern aus verschiedenen Quellen zusammengeschrie-ben. Wer das im 6. Semester noch nicht gelernt hat, gilt als

    bescheuert und so wird der Weinberg von den kleinenFchsen verwstet. Das sieht alles so harmlos aus: Das sinddoch alles nur Kleinigkeiten, nicht entscheidend fr den Glau-ben, was hngt schon daran. Aber die Autoritt des WortesGottes wird dadurch in Frage gestellt. Es verliert an Verbind-lichkeit und das macht sich bald dort bemerkbar, wo es unsunbequem wird. Lassen wir uns nicht beirren. Selbst ein Mau-

    seloch kann einen Deich gefhrden. Wenn eine Sturmflutkommt, wird das offenbar.

    8. Der kritische Verstand entscheidet in der historisch-kriti-schen Theologie darber, was in der Bibel Realitt ist undwas es nicht sein kann und zwar aufgrund der alltglichen,jedermann zugnglichen Erfahrung. Nur das wird als Tatsa-

    che genommen, was allgemein fr mglich gehalten wird.Geistliches wird fleischlich beurteilt. Erfahrungen von Got-teskindern werden vllig ignoriert.

    Es kommt aufgrund der Voraussetzungen, von denen manausgeht, gar nicht in den Blick, dass der Herr, unser Gott, derAllmchtige, regiert. Man ist offensichtlich nicht einmal in derLage, Wunder, die heute geschehen, zur Kenntnis zu neh-

    men, selbst wenn sie glaubhaft bezeugt und medizinischnachgewiesen sind. Zumeist bekommt man sie gar nicht erstin den Blick, weil die Bcher, die solches zur Ehre des Herrnberichten, nur in Verlagen erscheinen knnen, deren Verf-fentlichungen fr den historisch-kritischen Theologen vonvornherein und unbesehen unter dem Strich sind und alsErbauungsliteratur abgewertet werden.

    9. Nach ihrem eigenen Selbstverstndnis will die historisch-kritische Theologie Hilfe zur Verkndigung des Evangeliumsleisten durch eine Bibelauslegung, die wissenschaftlich zu-verlssig und objektiv ist. Es besteht jedoch ein ungeheuer-licher Widerspruch zwischen diesem Selbstverstndnis undder Realitt.

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    Dass die Verkndigung des Evangeliums durch einen solchenUmgang mit Gottes Wort nicht gefrdert, sondern behindert wenn nicht gar verhindert wird, das sollte nach dem Vor-

    angegangenen offenbar sein. Aber auch die Objektivitt undwissenschaftliche Zuverlssigkeit der Schriftauslegung, dieman unterstellt, ist keineswegs gegeben. Es stimmt nicht,dass anstelle subjektiver Eindrcke eine gegrndete Wahr-heitsfindung durch Abwgen von Argumenten getreten sei.

    a) Der Widerspruch von Theorie und Praxis, von Ideal und

    Wirklichkeit zeigt sich bereits im Umgang mit der einschlgi-gen Literatur. Der Theorie nach mssten alle einschlgigen,historisch-kritischen Verffentlichungen zum Thema berck-sichtigt werden. In der Praxis erweist sich das angesichts derstndig wachsenden Literaturflut als unmglich.

    Auf der Zeitlinie ist man deshalb zu einer mehr oder weni-ger willkrlichen Beschneidunggentigt. Der Schnitt wird

    entweder in das Jahr 1900 oder in das Jahr 1945 gelegt. Ausder Zeit von 1900 bis 1945 werden nur ausgewhlte Klassikerder historisch-kritischen Theologie benutzt, aus der Zeit vor1900 nur einige wenige Werke.

    Obwohl heute in allen Lndern und Erdteilen historisch-kritische Theologie betrieben wird, bleiben die Verffent-lichungen dieser Theologen oft allein aus dem Grundeunbercksichtigt, weil sie in einer Sprache abgefasst sind, dieihre Kollegen nicht beherrschen. Bereits das Franzsischestellt fr viele angelschsische und deutsche Forscher eineSprachbarriere dar, die zu bersteigen eine Mhe macht, dieman nur bei wichtigen Klassikern auf sich nimmt. Wer abermacht sich schon daran, die Sprachen zu lernen, um dieBcher neugriechischer, spanischer oder japanischer Kollegen

    zu studieren, um nur einige Beispiele zu nennen. Solchesprachlich nicht zugngliche Literatur bleibt fr die Wahr-heitsfindung von vornherein unbercksichtigt.

    Vielfach gibt es obendrein noch Schwierigkeiten bei derBeschaffung der bekannten und sprachlich zugnglichenLiteratur. Wartezeiten bei der Fernleihe knnen ein Viertel-

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    jahr und lnger sein. Ausdrcklich oder stillschweigendbeschrnkt man sich deshalb auf die mir zugnglicheLiteratur.

    Ein in jngerer Zeit zunehmend angewandtes Hilfsmittel,um die Literaturflut einzudmmen, das besonders von Lin-guisten gerne gebraucht wird, ist die grundstzliche Aus-klammerung der einschlgigen Literatur, welche nicht diegleichen Spezialmethoden verwendet.

    Mehr und mehr setzt sich die fragwrdige Technikdurch,

    sich Literatur, deren intensive Bearbeitung eindeutig vomThema her erforderlich wre, dadurch vom Halse zu schaffen,dass man ein solches Buch in einer einzigen Anmerkungnennt und nach einer verzerrten Kurzdarstellung von weni-gen Zeilen so abfllig beurteilt, dass man damit eine weitereBearbeitung ausschliet. Auf diese Weise erspart man sicheine Mhe, welche die eigene Verffentlichung um Jahre ver-

    zgern wrde. Angesichts der bestehenden Verhltnisse kannman das als Notwehr gelten lassen. Allerdings wird bei die-sem Verfahren bersehen, dass dadurch Bcher, welche vonnamhaften theologischen Fakultten als Dissertationen oderHabilitationsschriften angenommen und somit gutgeheienwurden, als indiskutabel hingestellt werden ein Sachver-halt, der bisher anscheinend niemandem aufgegangen ist.

    Als Ergebnis ist festzustellen, dass bereits die Praktiken derLiteraturbenutzung die behauptete Objektivitt der histo-risch-kritischen Theologie in Frage stellen.

    b) Dass Wahrheitsfindung aufgrund von kritischen Argumen-ten stattfindet, ist eine Selbsttuschung:

    Fr entgegenstehende Hypothesen lassen sich in der Regel

    gleichgewichtige Argumente finden, wenn auch nicht beimselben Forscher. Entsprechend der Blickrichtung auf Figur oderGrund springt jedem das ins Auge, was seine eigene Unterstel-lung besttigt. Werden gegnerische Argumente im eigenenBezugsrahmen geprft, erweisen sie sich zwangslufig alsschief. Eine solche berprfung fhrt deshalb in der Regel zurErhrtungundStabilisierung der eigenen These.

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    Die grundstzliche Bereitschaft in der historisch-kritischenBibelauslegung, die eigenen Thesen fr berholbar zu haltenund zur Diskussion zu stellen, bedeutet deshalb keineswegs,

    dass auf diesem Weg Wahrheit ermittelt wrde.Wo im Einzelfall eine Ansicht gendert wird was besondersbei Forschern von Rang nicht allzu hufig vorkommt, werdensofort genauso gute Argumente fr die neue Ansicht gefun-den, denn die Vernunft ist nun einmal eine Hure.

    In der Praxis des Umgangs der Forscher miteinander, abge-

    sehen von den Verffentlichungen,herrscht das Beharren auf

    einmal gewonnenen Positionen vor. Auf die Zusendung vonSonderdrucken wird gerne geantwortet: Ihre Ausfhrungenfinde ich sehr interessant, aber ich kann mich ihnen nichtanschlieen. Grnde werden dafr nicht genannt. Das istkein Charakterfehler, sondern in der Sachlage begrndet: DerProfessor muss in der Lehre ein verhltnismig breitesGebiet reprsentieren und soll in der Lage sein, aus demGesamtbereich alttestamentlicher oder neutestamentlicherForschung Informationen aufzunehmen. Aber nur auf demkleinen Spezialgebiet, das er zur Zeit bearbeitet, kann er sol-chen Fragen wirklich nachgehen. Aber selbst dort ist er durchfrhere Forschungen bereits stark festgelegt, so dass die Auf-nahme neuer Gedanken ein unverhltnismig groes Maan Neubearbeitung erfordern wrde, das sich oft im Rahmender brigen Pflichten: Lehre, Verwaltungsarbeit, Betreuenvon Examensarbeiten und Dissertationen, Arbeit an der Fer-tigstellung eigener Publikationen oder als Herausgeber vonZeitschriften u.a. gar nicht aufbringen lsst.

    Die Aufnahme von neueren Forschungsergebnissen durchForscher, welche sich bereits in einem breiten Bereich eine

    Meinung gebildet haben, wird dadurchzwangslufig willkr-lich. Der Name des Verfassers einer Verffentlichung unddie Schule, welcher derselbe angehrt, entscheiden viel-fach darber, wie dieselben aufgenommen werden.

    Unter diesen Voraussetzungen kann die behauptete Objekti-vitt historisch-kritischer Bibelauslegung von vornhereinunmglich zustande kommen.

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    10. Unter der nachwachsenden Forschergeneration breitetsich vielfach Resignation in Bezug auf Wahrheitaus. Sie wirdausgemnzt in Theorien der Subjektivitt. Eigentlich msste

    sie das Ende wissenschaftlicher Arbeit in der Theologie mar-kieren, wird aber in dieser Weise nicht ernstgenommen. Manmuss sich fragen, ob hier Wissenschaft als Selbstverwirkli-chung getrieben wird. Man darf aber auch nicht bersehen,dass das Verhltnis von Angebot und Nachfrage, das besteht,solange die Kirchen den Zugang zum Pfarramt in der Regelnur ber das Studium an diesen theologischen Fakultten

    freigeben, diesen Fakultten so, wie sie sind, ein gutes Gewis-sen bei ihrer Arbeit gibt.

    11. In zunehmendem Mae ist bei der jngeren Theologen-generation eine sozialistische Unterwanderung festzustellen.An die Stelle des Heilsplanes Gottes und die ewige Erlsung inJesus Christus sind menschliche Ziele der Weltverbesserung

    getreten. Sie werden verbrmt mit willkrlich ausgewhltenWorten des sogenannten historischen Jesus, der je nachSpielart als Sozialreformer oder als Revolutionr gedeutetwird. Vorzugstexte sind: die Gleichnisse vom barmherzigenSamariter (Lk 10,25-37) und vom Weltgericht (Mt 25,31-46), ferner Jesu Wort ber den Sabbath (Mk 2,27-28), wobeidas Wort Menschensohn in Vers 28 einfach als Mensch

    interpretiert wird, was sprachlich mglich ist. Jesu Tischge-meinschaft mit Zllnern und Sndern (Mk 2,15-17) wird alsBeweis genommen, dass er ungerechte soziale Strukturenverndert hat und wir es ihm darin gleichtun sollen.

    Kennzeichnend ist die Theorie vom berbau, mit der dasAlte Testament weitgehend beiseite geschoben wird als

    etwas, das uns nichts angeht. Es wird verstanden ganz oderin Teilen als eine geistige Konstruktion, die Ausfluss damali-ger patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen und buerlicherProduktionsverhltnisse ist und die Funktion hatte, dieselbenzu rechtfertigen und zu stabilisieren. Aufgrund dieser Theoriesind selbst die Zehn Gebote fr uns nicht mehr verbindlich.Jesus habe sie im Liebesgebot aufgehoben. Was aber unter

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    Liebe zu verstehen ist, wird nicht an Gottes Wort abgelesen,sondern fleischlich beurteilt.

    Die Propheten werden als Sozialreformer eingestuft, wofrAmos als Alibi herhalten muss.

    B. Die Praxis der historisch-kritischen Theologie

    1. Wie jede Wissenschaft ist auch die Theologie angewiesenauf Hypothesen. Eine Hypothese ist eine Unterstellung, dassetwas sich so verhlt.

    In den Naturwissenschaften werden aufgrund von Erfahrun-gen Gesetzmigkeiten unterstellt und durch Experimentenachgeprft. In den Geisteswissenschaften dagegen habenHypothesen keineswegs die gleichen Funktionen und kn-nen auch nicht auf dieselbe Weise geprft werden.

    Die alttestamentliche und die neutestamentliche Wissen-schaft haben sich u.a. die Fragestellungen der Geschichts-wissenschaft und der Literarkritik zu eigen gemacht.

    a) In der Geschichtswissenschaft benutzt man vorliegendeSachfunde und sprachliche Zeugnisse als Quellen fr Infor-mationen ber eine vergangene Epoche, in welche man dieseFunde und Zeugnisse datiert. Bei solcher Datierung setztbereits das Unterstellen ein; sie ist ein wichtiger Komplex der

    Hypothesenbildung.Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen:

    Wenn man unterstellt, dass das Gleichnis von den zehnJungfrauen (Mt 25,1-13) nicht von Jesus selbst gesprochenist, sondern erst in der Urgemeinde entstand, dann ordnetman es in einen anderen Zusammenhang ein. Man entnimmtihm dann keine Informationen ber Jesus, sondern ber dieUrgemeinde. Man zieht zu seinem Verstndnis auch nicht dasheran, was man ber Jesus wei, sondern dasjenige, waseinem ber die Urgemeinde bekannt ist.

    Unterstellt man aufgrund der Unterschiede zwischen demJohannesevangelium und den drei brigen Evangelien, dassder Verfasser dieses Evangeliums nicht Johannes, der Jnger

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    Jesu ist, dann zieht diese Unterstellung eine Kette von weite-ren nach sich: In diesem Fall konnte der Verfasser das, was ermitteilt, nicht von Jesu selbst erfahren. Also musste er Vorla-

    gen benutzen. Sofort erhebt sich die weitere Frage, welcherArt die Vorlagen gewesen sind. Daraus folgt die Frage, wiediese Vorlagen von dem eigenen Beitrag des Evangeliumsabzugrenzen sind. Das setzt weitere Unterstellungen inBezug auf dessen Theologie, Tendenz und Gruppenzu-gehrigkeit in Gang. Dabei taucht die Frage nach dem religi-onsgeschichtlichen Hintergrund auf (wobei zwischen dem

    Evangelisten und seinen Vorlagen zu unterscheiden ist): Wel-che Einflsse haben auf den Verfasser des Johannesevangeli-ums eingewirkt? Gnosis? Qumran? Gnostizierendes Juden-tum? Oder orientiert er sich wirklich nur am Alten Testament?Und wenn Gnosis, wie ist seine Beziehung dazu: polemisch?positiv? oder kritisch?

    b) In der Literarkritikhat die Hypothesenbildung eine andereFunktion. Es wird Antwort auf die Frage nach Struktur undberlieferung des Textes gesucht. Unter anderem spielenfolgende Fragen eine Rolle: Mndlich geprgt oder von vorn-herein schriftlich fixiert? Mndlich oder/und schriftlich ber-liefert? Literarisch einheitlich oder nicht? Wurden Quellenbenutzt oder Traditionszusammenhnge oder Einzelberlie-ferungen? Liegt literarische Abhngigkeit vor? Ist mit einerspteren Bearbeitung zu rechnen oder gar mit mehreren?Lassen sich Gesetzmigkeiten in der Formbildung erkennen,die den Aufbau charakterisieren?

    Diese Fragen sind herausgegriffen ohne Zusammenhang undohne Anspruch auf Vollstndigkeit. Auf jede solcher Fragenwird durch Unterstellungen Antwort gegeben. Diese Ant-

    worten lassen sich samt und sonders nicht berprfen. Siesind lediglich ausgewiesen durch Plausibilitt und durch dieKunst des Forschers, seine Unterstellungen mit Argumentenzu begrnden. Sie werden dadurch fr andere Forscherannehmbar, dass sie sich in die Komplexe der bereits mehroder weniger allgemein angenommenen Unterstellungen guteinfgen, d.h. durch einen sorgfltigen Rckbezug auf die

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    bisherige Forschung. Anders gesagt: Die Hypothesenbildungin der alt- und neutestamentlichen Wissenschaft ist ein sichselbst stabilisierendes System.

    Es ist ein miges Spielen mit Gottes Wort, das nicht nachGott fragt, auch wenn der einzelne Forscher in dem Glaubensein kann, damit Gott einen Dienst zu tun. Sehr viel Arbeitund Entbehrung wird darin investiert eine 60-Stunden-Woche ist fr solche Forscher durchaus normal und das einganzes Leben lang, bis die geistigen und krperlichen Krfteverfallen.

    Soll diese Lebensarbeit nicht vergebens sein, dann ist der Alt-oder Neutestamentler darauf angewiesen, dass seine Hypo-thesen Anerkennung finden. Er muss danach trachten, Ehrevon den Menschen zu nehmen. Allein durch dieses wechsel-seitige Ehre-Geben und -Nehmen gewinnt diese Arbeit, wel-che unter so viel Einsatz und Entbehrung geschieht, den

    Schein der Realitt.c) Aufgrund seiner Arbeit gewinnt der Theologieprofessorzwangslufig die feste berzeugung, dass man Gottes Wortnicht verstehen kann, ohne sich die Hypothesengebilde alt-und neutestamentlicher Wissenschaft zu eigen gemacht zuhaben. Er ist wirklich berzeugt davon und deshalb in derLage, diese berzeugung auch seinen Hrern zu bermitteln.

    Da die Studenten sich nie im gleichen Umfang die in lebens-langer Arbeit erworbenen Ergebnisse der Forschung zueigen machen knnen, werden sie unsicher und geraten inAbhngigkeit. Anstatt den Heiligen Geist nicht nur formal zubitten, sondern wirklich von ihm zu erwarten, dass er ihnensein Wort aufschliet, greifen sie nach einem Kommentar,einem Werk, das ein Buch der Bibel Vers fr Vers historisch-kritisch erklrt. Sie werden durch das Studium so daraufgetrimmt, Schwierigkeiten im Text zu entdecken, dasssie gar nicht mehr damit rechnen knnen, ohne Hilfe einesKommentars mit dem Text zurechtzukommen.

    Da jede Unterstellung eine Kette von weiteren Unterstellun-gen nach sich zieht, gengt es berdies, dass zu einem Bibel-

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    wort eine der gelernten Hypothesen ins Gedchtnis kommt,um das Bedrfnis, nachzuschlagen zu wecken.

    Der studierte Theologe ist meistens unfhig, Gottes Reden inSeinem Wort zu vernehmen.

    Deshalb gibt er die ihm eingeimpfte berzeugung, dassallein durch die historisch-kritische Theologie die HeiligeSchrift erschlossen werden knne, an seine Gemeinde weiterund lehrt sie unter Abstrichen, was er selber an der Hoch-schule gelernt hat.

    Je mehr Mhe ihn der Erwerb dieses Wissens gekostet hat, jekostbarer ist es ihm geworden. berdies bringt es ihm dieEhre ein, als Sachverstndiger vor seinen Schlern oderGemeindegliedern zu stehen. Der schlichte Umgang mit Got-tes Wort, der darauf abzielt, ein Tter des Wortes zu werden,verschafft ihm solche Ehre nicht. Denn dabei teilt der HeiligeGeist zu, wem Er will und das muss keineswegs der Herr

    Pfarrer sein.berwltigt durch den Sachverstand des Theologen ver-liert der Schler, der Konfirmand oder das Gemeindeglieddas Zutrauen, er knne selber Gottes Wort verstehen undzumeist auch die Freude am Umgang damit.

    2. Nirgendwo wird so viel geglaubt wie im wissenschaftli-

    chen Studium, zumindest im Studium der Theologie.a) Den einzelnen Hypothesen liegen zwar Argumente zu-grunde, aber der durchschnittliche, ja selbst der sorgfltigereStudent nimmt 80-90% der Hypothesen auf, ohne in derLage zu sein, die Argumente abzuschtzen und zu wgenund etwa 40-50%, vielleicht sogar mehr, ohne die Argu-mente auch nur zu kennen. Denn die Argumente werden in

    den Lehrveranstaltungen im Allgemeinen nur soweit in denBlick gebracht, wie Thesen vertreten werden, die relativ neuund noch nicht allgemein anerkannt sind oder soweit dieAusfhrungen des Lehrenden auf Widerspruch stoen. Einsorgfltiges Einarbeiten in die Lehre kommt im Einzelfall zwarvor, ist aber nicht die Regel und kann es auch nicht sein. Denndas Gebude der Wissenschaft besteht aus einer Vielzahl von

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    Hypothesen, von denen jede einzelne zu ihrer Untersttzungzahlreicher Argumente bedarf.

    b) Eine Reihe von Grundannahmen, die den Charakter einesConsensus Communis haben, d.h. betreffs deren eine allge-meine bereinstimmung unter den Forschern besteht, bildeneinen Raster, ohne den es berhaupt nicht mglich ist, inVorlesungen und Seminaren Informationen aufzunehmenoder zu verarbeiten.

    Diese Grundannahmen werden zwar nicht in der Theorie,

    wohl aber im praktischen Umgang Tatsachen gleichgesetzt,d.h. man geht mit ihnen um, als ob es Tatsachen wren. Wersie solchermaen in sein Denken einbezieht, wird durch siegeprgt und verndert.

    Das Risiko des Theologiestudiums ist deshalb sehr gro,denn diese Vernderungen geschehen zwangslufig undunbemerkt. Man atmet eine Atmosphre ein, die tdlich ist

    wie Kohlenmonoxid und von demjenigen, der sich darin auf-hlt, ebensowenig wie dieses wahrgenommen wird, wennnicht Gottes Gnade in besonderer Weise helfend eingreift.

    c) Objektivitt wissenschaftlicher Arbeit ist weithin Schein.In der Praxis spielen auerwissenschaftliche Elemente eineerhebliche Rolle: z.B. Gruppenbildung, personale Vertretung,der Name des Wissenschaftlers (der in verschiedenen

    theologischen Lagern unterschiedliche Bedeutung habenkann), Schlsselstellungen als Inhaber eines Lehrstuhles oderLeiter eines Institutes, vor allem aber Herausgeber von Zeit-schriften oder Fachberater von Verlagen fr die Publikationvon Reihen.

    d)Scheinbar ist der Student in der Lage, sich ein objektivesUrteil zu bilden. In Wirklichkeit ist seine Informationsauf-

    nahme vorgefiltert. Dieser Filter wird gebildet durch seine Lehrer. Die Wahl des Hochschulortes, oftnach vllig anderen Kriterien als der an der Hochschule vor-herrschenden Richtung getroffen, kann fr die theologischePrgung des Studenten entscheidend sein.

    Gleichermaen wird der Filter gebildet durch die Begren-

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    zung seiner Mglichkeiten zum Buchstudium in der begrenz-ten Studienzeit. Der Student kann nur eine Auswahl verar-beiten und hlt sich deshalb zunchst an das, was ihm emp-

    fohlen wird in den besuchten Lehrveranstaltungen. Aberauch da, wo er unabhngig whlt, bekommt er nur einenAusschnitt in den Blick. Die Literatur, welche ihm in denSeminarbchereien und der Universittsbibliothek zur Ver-fgung steht, ist vorgefiltert. Christliche Literatur von bibel-treuen Verfassern ist weithin tabu. Die Erzeugnisse mancherVerlage gelten von vornherein als indiskutabel und knnen

    im Literaturverzeichnis einer wissenschaftlichen Arbeit nichtangefhrt werden, wenn man sich keine Minuspunkte ein-handeln will. Der Professor kennt sie auch nicht und mansetzt ihn unter Druck, wenn man sie in seiner Arbeit anfhrt.Er msste sie erst einmal anschaffen, sie lesen und sich damitauseinandersetzen. Da er aber ohnehin unter Zeitdruck stehtund von vornherein von der Fragwrdigkeit dieser Druck-

    erzeugnisse berzeugt ist, wird er sie in der Regel abweisen. Heutzutage bietet man den Studenten im Seminar sogar dieMglichkeit an, sich an der Forschung zu beteiligen.Genau gesehen handelt es sich dabei aber entweder um diebernahme von zeitaufwendigen Routineaufgaben, die derProfessor in einem von ihm zuvorbedachten Arbeitsvorhabenerledigt haben mchte oder aber um eine Arbeit mit vorge-fertigten Materialien. Sie verluft dann hnlich, wie Kindermit Lego-Spezialksten ein bestimmtes Haus oder Fahrzeugzusammenbauen. Natrlich sind Abweichungen mglich,aber sie erweisen sich gegenber dem vorgeplanten Modellals nicht optimal, was der Professor oder selbst der ltere Stu-dent mit Leichtigkeit demonstrieren kann. Durch das Mate-rial wird das erwartete Ergebnis sichergestellt; doch schein-bar hat sich der Student selbst berzeugt. Auf diese Weisewerden Rebellen ins System eingebunden. Die Ehre, alsForscher ernstgenommen zu werden, tut das ihrige hinzu.

    3. Der Studienverlauf hat den Charakter einer sekundrenSozialisation. Der Student erfhrt eine starke Prgung. Erkommt als homo novus in das Studium hinein, als einer, der

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    nichts wei und nichts kann und die Gepflogenheiten undSpielregeln nicht kennt. Um akzeptiert zu werden, muss ersich diese Regeln und Gepflogenheiten zu eigen machen und

    dasjenige Knnen und Wissen erwerben, das in seinem Stu-dium zhlt.

    a) Der Student steht unter dem Druck eines gewaltigen Infor-mationsgeflles, das nicht durch pdagogische Staustufenabgemildert ist. Der Professor breitet in Vorlesungen undSeminaren die Ergebnisse seiner Lebensarbeit aus, die auf derArbeit von Forschergenerationen vor ihm beruht, whrenddie Studenten noch Mhe haben, die Methoden zu erfassen,nach denen diese Ergebnisse erarbeitet wurden.

    Angesichts dieses Informationsdruckes ist es schwer, an mit-gebrachten Einsichten aus Gottes Wort festzuhalten, wenndiese als unwissenschaftlich disqualifiziert werden. Vonseiten der Lehrenden begegnet dem glubigen Studenten

    vielfach Widerstand in folgenden Spielarten:Herablassung: Sie werden es schon noch lernen!

    Versuchung: Stellen Sie sich doch wenigstens theoretischauf diesen Standpunkt.

    Verfhrung: Ist denn Ihr Glaube so schwach und trauen SieGott so wenig zu, dass Sie sich auf diese Gedanken nicht ein-lassen wollen?

    So wird er dazu gebracht, sich Gedanken zu eigen zumachen, die dem, was er im Worte Gottes gelernt hat, wider-streiten.

    b) Der Studierende steht zugleich unter einem starken Grup-pendruck. Die Kommilitonen, besonders diejenigen aus denhheren Semestern oder solche, die sich durch besondere

    Begabung auszeichnen, sind Miterzieher, die entscheiden-den Mit-trger dieser Sozialisation. Ein glubiger Student, derauf Grund seiner anderen Einstellung zu Gottes Wort nichtbereit ist, bestimmte Methoden oder Ergebnisse der histo-risch-kritischen Theologie zu akzeptieren, wird meistens dis-kriminiert. Er wird belchelt, verspottet und bei allem heim-lichen Respekt als Auenseiter behandelt. Wenn er seine

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    Ansichten geschickt zu vertreten wei, kann er vielleicht hierund da auch einen Achtungserfolg erringen. Mit einer Aner-kennung seiner Ansichten als gleichberechtigt darf er hchs-

    tens in Einzelheiten rechnen, mit denen er sich nicht zu weitvom Traditionszusammenhang der in Frage stehenden wis-senschaftlichen Disziplin entfernt.

    c) In dem Mae, wie der Student zunehmend in die histo-risch-kritischen Gedankengnge eingeweiht wird, wird erden Menschen entfremdet, mit denen er zuvor im Glaubenverbunden war. Sie knnen jetzt nicht mehr mitreden undes wird ihm schwer, auf sie zu hren. Er versteht sie nichtmehr und wird von ihnen nicht mehr verstanden. Er wird iso-liert und steht in der Gefahr, sich zu berheben. Um so anfl-liger wird er fr den Gruppendruck durch die Lehrenden unddurch die Mitstudenten.

    d) Der Studenthat Arbeiten vorzulegen, in denen er nach-

    weisen muss, dass er sich die Arbeitsweise der historisch-kriti-schen Theologie hinreichend zu eigen gemacht hat. Er stehtunter dem Zwang, selber historisch-kritisch zu denken, zureden und zu schreiben. Ohne besondere Gnade Gottes fhrtdas zu einer schwerwiegenden Vernderung in seinem Den-ken und in seinem Glauben. Er ist nicht mehr derselbe.SeinUmgang mit Gottes Wort wird grundlegend verndert, auchdann, wenn er es zu seiner eigenen Erbauung lesen will. Dasim Studium Gelernte schiebt sich vor das Wort und verstelltihm den Zugang.

    4. In der Praxis des Umgangs mit der christlichen berliefe-rung geschiehtin der historisch-kritischen Theologie das, wasman in der Gnosisforschung mit dem Begriff Pseudomor-phose belegt hat. Pseudomorphose besagt, dass Begriffe

    ihres ursprnglichen Sinnes entleert und mit einem neuenInhalt gefllt werden, der mit dem ursprnglichen Sinn nichtviel mehr als nur den Namen gemein hat. Diese Sinnvertau-schung ist eine Erscheinung, die in der theologischen Wissen-schaft auf Schritt und Tritt vorkommt. Die biblischen Begriffewie Rechtfertigung aus Glauben, Stellvertretung, Gnade,Erlsung, Befreiung, Erbsnde, Glaube, Gebet, Gottessohn-

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    schaft Jesu werden zwar weiterhin gebraucht, aber so, dassdiesen Begriffen ein anderer Sinn unterlegt ist.

    Dass Jesus Gottes Sohn ist, wird z.B. vielfach nicht so verstan-den, dass er Gott von Gott, Licht von Licht, wahrhaftigerGott aus wahrhaftigem Gott ist, sondern lediglich als eineChiffre, die aussagen soll, dass am historischen Jesus etwasBesonderes ist, wodurch er sich von anderen Groen derGeschichte unterscheidet und dass wir es in ihm irgendwie mit Gott zu tun bekommen. In diesem Zusammenhang be-gegnet die Aussage, dass jede Epoche ihr eigenes Geschickhabe und ihre eigene Christologie hervorbringen msse.Diese Formel kenne ich seit 30 Jahren. Ich habe sie frherselbst verbreitet und allen Ernstes auf eine solche Christologiegewartet vergeblich. Es erwies sich, dass diese Formel ledig-lich ein Freibrief war, um das, was uns Gottes Wort von unse-rem Herrn und Retter Jesus sagt, als unverbindlich beiseite zuschieben als Christologie einer vergangenen Epoche.

    Man pflegt zu sagen: Messias sei nur ein Wrdetitel, Gottes-sohn ebenso, Retter desgleichen, den verschiedene Gruppendes Urchristentums Jesus angehngt htten, um seineBedeutsamkeit denjenigen klarzumachen, welche mit die-sen Titeln Heilserwartungen verbanden. Man scheut sichheutzutage nicht zu sagen, Jesus sei durch solche Titel von

    seinen Anhngern hochgejubelt worden. Wer sich auf dieseDenkweise einlsst, der verlsst den einfltigen Glauben anGottes Wort und wird Schaden leiden. Glaubst du, so hastdu, sagt Luther mit Recht. Wenn ich Gottes Wort keinenoder nur halben Glauben schenke in dem, was es ber Jesussagt, dann werde ich Mangel haben an dem, was Er fr michist. Ich werde Jesus nur erfahren entsprechend meinem Glau-

    ben und ich werde bei solcher Einstellung Mangel haben anSeinem Segen und an Gemeinschaft mit Ihm. Lassen wir unsnicht davon abbringen, dass Jesus der Messias, der Gottes-sohn, der Retter ist, auch wenn man uns deswegen denGebrauch einer berholten und unzulnglichen Philosophieunterstellt, weil wir nach ihrer Ansicht bloe Worte fr Tatsa-chen nehmen.

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    Nur einen Heilsbegriff aus der Heiligen Schrift kenne ich, dervon dieser Sinnvertauschung nicht erfasst worden ist: das BlutJesu. Diesen Begriff schiebt man beiseite mit der Behauptung,

    die Rede vom Blut sei ein fragwrdiges berbleibsel aus einerEpoche, in der bei Juden und Heiden blutige Opfer an derTagesordnung waren.

    Nur der Heilige Geist kann uns Licht geben, dass wir dieseSinnvertauschungen durchschauen. Wir drfen Gott dafrum Weisheit bitten. Es sind Lgengewebe vom Feind, so feingesponnen und gewebt, dass man ihnen nur mit Hilfe desHeiligen Geistes beikommen kann. Wir sollten uns nicht tu-schen die Theologieprofessoren glauben, was sie sagen. Siesind selber in diesen Lgennetzen gefangen, bis Gott sie ausGnade herausholt und versetzt aus der Verfgungsgewalt derFinsternis in das Reich Seines lieben Sohnes (Kol 1,13f.).

    Es wird gesagt, die alten Begriffe seien so, wie sie einmal

    ursprnglich gebraucht wurden, den modernen Menschennicht mehr zugnglich und man msse deshalb das, was siemeinen, in die heutige Situation bertragen. Es wird aufge-fordert in Gottes Wort zwischen Gesagtem und Gemeintemzu unterscheiden. Dagegen ist geltend zu machen: AlleSchrift ist von Gott eingegeben und ntze zur Lehre, zurberfhrung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der

    Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zujedem guten Werk vllig zugerstet (2Tim 3,16-18).

    Man sagt, die Heilige Schrift sei Gotteswort und Menschen-wort, wie unser Herr Jesus Gott und Mensch ist nach demBekenntnis der Kirche. Aber in dem gleichen Bekenntnis heites: unvermischt und ungeschieden. Deshalb ist es nicht zuls-sig und auch nicht mglich, zeitbedingtes Menschenwort und

    ewig gltiges Gotteswort auseinanderzuklauben. In einerMischung von Eisenfeilspnen und Sgemehl kann ich dasEisen mit einem Magneten aussortieren. Aber Gottes Wort istkeine Mischung von gltigem Gotteswort und zeitbedingtemMenschenwort, die sich auseinandersortieren liee.

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    C. Konsequenzen

    Diese Zeilen sind nicht zu dem Zweck geschrieben, Men-schen zu verurteilen, fr die doch unser Herr Jesus ans Kreuzgegangen ist. Vielmehr soll das System der historisch-kriti-schen Theologie in seiner Gefhrlichkeit gekennzeichnetwerden, so, wie man auf eine Giftflasche ein entsprechendesEtikett aufklebt, damit niemand aus Versehen daraus trinktund meint, er wrde sich etwas Gutes einverleiben.

    Wenn man wei, was man im Theologiestudium zu erwarten

    hat, dann wird man nicht mehr ohne weiteres den Schlussziehen, dass jemand, der vom Herrn berufen ist, Apostel,Missionar, Evangelist, Hirte oder Lehrer zu werden,selbstver-stndlich Theologie studieren msse.

    In der Welt muss man wenn mglich studieren, um eingutes Einkommen zu erringen und etwas aus seinem Leben

    zu machen. Wir sind aber nicht in der Welt zu Hause,sondern unser Brgerrecht ist im Himmel (Phil 3,20). Wirwerden aufgefordert, uns nicht der Welt gleichzustellen(Rm 12,2). Wir drfen nicht vergessen, dass die Welt unshasst (Joh 15,19; 1Jo 3,13). Wir sind Soldaten Jesu Christiund kein Soldat bewegt sich ohne Marschbefehl, schon garnicht in Feindesland. Sollte er es aber doch tun, dann zieht er

    sich Schwierigkeiten zu.Ein junger Mensch, der vor der Frage steht, ob er diese Theo-logie studieren soll, der sollte mit lauterem Herzen, bereit dieeigenen Plne dranzugeben, Gott fragen, ob das Sein Willeist. Er sollte Klarheit gewinnen, ob er vom Herrn dazu beru-fen ist, nicht nur dazu, ein Gelenk des Dienstes (Eph 4,16)zu werden, sondern ausdrcklich auch zu solchem Studium

    der Theologie.

    Wen der Herr dazu beruft, der begebe sich frhlich undgetrost an die Theologische Fakultt. Er ist ein Gesandter sei-nes Knigs und der wird ihn auch an diesem Ort zu bewahrenwissen. Nur muss er sich mit aller Vorsicht dort bewegen, wiedas ein Soldat in Feindesland tut.

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    Wer zu diesem Theologiestudium keinen Ruf hat, der solltewissen, dass unser Vater im Himmel ber viele Mglichkei-ten verfgt, einen Menschen zum Dienst vorzubereiten:

    Josefwurde nicht an der kniglichen Verwaltungsakademieausgebildet, der zweite im Reich des Pharao zu sein, sondernim kniglichen Gefngnis.

    Mose war zwar, da er als Sohn der Tochter des Pharao galt, inallen Wissenschaften und Knsten der gypter unterwiesen.Aber er wurde zubereitet, sein Volk aus gypten bis zum ver-heienen Land zu fhren, in einer vierzigjhrigen Ausbildungals Schafhirte seines Schwiegervaters Jethro in der WsteMidian.

    Josua hat seine Zubereitung durch eine jahrzehntelangeTtigkeit als Diener Moses erhalten.

    Gott spricht: Gib mir, mein Sohn, dein Herz und lass deineAugen Gefallen haben an meinen Wegen (Spr 23,26).

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    Der Glaube der Theologie und die

    Theologie des GlaubensI. Vorbemerkungen zum wissenschaftlichen Studium

    A. Wissenschaftliches Studium ist zunchst einmal eineDisziplinierung des Denkens.

    1. Der Vollzug des Denkens wird von der persnlichenBetroffenheit gelst. Die das Herz bewegenden, den Ver-stand beschftigenden und den Menschen umtreibenden,antwortheischenden Fragen werden verworfen zugunstenwissenschaftlicher Fragestellungen. Eine Weile mag derStudent meinen, in der Wissenschaft Antworten auf seinemitgebrachten Fragen zu erhalten. Mit der Zeit muss erbegreifen, dass es fr vorwissenschaftliche Fragen keinewissenschaftlichen Antworten gibt. Sie sind im Bereich derWissenschaft auch gar nicht relevant.

    2. Die Verstandesttigkeiten werden geschult und gelufiggemacht.

    Der Student bt sich im:Beobachten, Benennen, Vergleichen, Unterscheiden, Zuord-

    nen, Einordnen, Voraussetzen, Schlieen u.a.m.Das Ergebnis solcher anfangs oft mhseligen bungerfhrt er alspersnlichen Gewinn: Er hat etwas gelernt, erkann etwas und er unterscheidet sich dadurch von anderen,denen dieses Knnen abgeht.

    3. Der Student lernt es, sich Einzelinformationen zu besorgen

    und so in vorgegebene Raster einzufgen, dass ihm allmh-lich grere Zusammenhnge gelufig werden. Aufgrund dernotwendig aufzuwendenden Mhe wird dieses Ergebnisnatrlicherweise als erhebliche Bereicherung erfahren. DerStudent hat den Eindruck, Durchblick zu gewinnen, wo ersich in den ersten Semestern wie durch einen Nebel hindurch-tasten musste und bekommt dadurch automatisch ein ber-

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    legenheitsgefhl solchen gegenber, die diesen Durchblick(noch) nicht besitzen. Was er erworben hat, ist ihm wert undteuer, denn er hat zuvor unter der Situation gelitten, zumeist

    nur Glocken luten zu hren, von denen er nicht wissenkonnte, wo sie hingen.

    4. In den hheren Semestern lernt der Student, angesichts derVielzahl abweichender Meinungen Stellung zu beziehen undeine durch Argumente gesttzte Position zu gewinnen, dieihm von sich selbst den Eindruck geistiger Eigenstndigkeitvermittelt. Das ist ein groer Lustgewinn, der fr mancheMhe vorangegangener Monate und Jahre entschdigt.

    5. Ein Teil der Studierten erreicht in der Disziplinierung desDenkens die Stufe der disziplinierten Kreativitt, die zuneuen wissenschaftlichen Erkenntnissen fhrt.*Das wird voneiner gar nicht so kleinen Zahl von Menschen als ein sinn-volles Lebensziel und ein so tiefes Glckserlebnis erfahren,

    dass sie dafr bereit sind, ein wahrhaft asketisches Leben mit60 Wochenarbeitsstunden ber Jahre und Jahrzehnte zufhren und den Groteil ihrer Finanzen in Arbeitsmittel zuinvestieren.

    B. Wissenschaftliches Studium ist nicht nur eineDisziplinierung, sondern auch eine Reglementierung des

    Denkens.

    Jede Wissenschaftsdisziplin stellt einen Traditionszusam-menhang dar, der durch die im Zeitverlauf gesehenen Pro-bleme des Fachbereichs, die angebotenen Lsungsversuche,ihre Annahme und Abstoung unter dem Einfluss wissen-schaftlicher Gesichtspunkte und auerwissenschaftlicher Fak-

    toren gebildet wird. Auch wenn diese Geschichte der Diszi-plin gar nicht bewusst im Blick und den Vertretern der Fach-

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    * Kreativitt als solche ist in den Anfangssemestern eher hher. Hier geht esum eine Kreativitt, die bei konsequenter Einbindung in den vorgegebe-nen Traditionszusammenhang einer wissenschaftlichen Disziplin zu Inno-vationen in der Lage ist, die selber ein Bestandteil des Traditionszusam-menhanges werden.

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    richtung mglicherweise nicht einmal hinreichend bekanntist, reglementiert dieser Traditionszusammenhang dennochdie gesamte wissenschaftliche Arbeit innerhalb der Disziplin.

    Neue wissenschaftliche Erkenntnisse knnen nur in Anbin-dung an den Traditionszusammenhang zur Geltung gebrachtwerden.

    Die fachwissenschaftliche Reglementierung des Denkens istein Lernprozess, der von der Fremdbegrenzung zur Selbstbe-grenzung fhrt. Die Reglementierung des Denkens ist an sichkeineswegs negativ zu sehen, sondern ist eine Notwendig-keit, wenn Denken kommunizierbar sein soll. Ich kann mirber vieles meine Gedanken machen, aber es bleibt fruchtlos,wenn es nicht auf einer Ebene geschieht, die anderen ermg-licht, daran teilzuhaben und darauf hinzuweisen.

    Der Theorie nach ist wissenschaftliches Denken frei underkennt keine Begrenzung an. Freiheit der Wissenschaft.

    Lehr- und Lernfreiheit sind allgemein als berechtigt aner-kannte Forderungen. In der Praxis gibt es diese Freiheit nurinnerhalb des Traditionszusammenhanges der verschiedenenFachrichtungen und Disziplinen. Fr diesen Tatbestand be-steht weithin Betriebsblindheit, auch wenn der einzelne Wis-senschaftler mehr oder weniger schmerzliche Erfahrungendamit macht. In wissenschaftlichen Darstellungen kommt derTatbestand manchmal in den Blick, wenn es heit, die Zeit seinoch nicht reif gewesen fr eine bestimmte Erkenntnis. Defacto war jedoch ihre Einbindung in den Traditionszusam-menhang nicht zufriedenstellend vollzogen. So entstehenAuenseiterpositionen teils im Abseits verschwindend, teilsvom Lavafluss des Traditionsstromes eingeholt, mitunterauch, wenn durch Gruppenbildung eine Auenseiterpositionsehr stark besetzt wird, in bewusstem Brckenschlag allmh-lich einholt.

    Wissenschaftliche Fragestellungen ergeben sich in der Regelnicht (oder nicht primr) aus dem untersuchten Gegenstand,sondern aus den jeweiligen Gegebenheiten des Traditionszu-sammenhanges. Eine freie Wissenschaft in dem Sinne, dasssie nur den Gesetzmigkeiten eines disziplinierten Denkens

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    unterworfen und dem Gegenstand, den sie erforscht, ver-pflichtet sei, gibt es nicht, zumindest nicht im Sinne der Frei-heit des einzelnen Forschers. Die Entstehung eines separaten

    Zusammenhanges ist mglich und, soweit ich sehe, teilweiseauch schon verwirklicht worden. In solchem Fall ist einerseitsmit weitgehender Diskriminierung und Negierung der Neu-bildung zu rechnen. Auf der anderen Seite werden in demFall, dass sich die Neubildung als lebensfhig erweist, Integra-tionsbemhungen kaum ausbleiben, die Umklammerungs-tendenzen haben.

    C. Wissenschaftliches Studium verndert denStudierenden

    Aus dem Vorangegangenen sollte deutlich geworden sein,dass wissenschaftliches Studium nicht lediglich ein Sammelnntzlicher Erkenntnisse oder das Einholen von Antworten auf

    wichtige Fragen ist. Es ist nicht nur eine Ausbildung, in derFhigkeiten geschult und Fertigkeiten gewonnen werden.Wissenschaftliches Studium bewirkt vielmehr eine tiefgrei-fende Vernderung in der Person des Studierenden. Die Dis-ziplinierung des Denkens bedeutet eine starke Prgung, dievom Studierenden ungeachtet aller mglichen Neben-wirkungen notwendig als Gewinn verbucht wird. Auch derReglementierung des Denkens kann er sich nicht entziehen,wenn er sein Studium erfolgreich zum Abschluss bringen will.Er kann sie nicht nur bungsweise ber sich ergehen lassen,sondern er ist zwangslufig gentigt, sich dieselbe weitge-hend zu eigen zu machen. Ihm werden ja weniger die Ant-worten diktiert, als vielmehr die Fragestellungen vorgegeben,durch welche die Antworten bereits vorprogrammiert sind,auch wenn sie von ihm relativ eigenstndig gewonnen wer-den sollen.

    Diese Einsichten mssen wir im Blick behalten, wenn wir imFolgenden die wissenschaftliche Theologie, wie sie an unse-ren Universitten gelehrt wird, ins Auge fassen wollen.

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    II. Der Glaube der Theologie

    1. Der Studierende wird gentigt, vorurteilslos an dastheologische Studium heranzugehen, radikal und rckhalts-los nach der Wahrheit zu fragen. Es wird von ihm erwartet,das, was er bisher aus Gottes Wort gelernt hat und was er imGlauben erfahren durfte, beiseite zu stellen zugunsten des-sen, was er im Studium zu lernen hat.

    Der Studierende ist ja an die Hochschule gekommen, um zulernen und er geht von der Voraussetzung aus, er werde im

    Verlauf seines Studiums tiefer eindringen in die Erkenntnis derWahrheit. Deshalb scheint ihm diese Zumutung tragbar, selbstwenn sie ihn vielleicht schmerzlich anmuten mag. Er strebt jader Wahrheit nach und Wahrheit wird ihm versprochen.

    Was ihm verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass die Wis-senschaft selber, auch und besonders die theologische Wis-senschaft, keineswegs vorurteilsfrei und voraussetzungslos

    ist. Die Voraussetzungen, die den Arbeitsvollzug jeder ihrerDisziplinen bestimmen, walten im Verborgenen und werdennicht offen dargelegt.

    Die grundlegende Voraussetzung der gesamten wissen-schaftlichen Theologie, wie sie an unseren Universittengelehrt wird, besteht darin, dass der disziplinierte, fachmigreglementierte kritische Verstand die letzte Instanz in der

    Frage der Wahrheit ist. D.h.: Der Verstand wird der HeiligenSchrift bergeordnet. Der Verstand entscheidet, was in derSchrift wahr und was wirklich ist. Der Verstand entscheidet,was sicher, wahrscheinlich, wenig wahrscheinlich oder garnicht geschehen ist, geschieht oder geschehen wird. Der Ver-stand entscheidet, ob Gott als handelndes und redendes Sub-

    jekt anzusehen ist oder ob man es nur mit menschlichen

    Gottesvorstellungen und Gottesbegriffen zu tun hat.Der Verstand bedient sich dabei seiner ihm innewohnendenMglichkeiten des Erkennens:

    Singulres Geschehen entzieht sich dem Verstand; also musser die grundstzliche Gleichartigkeit allen Geschehens vor-aussetzend behaupten.

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    Erkenntnis ist dem Verstand nur mglich durch Vergleichenund Unterscheiden. Also muss er da, wo er erkennen mchte,zunchst einmal Vergleichsebenen entwerfen. Offenbarung

    ist dem Verstand nicht fassbar; er geht aus von zu jeder Zeitvon jedermann machbaren Erfahrungen. Er urteilt fleischlichund ist von sich aus vllig auerstande, Geistliches zu beurtei-len, das geistlich beurteilt werden muss. Es wird fr ihn zumbloen Begriff und zu einer Vorstellung ohne Realittsgehalt.

    2. Machen wir uns das an einem Beispiel klar: Fr den Glau-

    benden istJohannes 3,16 Realitt: Also hat Gott die Weltgeliebt, dass er seinen einziggeborenen Sohn gab, auf dassalle, die an ihn glauben, nicht verlorengehen, sondern dasewige Leben haben. Er dankt Gott dafr.

    Von dieser Realitt soll er als Student in der theologischenArbeit Abstand nehmen und stattdessen zusehen, wie einsolches Wort auf das Prokrustesbett des religionsgeschicht-

    lichen Vergleichs geschnallt wird: Der religionsgeschichtlicheVergleich sieht vllig ab von Realitt und Wahrheit. Das zuVergleichende wird von vornherein reduziert auf Gedanken,Vorstellungen und Begriffe. Gedanken, Vorstellungen undBegriffe aus verschiedenen Religionen werden miteinanderverglichen, wobei immer auch die Frage der Korrelationgestellt ist. Lsst sich das eine aus dem anderen ableiten oder

    besteht eine wechselseitige Beeinflussung?Fr Johannes 3,16 kann das grobschlchtig dargestellt etwa folgendermaen aussehen:

    Da das Judentum keinen Sohn Gottes von Herkunft kennt,sondern nur von Adoption und die heidnischen Gttershnekeine Offenbarergestalten sind, kommen als Vergleichsmate-

    rial nur gnostische, speziell mandische Schriften in Frage.Dafr scheint zu sprechen, dass mandische Offenbarerge-stalten darin in Begriffen reden, die im JohannesevangeliumJesus gebraucht (Licht/Finsternis; Leben/Tod; u.a.m.). An-sonsten kann von Parallelitt kaum die Rede sein. Der Lo-gos des Johannesevangeliums ist Weltschpfer, die mand-ischen Offenbarergestalten sind es nicht. Von einer Erlsung

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    am Kreuz ist bei ihnen schon gar keine Rede. Die zeitlicheBezugslinie stimmt ebenfalls nicht: Die mandischen Schrif-ten sind Jahrhunderte jnger und man sieht sich deshalb

    gentigt, ein Urmandertum zu konstruieren. Diese Pro-bleme werden zwar gesehen, aber man betrachtet sie nichtals Infragestellung des religionsgeschichtlichen Vergleichs.Man zieht sie lediglich als ausgedehntes Arbeitsfeld fr Hypo-thesenbildung in Betracht, d.h. fr Kartenhuser von Unter-stellungen, bei denen die eine die andere sttzen muss.

    Wird der religionsgeschichtliche Bezugspunkt nicht im Man-dertum, sondern stattdessen in den Schriften von Qumrangesehen, ergeben sich gradweise Unterschiede und gewisseVerschiebungen. Es liegt aber genauso die Anschauung zu-grunde, dass das Bibelwort seine Entstehung mehr oderweniger solcher Beziehung zu auerchristlichen antikenReligionen verdankt, sei es in Aufnahme ihrer These, sei es invlliger oder teilweiser Antithese. Das original Christlichewird lediglich als Abweichung vom vorgegebenen Musterkonstatiert.

    Welcher Art auch die religionsgeschichtlichen Beziehungensind, die man unterstellt, immer ist man auf dieser Basisgentigt, ein Kartenhaus von Hypothesen aufzubauen. ImErgebnis bleiben dann Vermutungen brig, die mehr oder

    weniger durch Argumente plausibel gemacht werden.Das Nebenprodukt ist natrlich eine erhebliche seelische Be-friedigung im Selbstbeweis des Intellekts. Es hat Mhe gekos-tet, einander widersprechende Vermutungen und Lsungs-versuche aufzuarbeiten und miteinander auszugleichen. Manhat den Eindruck der berlegenheit, da es einem gelungen ist,vorliegende Erklrungen, die vom eigenen Blickwinkel aus

    offensichtlich Mngel zeigten, in einer neuen, umfassenderenErklrung aufzuheben.Man ist zutiefst berzeugt, damit derWahrheit einen Dienst erwiesen und einen Beitrag zur Ver-kndigung des Evangeliums geleistet zu haben.

    Solche berzeugung ist unbestreitbar ehrlich, aber mit derWahrheit, dem Weg und dem Leben hat solches Unterfangen

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    nichts zu tun. Durch derartige intellektuelle Anstrengungenwird ein Bibelwort wie Johannes 3,16 zu einem Bndel reli-giser Vorstellungen und theologischer Begriffe erklrt und

    hrt auf, Gottes Wort zu sein, das Menschen zur Rettungfhrt. Die Voraussetzung, unter der man angetreten ist zuforschen, als ob es Gott nicht gbe , legt die Ergebnisse imvorhinein fest.

    3. Es ist Vorurteil, dass nur geschehen sein kann, was je-dermann zu jeder Zeit in hnlicher Weise widerfhrt. Auf

    dieser Basis wird um ein Beispiel zu nennen Markus 13,2fr ein vaticinium ex eventu erklrt: Weil genau dasgeschehen ist, was das Wort sagt, kann es nach Ermessen derForschung keine echte Weissagung sein. Denn die historisch-kritische Theologie erkennt wohl menschliche Vorahnungund Vorausschau an, so dass man z.B. Jesus zubilligt, er habeseine Ttung vorausgesehen. Eine von Gott gegebene Er-kenntnis zuknftiger Dinge lsst sie jedoch nicht gelten.

    Welche Kartenhuser die Forschung baut, mag man auchdaran sehen, dass jene Stelle, Markus 13,2, nachdem siezuvor willkrlich zum vaticinium ex eventu erklrt wurde, dieBeweislast dafr tragen muss, dass das Markusevangeliumnach 70 entstanden sei. Diese Unterstellung wird dann alsEckdatum der Datierung der brigen Evangelien und der

    Apostelgeschichte zugrundegelegt.Wahrlich, die historisch-kritische Methode ist ein Koloss, derauf sehr gebrechlichen tnernen Fen steht!

    4. Es ist Vorurteil nicht Ergebnis wissenschaftlicher Unter-suchung , dass man nach der historisch-kritischen Methodedie Wundergeschichten im Neuen Testament nicht als

    Berichte von geschehenen Wundern lesen darf. Ich selberhabe oft genug gelehrt wie ich es Jahrzehnte vorher gelernthatte dass man, selbstverstndlich, nicht annehmen drfe,diese Wunder seien so passiert. Nachdem ich durch dieGnade Gottes berfhrt worden war, dass Gott heute nochdieselben Wunder tut, fing ich an nachzudenken, welcheArgumente fr diese Behauptung zur Verfgung stehen und

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    musste beschmt feststellen: keine. Denn das Vorhandenseinreligionsgeschichtlicher Parallelen ist wirklich kein Beweis.

    Dass im Alten Testament Speisungswunder, Totenaufer-weckungen u.a. berichtet werden, ist doch kein Argument, essei denn, man setzt voraus, was zu beweisen wre, dass dieneutestamentlichen Berichte von den alttestamentlichenliterarisch abzuleiten seien. Von den bei Weinreich gesam-melten antiken Heilungswundern wird der grte Teil vonPersonen erzhlt, die weit spter gelebt haben, als die Evan-gelien nach der Ansetzung der historisch-kritischen Methodegeschrieben worden sind. Ohne Vorurteil wrde man sie eherals Beweis dafr nehmen, dass hier das Neue Testament ein-gewirkt hat, anstatt der umgekehrten Annahme Raum zugeben. Dass fr antike Heilorte wie Epidaurus Wunderberichtet werden, trifft zu. Auch das ist aber kein Beweisdafr, dass die neutestamentlichen Wundergeschichten se-kundre literarische Gebilde sind. Eine literarische Abteilungist schon vom Befund her nicht mglich. Und im brigen gibtes den negativen Teil der unsichtbaren Welt, mit dessen Wir-ken an derartigen Pltzen zu rechnen ist.

    5. Dies sind nur einige Andeutungen. Eine genauere Untersu-chung wrde zeigen, dass der Arbeitsweise der historisch-kritischen Methode eine Reihe von Vor-Urteilen zugrundeliegen, die selber nicht Ergebnis wissenschaftlicher Untersu-chung sind, sondern dogmata, Glaubensstze, deren Grund-lage die Absolutsetzung der menschlichen Vernunft als Kon-trollorgan ist.

    Soweit auf dieser Grundlage von Gott und von Jesus Christusdie Rede ist, haben wir es demnach offensichtlich mit einemSynkretismus zu tun eine These, fr die der Beweis im Ein-

    zelnen noch angetreten werden muss.III. Die Theologie des Glaubens

    Die Verneinung einer Theologie, deren Grundlage der Ver-nunftglaube ist, bedeutet keineswegs die Verneinung vonTheologie berhaupt noch eine Verneinung des Verstandesim Bereich der Theologie.

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    1. Der Heilige Geist weht, wo er will und ist nicht auf die Vor-aussetzung eines akademisch disziplinierten Verstandesangewiesen. Er kann Kche, Bcker, Schuster und Fabrik-

    arbeiter zu vollmchtigen Predigern des Evangeliumsmachen. Die akademische Ausbildung ist kein Anrechtscheinfr Bevollmchtigung durch den Heiligen Geist. Aber der dis-ziplinierte Verstand kann durch den Heiligen Geist benutztund in seiner Hand ein Przisionswerkzeug werden, wannund wo Gott es will.

    2. Die notwendige Reglementierung des Denkens muss inder Theologie des Glaubens geschehen durch die HeiligeSchrift. Sie kontrolliert das Denken. Es hat sich dem WortGottes unterzuordnen. Wenn Schwierigkeiten auftauchen,zweifelt es nicht an Gottes Wort, sondern an der eigenenWeisheit. Es bittet Gott um Weisheit in der Erwartung, zuempfangen, worum es gebeten hat und in demtigem War-ten auf Gottes Stunde. Es setzt die Wahrheit und Einheit desWortes Gottes voraus und ist darum auch in der Lage, sieganz real zu erkennen und zu erfahren. Es glaubt der Schrift,die von sich selber sagt, dass sie von Gott eingegeben ist. Esist dessen eingedenk, dass Jesus Christus uns zur Weisheitgemacht ist und wei darum, dass gttliche Weisheit undirdische, sinnliche, teuflische (Jak 3,15) unterschieden wer-den mssen.

    Ein Denken, das sich durch die Heilige Schrift reglementierenlsst, enthlt sich der migen Streitfragen und der intellek-tuellen Neugier. Es gibt seine Gedanken gefangen unter Got-tes Wort und spielt nicht herum: Was wre aber, wenn? Kannman aber nicht auch ? usw. usw. Die Heilige Schrift ist jaVaters Wort an uns. Wie wir mit ihr umgehen, so begegnenwir unserem Vater im Himmel.

    Fragen werden auf den Knien gelst, nicht durch das Wlzenvon Kommentaren. Gott kann das Werk der Brder, die Kom-mentare geschrieben haben, benutzen zu unserer Belehrungund wir drfen dankbar dafr sein. In Gottes Regie ist esHilfe; in unserer Hand bedeutet es, dass wir uns auf Fleischverlassen.

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    3. Die Frucht eines Studiums der Theologie des Glaubenssollte sein:

    a) Grammatischer und lexikalischer Durchblick; die Fhig-keit, mit Gewinn Gottes Wort in den Ursprachen zu lesen undbersetzungen prfen zu knnen.

    b) Der Erwerb von Hintergrundinformationen und die Fhig-keit, solche Informationen zu prfen und einzuordnen, z.B.ber Vlker und Knige, die im Alten und Neuen Testamenterwhnt werden, ber kulturgeschichtliche Besonderheiten,

    ber Geographie und Klima, Rechtsverhltnisse u.a.m.c) Einen breiten berblick ber Gottes Heilsplan zu habenund in der Lage zu sein, den ganzen Ratschluss Gottes mitzu-teilen. Fhig zu sein, Gottes Wort in gerader Richtung zuschneiden (1Tim 1,15), an dem der Lehre gemen, zuverlssi-gen Wort festzuhalten und dadurch imstande zu sein, sowohlmit der gesunden Lehre zu ermahnen, als auch die Wider-

    sprechenden zu berfhren (Tit 1,9) und fr den ein fr alle-mal den Heiligen berlieferten Glauben zu kmpfen (Jud 3).

    d) Es sollte Erkenntnis von Beziehungen und Zusammenhn-gen in Gottes Wort gewonnen worden sein; z.B. wie dieOpfergesetze das Heilswerk Jesu vorschatten oder wie das,was in der Offenbarung mitgeteilt wird, stckweise bereitsvon den Propheten vorhergesagt worden ist.

    e) Es sollte die Erfahrung gemacht worden sein, dass es inGottes Wort durch demtiges Bitten verborgene Schtze zuheben gibt, z.B. Jesus in der Stiftshtte, der Lobpreis Gottes inden Geschlechtsregistern.

    f) Es sollte aber auch die Fhigkeit gewonnen sein, solcheSchtze von eigenen Fndlein bei sich und anderen zu unter-

    scheiden. Das intellektuelle Vergngen ist nun einmal da.Gott kann es gebrauchen, aber wenn das Fleisch es in die Fin-ger bekommt und das Biest kann wirklich schwimmen! ,dann werden keine verborgenen Schtze aus Gottes Wortgehoben, vom Urheber des Wortes aufgezeigt, sondern eswerden intellektuelle Fndlein gemacht und auf Nebenstzenin der Bibel ganze Theologien aufgebaut. Das Schlimme ist,

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    dass der Autor ehrlicherweise meinen kann, das, was er vonsich gibt, durch den Heiligen Geist empfangen zu haben. Sosind wir, deshalb brauchen wir brderliche Korrektur. Wer

    etwa meint, er wolle sich lieber gleich auf seinen Intellekt ver-lassen, ist deswegen auch nicht besser dran. Wir irren allemannigfaltig (Jak 3,2).

    Solide Kenntnis des gesamten Wortes Gottes, wie sie obenbeschrieben wurde, kann von Gott gebraucht werden, solcheFndlein und Nebensatz-Theologien zu entlarven. Aber,wohlgemerkt, von Gott. Der Theologe sitzt nicht kraft seinesakademischen Studiums auf einem Richterstuhl. Gott alleinhat recht.

    Wenn wir meinen, recht zu haben, kann es uns ergehen, wiees in Richter 20,12-28 beschrieben wird:

    Wegen einer scheulichen Grueltat, die in Gibea verbtworden war, zogen elf Stmme Israels gegen den zwlften,

    den Stamm Benjamin, aus, weil dieser nicht bereit gewesenwar, die Urheber des Verbrechens auszuliefern. Die Sache, frdie sie zu Felde zogen, war wirklich gerecht und sie hattenauch den Herrn gefragt, ob sie ausziehen sollten. Dennochlie der Herr es zweimal zu, dass die elf Stmme von demeinen geschlagen wurden vermutlich, weil es nicht nur dieSache des Herrn, sondern in ihrem Herzen auch ihre eigene

    Sache war, ihre eigene gerechte Emprung. Als dann derHerr beim dritten Anlauf die Benjaminiten in ihre Hand gab,machten sie ihre Arbeit so grndlich, dass sie darber ver-gaen, dass es ja ein Teil des Volkes Gottes war, gegen den siezu Felde zogen. Der Stamm Benjamin wurde beinahe ausge-rottet und da Israel nur vollzhlig vor dem Herrn erscheinendurfte, musste das Problem gelst werden, wie dieser Stamm,

    von dem es nur noch sechshundert junge Mnner, aber keineFrauen gab, vor dem Aussterben bewahrt werden konnte.

    Nicht wir sind es, die nach unserem Gutdnken in Aktion zutreten haben; Gott kann uns als Instrument gebrauchen,wenn es ihm gefllt und dann haben wir zu gehorchen.

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    Die Denkweise der

    historisch-kritischen TheologieDas Charakteristische der Denk- und Arbeitsweise der histo-risch-kritischen Theologie soll an einem Beispiel verdeutlichtwerden. Wir wollen daran das allgemein bliche zeigen. Des-halb whlen wir einen Abschnitt aus einem Buch, das fr

    einen breiteren Leserkreis geschrieben ist, der Nichttheologeneinschliet. Der Verfasser dieses Buches ist ein namhafterTheologe und fleiiger Gelehrter, der eher konservativ als kri-tisch ist. Diese behutsame Wahl der Vorlage gibt uns umsoeher das Recht, unsere Beobachtungen zu verallgemeinern.

    In seiner Theologie des Neuen Testaments stellt WernerGeorg Kmmel fest, dass sich in der zweiten Hlfte des

    18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der geistigen Bewe-gung der Aufklrung innerhalb der protestantischen Theolo-gie die Erkenntnis durchzusetzen begann, dass die Bibel einvon Menschen geschriebenes Buch sei, das wie jedes Werkmenschlichen Geistes nur aus der Zeit seiner Entstehung unddarum nur mit den Methoden der Geschichtswissenschaftsachgem verstndlich gemacht werden knne.1

    Der unbefangene Leser wird durch die Formulierung zu derAnnahme verfhrt, er habe als Tatsache zur Kenntnis zu neh-men, dass die Bibel nur ein Werk menschlichen Geistes sei.Denn der Grundsatz der historisch-kritischen Theologie, dieBibel als ein Werk menschlichen Geistes anzusehen, mit demnicht anders umgegangen werden darf, als mit anderen

    menschlichen Geisteswerken, wird ihm als Erkenntnis prsen-tiert, d.h. als Einsicht aufgrund der Kenntnis gegebener Tatsa-chen. Zwangslufig wird der Leser diese sogenannte Er-kenntnis als ein Forschungsergebnis ansehen, das sichdurchgesetzt und allgemeine Anerkennung gefunden hat.Als Laie, der die Zusammenhnge nicht kennt, wird er dasGelesene akzeptieren, weil dahinter ja die ganze Autoritt der

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    Wissenschaft steht, in der sich die Erkenntnis bereits vorJahrhunderten durchgesetzt hat.

    Auf diese Weise wird ein Mensch im Netz der Lge gefan-gen. Die sogenannte Erkenntnis war in Wahrheit nur eineEntscheidung. Eine Minderheit, klein an Zahl, wenngleich zurElite des abendlndischen Geistes gehrig, hat sich dafr ent-schieden, den Menschen als Ma aller Dinge anzusehen(Humanismus) und folgerichtig erkannte man nur noch dasals Wahrheit an, was induktiv gewonnen wurde (Aufklrung,Francis Bacon).

    Das war die Entscheidung, die Wahrheit in Ungerechtigkeitdarniederzuhalten. Damit entschied man sich gegen GottesWort als geoffenbarte Wahrheit, fr die Weisheit dieser Welt,die in ihrem Wesen atheistisch ist, auch wenn sie sich frommgebrdet und den Namen Gottes im Munde fhrt. Diese Ent-scheidung, die Wahrheit in Ungerechtigkeit darniederzuhal-

    ten, die zunchst nur von einigen wenigen getroffen wurde,die sich selbst fr weise hielten, hat sich inzwischen so weitdurchgesetzt, dass heute in Deutschland selbst der letzteGrundschler von ihr erreicht wird.

    Wie diese Verbreitung geschieht, knnen wir an unserer Vor-lage studieren:

    Man gibt vor wie gesagt , ein Fundament klarer Erkenntniszu haben, auf dem Boden der Tatsachen und der Wahrheit zustehen; davon ausgehend wird dann die Unausweichlichkeitder Folgerungen behauptet: Weil die Bibel ein Werkmenschlichen Geistes sei, knne sie nur mit den Methodender Geschichtswissenschaft sachgem verstndlich gemachtwerden.

    Derartige demagogische Vereinnahmung ist nicht allein dieGrundstruktur der historisch-kritischen Theologie, sondernwahrscheinlich darber hinaus auch der gesamten Geistes-wissenschaften. Wie jeder sehen kann ; muss jedererkennen ; die Folgerung ist unausweichlich ; dieAnnahme ist zwingend ; es ist nicht zu bersehen, dass; man muss ; man darf nicht ; man konnte

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    nicht auf halbem Weg stehenbleiben wann immerIhnen derartige Formulierungen begegnen, sehen Sie in derRegel die tnernen Fe des Kolosses Wissenschaft blo vor

    Ihren Augen.Wer behauptet, die Bibel knne nur mit Methoden der Ge-schichtswissenschaft verstndlich gemacht werden, derernennt eine von Grund auf antichristlich konzipierte Wissen-schaft zum Haushalter der Geheimnisse Gottes! GottesWort sagt uns, dass Gott die Geschicke der Vlker lenkt; dieGeschichtswissenschaft weigert sich von vornherein, GottesHandeln in der Geschichte auch nur als Mglichkeit in Be-tracht zu ziehen und diese atheistische, antichristliche Wis-senschaft wird von der historisch-kritischen Theologie als dereinzig sachgeme Zugang zu Gottes Wort anerkannt. Jeder,der als theologisch gebildet gelten will, soll das akzeptieren.

    Um einen akademischen Grad in der Gottesgelehrsamkeit zuerhalten, muss ich mich entscheiden, in meinem Denkendem Atheismus Raum zu geben. Fromme Gefhle wird manmir freundlicherweise erlauben, aber mein Denken hat dieatheistische Grundsatzentscheidung nachzuvollziehen undmethodisch vorzugehen ut si Deus non daretur. Das istPerversion!

    Sowohl die historisch-kritische Theologie als auch die Ge-

    schichtswissenschaft ist auf das Fundament der Lge gegrn-det. Wissenschaft ist demnach nicht das Synonym frWahr-heit, sondern fr Rebellion gegen Gott, welche die Wahrheitin Ungerechtigkeit darniederhlt. Was sie an richtigen Einzel-erkenntnissen zutage frdert, ist durch das Element der Lgegebrochen und verzerrt, so wie man einen Lffel durch einGlas Wasser nur optisch verzerrt erkennen kann.

    Kmmel fhrt fort: Aus dieser Erkenntnis ergab sich nmlichdie unausweichliche Folgerung, dass auch die Darstellung desGedankengehalts der Bibel, die Biblische Theologie, nur mitHilfe geschichtlicher Fragestellung sachgemss geschehenknne, wenn der Gedankengehalt der Bibel unbeeinflusstvon der Dogmatik und wirklich selbstndig erkannt werdensollte.2

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    Damit unterstellt Kmmel, dass ich nur mit Hilfe der Ge-schichtswissenschaft den Gedankengehalt der Bibel unbe-einflusst von der Dogmatik lesen kann. Anders gesagt, dass

    ich in dem Fall, dass ich es ablehne, mein Denken durch dasNadelhr der Geschichtswissenschaft hindurchzuschickenund die Bibel schlicht so lese, wie sie dasteht, von der Dogma-tik beeinflusst sei. Er stellt also zur Alternative:

    Entweder lese ich die Bibel beeinflusst von der Dogmatik; dasist dann unsachgem und die Bibel wird nicht wirklichselbstndig erkannt. Oder ich lese die Bibel mit Hilfegeschichtlicher Fragestellung; das ist sachgem und fhrtdazu, dass der Gedankengehalt der Bibel wirklich selbstn-digerkannt wird.

    Ziel ist das wirklich selbstndige Erkennen, bei dem derMensch das Ma aller Dinge ist. Die atheistische Ge-schichtswissenschaft liefert dafr das pou stoo, um mit

    Gottes Wort umzugehen, ohne sich auf Gottes Wort einzu-lassen. Bei diesem Zugriff von auen wird die Bibel auf einenGedankengehalt reduziert und das nennt man dann nochTheologie Reden von Gott! Die Perversion ist ungeheuer-lich. Gottes Offenbarung soll sachgem und wirklichselbstndig so erkannt werden, dass von Gott keine Redemehr ist, dass Gott nicht mehr als Gott geehrt wird, noch Ihmgedankt. Generation um Generation von Gotteskindern, diebereit und eifrig waren, Gott zu dienen, haben wir durchsFeuer gehen lassen und diesem Moloch einer atheistischenTheologie geopfert. Das Ergebnis ist Generation um Genera-tion von verfhrten Verfhrern. Wann werden wir endlichumkehren und uns lossagen von diesem Gtzendienst?

    Kmmel setzt seinen Gedankengang fort, indem er aufzeigt,

    zu welchen Konsequenzen sich die historisch-kritische Theo-logie gentigt sieht, nachdem sie es unternommen hat, dieBibel als Werk menschlicher Verfasser geschichtlich zu erfor-schen: Sobald man aber mit einer solchen geschichtlichenFragestellung gegenber den Gedanken der Bibel wirklichernst machte, wie es um 1800 zuerst geschah, sah man sichnicht nur gezwungen, die Darstellung des Alten und des

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    Neuen Testamentes vllig voneinander zu trennen, sondernauch bei der Schilderung der Gedanken des Neuen Testa-mentes Jesus und die verschiedenen apostolischen Schrift-

    steller je fr sich zu Wort kommen zu lassen.3

    Die Sprache verrt ihn bzw. die historisch-kritische Theologie,als deren Reprsentant Kmmel hier spricht: sah man sichgezwungen, nicht nur sondern auch. Wer sich auf diesenWeg der Gottlosigkeit einlsst, ist also fortan nicht mehr freiin seiner Entscheidung; ein Es oder ein Er ist da, der zwingt.Das ist wahr gesprochen. Dieser Zwang wird nicht ausgebtdurch Regeln der Logik noch durch eingebte Methoden; dasvermag nicht zu zwingen. Es sind dmonische M