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VuR Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt Editorial Die „Mc-Donaldisierung“ des Verbraucherrechts – oder: Von der „vollständigen Harmonisierung“ im EU- Verbraucherrecht zur „vollständigen Abschaffung“ eines eigenständigen nationalen Verbraucherschutzrechtes? Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich, Emeritus, Bremen/Hamburg 361 Aufsätze Datenschutz und Scorcing: Grundelemente der BDSG-Novelle I Univ.-Prof. Dr. Thomas Hoeren, Münster 363 Die aktuelle Rechtsprechung der Landgerichte zu den Aufklärungspflichten beratender Banken beim Vertrieb von Lehman-Zertifikaten RA Arne Maier, Esslingen 369 Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditricht- linie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienstericht- linie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht – Teil 2 Ass. jur. Ulrich Kulke, Würzburg 373 Rechtsprechung Bankrecht Informations- und Beratungspflichten einer Bank mit beschränkter (gesetzlicher) Einlagensicherung BGH, Urt. v. 14.07.2009, Az.: XI ZR 152/08 381 Versicherungsrecht Inhalt der Ersatzansprüche des Arbeitnehmers bei gezillmerten Versicherungstarifen in der betrieblichen Altersversorgung LAG Hannover, Urt. v. 05.05.2009, Az.: 11 Sa 107/083 387 Verbraucherinsolvenzrecht Beratung bei Ausgangsbehörde keine Voraussetzung für Beratungshilfe für Widerspruchsverfahren BVerfG, Kammerbeschl. v. 11.05.2009, Az.: 1 BvR 1517/08 391 10 / 2009 Jahrgang 24 · Seiten 361–400 ISSN 0930-8369 · E 20025 www.vur-online.de In Verbindung mit Verbraucherzentrale Bundesverband und Bund der Versicherten herausgegeben von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz Prof. Dr. Udo Reifner Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Prof. Dr. Klaus Tonner Prof. Dr. Joachim Bornkamm Dr. Friedrich Bultmann Prof. Dr. Peter Derleder Prof. Dr. Stefan Ernst Prof. Dr. Günter Hirsch Dr. Günter Hörmann Prof. Dr. Wolfhard Kohte Dr. Rainer Metz Prof. Dr. Norbert Reich Prof. Dr. Astrid Stadler Prof. Dr. Dirk Staudenmayer Walter Stillner Andreas Tilp Verbraucher und Recht Anlegerschutz Konsumentenkredit Versicherung private Altersvorsorge Verbraucherinsolvenz Verbraucherschutz

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VuRZeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

Nomos

Aus dem Inhalt

EditorialDie „Mc-Donaldisierung“ des Verbraucherrechts – oder:Von der „vollständigen Harmonisierung“ im EU-Verbraucherrecht zur „vollständigen Abschaffung“ eineseigenständigen nationalen Verbraucherschutzrechtes?Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich, Emeritus,Bremen/Hamburg 361

AufsätzeDatenschutz und Scorcing: Grundelemente der BDSG-Novelle IUniv.-Prof. Dr. Thomas Hoeren, Münster 363Die aktuelle Rechtsprechung der Landgerichte zu denAufklärungspflichten beratender Banken beim Vertriebvon Lehman-ZertifikatenRA Arne Maier, Esslingen 369Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditricht-linie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienstericht-linie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über dasWiderrufs- und Rückgaberecht – Teil 2Ass. jur. Ulrich Kulke, Würzburg 373

RechtsprechungBankrechtInformations- und Beratungspflichten einer Bank mitbeschränkter (gesetzlicher) EinlagensicherungBGH, Urt. v. 14.07.2009, Az.: XI ZR 152/08 381VersicherungsrechtInhalt der Ersatzansprüche des Arbeitnehmers bei gezillmerten Versicherungstarifen in der betrieblichenAltersversorgungLAG Hannover, Urt. v. 05.05.2009, Az.: 11 Sa 107/083 387VerbraucherinsolvenzrechtBeratung bei Ausgangsbehörde keine Voraussetzung fürBeratungshilfe für WiderspruchsverfahrenBVerfG, Kammerbeschl. v. 11.05.2009,Az.: 1 BvR 1517/08 391

10/2009Jahrgang 24 · Seiten 361–400ISSN 0930-8369 · E 20025

www.vur-online.de

In Verbindung mitVerbraucherzentraleBundesverband undBund der Versicherten

herausgegeben vonProf. Dr. Hans-W. MicklitzProf. Dr. Udo ReifnerProf. Dr. Hans-Peter SchwintowskiProf. Dr. Klaus Tonner

Prof. Dr. Joachim BornkammDr. Friedrich BultmannProf. Dr. Peter DerlederProf. Dr. Stefan ErnstProf. Dr. Günter HirschDr. Günter HörmannProf. Dr. Wolfhard KohteDr. Rainer MetzProf. Dr. Norbert ReichProf. Dr. Astrid StadlerProf. Dr. Dirk StaudenmayerWalter StillnerAndreas Tilp

Verbraucher und Recht

A n l e g e r s c h u t z ■ K o n s u m e n t e n k r e d i t ■ V e r s i c h e r u n g ■ p r i v a t eA l t e r s v o r s o r g e ■ V e r b r a u c h e r i n s o l v e n z ■ V e r b r a u c h e r s c h u t z

Der neue Kommentar in der Kompaktklasse!

Die UWG-Reform hat die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftsprak-tiken in das nationale Recht umgesetzt und eine Reihe wesentlicherÄnderungen bewirkt. Neben dem zentralen neuen Begriff„geschäftliche Handlung“ gibt es eine sogenannte Black List, dieein absolutes Verbot von etwa 30 bestimmten geschäftlichenHandlungen enthält. Insbesondere der Schutz der Verbraucherwurde weiter gestärkt, sei es vor Telefonwerbung, gegenüberVersicherungen oder allgemein vor irreführenden oder aggressivenGeschäftspraktiken. Insgesamt ist das UWG konkreter, detaillierterund europäischer geworden.

Der Handkommentar UWG schafft eine klare Orientierung in einem schärfer werdenden Wettbewerb der Unternehmen. Er bringttopaktuell und praxisnah auf den Punkt, welche Verhaltensweisennach dem neuen Recht verboten und welche erlaubt sind, wer unter welchen Voraussetzungen geschützt wird und wer sich wie wehrenkann. Das bewährte handliche Format erleichtert das Auffinden derbenötigten Informationen.

Besonderen Wert legt der Handkommentar auf:

eine prägnante und übersichtliche Darstellung■

die Konzentration auf das Wesentliche■

eine klare Struktur der umfangreichen Kasuistik■

die Praxisrelevanz der wissenschaftlich fundierten ■

Erläuterungen

Bereits berücksichtigt ist das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubterTelefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes beibesonderen Vertriebsformen.

Zielgruppe sind alle Wettbewerbsrechtler in Kanzleien oder Unter-nehmen mit dem Wunsch nach raschem Zugriff auf die relevantenInformationen.

Die Autoren sind durchweg Juristen mit großer Erfahrung imWettbewerbsrecht:

RAin beim BGH Dr. Brunhilde Ackermann | RiOLG Michael Albert | RA Dr. Andreas Ebert-Weidenfeller | Prof. Dr. Horst-Peter Götting, LL.M. | RA Prof. Dr. Gordian Hasselblatt, LL.M. | VorsRiOLG Dr. Helmut Kaiser | RA Dr. Philipp Koehler | RA Dr. Carsten Menebröcker, LL.M. | RA Prof. Dr. Axel Nordemann | RA Dr. Volker Schmitz-Fohrmann | RA Dr. Florian Schwab | Notarassessor Dr. KarstenSchwipps | RA Alexander Späth | RiOLG Dr. Thomas Trepper | RA Dr. Martin Wirtz | RA Dr. Sebastian Wündisch

UWGHandkommentarHerausgegeben von Prof. Dr. Horst-Peter Götting, LL.M. und RA Dr. Axel Nordemann2009, ca. 1.470 S., geb., ca. 98,– €,ISBN 978-3-8329-4465-0Erscheint ca. Oktober 2009

Bitte bestellen Sie im Buchhandel oder versandkostenfrei unter www.nomos-shop.de

Neu!

Umschlag 10_2009 07.10.2009 8:39 Uhr Seite U4

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VERBRAUCHERRECHTAKTUELL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II

EDITORIALDie „Mc-Donaldisierung“ des Verbraucher-rechts – oder: Von der „vollständigenHarmonisierung“ im EU-Verbraucherrechtzur „vollständigen Abschaffung“ eineseigenständigen nationalen Verbraucher-schutzrechtes?Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich, Emeritus, Bremen/Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

AUFSÄTZEDatenschutz und Scoring: Grundelemente der BDSG-Novelle IUniv.-Prof. Dr. Thomas Hoeren, Münster . . . . .363Die aktuelle Rechtsprechung der Land-gerichte zu den Aufklärungspflichtenberatender Banken beim Vertrieb vonLehman-ZertifikatenRA Arne Maier, Esslingen . . . . . . . . . . . . . . . . .369Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucher-kreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils derZahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuord-nung der Vorschriften über das Widerrufs-und Rückgaberecht – Teil 2Ass. jur. Ulrich Kulke, Würzburg . . . . . . . . . . . .373

RECHTSPRECHUNGBANKRECHTbearbeitet von RA Arne Maier, EsslingenInformations- und Beratungspflichten einerBank mit beschränkter (gesetzlicher)EinlagensicherungBGH, Urt. v. 14.07.2009, Az.: XI ZR 152/08 . . . 381Widerrufsbelehrung im verbundenenVerbraucherdarlehensvertrag (§§ 495, 355, 358 BGB)BGH, Urt. v. 23.06.2009, Az.: XI ZR 156/08 . . . 382Keine Aussetzung des Schadensersatz-prozesses wegen fehlerhafter Anlage-beratung nach § 7 Abs. 1 KapMuGBGH, Beschl. v. 16.06.2009, Az.: XI ZB 33/08 . 383Rückvergütungen („Kick-Backs“) beiMedienfondsOLG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2009, Az.: 17 U 371/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384Kick-Back-Haftung der beratenden Bankauch bei Widerruflichkeit des empfohlenenFinanzierungsgeschäftsLG Hamburg, Urt. v. 22.07.2009, Az.: 313 O 340/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385Aufklärungspflichten bei Lehmann-Zertifikaten (fehlende Einlagensicherungund Gewinnmarge)LG Hamburg, Urt. v. 23.06.2009, Az.: 310 O 4/09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386

VERSICHERUNGSRECHTInhalt der Ersatzansprüche des Arbeitneh-mers bei gezillmerten Versicherungstarifenin der betrieblichen AltersversorgungLAG Hannover, Urt. v. 05.05.2009, Az.: 11 Sa 107/083 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387bearbeitet von RA und FA für VersR Daniel Bussmann, LL.M. oec., WarendorfGezillmerter Versicherungstarif in derbetrieblichen AltersversorgungArbG Freiburg, Urt. v. 06.05.2009, Az.: 12 Ca 387/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388bearbeitet von RA und FA für VersR Daniel Bussmann, LL.M. oec., WarendorfZur Prüfungsfrist des Haftpflichtversicherersund der Substantiierungspflicht des Geschä-digten bei fehlender VorfinanzierungspflichtLG Saarbrücken, Urt. v. 10.07.2009, Az.: 13 S 157/09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389bearbeitet von RA und FA für VersR Manfred Heitmeier, Aachen

Zum (eingeschränkten) Schutzbereich der§§ 9 Abs. 4 und Abs. 5 StVOLG Saarbrücken, Urt. v. 10.07.2009, Az.: 13 S 154/09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390bearbeitet von RA Prof. Dr. Kurt Vogel, AachenZur Anwendbarkeit von § 215 VVG aufAltfälleLG Stendal, Beschl. v. 30.04.2009, Az.: 23 O 432/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390bearbeitet von RA und FA für VersR Manfred Heitmeier, Aachen

VERBRAUCHERINSOLVENZRECHTbearbeitet von Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/SaaleBeratung bei Ausgangsbehörde keineVoraussetzung für Beratungshilfe fürWiderspruchsverfahrenBVerfG, Kammerbeschl. v. 11.05.2009, Az.: 1 BvR 1517/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391mit Anmerkung von Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Kohte,Halle/SaaleAusschluss steuerrechtlicher Angelegen-heiten aus dem Anwendungsbereich derBeratungshilfe mit Art. 3 Abs. 1 GGunvereinbar – Anspruch auf Rechtsschutz-gleichheit im prozessualen Bereich giltentsprechend für den außergerichtlichenBereichBVerfG, Beschl. v. 14.10.2008, Az.: 1 BvR 2310/06 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393Insolvenzverfahren: Stundung derVerfahrenskosten für Eröffnungs- undHauptverfahrenLG Bochum, Beschl. v. 02.01.2009, Az.: 7 T 420/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395Restschuldbefreiung nach 6 Jahren, wenndas Insolvenzverfahren noch nicht auf-gehoben ist?AG Hannover, Beschl. v. 18.03.2009, Az.: 907 IN 442/02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

MULTIMEDIARECHTEinwand unzulässiger Rechtsausübung beiniedrigem HöchstgebotOLG Koblenz, Beschl. v. 03.06.2009, Az.: 5 U 429/09 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398bearbeitet von Dr. Stephan Ott, Bayreuth

RECHTSPRECHUNGS-ÜBERSICHT

VERSICHERUNGSRECHT . . . . . . . . . . . . 399

BUCHBESPRECHUNGKirchhof/Lwowski/Stürner (Hrsg.):Münchener Kommentar zur Insolvenz-ordnung, 2. Aufl. 2007/2008Univ.-Prof. Dr. Kai-Oliver Knops, Hamburg . . . 399

INFORMATIONENVerbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V

Veranstaltungshinweise . . . . . . . . . . . . .VI

I N H A LT

IMPRESSUM

Schriftleitung: Prof. Dr. Kai-Oliver Knops (V.i.S.d.P.), e-mail: [email protected]

Redaktion:Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)Rödingsmarkt 31–33, 20459 HamburgTelefon (0 40) 30 96 91 26Telefax (0 40) 30 96 91 22e-mail: [email protected]

Die redaktionelle Arbeit der Zeitschrift wirddurch den Verbraucherzentrale Bundesver-band und den Bund der Versicherten finan-ziert.

Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27

Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Siegburger Straße 123, 53229 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820,E-Mail: [email protected]

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthalteneneinzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigenZustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssennicht die Meinung der Herausgeber/Redak-tion wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung über-nommen wird – gelten als Veröffentlichungs-vorschlag zu den Bedingungen des Verlages.Es werden nur unveröffentlichte Originalar-beiten angenommen. Die Verfasser erklärensich mit einer nicht sinnentstellenden redak-tionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: monatlich

Bezugspreis 2009: jährlich 154,– € (inkl. MwSt),Einzelheft 18,– €. Die Preise verstehen sich incl.MwSt zzgl. Versandkosten. Bestellungen neh-men entgegen: Der Buchhandel und der Verlag.Kündigung: Drei Monate vor Kalenderjahres-ende. Zahlungen jeweils im Voraus an: NomosVerlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe, Konto73636-751 (BLZ 660 100 75) und Stadtspar-kasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ662 500 30).

ISSN 0930-8369

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

24. Jahrgang, S. 361-400

10/2009

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Vorschau auf Heft 11/2009AUFSÄTZEGendiagnostik in der Versiche-rungswirtschaft: Persönlichkeits-recht vs. unternehmerischeFreiheitRA Burkard Lensing, LL.M., Münster

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V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

LG Itzehoe: Recht zur einseitigen Vertragsänderungund zur Anschlusssperrung bei Zahlungsverzug inTelefonverträgen unwirksam

Eine AGB-Klausel in Telekommunikationsverträgen, die für denFall des Zahlungsverzuges eine Sperrung des Anschlusses erlaubt,ist unwirksam. Dasselbe gilt für eine Klausel, die eine Telefonge-sellschaft zu einer einseitigen Vertragsänderung berechtigt. Wie dieVerbraucherzentrale Hamburg am 28.08.2009 mitgeteilt hat, istam 17.06.2009 ein gegen Talkline/Debitel im Verbandsklagever-fahren ergangenes Urteil des Landgerichts Itzehoe vom19.09.2008 rechtskräftig geworden, mit dem das Gericht demUnternehmen die Verwendung solcher Klauseln in seinen Verträ-gen untersagt hatte (Az.: 10 O 91/08).

Talkline (inzwischen an Debitel verkauft) verwendete nachAngaben der Verbraucherzentrale folgende Klauseln in sei-nen Telekommunikationsverträgen: „Künftige Änderungendieser AGB, der Preislisten oder der Tarifinformationen wirdTalkline dem Kunden schriftlich mitteilen. (…) Die Änderun-gen gelten als genehmigt, wenn der Kunde nicht schriftlichoder auf dem vereinbarten elektronischen Weg innerhalbvon vier Wochen nach Mitteilung der Änderungen Wider-spruch erhebt. Auf diese Folge weist Talkline den Kunden inseiner Mitteilung hin.“ Und „Talkline ist zur teilweisen odervollständigen Sperre der vertraglich vereinbarten Leistungen,insbesondere des Zugangs des Kunden zu den Mobilfunknet-zen berechtigt, wenn sich der Kunde in Zahlungsverzugbefindet.“

Nach Abmahnung und Verbandsklage durch die Verbrau-cherzentrale habe das Landgericht Itzehoe dem Unterneh-men untersagt, diese Klauseln in seinen Telefonverträgen zuverwenden oder sich darauf zu berufen. Talkline/Debitel habegegen die Entscheidung des LG zunächst Berufung eingelegt,diese aber zurückgenommen, nachdem das Oberlandesge-richt Schleswig deutlich gemacht habe, dass die Berufungohne Erfolgsaussicht sei.

Quelle: Beck-aktuell v. 28.08.2009

Google zu mehr Verbraucherschutz verurteilt

Google Inc. darf zehn Klauseln aus seinen früheren Nut-zungsbedingungen gegenüber in Deutschland lebenden Ver-brauchern nicht mehr verwenden oder sich darauf berufen.Das entschied das Landgericht Hamburg in einem vom Ver-braucherzentrale Bundesverband (vzbv) angestrengten Ver-fahren (LG Hamburg, Urt. v. 07.08.2009, Az.: 324 O 650/08,nicht rechtskräftig).

Nach Auffassung des Gerichts hatten die Klauseln Verbrau-cher unzulässig benachteiligt oder verstießen gegen geltendesDatenschutzrecht. „Das Urteil ist auch ein Signal an andereInternetfirmen, Daten- und Verbraucherschutz ernst zu neh-men“, so Vorstand Gerd Billen.

Unter den zehn eingeklagten Klauseln befand sich eineBestimmung, die Google weitreichende Nutzungsrechte ein-räumte. Danach war das Unternehmen berechtigt, urheber-rechtlich geschützte Werke zu veröffentlichen. Im schlimm-sten Falle hätte dies sogar private Dokumente betreffen kön-

nen, die Nutzer auf ihrem Account speichern. Nach Auffas-sung des Landgerichts Hamburg ist die Klausel unzulässig, dader Nutzer nicht erkennen kann, welche Rechte er Googleeinräumen soll. Eine weitere Klausel ermöglichte es Google,E-Mails oder andere eingestellte Inhalte, ohne Benachrichti-gung durchzusehen, zu überprüfen, oder zu löschen. Dashätte unter anderem unveröffentlichte, wissenschaftlicheArbeiten betreffen können. Die Hamburger Richter beurteil-ten dies als unangemessene Benachteiligung des Nutzers.

Ein wesentlicher Teil der Klage betraf Datenschutzklauseln.In diesen hatte Google sich das Recht eingeräumt, Verbrau-cherdaten unter bestimmten Voraussetzungen an Dritte zuübermitteln oder mit Daten anderer Unternehmen zu kom-binieren. Auch war Google danach berechtigt, personenbezo-gene Daten zu Werbezwecken zu verwenden. Das Gerichterklärte diese Klauseln für unwirksam, weil sie die Vorgabender Datenschutzgesetze nicht ausreichend berücksichtigten.Diesen zufolge ist sicherzustellen, dass der Internetnutzereiner Verwendung personenbezogener Daten bewusst undeindeutig zustimmt. Zudem muss der Anbieter die Einwilli-gung besonders hervorheben.

Nach Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbandesstärkt das Urteil die Rechte der Verbraucher und macht deut-lich, dass auch amerikanische Unternehmen deutsche Ver-braucherrechte einhalten müssen. Sollte das Urteil rechts-kräftig werden, darf Google diese Klauseln nicht mehr ver-wenden oder sich darauf berufen. Das Unternehmen hat abZustellung des Urteils einen Monat Zeit, Berufung einzule-gen.

Quelle: Pressemitteilung Verbraucherzentrale Bundesverband(vzbv) v. 27.08.2009

Unfallversicherung: Spätfolgen sofort melden

Unfallopfer können bei ihrer Versicherung eine Invaliditätnur binnen 15 Monaten geltend machen. Bei einer späterenMeldung geht der Anspruch auf Zahlung verloren. Das hatdas Amtsgericht München entschieden (Az. 163 C 22609/08).

Der Kläger stürzte im März 2005 auf Glatteis und brach sichdabei den linken Knöchel im Sprunggelenk. Der behandeln-de Arzt ging davon aus, dass nicht mit einer dauerhaftenBeeinträchtigung zu rechnen sei. Allerdings musste derPatient immer wieder behandelt werden, sodass ein Jahr nachdem Unfall eine teilweise Invalidität festgestellt wurde. DasGutachten dazu legte der Mann erst im August 2007 seinerUnfallversicherung vor und forderte 3272 Euro Schadenser-satz.

Nach Ansicht der Versicherung erfolgte die Schadensmel-dung viel zu spät. Darauf verklagte der Verletzte seine Versi-cherung. Der zuständige Richter am Amtsgericht Münchenwies die Klage mit der Begründung ab, dass der Kläger keinenAnspruch auf Zahlung der Versicherungsleistungen habe.

Nach den Versicherungsleistungen müsse die Invaliditätinnerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall geltendgemacht werden. Mit dieser Regelung soll die Haftung des

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Versicherers für Spätfolgen ausgeschlossen werden, da diesehäufig nur schwer aufklärbar wären.

Quelle: www.banktip.de v. 26.08.2009

Investmentbranche fordert besseren Anlegerschutz

Die im BVI Bundesverband Investment und Asset Manage-ment organisierte Investmentbranche erwartet von der künf-tigen Bundesregierung einen besseren Anlegerschutz undeine Anpassung der geförderten Altersvorsorge durch Riester-Rente und Rürup-Rente. Dies geht aus der veröffentlichtenPublikation „Anlegerschutz verbessern – Altersvorsorge stär-ken” hervor.

Um Fehlanreize bei Beratung und Anlageentscheidung abzu-bauen, fordert die Investmentfondsbranche die Angleichungder rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen überalle vergleichbaren Anlageprodukte hinweg. Dies soll dieRegelungen zur Transparenz von Kosten, Provisionen undRenditen sowie die steuerliche Gleichstellung ähnlicherAnlageprodukte umfassen.

Weiterhin fordert der BVI die nächste Bundesregierung dazuauf, betriebliche Altersvorsorge mit Investementfonds zuermöglichen. Bei Riester- und Rürup-Rente fordert der BVIhöhere staatliche Zulagen und die Festsetzung des förderfähi-gen Höchstbetrages auf vier Prozent der Beitragsbemessungs-grenze, die 2009 in der Rentenversicherung bei 64.800 Euro(West) und 54.600 Euro (Ost) im Jahr liegt.

Acht Jahre nach dem Start der Riester-Rente verharrten dieHöhe der Zulagen und der jährlich geförderte Höchstbetragimmer noch auf dem Niveau des Jahres 2001, klagt der BVI.

Quelle: www.banktip.de v. 26.08.2009

Bonitätsauskünfte häufig falsch

45 Prozent der SCHUFA-Eigenauskünfte enthalten fehlerhafte,unvollständige oder falsche Eintragungen. Das ergab eine Studie,die das Bundesverbraucherministerium beim Institut für Grundla-gen und Programmforschung in Auftrag gegeben hat.

Keine der in der Untersuchung einbezogenen Auskunfteienspeichert Verbraucherdaten vollständig und korrekt ab. Aus-kunfteien wie CEG Kreditreform, Arvato Infoscore und Bür-gel liefern der Studie zufolge fehlerhafte oder unvollständigeDaten. Die ausführlichsten Daten zum Finanzverhalten derVerbraucher erhält man bei der SCHUFA, auch wenn die Qua-lität der bei der SCHUFA gespeicherten Daten bemängeltwurde.

Nach Angaben des Instituts für Grundlagen und Programm-forschung ist der Score der SCHUFA-Eigenauskunft in keinerWeise aussagekräftig. Es sei nicht nachvollziehbar, wie dieScorewerte zustande kommen und welche Bedeutung die ein-zelnen Scorewerte haben. Darüber hinaus müsse die Berech-nung des Scorewertes aufgrund der fehlerhaften Daten gene-rell in Zweifel gezogen werden.

Bei der CEG Kreditreform lagen für über die Hälfte der Test-personen (58 Prozent) lediglich Identifikationsdaten vor, dieder Auskunftssuchende selbst übermittelt hat. Daten würdenbei der Auskunftei nur selektiv gespeichert (bestimmte Mobil-funkunternehmen und Unternehmensbeteiligungen). Meistsei das Datenmaterial auch veraltet, sodass die Aussagekraftfür Bonitätsbewertungen infrage gestellt werden müsse, teiltdas Ministerium mit.

Bei Arvato Infoscore sind die Forscher fast nur auf Datengestoßen, die über amtliche Daten zugänglich und somitauch in jeder anderen Auskunfteien enthalten sind. Bonitäts-einschätzungen werden im Rahmen der Eigenauskunft dahernicht automatisch mitgeteilt. Der Wirtschaftsdienst Bürgellieferte nur unvollständiges Material und hatte zu wichtigenKriterien wie Bankverbindung, Kreditaufnahmen keine odernur unzureichende Daten.

Ziel der Studie war es, das sogenannte Scoring zu untersu-chen. Mittlerweile überprüfen Banken, Versandhändler, undTelekommunikationsunternehmen die Kreditwürdigkeitihrer Kunden über das mathematisch-statistisches Verfahren.Dabei wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, ob ein Ver-braucher seine Schulden bezahlen kann. Im Rahmen der Stu-die überprüfte das Institut für 100 Testpersonen die gespei-cherten Daten, die bei einer Selbstauskunft mitgeteilt wer-den. Zusätzlich wurde für alle Testpersonen ermittelt, welcheInformationen über sie beim Wirtschaftsdienst Bürgel gespei-chert sind.

Die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) fordertedie Auskunfteien auf, die aufgezeigten Missstände schnell-stens abzustellen. Das Scoring-Verfahren an sich stellte dieMinisterin aber nicht infrage. Den Verbrauchern empfiehltsie, Einsicht in die über sie gespeicherten Daten zu nehmenund Fehler korrigieren zu lassen. Eine Änderung im Daten-schutzgesetz verpflichtet die Auskunfteien, einmal im Jahrkostenlos Auskunft zu geben. Die Änderung tritt allerdingserst im April 2010 in Kraft.

Quelle: www.banktip.de v. 20.08.2009

V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

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Herausgeber: Prof. Dr. Udo Reifner, Universität Hamburg, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (geschäftsführend); Prof. Dr. Hans-W. Mick-litz, Universität Bamberg; Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Klaus Tonner, Universität Rostock

Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe; Dr. Friedrich Bultmann, Rechtsanwalt, Berlin; Prof. Dr. Pe-ter Derleder, Universität Bremen; Prof. Dr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg; Prof. Dr. Günter Hirsch, Präsident des Bundesgerichtshofs a.D., Versicherungsombudsmann, Berlin; Dr. Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg e.V.; Prof. Dr. Wolfhard Koh-te, Universität Halle-Wittenberg; Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Berlin; Prof. Dr.Norbert Reich, Universität Bremen; Prof. Dr. Astrid Stadler, Universität Konstanz; Prof. Dr. Dirk Staudenmayer, Europäische Kommission, Re-feratsleiter Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz, Brüssel; Walter Stillner, Rechtsanwalt, Stuttgart; Andreas Tilp, Rechtsanwalt,Tübingen

Schriftleitung: Prof. Dr. Kai-Oliver Knops, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg

10/200924. Jahrgang, Seiten 361-400

Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Seit dem 08.10.2008, demTag der Veröffentlichungdes EG-Kommissionsvor-schlages über eine Richtlinieder „Rechte der Verbrau-cher“ (Kom [2008] 614endg.), geistert eine etwasgespenstische Diskussiondurch die europäische Ver-braucherrechtslandschaft:die Frage nach der „voll-ständigen Harmonisierung“einiger zentraler Richtlinienüber Haustürgeschäfte(85/577/EWG), Fernabsatz(97/7/EG), Verbraucherkauf(99/44/EG) und miss-bräuchliche Vertragsklau-seln (93/13/EWG), die als

sog. „Mindestrichtlinien“ das Licht des Verbraucherbinnen-marktes erblickten und inzwischen eine durchaus beachtli-che Rechtsprechung europäischer und nationaler Gerichtenach sich gezogen haben. Was einst das Verbrauchervertrau-en am grenzüberschreitenden Einkauf erhöhen sollte, gilt inder neuen Regelungsphilosophie als Handelshemmnis. Zum

Leidwesen der Kommission haben die Mitgliedstaaten dieIdee der „Mindestharmonisierung“ offenbar zu ernst genom-men und auf den gemeinschaftlichen Grundstock an Ver-braucherechten noch ihre eigenen Vorstellungen von Ver-braucherschutz draufgesattelt. Sicher: Solche Regelungenwaren nicht immer von großer Weisheit gekennzeichnet,etwa unterschiedliche Widerrufsfristen oder Belehrungsan-forderungen an Haustür- und Fernabsatzgeschäfte, sodassman hier durchaus bereit wäre, die Kommission als Zucht-meisterin der Mitgliedstaaten zu akzeptieren. Allerdingswaren viele dieser Diskrepanzen auf unklares oder wider-sprüchliches Gemeinschaftsrecht selbst zurückzuführen,sodass deshalb schon lange eine Konsolidierung gefordertwurde, ohne dass deshalb gleich das „Kind mit dem Bade“ausgeschüttet werden, d. h. den Mitgliedstaaten die Freiheitzu abweichenden Regelungen i. S. eines optimierten Verbrau-cherschutzes genommen werden musste, etwa durch Erwei-terung und Effektivierung der Widerrufsrechte.

In anderen Bereichen geht die Vollharmonisierung dagegen„ans Eingemachte“, so im Kaufrecht und im AGB-Bereich.Ob, wie unter der alten Mindestharmonisierung, dem Ver-braucher bei mangelhafter Lieferung eine weitestgehendeWahl hinsichtlich der Rechtsbehelfe bei der sog. „Nacherfül-lung“ im nationalen Recht eingeräumt werden sollte, oder ob

Die „Mc-Donaldisierung“ des Verbraucherrechts – oder:Von der „vollständigen Harmonisierung“ im EU-Verbraucherrecht zur „vollständigen Abschaffung“eines eigenständigen nationalenVerbraucherschutzrechtes?Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich, Emeritus, Bremen/Hamburg

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. NorbertReich, Emeritus, Bremen/Hamburg

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er gem. dem neuen Vorschlag gemeinschaftsweit gezwungenwerden könne, sich nach Wahl des Verkäufers (!) auf Män-gelbeseitigung oder Nachlieferung einzulassen, um erst ineiner zweiten Stufe unter unklaren Bedingungen vom Vertragzurücktreten, oder eine Minderung des Kaufpreises verlangenzu können – dies trifft das Verbraucherrecht mitten „insHerz“ und bedarf deshalb einer politischen Entscheidung,zumal bei Vollharmonisierung die Mitgliedstaaten eine ver-fehlte Gemeinschaftsregelung nicht einfach zurückholenkönnen, sondern auf eine entsprechende Initiative der Kom-mission warten müssen; von mitgliedstaatlicher Gesetzesho-heit kann dann wirklich nicht mehr gesprochen werden.Noch kritischer wird es im Bereich Rügeobliegenheiten undVerjährung: Hatte die alte Richtlinie 99/44 die Rügeobliegen-heit optionell ausgestaltet, die in Deutschland aus vielenGründen nicht ins BGB übernommen wurde – sie ist eigent-lich nur für Handelsgeschäfte geschaffen, so soll sie nachdem Kommissionsvorschlag verpflichtend sein, ohne Mög-lichkeit der Mitgliedstaaten, hier im Sinne eines effektivenVerbraucherschutzes nachzubessern. Die Verjährungsfrist, diemit 2 Jahren in der alten Richtlinie gegenüber dem früherendeutschen Recht eine durchaus begrüßte wenn auchumkämpfte Verbesserung brachte, soll auf diese Frist gleich-sam festgezurrt werden, obwohl viele Mitgliedstaaten ohneStörung des Binnenmarktes längere Fristen kennen. Gerade-zu paradox wird es dann, wenn die Kommission ihre neuePolitik mit der Stärkung des Verbrauchervertrauens ausgibt:Angeblich nur gleiche Standards könnten den Verbraucherermuntern, die Vorteile des Binnenmarktes voll zu nutzen.

Im Bereich der AGB-Kontrolle kommt es noch „ärger“ für dasdeutsche Recht, das ja einmal ausgezogen war, um hier euro-päische Standards zu setzen. Dies geschah vor allem durchdie Politik der „schwarzen und grauen“ Listen verbotenerKlauseln, die im Rechtsverkehr ohne detaillierte Beweisanfor-derungen Klarheit und Transparenz schaffen sollten, waserlaubt und was als einer inhaltlich verstandenen Vertrags-freiheit widersprechend verboten oder zumindest angreifbarwar. Die Rechtsprechung des BGH hat diese Listen nie als„numerus clausus“ begriffen, sondern von sich aus eine Reiheweiterer „schwarzer“ und „grauer“ Listen anhand der Gene-ralklausel entwickelt, vor allem im wenig geregelten Bereichvon Finanzdienstleistungen; die verbraucherpolitischen Fort-schritte im Vertragsrecht sind vor allem durch das AGB-Rechterzielt worden. Der Kommissionsvorschlag enthält zwar auchzwei (abgespeckte) Listen, die als gemeinschaftsweiter Min-deststandard sinnvoll sein mögen – aber ist hier wirklich dieVollharmonisierung angebracht? Die Problematik diesesAnsatzes zeigt sich erst dann, wenn man ihn mit der neuenRechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 2005/29 über unlau-

tere Geschäftspraktiken sieht, die von Micklitz kritisch inVuR 2009, 110 kommentiert wurde: Die dort enthaltene„schwarze Liste“ verbotener Marketingpraktiken bewirktgleichzeitig eine Präklusion weiter gehender mitgliedstaat-licher schwarzer Listen, hier konkret des (begrenzten) belgi-schen Verbots von Koppelungsangeboten. Als Folge dieserRechtsprechung bliebe im AGB-Bereich die Aufgabe für dasdeutsche Recht, die vorhandenen gesetzlichen und judiziel-len „schwarzen“ und „grauen“ Listen durchzuforsten und zu„entrümpeln“ – mit unabsehbaren Folgen für die Vertrag-spraxis! Welchen „Effizienzgewinn“ soll eine solche Forde-rung bringen? Ist es nicht vielmehr Sache der Mitgliedstaa-ten, in ihrem „Rechtsraum“ die Standards zu setzen, unterdenen Geschäfte mit Verbrauchern angebahnt, eingegangenund abgewickelt werden, was ja ausdrücklich in Art. 6 derRom I-Verordnung (EG) 593/2008 zum internationalen Ver-tragsrecht anerkannt ist? Natürlich muss die EU darauf ach-ten, dass solche Regeln nicht verkappte Handelshemmnissesind, und sie soll nach Art. 153 EG auch für ein angemesse-nes Verbraucherschutzniveau – etwa durch dort vorgeseheneMindestregelungen – sorgen; aber muss dann gleich ein gan-zes Marktsegment „vollständig harmonisiert“ werden, wäh-rend viele andere gar nicht oder nur teilharmonisiert sind?

Inzwischen scheint die Kommission gemerkt zu haben, dasssie mit ihrem Vorschlag zu weit gegangen ist. Sie versucht,mit Erklärungen die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen,und versichert, sie wolle nicht in „allgemeine vertraglicheRechtsbehelfe“ eingreifen, so wie es ausdrücklich die neueTimeshare-RiLi 2008/122 vorsieht. Aber was ist genau damitgemeint? Kann nicht der Unionsbürger hier mehr Klarheitverlangen? Wenn sich die EU schon um Verbraucherrechtebemüht – müssen dann Unternehmen, Verbraucher und ihreOrganisationen nicht genau wissen, was sie erwarten – undvor allem auch: was sie nicht (mehr) erwarten können. Dazuhören wir aus Brüssel sehr wenig, nur „Beruhigungspillen“:Es wird schon nicht so schlimm werden; man harmonisiereja auf „einem hohen Niveau“! Zu diesem gut gemeintenErgebnis könnte man ganz einfach dadurch kommen, dassdie Kommission ihren Richtlinienvorschlag zurückzieht undsich auf einige technische Verbesserungen des vorhandenenRichtlinienrechts beschränkt. Weder der Binnenmarkt nochder Verbraucherschutz werden darunter leiden – im Gegen-teil! Auf einen einheitlichen „Mc-donaldisierten“ europäi-schen Verbraucherschutz kann man durchaus verzichten.

Zum Ganzen vgl. Micklitz/Reich, Der Kommissionsvorschlagvom 08.10.2008 für eine Richtlinie über „Rechte der Ver-braucher“, oder: „der Beginn des Endes einer Ära …“, EuZW2009, 270.

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Die Frage des Scorings steht seit vielen Jahren im Mittelpunkteiner erbitterten Kontroverse zwischen Verbraucher- undDatenschützern auf der einen und der Finanzindustrie aufder anderen Seite.1 Die Kreditwirtschaft weist darauf hin, dassohne eine Bewertung von Kreditanfragen, etwa mittels derSCHUFA, eine Kreditvergabe in vielen Fällen gar nicht möglichwäre.2 In der Tat ist der Einsatz von Scoringverfahren seitvielen Jahrzehnten gängiger Bestandteil des Kreditentschei-dungsprozesses.3 Letztlich beruhen viele Finanzentscheidun-gen auf Durchschnitts- und Wahrscheinlichkeitswerten überdas Verhalten des Kreditnehmers. Die Daten- und Verbrau-cherschützer halten dem entgegen, dass es in einer immer an-onymer werdenden Geschäftswelt zunehmend Betroffene ge-ben wird, die die Entscheidungen der Kreditindustrie nichtoder nur schwer nachvollziehen können.4 Dies gelte insbe-sondere für die von Auskunfteien erteilten Auskünfte über ih-re Daten sowie für die verwendeten Scoringverfahren ein-schließlich der zugrunde liegenden mathematischenGrundlagen.5 Die Bundesregierung hat sich deshalb schon2007 entsprechender Neuregelungen angenommen.6 Am29.05.2009 hat der Bundestag mit der Novelle I die Tätigkeitvon Auskunfteien und ihrer Vertragspartner sowie das Scoringneu geregelt.7 Im Folgenden sollen die zentralen Regelun-gen dieses neuen Gesetzes vorgestellt werden.

A. Die Neuregelungen im Einzelnen

I. Automatisierte Entscheidungen in § 6a BDSG

Nach § 6a BDSG a. F. waren Entscheidungen, die für denBetroffenen eine rechtliche Folge nach sich zogen oder ihnerheblich beeinträchtigten und die sich ausschließlich aufeine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Datenstützten, verboten, so lange nicht eine der Ausnahmen desAbs. 2 vorlag. Mit der entsprechenden Regelung wurde Art. 15der EU-Datenschutzrichtlinie8 umgesetzt.9 Hintergrund wardas französische und niederländische Asylrecht; in beidenLändern kam es in der Vergangenheit häufiger zur Ablehnungvon Asylanträgen aufgrund computergestützter Entscheidun-gen. Dies galt in Brüssel als verfassungsrechtliches Menschen-rechtsproblem. Eine Anwendung dieser Regelungen auf denScoring-Bereich war allerdings problematisch, da § 6a BDSGa. F. nur für den Fall der ausschließlichen Stützung einer Ent-scheidung auf EDV zur Anwendung kam. Kreditentscheidun-gen werden aber niemals allein auf Computerentscheidungenberuhen, sodass § 6a BDSG a. F. das Scoring nicht erfasste.10

Anderes galt allenfalls für den Bereich der Telekommunika-tionsindustrie; hier war der Entscheidungsprozess im Wesent-lichen durch die Verwendung von Scoring-Systemen vorge-zeichnet.11 Die entsprechenden Unsicherheiten hat derGesetzgeber durch eine Neufassung von § 6a BDSG beseitigt.Eine ausschließlich automatisierte Entscheidung soll nach

§ 6a Abs. 1 Satz 2 BDSG insbesondere dann vorliegen, wennkeine inhaltliche Bewertung und darauf gestützte Entschei-dung durch eine natürliche Person stattgefunden hat. Durchdiese Neuregelung sollte klargestellt werden, dass die Vorga-ben des § 6a BDSG nicht dadurch ausgehebelt werden, dassdem automatisierten Datenverarbeitungsvorgang „noch einemehr oder minder formale Bearbeitung durch einen Men-schen nachgeschaltet [ist], dieser Mensch aber gar keineBefugnis oder ausreichende Datengrundlage besitzt, um vonder automatisierten Entscheidung abweichen zu können.“12

Hier klaffen Begründung und Gesetzestext auseinander. DerGesetzestext fragt nur danach, ob noch eine inhaltlicheBewertung und eine darauf gestützte Entscheidung durch einenatürliche Person stattgefunden hat. Die Begründung sanktio-niert eine „mehr oder minder formale Bearbeitung durcheinen Menschen“. Eine solche „formale Bearbeitung“ solldann vorliegen, wenn „dieser Mensch aber gar keine Befugnisoder ausreichende Datengrundlage besitzt“.13 Nun verfügenin Entscheidungsprozessen viele Entscheider nicht über aus-reichende Datengrundlagen für ihre Entscheidungen. Ob eineDatengrundlage ausreichend ist, kann ohnehin regelmäßignur ex tunc bestätigt werden. Der Hinweis auf die „mehr oderminder formale Bearbeitung“ trägt auch nicht zur Klärung bei,da jedweder Entscheidungsprozess in einem größeren Unter-nehmen „mehr oder minder formal“ gestaltet ist. Das Gesetzbringt hier eine fatale Unschärfe in die Diskussion, unter derdie Planungssicherheit der Industrie leiden wird.

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Datenschutz und Scoring: Grundelemente der BDSG-Novelle IVon Univ.-Prof. Dr. Thomas Hoeren, Münster*

* Der Text gibt einen Vortrag wieder, den der Verfasser auf dem NPL-Forum2009 in Frankfurt gehalten hat. Belege beschränken sich auf das zum Ver-ständnis des Vortrags Notwendige.

1 S. auch Abel, DSB 2008 Nr. 6/7, S. 8 ff.2 BT-Drs. 16/10529 S. 9; zu den Gründen für den Einsatz von Scoring-Ver-

fahren s. Koch, MMR 1998, 458; Klein, BKR 2003, 488, 490.3 BT-Drs. 16/10529 S. 9.4 Siehe BT-Drs. 16/10529 S. 1; Beckhusen, BKR 2005, 335, 341.5 BT-Drs 16/10529 S. 1.6 32. Sitzung des Innenausschusses, Öffentliche Anhörung zur Thematik

„Modernisierung des Datenschutzes“ am 5.3.2007, Protokoll Nr. 16/32,abrufbar unter: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a04/anhoerungen/Anhoerung05/Protokoll.pdf.

7 BT-Drs. 16/13219 und 16/10581, BGBl. 2009 I S. 2254.8 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.

Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung per-sonenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG L vom 23.November 1995, 31.

9 BT-Drs. 14/4329.10 Rossnagel-Eul, Handbuch des Datenschutzrechts, 7.2 Rn. 59; Hoeren, RDV

2007, 93, 98; Koch, MMR 1998, 458, 460; A.A. Bull, ZRP 2008, 233, 235;Däubler/Klebe/Wedde/Weichert- Weichert, BDSG, 2. Aufl 2007, § 6a Rn. 9f; Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl. 2007, 6a Rn. 5, gehen sogar davon aus,dass ein automatisiertes Ergebnis noch nicht einmal überprüft werdenmuss; es genüge die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung durchden letztentscheidenden Menschen.

11 Beckhusen, BKR 2005, 335, 341.12 BT-Drs. 16/10529 S. 10 f.13 BT-Drs. 16/10529 S. 11.

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14 BT-Drs. 16/10529 S. 14.15 BT-Drs. 16/10529 S. 14.16 BT-Drs. 16/10529 S. 14.17 Kritisch dazu auch Piltz/Holländer, ZRP 2008, 143, 145.18 Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, Vor §§ 306, 307 Rn. 1.19 Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor §§ 306, 307 Rn. 2.20 MünchKomm BGB/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 781 Rn. 1.21 BGH, NJW 1998, 1492; BGH, NJW-RR 2003, 1196.22 BT-Drs. 16/10529 S. 14.23 BT-Drs. 16/10529 S. 14. Mit dem Begriff der „Einwände“ dürfte der Gesetz-

geber wohl den Begriff der rechtsvernichtenden Einwendung gemeinthaben.

II. Zulässigkeit der Datenübermittlung an Auskunfteien nach§ 28a Abs. 1 BDSG

Erstaunlich ist der Regelungsansatz des neuen BDSG zurZulässigkeit von Scoring. Scoring wird im Kern nicht als Prob-lem der Auskunfteien angesehen, sondern als Problem derje-nigen, die Daten in ein Scoring-System einmelden. Insofernkonzentriert sich die Novellierung auf die Kreditindustrieselbst und nimmt sie mit verschärften Anforderungen für dieWeitergabe scoringrelevanter Daten in Anspruch. Geschaffenwurde hierzu eine Neuregelung in § 28a BDSG über dieDatenübermittlung an Auskunfteien, die hinsichtlich ihrerPrüfungsvoraussetzungen extrem kompliziert ist.

1. Berechtigtes Interesse

Erlaubt ist die Übermittlung personenbezogener Datenzunächst einmal nur, wenn ein berechtigtes Interesse der ver-antwortlichen Stelle oder eines Dritten eine solche Übermitt-lung erforderlich macht. Das Wort „nur“ impliziert, dass imKern jedwede Datenweitergabe an Auskunfteien verboten ist(Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). § 28a BDSG erweist sichinsofern als Sonderfall neben § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG,der allgemein eine Datenübermittlung nach einer Güterab-wägung zwischen den berechtigten Interessen der verant-wortlichen Stelle und den Schutzinteressen des Betroffenenermöglicht. Fraglich ist, ob für die Kreditindustrie neben§ 28a BDSG auch noch die allgemeine Regelung des § 28Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zur Anwendung kommen kann. Dieswird man m. E. nicht annehmen können. § 28a BDSG ver-steht sich als abschließende Sonderregelung für den Bereichder Übermittlung an Auskunfteien. Insofern ist eine Daten-weitergabe in diesem Bereich nur nach Maßgabe von § 28aBDSG möglich. Allerdings wird die Kreditindustrie dahingehend privilegiert, dass nach § 28a BDSG die schutzwürdi-gen Interessen des Betroffenen nicht mehr zu prüfen sind.Stattdessen werden weitere Prüfungsvoraussetzungen in denNrn. 1–5 eingeführt, die den Verweis auf die schutzwürdigenInteressen des Betroffenen ersetzen sollen.14

2. Nichterbringung der geschuldeten Leistung

Eine Datenübermittlung ist nur zulässig, wenn eine geschul-dete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist. Nurfür diesen Fall ist § 28a BDSG überhaupt konzipiert worden.Geht es um die Übermittlung anderer Daten an Auskunf-teien, die nicht mit der Nichterbringung der geschuldetenLeistung in Beziehung stehen, kann allgemein auf § 28 BDSGabgestellt werden. § 28a BDSG ist nur eine Sonderregelungfür den Fall der Übermittlung von Daten säumiger Schuldner.Dementsprechend spricht die Gesetzesbegründung davon,dass durch die Regelung in § 28a BDSG „einheitliche Voraus-setzungen für die Übermittlung von Daten über Forderungenan Auskunfteien“ geschaffen würden, „soweit die geschulde-te Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist“. Dieneue Regelung soll in dem Fall des säumigen Schuldners, anden derzeit in der Praxis unterschiedliche Anforderungengestellt werden, Rechtsicherheit schaffen.15

3. Die zusätzlichen Prüfungsanforderungen nach Nrn. 1–5

In den Nrn. 1–5 von § 28a Abs. 1 BDSG werden nun die ein-zelnen Prüfungskategorien erläutert, die verhindern sollen,dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen durch eineunkontrollierte Datenweitergabe bei säumigen Schuldnerneintreten.16 Die genannten fünf Punkte sind alternativ zu

verstehen, wie sich an dem „oder“ vor Ziff. 5 zeigt. Einge-meldet werden dürfen säumige Forderungen nur dann, wennsie durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbaresUrteil festgestellt sind (Nr. 1, 1. Alt.). Auch reicht ein sonsti-ger Schuldtitel nach § 794 ZPO aus (Nr. 1, 2. Alt.). Hier sindvor allem die Vollstreckungsbescheide (§ 794 Abs. 1 Nr. 4ZPO) sowie Vergleiche (§ 794 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) wich-tig.

Nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG reicht als Titel aber auchaus, wenn die Forderung nach § 178 InsO festgestellt undnicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten wordenist. Nicht ganz klar ist, warum allein auf das Bestreiten imPrüfungstermin abgestellt wird. Eine Forderung gilt ja nach§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO als festgestellt, wenn sie im Prü-fungstermin oder im schriftlichen Verfahren widerspruchslosgeblieben ist. Insofern muss ein Bestreiten des Schuldners imschriftlichen Verfahren auch ausreichen.17 Gleiches soll fürdie Fälle gelten, in denen der Betroffene die Forderung aus-drücklich anerkannt hat (Nr. 3). Der Begriff der Anerkenntnisist dem Zivilrecht eigentlich fremd. Er kommt aus dem Zivil-prozessrecht, insbesondere aus § 307 ZPO. Er bezieht sichregelmäßig auf den prozessualen Anspruch und führt zumAnerkenntnisurteil.18 Eine Anerkenntnis in Bezug auf mate-rielle Ansprüche gibt es nicht. Das Zivilrecht kennt nur dasInstrument der Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB.19

Anders als bei § 28a BDSG ist ein solches Schuldanerkenntnisjedoch nur schriftlich möglich; im Übrigen bezieht sich § 781BGB nur auf das abstrakte Schuldanerkenntnis.20 Mit demBegriff der Anerkenntnis kann in § 28a BDSG demnach nurein einseitiges Schuldanerkenntnis gemeint sein, das alsnicht rechtsgeschäftliche Erklärung des Schuldners den Gläu-biger von sofortigen Maßnahmen wie etwa der Beweissiche-rung abhalten soll. Insofern kann man diesen Fall einer For-derungsbestätigung einer Abrechnungserklärung gleichstel-len.21 Allerdings sieht die Gesetzesbegründung den Anwen-dungsbereich anders. § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 soll nicht denFall regeln, in dem der Schuldner die Forderung zwar aner-kannt hat, sie aber – z. B. wegen Aufrechnung – nichtbegleicht.22 Alle Einwände oder Einreden gegen die Forde-rung führen dazu, dass nicht von einem Anerkenntnis i. S. v.§ 28a Abs. 1 Nr. 3 BDSG ausgegangen werden kann.23

Kompliziert wird die Lage, wenn eine nicht rechtskräftig fest-gestellte und nicht ausdrücklich anerkannte Forderung anAuskunfteien mitgeteilt werden soll. In diesem Fall kommt§ 28a Abs. 1 Nr. 4 BDSG zum Tragen. Bei einer solchen For-derung muss der Betroffene nach Eintritt der Fälligkeit derForderung mindestens zwei Mal schriftlich gemahnt wordensein (lit. a). Zwischen der ersten Mahnung und der Übermitt-lung der Forderung müssen mindestens vier Wochen liegen(lit. b). Die verantwortliche Stelle muss dem Betroffenenrechtzeitig vor der Übermittlung der Angaben, jedoch frühes-tens bei der ersten Mahnung über die bevorstehende Über-mittlung unterrichtet haben (lit. c) und der Betroffene darfdie Forderung nicht bestritten haben (lit. d). Die Erfüllung all

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dieser Anforderungen birgt für die Kreditindustrie erheblicheProbleme, denn das BGB sieht ein anderes Szenario für fälli-ge Forderungen vor. So bedarf es typischerweise überhauptkeiner Mahnung, wenn die Leistung kalendermäßigbestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Nun muss die Banktrotz dieser Regelung im BGB wegen der BDSG-Vorgaben zweiMal schriftlich mahnen.24 Auch das Erfordernis der Schrift-form der Mahnung ist neu. Der Gesetzgeber will zwischenden Verzugsregeln und dem BDSG jedoch keinen Wider-spruch erkennen.25 Seien die Voraussetzungen für einen Ver-zug nach BGB erfüllt, müsse der Schuldner eine Geldschuldverzinsen und entsprechende Schäden erstatten. Der Verzugsei aber kein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit oder Unwil-ligkeit des Schuldners und damit datenschutzrechtlich für dieZulässigkeit der Einmeldung offener Forderungen.26

Schwierig wird es auch mit dem Erfordernis der rechtzeitigenUnterrichtung von der geplanten Datenübermittlung nachlit. c). Rechtzeitig soll eine Unterrichtung nach der Gesetzes-begründung nur dann sein, wenn dem Betroffenen noch dieMöglichkeit verbleibt, in zumutbarer Weise die Forderung zubegleichen, oder ihr Bestehen zu bestreiten.27 Neben dieseUnterrichtungspflicht treten die Informationspflichten des§ 4 Abs. 3 BDSG, wonach der Betroffene bei erstmaliger Erhe-bung der Daten über die Zweckbestimmung der Verarbeitungunterrichtet werden muss. Das größte Problem zeigt sich beidem Erfordernis des § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 d) BDSG, dass dieForderung nicht vom Betroffenen bestritten wird. § 28aBDSG kommt ohnehin nur zum Tragen, wenn eine beste-hende Forderung trotz Fälligkeit nicht bezahlt wird. Fraglichist, wieso der Betroffene überhaupt durch bloßes Bestreitendie Übermittlung an Auskunfteien unmöglich machen soll.Die Regelung ist schon fast eine Aufforderung an die Betrof-fenen, Forderungen pauschal zu bestreiten, um damit einerMeldung der entsprechenden Säumnis zu entgehen. In derGesetzesbegründung wird nur sehr schwach in einem Satzdarauf hingewiesen, dass treuwidriges Bestreiten einer Forde-rung durch den Betroffenen der Übermittlung an eine Aus-kunftei nicht entgegenstehe.28 Insofern hat es die Bankwiederum in der Hand, über das Element der Treuwidrigkeiteine Datenübermittlung unmöglich zu machen. Erst ex-postin einem Folgeprozess ließe sich dann klären, ob überhaupteine Treuwidrigkeit vorliegt, oder umgekehrt das Bestreitender Forderung zulässig war.

Nach Nr. 5, und damit der letzten Variante, kann eine Forde-rung auch dann angemeldet werden, wenn das Vertragsver-hältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigtwerden kann und eine entsprechende Unterrichtung an denBetroffenen erfolgt. Entscheidend ist nicht die Kündigungs-erklärung selbst, sondern nur das Bestehen von Kündigungs-gründen, insbesondere nach Maßgabe von § 626 BGB bzw.§ 314 BGB. Auch hier stellt sich die Frage nach der Entschei-dungsperspektive zur Feststellung einer objektiven Kündi-gungsmöglichkeit. Stellt man auf eine ex-tunc-Betrachtungab, würde man dem Kreditinstitut das volle Darlegungs- undBeweisrisiko für die Richtigkeit einer Kündigungsmöglichkeitzuweisen. Dies kann aber nur in einem komplexen zivil-rechtlichen Verfahren geklärt werden, was dafür spricht, aufeine ex-nunc-Betrachtung abzustellen. Die Sach- und Rechts-lage muss sich für das Kreditinstitut so darstellen, dass ausseiner Perspektive ein entsprechender Kündigungsgrund vor-gelegen hat. Entscheidend ist dabei nicht, ob wirklich einKündigungsgrund bestand, sondern dass die Bank ihre Ent-scheidungslage dem Betroffenen kommuniziert. Dieser muss

nur darüber informiert werden, dass die Bank nach ihrerKenntnis der Sachlage von dem Vorliegen eines wichtigenGrundes zur Kündigung des entsprechenden Vertragsverhält-nisses ausgehen musste und durfte.

III. Sondertatbestände für Kreditgeschäfte nach § 28a Abs. 2BDSG

Galten die Regelungen des § 28a Abs. 1 BDSG für alle Unter-nehmen, gibt es in Abs. 2 besondere Erlaubnistatbestände fürKreditgeschäfte. Der Begriff der Bankgeschäfte wird allerdingssehr eng verstanden und mit der Terminologie des Kreditwe-sengesetzes (KWG) verknüpft. Die Regelung bezieht sich nurauf Bankgeschäfte nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (Kreditge-schäft), Nr. 8 (Garantiegeschäft) oder Nr. 9 (Girogeschäft) desKWG. Hier wird den Banken zunächst einmal deutlich groß-zügiger eine Übermittlung aus Auskunfteien ermöglicht, essei denn, dass überwiegende schutzwürdige Interessen desBetroffenen offensichtlich vorliegen. Die Formulierung „essei denn“ ist eine Verschiebung der Darlegungs- und Beweis-last. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist voneinem überwiegenden Interesse am Ausschluss der Übermitt-lung zugunsten des Betroffenen nicht auszugehen. Diesermuss vielmehr selbst substanziieren und rechtlich nachwei-sen, dass entsprechende überwiegende Schutzinteressen vor-liegen. Auch hier klaffen Gesetzesbegründung und Gesetzes-text weit auseinander. § 28a Abs. 2 BDSG tritt nach demWortlaut des Gesetzes neben § 4 BDSG. Eine Bank kann somitdie Weitergabe von Kreditdaten sowohl auf die Einwilligungdes Betroffenen nach § 4 BDSG, als auch auf eine gesetzlicheErlaubnis nach § 28a Abs. 2 BDSG, als stützen. In der Geset-zesbegründung wird allerdings darauf hingewiesen, dass esregelmäßig zweifelhaft sei, ob die im Bankengeschäft typi-schen Einwilligungserklärungen der Kunden noch als freiwil-lig anzusehen sind, deshalb trete der neue Erlaubnistatbe-stand an die Stelle der Einwilligungserklärung.29 Der Aus-schluss der Einwilligungsmöglichkeit steht allerdings nichtim Gesetz. Ganz im Gegenteil wird nur in einem besonderenund näher konkretisierten Fall die Möglichkeit einer Einwilli-gung ausgeschlossen (s. § 28a Abs. 2 Satz 4 BDSG). Vorranghat hier m. E. der Gesetzeswortlaut, sodass natürlich neben §28a BDSG weiterhin die Einwilligungsmöglichkeit bestehenbleibt.

Eine Einwilligung soll im Übrigen laut der Gesetzesbegrün-dung nur noch dann möglich sein, wenn es um die Über-mittlung von nichtvertragsbezogenen Daten durch Kreditin-stitute oder um die Nutzung von Daten durch verantwortli-che Stellen geht, die nicht Kreditinstitute sind.30 Denkt mandiesen Gedanken des Gesetzgebers zu Ende, würde es zu fata-len Folgen bei der Auslegung des Gesetzes kommen. Bei-spielsweise soll nach § 28a Abs. 2 Satz 3 BDSG die genannteRegelung nicht für Giro-Verträge ohne Überziehungsmög-lichkeit gelten. Würde aber das Gesetz insoweit nicht zum

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24 Den Widerspruch erkennt auch Abel, DSB 2008, Nr, 6/7 S. 8 ff.: Das eigent-liche Ziel von § 286 BGB, das Zahlungsverhalten zu beschleunigen, werdedurch die Neuregelung unterlaufen, da jeder Schuldner nun faktisch dasZahlungsziel um zwei Monate verlängern könne, ohne befürchten zu müs-sen, dass seine Daten in eine Auskunftei eingemeldet werden. Auch dieZahlung von Verzugszinsen könne keine Abhilfe leisten, da der Anspruchbei überschuldeten Personen ohnehin ins Leere gehe. Ähnlich auchPiltz/Holländer, ZRP 2008, 143, 145.

25 BT-Drs. 16/10529 S. 14.26 BT-Drs. 16/10529 S. 14.27 BT-Drs. 16/10529 S. 14.28 BT-Drs. 16/10529 S. 14.29 BT-Drs. 16/10529 S. 15.30 BT-Drs. 16/10529 S. 15.

Hoeren, Datenschutz und Scor ing: Grundelemente der BDSG-Novel le I | A U F S Ä T Z E

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31 BT-Drs. 16/10529 S. 15.32 BT-Drs. 16/10529 S. 15.33 BT-Drs. 16/10529 S. 15.34 BT-Drs. 16/10529 S. 15.35 BVerfGE 65, 1, 42 f. = NJW 1984, 419, 421 ff.; Hoeren/Sieber-Helfrich,

Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.1 Rn. 8, 24 f.36 BT-Drs. 16/10529 S. 15.37 BT-Drs. 16/10529 S. 16.

Tragen kommen, bliebe es auch bei dem Ausschluss der Ein-willigungsmöglichkeit. Das hieße, dass man bei Konten ohneÜberziehungsmöglichkeit letztlich keine Daten über denBetroffenen, noch nicht einmal mit dessen Einwilligung,speichern dürfte. Dies kann nicht richtig sein. Allerdingsscheint der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzes die-sen Rückschluss anzunehmen, denn er geht davon aus, dassbei einem bloßen Guthabenkonto das schutzwürdige Interes-se des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung dasberechtigte Interesse der verantwortlichen Stelle regelmäßigübersteigt. Auf die Frage der bestehenden Einwilligungsmög-lichkeit geht die Gesetzesbegründung allerdings nicht ein.31

Der Gesetzgeber sieht noch weitere Probleme in der Einwilli-gung, wie § 28a Abs. 2 Satz 4 BDSG erkennen lässt. Hiernachsoll es sogar mit Einwilligung des Betroffenen unzulässig sein,Daten über Verhaltensweisen des Betroffenen zu übermitteln,die im Rahmen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnis-ses der Herstellung von Markttransparenz dienen. Gemeintsind hier Vorfälle aus den letzten Jahren, bei denen Anfragenvon Betroffenen nach Kreditkonditionen bei Auskunfteienangemeldet und von diesen negativ bei der Scorewertberech-nung berücksichtigt worden waren.32 Auch hier weicht dieGesetzesbegründung wiederum vom Gesetzeswortlaut ab.Denn nach der Gesetzesbegründung soll es weiterhin zulässigsein, die Anfragedaten an Auskunfteien zu übermitteln, umaufgrund der Kreditkonditionsanfrage des Kunden eine indi-viduelle Auskunft erteilen zu können. Es fehle hier an einerzukünftigen Übermittlung nach § 29 Abs. 2 BDSG.33 Unbe-rührt bleiben soll auch – wie der Gesetzgeber in völlig unver-ständlichem Deutsch schreibt – „die Zulässigkeit von Über-mittlungen von Angaben zur Glaubhaftmachung einesberechtigten Interesses am Abruf von Daten aus dem Aus-kunftsbestand einer Auskunftei“.34 Erstaunlich ist, dass trotzausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen eine Übermitt-lung unzulässig sein soll. Hier verabschiedet sich der Gesetz-geber zum allerersten Mal vom Leitbild der Privatautonomiedes Betroffenen. Wenn jemand mit voller Einsichtsfähigkeitseine Einwilligung zu einer entsprechenden Datenübermitt-lung gibt, musste dies bislang verfassungsrechtlich respektiertwerden, da insoweit der Grundsatz der Privatautonomiegilt.35 Nun stellt sich der Staat vor den Bürger – in dessen„wohlverstandenem Interesse“. M. E. bestehen erheblicheBedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einer sol-chen Regelung. Es hätte genügt, den Betroffenen dadurch zuschützen, dass noch einmal auf die Problematik der Einwilli-gung in solch weitreichende Datenübermittlungsvorgängedurch AGB hingewiesen worden wäre.

Im Übrigen ist die Formulierung des § 28a Abs. 2 BDSG hin-sichtlich der umfassten Daten weit. Es sind alle das Vertrags-verhältnis beschreibende Daten eingeschlossen, d. h. alle per-sonenbezogenen Daten über die Begründung, ordnungsge-mäße Durchführung und Beendigung eines Vertragsverhält-nisses. Die Gesetzesbegründung weicht hier wiederum vomWortlaut des Gesetzes ab, indem sie „inhaltliche Daten ausdem Vertrag (z. B. Einkommensangaben des Betroffenen)“aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausziehenmöchte.36

Schwierigkeiten bei der Auslegung bereitet auch § 28a Abs. 3BDSG, wonach nachträgliche Änderungen der übermitteltenTatsache binnen eines Monats nach Kenntniserlangungdurch die verantwortliche Stelle der Auskunftei mitzuteilensind. Die Frage stellt sich, welche Bedeutung die Vorschrifthat und wie sie sanktioniert wird. Es handelt sich auf keinen

Fall um eine Zulässigkeitsvorschrift, sodass ein Verstoß gegendie Regelung die Übermittlung als solche nicht unzulässigmachen kann. Allerdings ist die Vorschrift nach § 43 Abs. 1Nr. 4a BDSG bußgeldbewährt. Sanktioniert wird hiernacheine nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht recht-zeitig gemachte Mitteilung. Dies dürfte betroffene Unterneh-men sehr irritieren. Allerdings wird für die Frist auf denMoment der Kenntniserlangung abgestellt. Es handelt sichhierbei um einen subjektiven und internen Faktor, dessenKonturierung nur das Unternehmen selbst vornehmen kann.Fraglich ist ferner, was mit nachträglichen Änderungen derTatsachen gemeint ist. Diesbezüglich fehlt eine Wesentlich-keitsschwelle, sodass auch unerhebliche und rein formaleÄnderungen mitzuteilen wären (z. B. Tippfehler bei der Stra-ße, in der der Betroffene wohnt). § 28a Abs. 3 Satz 2 BDSGverlangt für alle, dass die Auskunftei die übermittelnde Stelleüber die Löschung der ursprünglich übermittelten Datenunterrichtet. Auch dies ist rätselhaft. Offensichtlich geht derGesetzgeber davon aus, dass nach entsprechenden Änderun-gen die ursprünglichen Daten sofort zu löschen seien. Dies istinsoweit bedenklich, als man der Auskunftei auch gestattenmuss, nach Überprüfung ihrer Datensätze die geändertenund die alten Tatbestände für eine gewisse Zeit nebeneinan-der vorrätig zu halten. Im Übrigen ist diese Unterrichtungs-pflicht nicht bußgeldsanktioniert; § 43 Abs. 1 Nr. 4a BDSGspricht insofern nur von einer Sanktion bei fehlenden Mit-teilungen, nicht bei der Unterrichtung der Auskunftei.

IV. Scoring als solches nach § 28b BDSG

§ 28b BDSG regelt das Scoring als solches. Scoring wird weitdefiniert. Das Gesetz spricht von einem „Wahrscheinlich-keitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten desBetroffenen“. Damit ist nicht nur das IT-gestützte Scoringverboten, sondern auch die Verwendung von Prognosen vorallem in der Kreditindustrie. Wenn zum Beispiel ein Mitar-beiter einer kleinen Volksbank aufgrund von internem Wis-sen Prognosen über das Verhalten eines Kunden macht (derbeispielsweise an einer „guten Adresse“ wohnt, oder auf-grund seines ehrenamtlichen Engagements als zuverlässigbekannt ist), ist ihm nunmehr die Verwendung solchen Wis-sens verwehrt.

Der Wahrscheinlichkeitswert muss sich auf ein zukünftigesVerhalten des Betroffenen beziehen. Nach der Gesetzesbe-gründung ist damit das Scoring von Ereignissen, die aufhöhere Gewalt und Fremdeinwirkung zurückgehen, kein Sco-ring im Sinne von § 28b BDSG.37 Der Versicherungsindustrieist es im Rahmen dessen zum Beispiel möglich, Tarifierungs-systeme von Lebens- oder Krankenversicherungen auf derBasis tatsächlicher Erkrankungsfälle zu berechnen.

Der entsprechende Score-Wert muss für die Begründung,Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnissesmit dem Betroffenen verwendet werden. Eine allgemeineBetrachtung von Kundendaten etwa im Rahmen von DataMining ist als solches also noch kein Gegenstand für das Sco-ring-Verbot des § 28b BDSG.

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Die Vorschrift ist als Verbot konzipiert. Die Verwendung vonScoring-Werten ist nur zulässig, wenn bestimmte Bedingun-gen eingehalten werden. Auch wenn das Wort „nur“ fehlt,geht der Gesetzgeber damit von einem Verbot mit Erlaubnis-vorbehalt aus. Erstaunlich ist auch, dass das Gesetz das Ver-bot nicht auf die klassischen Datenverarbeitungsvorgängeaus § 3 Abs. 2 BDSG bezieht, d. h. auf die Erhebung, Verar-beitung oder Nutzung, sondern stattdessen von Erhebungund Verwendung spricht. Hier zeigt sich, mit welcher heißenNadel das Gesetz gestrickt worden ist.

§ 28b Nr. 1 BDSG erlaubt das Scoring nur, wenn die zur Berech-nung des Wahrscheinlichkeitswerts genutzten Daten unterZugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathe-matisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berech-nung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltenserheblich sind (§ 28b Nr. 1 BDSG). Fraglich ist auch hier, ob aufeine ex-ante- oder ex-post-Betrachtung abzustellen ist. Die For-mulierung spricht eher dafür, dass die Erheblichkeit der Datenex-post mathematisch-statistisch nachweisbar ist. Im Falle deseinfachen Sachbearbeiters einer kleinen Volksbank, der zumBeispiel das ehrenamtliche Engagement eines Kunden in dieFrage der Gewährung eines Kredits einfließen lassen will, wäredies unzulässig, da es kein wissenschaftlich anerkanntesmathematisch-statistisches Verfahren geben dürfte, das denNachweis einer Verbindung zwischen dem Datum und derWahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens erbringt.Selbst wenn es einen solchen Zusammenhang aber gäbe, müs-ste der Sachbearbeiter nunmehr nachweisen, dass dieser tat-sächlich nach wissenschaftlichem Standard besteht.

Die Voraussetzung des § 28b Nr. 1 BDSG ist zudem mit einerDokumentationspflicht der verantwortlichen Stelle verbun-den, die nach § 38 BDSG der Aufsichtsbehörde den ange-blichen Zusammenhang darlegen und beweisen muss.

Die Zulässigkeit von Scoring setzt ferner voraus, dass im Falleder Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte durch eineAuskunftei die Voraussetzung für eine Übermittlung dergenutzten Daten nach § 29 BDSG und in allen anderen Fäl-len die Voraussetzung einer zulässigen Nutzung nach § 28BDSG vorliegt (§ 28b Nr. 2 BDSG). Damit verweist die Vor-schrift auf die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen inBezug auf hausinternes Scoring nach § 28 BDSG, im Falleexternen Scorings durch Auskunfteien nach § 29 BDSG.38

Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte dürfennicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt werden (§ 28bNr. 3 BDSG). Hier versucht der Gesetzgeber, die Frage derGeoreferenzierung von Daten zu regeln. Ursprünglich wardiese Regelung weiter gefasst, sodass die Nutzung von Geo-daten einzig von einer Unterrichtung des Betroffenen abhän-gig war.39 Diese Version ist aber während der parlamentari-schen Diskussion entfallen.40

Neu ist der sonst im BDSG nicht zu findende Begriff der„Anschriftendaten“. Dieser ist meines Erachtens eng auszule-gen. Eine Anschrift besteht aus Straße/Postfach und Wohnortmit Postleitzahl. Nicht umfasst sind Bilder, wie etwa im Fallevon Google Streetview. Das Verbot kam in letzter Minute indas Gesetz. Es ist meiner Ansicht nach eng auszulegen. Ver-boten wird nur die ausschließliche Nutzung von Anschrif-tendaten. Spielen Anschriftendaten als einer von mehrerenFaktoren eine Rolle, gilt das Verbot des Geoscorings nicht. DaAnschriftendaten nur Straße und Wohnort umfassen, sindzum Beispiel keine Projekte verboten, in denen bestimmteRegionen, Stadtteile oder Bezirke erfasst werden.

Dass ansonsten Anschriftendaten durchaus Gegenstand vonScoringverfahren sein dürfen, zeigt § 28 Nr. 4 BDSG. Hier-nach ist im Falle der Nutzung von Anschriftendaten derBetroffene vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertesüber die vorgesehene Nutzung der Daten zu unterrichten,wobei die Unterrichtung zu dokumentieren ist. Der Gesetz-geber lässt eine Unterrichtung auch durch AGB zu.41 Im Übri-gen verweist das Gesetz in der Begründung auch darauf, dassdie Regelungen des KWG insbesondere zur internen Risiko-bemessung und die Regelungen des Versicherungsaufsichts-gesetzes unberührt bleiben.42 Was damit gemeint ist, istnebulös. Man kann sich hier auf den Standpunkt stellen, dassdie Regelungen zum Geoscoring nicht die vorrangigen Pflich-ten der Banken zur absatzrechtlich geforderten Risikoqualifi-zierung nach regionalen Faktoren ausschließen.

V. Regelung für Auskunfteien (§ 29 BDSG)

§ 29 BDSG wurde entsprechend der Zielrichtung des neuenGesetzes, das im Wesentlichen die Banken in Anspruchnimmt und nicht die Auskunftei, weitgehend unangetastetgelassen.43 Allerdings müssen die Auskunfteien nunmehrnach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG für eine Speicherung vonDaten die Voraussetzung des § 28a Abs. 1 und Abs. 2 BDSGerfüllen. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Halbs. BDSG istihnen die Erhebung oder Speicherung von Daten, die sich aufVoranfragen zu Krediten beziehen, verwehrt. Erstaunlich ist,dass § 28b BDSG scheinbar ausgenommen ist. Demnach giltdas Scoring-Verbot nur für die Nutzung von Scoring-Datenseitens der verarbeitenden Stelle, nicht aber für Scoring-Akti-vitäten der Auskunfteien selbst, sodass die SCHUFA oderandere Wirtschaftsauskunfteien erstaunlicherweise bei derErhebung und Auswertung von Scoredaten frei sind.

VI. Auskunft an den Betroffenen (§ 34 BDSG)

Geändert wurde auch § 34 BDSG in Bezug auf die Auskunft andie Betroffenen. Nach § 34 Abs. 2 BDSG hat die zur Entschei-dung verantwortliche Stelle nach § 28b BDSG den Betroffenenauf Verlangen über verschiedene Score-Informationen Aus-kunft zu erteilen. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BDSG sindzunächst die innerhalb der letzten sechs Monate vor Aus-kunftsverlangen erhobenen, oder erstmalig gespeichertenWahrscheinlichkeitswerte mitzuteilen. Weiterhin ist die ver-antwortliche Stelle zur Auskunft über die zur Berechnung derWahrscheinlichkeitswerte benutzten Datenarten verpflichtet(§ 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BDSG). Letzteres greift sehr tief in diemit dem Scoring verbundenen Betriebsgeheimnisse ein. EineRegelung zum Schutz überwiegender Interessen an Geschäfts-geheimnissen findet sich hier allerdings nicht. Dies erstauntumso mehr, als nach § 34 Satz 2 BDSG a. F. eine Auskunft ver-langt werden konnte, sofern nicht das Interesse an der Wah-rung des Geschäftsgeheimnisses überwog.44 Noch schwerwie-gender ist die Nichtbeachtung schutzwürdiger Interessen ander Wahrung von Geschäftsgeheimnissen bei § 34 Abs. 2Satz 1 Nr. 3 BDSG, wonach die scorende Stelle sogar dasZustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlich-

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38 BT-Drs. 16/10529 S. 16.39 BT-Drs. 16/10529 S. 6.40 BT-Drs. 16/13219 S. 5.41 BT-Drs. 16/10529 S. 16.42 BT-Drs. 16/10529 S. 16.43 BT-Drs. 16/10529 S. 1.44 So auch Abel, DSB 2008, Nr. 6/7, S. 8-15. Auch Erwägungsgrund 41 zur

Richtlinie 95/46/EG besagt, dass auf Verwenderseite weder das Geschäfts-geheimnis noch das Recht am geistigen Eigentum berührt werden darf.

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45 BT-Drs. 16/10529 S. 17.46 BT-Drs. 16/10529 S. 17.47 Schufa und Co. – Daten zur Kreditwürdigkeit sind häufig falsch, abrufbar

unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,643778,00.html(Stand 09/2009).

48 Maunz/Dürig/Papier, Grundgesetz, 53. Aufl. 2009, Art. 14 Rn. 99.49 BT-Drs. 16/10529 S. 17.50 Siehe dazu auch Abel, DSB 2008 Nr. 6/7, S. 8 ff.

keitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allge-meinverständlicher Form erläutern muss. Der Gesetzgebergesteht den Scoring-Unternehmen zwar ein überwiegendesGeheimhaltungsinteresse an der Scoreformel zu, sodass diesenach der Gesetzesbegründung nicht selbst zu offenbaren ist.45

Es müssen aber die der Wahrscheinlichkeitsrechnung zugrun-de liegenden Sachverhalte in einer für den Laien verständ-lichen Form dargelegt werden. Den Betroffenen muss esermöglicht werden, den der Berechnung zugrunde liegendenSachverhalt nachzuvollziehen, um mögliche Fehler in derBerechnungsgrundlage aufzudecken.46 Angesichts der Tatsa-che, dass ein Gutachten im Auftrag des Verbraucherschutzmi-nisteriums feststellte, dass Einträge etwa bei der SCHUFA in46 % der Fälle auf fehlerhaften Daten beruhen, ist diese Rege-lung sehr zu begrüßen.47 Hier wird wiederum deutlich, dassdas neue Scoring-Gesetz weniger mit Datenschutz zu tun hatals mit Verbraucherschutzrecht. Es geht hier nicht darum, Per-sönlichkeitsrechte des Betroffenen gegen eine unzulässigeDatenverarbeitung zu sichern. Vielmehr soll sichergestelltwerden, dass die richtige Score-Entscheidung getroffen wird.Wichtig erscheint mir, dass der Gesetzgeber durchaus einGeheimhaltungsinteresse der Unternehmen an Scoreformelnin der Begründung zum Gesetz anerkennt, sodass, trotz desSchweigens des Gesetzes selbst zum Geheimhaltungsinteressebei der einzelfallbezogenen Auslegung der Vorschrift, dasGeheimhaltungsinteresse zu prüfen sein wird. Dies ergibt sichauch aus verfassungsrechtlichen Vorgaben, da eine uneinge-schränkte Freigabe der Score-Datenarten und -Formeln massivin Art. 12 und Art. 14 GG eingreifen würde.48

Das Gesetz sieht im Übrigen vor, dass die zur Entscheidungverantwortliche Stelle die entsprechenden Auskunftspflich-ten trifft. Dies ist ein neuer Begriff, der bislang im Gesetznicht vorkam. Es dürfte schwierig sein, bei komplexen Vor-gängen oder bei einer konzerngesteuerten Kreditvergabe diezur Entscheidung verantwortliche Stelle genau zu bestim-men. Oft sind gerade im Kreditbereich Entscheidungsprozes-se komplex strukturiert und über mehrere Unternehmen hin-weg gestaffelt. Die Frage ist, wer in einem solchen Fall die zurEntscheidung verantwortliche Stelle ist. Nicht erforderlich istjedenfalls, dass der ursprüngliche Sachbearbeiter einer Ent-scheidung die Auskunft erteilt. Ausreichend ist, dass eine Per-son innerhalb der für die Entscheidung verantwortlichenStelle zur Auskunftserteilung zur Verfügung steht.49 Die Aus-kunfteien sind im Übrigen von der Auskunftspflicht befreit.

Jedoch werden diese in § 34 Abs. 2 Satz 3 BDSG angesprochenund haben bei der Verwendung interner Score-Verfahren diezur Erfüllung der Auskunftsansprüche erforderlichen Anga-ben auf Verlangen der für die Entscheidung verantwortlichenStelle an diese zu übermitteln. Soweit die Auskunftei sogarden Wahrscheinlichkeitswert selbst berechnet, kann das Kre-ditinstitut nach § 34 Abs. 2 Satz 4 BDSG den Betroffenen andie Auskunftei verweisen, muss ihm dann allerdings Namenund Anschrift der Auskunftei sowie die zur Bezeichnung desEinzelfalls notwendigen Angaben mitteilen. Diese Auskunfts-pflicht gilt jedoch nur für die Auskunftei, wenn sie den kom-pletten Wahrscheinlichkeitswert berechnet. Berechnet sienur Bestandteile des Wahrscheinlichkeitswertes, ist sie nichtim direkten Kontakt mit den Betroffenen auskunftspflichtig.Besteht hingegen eine direkte Auskunftspflicht der Auskunf-tei, hat sie die entsprechenden Auskunftsansprüche unent-geltlich zu erfüllen. Dies ist erstaunlich, da die eigenen Aus-kunftspflichten des Kreditinstituts nicht unentgeltlich sind.Insoweit fehlt in § 34 Abs. 2 Satz 1 BDSG ein Verweis auf die

Unentgeltlichkeit. Die Auskunftei sollte also, im Gesprächmit den Kreditinstituten, darauf drängen, dass sie bei einerWeiterverweisung des Betroffenen die Kosten der entspre-chenden Auskunftserteilung erstattet bekommt.

Neu sind auch die Auskunftspflichten nach § 34 Abs. 4 BDSG.Hiernach sind Stellen, die geschäftsmäßig personenbezogeneDaten zum Zwecke der Übermittlung erheben, speichernoder verändern, hinsichtlich des Scorings ebenfalls aus-kunftspflichtig. Es stellt sich die Frage, wie sich § 34 Abs. 4BDSG zur komplexen Regelung des § 34 Abs. 2 BDSG verhält.Letztlich ist § 34 Abs. 2 BDSG überflüssig in Bezug auf diekomplexe Regelung der Auskunftspflichten im Verhältnis derzur Entscheidung verantwortlichen Stelle zur jeweiligen Aus-kunftei. Die Auskunftei sieht sich daher nach § 34 Abs. 4BDSG stets einem eigenen Auskunftsanspruch des Betroffe-nen gegenüber. Dieser Auskunftsanspruch ist gegenüber demin § 34 Abs. 2 BDSG geregelten Anspruch deutlich weiter. Zuübermitteln sind die innerhalb der letzten zwölf Monategespeicherten Score-Werte einschließlich der Namen undbekannten Anschriften der Dritten, an die die Werte über-mittelt worden sind (§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BDSG). Fernerbezieht sich die Auskunftspflicht zum einen auf Wahrschein-lichkeitswerte, die sich zum Zeitpunkt des Auskunftsverlan-gens aus dem von der Stelle zur Berechnung angewendetenVerfahren ergeben (§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BDSG) und zumanderen auch auf die zur Berechnung der Wahrscheinlich-keitswerte genutzten Datenarten (§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3BDSG). Das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahr-scheinlichkeitswerte sind einzelfallbezogen und nachvoll-ziehbar in allgemeinverständlicher Form zu erläutern (§ 34Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BDSG). Hinweise auf überwiegendeGeheimhaltungsinteressen müssen aber – wie oben gesagt –in die Vorschrift hineingelesen werden.

Eine Befreiung ergibt sich über § 34 Abs. 7 BDSG. Hiernachbesteht keine Auskunftserteilungspflicht, wenn der Betroffe-ne nicht nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 und 5 bis 7 BDSG zubenachrichtigen ist. § 33 Abs. 2 Nr. 3 BDSG sieht vor, dasseine Pflicht zur Benachrichtigung nicht besteht, wenn dieDaten ihrem Wesen nach, und damit nicht wegen des über-wiegenden rechtlichen Interesses eines Dritten, geheimgehalten werden müssen. § 33 Abs. 2 Nr. 7 BDSG schreibt vor,dass eine Benachrichtigungspflicht nicht besteht, wenn diesedie Geschäftszwecke der verantwortlichen Stelle erheblichgefährden würde, es sei denn, dass das Interesse an derBenachrichtigung die Gefährdung überwiegt.

Die Auskunft ist im Übrigen unentgeltlich zu erteilen (§ 34Abs. 8 BDSG). Hier kommen auf die Banken und Auskunf-teien erhebliche Kosten zu.50 Diese werden für die Auskunf-teien noch dadurch erhöht, dass nach § 34 Abs. 8 Satz 2 fürAnspruchsbetroffene eine unentgeltliche Auskunft einmalpro Kalenderjahr vorgesehen ist. Verlangt der Kunde weitereAuskünfte, kann ein Entgelt verlangt werden, das über diedurch die Auskunftserteilung entstandenen unmittelbar zure-chenbaren Kosten nicht hinausgehen darf (§ 34 Abs. 8 Satz 3und 4 BDSG).

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Neben der Auskunftserteilung hat der Gesetzgeber den Betrof-fenen noch andere Rechte gegeben. So kann er nach § 35 Abs.2 Satz 3 BDSG verlangen, dass personenbezogene Daten, dieim Rahmen der Prüfung säumiger Forderungen gespeichertwerden, nach Beendigung des Vertrages gelöscht werden.Allerdings ist eine Abgrenzung der zu löschenden Daten in derPraxis nicht einfach. Die Kreditinstitute speichern die glei-chen Daten einmal nach § 28 a Abs. 2 Satz 1 BDSG wie auchallgemein nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BDSG aus-schließlich auf der Grundlage einer Einwilligung des entspre-chenden Bankkunden.51 Die sofortige Löschungspflichtimpliziert jedoch nicht, dass die Kreditinstitute ihre Kunden-daten nach Beendigung des Vertrages löschen müssen. Dennder im Gesetz benutzte Begriff der „Beendigung“ des Vertragesist unjuristisch. Eine Kündigung als solches führt vielmehrnoch nicht zu einer Beendigung des Vertrages selbst, sondernnur zu einer Beendigung des Vertrages als Dauerschuldver-hältnis. Selbst wenn die Kündigung also innerhalb der Kündi-gungsfrist erklärt wurde, bestehen noch eine Reihe nachver-

traglicher Rechte und Pflichten fort, sodass der Vertrag einengewissen Fortbestand als einfaches Schuldverhältnis hat.52

B. In-Kraft-Treten und Übergangsregelungen

Das Gesetz tritt am 1. April 2010 in Kraft.53 Den Bankenwurde damit eine kürzere Vorlaufzeit als die eigentlich imRegierungsentwurf vorgesehene Frist von einem Jahrgewährt. Dies dient dazu, sich auf die neuen Stimmungeneinzustellen, insbesondere die Geschäftsprozesse an die neueRechtslage anzupassen.

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51 BT-Drs. 16/10529 S. 19.52 MünchKomm BGB/Kramer, Einleitung zu §§ 241 ff. Rn. 97; Larenz, Lehr-

buch des Schuldrechts I, 14. Aufl. 1987, § 2 VI.53 BGBl. 2009 I S. 2257.

Maier, Die aktue l le Rechtsprechung der Landger ichte zu den Aufk lärungspf l i chten | A U F S Ä T Z E

Im ersten Halbjahr 2009 wurde noch angenommen, „dass fürKäufer von Lehman-Zertifikaten die Durchsetzung von Scha-densersatzansprüchen gegen die beratenden Banken undSparkassen ein steiniger Weg sein wird“.1 Im Juni und Juli 2009haben die Landgerichte Hamburg, Frankfurt a. M. und Pots-dam mehreren Lehman-Anlegern Schadensersatz zugespro-chen und dabei einige Steine aus dem Weg geräumt. DerBeitrag gibt einen Überblick über die bis Mitte August 2009bekannt gewordenen LG-Urteile zur Haftung beratender Ban-ken in Lehman-Fällen (hierzu A.) und unternimmt eine ersteBewertung (hierzu B.).

A. Aktuelle LG-Urteile

I. LG Hamburg

Beim LG Hamburg waren drei Klagen von Lehman-Anlegernerfolgreich. Die 10. Zivilkammer hat die Hamburger Sparkas-se wegen unterbliebener Aufklärung über die fehlende Einla-gensicherung und über ihre Gewinnmarge zum Schadenser-satz verurteilt.2 Die 25. Zivilkammer stützt den Anspruchgegen die Hamburger Sparkasse ebenfalls auf die unterbliebe-ne Aufklärung über die Gewinnmarge („Handelsspanne“).3

Die 29. Zivilkammer begründet die Haftung der DresdnerBank mit den Aufklärungspflichten über die fehlende Einla-gensicherung und über ihre Vertriebsprovision von 3,5 %.4

Bereits im Dezember 2008 hatte die 18. Zivilkammer dieDresdner Bank zum Schadensersatz verurteilt; das empfohle-ne Zertifikat (kein Lehman-Zertifikat) als „reines Spekula-

tionspapier mit Wettcharakter“ habe nicht zu dem aufAktienwerte ausgerichteten Anlegerprofil der Kläger gepasst.5

II. LG Frankfurt a. M.

Das LG Frankfurt a. M. hat in vier Fällen zugunsten der Anle-ger entschieden. Gemäß Urteil der 21. Zivilkammer haftet dieCitibank wegen verschwiegener Rückvergütungen („Kick-Backs“); die Bank hat von der Emittentin einen Bonus erhal-ten; über dessen „exakte Höhe“ hätte sie „unabhängig vondessen Höhe“ informieren müssen.6 Die 19. Zivilkammer hatdie 1822 direkt, eine Direktbanktochter der Frankfurter Spar-kasse, zum Schadensersatz verurteilt; die Bank habe die Zerti-fikate als „kurzfristige Anlage“ dargestellt7 bzw. über deren

Die aktuelle Rechtsprechung der Landgerichte zu denAufklärungspflichten beratender Banken beim Vertriebvon Lehman-ZertifikatenVon Rechtsanwalt Arne Maier, Esslingen*

* Der Autor ist Rechtsanwalt mit den Tätigkeitsschwerpunkten Arbeits- undVerbraucherrecht. Er bearbeitet seit Heft 4/09 den RechtsprechungsteilBankrecht in dieser Zeitschrift.

1 Witte/Mehrbrey, ZIP 2009, 744, 750. Siehe zur Haftung für „Schrott“-Zerti-fikate auch Podewils/Reisich, NJW 2009, 116.

2 LG Hamburg, Urt. v. 23.06.2009, Az.: 310 O 4/09, VuR 2009, 386 f. (in die-sem Heft) = WM 2009, 1282 = BB 2009, 1828 (m. Anm. Bausch) = EWiR2009, 497 (Hoffmann-Theinert/Tiwisina).

3 LG Hamburg, Urt. v. 01.07.2009, Az.: 325 O 22/09, WM 2009, 1363.4 LG Hamburg, Urt. v. 10.07.2009, Az.: 329 O 44/09, WM 2009, 1511.5 LG Hamburg, Urt. v. 15.12.2008 (kein Lehman-Zertifikat), Az.: 318 O 4/08,

VuR 2009, 143 = NJOZ 2009, 827. Auch die 25. Zivilkammer (LG Hamburg,Urt. v. 01.07.2009, s. Fn. 3) bewertet Lehman-Zertifikate als „spekulativeAnlage“.

6 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.07.2009, Az.: 2-21 O 45/09; siehe zu derFrage, ob über die „exakte Höhe“ der Rückvergütungen aufzuklären ist,auch LG Heidelberg, Urt. v. 31.07.2008, Az.: 3 O 98/08, BKR 2008, 435 (m.abl. Anm. Bröker).

7 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.04.2009, Az.: 2-19 O 211/08, VuR 2009, 303= WM 2009, 947.

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8 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 09.07.2009, Az.: 2-19 O 255/08.9 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.07.2009, Az.: 2-19 O 327/08.10 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.11.2008, Az.: 2-19 O 62/08, VuR 2009, 144 =

WM 2009, 17 = BKR 2009, 170 (m. Anm. Bausch).11 LG Potsdam, Urt. v. 24.06.2009, Az.: 8 O 61/09.12 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.11.2008 (s. Fn. 10).13 LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009, Az.: 7 O 359/09, WM 2009, 1505.14 LG Hamburg, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 2) und v. 01.07.2009 (s. Fn. 3).15 LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 13) unter Berufung auf BGH, Urt.

v. 13.07.2004, Az.: XI ZR 178/03, NJW 2004, 2967.16 LG Itzehoe, Urt. v. 06.08.2009, Az.: 7 O 39/09.17 Bömcke/Weck, VuR 2009, 53.18 LG Hamburg, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 2) und v. 10.07.2009 (s. Fn. 4); LG

Potsdam, Urt. 24.06.2009 (s. Fn. 11); hierzu wegweisend Bömcke/Weck, VuR2009, 53, 56; kritisch Hoffmann-Theinert/Tiwisina, EWiR 2009, 497; Bausch,BB 2009, 1833; Veil, WM 2009, 1585.

19 – bzw. solche Umschichtungsfälle angenommen wurden. In dem Urteildes LG Hamburg vom 23.06.2009 (s. Fn. 2) war die vorhergehende Anlageabgelaufen; hier erscheint es fraglich, ob der Anleger tatsächlich von einergesicherten in eine ungesicherte Anlage „gewechselt“ ist.

20 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.11.2008 (s. Fn. 10); so auch LG Hamburg,Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 2); LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 13);LG Itzehoe, Urt. v. 06.08.2009 (s. Fn. 16); Ombudsmann der privaten Ban-ken, Schlichtungsspruch v. 06.05.2009, Az.: H 932/08 (Citibank); andersLG Potsdam, Urt. v. 24.06.2009 (s. Fn. 11); siehe hierzu auch Knops, BB2008, 2535, 2537.

Risiken nicht ausreichend aufgeklärt.8 Die Frankfurter Spar-kasse wurde wegen „auftragsloser Zubuchung“ von Lehman-Zertifikaten verurteilt.9 In einem ersten Lehman-Urteil ausNovember 2008 hatte die 19. Zivilkammer noch zugunstender Frankfurter Sparkasse entschieden; es bestehe keine gene-relle Verpflichtung, auf das nur theoretische Risiko einesTotalverlustes bei Insolvenz des Emittenten besonders hinzu-weisen.10

III. LG Potsdam

Das LG Potsdam begründet die Haftung der Postbank mit derunterbliebenen Aufklärung über die fehlende Einlagensiche-rung.11 Die Aufklärungspflicht ergebe sich daraus, dass dasKapital der Kläger, das bisher auf dem Einlagensicherungssys-tem der deutschen Banken unterliegenden Sparkonten ange-legt war, durch die Verschiebung in Lehman-Zertifikate dieserAbsicherung entzogen wurde. Obiter dictum widerspricht dasLG Potsdam außerdem der Ansicht des LG Frankfurt a. M.,12

dass auf ein nur theoretisch bestehendes Risiko der Insolvenzdes Emittenten nicht hingewiesen werden müsse.

IV. LG Chemnitz

Das LG Chemnitz hat die beratende Bank zum Schadenser-satz verurteilt, weil die verkauften Zertifikate nicht dem Risi-koprofil des Klägers entsprachen; die Klage gegen den mit-verklagten Bankberater wurde abgewiesen, weil keine ver-tragliche Beziehung zu dem Bankberater bestehe und dieserauch nicht deliktisch hafte.13 Anders als das LG Hamburg14

verneint das LG Chemnitz aber eine „Kick-Back“-Haftung derbeklagten Bank, weil diese keine Rückvergütungen erhalten,sondern im Rahmen eines Festpreisgeschäfts eine Gewinn-spanne verwirklicht habe. Würden Papiere von der Emitten-tin mit einem Preisabschlag zunächst erworben, um sie dannweiterzuveräußern, handle es sich um eine „übliche Handels-spanne“, mit der der Kunde rechne. Billigerweise könne ernicht erwarten, ohne Vergütung beraten zu werden. Bei die-ser Sachlage sei eine „Provision“ nur dann offenbarungs-pflichtig, wenn diese außergewöhnlich hoch sei. Hiervonkönne bei einem Preisabschlag von 3,5 % nicht gesprochenwerden.

Außerdem könne angesichts des (geringen) Preisabschlagsnicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei dessenKenntnis von dem Erwerb der Zertifikate abgesehen hätte.Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens setze voraus,dass es nur eine bestimmte Möglichkeit aufklärungsrichtigenVerhaltens gebe. Diese Vermutung sei nicht begründet, wenneine gehörige Aufklärung beim Anleger einen Entscheidungs-konflikt ausgelöst hätte, weil es vernünftigerweise nicht nureine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigenVerhaltens gegeben hätte.15

V. LG Itzehoe

Schwer nachvollziehbar ist die Ansicht des LG Itzehoe, dasseine „bankübliche“ Vertriebsprovision von 3,5 % keine auf-klärungspflichtige „Kick-Back-Provision“ sein soll.16

B. Bewertung

Auch wenn die vorgenannten LG-Urteile weitgehend nichtrechtskräftig sind, so lässt sich doch schon feststellen, dass inden Lehman-Fällen drei Haftungsansätze besondere Bedeu-

tung haben, nämlich die fehlende Einlagensicherung der Zer-tifikate, die „Kick-Back“-Rechtsprechung des BGH und dasRisikoprofil des Anlegers.

I. Fehlende Einlagensicherung der Zertifikate (Insolvenzrisiko)

1. Aufklärungspflicht bei Umschichtungen

Zertifikate unterliegen keinem Einlagensicherungssystem.17

Zumindest dann, wenn dem Anleger eine „Umschichtung“von einer bestehenden (gesicherten) Anlage in (ungesicherte)Zertifikate empfohlen wird, wenn er also aus einer gesicher-ten Anlage „heraus-“ und in eine ungesicherte Anlage „hin-einberaten“ wird, muss die beratende Bank über den Verlustder Sicherung aufklären.18 Dieselbe Aufklärungspflicht sollteauch dann bestehen, wenn der Anleger das Kapital nichtumschichtet, sondern – ohne vorhergehende andere Anlage –erstmals in Lehman-Zertifikate investiert. Diese Konstellationwurde in den oben aufgeführten Urteilen nicht behandelt, dadiesen Urteilen jeweils Umschichtungsfälle zugrundelagen.19

2. Insolvenzrisiko des Emittenten

Das Fehlen einer Einlagensicherung wirkt sich für den Anle-ger nur bei einer Insolvenz des Emittenten aus. Die Aufklä-rung über die fehlende Einlagensicherung einerseits und überdas Totalverlustrisiko bei Insolvenz des Emittenten anderer-seits betreffen deshalb dasselbe Schutzinteresse des Anlegers;es handelt sich um zwei Seiten derselben Medaille. Dabei istumstritten, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen über dasInsolvenzrisiko aufzuklären ist. Das LG Frankfurt a. M. lehnteine generelle Pflicht zur Aufklärung über die Möglichkeiteines Totalverlustes bei Insolvenz des Emittenten ab. Wenn –wie im Falle der Investmentbank Lehman Brothers vor Aus-bruch der Finanzkrise – eine solche Insolvenz fernliege, wennes also um ein nur theoretisches Risiko gehe, dann müssehierüber nicht aufgeklärt werden.20

3. Keine sichere Anlage ohne Einlagensicherung

Der BGH bewertet Einlagen nicht als „sichere Geldanlage“,wenn die Bank nur der beschränkten (gesetzlichen) Einlagen-sicherung unterliegt; eine Bank ohne umfassende Einlagensi-cherung darf Einlagen bei sich selbst schon gar nicht emp-

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Maier, Die aktue l le Rechtsprechung der Landger ichte zu den Aufk lärungspf l i chten | A U F S Ä T Z E

fehlen, wenn der Anleger eine „sichere Geldanlage“ will.21

Übertragen auf Zertifikate bedeutet das, dass es sich hierbei –mangels Einlagensicherung – grundsätzlich nicht um einesichere Anlageform handeln kann. Schon wegen des bloßenFehlens einer Einlagensicherung – und unabhängig von einerentsprechenden Aufklärungspflicht – dürfen Zertifikate dem-nach nicht empfohlen werden, wenn es dem Anleger umeine sichere Anlage geht.22

II. „Kick-Back“-Rechtsprechung des BGH

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die beratende Bankverpflichtet, über verdeckte Rückvergütungen („Kick-Backs“)zu informieren. Die Aufklärung ist notwendig, um dem Kun-den den Interessenkonflikt der Bank offenzulegen. Erst durchdie Aufklärung wird der Kunde in die Lage versetzt, dasUmsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beur-teilen, ob die Bank ihm ein bestimmtes Produkt nur deshalbempfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Die Aufklärung istunabhängig von der Höhe der Rückvergütungen geboten.23

Die vorgenannten Urteile der Landgerichte Itzehoe24 undChemnitz25 machen deutlich, dass im „Kick-Back“-Bereichnoch erhebliche Unsicherheiten bestehen.

1. Höhe der Provision

Das Landgericht Itzehoe nimmt an, dass eine „banküblicheVertriebsprovision“ von 3,5 % keine „Kick-Back-Provision“sein soll.26 Dies kann wohl nur als Ausreißer angesehen wer-den. In allen übrigen einschlägigen Entscheidungen bestehtEinigkeit darüber, dass es für die Aufklärungspflicht weder aufdie Höhe der Provision noch auf ihre Üblichkeit ankommenkann.

2. Gewinnmarge beim Eigenvertrieb fremder Finanzprodukte

Nicht so eindeutig ist die Aufklärungspflicht über Rückvergü-tungen beim Eigenvertrieb fremder Finanzprodukte. Hiererhält der Anlageberater keine Provision („echte“ Rückvergü-tung), sondern er erwirbt das Zertifikat zunächst selbst vomEmittenten, veräußert es an den Anleger weiter und verwirk-licht dabei eine Gewinnmarge. Die überwiegende Recht-sprechung nimmt auch in dieser Konstellation eine Aufklä-rungspflicht an.27

Dagegen verneint das LG Chemnitz eine Aufklärungspflicht,weil es sich bei der Gewinnmarge um eine „übliche Handels-spanne“ handle, mit der der Kunde rechne. Billigerweisekönne er nicht erwarten, ohne Vergütung beraten zu werden.Bei dieser Sachlage sei eine „Provision“ nur dann offenba-rungspflichtig, wenn diese außergewöhnlich hoch sei.28 DieArgumentation des LG Chemnitz kann nicht überzeugen. DerAnlageberater muss über seine „echten“ Rückvergütungenunabhängig von deren Höhe aufklären; dies gilt auch dann,wenn er den Anleger unentgeltlich berät.29 Der Anleger, derunentgeltlich beraten wird, muss sich also keine Gedankenüber die Vergütung seines Beraters und dessen möglichenInteressenkonflikt machen. Dann kann man ihn bei einerGewinnmarge der Bank kaum darauf verweisen, er müsse denInteressenkonflikt seines Beraters erkennen, weil er nichterwarten könne, ohne Vergütung beraten zu werden. Es leuch-tet nicht ein, warum der Anleger erwarten darf, unentgeltlichberaten zu werden, wenn sein Berater eine Provision erhält,warum er dies aber nicht erwarten darf, wenn sein Berater eineGewinnmarge verwirklicht. Auch bei einer unentgeltlichenBeratung ist es für die Erwartungen des Anlegers und für sein

Vertrauen in die Unabhängigkeit seines Beraters offensichtlichohne Bedeutung, ob sich das Eigeninteresse des Beraters auseiner Provision oder aus einer Gewinnmarge ergibt, zumal dader – nicht aufgeklärte – Kunde hiervon ohnehin nichts weiß.

3. Gewinnmarge beim Vertrieb eigener Anlageprodukte

Bejaht man mit der überwiegenden Rechtsprechung und ent-gegen dem LG Chemnitz die Aufklärungspflicht auch beieiner Gewinnmarge, dann schließt sich die Frage an, ob überdie Gewinnmarge auch dann aufzuklären ist, wenn die bera-tende Bank eigene Anlageprodukte empfiehlt. In dieser Kon-stellation wird eine Aufklärungspflicht bisher verneint.30 DieBegründung des OLG Düsseldorf ist bemerkenswert. DieRechtsprechung habe bislang „auch nicht angenommen, dassder Berater oder Vermittler einer von einem Dritten emittier-ten Kapitalanlage darüber aufzuklären hat, dass der Dritte eineGewinnmarge in das Produkt einkalkuliert hat. Nicht andersist dies zu bewerten, wenn der Emittent sein Produkt selbstvertreibt.“31 Das OLG Düsseldorf offenbart hier eine gewisseResistenz gegen den für die „Kick-Back“-Haftung maßgeb-lichen Gesichtspunkt. Mit dem Dritten, der eine Gewinnmar-ge in sein Produkt einkalkuliert, besteht kein Beratungsver-trag; es fehlt damit an dem für die „Kick-Back“-Haftung ent-scheidenden Interessenkonflikt. Anders ist es zu bewerten,wenn der Emittent sein eigenes Produkt – im Rahmen einesBeratungsvertrags – selbst empfiehlt. Dabei kann sich die Auf-klärungspflicht der Bank über ihre Gewinnmarge natürlichnicht aus ihrer Stellung als Emittentin ergeben, sondern nuraus dem Beratungsvertrag. Aus ihrer Stellung als Emittentinergeben sich keine weitergehenden Aufklärungspflichten hin-sichtlich ihrer Gewinnmarge. Die Frage ist vielmehr, ob sichdie Aufklärungspflichten der Bank aus dem Beratungsvertraggerade dadurch und deshalb verringern, weil sie gleichzeitig dieEmittentin des empfohlenen Finanzprodukts ist.

21 BGH, Urt. v. 14.07.2009, Az.: XI ZR 152/08, Rn. 51, VuR 2009, 381 f. (indiesem Heft).

22 Siehe zu dem Risikoprofil „sichere Anlage“ auch unten Fn. 36.23 BGH, Urt. v. 19.12.2006, Az.: XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 = NJW 2007,

1876; BGH, Beschl. v. 20.01.2009, Az.: XI ZR 510/07, VuR 2009, 176 = NJW2009, 1416; OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2009, Az.: 17 U 371/08, VuR2009, 384 f. (in diesem Heft).

24 LG Itzehoe, Urt. v. 06.08.2009 (s. Fn. 16).25 LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 13).26 LG Itzehoe, Urt. v. 06.08.2009 (s. Fn. 16).27 LG Hamburg, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 2; „Sinn und Zweck der BGH-Recht-

sprechung gebietet eine Ausdehnung der „Kick-Back“-Rechtsprechung aufdie Aufklärungspflicht einer Bank in Bezug auf eine Gewinnmarge beimEigenvertrieb von Finanzprodukten.“), v. 01.07.2009 (s. Fn. 3; „Die Inter-essenlage der am Beratungsvertrag Beteiligten ist in den Fällen, in deneneine Bank zu einer Anlage rät, mit der sie eine Handelsspanne realisierenwill, nicht wesentlich anders als in den Fällen, in denen die Bank eineRückvergütung für die Vermittlung einer bestimmten Anlage erhalten will.Entscheidend ist für beide Fälle, dass der Anspruch des Bankkunden aufeine an seinen Interessen ausgerichtete Beratung in den Fällen gefährdetsein kann, in denen die beratende Bank zu einer Anlage rät, aus deren Ver-trieb sie ... eine Beteiligung an dem erzielten Verkaufsumsatz erlangenwill.“) und v. 10.07.2009 (s. Fn. 4; „Nach dem Sinn und Zweck dieserPflicht, die allein auf eine Offenbarung des Eigeninteresses abzielt, mussdies sogar unabhängig von der Ausgestaltung der Vergütung gelten, gleichob es sich um einen Rückfluss handelt oder nicht, ob es um eine Provisiongeht oder um eine Gewinnmarge.“); LG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.07.2009(s. Fn. 6; „Rückvergütungen sind alle Zahlungen, die der Berater einesAnlagekunden vom Emittenten der verkauften Wertpapiere bezahlt erhält.Aber auch ein Rabatt auf den Verkaufspreis wäre der Sache nach nichtsanderes als eine versteckte Rückzahlung, nämlich eine Gewinnerzielungseitens der Bank aus dem vermittelten Geschäft im Wege des Vorabzugs.“).

28 LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 13). Gegen eine Aufklärungspflichtüber die Gewinnmarge auch Lang/Balzer, ZIP 2009, 456, 457; Hoffmann-Theinert/Tiwisina, EWiR 2009, 497; Bausch, BB 2009, 1833.

29 Z.B. OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2009, Az.: 17 U 371/08, VuR 2009, 384 f.(in diesem Heft).

30 LG Krefeld, Urt. v. 11.09.2008, Az.: 3 O 48/08; OLG Düsseldorf, Urt. v.29.06.2009, Az.: I-9 U 187/08, WM 2009, 1410.

31 OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2009 (s. Fn. 30).

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372 | VuR 10/2009

32 LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 13) unter Berufung auf BGH, Urt.v. 13.07.2004, Az.: XI ZR 178/03, NJW 2004, 2967.

33 – mit Ausnahme des LG Itzehoe, Urt. v. 06.08.2009 (s. Fn. 16) –34 Siehe zur Geltung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens in

„Kick-Back“-Fällen auch BGH, Urt. v. 12.05.2009, VuR 2009, 298 = NJW2009, 2298, und LG Hamburg, Urt. v. 22.07.2009, Az.: 313 O 340/08, VuR2009, 385 f. (in diesem Heft).

35 Grundlegend: BGH, Urt. v. 06.07.1993, Az.: XI ZR 12/93 („Bond-Anleihe“),BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433.

36 AG Leipzig, Urt. v. 10.11.2008 (kein Lehman-Zertifikat), Az.: 115 C3759/08, BB 2009, 240 (m. Bespr. Elixmann). Auch das LG Hamburg (Urt.v. 01.07.2009, s. Fn. 3) bewertet Lehman-Zertifikate nicht als sichere Anla-ge. Der BGH sieht Einlagen nicht als „sichere Geldanlage“, wenn die Banknur der beschränkten (gesetzlichen) Einlagensicherung unterliegt (Urt. v.14.07.2009, s. Fn. 21); übertragen auf Zertifikate bedeutet das, dass es sichhierbei - mangels Einlagensicherung - grundsätzlich nicht um eine sichereAnlageform handeln kann.

37 LG Hamburg, Urt. v. 15.12.2008 (s. Fn. 5).38 LG Frankfurt a. M., Urt. v. 07.04.2009 (s. Fn. 7).39 LG Chemnitz, Urt. v. 23.06.2009 (s. Fn. 13).40 BGH, Urt. v. 14.07.2009, Rn. 38 (s. Fn. 21); BGH, Urt. v. 24.01.2006,

Az. XI ZR 320/04, Rn. 15, NJW 2006, 1429; LG Hamburg, Urt. v.15.12.2008 (s. Fn. 5); Palandt/Heinrichs, 68. Aufl. 2009, § 280 Rn. 36.

4. Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens

Bejaht man – je nach der im Einzelfall vorliegenden Konstel-lation – eine Aufklärungspflicht der Bank über ihre Provisio-nen/Gewinnmarge, dann kehren im Rahmen der für denSchadensersatzanspruch erforderlichen Kausalität der Aufklä-rungspflichtverletzung für die Anlageentscheidung des Kun-den dieselben Argumentationsmuster wieder. So lehnt das LGChemnitz die „Kick-Back“-Haftung der beratenden Bankauch deshalb ab, weil man angesichts des geringen Preisab-schlags nicht davon ausgehen könne, dass der Anleger beidessen Kenntnis von dem Erwerb der Zertifikate abgesehenhätte. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greifenicht ein, weil es bei einer Aufklärung über die (geringe)Gewinnmarge nicht nur eine bestimmte Möglichkeit aufklä-rungsrichtigen Verhaltens gegeben habe, sondern die gehöri-ge Aufklärung beim Anleger einen Entscheidungskonfliktausgelöst hätte.32

Dieses Argument, wäre es richtig, würde auch für „echte“Rückvergütungen gelten. Im Ergebnis würde der Schadenser-satzanspruch des Anlegers wegen mangelhafter „Kick-Back“-Aufklärung dann auch bei „echten“ Rückvergütungen vonderen Höhe abhängen. Die übereinstimmende Recht-sprechung,33 dass die Aufklärungspflicht unabhängig von derHöhe der Rückvergütungen besteht, wäre im Ergebnis „aus-gehebelt“. Das LG Chemnitz verkennt aber den Interessen-konflikt des Anlageberaters als Ausgangspunkt der „Kick-Back“-Haftung und die Bedeutung dieses Interessenkonfliktsauch für die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. DieVermutung geht dahin, dass der Anleger von der empfohle-nen Anlage abgesehen hätte, wenn ihm der Interessenkon-flikt seines Beraters bekannt gewesen wäre. Insoweit bestehtkein Entscheidungskonflikt; auf die Höhe der Rückvergütung(Gewinnmarge) kommt es dabei nicht an.34

III. Risikoprofil des Anlegers

Der Anlageberater schuldet eine anleger- und objektgerechteBeratung.35 Anlegergerecht ist die Beratung, wenn der Bera-ter das Anlageziel des Kunden und dessen einschlägiges Fach-wissen abklärt und seine Empfehlung an diesem Risikoprofilausrichtet. Die Empfehlung eines Zertifikats ist in der Regelnicht anlegergerecht, wenn der Anleger eine „sichere Anlage“will,36 wenn sein Anlegerprofil „auf Aktienwerte ausgerich-tet“ ist,37 wenn er eine „kurzfristige Anlage“ will,38 oderwenn er den Aktienanteil in seinem Wertpapierdepot redu-zieren will.39 Der Anleger trägt zwar die Darlegungs- undBeweislast für die Aufklärungs- und Beratungspflichtverlet-zung durch die Bank. Die Bank muss aber die behaupteteFehlberatung sustanziiert bestreiten und darlegen, wie imEinzelnen aufgeklärt und beraten worden ist (sekundäre Dar-legungslast).40

C. Ausblick

Es ist nicht zu erwarten, dass der BGH seine „Kick-Back“-Rechtsprechung in absehbarer Zeit ändern oder einschränkenwird. Die besten Chancen für Lehman-Anleger bestehen des-halb dann, wenn die beratende Bank „echte“ Rückvergütun-gen (Provisionen) erhalten und hierüber nicht aufgeklärt hat.Richtigerweise kann es dann auch für die Kausalität und dieVermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht auf dieHöhe der Provision ankommen.

Für die Fälle, in denen die beratende Bank die Zertifikateselbst vertrieben hat, bleibt abzuwarten, ob die OLGe demüberzeugenden Ansatz der LGe folgen werden, die „Kick-Back“-Grundsätze auch auf Gewinnmargen anzuwenden.Gleiches gilt für die Frage, ob und unter welchen Vorausset-zungen über die fehlende Einlagensicherung der Zertifikateaufzuklären ist; auch hierzu liegen noch keine OLG-Entschei-dungen vor. Insoweit stehen die Chancen in „Umschich-tungsfällen“ sicherlich besser als bei Erstanlagen in Lehman-Zertifikate.

Für die Vereinbarkeit von Lehman- und anderen Zertifikatenmit dem Risikoprofil des Anlegers kommt es überwiegend aufden konkreten Sachverhalt im jeweiligen Einzelfall an. Hiergeht die Tendenz dahin, Lehman- und andere Zertifikate alseine für konservative, sicherheitsorientierte und unerfahreneAnleger ungeeignete, spekulative Anlageform zu bewerten.

Die aktuellen LG-Urteile haben die Chancen der Lehman-Anleger also insgesamt deutlich verbessert. In zahlreichenFällen ist der Weg aber noch nicht frei von Stolpersteinen.

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VuR 10/2009 | 373

Kulke , Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkred i t r icht l in ie | A U F S Ä T Z E

Nachdem in einem ersten Teil (VuR 2009, 12 ff.) ein kurzerÜberblick über die Neuregelung der Widerrufsrechte, insbe-sondere bezogen auf die Regelungen zum Haustürwiderrufs-recht, verbunden mit den hierzu auftretenden Fragestellun-gen, erfolgt ist, soll in einem zweiten Teil der Überblick überdie Neuregelungen bezüglich des Widerrufs- und Rückgabe-rechts fortgesetzt und zugleich ein Überblick über das neueDarlehensvertragsrecht eingeleitet werden, wobei hier wiede-rum Schwerpunkte auf besonders gravierende oder verbrau-cherschutzrechtliche Veränderungen und Neuregelungengesetzt werden sollen. Da die Regelungen teilweise bereitszum 31. Oktober 2009 in Kraft treten (vgl. Art. 11 Abs. 2 desGesetzes), sind im Folgenden alle Vorschriften mit „BGB“ zi-tiert und nicht wie im ersten Teil des Beitrages mit „BGB-E“.Soweit auf das alte Recht Bezug genommen wird, sind dieseVorschriften mit „BGB a. F.“ zitiert.

B. Die Änderungen der Vorschriften über dasWiderrufs- und Rückgaberecht

Im Folgenden sollen die Änderungen der Widerrufsrechte beianderen Verträgen als Haustürgeschäften (dazu unter B. II.),der grundlegenden Vorschrift für das Widerrufsrecht (§ 355BGB, dazu unten B. III.), des Rückgaberechtes gemäß § 356BGB (dazu unten B. IV.), der Rechtsfolgen des Widerrufes ge-mäß § 357 BGB (dazu unten B. V.), sowie die Einfügung des§ 359a BGB (dazu unten B. VI.) und des § 360 BGB (Anforde-rungen an eine ordnungsgemäße Widerrufs- und Rückgabe-belehrung, dazu unten B. VII.) kurz dargestellt werden.

II. Widerrufsrechte bei anderen Verträgen und Widerrufsbe-lehrung

Auch bei den Verträgen, die im Rahmen einer anderen Ver-triebsform zustande gekommen sind, ergeben sich durch dasUmsetzungsgesetz Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuchund im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, diehier nur kurz angezeigt werden sollen.

1. Änderung des § 312c BGB

Die Vorschrift des § 312c BGB a. F. wird erheblich vereinfacht,da jetzt über die Verweisungsnorm des § 312c I BGB die zen-trale Vorschrift für alle dem Verbraucher gegenüber einzuhal-tenden und zu erfüllenden Informationspflichten Art. 246EGBGB darstellt. Diese Vereinfachung der Normen des Bür-gerlichen Gesetzbuches erweist sich vordergründig durchausals attraktiv, da auf eine solche Art und Weise die Vorschrif-ten leichter lesbar erscheinen. Andererseits gestaltet sich

durch die ständige Verweisung von den Vorschriften des Bür-gerlichen Gesetzbuches in ein anderes Gesetz die Rechtsan-wendung nicht praktikabler,1 da ein sinnvolles Arbeiten mitdiesen Vorschriften nur über ein gleichzeitiges Studium (dernebeneinander liegenden Gesetzestexte) möglich erscheint.2

Der Gesetzgeber hat sich jedoch für diese auch im Folgendenimmer wieder Bedeutung erlangende Verweisung entschie-den, da sich im Zusammenhang mit der Auslagerung zivil-rechtlicher Vorschriften in die BGB-Informationspflichten-verordnung rechtliche Unsicherheiten ergeben haben unddie „technischen Vorschriften“ (Welche Informationen hatder Unternehmer gegenüber dem Verbraucher wann bei wel-cher Vertriebsart und welchem Vertrag wie zu erfüllen?) inein formelles Gesetz überführt werden sollten.3 Keine Rege-lung hat der Gesetzgeber jedoch für den Fall der Informa-tionspflichtverletzung getroffen. Hier wäre eine Klarstellungwünschenswert und durchaus sinnvoll gewesen. Allerdingsist davon auszugehen, dass wie bereits bisher die Informa-tionspflichtverletzung durch den Unternehmer die Wirksam-keit des Fernabsatzvertrages nicht berührt,4 dem Verbraucherjedoch einen Anspruch auf Leistung (Erfüllung) dieser Infor-mationspflichten gegen den Unternehmer zusteht und er imFalle der weitergehenden Verletzung der Informationspflich-ten Schadensersatz gemäß §§ 280 I 1, 2, 311 II Nr. 1, 241 IIBGB zu verlangen berechtigt ist, der unter Umständen auchgemäß § 249 I BGB einen Anspruch auf Vertragsaufhebungbegründen kann.5

2. Änderung des § 312d BGB

Bei der Änderung des § 312d BGB a. F. handelt es sich in ersterLinie um redaktionell veranlasste Änderungen, die wiederumder Einfügung der Informationspflichten in das EGBGB Rech-nung tragen und den Wortlaut der Vorschrift vereinfachen6.Wegen des Vollharmonisierungscharakters der Richtlinie kanndie Regelung des § 312d V 2 BGB a. F. mit der Verweisung auf§ 312d II BGB a. F. nicht beibehalten werden, sodass die Wider-

Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkredit-richtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungs-diensterichtlinie sowie zur Neuordnung derVorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht* –Teil 2Von Ass. jur. Ulrich Kulke, Würzburg

* Vom 29. Juli 2009, BGBl. I Nr. 49, S. 2355.1 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2. 2 Daher wird man auch Ady/Paetz, WM 2009, 1061, widersprechen müssen,

denen zufolge die permanente Verweisung auf das EGBGB als eine zumut-bare Lösung auch für diejenigen erscheint, die mit dem Gesetz arbeitenund darin blättern müssen, da BGB und EGBGB in der Regel auch nach-einander abgedruckt werden.

3 Ady/Paetz, WM 2009, 1061. Zu den Gründen vgl. die Gesetzesbegründungdes Gesetzesentwurfes BT-Drs. 16/11643 v. 21.01.2009, S. 66.

4 Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl. 2009, § 312c Rn. 5.5 Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 312c Rn. 5. Zu den vielfältigen Erschei-

nungsformen des Anspruches auf Vertragsaufhebung aus einer culpa incontrahendo wegen der Verletzung vorvertraglicher Wohlverhaltens-pflichten im Sinne von Schutzpflichten gemäß § 241 II BGB vgl. nur Jau-ernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 311 Rn. 62.

6 BT-Drs. 16/11643, S. 69.

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7 BT-Drs. 16/11643, S. 70.8 Jauernig/Mansel, a.a.O. (s. Fn. 4), § 505 Rn. 1.9 Jauernig/Mansel, a.a.O. (s. Fn. 4), § 505 Rn. 1.10 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 70.11 Es wäre zum Beispiel daran zu denken, dass § 312d V 2 BGB formuliert wer-

den würde: „Bei Ratenlieferungsverträgen dagegen gilt Absatz 2 entspre-chend.“

12 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 70.13 Vgl. dazu die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 70.14 Vgl. nur LG Kleve ZGS 2008, 439; OLG Stuttgart ZGS 2008, 197; OLG

Naumburg WM 2008, 326; OLG Hamburg NJW 2007, 1893; KG NJW 2006,3215; Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 355 Rn. 9; zur Gegenauffassungvgl. LG Paderborn MMR 2007, 191.

15 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 70.16 Mit dieser Formulierung ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs.

16/11643, S. 70.17 Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 355 Rn. 14.

rufsfrist am Tag des Vertragsabschlusses oder an dem Tag, andem der Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehens-vertrag die Vertragsbedingungen und den Vertragsinhaltgemäß Art. 247 § 6 EGBGB erhält, beginnt.7 Dies gilt allerdingsnur für solche Verträge, die in den Anwendungsbereich derVerbraucherkreditrichtlinie fallen; bei Ratenlieferungsverträ-gen gemäß § 505 BGB a. F. (jetzt § 510 BGB) tragen zwar dasunabdingbare Widerrufsrecht und das Formerfordernis derdurch die vielfach langfristigen Erwerbsbindung eintretendenbelastenden Wirkung Rechnung8, jedoch ist dies keine Vorga-be der Verbraucherkreditrichtlinie.9 Bei Ratenlieferungsverträ-gen gemäß § 510 BGB (§ 505 BGB a. F.) bleibt es dagegen beider bisherigen Rechtslage, und zwar auch bei solchen mit Exis-tenzgründern (§ 512 BGB [§ 507 BGB a. F.]); andere Existenz-gründer wiederum sollen nach der Gesetzesbegründung denVerbraucherdarlehensnehmern gleichgestellt werden,10 waswiederum unter verbraucherschutzrechtlichen Gesichtspunk-ten zumindest im Ansatz als zweifelhaft erscheint. Zugleichwäre eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert, dassRatenlieferungsverträge eben anders zu behandeln sind als alleanderen entgeltlichen Finanzierungshilfen.11

3. Änderung des 312e BGB

Die Änderungen des § 312e BGB a. F. wiederum sind rein re-daktionell bedingte, welche die geänderten Vorschriften desArt. 246 EGBGB und des § 355 III BGB betreffen.

III. Das Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB

§ 355 BGB erhält gewissermaßen eine neue Struktur, in derenRahmen § 355 I BGB das Widerrufsrecht und seine Ausübungregeln, § 355 II BGB sich mit der zeitlichen Dauer der Wider-rufsfrist befasst, § 355 III BGB den Beginn der Widerrufsfristund § 355 IV BGB das Erlöschen des Widerrufsrechtesregeln.12 Neu ist im Rahmen des § 355 II BGB der S. 2, der beiFernabsatzverträgen eine unverzüglich nach Vertragsschlussin Textform gemäß § 126b BGB mitgeteilte Widerrufsbeleh-rung einer solchen bei Vertragsschluss erfolgten Widerrufsbe-lehrung gleichstellt, wenn der Unternehmer den Verbrauchergemäß Art. 246 § 1 I Nr. 10 EGBGB über das Widerrufs- oderRückgaberecht unterrichtet hat.13 Der Gesetzgeber will damiteiner unterschiedlichen rechtlichen Behandlung hinsichtlichder zeitlichen Dauer der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträ-gen über eine Internetauktionsplattform (diese ermöglichtedem Unternehmer bisher nach h. M. mangels vor Abschlussdes Vertrages bestehender Downloadmöglichkeit keine Mittei-lung in Textform14 und daher bestand ein Widerrufsrecht miteiner Widerrufsfrist von einem Monat, § 355 II 2 BGB a. F.)und solchen Fernabsatzverträgen, die sich in einem „norma-len“ Internetshop vollziehen, entgegentreten.15 Erforderlichist gemäß § 355 II 2 BGB aber in jedem Fall, dass der Unter-nehmer dann auch unverzüglich, also ohne schuldhaftesZögern handeln und dem Verbraucher spätestens am Tagenach dem Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung in Text-form mitteilen muss.16 Bedauerlich ist, dass im Zusammen-hang mit der Widerrufsbelehrung nicht deutlich formuliertwird, dass diese Belehrung dem Verbraucher auszuhändigenist, sodass dieser ein Exemplar für sich behält und dass derGesetzgeber bei der rechtstechnischen Formulierung verblie-ben ist, dass die Widerrufsbelehrung in Textform gemäߧ 126b BGB mitzuteilen ist.17 Wenn eine den Anforderungendes § 360 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung dem Ver-braucher weder bei Vertragsschluss (§ 355 II 1 BGB) nochunverzüglich nach Vertragsschluss (§ 355 II 2 BGB) mitgeteilt

worden ist, beträgt die Widerrufsfrist einen Monat, § 355 II 3BGB. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass dieTerminologie leider auch im Rahmen der Änderungen derVorschriften über das Widerrufsrecht nicht vereinheitlichtworden ist. Im Rahmen von Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGBwird davon gesprochen, dass der Unternehmer dem Verbrau-cher die Informationen über das Bestehen oder Nichtbesteheneines Widerrufsrechtes sowie die Bedingungen und die Einzel-heiten insbesondere bezüglich der Ausübung zur Verfügungstellen muss. In § 355 II 2 BGB wird dagegen formuliert, dassder Unternehmer den Verbraucher gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1Nr. 10 EGBGB unterrichten muss, während in § 355 II 1 BGBdie Formulierung lautet, dass dem Verbraucher eine denAnforderungen des § 360 I BGB entsprechende Widerrufsbe-lehrung mitgeteilt wird. Daher erscheint es nicht ganz klar,warum der Gesetzgeber nicht auch in § 355 II 2 BGB auf § 360I BGB und eine den Anforderungen dieser Vorschrift entspre-chende Widerrufsbelehrung Bezug genommen hat. Sinnvollund auch gerade für den juristischen Laien deutlich nachvoll-ziehbarer wäre in diesem Zusammenhang die Verwendungeiner einheitlichen Terminologie, nämlich des BegriffesWiderrufsbelehrung und damit zugleich auch die durchge-hende Bezugnahme auf die Vorschrift des § 360 I BGB.Darüber hinaus stellt sich die Frage, in welchem Zusammen-hang die Formulierung „eine den Anforderungen des § 360 IBGB entsprechende Widerrufsbelehrung in Textform mitge-teilt wird“ (so § 355 II 1 BGB) mit der Formulierung „nichtentsprechend den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB übersein Widerrufsrecht in Textform belehrt worden ist, …“ stehtund warum der Gesetzgeber in der Neufassung nicht einheit-lich von der Widerrufsbelehrung und der Verpflichtung desUnternehmers gegenüber dem Verbraucher spricht, den Ver-braucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Dies würdemaßgeblich zum Verständnis beitragen und auch dem „einfa-chen“ Bürger als mündigem Verbraucher das Textstudium desBürgerlichen Gesetzbuches erleichtern. Auch wäre es für denRechtsanwender einfacher, wenn stets auf eine den Anforde-rungen des § 360 I BGB entsprechende Widerrufsbelehrungverwiesen werden würde, so also auch in § 355 II 2 BGB. Es istdem Unternehmer damit jetzt möglich, den Verbraucher vorAbgabe von dessen Vertragserklärung gemäß Art. 246 § 1Abs. 1 Nr. 10 EGBGB von dem Widerrufsrecht zu unterrichten.Daher muss der Unternehmer vor Vertragsschluss abstrakt aufdas Bestehen eines Widerrufsrechtes hinweisen, für den Fall,dass der Vertragspartner Verbraucher ist und diese abstrakteWiderrufsbelehrung muss vor Vertragsschluss nicht in Text-form erfolgen, sondern „nur“ den Anforderungen des Art. 246§ 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB entsprechen, während der Unternehmernach Vertragsschluss und damit der Kenntniserlangung vonseinem konkreten Vertragspartner diesem unverzüglichgemäß § 121 Abs. 1 S. 1 BGB eine Widerrufsbelehrung in Text-

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Kulke , Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkred i t r icht l in ie | A U F S Ä T Z E

18 Vgl. dazu Domke, BB 2005, 228; Jauernig/Stadler, BGB, a.a.O. (s. Fn. 4),§ 355 Rn. 6.

19 Dazu Domke, BB 2005, 228.20 In der Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 71 heiß es dazu immerhin

zu der Neufassung des § 355 IV BGB: „In der Sache ergeben sich keineAbweichungen zur bisher geltenden Rechtslage.“, womit wohl auch § 355III 3 HS. 2 BGB a. F. gemeint ist.

21 Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 356 Rn. 3.22 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 72.23 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 72.24 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 72; bemerkenswert ist in diesem

Zusammenhang, dass die Gesetzesbegründung mit denselben Worten dierechtliche Gleichbehandlung einfordert und auch die Unverzüglichkeitmit denselben Worten erörtert wird.

25 Vgl. nur Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 357 Rn. 8.26 EuGH NJW 2008, 1433; Folgeentscheidung des BGH NJW 2009, 427; vgl.

dazu auch den neu eingefügten § 474 I 2 BGB.27 AG Lahr, MMR 2008, 270.28 Bülow/Artz, NJW 2000, 2052.29 Vgl. nur Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 357 Rn. 4.30 BGH, Beschl. v. 01.10.2008 – VIII ZR 268/07, ZGS 2009, 41.

form gemäß § 126b BGB mitteilen muss. Ob diese Gesetzes-änderung in der Praxis tatsächlich zu maßgeblichen Änderun-gen führen wird, bleibt abzuwarten, da die meisten Unter-nehmer ohnehin im Rahmen der sogenannten Internetauk-tionen schon ein Widerrufsrecht einräumen, für welches eineWiderrufsfrist von einem Monat besteht. Darüber hinaus istdie Fassung des § 355 II 1 BGB im Vergleich mit § 355 III 1BGB nicht zwingend Ausdruck einer Vereinfachung des Geset-zes. Auch wenn § 355 II BGB die Dauer der Widerrufsfrist und§ 355 III BGB den Beginn der Widerrufsfrist regeln sollen, sostellen beide Vorschriften doch auf die Mitteilung der ent-sprechenden Widerrufsbelehrung, die den Anforderungen des§ 360 BGB entsprechen muss, ab. Nicht weiter aufgegriffenhat der Gesetzgeber die Kritik an der Fassung des § 355 III 3HS. 2 BGB a. F. und der nicht ordnungsgemäß erfüllten Infor-mationspflicht im Rahmen des Fernabsatzes von Finanz-dienstleistungen.18 Damit bleibt es auch zukünftig dabei, dassdie Verletzung einer Informationspflicht gemäß Art. 246 § 2 I1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 bis 3 EGBGB im Rahmen eines Fernabsatz-vertrages über Finanzdienstleistungen dazu führt, dass demVerbraucher ein unbefristetes Widerrufsrecht zusteht, welchesgerade nicht wie bei anderen Fernabsatzverträgen gemäߧ 355 III 1 BGB nach spätestens sechs Monaten erlischt, wennder Unternehmer den Verbraucher zumindest ordnungsge-mäß, also entsprechend den Anforderungen des § 360 I BGBüber das Widerrufsrecht belehrt hat. Für eine Einschränkungeines solcherart unbefristet fortbestehenden Widerrufsrechtesdes Verbrauchers über die Grundsätze des rechtsmissbräuch-lichen Verhaltens19 dürfte trotz der wohl fehlenden Erörte-rung der Problematik in der Gesetzesbegründung20 eine Mög-lichkeit wohl nur in engen Grenzen bestehen. Zugleich ist beieiner vorvertraglichen Pflichtverletzung des Unternehmers imRahmen des Fernabsatzes von Finanzdienstleistungen durchdie Nichterfüllung der Informationspflichten auch wieder aneinen Anspruch auf Vertragsaufhebung aus einer culpa in con-trahendo zu denken, §§ 280 I 1, 2, 311 II Nr. 1, 241 II BGB.

IV. Das Rückgaberecht gemäß § 356 BGB

Die Neufassung des § 356 I 2 Nr. 1 BGB enthält eine redaktio-nelle Anpassung, nämlich jetzt wiederum die Verweisung auf§ 360 II BGB, der die an eine ordnungsgemäße Belehrung überdas Rückgaberecht zu stellenden Anforderungen umfassendregelt. Da der Gesetzgeber mit der Neuregelung von Wider-rufs- und Rückgaberecht zugleich auch eine Vereinheitlichungder beiden Rechte anstrebt, wird in Zukunft auf das Erforder-nis der Einräumung in Textform verzichtet. Fehlte bislangeine der Voraussetzungen der Nr. 1 bis 3 des § 356 I 2 BGB, sobestand kein Rückgaberecht, sondern nur ein Widerrufsrecht,dessen Ersetzung hatte nicht stattgefunden.21 Eine Anglei-chung des Rückgaberechts an das Widerrufsrecht erzielt dasGesetz jetzt dadurch, dass auch im Rahmen der ursprünglichfür eine wirksame Ersetzung erforderlichen Textform lediglichder Beginn der Rückgabefrist von der Belehrung über dasRückgaberecht in Textform abhängig gemacht wird. Dies wirderreicht über die Anwendung der §§ 356 I 2 Nr. 1, 360 II, 356II 2, 355 III 1 BGB, wonach die Frist für die Rückgabe demzu-folge beginnt, wenn dem Verbraucher eine den Anforderun-gen des § 360 II BGB entsprechende Belehrung über sein Rück-gaberecht in Textform mitgeteilt worden ist. Da § 356 II 1 BGBunverändert bleibt, ist der Verbraucher dadurch umfassendgeschützt, dass der Beginn der Rückgabefrist nicht nur eineRückgabebelehrung in Textform voraussetzt, sondern auchden Erhalt der Sache.22

V. Die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß § 357 BGB

Im Rahmen der Rechtsfolgen des Widerrufes hat der Gesetzge-ber lediglich die von ihm beabsichtigte rechtliche Gleichbe-handlung von Internetauktionshäusern mit „normalen“ Inter-netshops konsequent durchgeführt23 und mit § 357 III 2 BGBeinen neuen Satz eingeführt, welcher der Regelung des § 355 II2 BGB nachgebildet ist und damit auch dem Unternehmer, dereinen Fernabsatzvertrag mit einem Verbraucher im Rahmeneiner Internetauktion abschließt, einen Wertersatzanspruch füreine durch die bestimmungsgemäß Ingebrauchnahme derSache entstandene Verschlechterung eingeräumt.24 Leider hatder Gesetzgeber dagegen keine Regelung (und auch keineWorte) für die ungelösten und im Schrifttum auch durchausumstrittenen Fragen gefunden, die im Zusammenhang mit §357 BGB bestehen. Sehr umstritten ist die Frage, ob eine Wer-tersatzpflicht des einen Fernabsatzvertrag widerrufenden Ver-brauchers gemäß §§ 357 III 1, 346 II 1 Nr. 1 BGB überhauptrichtlinienkonform ist.25 Denn nach wohl überwiegender,zumindest weit verbreiteter Auffassung im Schrifttum, handeltes sich bei Wertersatzleistungen nicht um solche Kosten, diedem Verbraucher infolge der Ausübung des Widerrufsrechtsauferlegt werden. Gerade nach der „Quelle-Entscheidung“26

des Europäischen Gerichtshofes wäre von dem nationalenGesetzgeber eine gewisse Sensibilität zu begrüßen, sodass imRahmen einer solchen umfassenden Gesetzesänderung erwar-tet werden könnte, dass der Gesetzgeber das Problem zumindesterörtert. Da das Amtsgericht Lahr27 die Frage aber dem Europä-ischen Gerichtshof vorgelegt hat, bleibt abzuwarten, wie dieserentscheidet und wie der nationale Gesetzgeber dann gegebe-nenfalls reagieren wird. Des Weiteren ist es durchaus umstrit-ten, wie die Kostentragungsregelung gemäß § 357 II 2 BGB inder Praxis umzusetzen ist. Während seriöse Unternehmen imRahmen eines Fernabsatzvertrages bereits einen Rücksende-schein beilegen, der es dem Verbraucher ermöglicht, das Paketmit der zurückzusendenden Sache an der nächsten Postver-sandstelle ohne Kostentragung abzugeben, belasten andereUnternehmen den Verbraucher erst einmal mit den Kosten derRücksendung. Daher wird im Schrifttum28 teilweise einAnspruch des Verbrauchers auf Kostenvorschuss mit Rücksen-deverweigerungsrecht bis zur Zahlung gefordert, um zu verhin-dern, dass der in Vorleistung tretende Verbraucher den von ihmverauslagten Rücksendekosten hinterherzulaufen braucht.Noch weitaus umstrittener aber ist die Beantwortung der Frage,ob dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware an ihnauch im Falle eines Widerrufes auferlegt werden dürfen.29 DerBundesgerichtshof30 hat die Frage dem Europäischen Gerichts-hof mit Vorabentscheidungsersuchen vom 01.10.2008 vorge-

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legt: Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und desRates vom 20.05.1997 über Verbraucherschutz bei Vertragsab-schlüssen im Fernabsatz dahin auszulegen, dass sie einer natio-nalen Regelung entgegenstehen, nach der die Kosten der Zusen-dung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werdenkönnen, wenn er den Vertrag widerrufen hat? Hierzu hätte derGesetzgeber in der Gesetzesbegründung wenigstens Überlegun-gen anstellen, oder gar eine entsprechende Regelung treffenkönnen. Da der Bundesgerichtshof allerdings in dem Vorlage-beschluss selbst die Möglichkeit einer richtlinienkonformenAuslegung sieht,31 wäre es für den Gesetzgeber auch möglichgewesen, einen Handlungsbedarf bezüglich einer Gesetzesände-rung genau aus diesen Gründen zu verneinen.

VI. Die Einschränkungen und Erweiterungen bei den verbunde-nen Verträgen, §§ 359a BGB

Gemäß dem ursprünglich beabsichtigten § 358 VI BGB sinddie Absätze 2, 4 und 5 nicht anzuwenden auf Verbraucher-darlehensverträge, die der Finanzierung des Erwerbs vonFinanzinstrumenten dienen. Für die Definition des Begriffs„Finanzinstrumente“ kann auf die gesetzliche Definition des§ 1 Abs. 11 KWG zurückgegriffen werden.32 Da diese Finanz-instrumente ständigen Schwankungen unterliegen und demErwerber dies in aller Regel gerade auch bekannt ist, soll derErwerber durch den Widerruf des Darlehensvertrages, derdem Erwerb solcher Finanzinstrumente dient, das Risiko derKursschwankungen nicht auf den Verkäufer abwälzen kön-nen.33 Zu beachten ist, dass für Verbraucherdarlehensverträ-ge, die dem Erwerb von Finanzinstrumenten dienen, anson-sten die §§ 491 ff. BGB gelten,34 da § 491 III Nr. 2 BGB a. F.gestrichen worden ist. Denn nach der zutreffenden Auffas-sung des Gesetzgebers besteht über den Regelungsgehalt des§ 358 BGB hinaus nicht die Notwendigkeit, diese Verträge ausdem Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB vollkommenherauszunehmen.35 Die in diesen Fällen dem Verkäufer derRechte obliegenden umfassenden Aufklärungs- und Informa-tionspflichten schützen nämlich nicht vor den darlehensty-pischen Risiken.36 Daher erscheint es nicht nur gerechtfer-tigt, sondern auch gerade als sehr sinnvoll, die §§ 491 ff. BGBauf solche Verbraucherdarlehensverträge anzuwenden, diedem Erwerb von Finanzinstrumenten dienen.37 Angepasst anden neuen § 359a BGB ist die Vorschrift des § 359 BGB.

Der Anwendungsbereich des § 358 BGB wird durch die neueVorschrift, § 359a BGB, nicht unwesentlich erweitert. Gemäߧ 359a sind § 358 Abs. 1 und 4 entsprechend anzuwenden,wenn die Ware oder die Leistung des Unternehmers in einemVerbraucherdarlehensvertrag genau angegeben ist, die Voraus-setzungen für ein verbundenes Geschäft aber nicht vorliegen.Nach der Gesetzesbegründung soll dies zur Folge haben, dassein Widerrufsrecht nach § 358 Abs. 1 BGB mit den Rechtsfolgendes § 357 BGB bestehen soll38. Genauer wird man dies dahin zuverstehen haben, dass ein Widerrufsrecht hinsichtlich deseinen Vertrages besteht und trotz des Nichtvorliegens der Vor-aussetzungen des § 358 III BGB ein Widerrufsdurchgriff mög-lich sein soll. An anderer Stelle39 nennt die Gesetzesbegrün-dung als Beispiel den Fall, dass der Verwendungszweck im Dar-lehensvertrag bereits konkret bezeichnet ist, sich der Verbrau-cher aber erst nach der Auszahlung des Darlehens für einenbestimmten Vertragspartner entscheidet, der den finanziertenGegenstand liefert. Ausreichend ist nach der Gesetzesbegrün-dung dann der Schutz durch die § 358 Abs. 1 und 4 BGB; nichtgerechtfertigt wäre dagegen eine Anwendung des § 359 BGB, da

der Einwendungsdurchgriff ein für den Darlehensgeber unbere-chenbares Risiko in sich bergen würde, wenn er den Lieferantengar nicht kennt.40 Dies erscheint zumindest unter dem Aspektdes Verbraucherschutzes insoweit als zweifelhaft, als dass derDarlehensgeber in aller Regel um die Rechtsfolgen seines Han-delns weiß und sich dann entsprechend darauf einstellen kann,was für den Verbraucher zumindest nicht regelmäßig Geltungbeanspruchen kann. Von Bedeutung für die weitverbreitetesogenannte Restschuldversicherung könnte eventuell § 359a IIsein. Unter dem bislang geltenden Recht wird die Frage, ob Ver-braucherdarlehensvertrag und Restschuldversicherungsvertragals verbundene Verträge im Sinne des § 358 III BGB anzusehensind, sehr kontrovers erörtert. Für die Einordnung beider Ver-träge als verbundene Verträge41 spricht in jedem Fall derUmstand, dass beide Verträge in ihrem Bestand voneinanderabhängen und der eine Vertrag damit nicht ohne den anderenVertrag abgeschlossen worden wäre.42 Unter der Geltung desneuen Rechts könnte sich jetzt unabhängig von der Frage, obdie beiden Verträge miteinander verbunden sind, die Möglich-keit eines Widerrufsdurchgriffs ergeben. Gemäß § 359 II BGBsind die § 359a II und 4 BGB entsprechend auf Verträge überZusatzleistungen anzuwenden, die der Verbraucher in unmittel-barem Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertragabgeschlossen hat. Der Begriff der Zusatzleistung ist in Art. 247§ 8 EGBGB näher angesprochen, wird aber leider nicht defi-niert. In Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB werden lediglich der Versi-cherungsvertrag und der Kontoführungsvertrag als Regelbei-spiele genannt („insbesondere“). Über den Widerruf des Darle-hensvertrages besteht damit für den Darlehensnehmer auch dieMöglichkeit, sich von dem Vertrag über die Zusatzleistungen zulösen. Auch nach der Auffassung, die die Vorschriften über ver-bundene Verträge nicht auf den Verbraucherdarlehensvertragund den Restschuldversicherungsvertrag anwenden will,scheint zumindest unter der Geltung des § 359a II BGB i. V. m.§ 358 II, IV BGB der Widerruf des Verbraucherdarlehensvertra-ges jedenfalls solche Restschuldversicherungsverträge zu been-den, deren Abschluss der Kreditgeber zur Voraussetzung derDarlehensvergabe gemacht hat.43

VII.Die Widerrufsbelehrung gemäß § 360 BGB-E

Durch die Einfügung des § 360 BGB wird eine zentrale Normgeschaffen, durch welche die Anforderungen an eine ord-nungsgemäße Widerrufs- und Rückgabebelehrung zusam-mengefasst werden. § 360 I BGB behandelt hierbei das Wider-rufsrecht, § 360 II BGB das Rückgaberecht und § 360 III BGBverweist auf das Muster zu den beiden Belehrungen. Bedau-erlich ist, dass der Gesetzgeber die Auffassung des Bundesge-richtshofes und des vorherrschenden Schrifttums nicht ent-sprechend umgesetzt hat, der zufolge eine ordnungsgemäßWiderrufsbelehrung dem Verbraucher vor allem seine Rechteverdeutlichen sollte,44 und dies nicht nur bezüglich des

31 BGH, Beschl. v. 01.10.2008 – VIII ZR 268/07, ZGS 2009, 41, Tz. 11.32 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 72.33 BT-Drs. 12/4526, S. 13.34 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 73.35 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 76.36 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 76.37 Vgl. zu den Konsequenzen hieraus insbesondere § 491a BGB sowie unten

C. II.38 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 73.39 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 79.40 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 73.41 Dafür zum Beispiel Derleder, VuR 2007, 241; Knops, VersR 2006, 1455; Reif-

ner, WM 2008, 2329; dagegen Freitag, ZIP 2009, 1297, m.w.N. in Fn. 3.42 Vgl. Freitag, ZIP 2009, 1297.43 Freitag, ZIP 2009, 1297, 1301.44 Vgl. nur Jauernig/Stadler, a.a.O. (s. Fn. 4), § 355 Rn. 13.

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Rechts zum Widerruf, sondern auch und gerade bezüglich derRechtsfolgen nach einem erfolgten Widerruf.45 In § 360 I 2BGB findet sich in keiner der dort genannten Nr. 1 bis 4 derHinweis, dass der Verbraucher im Falle des Widerrufesberechtigt ist, die von ihm erbrachten Leistungen zurückzu-fordern. Genau dies aber hatte der Bundesgerichtshof in demvon ihm entschiedenen Fall kritisiert und darauf hingewie-sen, dass eine ordnungsgemäß Widerrufsbelehrung geradeauch einen solchen Hinweis zu enthalten habe. Leider findetsich auch in der Gesetzesbegründung keinerlei Auseinander-setzung mit dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes,geschweige denn ein Hinweis darauf, obwohl auf § 355 Abs. 2S. 1 BGB in seiner „bisher geltenden Fassung (und seine Aus-legung durch die Gerichte) ….“ Bezug genommen wird.46

C. Die Änderungen der Vorschriften des Kreditver-tragsrechts

Die Änderungen der Vorschriften des Kreditvertragsrechtsbetreffen wichtige Regelungsbereiche, wenngleich derGesetzgeber mit der Neuregelung versucht hat, die Paragra-fenfolge- und nummerierung zu belassen und damit dieneuen Vorschriften, die im Zusammenhang mit der Vorgabedurch die Richtlinie umzusetzen waren, ohne größere syste-matische Verwerfungen in das BGB zu integrieren.47 Der bis-lang schon bestehende erste Untertitel von „Titel 3. Darle-hensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträ-ge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“im 8. Abschnitt des zweiten Buches des BGB wird neu mitzwei Kapiteln strukturiert,48 nämlich „Kapitel 1 AllgemeineVorschriften“ und „Kapitel 2 Besondere Vorschriften für Ver-braucherdarlehensverträge“, wobei sich die gemeinschafts-rechtlich vorgegebenen Vorschriften in Kapitel 2 finden.49

Damit wird das Darlehensrecht quasi in einen AllgemeinenTeil und einen Besonderen Teil unterteilt, sodass die allge-meinen Vorschriften der §§ 488 bis 490 BGB für alle Darle-hensverträge, sei es zwischen Unternehmern oder zwischenVerbrauchern, sei es zwischen einem Verbraucher und einemUnternehmer gelten, während die in §§ 491 bis 505 BGBgeregelten Vorschriften ausschließlich für die in § 491 BGBdefinierten Darlehensverträge gelten.50 Betroffen von denNeuregelungen des Verbraucherdarlehensrechtes sind nichtnur der eigentliche Anwendungsbereich (dazu I.) und derBereich der Werbung (hierzu ist insbesondere § 6a PAngVOzu beachten51), sondern vor allem auch vorvertraglicheInformationspflichten (dazu II.), Informationen während derVertragslaufzeit (dazu III.), Widerrufsbelehrung (dazu IV.),Kündigungsregeln und Vorfälligkeitsentschädigung (dazu V.)sowie Kontoüberziehung (dazu VI.). Eine ebenso erheblicheVeränderung52 erfährt der zweite Untertitel, der die entgelt-lichen Finanzierungshilfen regelt, vor allem mit einer gänz-lich neu eingeführten Bonitätsprüfung53 (dazu VII.). Die Ver-änderungen führen ferner wie auch schon im Rahmen derNeuregelung des Widerrufs- und des Rückgaberechts dazu,dass der Rechtsanwender nicht nur und allein mit dem Bür-gerlichen Gesetzbuch arbeiten kann, sondern darüber hinausimmer parallel einen Blick in das EGBGB werfen werdenmuss, in welchem sich die für das Verbraucherkreditrechtmaßgeblichen Regelungen in Art. 247 EGBGB finden.54

Dadurch werden zwar die Vorschriften des BürgerlichenGesetzbuches „entschlackt“, jedoch die praktische Anwen-dung auch unnötig verkompliziert.55 Die Verweisungstech-nik des Gesetzgebers, die in der Schuldrechtsmodernisierungeindrucksvoll Niederschlag gefunden und sich ja auch schon

im bisher geltenden Verbraucherkreditrecht deutlich gezeigthatte, findet nun ihre Fortführung und wird nicht zwingenddazu beitragen, die Gesetzeslektüre auch für den Rechtsun-kundigen, aber am Bürgerlichen Gesetzbuch Interessierten zuvereinfachen.56

I. Der Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts

Zu begrüßen ist die vom Gesetzgeber zumindest im Ansatzdurchgeführte Systematisierung innerhalb der verbraucher-darlehensrechtlichen Vorschriften, sodass die Ausnahmevor-schriften am Ende des jeweiligen Regelungsbereiches geregeltund erfasst werden, wenngleich auch diese Systematisierungnicht konsequent durchgeführt worden ist57. So sind dieImmobiliardarlehensverträge gemäß § 503 BGB, die Einge-räumte Überziehungsmöglichkeit gemäß § 504 BGB sowie dieGeduldete Überziehung gemäß § 505 BGB am Ende desersten Untertitels geregelt, da für diese Verbraucherdarle-hensverträge nicht alle Vorschriften des Verbraucherdarle-hensrechts gemäß §§ 491 bis 502 BGB gelten. Zugleich aberbesteht gemäß § 495 III BGB ein Widerrufsrecht nicht bei dendort unter Nr. 1 bis Nr. 3 geregelten Darlehensverträgen, ins-besondere gemäß der Nr. 3 bei solchen Darlehensverträgen,die § 504 II BGB oder § 505 BGB entsprechen. Zumindest imRahmen der §§ 504 II, 505 BGB wäre es wohl möglich gewe-sen, einen Ausschluss des Widerrufsrechtes auch dort anzu-ordnen.

Bedauerlich ist der (ausgehend von der geänderten Richtli-nie) sich jetzt auch im Umsetzungsgesetz findende Aus-schluss der Sicherungsrechte vom Anwendungsbereich derverbraucherdarlehensrechtlichen Vorschriften. In demursprünglichen Vorschlag zu der Änderungsrichtlinie58 wur-den in den Artt. 2 lit. e) und lit. f), 3 I RiLV gemeinschafts-rechtliche Regelungen für Kreditsicherheiten getroffen. VonBedeutung waren dabei insbesondere die Pflichten des Siche-rungsnehmers (also im Wesentlichen der Kreditinstitute)gegenüber dem Sicherungsgeber (so beispielsweise die Pflichtzur Aushändigung des Kreditvertrages gemäß Art. 10 I 2 RiLV)sowie bestimmte Rechte des Sicherungsgebers gegenüberdem Sicherungsnehmer hinsichtlich der Begründung und derAufhebung von Kreditsicherheiten (Widerrufsrecht gemäßArt. 11 RiLV). In der jetzt vorliegenden Richtlinie dagegensind lediglich in Art. 5 I lit. n) Sicherheiten, die von dem Kre-ditnehmer zu bestellen sind, genannt. Im Umsetzungsgesetzfindet sich im BGB dazu keinerlei Regelung, lediglich inUmsetzung der Richtlinie findet sich im jetzt so wesentlichenArt. 247 unter § 4 I Nr. 2 EGBGB der Hinweis auf Sicherhei-ten, die der Darlehensgeber verlangt. Der drastisch erweiterte

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45 Vgl. hierzu nur BGH NJW 2007, 1946!46 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 74.47 Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1062, 1064.48 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2.49 Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1062; diese weisen darauf hin, dass nicht alle

in diesem Kapitel 2 geregelten Vorschriften gemeinschaftsrechtlich moti-viert sind, also nicht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhen.

50 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2. 51 Vgl. dazu Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2. 52 Vgl. Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1064, die von noch stärkeren Verände-

rungen des zweiten Untertitels gegenüber dem ersten Untertitel sprechen.53 Zur Bonitätsprüfung vgl. Herresthal, WM 2009, 1174.54 Für diese Lösung Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1062.55 So zutreffend Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2; zurückhaltend auch Schürn-

brand, ZBB 2008, 383, 384. 56 Als Beispiel mögen die §§ 499 I, II, III, 491 II, 501, 503 II 1, 498 I BGB a. F.

angeführt werden, wenn es um ein Rücktrittsrecht des Kreditgebers voneinem Teilzahlungsgeschäft ging.

57 Vgl. dazu Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1064.58 Vorschlag zu einer Änderungsrichtlinie zur geltenden Verbraucherkredit-

richtlinie (KOM(2002) 443endg).

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59 Bemerkenswerte Formulierung bei Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2.60 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2.61 BGH NJW 2006, 845 (Haustürverpfändungsfall).62 Vgl. nur Derleder/Knops/Bamberger-Kulke, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl.

2009, § 31 Rn. 45 f., m. w. N.63 Ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seit BGHZ 133, 74.64 Vgl. Derleder/Knops/Bamberger-Knops, Bankrechtshandbuch, 2. Aufl.

2009, § 25 Rn. 67; Derleder/Knops/Bamberger-Kulke, Bankrechtshand-buch, 2. Aufl. 2009, § 31 Rn. 50 f., m. w. N.

65 Derleder/Knops/Bamberger-Knops,a.a.O. (s. Fn. 64), § 25 Rn. 67.66 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2. 67 Zutreffend die Kritik bei Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 2. 68 Zu der hier erörterten Fragestellung vgl. insbesondere Ady/Paetz, WM

2009, 1061, 1066 f.; Herresthal, WM 2009, 1174, 1179 f.; Rösler/Werner, BKR2009, 1, 2 f.

69 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 78.

Anwendungsbereich59 der verbraucherschutzrechtlichenVorschriften in der ursprünglich vorgesehenen Verbraucher-kreditrichtlinie ist durch die jetzt geltende Richtlinie unddamit auch der Leitlinie des Umsetzungsgesetzes in vielenBereichen, also gerade auch bezüglich der Sicherheiten wie-der eher der früheren, ursprünglichen Richtlinie entspre-chend.60 Damit macht auch das Umsetzungsgesetz zweierleideutlich. Der erforderliche und durchaus sinnvolle, nämlicherweiterte Verbraucherschutz auch für Sicherungsgeber istnicht in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen unddamit ist zum einen nicht aus den früheren Versäumnissengelernt worden. Eine gesetzgeberische Klarstellung wärenicht nur wünschenswert, sondern auch für die praktischeRechtsanwendung sinnvoll gewesen. Dies mag nur die Dis-kussion zeigen, die unverständlicherweise lange Jahre zulas-ten der zu Unrecht verpflichteten Bürgen hinsichtlich derAnwendbarkeit des Haustürwiderrufsrechtes auf die Bürg-schaft (und auch andere Sicherungsrechte) geführt und dieglücklicherweise durch eine klarstellende Entscheidung desBundesgerichtshofes61 beendet worden ist.62 Das letztlichSicherheiten damit weder in der jetzt geltenden Richtlinienoch in dem Umsetzungsgesetz dem Schutz des Verbraucher-darlehensrechtes unterstellt werden, mag auch durch die amGesetzgebungsverfahren mitwirkenden Kräfte erklärt werden.Zum anderen hat es der Gesetzgeber mit einer Klarstellunghinsichtlich des Geltungsbereiches der verbraucherdarle-hensrechtlichen Vorschriften auch versäumt, eine einheitli-che Handhabung hinsichtlich der von einem Verbraucher zubestellenden Personalsicherheit zu gewährleisten. Währendnun nach wie vor die §§ 491 bis 502 BGB analog für denSchuldbeitritt Geltung beanspruchen dürfen,63 also insbe-sondere das qualifizierte Informationserfordernis jetzt gemäߧ 492 II BGB in Verbindung mit Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGBund das Widerrufsrecht gemäß § 495 BGB, ist es weiterhinumstritten, ob diese Vorschriften auch zugunsten eines Bür-gen Anwendung finden, wenn er als Verbraucher seine Bürg-schaftserklärung erteilt.64 Dass der Gesetzgeber hierzu keineRegelung getroffen hat, lässt aber nicht den Schluss zu, dasseine analoge Anwendung der verbraucherdarlehensrecht-lichen Vorschriften auf die Bürgschaft ausgeschlossen seinsoll.65 Bedeutung wird eine solche Analogie dann nicht nurim Rahmen des qualifizierten Informationserfordernissesund des eigenständigen Widerrufsrechtes, sondern auch undgerade im Rahmen der vorvertraglichen Informationspflich-ten gemäß § 491a BGB erlangen, welche gegenüber einemBeitretenden, der in seiner Funktion als Verbraucher handelt,erfüllt werden müssen.

Bezüglich der Immobiliardarlehensverträge ist entsprechenddem bisherigen nationalen Recht ein eingeschränkterAnwendungsbereich der verbraucherdarlehensrechtlichenVorschriften gegeben, obwohl die Richtlinie einen vollstän-digen Ausschluss der Anwendung der Vorschriften vor-sieht.66 Nicht ganz nachvollziehbar und auch sachlich nichtgerechtfertigt erscheint in diesem Zusammenhang die Rege-lung des § 491 II Nr. 5 BGB. Demzufolge sollen solche Ver-träge keine Verbraucherdarlehensverträge sein, die nur miteinem begrenzten Personenkreis aufgrund von Rechtsvor-schriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden,wenn im Vertrag für den Darlehensnehmer günstigere alsmarktübliche Bedingungen und höchstens der marktüblicheSollzinssatz vereinbart wird. Solche Förderdarlehen, die nichtnur aber auch und gerade den Wohnungsbaubereich betref-fen können, sind damit bereits auch bei nur minimalerAbweichung der Zinsbedingungen vollständig von dem

Anwendungsbereich der verbraucherdarlehensrechtlichenVorschriften ausgenommen und privilegieren die öffentlich-rechtlichen Förderbanken, obwohl der Umfang dieser Darle-hen ebenso wie bei anderen Immobiliardarlehensverträgenerheblich ist und gerade daher der Schutz des Darlehensneh-mers durch die Anwendung des Verbraucherdarlehensrechtszwingend angezeigt erscheint.67 Wenngleich auch das frühe-re Verbraucherdarlehensrecht bereits in § 491 II Nr. 3 BGBa. F. diese Ausnahmeregelung aufwies, sollte von einer weite-ren Privilegierung Abstand genommen werden.

II. Die vorvertraglichen Informationspflichten des Unterneh-mers gemäß § 491a BGB

Als von sehr weitreichender Konsequenz könnten sich dievorvertraglichen Informationspflichten des Darlehensgebersgemäß § 491a BGB68 erweisen und in diesem Zusammen-hang insbesondere die Frage danach, was unter einer ange-messenen Erläuterung im Sinne von § 491a III 1 BGB zu ver-stehen ist. Dabei ist dem Wortlaut des Gesetzes zu folgen unddieser bei der Auslegung und dem Verständnis zugrunde zulegen (unter 1.), bevor auf spezifische Fragestellungen einzu-gehen ist (unter 2.).

1. Ausgangspunkt

Gemäß § 491a I BGB hat der Darlehensgeber den Darlehens-nehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag über die sichaus Art. 247 EGBGB ergebenden Einzelheiten in der dort vor-gesehenen Form zu unterrichten. Mit dieser Unterrichtung(die Gesetzesbegründung spricht im Zusammenhang mit§ 491a I BGB von Auskunft, was wohl eher ein Minus zu einerUnterrichtung darstellen und damit nicht ausreichen dürfte)soll der Darlehensnehmer in die Lage versetzt werden, auf derGrundlage der vom Darlehensgeber angegebenen Vertragsbe-dingungen unter Berücksichtigung seiner eigenen Wünscheverschiedene Angebote miteinander zu vergleichen und eineeigenverantwortliche Entscheidung für oder wider einen Ver-tragsabschluss zu fällen.69 Gesteigert wird die Verpflichtungdes Darlehensgebers gegenüber dem Darlehensnehmer nochdurch § 491a III 1 BGB. Denn nach dieser Vorschrift ist derDarlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer vorAbschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages angemesseneErläuterungen zu geben, damit der Darlehensnehmer in dieLage versetzt wird, zu beurteilen, ob der Vertrag dem von ihmverfolgten Zweck und seinen Vermögensverhältnissengerecht wird. Hierzu sind gemäß § 491a III 2 BGB gegebe-nenfalls die vorvertraglichen Informationen gemäß Absatz 1,die Hauptmerkmale der vom Darlehensgeber angebotenenVerträge sowie ihre vertragstypischen Auswirkungen auf denDarlehensnehmer, einschließlich der Folgen bei Zahlungsver-zug, zu erläutern. Um die mit dieser Vorschrift festgeschrie-

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benen Pflichten des Darlehensgebers gegenüber dem Darle-hensnehmer hinreichend erfassen, umschreiben und auchkonkretisieren zu können, ist ein Blick auf die unterschied-lichen Begriffe (unter a)) sowie die wesentlichen Informatio-nen gemäß Art. 247 EGBGB (unter b)) und schließlich auchauf die sogenannten Hauptmerkmale der vom Darlehensge-ber angebotenen Verträge und vertragstypische Auswirkun-gen auf den Darlehensnehmer (unter c)) erforderlich.

a) Die unterschiedlichen Begriffe

Zu unterscheiden sind zum einen die Unterrichtung gemäߧ 491a I BGB von dem Geben einer angemessenen Erläute-rung gemäß § 491a III 1 BGB und diese wiederum von derErläuterung der vorvertraglichen Informationen gemäߧ 491a III 2 BGB, zum anderen sind alle diese Begriffe von derPflicht des Darlehensgebers, von dem Darlehensnehmergestellte Frage inhaltlich korrekt zu beantworten, sorgfältigzu unterscheiden. Daher bedarf es vorangehend der Klarstel-lung, dass der Darlehensgeber alle vom Darlehensnehmer zudem angebotenen Produkt oder auch zu alternativen Produk-ten gestellte Fragen wahrheitsgemäß beantworten muss.Anknüpfungspunkt für eine exakte Unterscheidung dieserBegriffe dürfte die Intensität der Auseinandersetzung des Dar-lehensgebers mit dem Darlehensnehmer sein und die Art undWeise, mit welchem Ziel und welcher Intention der Darle-hensgeber dem Darlehensnehmer gegenübertritt. Damit istein abgestuftes Modell der Pflichten des Darlehensgebers imRahmen der Vertragsverhandlungen vor Abschluss eines Ver-braucherdarlehensvertrages über die Vorschrift des § 491aBGB begründet.70

Auf der untersten Stufe steht die Unterrichtung gemäß § 491aI BGB bezüglich der in Art. 247 EGBGB erfassten Einzelhei-ten. Mit dem Begriff der Unterrichtung allerdings geht derGesetzgeber über eine bloße Mitteilung dieser Einzelheitenhinaus. Unterrichtung meint in diesem Sinne bereits mehrals eine bloße Übermittlung von Informationen, vielmehrdürfte damit bereits ein gewisses Nahebringen der Informa-tionen im Sinne einer Vermittlung von einem Grundver-ständnis auch für diese Informationen beinhalten. Zwarspricht Art. 247 § 4 Nr. 4 EGBGB von einer bloßen Übermitt-lung der Informationen, aber dennoch wird mit dem Begriffder Unterrichtung etwas mehr als die bloße Information zuverbinden sein. Vielmehr wird es darum gehen, dass der Dar-lehensgeber im Rahmen der Unterrichtung das von ihmangebotene Produkt gegenüber dem Darlehensnehmer ver-ständlich darstellt.71 Zu berücksichtigen ist hierbei, dass esbei der Unterrichtung gemäß § 491a I BGB um eine abstraktverständliche Darstellung des Produktes geht und noch nichtum eine individualisierte und konkret auf den jeweiligenDarlehensnehmer bezogene Darstellung.72

Auf einer zweiten Stufe steht das Geben einer angemessenenErläuterung im Sinne von § 491a III 1 BGB. Hier erhöht sichdie Intensität der Auseinandersetzung des Darlehensgebersmit dem Darlehensnehmer. Über die bloß verständliche Dar-stellung des Produktes hinaus ist der Darlehensgeber jetztverpflichtet, den Darlehensnehmer individuell und konkretdas Produkt nicht nur verständlich darzustellen, sondern aufdie individuellen Bedürfnisse des Darlehensnehmers einzuge-hen. Hier wird man Bezug nehmend auf die Ausführungenvon Ady/Paetz feststellen können, dass der Begriff der ange-messenen Erläuterung semantisch irgendwo zwischen „bera-ten“ und „informieren“ anzusiedeln ist, aber die bisherigeAufklärungspflicht doch spürbar in Richtung Beratungerweitert wird.73 Damit geht der Begriff der Erläuterung deut-

lich weiter als der Begriff der Unterrichtung. Vielmehr wirdman in dem Bereich der Darlehensvergabe und den vorver-traglichen Pflichten des Darlehensgebers gegenüber dem Dar-lehensnehmer davon sprechen können, dass im Darlehens-bereich nunmehr auch von darlehens- und darlehensnehm-ergerechter Erläuterung im Sinne einer gewissen Beratungauszugehen sein wird, die der anlage- und anlegergerechtenBeratung im Kapitalanlagerecht entspricht.74 In dem Bereichder Erläuterung wird es auch nicht mehr als ausreichendanzusehen sein, wenn der Darlehensgeber sich bloß auf stan-dardisierte Erläuterungen zurückzieht und damit seine Pflichtgemäß § 491a III 1 BGB in standardisierter, wenngleich indi-vidualisierter Form erfüllen wollte.75 Hier stellt sich nämlichdie Frage, wie eine Erfüllung der Pflicht zur Erläuterung durcheine standardisierte, aber individualisierte Form möglich seinsoll. Zumindest wird man fordern müssen, dass eine Erläute-rung gemäß § 491a III 1 BGB auf die individuellen Bedürf-nisse des Vertragspartners zugeschnitten sein muss.76

Auf der letzten Stufe steht dann die auf den jeweiligen Darle-hensnehmer bezogene Erläuterung der Informationen ausArt. 247 EGBGB, die an Intensität nochmals die Erläuterungaus § 491a III 1 BGB übertrifft. Hier wird man tatsächlichauch ausgehend von der Gesetzesbegründung zu § 491a IIIBGB77 eine gesteigerte Intensität im Sinne einer einge-schränkten Beratung annehmen können, aufgrund derer derDarlehensgeber ausgehend von den Informationen, die derDarlehensnehmer ihm mitgeteilt hat, dem Darlehensnehmereine auf ihn zugeschnittene Erläuterung der Konditionen, derVertragsinhalte und auch der Folgen nahezubringen ver-pflichtet ist. Anders formuliert: Die Bank muss, auch wennkein ausdrücklicher oder konkludenter Beratungsvertraggeschlossen wurde, die individuellen Verhältnisse undBedürfnisse des Kunden im Erläuterungsprozess angemessenberücksichtigen.78 Insbesondere wird unter den gegebenenUmständen, die sich dem Darlehensgeber darstellen, einepersönliche Erläuterung erforderlich sein, wenngleich diesauch nicht zwingend ist.79 Allerdings wird der Darlehensge-ber, um seine Pflichten aus § 491 a III 1, 2 BGB angemessenerfüllen zu können, die persönlichen Verhältnisse des Darle-hensnehmers entsprechend der ihm mitgeteilten Informatio-nen umsetzen und auf das entsprechende, von ihm angebo-tene Produkt beziehen und daher auch die Entscheidungsfin-

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70 In diesem Sinne ist auch Herresthal, WM 2009, 1174, 1179, wenn er davonspricht, dass sich die Vorgabe der Richtlinie aus Art. 5 Abs. 6 der Richtliniedahingehend präzisieren lässt, dass die Erläuterung über die bloße Infor-mationspflicht des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie hinausgeht, denn geschul-det sei (im Rahmen der Erläuterung) eine Unterstützung des Verbrauchers.

71 In diesem Sinne wohl auch Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3, wenn sie aus-führen, dass sich die Bank bei der Erläuterung gemäß § 491a III BGB auchin der Rolle des Darlehensgebers nicht mehr darauf beschränken kann, dasProdukt verständlich darzustellen. Also geht es auf der untersten Stufedarum, das Produkt verständlich darzustellen.

72 Das spielt auch eine Rolle für die Beantwortung der Frage, inwieweit stan-dardisierte Übermittlungen der Informationen möglich sind; vgl. dazuHerresthal, WM 2009, 1174, 1179, der die Frage nach der Standardisierungm. E. unzutreffend auf den Begriff der Erläuterungen bezieht. Dagegenwohl auch Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3 und auch Ady/Paetz, WM 2009,1061, 1066.

73 Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1066. 74 Vgl. Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3, sowie ähnlich wohl auch Ady/Paetz,

WM 2009, 1061, 1066 f.75 In diesem Sinne jedoch Herresthal, WM 2009, 1174, 1179.76 Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1066 f. 77 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 78 f.78 Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1067.79 Zutreffend anfangs insoweit Herresthal, WM 2009, 1174, 1179, dem

zufolge eine Erläuterung eine Darstellung, Erklärung und Konkretisierungdes Inhaltes des Vertrages verlangt, seiner Auswirkungen sowie weitererInformationen, ohne dass mit diesem Begriff zwingend ein persönlicherKontakt oder eine individuelle Anwendung auf die Situation des konkre-ten Verbrauchers konnotiert.

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80 Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3.81 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 79. 82 Vgl. Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3.83 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 79.84 Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/11643, S. 79. 85 Herresthal, WM 2009, 1174, 1179 f.86 Herresthal, WM 2009, 1174, 1180.87 Herresthal, WM 2009, 1174, 1180.88 Vgl. Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3.

dung und Entscheidungsbildung des Darlehensnehmers opti-mal vorbereiten müssen. Dazu gehören mögliche alternativeVertragsgestaltungen, unter Berücksichtigung der konkretenVermögensverhältnisse des Darlehensnehmers und des mitdem Vertrag verfolgten Zwecks auf der Grundlage nur derInformationen des Darlehensnehmers.80 Zugleich ist auchausgehend von der Gesetzesbegründung festzuhalten, dasssich die jeweilige, durchzuführende Erläuterung an demjeweiligen Darlehensnehmer auszurichten hat, denn je höherdie Schwierigkeiten des durchschnittlichen oder, soweiterkennbar, auch des konkreten Darlehensnehmers sind, eineVertragsklausel zu begreifen, desto höhere Anforderungensind an die Erfüllung einer Erläuterungspflicht zu stellen.81

b) Die wesentlichen Informationen gemäß Art. 247 EGBGB

Während Art. 247 EGBG in den § 1 und § 2 nur Form undZeitpunkt der vorvertraglichen Informationspflicht sowie dasMuster regeln, sind in den § 3 und § 4 die wesentlichen Infor-mationen und weitere Angaben enthalten, unter andereminsbesondere der effektive Jahreszins, der Nettodarlehensbe-trag, der Sollzinssatz, die Vertragslaufzeit, die Auszahlungsbe-dingungen und der Verzugszinssatz sowie einen Warnhin-weis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen. Von Bedeutungsind weiterhin die § 6 und § 7 des Art. 247 EGBGB, in denender erforderliche Vertragsinhalt bei einem Verbraucherdarle-hensvertrag und weitere erforderliche Angaben geregelt sind.Über all diese sich aus Art. 247 EGBGB ergebenden Einzel-heiten hat der Darlehensgeber den Darlehensnehmer vorVertragsschluss in der in Art. 247 § 1 EGBGB vorgeschriebe-nen Textform zu unterrichten. Das wirft zugleich die Frageauf, ab welchem Zeitpunkt es dem Darlehensgeber wirklichals Verpflichtung auferlegt werden kann, die in § 491a BGBvorgesehenen Verpflichtungen zu erfüllen. Denn letztlichkann der Darlehensgeber alle ihm auferlegten Verpflichtun-gen auf eine vorbildliche Art und Weise erfüllen, wenn derDarlehensnehmer dann nach einem entsprechenden Ver-gleich mit anderen Angeboten auch anderer Darlehensgebersich für einen anderweitigen Vertragsabschluss entscheidet,so waren die von dem Darlehensgeber erfüllten Pflichtenschlussendlich umsonst erfüllt worden. Man wird daher aucheine entsprechende Mitwirkungspflicht des Darlehensneh-mers annehmen müssen, auf deren Wahrnehmung alsGrundlage der Darlehensgeber überhaupt erst eine angemes-sene Unterrichtung (§ 491a I BGB), einfache Erläuterung(§ 491a III 1 BGB) sowie eine geschuldete qualifizierte Erläu-terung (§ 491a III 2 BGB) durchführen kann. Unverzichtbarist die Dokumentation durch den Darlehensgeber,82 dass erdie ihm auferlegten Pflichten gemäß § 491a BGB gegenüberdem jeweiligen konkreten Darlehensnehmer erfüllt hat,wobei es sich empfiehlt, zugleich eine Abschrift der Pflichter-füllung dem Darlehensnehmer nach Erfüllung der Pflichtenmit Gegenzeichnung auszuhändigen.

c) Hauptmerkmale und vertragstypische Auswirkungen

Die Hauptmerkmale eines Vertrages sind nach der Gesetzes-begründung vorrangig die Hauptleistungspflichten.83 DieHauptmerkmale beziehen sich auf die vom Darlehensgeberangebotenen Verträge, daher soll nach der Gesetzesbegrün-dung der Darlehensgeber auf Gestaltungsalternativen hin-weisen, wenn der Darlehensnehmer die Möglichkeit hat,durch eigene Erklärungen auf den Vertragsinhalt einzuwir-ken.84 Warum eine solche Hinweispflicht auf die Fällebeschränkt sein soll, in welchen der Darlehensnehmer diekonkrete Einwirkungsmöglichkeit hat, erscheint nicht zwin-gend nachvollziehbar. Vielmehr sollte von einer Verpflich-

tung des Darlehensgebers gegenüber dem Darlehensnehmer,ihn auf Gestaltungsalternativen hinzuweisen, auch dann aus-gegangen werden, wenn eine konkrete Einwirkungsmöglich-keit auf die Vertragsgestaltung für den jeweiligen Darlehens-nehmer wegen entsprechender Rahmenbedingungen vonSeiten des Darlehensgebers nicht besteht.

2. Spezifische Fragestellungen

Im Zusammenhang gerade mit der Pflicht des Darlehensge-bers gemäß § 491a BGB stellen sich einige weitergehende Fra-gen. Nach einer Auffassung im Schrifttum soll wegen dersogenannten Vollharmonisierung, die mit der Verbraucher-kreditrichtlinie 2008/48/EG verfolgt wird, von vornhereineine stark eingeschränkte Auslegung des § 491a BGB und derdamit verbundenen Pflichten des Darlehensnehmers gegen-über dem Darlehensnehmer erforderlich sein.85 Nach dieserAuffassung würde die Annahme einer Pflicht zum konkretenHinweis auf eine günstigere Gestaltung den Inhalt einerErläuterungspflicht überschreiten, sodass die Richtlinienkon-formität eines solchen Pflichteninhaltes auch zu verneinenwäre.86 Nach dieser Auffassung stünde eine kreditvertragsbe-zogene Beratungspflicht jenseits eines Kreditvertrages unddamit auch im Widerspruch zur Richtlinienvorgabe undwiderspräche dem Konzept der Sicherung der Entscheidungs-grundlage des Verbrauchers.87 Das erscheint gerade auchunter Zugrundelegung der Gesetzesbegründung zumindestnicht zwingend überzeugend. Hier spricht vieles dafür, ehervon einer darlehens- und darlehensnehmergerechten Bera-tung auszugehen.88 Des Weiteren stellt sich die Frage nachder Geltung der Pflichten aus § 491a BGB auch und geradegegenüber einem Sicherungsgeber. Hinsichtlich der bislangbestehenden Rechtslage ist bereits ausgeführt worden, dassauch unter dem neuen Recht von einer analogen Anwen-dung der §§ 491 ff. BGB auf den Schuldbeitritt eines Verbrau-chers zu einem Darlehensvertrag auszugehen sein wird. DieDarlehensgeber sollten im Rahmen einer Hereinnahme vonSicherungsrechten auch vorsichtshalber bei der Bürgschaftauf eine genaue Einhaltung der Pflichten aus § 491a BGBbedacht sein, weil es nicht außerhalb jeglicher Wahrschein-lichkeit liegt, dass auch der Bundesgerichtshof sich für eineanaloge Anwendung der verbraucherdarlehensrechtlichenVorschriften auf die Bürgschaft entschließt. Schließlich sollteauch die Möglichkeit bedacht werden, dass, wie bei der Ver-letzung aller anderen vorvertraglichen Pflichten, auch einAnspruch auf Vertragsaufhebung des Verbrauchers als Darle-hensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber aus §§ 280 I 1,2, 311 II Nr. 1, 241 II BGB bestehen könnte, sodass der Ver-braucher wegen Pflichtverletzung Entlassung aus dem Darle-hensvertrag verlangen könnte, wenn der Darlehensgeber dieihn aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis gemäß § 491aBGB auferlegten Pflichten nicht erfüllt.

(Der Beitrag wird fortgesetzt)

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B A N K R E C H T

Informations- und Beratungspflichten einer Bank mitbeschränkter (gesetzlicher) Einlagensicherung

1. Eine Bank genügt ihrer Pflicht nach § 23a Abs. 1 Satz 2 KWGi. d. F. vom 1. August 1998, einen Kunden schriftlich in leichtverständlicher Form über die Sicherungseinrichtung zu infor-mieren, wenn die Information in ihren Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen enthalten ist und sie den Kunden hieraufvor Aufnahme der Geschäftsbeziehung gesondert hinweist.

2. Eine Bank darf bei Zustandekommen eines Beratungsver-trages einem Kunden, der ein besonderes Interesse an derNominalsicherheit einer Geldanlage offenbart hat, keine Ein-lage bei ihr selbst empfehlen, wenn bei ihr nur die gesetzlicheMindestdeckung nach dem Einlagensicherungs- und Anleger-entschädigungsgesetz besteht.(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urt. v. 14.07.2009, Az.: XI ZR 152/08 (Vorinstanz: OLG Dres-den, Urt. v. 16.04.2008, Az.: 8 U 1543/07)

(ID 44188)

bearbeitet von RA Arne Maier, Esslingen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einerBank (Insolvenzschuldnerin).

Die Bank war nicht dem Einlagensicherungsfonds des Bundesver-bandes Deutscher Banken angeschlossen, der alle Verbindlichkei-ten gegenüber Kunden bis zur Höhe von 30 % des für die Einla-gensicherung jeweils maßgeblichen haftenden Eigenkapitals derBank absichert. Vielmehr unterlag sie nur dem Einlagensiche-rungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, sodass die angelegtenKundengelder nur in Höhe von 90 % der Anlagesumme bis zu ei-nem Höchstbetrag von 20.000 Euro gesichert waren. Die Insol-venzschuldnerin hatte bei dem streitverkündeten Versicherer ei-ne Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden abgeschlos-sen.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die abgesonderte Befrie-digung aus einer Versicherungsforderung. Sie hatte im März 1999von der Insolvenzschuldnerin einen Sparbrief über 20.000 DM er-worben. Die dabei unterzeichneten Formulare verweisen auf die„AGB der Bank mit Hinweisen zur Einlagensicherung“; der Kundebestätigt den Erhalt der AGB. Nr. 20 der AGB enthält Informatio-nen zur Einlagensicherung. In der Folgezeit hatte die Klägerinweitere Geldanlagen bei der Insolvenzschuldnerin getätigt.

Im Juli 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Einlagender Klägerin betrugen gut 80.000 Euro. Von der Entschädigungs-einrichtung erhielt sie den gesetzlichen Entschädigungsbetragvon 20.000 Euro. Die Klägerin verlangt Schadensersatz für denAusfall ihrer Einlagen. Die Insolvenzschuldnerin habe sie fehler-haft beraten und ihre Informationspflicht nach § 23a Abs. 1 Satz 2KWG verletzt. Hiernach müssen Kreditinstitute Kunden vor Auf-nahme der Geschäftsbeziehung schriftlich und in leicht verständ-licher Form über die für die Einlagensicherung geltenden Bestim-mungen informieren. Sie habe die AGB erst im September 2002erhalten. Mit ihrer Klage verlangt sie, beschränkt auf einen An-spruch auf Leistung durch den Versicherer, die Zahlung des Aus-falls ihrer Einlagen abzüglich der von der Entschädigungseinrich-

tung und vom Insolvenzverwalter gezahlten Beträge. Das Beru-fungsgericht hatte die Klage abgewiesen.

Gründe (zusammengefasst):

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Zwar habe die Insol-venzschuldnerin ihre Informationspflicht aus § 23 Abs. 1Satz 2 KWG nicht verletzt (1). Angesichts der nur beschränk-ten Einlagensicherung habe die Insolvenzschuldnerin derKlägerin aber keine Anlage bei ihr selbst empfehlen dürfen(2).

(1) § 23a Abs. 1 Satz 2 KWG hat eine (auch) anlegerschützen-de Funktion. Der in Nr. 20 der AGB enthaltene Hinweis zurEinlagensicherung genügt aber den gesetzlichen Vorgaben. Ermacht auch einem wirtschaftlich unerfahrenen Kunden hin-reichend klar, dass bei der Insolvenzschuldnerin keine umfas-sende Einlagensicherung bestand. Die Information kannauch in AGB erfolgen, wenn der Kunde hierauf gesonderthingewiesen wird. Die Unterzeichnung der Informationdurch den Kunden ist nicht erforderlich. Die nach § 23aAbs. 1 Satz 2 KWG a. F. erforderliche Schriftlichkeit bedeutetnicht Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Die Information zuBeginn der Geschäftsbeziehung genügte auch für die späterenGeldanlagen.

Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast für diebehauptete Informationspflichtverletzung. Sie hat nichtbewiesen, dass sie die AGB nicht (rechtzeitig) erhalten habe.Der Beklagte ist der ihm obliegenden sekundären Darle-gungslast zur Aushändigung der AGB nachgekommen. Aufdie schriftliche Bestätigung der Aushändigung der AGBkommt es nicht an.

(2) Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legendenVorbringen der Klägerin ist ein Beratungsverschulden derInsolvenzschuldnerin nicht auszuschließen. Hiernach ist einBeratungsvertrag zustande gekommen. Die Klägerin war aneiner „sicheren Geldanlage mit guten Zinssätzen“ interes-siert. Das Anlageziel „sichere Geldanlage“ war mit den vonder Insolvenzschuldnerin empfohlenen Geldanlagen bei ihrselbst nicht zu erreichen, weil bei ihr nur die gesetzliche Ein-lagensicherung bestand. Ob der Klägerin dieses Risiko durchden Hinweis nach § 23a Abs. 1 Satz 2 KWG hinreichendbewusst war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Inso-weit kommt es allein darauf an, dass die empfohlenen Geld-anlagen dem Anlageziel der Klägerin nicht entsprachen undihr daher schon gar nicht hätten angeboten werden. DieInsolvenzschuldnerin hätte den Anlagewunsch der Klägerinabweisen müssen; zur Empfehlung von Anlageproduktenanderer Banken war sie nicht verpflichtet. Hätte die Klägerin– etwa wegen der attraktiven Zinsen – gleichwohl weiterhinInteresse an einer Geldanlage bei der Insolvenzschuldneringezeigt, wäre – angesichts des hervorgehobenen Sicherheits-interesses der Klägerin – ein unmissverständlicher Hinweisauf eine im Insolvenzfall nur unvollständige Einlagensiche-rung der Insolvenzschuldnerin erforderlich gewesen. Inso-weit durfte sie sich nicht darauf verlassen, dass die Klägerin

R E C H T S P R E C H U N G

* Alle Urteile sind im Volltext in der FIS-Datenbank mit der jeweiligen IDabrufbar unter: www.iff-hamburg.de

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382 | VuR 10/2009

den Hinweis nach § 23a Abs. 1 Satz 2 KWG zur Kenntnisgenommen und daraus die richtigen Schlüsse gezogen hatte.

Praxistipp:

Das Verfahren betrifft die Insolvenz der BFI Bank. Parallelver-fahren: XI ZR 153/08.

Siehe zum Einlagensicherungssystem Bömcke/Weck, VuR2009, 53, sowie zu Nr. 20 AGB-Banken Casper in:Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen undeuropäischen Bankrecht, 2. Aufl. (2009), § 3 Rn. 116 f.

Seit dem 01.08.2001 muss die Information nach § 23a Abs. 1Satz 2 KWG nicht mehr „schriftlich“, sondern nur noch „inTextform“ (§ 126b BGB) erfolgen (Gesetz v. 13.07.2001,BGBl. I 1542, Art. 29). Ausweislich der Gesetzesbegründung(BT-Drs. 14/4987, S. 31 zu Art. 29) hatte die Änderung nurklarstellende Bedeutung; eine Unterschrift war schon zuvornicht erforderlich.

Widerrufsbelehrung im verbundenenVerbraucherdarlehensvertrag (§§ 495, 355, 358 BGB)

1. Sind Verbraucherdarlehensvertrag und finanziertes Ge-schäft verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB,darf die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung einemunbefangenen rechtsunkundigen Leser nicht den unzutref-fenden Eindruck vermitteln, mit einem Widerruf könne er sichausschließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäftslösen, nicht aber von den Bindungen des Darlehensvertrags.

2. Eine „Pflichtenteilung” der Unternehmer, nach welcher derDarlehensgeber über den Ausschluss des § 495 BGB wegen ei-nes vorrangigen Widerrufsrechts in Bezug auf das Verbund-geschäft zu belehren habe und allein der Vertragspartner desfinanzierten Geschäfts über die Erstreckungswirkung des§ 358 Abs. 1 BGB, ist mit dem Schutzzweck der gemäß § 355Abs. 2, § 358 Abs. 5 BGB zu erteilenden qualifizierten Wider-rufsbelehrung nicht zu vereinbaren.

(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urt. v. 23.06.2009, Az.: XI ZR 156/08 (Vorinstanz: OLG Mün-chen, Urt. v. 28.04.2008, Az.: 17 U 1546/08)

(ID 44189)

bearbeitet von RA Arne Maier, Esslingen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Die Parteien streiten über den Widerruf eines Darlehensvertrags,den der Beklagte Ende 2003 zur Finanzierung einer Immobilien-fondsbeteiligung mit der klagenden Bank geschlossen hat (Netto-kreditbetrag: 21.000 EUR). Die Klägerin erteilte eine Widerrufsbe-lehrung. Der Beklagte könne seine auf den Abschluss des Darle-hensvertrags gerichtete Willenserklärung binnen zwei Wochenwiderrufen. Dann sei er auch an seine auf den Abschluss des ver-bundenen Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr ge-bunden. Stehe ihm für den verbundenen Vertrag ein gesetzlichesWiderrufsrecht zu, so sei sein Recht zum Widerruf des Darlehens-vertrags ausgeschlossen. Widerrufe er dennoch den Darlehensver-trag, gelte dies als Widerruf des verbundenen Vertrags.

Im August 2007 hat der Beklagte den Darlehensvertrag widerru-fen; die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft. Die Klägerin begehrtdie Feststellung, dass der Darlehensvertrag wirksam ist. Landge-richt und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen.

Gründe (zusammengefasst):

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Widerrufs-belehrung ist fehlerhaft, das Widerrufsrecht des Beklagten(§ 495 BGB) ist nicht erloschen (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB). DerFondsbeitritt und der zu seiner Finanzierung geschlosseneVerbraucherdarlehensvertrag (VDV) standen im Verbund(§ 358 BGB). Der Fondsbeitritt war nicht widerruflich, dasWiderrufsrecht hinsichtlich des VDV war deshalb nicht aus-geschlossen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Widerrufsbeleh-rung entsprach weder dem Muster gemäß Anlage 2 zu § 14BGB-InfoV noch den gesetzlichen Vorgaben.

Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrau-chers erfordert eine umfassende, unmissverständliche undfür den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbrauchersoll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntniserlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, diesesauszuüben. Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrunglegt das Fehlverständnis nahe, dass der Verbraucher beieinem wirksamen Widerruf des finanzierten Geschäfts an denVDV gebunden bleibe. Es entsteht der unzutreffende Ein-druck, der Verbraucher könne sich in bestimmten Fällen aus-schließlich von den Bindungen des finanzierten Geschäfts,nicht aber von den Bindungen des VDV lösen. Die Belehrungüber den Ausschluss des Widerrufsrechts entspricht zwar iso-liert betrachtet dem Wortlaut der gesetzlichen Vorrangrege-lung des § 358 Abs. 2 Satz 2 BGB. Sie ist jedoch unvollständigund irreführend. Sie belehrt den Verbraucher nicht unmiss-verständlich darüber, dass durch einen wirksamen Widerrufdes finanzierten Vertrags auch seine Bindung an den VDVentfällt (§ 358 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 BGB).

§ 358 Abs. 5 BGB sieht keine „Pflichtenteilung” der Unter-nehmer in dem Sinne vor, dass der Darlehensgeber nur überden Ausschluss des § 495 BGB zu belehren habe und alleinder Vertragspartner des Verbundgeschäfts über die Erstre-ckungswirkung des § 358 Abs. 1 BGB. Eine solche Pflichten-teilung hätte für den Verbraucher unübersichtliche und miss-verständliche Belehrungen zur Folge. Eine Belehrung, die aufdie Urkunden zweier Verträge aufgespalten wird und erst inder Gesamtschau eine ausreichende Information ergibt, istmit dem Deutlichkeitsgebot (§ 355 Abs. 2 BGB) unvereinbar.Auch wenn – wie hier – das finanzierte Geschäft nicht wider-rufbar ist, darf der Darlehensgeber nicht missverständlichüber die Auswirkungen eines (nicht bestehenden) Widerrufs-rechts hinsichtlich des finanzierten Geschäfts auf das Wider-rufsrecht nach § 495 BGB informieren. Auch dann darf dieBelehrung nicht objektiv geeignet sein, den Verbraucher vonder Ausübung seines gegen den VDV gerichteten Widerrufs-rechts abzuhalten.

Praxistipp:

Das ausführlich begründete Urteil setzt den Fernkurs des XI.Zivilsenats zum Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensver-trägen (VDV) fort (siehe bereits Urt. v. 10.03.2009, Az.: XI ZR33/08, VuR 2009, 261 = WM 2009, 932). Beide Urteile haben– neben der Kick-Back-Rechtsprechung (hierzu OLG Karlsru-he, Urt. v. 03.03.2009, Az.: 17 U 371/08, VuR 2009, 384 f., indiesem Heft) – erhebliche praktische Bedeutung insbesonde-re für (voll- oder teil-) finanzierte Beteiligungen an Medien-fonds; hier wurden häufig fehlerhafte Widerrufsbelehrungenerteilt (Rottwilm, Das 400-Millionen-Risiko der HVB,www.manager-magazin.de; LG Hamburg, Urt. v. 22.07.2009,

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VuR 10/2009 | 383

Bankrecht | R E C H T S P R E C H U N G

313 O 340/08, VuR 2009, 385 f., in diesem Heft). Die neueMusterbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV (Fas-sung seit dem 01.04.2008) sieht angesichts der kompliziertengesetzlichen Regelung zum Widerruf des verbundenen VDV(Ausschluss des Widerrufsrechts hinsichtlich des VDV beiWiderruflichkeit des finanzierten Geschäfts; Erstreckung desWiderrufs des finanzierten Geschäfts auf den VDV) von einervollständigen Belehrung über die Rechtslage ab; stattdessenempfiehlt sie dem Verbraucher in Gestaltungshinweis 10(finanzierte Geschäfte): „Wollen Sie eine vertragliche Bin-dung so weitgehend wie möglich vermeiden, widerrufen Siebeide Vertragserklärungen gesondert.“ Dieser Ratschlagerscheint sinnvoll, obwohl oder gerade weil er vor der gesetz-lichen Regelung kapituliert. Angesichts dieser Schwierigkei-ten, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu gestalten,ist jede Abweichung von der Musterbelehrung ein gewichti-ges Indiz für eine unwirksame Belehrung. Bei Übernahme derMusterbelehrung in ihrer neuen Fassung sollte ihre Wirksam-keit dagegen zu vermuten sein (§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV; hier-zu Masuch, NJW 2008, 1700; zu älteren Widerrufsbelehrun-gen Faustmann, VuR 2006, 384).

Keine Aussetzung des Schadensersatzprozesseswegen fehlerhafter Anlageberatung nach § 7 Abs. 1KapMuG

1. Auf Rechtsstreitigkeiten wegen fehlerhafter Anlagebera-tung, in denen kein zulässiger Musterfeststellungsantragnach § 1 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG)gestellt werden kann, findet § 7 Abs. 1 KapMuG keine Anwen-dung.

2. Werden solche Rechtsstreitigkeiten trotzdem unter Beru-fung auf § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt, ist gegen denAussetzungsbeschluss das Rechtsmittel der sofortigen Be-schwerde gemäß § 252, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegeben, weilder Rechtsmittelausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuGebenfalls keine Anwendung findet.(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Beschl. v. 16.06.2009, Az.: XI ZB 33/08 (Vorinstanz: OLG Mün-chen, Beschl. v. 30.10.2008, Az.: 5 W 2460/08)

(ID 44190)

bearbeitet von RA Arne Maier, Esslingen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprücheaus fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit seinemBeitritt zu einem Medienfonds geltend. Das Landgericht hat dasVerfahren nach § 7 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt. Beim OLG Mün-chen sei ein Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfah-rensgesetz (KapMuG) anhängig, das den Prospekt des betroffenenFonds zum Gegenstand habe (Az.: KAP 2/07). Zwar sei die Beklag-te an dem Musterverfahren nicht beteiligt. Das Musterverfahrensei aber auch für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte ausdem Beratungsvertrag vorgreiflich. Das Beschwerdegericht hat diesofortigen Beschwerden beider Parteien gegen diesen Ausset-zungsbeschluss als unzulässig verworfen. Der Aussetzungsbe-schluss unterliege gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG keinemRechtsmittel. Die Beschwerde sei auch nicht mit der Begründungzulässig, im vorliegenden Streitverhältnis sei der Anwendungsbe-reich des § 7 KapMuG nicht eröffnet. Auch wenn die Beklagtenicht Musterbeklagte in dem Musterverfahren sein könne, nehmesie doch den Status einer Beigeladenen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 Kap-MuG ein. Der Begriff der Beteiligtenfähigkeit sei weit auszulegenund beziehe alle Parteien in das Musterverfahren ein, für deren

Rechtsverhältnisse das Musterverfahren von entscheidungser-heblicher Relevanz sei. Mit den – vom Beschwerdegericht zugelas-senen – Rechtsbeschwerden begehren beide Parteien die Aufhe-bung des Aussetzungsbeschlusses.

Gründe (zusammengefasst):

Die Rechtsbeschwerden hatten Erfolg. Der BGH hat den Aus-setzungsbeschluss aufgehoben. Rechtsstreitigkeiten, in denenkein Musterfeststellungsantrag nach § 1 KapMuG gestelltwerden kann, werden von § 7 Abs. 1 KapMuG von vornher-ein nicht erfasst. Deshalb findet auch der Rechtsmittelaus-schluss des § 7 Abs. 1 Satz 4 KapMuG keine Anwendung.

Der Rechtsstreit der Beschwerdeführer kann nicht Gegen-stand eines Musterverfahrens sein. Ein Musterfeststellungs-antrag kann nur in Rechtsstreitigkeiten gestellt werden, indenen es um Schadensersatzansprüche aus öffentlichen Kapi-talmarktinformationen und Erfüllungsansprüche nach demWertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) geht.Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüchegegen einen Anlageberater oder Anlagevermittler auf dieSchlechterfüllung eines Beratungs- oder Auskunftsvertrages,oder auf § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB bzw. dieGrundsätze der Prospekthaftung im weiteren Sinne gestütztwerden, können dagegen nicht Gegenstand eines Musterver-fahrens sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung ausder Verwendung eines fehlerhaften Prospekts ergibt (vgl.BGH, Beschl. v. 10.06.2008, Az.: XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88;BGH, Beschl. v. 30.10.2008, Az.: III ZB 92/07, WM 2009, 110;BGH, Beschl. v. 04.12.2008, Az.: III ZB 97/07).

§ 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG erfasst nur solche Verfahren, indenen ein Musterfeststellungsantrag zulässigerweise gestelltwerden kann. Der vom Beschwerdegericht vertretene „weiteBeteiligtenbegriff“ ist mit Systematik, Begründung undZweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Hätte der Gesetzge-ber auch nicht vorlagefähige Verfahren erfassen wollen, hätteer das ausdrücklich regeln müssen. Das KapMuG soll die Inte-ressen verschiedener Kläger mit gleichgerichteten Interessenbündeln. Die Gleichrichtung des Feststellungsziels ist anhandder Anspruchsnorm und des jeweiligen Lebenssachverhalteszu ermitteln. Sind nur die zu klärende Rechtsfrage oder die zutreffende Feststellung über das Vorliegen einer Anspruchsvor-aussetzung identisch, aber nicht der Lebenssachverhalt, sofehlt es an der Gleichrichtung der Interessen. Ein bei derBeratung verwendeter fehlerhafter Prospekt führt nicht not-wendig zur Haftung des Anlageberaters, ein fehlerfreier Pros-pekt schließt seine Haftung nicht notwendig aus. Es fehltdaher an den gleichgerichteten Interessen von Anlegern, dieProspekthaftungsansprüche gegen Prospektverantwortlichegeltend machen, und Anlegern, die Ansprüche gegen ihrenAnlageberater aus einer fehlerhaften Anlageberatung verfol-gen. Auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechts-schutzes steht einer erweiterten Auslegung des § 7 Abs. 1 Kap-MuG entgegen. Es ist einem Kläger nicht zuzumuten, dasssein wegen fehlerhafter Anlageberatung geführter Prozessausgesetzt wird und er unabsehbare Zeit auf das Ergebnis desMusterverfahrens warten muss, wenn nicht feststeht, dass esauf den Ausgang des Musterverfahrens in seinem Prozess tat-sächlich ankommt. Der Anleger kann durch die Aussetzungerhebliche Rechtsnachteile erleiden.

Auch die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 148ZPO liegen nicht vor. Die Frage der Fehlerhaftigkeit des Pros-pekts ist für eine Haftung der Beklagten nicht vorgreiflich,

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384 | VuR 10/2009

R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

sondern allenfalls geeignet, Einfluss auf die Entscheidungauszuüben. Das genügt aber nicht für eine Aussetzung nach§ 148 ZPO. Vorgreiflichkeit erfordert eine (zumindest teil-weise) präjudizielle Bedeutung.

Praxistipp:

Siehe zur Reichweite des § 7 Abs. 1 KapMuG und zu den ver-fassungsrechtlichen Bedenken gegen die zwangsweise Beteili-gung am Musterverfahren auch Möllers/Holzner, NZG 2009,172. Bereits rechtskräftig ausgesetzte Verfahren (z.B. OLGMünchen, WM 2009, 113 = NZG 2009, 24) sollten von Amtswegen fortgesetzt werden (§ 150 ZPO).

Der Beschluss enthält keine Kostenentscheidung. Die Kostendes Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten desRechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerde-verfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegendePartei zu tragen hat. Eine Kostenentscheidung nach demObsiegen im Beschwerdeverfahren wäre auch schwer gefal-len. Haben doch beide Parteien gegen die von Amts wegenvorgenommene Aussetzung ihres Rechtsstreits obsiegt. Da dieBeschwerden Erfolg hatten, sind keine Gerichtskosten ange-fallen (Nrn. 1811, 1823 KV GKG).

Rückvergütungen („Kick-Backs“) bei Medienfonds

1. Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters über Rückvergü-tungen („Kick-Backs“) ist auch bei Fondsanlagen nicht vonder Höhe der Rückvergütungen abhängig. Die Recht-sprechung des BGH zur Aufklärungspflicht über Innenprovi-sionen erst ab 15 % steht dem nicht entgegen. Beide Aufklä-rungspflichten haben unterschiedliche Schutzrichtungen.

2. Über die Größenordnung der Rückvergütung muss der An-lageberater auch dann aufklären, wenn er vom Anleger keineVergütung erhält und der Anleger deshalb vermuten kann,dass der Anlageberater an den Vertriebskosten partizipiere.

3. Die durch eine Fondsbeteiligung erzielten Steuervorteileeines Anlegers sind im Rahmen der Vorteilsausgleichung aufden zu ersetzenden Schaden anzurechnen. Dem Anleger sinddann aber seine durch die Schadensersatzleistung entstehen-den Steuernachteile nachträglich zu ersetzen.(Leitsätze des Bearbeiters)

OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2009, Az.: 17 U 371/08 (Vorinstanz:LG Baden-Baden, Urt. v. 20.03.2008, Az.: 1 O 41/07)

(ID 44191)

bearbeitet von RA Arne Maier, Esslingen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz wegenfehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit seinem Bei-tritt zu einem Medienfonds. Auf Empfehlung der Beklagte betei-ligte er sich im Juli 2001 an dem Fonds. Die Initiatorin des Fonds,eine mittelbare Tochtergesellschaft der Beklagten, bezahlte an dieBeklagte Provisionen für die Vermittlung der Fondsanteile. DerFondsprospekt informierte über die Konzernzugehörigkeit derInitiatorin und die ihr zustehenden Innenprovisionen von insge-samt 13 %, nicht aber über die zwischen der Initiatorin und derBeklagten getroffene Provisionsvereinbarung.

Der Kläger verlangt Ersatz des für die Fondsbeteiligung aufgewen-deten Betrags, abzüglich eines Veräußerungserlöses. Das Landge-richt hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Beklagte habe die

aus dem Beratungsvertrag resultierende Pflicht zu anlegergerech-ter Beratung verletzt. Der Kläger müsse sich jedoch seine Steuer-vorteile anrechnen lassen. Hiergegen wenden sich beide Parteienmit der Berufung. Die Beklagte erstrebt die vollständige Abwei-sung der Klage. Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung sei-ner Steuervorteile und beantragt hilfsweise die Feststellung, dassdie Beklagte seine künftigen steuerlichen Belastungen ersetzenmuss.

Gründe (zusammengefasst):

Der Berufung der Beklagten hatte keinen (1), die Berufungdes Klägers hatte nur mit dem Hilfsantrag Erfolg (2).

(1) Für den Schadensersatzanspruch des Klägers kommt esnicht darauf an, ob er anlegergerecht beraten wurde. DerAnspruch ergibt sich jedenfalls aus der pflichtwidrig unter-lassenen Aufklärung über die von der Beklagten selbst ver-einnahmten Rückvergütungen (BGH, Urt. v. 19.12.2006,Az.: XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876). DieseGrundsätze gelten auch für die Beteiligung an einemgeschlossenen Fonds (BGH, Beschl. v. 20.01.2009, Az.: XI ZR510/07, VuR 2009, 176 = NJW 2009, 1416).

Die Rechtsprechung des BGH zur Aufklärungspflicht desAnlagevermittlers über Innenprovisionen (z. B. BGH, Urt. v.22.03.2007, Az.: III ZR 218/06, NJW-RR 2007, 925) steht demnicht entgegen. Danach muss der Vermittler den Anlegergrundsätzlich nur auf Innenprovisionen ab 15 % hinweisen.Nach einem Urteil des XI. Zivilsenats vom 25.09.2007(Az.: XI ZR 320/06, BKR 2008, 199) gilt das zwar auch für eineBank, die ihrem Kunden den Beitritt zu einem geschlossenenImmobilienfonds empfiehlt. Es ist aber nicht ersichtlich, dassdie Bank in dem dortigen Fall selbst an den Innenprovisio-nen teilgehabt hätte. Die beiden Aufklärungspflichten habenunterschiedliche Schutzrichtungen. Über Innenprovisionenmuss der Anleger aufgeklärt werden, weil sie auf eine gerin-gere Werthaltigkeit des Objekts und eine geringere Rentabi-lität der Anlage schließen lassen. Diese Aufklärungspflichtbesteht daher nur bei überdurchschnittlich hohen Innenpro-visionen, aber unabhängig davon, wer diese Provisionenerhält. Auf ihr selbst zustehende Rückvergütungen muss dieberatende Bank dagegen schon deshalb hinweisen, weil sieeinen Interessenkonflikt und damit die konkrete Gefahrbegründen, dass die Anlage nicht allein im Kundeninteresseempfohlen wird. Diese Offenbarungspflicht trifft daher nurden Anlageberater und gilt auch nur für dessen Rückvergü-tungen; sie besteht aber nicht erst dann, wenn die Werthal-tigkeit der Anlage infrage steht.

Der Aufklärungspflicht steht auch nicht entgegen, dass derKläger selbst keine Vergütung an die Beklagte zu zahlen hatteund deshalb vermuten konnte, dass die Beklagte an den Ver-triebskosten partizipiere. Denn jedenfalls was die Größenord-nung der Rückvergütung angeht, war er aufklärungsbedürftig.Ohne deren Kenntnis konnte er das Interesse der Beklagtenan dem empfohlenen Erwerb der Fondsbeteiligung und diedamit verbundene Gefährdung seiner Interessen nicht richtigeinschätzen (BGH, Urt. v. 19.12.2006, Az.: XI ZR 56/05,BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876, Rn. 24).

(2) Die Steuervorteile des Klägers sind im Rahmen der Vorteils-ausgleichung auf den zu ersetzenden Schaden anzurechnen(Senat, Urt. v. 30.12.2008, Az.: 17 U 197/08; OLG München,Urt. v. 7.2.2008, Az.: 19 U 3041/07). Wird eine Anlage imWege des Schadensersatzes rückabgewickelt, gibt es keineGrundlage für eine Vermutung oder Schätzung dahin, dass

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VuR 10/2009 | 385

Bankrecht | R E C H T S P R E C H U N G

sich frühere Steuervorteile und spätere Steuernachteile (beiZufluss der Ersatzleistung) auch nur annähernd entsprechen(anders BGH NJW 2006, 499; NJW 2008, 649 und 2773).Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Anleger wirtschaft-lich besser gestellt würde, als wenn er überhaupt keine Anla-ge getätigt hätte. Der Hilfsantrag des Klägers hatte Erfolg. DieBeklagte hat dem Kläger die durch ihre Schadensersatzleis-tung entstehenden Steuernachteile zu ersetzen.

Praxistipp:

Das sorgfältig begründete Urteil ist geeignet, zur Entwirrungder aktuellen Debatte über „Kick-Backs“ beizutragen. Ebensowie in dem BGH-Beschluss v. 20.01.2009 (Az.: XI ZR 510/07,VuR 2009, 176 = NJW 2009, 1416) geht es um eine Klagegegen die Commerzbank wegen eines CFB-Medienfonds.Parallelverfahren: OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.03.2009,Az.: 17 U 149/07. Ähnlich überzeugend OLG Celle, Urt. v.01.07.2009, Az.: 3 U 257/08; hiernach sollen aber nur „beson-dere, außergewöhnlich hohe“ Steuervorteile anzurechnensein (unter Verweis auf BGH, Urt. v. 09.04.2009, Az.: III ZR89/08, Rn. 10). Bei (voll- oder teil-) finanzierten Fondsbeteili-gungen kommt – angesichts oftmals fehlerhafter Widerrufs-belehrungen – außerdem ein Widerruf des Darlehensvertragsin Betracht (siehe BGH, Urt. v. 23.06.2009, Az.: XI ZR 156/08,VuR 2009, 382 f., in diesem Heft).

Kick-Back-Haftung der beratenden Bank auch beiWiderruflichkeit des empfohlenenFinanzierungsgeschäfts

Ein Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen die beraten-de Bank wegen verschwiegener Rückvergütungen („Kick-Backs“) besteht auch dann, wenn der Anleger das empfohle-ne Finanzierungsgeschäft wegen fehlerhafter Widerrufsbe-lehrung weiterhin widerrufen kann. Der Anleger muss dannaber seine Rechte gegen die finanzierende Bank auf und ausdem Widerruf an die beratende Bank abtreten (§ 255 BGBanalog).(Leitsätze des Bearbeiters)

LG Hamburg, Urt. v. 22.07.2009, Az.: 313 O 340/08

(ID 44192)

bearbeitet von RA Arne Maier, Esslingen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz wegenfehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit seinem Bei-tritt zu einem Medienfonds. Der Kläger informierte sich bei derBeklagten über Möglichkeiten zur Verringerung seiner Steuer-schuld. Auf Empfehlung der Beklagten beteiligte er sich im Juni2004 mit 100.000 EUR an dem Medienfonds. Der Fondsprospektinformierte über die Innenprovisionen der Fondsgesellschaft,nicht aber über die Rückvergütungen der Beklagten.

Neben dem Eigenkapitalanteil des Klägers war eine Fremdfinan-zierung von 45,5 % obligatorisch. Der Kläger schloss deshalb imJuni/Juli 2004 einen Darlehensvertrag mit der Finanzierungs-bank. Die Finanzierungsbank erteilte eine Widerrufsbelehrung.Der Kläger könne seine auf Abschluss des Darlehensvertrags ge-richtete Willenserklärung widerrufen. Der Darlehensvertrag bildemit dem Fondsbeitritt eine wirtschaftliche Einheit. Stehe ihm fürden Fondsbeitritt ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, so sei seinRecht zum Widerruf des Darlehensvertrags ausgeschlossen.Widerrufe er dennoch den Darlehensvertrag, gelte dies als Wider-ruf des Fondsbeitritts.

Gründe (zusammengefasst):

Die Klage hatte weitgehend Erfolg. Die Beklagte ist dem Klä-ger zum Schadensersatz verpflichtet (1), Zug um Zug gegenAbtretung seiner Fondsbeteiligung und seiner Rechte auf undaus dem Widerruf des Darlehensvertrags (2).

(1) Die Beklagte muss dem Kläger seinen Eigenkapitalanteilersetzen sowie ihn von seinen Verpflichtungen aus dem Darle-hensvertrag und seinen steuerlichen Nachteilen freistellen. DieBeklagte hat ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt,indem sie dem Kläger nicht mitteilte, dass und in welcherHöhe sie aus dem Vertrieb des Fondsbeteiligung Rückvergü-tungen erhielt (BGH, Urt. v. 20.01.2009, Az. XI ZR 510/07, VuR2009, 176 = NJW 2009, 1416). Das Verschulden der Beklagtenwird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), auf einen Rechtsirr-tum kann sie sich nicht berufen. Für den Kläger streitet die Ver-mutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (BGH, Urt. v.12.05.2009, VuR 2009, 298 = NJW 2009, 2298). Hierfür ist esnicht maßgeblich, ob für vergleichbare Produkte Innenprovi-sionen bzw. Rückvergütungen in gleicher Höhe angefallenwären bzw. ob sich die der Beklagten zufließenden Rückvergü-tungen im üblichen Rahmen bewegen. Nur wenn der Anlegerweiß, wie hoch das Eigeninteresse der ihn beratenden Bank ist,kann er deren Interessenkonflikt nachvollziehen, nicht schondann, wenn er weiß, ob dieses Eigeninteresse genauso hochoder geringer ist als bei anderen Banken. Von der Vermutungs-regel ist nur in Ausnahmefällen abzuweichen, wenn es nichtnur eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichti-gen Verhaltens gibt, sodass die gebotene Aufklärung beimAnleger einen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte. Ein sol-cher Ausnahmefall lag dem Urteil des BGH vom 13.07.2004zugrunde (Az.: XI ZR 178/03, NJW 2004, 2967), in dem es umden spekulativen Kauf von Aktien des sog. Neuen Marktesging. Eine vergleichbare Situation besteht hier nicht.

(2) Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht nicht ent-gegen, dass er den Darlehensvertrag widerrufen kann. Ersatz-ansprüche gegen Dritte führen nicht dazu, dass der Verletztekeinen Anspruch gegen den Schädiger hätte (§ 255 BGB). DerVerletzte darf sich an den Schädiger halten, er muss diesemaber etwaige Ansprüche gegen Dritte abtreten. Der Schadens-ersatzanspruch des Klägers besteht deshalb nur Zug um Zuggegen Abtretung seiner Fondsbeteiligung und seiner Rechteauf und aus dem Widerruf des Darlehensvertrags. Das Rechtdes Klägers zum Widerruf des Darlehensvertrags ist nicht erlo-schen; er hat keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrungerhalten (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB). Die Widerrufsbelehrungzum Darlehensvertrag weist nur aus, dass ein Widerruf desDarlehensvertrags nach § 495 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist,wenn ein Recht zum Widerruf der verbundenen Fondsbeteili-gung besteht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht aber, dass derKläger bei Widerruf der Fondsbeteiligung auch an den Darle-hensvertrag nicht mehr gebunden ist (§ 358 Abs. 1 BGB). Dermit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbraucherserfordert eine umfassende, unmissverständliche und eindeuti-ge Belehrung (BGH, Urt. v. 10.03.2009, XI ZR 33/08, VuR2009, 261 = WM 2009, 932, 1. Leitsatz). Diesem Deutlich-keitsgebot (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) entspricht die hier vorlie-gende Belehrung nicht. Mit dem Widerruf des Darlehensver-trags entfällt nicht nur der bisher schwebend wirksame Darle-hensvertrag, sondern der Kläger ist auch an seine Fondsbetei-ligung nicht mehr gebunden (§ 358 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nichtnur der Darlehensvertrag, sondern auch der Beteiligungsver-trag sind rückabzuwickeln. Sämtliche Ansprüche hieraus rich-ten sich gegen die Finanzierungsbank. Die Finanzierungsbank

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

haftet nicht nur für den durch das Darlehen erfüllten Anteilder Beteiligung, sondern auch für den Eigenkapitalanteil desKlägers (BGH, Urt. v. 10.03.2009, XI ZR 33/08, VuR 2009, 261= WM 2009, 932, 2. Leitsatz). Der Kläger ist analog § 255 BGBverpflichtet, dieses Widerrufsrecht sowie die aus seiner Aus-übung resultierenden Ansprüche auf Rückabwicklung desDarlehensvertrags und der Fondsbeteiligung an die Beklagteabzutreten. Zweifel an der Abtretbarkeit des Widerrufsrechtsals Gestaltungsrecht bestehen nicht (§ 413 BGB). Auch Grün-de dafür, dass das beim Kläger (Verbraucher) bereits entstan-dene Widerrufsrecht nach Übertragung an die Beklagte(Unternehmerin) erlöschen könnte, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp:

Es geht um den VIP Medienfonds 4. Beklagt ist die Com-merzbank, (obligatorische) Finanzierungsbank ist die Hypo-Vereinsbank. Wenn die HypoVereinsbank für alle Finanzie-rungen vergleichbare Widerrufsbelehrungen verwendet hat,wovon auszugehen ist, dann dürften alle diese Darlehensver-träge widerruflich sein; mit den im Urteil beschriebenenRechtsfolgen. Siehe im Übrigen das BGH-Urteil vom23.06.2009, Az.: XI ZR 156/08, VuR 2009, 382 f. (in diesemHeft) und den dortigen Praxistipp.

Aufklärungspflichten bei Lehman-Zertifikaten(fehlende Einlagensicherung und Gewinnmarge)

1. Ob eine Einlagensicherung besteht oder nicht, ist ein fürdie Anlageentscheidung bedeutsamer Gesichtspunkt, überden der Anlageberater seinen Kunden jedenfalls dann aus-drücklich aufklären muss, wenn der Kunde von einer gesi-cherten in eine ungesicherte Anlage wechselt.

2. Der Anlageberater muss seinen Kunden über eine Gewinn-marge aufklären, die er beim Eigenvertrieb fremder Finanz-produkte erzielt. Die BGH-Rechtsprechung zu den Aufklä-rungspflichten über Rückvergütungen („Kick-Backs“) ist aufdiesen Fall zu übertragen.(Leitsätze des Bearbeiters)

LG Hamburg, Urt. v. 23.06.2009, Az.: 310 O 4/09 (nicht rechts-kräftig)

(ID 43297)

bearbeitet von RA Arne Maier, Esslingen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Kläger begehrt von der beklagten Sparkasse Schadensersatzwegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Rahmen einerAnlageberatung über den Erwerb von Lehman-Zertifikaten. Ende2006 wurde ein Betrag von 40.000 EUR, den der Kläger zuvor fest-verzinslich angelegt hatte, zur Wiederanlage frei. Auf Empfehlungder Beklagten verwendete er hiervon 10.000 EUR für den Erwerbder Zertifikate von der Beklagten. Die Beklagte hatte die Zertifika-te zuvor selbst gekauft.

Gründe (zusammengefasst):

Die Klage hatte Erfolg. Aus dem Beratungsvertrag sei dieBeklagte verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuwei-sen, dass für die Zertifikate keine Einlagensicherung bestand(1). Außerdem habe sie den Kläger darauf hinweisen müssen,dass sie durch den Vertrieb der Zertifikate einen Gewinnerzielt und insoweit ein Absatzrisiko trägt (2). Die Beklagte

habe diese Hinweise schuldhaft unterlassen; es gelte die Ver-mutung aufklärungsrichtigen Verhaltens.

(1) Die Beklagte hätte den Kläger darüber aufklären müssen,dass die Zertifikate nicht von einer Einlagensicherung gedecktsind und er somit von einer gesicherten in eine ungesicherteAnlage wechselt. Ob eine Einlagensicherung besteht oder nicht,ist ein für die Anlageentscheidung bedeutsamer Gesichtspunkt,über den die Bank ihren Kunden aufklären muss. Dies giltjedenfalls dann, wenn ein Kunde von einer Anlage, die voneiner Einlagensicherung umfasst war, in eine Anlage ohne einesolche Sicherheit wechselt, etwa weil es sich um einen auslän-dischen Emittenten handelt. Der Grund für die Aufklärungsbe-dürftigkeit ist dann der Wegfall einer zuvor bestehenden zusätz-lichen Sicherheit für den Erhalt des Kapitals.

(2) Die Beklagte hätte den Kläger außerdem über ihreGewinnmarge und ihr Platzierungsrisiko aufklären müssen.Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung der „Kick-Back“-Rechtsprechung des BGH. Hiernach sind Rückvergü-tungen offenzulegen. Diese Rechtsprechung ist auf den vor-liegenden Fall zu übertragen. Zwar geht es hier nicht um dieZahlung einer Provision. Sinn und Zweck der „Kick-Back“-Rechtsprechung gebieten aber ihre Ausdehnung auf eineGewinnmarge beim Eigenvertrieb fremder Finanzprodukte.Der Anleger soll über ein mögliches wirtschaftliches Eigenin-teresse seines Beraters aufgeklärt werden, um beurteilen zukönnen, ob die Beratung ausschließlich im Kundeninteresseerfolgt, oder ob eigene Interessen des Beraters ebenfalls eineRolle spielen. Dieser Gedanke passt ebenso auf die Aufklä-rungspflicht über die Höhe einer Marge. Das Schutzbedürfnisdes Kunden ist das gleiche und es macht wirtschaftlich kei-nen Unterschied, ob die Bank ein Papier schon erworben hatund mit Gewinn weiterveräußert, oder ob dieses bei einemDritten zu erwerben ist und dann für die Bank eine Provisionanfällt. Andernfalls wäre eine Umgehung der „Kick-Back“-Rechtsprechung ganz einfach dadurch möglich, dass Provi-sionen als Margen ausgestaltet würden. Durch den Erwerbder Zertifikate und die Veräußerung im Festpreisgeschäft aufeigenes wirtschaftliches Risiko bestand ein wirtschaftlichesInteresse der Beklagten am Vertrieb der Zertifikate. Daranändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte auch bei Eigen-emissionen ein Platzierungsinteresse hat. Entscheidend ist,dass ein solcher Anreiz im vorliegenden Fall bestand.

Praxistipp:

Das Urteil ist gegen die Hamburger Sparkasse ergangen. DieSparkasse hat Berufung eingelegt (Aktenzeichen beim OLGHamburg: 13 U 118/09).

Das Urteil behandelt zwei wesentliche Haftungsansätze in Leh-man-Fällen, nämlich die fehlende Einlagensicherung (hierzuwegweisend: Bömcke/Weck, VuR 2009, 53) und die „Kick-Back“-Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 19.12.2006, Az.: XI ZR 56/05,BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876; Beschl. v. 20.01.2009, Az.:XI ZR 510/07, VuR 2009, 176 = NJW 2009, 1416). Das Landge-richt bejaht aus beiden Gründen eine Aufklärungspflicht derSparkasse trotz jeweiliger Stolpersteine im Sachverhalt.

1. Hinsichtlich der fehlenden Einlagensicherung mag mandarüber streiten, ob der Kläger von einer gesicherten in eineungesicherte Anlage „gewechselt“ ist. Die erste Anlage warabgelaufen. Es lag also keine typische „Umschichtung“ (Böm-cke/Weck, VuR 2009, 53, 56) vor. Sicherlich spricht vielesdafür, die Aufklärungspflicht über die fehlende Einlagensi-

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Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

cherung gar nicht von einer solchen Umschichtung abhängigzu machen. Der Grund für die Aufklärungsbedürftigkeit istdann aber – entgegen dem Landgericht – nicht „der Wegfalleiner zuvor bestehenden zusätzlichen Sicherheit für denErhalt des Kapitals“. Bei einem solchen Wechsel von einergesicherten in eine ungesicherte Anlage („Umschichtungsfäl-le“) nehmen auch das LG Hamburg (Urt. v. 10.07.2009,Az. 329 O 44/09, WM 2009, 1511, Dresdner Bank) und dasLG Potsdam (Urt. v. 24.06.2009, Az.: 61/09, Postbank) eineAufklärungspflicht über die fehlende Einlagensicherung an.Das LG Potsdam sieht außerdem eine Aufklärungspflichtüber das nur theoretisch bestehende Insolvenzrisiko desEmittenten (gegen LG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.11.2008,Az.: 2-19 O 62/08, VuR 2009, 144 = WM 2009, 17).

2. Die Sparkasse hat das Zertifikat selbst veräußert, sie hat alsokeine „echten“ Rückvergütungen erhalten. Das Landgerichtdehnt die „Kick-Back“-Rechtsprechung dahin aus, dass die bera-tende Bank auch über ihre eigene Gewinnmarge aufklären muss(so auch LG Hamburg, Urt. v. 01.07.2009, Az.: 325 O 22/09,WM 2009, 1363, Hamburger Sparkasse; LG Frankfurt a. M.,Urt. v. 10.07.2009, Az.: 2-21 O 45/09, Citibank; anders LGChemnitz, Urt. v. 23.06.2009, Az.: 7 O 359/09, WM 2009,1505). Dies wirft die Frage auf, ob über die eigene Gewinn-marge auch dann aufzuklären ist, wenn die beratende Bankeigene Anlageprodukte empfiehlt. In dieser Konstellation wirdeine Aufklärungspflicht bisher verneint (z. B. LG Krefeld, Urt.v. 11.09.2008, Az.: 3 O 48/08; OLG Düsseldorf, Urt. v.29.06.2009, Az.: I-9 U 187/08, WM 2009, 1410).

V E R S I C H E R U N G S R E C H T

Inhalt der Ersatzansprüche des Arbeitnehmers beigezillmerten Versicherungstarifen in der betrieblichenAltersversorgung

1. Ob die Verwendung „gezillmerter“ Lebensversicherungs-verträge, bei denen die Vertragskosten in den ersten Versi-cherungsjahren in voller Höhe zum Abzug kommen, bei derAltersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung unzuläs-sig ist, bleibt unentschieden.

2. Selbst wenn man eine Unwirksamkeit dieses Versorgungs-weges annehmen sollte, folgt daraus kein Anspruch auf – voll-ständige oder teilweise – Nachzahlung der umgewandeltenEntgeltanteile (entgegen LAG München vom 15.03.2006 – 4Sa 1152/06).

3. Bei einem Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 17 Abs. 3BetrAVG kommt vorrangig eine Anpassung der Versorgungs-leistungen in Betracht. Bei Fortbestehen des Versicherungs-vertrages kann sich ein Schaden erst bei Eintritt des Versiche-rungsfalles realisieren und ist erst dann zu beziffern.(Leitsätze des Gerichts)

4. Eine Feststellungsklage, mit welcher die Schadenersatz-pflicht des Arbeitgebers wegen der Nichtigkeit der Entgelt-umwandlungsvereinbarung festgestellt werden soll, ist man-gels Feststellungsinteresse unzulässig. (Leitsatz des Bearbeiters)LAG Hannover, Urt. v. 05.05.2009, Az.: 11 Sa 107/083(ID 44194)

bearbeitet von RA und FA für VersR Daniel Bussmann, LL.M. oec.,Warendorf

Sachverhalt (zusammengefasst):

Das LAG Hannover beschäftigt sich ebenso wie das ArbG Freiburgin seinem Urteil vom 06.05.2009 (siehe nachfolgend) mit der Fra-ge, ob es zulässig ist, gezillmerte Lebensversicherungstarife bei ei-ner betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwand-lung zu verwenden.

Gründe (zusammengefasst) und rechtliche Einordnung:

Das LAG beantwortet die Frage nicht. Wenn nämlich dieUnentgeltumwandlungsvereinbarung wegen Verstoßes gegendas Werterhaltungsgebot des § Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BetrAVGverstoße, besteht nur ein Erfüllungsanspruch auf wertgleicheLeistungen (Auffüllungsanspruch). Der ursprüngliche Vergü-tungsanspruch lebe dagegen nicht wieder auf. Jedoch könneder Arbeitnehmer auch noch nicht im Wege des Schadenser-satzes eine vollständige Auffüllung des Versicherungskontosverlangen. Der Arbeitnehmer habe den Versicherungsvertragnämlich noch nicht aufgelöst. Es sei noch nicht abzusehen,ob und in welcher Höhe dem Arbeitnehmer ein Schaden ent-stehe. Ein wirtschaftlicher Schaden könne sich frühestens beiEintritt des Leistungsfalls realisieren. Die Anrechnung derVertragskosten stelle lediglich einen internen Rechnungspos-ten dar, der sich als wirtschaftlicher Schaden zulasten des Klä-gers noch nicht realisiert habe. Da die Frage, ob ein Schadenvorläge, von vielen ungewissen Punkten abhänge (etwa inwelchem Umfang steuer- und sozialversicherungsrechtlicheVorteile verloren gehen) sei ein allgemeiner Feststellungsan-trag unzulässig. Er sei nicht geeignet, wesentliche Grundfra-gen der Rechtsbeziehung der Parteien mit ausreichender Ver-lässlichkeit zu klären. Der Arbeitnehmer/Kläger wird vorran-gig auf eine bezifferte Leistungsklage verwiesen.

Das Urteil birgt für den anwaltlichen Berater ein erheblichesHaftungsrisiko. Bei reinen Vermögensschäden hängt bereitsdie Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrschein-lichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführen-den Schadenseintritts ab (BGH, 24.01.2006 – XI ZR 384/03 =NJW 2006, 830, 832 f.) Hierzu genügt es, dass die Ver-schlechterung sich wenigstens dem Grunde nach verwirk-licht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht beziffert werdenkönnen. Ferner muss nicht feststehen, ob der Nachteil aufDauer bestehen bleibt und damit endgültig wird. Ist dagegennoch offen, ob pflichtwidriges Verhalten zu einem Schadenführt, ist ein Schaden noch nicht entstanden. Es handelt sichdann um eine bloße Gefährdung einer Rechtsposition (BGH,15.10.1992 – IX ZR 43/92 = NJW 1993, 648). Da das Versi-cherungsverhältnis noch nicht beendet war, erscheint dieBegründung des LAG Hannover auf den ersten Blick vertret-bar. Allerdings verkennt das LAG, dass der Arbeitnehmerschon jetzt (wirtschaftlich) sein umgewandeltes Gehalt weg-gegeben hat, einen betragsmäßig gleichen Gegenwert jedochnoch nicht erhalten hat. Insoweit ist das Vermögen gemin-dert, ohne dass ihm im Jetztzeitpunkt (bzw. Schluss dermündlichen Verhandlung) ein gleich hoher Vermögenszu-wachs zusteht (vgl. BGH NJW 1975, 974; 78, 425). Insoweitist auch der Ansatz des LAG verfehlt, der ursprüngliche Ent-geltanspruch lebe nicht wieder auf. Die Entgeltumwandlungstellt sich aus Sicht des Arbeitsvertrags als Schuldänderungdar, da nur der ursprüngliche Inhalt des Entgeltanspruchsgeändert wird und er weiterhin im Synallagma steht (Erfk,9. Aufl. 2009, § 1 BetrAVG, Rz. 30). Ist die Schuldumwand-lung nichtig, gilt die ursprüngliche Schuld. Der Arbeitnehmerhat also einen Anspruch auf Nachzahlung des umgewandel-

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R E C H T S P R E C H U N G | Vers icherungsrecht

ten Betrages, muss jedoch entsprechend § 255 BGB seineAnsprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag an denArbeitgeber abtreten.

Auf der Linie des LAG Hannover liegen jedoch auch Teile derLiteratur, die bei Unwirksamkeit eine Auffühlungsverpflich-tung auf eine Anwartschaft, die 50 % des ungezillmertenDeckungskapitals umfasst, annehmen. Der Anspruch sollsich sogar direkt gegen den Versicherer richten ( Döring/Grau,BB 2007, 1564, 1567).

Praxistipp:

Gegen das Urteil des LAG Hannover ist die Revision anhän-gig beim BAG zu Az. 3 AZR 379/09.

Das Urteil des LAG Hannover ist gefährlich im Hinblick aufdie Verjährung. Für den Verjährungsbeginn gem. § 199 I Nr. 1BGB reicht es aus, dass der Gläubiger zumindest Feststel-lungsklage erheben kann (Palandt, 68. Aufl. 2009, § 199 BGB,Rz. 27). Sieht der Arbeitnehmer also von einer Klage ab, weiler meint diese sei mangels wahrscheinlichen Schadens unzu-lässig, droht die Verjährung (dreijährige Frist gem. § 195BGB) der Ansprüche, wenn ein Gericht entgegen der Ansichtdes LAG Hannover eine Feststellungsklage für zulässig hält.Der sicherste Weg wäre daher, einen Leistungsantrag undhilfsweise einen Feststellungsantrag zu stellen. Vorrangig(kostengünstig) bzw. alternativ – dem Urteil des LAG Hanno-ver Rechnung tragend – könnte versucht werden, einen Ver-jährungsverzicht vom Gläubiger einzuholen (vgl. § 202 BGB).Daneben ist auch auf etwaige vereinbarte Ausschlussfristenzu achten.

Gezillmerter Versicherungstarif in der betrieblichenAltersversorgung

1. Eine Entgeltumwandlungsvereinbarung, die den Abschlusseiner gezillmerten Direktversicherung zum Gegenstand hat,ist nicht gem. § 134 BGB i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG un-wirksam.

2. Der Arbeitgeber ist bei Abschluss der Entgeltumwand-lungsvereinbarung zu keiner umfassenden Aufklärung ver-pflichtet. Lediglich im Einzelfall kann eine gesteigerte Hin-weispflicht bestehen. Der Arbeitgeber ist daher nicht generellverpflichtet, auf die Nachteile der Zillmerung hinzuweisen.

3. Ob der Arbeitnehmer von der Versicherung wegen fehler-hafter Beratung oder Aufklärung Schadensersatz verlangenkann, obwohl er nicht Vertragspartner des Versicherungsver-trages ist, bleibt unentschieden.(Leitsätze des Gerichts)

ArbG Freiburg, Urt. v. 06.05.2009, Az.: 12 Ca 387/08

(ID 44195)

bearbeitet von RA und FA für VersR Daniel Bussmann, LL.M. oec.,Warendorf

Sachverhalt (zusammengefasst):

Das Arbeitsgericht Freiburg erörtert Fragestellungen, die im Zu-sammenhang mit der Verwendung von gezillmerten Versiche-rungstarifen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung auf-treten. Bei einer frühzeitigen Vertragsbeendigung kann dies dazuführen, dass der Arbeitnehmer einen geringeren Rückkaufswerterhält als es der Höhe des umgewandelten Entgeltes entspricht.

So war es auch im vom ArbG Freiburg entschiedenen Fall. Auf-grund einer Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber hatte eine Aus-zubildende Entgelt umgewandelt. Das umgewandelte Entgelt (an-fänglich 36, 37 B monatlich) sowie ein Zuschuss des Arbeitgeberswurden in eine gezillmerte Direktversicherung gezahlt. Die Versi-cherung endete ohne Rückzahlung vorzeitig.

Gründe (zusammengefasst) und rechtliche Einordnung:

Eine Entgeltumwandlungsvereinbarung über eine gezillmerteDirektversicherung halten Teile der Literatur und Recht-sprechung für unzulässig. Sie verstoße gegen das Gebot derWertgleichheit von umgewandelten Entgelt und Versorgungs-anwartschaft gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG. Sie sei daher gem.§ 134 BGB, § 1 Abs. 2 Ziffer 3, § 17 Abs. 3 BetrAVG nichtig. Fer-ner benachteilige die Vereinbarung mit gezillmerten Tarifenden Arbeitnehmer unangemessen i. S. v. § 307 BGB und seidaher ebenfalls unwirksam (LAG München, 15.03.2007, 4 Sa1152/06; Reinecke, DB 2006, 555; Schwintowski, VuR 2003, 327ff). Dieses gelte jedenfalls dann, wenn dem Arbeitnehmer nichtdie Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals erstattet werde(in Anlehnung an die obige Rspr. des BGHs und BVerfGs zumMindestrückkaufswert) bzw. entsprechend § 169 Abs. 3 VVGn. F. die Abschlusskosten nicht über die ersten fünf Vertragsjah-re gleichmäßig verteilt werden (Schwintowski, VuR 2007, 272Anmerkung zum Urteil des LAG München v. 15.03.2007).

Diese Auffassung wird durch die überwiegende Recht-sprechung und Literatur (LAG Köln, 13.08.2008, 7 Sa 454/08;LAG München, 11.07.2007 = NZA 2008, 362; ArbeitsgerichtSiegburg, 27.02.2008 – 2 Ca 2831/07; Arbeitsgericht Elms-horn, 3 Ca 1824d/07; Neumann/Schwebe, ZIP 2007, 981, 982;Döhring/Grau, BB, 2007, 1564) abgelehnt. Auf dieser Linieliegt auch die Entscheidung des ArbGs Freiburg. Es werdenicht gegen den Grundsatz der Wertgleichheit verstoßen.Wertgleichheit läge vor, wenn der Arbeitgeber die umgewan-delten Entgeltteile vollständig, d. h. betragsgleich an den Ver-sicherer abführt. Ob es sich um einen gezillmerten Tarif han-dele, sei danach unerheblich. Zudem könnten die Parteienselbst entscheiden, welche Versorgung sie als wertgleich zumumgewandelten Entgelt ansehen.

Auch eine Haftung wegen Verletzung einer Aufklärungs-pflicht verneint das ArbG Freiburg. Das Arbeitsgericht Stutt-gart hatte in seiner Entscheidung v. 17.01.2005(19 Ca 3142/04) eine entsprechende Aufklärungsverpflich-tung aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht hergeleitetund eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bejaht. DasArbeitsgericht Freiburg führt dagegen aus, der Arbeitgeber seinicht „Hüter“ des Arbeitnehmers. Das Betriebsrentengesetzverlange nicht, dass der Arbeitgeber vor Durchführung derEntgeltumwandlung mögliche Nachteile im Hinblick auf dieLebensplanung des Arbeitnehmers erörtere. Darüber hinauskönne es als bekannt vorausgesetzt werden, dass bei Auflö-sung einer Lebensversicherung generell auf Seiten des Versi-cherungsnehmers finanzielle Einbuße hinzunehmen seien.

Diese Einschätzung des Arbeitgerichts ist fragwürdig. DasBAG hat eine Hinweispflicht etwa für den Bereich der öffent-lich-rechtlichen Zusatzversorgung bejaht, wenn und weil derArbeitnehmer im Allgemeinen nicht hinreichend unterrich-tet ist, der Arbeitgeber aber über die notwendigen Kenntnisseverfügt (BAG, 17.12.1991 = NZA 1992, 973). Die Literaturbejaht sogar eine grundsätzliche Aufklärungsverpflichtungdes Arbeitgebers (vgl. ErfK, 8. Aufl. 2009, § 1 BetrAVG, Rz. 30;Döhring/Grau, BB, 2007, 1564).

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VuR 10/2009 | 389

Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

Im Weiteren stellt sich die Frage, ob dem Arbeitnehmer Scha-densersatzansprüche gegen den Versicherer wegen fehlerhaf-ter Beratung bzw. Aufklärung zustehen. Das ArbG Freiburglässt diese Frage offen, da diese (der Versicherer ist nicht ver-klagt) nicht Streitgegenstand ist.

Der Versicherungsvertrag wird zwischen dem Arbeitgeber alsArbeitnehmer und dem Versicherer abgeschlossen. DemArbeitnehmer stehen Ansprüche als echter Vertrag zugunstenDritter nach §§ 328 ff. BGB (§§ 43 VVG n.F.) zu (vgl. Beck-mann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch2004, § 6, Rz. 1; Palandt, 68. Aufl, 2009, § 328 BGB, Rz. 12)und damit auch Schadenersatzansprüche bei Pflichtverletzun-gen des Versicherers zu (vgl. Palandt, 68. Aufl. 2009, § 328BGB, Rz.5). Gem. § 6 Abs. 1 VVG n. F. hat der Versicherer denVersicherungsnehmer zu beraten. Wurde der Versicherungs-nehmer entsprechend beraten, bestehen auch für den Arbeit-nehmer keine Schadenersatzansprüche gegen den Versicherer.

Praxistipp:

Aus Arbeitnehmersicht sollte überlegt werden, ob nicht dieEntgeltumwandlungsvereinbarung (hilfsweise – zur Zulässig-keit einer solchen Eventualanfechtung siehe Palandt, 68.Aufl. 2009, § 143 BGB, Rz. 2) wegen Eigenschaftsirrtums gem.§ 119 Abs. 2 BGB über den Wert der Forderung unverzüglichangefochten wird. Dies führt zur Nichtigkeit der Entgeltum-wandlungsvereinbarung gem. § 142 BGB. Da die Entgeltum-wandlung eine Schuldänderung darstellt, in der nur derursprüngliche Inhalt des Entgeltanspruchs geändert wird(vgl. ErfK, § 1 BetrAVG, Randziffer 30), hätte der Arbeitgeberdas umgewandelte Entgelt nachzuzahlen.

Zur Prüfungsfrist des Haftpflichtversicherers und derSubstantiierungspflicht des Geschädigten beifehlender Vorfinanzierungspflicht

1. Bei Verkehrsunfällen mit einem ausländischen Mitbürgersteht dem Haftpflichtversicherer ein Prüfungszeitraum vonzwei Monaten zu.

2. In diesem Zeitraum kann der Haftpflichtversicherer man-gels Verschulden nicht in Verzug geraten.

3. Fehlende finanzielle Mittel des Geschädigten müssen ausGründen der Schadenminderung dem Haftpflichtversichererkonkret dargelegt werden. (Leitsätze des Bearbeiters)

LG Saarbrücken, Urt. v. 10.07.2009, Az.: 13 S 157/09

(ID 44196)

bearbeitet von RA und FA für VersR Manfred Heitmeier, Aachen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Die Klägerin verlangt von dem zuständigen Schadenregulierer ei-nes ausländischen Unfallgegners infolge eines Verkehrsunfallsvom 16.04.2008 u. a. Mietwagenkosten und eineNutzungsausfallentschädigung. Bereits am Unfalltag mietete dieKlägerin ein Ersatzfahrzeug an und nutzte dieses bis zum13.05.2008. Die Reparatur war am 06.05.2008 beendet. Am glei-chen Tage wurde der Schadenregulierer angeschrieben und aufge-fordert, der Werkstatt eine Reparaturkostenübernahmebestäti-gung zukommen zu lassen, damit das Fahrzeug herausgegebenwerden könne. Der Schadenregulierer wies mit Schreiben vom14.05.2008 darauf hin, dass vom zuständigen ausländischen Haft-

pflichtversicherer noch keine Deckungszusage vorliege und dieKlägerin daher in Vorleistung gehen müsse. Der Schadenregulie-rer zahlte am 24.06.2008 die Reparaturrechnung, woraufhin dieKlägerin ihr Fahrzeug am 27.06.2008 aus der Werkstatt zurücker-hielt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin im Wesentlichen eine Nut-zungsausfallentschädigung für die Zeit vom 14.06. bis zum27.06.2008.

Das erstinstanzliche Gericht hatte die Klage abgewiesen, weil dieKlägerin nicht konkret vorgetragen habe, weshalb diese die Repa-raturkosten nicht habe vorfinanzieren können.

Gründe (zusammengefasst):

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Landge-richt Saarbrücken führt zunächst allgemein aus, dass es grund-sätzlich Sache des Schädigers sei, dem Geschädigten die fürdie Schadenbeseitigung erforderlichen Mittel zur Verfügungzu stellen. Auch sei eine Kreditaufnahme nur dann erforder-lich, wenn hierdurch der Geschädigte in seiner gewohntenLebensführung nicht unzumutbar eingeschränkt werde. Hier-auf komme es jedoch, so das Landgericht Saarbrücken, im vor-liegenden Fall nicht an. Zur Begründung weist das Landge-richt zunächst darauf hin, dass dem Haftpflichtversicherer beiVerkehrsunfällen mit einem ausländischen Schädiger ein Prü-fungszeitraum von bis zu zwei Monaten zuzubilligen sei. DerVersicherer sei darauf angewiesen, dass dieser Informationenvon seinem Versicherungsnehmer erhalte.

Zudem verfüge der Versicherer über einen größeren Büroap-parat und eine angemessene Ermittlungsfrist liege auch imInteresse aller pflichtversicherten Kfz-Halter, die im Ergebnisüber die Prämien die Schadenzahlungen zu finanzierenhaben. Während des Prüfungszeitraums, so das Landgerichtweiter, könne der Versicherer nicht in Verzug geraten, da die-sem kein Verschulden anzulasten sei. Der Geschädigte könnedaher während der Prüfungsfrist nicht auf eine vorzeitigeErsatzleistung des Versicherers vertrauen. Vielmehr dürfe derVersicherer die Prüfungsfrist ausschöpfen, ohne irgendwel-che Nachteile befürchten zu müssen.

Von diesem Grundsatz könne nur dann abgewichen werden,wenn eine Schadenerhöhung drohe, weil der Geschädigtenicht über ausreichende Mittel zur Vorfinanzierung verfüge.Hierauf müsse der Geschädigte jedoch hinweisen und kon-kret darlegen, weshalb eine Vorfinanzierung nicht möglichsei. Im vorliegenden Fall hatte die Geschädigte diese Anfor-derungen nicht erfüllt. Insbesondere wurde nicht dargelegt,weshalb eine Vorfinanzierung nicht möglich gewesen sei.

Wenn dem Schadenregulierer konkret dargelegt wordenwäre, dass die Geschädigte zur vollen Finanzierung nicht inder Lage sei, hätte der Schadenregulierer entsprechend durchzügigere Regulierung reagieren können.

Praxistipp:

In der Praxis ist die Prüfungsfrist für den Versicherer – insbe-sondere bei Unfällen mit Auslandsbezug – stets zu beachten.Nicht selten werden zweiwöchige Fristen gesetzt, die für denVersicherer nicht beachtlich sind und nicht dazu führen, dassdieser in Verzug gerät. Bei Auslandsbezug ist eine Prüfungs-frist von sechs bis acht Wochen vorsichtshalber stets anzu-nehmen. Bei einer Klageerhebung vor Ablauf der Prüfungs-frist entfällt nicht nur der Zinsanspruch, sondern der Versi-

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cherer kann auch ein sofortiges Anerkenntnis abgeben undauf diese Weise die gesamten Prozesskosten auf den klagen-den Geschädigten abwälzen.

Die Verzugsproblematik kann jedoch in der Praxis leichtdadurch umgangen werden, wenn dem Versicherer konkretdargelegt wird, weshalb eine Vorfinanzierung des Schadensnicht möglich ist. Die Darlegung dürfte nicht aufwendig sein.Wenn dem Versicherer die Informationen übermittelt wer-den, hat dieser später keine Möglichkeiten, sich gegen zusätz-liche Kosten zu wehren. Ein Verstoß gegen die Schadenmin-derungspflicht kann dem Geschädigten sodann nicht ange-lastet werden.

Zum (eingeschränkten) Schutzbereich der §§ 9 Abs. 4und Abs. 5 StVO

1. Die besonders hohen Sorgfaltsanforderungen, die § 9Abs. 5 StVO dem in ein Grundstück abbiegenden Verkehrsteil-nehmer auferlegt, schützen nur den fließenden Verkehr.

2. Entsprechend schützen die Verhaltensanforderungen, die§ 9 Abs. 4 StVO dem linksabbiegenden Verkehrsteilnehmerauferlegt, nur den fließenden Längsverkehr. (Leitsätze des Bearbeiters)

LG Saarbrücken, Urt. v. 10.07.2009, Az.: 13 S 154/09

(ID 44197)

bearbeitet von RA Prof. Dr. Kurt Vogel, Aachen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Die Klägerin war beim Abbiegen von der Straße auf einen links derFahrbahn gelegenen Sparkassenparkplatz mit dem Fahrzeug desBeklagten kollidiert. Dieses war am rechten Fahrbahnrand derGegenfahrbahn abgestellt gewesen und gleichzeitig mit dem Ab-biegevorgang der Klägerin rückwärts gefahren, um in der Folgeauszuparken.

Dem Antrag der Klägerin auf den vollen Ersatz ihrer Schäden warin der ersten Instanz nur teilweise stattgegeben worden. Zur Be-gründung führte das erstinstanzliche Gericht aus, beide unfallbe-teiligten Verkehrsteilnehmer hätten gegen die besonders hohenSorgfaltspflichten verstoßen, die § 9 Abs. 5 StVO sowohl demrückwärts fahrenden Fahrer als auch dem in ein Grundstück ab-biegenden Fahrer auferlegt.

Mit der Berufung zum Landgericht Saarbrücken verfolgte die Klä-gerin ihr Begehren auf vollen Schadenersatz weiter – mit Erfolg:

Gründe (zusammengefasst):

Das Berufungsgericht sprach ihr den vollen Schadenersatz zu.Dies begründet es mit dem eingeschränkten Schutzbereichdes § 9 Abs. 4 und Abs. 5 StVO. Die in § 9 Abs. 5 StVO aufge-stellten besonders hohen Sorgfaltspflichten schützen nichtjedweden Verkehrsteilnehmer, sondern dienen nur demSchutz des fließenden Verkehrs. Noch enger ist der Schutzbe-reich der den Linksabbieger betreffenden Regelung des § 9Abs. 4 StVO: Diese Norm schützt nicht jeglichen fließendenVerkehr, sondern soll nur den Schutz des fließenden Längs-verkehrs bezwecken. Der am rechten Fahrbahnrand rück-wärts anfahrende Unfallgegner der Klägerin befand sich also(noch) nicht im Schutzbereich der Normen, da er sich geradeerst anschickte, sich in den fließenden Verkehr einzugliedern.

Daher haftet für den Unfall alleine der Beklagte, der gegenden auch den rückwärts fahrenden Verkehrsteilnehmer tref-

fenden § 9 Abs. 5 StVO verstoßen hat, da auch der in einemLinksabbiegevorgang befindliche Fahrer Teil des fließendenVerkehrs ist und die Klägerin daher vom Schutzbereich derNorm umfasst war.

Praxistipp:

Kommt es zu einem Unfall, haben oft beide unfallbeteiligtenFahrer auf den ersten Blick gegen Regelungen der Straßenver-kehrsordnung verstoßen, sodass eine Haftungsverteilung unddamit ein Ausschluss des vollen Schadenersatzes nahezulie-gen scheinen. In solchen Fallgestaltungen lohnt immer dieÜberlegung, ob der Unfallgegner überhaupt zu dem durch diejeweilige Verhaltensnorm geschützten Personenkreis gehört,da so eine Mithaftung vermieden und der volle Schadener-satzanspruch mit Erfolg geltend gemacht werden kann.

Zur Anwendbarkeit von § 215 VVG auf Altfälle

1. § 215 VVG ist eine prozessuale Regelung, auf die Art. 1Abs. 1 EGVVG nicht anzuwenden ist.

2. Entsprechend eröffnet § 215 VVG auch für Altfälle ab dem01.01.2008 für den Versicherungsnehmer den Gerichtsstandan dessen Wohnort.(Leitsätze des Bearbeiters)

LG Stendal, Beschl. v. 30.04.2009, Az.: 23 O 432/08

(ID 44198)

bearbeitet von RA und FA für VersR Manfred Heitmeier, Aachen

Sachverhalt (zusammengefasst):

Die Klägerin aus Magdeburg hat vor dem Landgericht Stendal auf-grund einer versicherungsrechtlichen Problematik geklagt. DemRechtsstreit lag ein Versicherungsverhältnis zugrunde, das vordem 01.01.2008 entstanden war.

Das Landgericht Stendal hat die Klage der Versicherungsnehme-rin an das für den Wohnsitz der Klägerin zuständige LandgerichtMagdeburg verwiesen.

Gründe (zusammengefasst):

Zur Begründung hat das Landgericht Stendal im Rahmen desBeschlusses ausgeführt, dass § 215 VVG (n. F.) auch für Versi-cherungsverhältnisse gelte, die vor dem 01.01.2008 entstan-den sind. Dieser Rechtsauffassung stehe auch Art. 1 Abs. 1Satz 1 EGVVG nicht entgegen. Dieser beziehe sich nicht aufdie rein prozessuale Regelung des § 215 VVG (n. F.), der eineGerichtsstandsregel enthalte. Die Vorschrift des § 215 VVG(n. F.) sei allein aus historischen Gründen nicht in die ZPOeingeführt worden.

Praxistipp:

Die vom Landgericht Stendal vertretene Rechtsauffassung istnicht unumstritten.

Während das OLG Saarbrücken (VersR 2008, 1337 f.) den§ 215 VVG (n. F.) ebenfalls für Altfälle als anwendbar erach-tet, vertreten das OLG Stuttgart (VersR 2009, 246) und dasOLG Hamburg (VersR 2009, 531) hierzu eine gegenteiligeAuffassung. Gleichwohl sollte in der Praxis stets erwogenwerden, Klage an dem Wohnsitz des Versicherungsnehmer zuerheben. In der forensischen Praxis ist der „Heimvorteil“

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VuR 10/2009 | 391

nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus können auch Fahrt-kosten bzw. die Kosten für einen Terminvertreter am auswär-tigen Gericht gespart werden. Wenn das angerufene Gericht§ 215 VVG (n. F.) für Altfälle nicht für anwendbar erachtet,wird die Sache mittels Beschluss an das zuständige Gerichtverwiesen. Hierdurch verliert man allenfalls Zeit. Auf deranderen Seite erhält man zumindest die Chance, amGerichtsstand des Wohnsitzes zu klagen.

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z R E C H T

Beratung bei Ausgangsbehörde keine Voraussetzungfür Beratungshilfe für Widerspruchsverfahren

Die Rechte unbemittelter Rechtssuchender werden unver-hältnismäßig eingeschränkt, wenn ihnen Beratungshilfe fürein Widerspruchsverfahren nicht bewilligt wird, weil es ihnenzumutbar sei, zunächst die Beratung derjenigen Behörde inAnspruch zu nehmen, gegen deren Verwaltungsakt Wider-spruch eingelegt werden soll.(Leitsatz des Bearbeiters)

BVerfG, Kammerbeschl. v. 11.05.2009, Az.: 1 BvR 1517/08 (Vorins-tanz: AG Zwickau, Beschl. v. 29.04.2008, Az.: 014 UR II 2417/07)

(ID 44199)

Gründe (zusammengefasst):

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Bera-tungshilfe für einen Widerspruch gegen die Kürzung vonLeistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGBII).

Die Beschwerdeführerin bezieht Leistungen zur Sicherungdes Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie erhielt von derzuständigen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) im Oktober 2007einen Änderungsbescheid, in dem bei den Leistungen eineHaushaltsersparnis wegen ihres Krankenhausaufenthalts inHöhe von 121,45 EUR monatlich (35 % der Regelleistung)angerechnet wurde. Die Beschwerdeführerin beantragte beimAmtsgericht erfolglos Beratungshilfe zur “Abwehr von Kür-zungen und Sanktionen” nach dem Gesetz über Rechtsbera-tung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen(Beratungshilfegesetz – BerHG). Die zuständige Rechtspflege-rin wies den Antrag zurück.

Die Erinnerung wurde mit richterlichem Beschluss zurückge-wiesen. Es sei der Beschwerdeführerin zumutbar im Sinne des§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG, selbst kostenlos Widerspruch einzule-gen und bei der organisatorisch getrennten und mit anderemPersonal ausgestatteten Widerspruchsstelle der Ausgangsbe-hörde vorzusprechen. Es sei amtsbekannt, dass es dort zueiner kompetenten und objektiven Bearbeitung der Wider-sprüche und gegebenenfalls zu einer kostenlosen Beratungkomme. Ein vernünftiger bemittelter Rechtsuchender hättein dieser Situation keine anwaltliche Hilfe in Anspruchgenommen, sondern selbst bei der Behörde vorgesprochen.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerindie Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20Abs. 3 sowie sinngemäß von Art. 20 Abs. 1 GG. Sie trägt ins-besondere vor, dass sie als unbemittelte Rechtsuchendegegenüber bemittelten Rechtsuchenden ungleich behandeltwerde. Die Erforderlichkeit anwaltlicher Beratung sei hier

angesichts der Kompliziertheit und Bedeutung der Leistun-gen zur Existenzsicherung gegeben. Es sei unzumutbar, wennsie bei derjenigen Behörde um Beratung nachsuchen solle,gegen deren Entscheidung sie sich wende. Eine neutrale Bera-tung durch die ARGE, die zugleich als Ausgangs- und Wider-spruchsbehörde auftrete, sei nach vernünftiger Erwartungnicht gewährleistet. Die Beschwerdeführerin beruft sichaußerdem auf die Waffengleichheit und den effektivenSchutz der Rechtsuchenden im Vorverfahren. Die Verzöge-rung durch ein nicht ausreichend effektiv gestaltetes Wider-spruchsverfahren führe zu einer unzumutbaren Erschwerungder Sicherung der materiellen Existenz.

Die Verfassungsbeschwerde erweist sich als begründet. Dieangegriffene richterliche Entscheidung verletzt die Beschwer-deführerin in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungs-gleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 und Art. 20Abs. 3 GG).

Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem Sozialstaatsprin-zip (Art. 20 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz(Art. 3 Abs. 1 GG) das Gebot einer „weitgehenden Anglei-chung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten imBereich des Rechtsschutzes” abgeleitet (vgl. BVerfGE 9, 124,130 f.>; 10, 264 <270 f.>; 22, 83 <86>; 51, 295 <302>; 56, 139<143>; 63, 380 <394 f.>) und diese Forderung des weiterenmit dem Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) begründet(vgl. BVerfGE 81, 347 <356>). Die Frage, ob aus den Verfas-sungsprinzipien, die den Grundsatz der Rechtsschutzgleich-heit tragen, eine Pflicht zur Angleichung der Stellung Unbe-mittelter an die der Bemittelten auch für den außergericht-lichen Rechtsschutz hergeleitet werden kann, hat dasBundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom14. Oktober 2008 (vgl. BVerfG, Beschl. des Ersten Senats –1 BvR 2310/06 –, NJW 2009, S. 209 ff. = VuR 2009, 393, indiesem Heft) beantwortet. Danach sind weder der allgemeineGleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 noch das Sozialstaatsprin-zip aus Art. 20 Abs. 1 GG oder das Rechtsstaatsprinzip nachArt. 20 Abs. 3 GG in ihrer Geltung auf gerichtliche Verfahrenbeschränkt. Die im gerichtlichen Verfahren auf Rechtsschutz-gleichheit gerichteten Verfassungsgrundsätze gewährleistendem Bürger deshalb auch im außergerichtlichen BereichRechtswahrnehmungsgleichheit.

Mit dem Beratungshilfegesetz hat der Gesetzgeber diesen ver-fassungsrechtlichen Anforderungen zur Gewährleistung derRechtswahrnehmungsgleichheit grundsätzlich Genügegetan. Die Auslegung und Anwendung des Beratungshilfege-setzes obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten.Entsprechend dem für die Prozesskostenhilfe geltenden Prü-fungsmaßstab überschreiten die Fachgerichte jedoch dannden Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegungder Bestimmungen des Beratungshilfegesetzes zukommt,wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch deneinem unbemittelten Rechtsuchenden im Vergleich zumbemittelten Rechtsuchenden die Rechtswahrnehmungunverhältnismäßig eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 81, 347<358>; BVerfG, 12. Juni 2007 – 1 BvR 1014/07 –, NJW-RR2007, S. 1369).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das Amtsgericht verletzt dieRechtswahrnehmungsgleichheit, wenn es bei der Anwen-dung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG oder auch bezüglich derErforderlichkeit einer Vertretung (§ 2 Abs. 1 BerHG) davonausgeht, dass ein vernünftiger Rechtsuchender in denjenigenFällen, in denen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde iden-

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392 | VuR 10/2009

tisch sind, keine anwaltliche Hilfe für das Widerspruchsver-fahren in Anspruch genommen hätte.

Ein vernünftiger Rechtsuchender darf sich aktiv am Verfah-ren beteiligen. Dieses Recht wurzelt in dem rechtsstaatlichenGrundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 <111f.>; 57, 250 <274 f.>), der im Verwaltungsverfahren Anwen-dung findet. Damit wird letztlich dem aus der Menschen-würde abzuleitenden Gebot, dass über die Rechte des Einzel-nen nicht kurzerhand von Obrigkeit wegen verfügt werdendarf (vgl. BVerfGE 9, 89 <95>; 26, 66 <71>; 57, 250 <275>),Rechnung getragen.

Es kann daher durchaus Anlass bestehen, einen Anwalt hin-zuzuziehen, auch wenn es im Vorverfahren weder einen Ver-tretungszwang noch einen Anspruch auf Beiordnung einesRechtsanwalts gibt und auch der Grundsatz des rechtlichenGehörs nicht die Einschaltung eines Anwalts fordert (zuArt. 103 Abs. 1 GG: vgl. BVerfGE 9, 124 <132>; 31, 306<308>). Ein kostenbewusster Rechtsuchender wird dabei ins-besondere prüfen, inwieweit er fremde Hilfe zur effektivenAusübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazuin der Lage ist.

Notwendig ist die Zuziehung nach höchstrichterlicher Recht-sprechung dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichenVerhältnissen sowie wegen der Schwierigkeit der Sache nichtzuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen (BSG, Urt.v. 15.12.1987 – 6 RKa 21/87 –, SozR 1300 § 63 Nr. 12).

Der dem Beratungsanliegen zugrunde liegende Sachverhaltwirft nicht bloß einfach gelagerte Tatsachenfragen auf. Esgeht nicht um Fragen allgemeiner Lebenshilfe. Bei der Anre-chenbarkeit einer Ersparnis aufgrund von Krankenhausver-pflegung handelt es sich vielmehr um ein konkretes rechtli-ches Problem, das zum Zeitpunkt der Antragstellung nochkeine höchstrichterliche Klärung erfahren hatte (vgl. BSG,Urt. v. 18.06.2008 – B 14 AS 22/07 R –, juris). Der Beratungs-hilfeantrag bezieht sich auf einen bereits ergangenen belas-tenden Bescheid und nicht nur auf ein ihm vorausgehendesAnhörungsverfahren. Es ist kein Missverständnis zwischenBehörde und Rechtsuchendem ersichtlich, aufgrund dessenlediglich eine Rückfrage veranlasst gewesen wäre. DieBeschwerdeführerin war bereits entschlossen, einen Rechts-behelf einzulegen.

Besondere Rechtskenntnisse der Beschwerdeführerin sindnicht erkennbar. Es kann der Beschwerdeführerin nicht zuge-mutet werden, den Rat derselben Behörde in Anspruch zunehmen, deren Entscheidung sie angreifen will.

Schon der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Inanspruch-nahme behördlicher Beratung nicht zumutbar sei, wenn eineVertretung gegenüber einer an sich auskunftspflichtigenBehörde „zur Durchsetzung von Ansprüchen des Bürgers not-wendig ist” (BT-Drucks 8/3311, S. 11). Dieses Verfahrenssta-dium unterscheidet sich von einer erstmaligen Antragstel-lung oder einer bloßen Nachfrage bei der Behörde, die in derRegel als zumutbar angesehen werden kann (vgl. BVerfG,NJW-RR 2007, S. 1369).

Die ARGE ist und bleibt – unabhängig von der Frage der Bera-tungshilfe – sowohl zu einer rechtmäßigen Sachbehandlungals auch zu einer korrekten Beratung verpflichtet. Dadurchsind Fehlentscheidungen jedoch nicht per se ausgeschlossen.Von der Rechtsuchenden kann nicht erwartet werden, sichdarauf zu verlassen, dass die Behörde aufgrund eigener Kom-petenz immer zu einer richtigen Entscheidung gelangen

werde. Dies gilt insbesondere auch angesichts der bekannter-maßen hohen Widerspruchs- und Klagequote in Verfahrenüber Leistungen nach dem SGB II und der noch ausstehen-den höchstrichterlichen Klärung neuer Rechtsfragen.

Dem bemittelten Rechtsuchenden steht dagegen mit demAnwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO)zur Seite, den er frei auswählen kann und dessen Unabhän-gigkeit gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Rechtsanwalt darfkeine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängig-keit gefährden (§ 43a Abs. 1 BRAO), er ist zur Verschwiegen-heit verpflichtet (§ 43a Abs. 2 BRAO) und darf keine wider-streitenden Interessen vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO). Diesenberechtigten Anforderungen an die Unabhängigkeit des Bera-ters genügt die behördliche Beratung nicht.

Außerdem kann die Behörde eine Durchsetzungshilfe nichtim selben Umfang leisten wie ein Rechtsanwalt. Ein Behör-denmitarbeiter darf nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB X nichtzugleich als gewillkürter Vertreter eines Beteiligten auftreten.Demgegenüber kann die Tätigkeit des Rechtsanwalts dieUnterrichtung über die Rechtslage, die Empfehlung einesVerhaltens und die Hinweise auf dessen Risiken sowie dieVertretung des Rechtsuchenden als „Durchsetzungshilfe”,angefangen von der Einlegung und Begründung des Wider-spruchs über die Abgabe weiterer Erklärungen, Anrufe, Vor-sprachen bis hin zur Hilfe für die Beendigung des Wider-spruchsverfahrens umfassen. Er trägt durch den Blick „vonaußen” insbesondere zur Pluralität der Meinungsbildung undKlärung der Rechtslage bei.

Zu berücksichtigen ist auch, dass das Vorverfahren in ein Kla-geverfahren mit der beratenden Behörde als potenziellemProzessgegner münden kann. Das Widerspruchsverfahrendient nicht nur dem Zweck einer Selbstkontrolle der Verwal-tung, sondern auch dem Rechtsschutz des Betroffenen undder Entlastung der Gerichte (vgl. Leitherer in: Meyer-Lade-wig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, vor § 77 Rn. 1a;Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., 2004, § 68 Rn. 2a). MitBlick auf die mögliche gerichtliche Auseinandersetzung unddie prozessrechtlichen Grundsätze der Waffengleichheit undder gleichmäßigen Verteilung des Risikos am Verfahrensaus-gang (vgl. BVerfGE 52, 131 <144, 156>), ist es unzumutbar,der Beschwerdeführerin eine allein ihren Interessen ver-pflichtete Beratung, wie sie dem Bemittelten mit dem Anwaltzur Verfügung steht, vorzuenthalten und stattdessen derBehörde mit der Beratungstätigkeit, Einfluss auf die Art undWeise der Rechtswahrnehmung des Rechtsuchenden zugeben.

Auch wenn sich im Einzelfall ein objektiver Mehrwertanwaltlicher Beteiligung gegenüber behördlicher Beratungnicht empirisch voraussagen lässt, handelt es sich bei einerzusätzlichen und von außen kommenden Durchsetzungshil-fe im Widerspruchsverfahren grundsätzlich um eine geeigne-te Maßnahme zur Effektivitätssteigerung des Verfahrens. Die-sem Gesichtspunkt kommt wegen des existenzsicherndenCharakters der erstrebten Sozialleistung besondere Bedeu-tung zu. Im konkreten Fall geht es um die Beratung wegeneiner geminderten Leistung von Arbeitslosengeld II. Leistun-gen der Grundsicherung für Arbeitsuchende dienen derSicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. DieseSicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staa-tes, die aus dem Gebot zum Schutze der Menschenwürde inVerbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfGE 82,60 <80>). Insofern ist auf eine möglichst effektive Gestaltung

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VuR 10/2009 | 393

des Vorverfahrens, insbesondere wegen seiner grundsätzlichzeitverzögernden Wirkung und Verbindung zum Klagever-fahren, zu achten. Auch wegen der grundrechtsrelevantenBedeutung des Verfahrens ist es nicht zumutbar, derBeschwerdeführerin die Mittel zu versagen, die einem ver-nünftigen Rechtsuchenden zur effektiven Rechtswahrneh-mung zur Verfügung stünden.

Der rein fiskalische Gesichtspunkt, Kosten zu sparen, kannnach den dargestellten Gründen nicht als sachgerechterRechtfertigungsgrund angesehen werden.

Anmerkung:Von Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtsvom 14.10.2008 sowie vom 11.05.2009 setzen einen markan-ten Kontrapunkt gegen die Pläne des Bundesrates, die 1980eingeführte Beratungshilfe nachhaltig zu verschlechtern(dazu bereits Derleder VuR 2009, 163, 166). In beiden Ent-scheidungen wird deutlich herausgearbeitet, dass der Grund-satz des gleichen Zugangs zum Recht für alle nicht nur fürgerichtliche Verfahren, sondern auch für außergerichtlicheVerfahren gelten muss. Angesichts der Komplexität zahlrei-cher rechtlicher Regelungen ist es geboten, Personen mitgeringem Einkommen durch Beratungshilfe einen effektivenZugang zum Recht und damit auch möglichst weitgehendeRechtsschutzgleichheit zu ermöglichen.

In der Entscheidung zur Notwendigkeit der Beratungshilfebei steuerrechtlich gewährtem Kindergeld sind die grundle-genden Wertungen schulmäßig abgeleitet worden (ausführ-lich BVerfG NJW 2009, 209 ff.). Geringe finanzielle Möglich-keiten dürfen nicht über die Rechtsdurchsetzungschancenentscheiden, geboten ist vielmehr „Rechtsdurchsetzungs-gleichheit“ in gerichtlichen und außergerichtlichen Streitig-keiten.

Anschaulich wird dieser Grundsatz konkretisiert im Beschlussvom 11.05.2009, mit dem eine Entscheidung des AG Zwickauaufgehoben wurde, das den Schuldner im Widerspruchsver-fahren gegen einen ablehnenden SGB II-Bescheid auf dieBeratung durch die ARGE verweisen wollte. Das Gerichtmeinte sogar, dass die hohe Qualität der SGB II-Beratung all-gemein bekannt sei. Dies widerspricht allen Erfahrungen(dazu bereits die Situationsschilderung in VuR 2008, 478, dieder Wertung durch das BVerfG weitgehend entspricht).Inzwischen ist diese geringe Qualität auch durch eineumfangreiche rechtssoziologische Untersuchung bestätigtworden (Einzelheiten bei Höland/Welti/Schmidt, SGb 2008,689, 692). In den Augen der sachnahen Richterinnen undRichter der Sozialgerichtsbarkeit ist die SGB II-Praxis geprägtdurch „sachliche und rechtliche Unzulänglichkeit derBescheide im Widerspruchsverfahren“ sowie durch „man-gelnde Sorgfalt der Behörde im Verwaltungsverfahren“. DieVerfassungsbeschwerde hätte daher wegen der Verwendungevident fehlerhafter und nicht hinreichend kommunizierterErfahrungssätze wahrscheinlich auch auf Art. 103 GGgestützt werden können.

Für das Verbraucherrecht ist von besonderem Interesse, dassdas BVerfG bei dem Zugang zu existenzsichernden Leistun-gen vor allem die Notwendigkeit schnellen und kompetentenRechtsschutzes betont hat. Diese Problematik stellt sich seiteinigen Jahren vor allem im Recht der Verbraucherinsolvenz,weil hier ebenfalls eine zügige Existenzsicherung geboten ist.

Die 2001 eingeführte Verfahrenskostenstundung ist inzwi-schen in der Judikatur des BGH zu einem Instrument zügigenZugangs zum Recht ausgestaltet worden, das mit einem effek-tiven summarischen Verfahren arbeitet (dazu nur BGH VuR2007, 34 m. Anm. Kohte). Zutreffend hat der BGH auch dieNotwendigkeit einer Ergänzung der Verfahrenskostenstun-dung durch vorherige Beratungshilfe bekräftigt (BGH VuR2007, 273 m. Anm. Kohte). Nach diesen beiden Entscheidun-gen dürften die verfassungsrechtlichen Hindernisse, die einerersatzlosen Abschaffung der Verfahrenskostenstundung ent-gegenstehen, noch deutlicher erkennbar sein.

Die vom BVerfG sehr deutlich betonte Notwendigkeit schnel-len Rechtsschutzes in Streitigkeiten zur Existenzsicherungwird in der sozialgerichtlichen Judikatur der letzten Jahrezunehmend beachtet (Lode, SGb 2009, 211; KSW/Kohte, SGBII § 19 Rz. 9). Sie bedarf aber auch einer diese Problematikbeachtenden Judikatur der Amtsgerichte zu § 1 BerHG; regel-mäßig wird von Fällen berichtet, in denen Schuldner, dieBeratungshilfe beantragen, auf die Beratung durch Schuld-nerberatungsstellen verwiesen werden, auch wenn diese län-gere Wartelisten haben (dazu AG Schwerte VuR 2005, 31 m.Anm. Kohte/Busch; FK-InsO/Kohte, vor § 304 Rz. 10). DieseGerichtspraxis bedarf der Korrektur; erforderlich ist es hierallerdings auch, dass anwaltlich formulierte Anträge substan-zielle Aussagen zur Wartezeit bei den Schuldnerberatungs-stellen enthalten, damit den Gerichten die Problemlage deut-lich vor Augen geführt wird. Einige Entscheidungen der letz-ten Zeit dokumentieren, dass hinreichend substantiierte undverfassungsrechtlich untermauerte Anträge auf Beratungshil-fe eine hinreichende Erfolgsaussicht haben (AG Bochum VuR2009, 78; AG Köthen VuR 2009, 280).

Ausschluss steuerrechtlicher Angelegenheiten ausdem Anwendungsbereich der Beratungshilfe mit Art 3Abs. 1 GG unvereinbar – Anspruch auf Rechtsschutz-gleichheit im prozessualen Bereich gilt entsprechendfür den außergerichtlichen Bereich

1. Es ist mit Art 3 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach § 2 Abs. 2BerHG das Steuerrecht nicht zu den beratungshilfefähigenAngelegenheiten zählt.

2. Zum Grundsatz der Rechtswahrnehmungsgleichheit imaußergerichtlichen Bereich.(Leitsätze des Gerichts)

BVerfG, Beschl. v. 14.10.2008, Az.: 1 BvR 2310/06

(ID 44200)

bearbeitet von Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

Gründe (zusammengefasst):

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Bera-tungshilfe in Angelegenheiten des Kindergeldes nach demEinkommensteuergesetz.

Beratungshilfe wird nicht in sämtlichen Rechtsangelegenhei-ten gewährt, sondern nur hinsichtlich der in § 2 Abs. 2BerHG aufgeführten Sachgebiete. Ob eine Angelegenheit zueinem der in § 2 Abs. 2 BerHG aufgezählten Rechtsgebietegehört, wird nach mittlerweile einhelliger Auffassung in reinformaler Sichtweise danach bestimmt, welcher Rechtsweg indieser Angelegenheit eröffnet ist (vgl. Kalthoener/Büttner/

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394 | VuR 10/2009

Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl.2005, Rn. 961; Schoreit, in: ders./Groß, Beratungshilfe – Pro-zesskostenhilfe, 9. Aufl. 2008, § 2 BerHG Rn. 5 ff., 20 und38 f., jeweils m. w. N.). Infolgedessen wird in Angelegenhei-ten des steuerrechtlichen Kindergeldes generell keine Bera-tungshilfe gewährt, da hier im Streitfall der Rechtsweg zu denFinanzgerichten eröffnet ist. Wird Kindergeld hingegen nachden Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes geleistet,sind für Streitigkeiten hierüber die Sozialgerichte zuständigmit der Folge, dass Beratungshilfe nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4BerHG grundsätzlich zur Verfügung steht (s. u. B I 2 b).

Die Beschwerdeführerin begehrte wegen eines Bescheides derFamilienkasse Berlin Süd über die Erstattung zu viel gezahltenKindergeldes Beratungshilfe. Ihren hierauf gerichtetenAntrag wies die Rechtspflegerin beim Amtsgericht zurück.Kindergeldangelegenheiten seien der Finanzgerichtsbarkeitzuzuordnen und begründeten deshalb nach § 2 BerHG kei-nen Anspruch auf Beratungshilfe. Der Erinnerung derBeschwerdeführerin half die Rechtspflegerin nicht ab.

Mit dem angegriffenen Beschluss wies das Amtsgericht durchden Richter die Erinnerung der Beschwerdeführerin zurück.Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 BerHG werde Beratungs-hilfe ausschließlich in den im Gesetz genannten Angelegen-heiten gewährt. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 BerHG sei inso-fern eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Im vor-liegenden Fall handele es sich um eine nicht im Katalog des§ 2 Abs. 2 BerHG enthaltene Angelegenheit der Finanzge-richtsbarkeit, weil es um Kindergeld gehe und die zuständigeFamilienkasse dem Finanzamt zuzuordnen sei.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerindie Verletzung ihres Rechts auf Gleichbehandlung gemäß Art.3 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Deraus § 2 Abs. 2 BerHG folgende Ausschluss steuerrechtlicherAngelegenheiten aus dem Anwendungsbereich der Beratungs-hilfe ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar.Die in der angegriffenen Entscheidung darauf gestützte Versa-gung von Beratungshilfe verletzt die Beschwerdeführerin inihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Das Beratungshilfegesetz sichert den Anspruch des Bürgersauf grundsätzlich gleiche Chancen von Bemittelten undUnbemittelten bei der Wahrnehmung und Verfolgung ihrerRechte auch im außergerichtlichen Bereich.

Das Bundesverfassungsgericht hat schon sehr früh aus demSozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und dem allgemeinenGleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) die Forderung nach einer„weitgehenden Angleichung der Situation von Bemitteltenund Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes” abgeleitet(vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 10, 264 <270 f.>; 22, 83 <86>;51, 295 <302>; 56, 139 <143>; 63, 380 <394 f.>). Diese For-derung hat es später unter ausdrücklicher Berufung auch aufden Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) mit der Erwä-gung begründet, die Verweisung der Beteiligten zur Durch-setzung ihrer Rechte vor die Gerichte bedinge zugleich, dassder Staat Gerichte einrichte und den Zugang zu ihnen jeder-mann in grundsätzlich gleicher Weise eröffne (vgl. BVerfGE81, 347 <356> sowie Bezug nehmend auf beide PrinzipienBVerfGE 35, 348 <355>; 78, 104 <117 f.>).

Danach darf Unbemittelten die Rechtsverfolgung und -ver-teidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismä-ßig erschwert werden (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 22, 83<86>; 63, 380 <394 f.>). Der Unbemittelte muss grundsätzlich

ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kön-nen wie ein Begüterter (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 63, 380<395>). Er muss einem solchen Bemittelten gleichgestelltwerden, der seine Aussichten vernünftig abwägt und dabeiauch sein Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. BVerfGE 51, 295<302>; 81, 347 <357>).

Das Bundesverfassungsgericht hat diesen verfassungsrecht-lichen Maßstab der Rechtsschutzgleichheit bisher allein beider Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes angewendetund hieran insbesondere die fachgerichtliche Prüfung derErfolgsaussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung oderRechtsverteidigung als Voraussetzung für die Bewilligung vonProzesskostenhilfe gemessen (vgl. nur BVerfGE 81, 347 <356ff.> sowie aus der Kammerrechtsprechung BVerfG, 2 . Kam-mer des Ersten Senats, Beschluss vom 19. Februar 2008 –1 BvR 1807/07 –, NJW 2008, S. 1060 <1061 ff.> ). Die Frage,ob aus den Verfassungsprinzipien, die den Grundsatz derRechtsschutzgleichheit tragen, eine Pflicht zur Angleichungder Stellung Unbemittelter an die Bemittelter auch für denaußergerichtlichen Rechtsschutz hergeleitet werden kann,hat das Bundesverfassungsgericht hingegen bisher ausdrück-lich offengelassen (vgl. BVerfGE 88, 5 <16> sowie BVerfG, 3.Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 12. Juni 2007 – 1BvR 1014/07 –, NJW-RR 2007, S. 1369).

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbin-dung mit dem Sozialstaats- und dem Rechtsstaatsprinzip(Art. 20 Abs. 1, 3 GG) verlangt, dass der Gesetzgeber auch imaußergerichtlichen Bereich die erforderlichen Vorkehrungentrifft, damit der Rechtsuchende mit der Wahrnehmung undDurchsetzung seiner Rechte nicht von vornherein an man-gelnden Einkünften oder ungenügendem Vermögen schei-tert. Die Erwägung, die die Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts zum Anspruch auf Rechtsschutzgleichheitim prozessualen Bereich trägt, dass der gleiche Rechtszugangjedermann unabhängig von seinen Einkunfts- und Vermö-gensverhältnissen möglich sein muss, gilt entsprechend fürden außergerichtlichen Bereich. Weder der allgemeineGleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG noch das Sozialstaat-sprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG oder das Rechtsstaatsprinzipgemäß Art. 20 Abs. 3 GG sind in ihrer Geltung auf gerichtli-che Verfahren beschränkt. Diese im gerichtlichen Verfahrenauf Rechtsschutzgleichheit gerichteten Verfassungsgrundsät-ze gewährleisten dem Bürger im außergerichtlichen BereichRechtswahrnehmungsgleichheit.

Angesichts der rechtlichen Durchdringung nahezu allerLebensbereiche und der häufig hohen Komplexität undwechselseitigen Verknüpfung der einschlägigen Regelungen,ist der Bürger vielfach auf fachkundigen Rechtsrat angewie-sen, um seine Rechte erkennen, bewerten und darüber ent-scheiden zu können, ob und mit welchen Erfolgsaussichtener – gegebenenfalls auch gerichtlich – durchsetzen kann.Kann er diesen Rechtsrat mangels Einkünften oder Vermögennicht bereits im außerprozessualen Bereich in einer demBegüterten annähernd vergleichbaren Weise erlangen, wirder ihm gegenüber schon hier ins Hintertreffen geraten undden gerichtlichen Rechtsschutz mit seinen Möglichkeiten derProzesskostenhilfe nicht oder – etwa wegen versäumter Fris-ten, präkludierter Einwendungen oder fehlender Vorverfah-ren – mit dort womöglich nur schwer auszugleichendenRechtsnachteilen erreichen.

Allerdings ist der Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeberbei Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur

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VuR 10/2009 | 395

Gewährleistung der Rechtswahrnehmungsgleichheit zu-kommt, schon deshalb groß, weil die Rechtswahrung imaußergerichtlichen Bereich weit weniger strukturiert und for-malisiert erfolgt als im gerichtlichen Verfahren. Insgesamtmuss jedoch gewährleistet sein, dass auch nicht ausreichendBemittelten fachkundiger Rechtsrat zugänglich ist, wenn des-sen Inanspruchnahme zur außergerichtlichen Rechtswahr-nehmung auch unter vernünftiger Berücksichtigung derdamit verbundenen Kosten geboten erscheint.

Mit dem Beratungshilfegesetz vom 18. Juni 1980 hat derGesetzgeber diesen verfassungsrechtlichen Anforderungenzur Gewährleistung der Rechtswahrnehmungsgleichheit imGrundsatz Genüge getan. Es dient erklärtermaßen dem Zielsicherzustellen, dass Bürger mit geringem Einkommen undVermögen nicht durch ihre finanzielle Lage daran gehindertwerden, sich außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens sach-kundigen Rechtsrat zu verschaffen (Gesetzentwurf derBundesregierung BT-Drucks 8/3311, S. 1). Die prinzipielle Eig-nung des Beratungshilfegesetzes, dieses Ziel zu erreichen,steht außer Frage.

Bei der Ausgestaltung der Rechtswahrnehmungsgleichheithat der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderun-gen zu genügen. Er hat dabei insbesondere auch den allge-meinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beachten. Hier-mit ist die Regelung des § 2 Abs. 2 BerHG nicht vereinbar,wonach Beratungshilfe nur in den dort ausdrücklich nachRechtsgebieten aufgezählten Angelegenheiten gewährt wird.

Der Katalog der beratungshilfefähigen Angelegenheiten in§ 2 Abs. 2 BerHG in seiner gegenwärtigen Fassung ist nichtAusdruck einer verfassungsrechtlich zulässigen gesetzgeberi-schen Typisierung und Pauschalierung. Denn auch Typisie-rungen und Pauschalierungen des Gesetzgebers müssen –ungeachtet der mit ihnen grundsätzlich legitimiertenUngleichbehandlung von Massenvorgängen innerhalb desTypisierungs- und Pauschalierungsrahmens – das vomGesetzgeber verfolgte Regelungskonzept folgerichtig umset-zen. Dies ist bei § 2 Abs. 2 BerHG mit der Ausklammerungsteuerrechtlicher Angelegenheiten aus der Beratungshilfenicht geschehen. Zwar hat der Gesetzgeber die Begrenzungdes sachlichen Anwendungsbereichs des Beratungshilfegeset-zes zunächst auf einen mit Modellversuchen ermittelten sehrgeringen Beratungsbedarf in Angelegenheiten des Arbeits-rechts, des Sozialrechts und des Steuerrechts gestützt. Er hatso eine Konzentration der öffentlichen Mittel auf solcheBereiche beabsichtigt, in denen das Bedürfnis nach kosten-günstigem Rechtsrat besonders deutlich hervorgetreten war(vgl. BTDrucks 8/3311, S. 11 f.). Dieses Konzept der Nichtbe-rücksichtigung von Sachgebieten mit nur geringem Bera-tungsbedarf hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ände-rung des Beratungshilfegesetzes und anderer Gesetze vom14. September 1994 (BGBl I S. 2323) insofern aufgegeben, alser den Anwendungsbereich der Beratungshilfe auf einen Teilder Sachgebiete mit einem nach seiner Einschätzung regel-mäßig geringen außergerichtlichen Beratungsbedarf erstreckthat, nämlich auf das Sozialrecht. Jedenfalls danach ist dieAusklammerung des Steuerrechts aus dem Katalog der bera-tungshilfefähigen Angelegenheiten unter dem Gesichtspunktder pauschalen und typisierenden Erfassung geringfügigberatungsintensiver Sachgebiete verfassungsrechtlich nichtmehr zu rechtfertigen.

Die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 2 BerHG führt nicht zudessen Nichtigkeit. Da dem Gesetzgeber verschiedene Mög-

lichkeiten zur Verfügung stehen, den festgestellten Gleich-heitsverstoß zu beseitigen, kann lediglich die Unvereinbar-keit der gegenwärtigen Regelung mit dem Grundgesetz fest-gestellt werden (vgl. BVerfGE 117, 163 <199> m. w. N.; Urteildes Ersten Senats vom 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 u. a.,NJW 2008, S. 2409 <2419>).

Für die Übergangszeit bis zu einer verfassungsgemäßen Neu-regelung der Beratungshilfe durch den Gesetzgeber, ist Bera-tungshilfe grundsätzlich auch in Angelegenheiten des Steuer-rechts zu gewähren, sofern hierfür die allgemeinen gesetz-lichen Voraussetzungen, insbesondere die individuellenBewilligungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 BerHG, vorlie-gen. Diese Übergangsregelung soll gewährleisten, dassbedürftige Rechtsuchende in der Zeit bis zu der erforder-lichen Neuregelung der Beratungshilfe in steuerrechtlichenAngelegenheiten keiner Rechte, für deren effektive Wahrneh-mung sie auf kostengünstigen Rechtsrat angewiesen sind,beispielsweise wegen ablaufender Fristen, verlustig gehen. Sieträgt außerdem dem Umstand Rechnung, dass im Falle derBeibehaltung des gegenwärtigen Systems der Beratungshilfeim Ergebnis lediglich die Erstreckung ihres Anwendungsbe-reichs auf Angelegenheiten des Steuerrechts in Betrachtkommt.

Insolvenzverfahren: Stundung der Verfahrenskostenfür Eröffnungs- und Hauptverfahren

Die Verfahrenskosten sind auch dann zu stunden, wenn derSchuldner sie im Wege von Ratenzahlungen aufbringenkönnte. Eine Stundung scheidet nur dann aus, wenn derSchuldner die Kosten des jeweiligen Verfahrenabschnitts imRahmen einer Einmalzahlung aus dem Einkommen oder Ver-mögen aufbringen kann (im Anschluss an BGH VuR 2006,405).(Leitsatz des Bearbeiters)

LG Bochum, Beschl. v. 02.01.2009, Az.: 7 T 420/08

(ID 44207)

bearbeitet von Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

Gründe (zusammengefasst):

Unter dem 15.09.2008 stellte der Schuldner den Antrag aufEröffnung des Insolvenzverfahrens sowie den Antrag aufRestschuldbefreiung. Er beantragte ferner die Verfahrenskos-tenstundung. Das Insolvenzgericht hat den Antrag auf Bewil-ligung der Stundung der Verfahrenskosten für das Eröff-nungsverfahren und das Hauptverfahren zurückgewiesen,denn der Schuldner werde in der voraussichtlichen Verfah-rensdauer von 12 Monaten ein pfändbares Einkommen inHöhe von 7.344 EUR erzielen, während nur Verfahrenskostenin Höhe von ca. 3.500 EUR entstünden.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist hinsichtlich derStundung der Kosten für das Eröffnungsverfahren unbegrün-det und hinsichtlich der Stundung der Kosten für das Haupt-verfahren begründet.

Nach § 4a Abs. 1 InsO sind dem Schuldner die Verfahrens-kosten für das Eröffnungs- und Hauptverfahren zu stunden,soweit sein Vermögen voraussichtlich nicht ausreichen wird,um diese Kosten zu decken. Gemäß § 4a Abs. 3 Satz 2 InsO istüber die Stundung für jeden Abschnitt besonders zu ent-scheiden. Der einzige Vermögenswert, über den vorliegend

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der Schuldner verfügt, ist sein laufendes Arbeitseinkommen.Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs (VuR 2006, 405; NJW 2003, 3780) sind die Verfah-renskosten selbst dann zu stunden, wenn der Schuldnerunter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer desBewilligungszeitraums die in dem jeweiligen Verfahrensab-schnitt anfallenden Kosten im Wege von Ratenzahlungen,nicht aber in einer Einmalzahlung aus dem Einkommen oderVermögen aufbringen kann.

Der Wortlaut des § 4a InsO knüpft allein an das „Vermögen”des Schuldners im Sinne der §§ 35 bis 37 InsO an und unter-scheidet – anders als die Vorschriften über die Prozesskosten-hilfe – nicht zwischen Einmalzahlungen und Ratenzahlun-gen. Reicht das erzielte pfändbare Arbeitseinkommen nichtaus, um die Kosten durch Einmalzahlung zu decken, brauchtdas Insolvenzgericht in dem Antragsverfahren nach § 4a InsOnicht zu prüfen, wie sich der pfändbare Teil des Arbeitsein-kommens des Schuldners voraussichtlich entwickeln undwelcher Betrag bei der zu schätzenden Dauer des jeweiligenVerfahrensabschnitts in die Masse fließen wird, um die Ver-fahrenskosten zu decken. Eine solche, oftmals kompliziertePrüfung, die zudem schon im Ansatz mit Unsicherheiten tat-sächlicher Art behaftet ist, würde das Verfahren verzögern,Rechtsmittel im Eröffnungsverfahren herausfordern und demAnliegen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, mittellosen Perso-nen den Zugang zu dem Verfahren unter zumutbaren Bedin-gungen zu eröffnen. Die entgegenstehende frühere Recht-sprechung des Landgerichts Bochum (u. a. Beschlüsse v.26.9.2007, Az. 10 T 38/07, und 13.3.2008, Az. 10 T 96/07)wird von der nunmehr für Insolvenzsachen zuständige Kam-mer nicht fortgeführt.

Entsprechend ist der vom Schuldner im Wege der Einmal-zahlung durch das erzielte pfändbare Arbeitseinkommen zuleistende Betrag zu bestimmen. Maßgebend ist hierbei gemäߧ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850e ZPO das Nettoeinkommen.Nach der von dem Schuldner vorgelegten Entgeltabrechnungfür Oktober 2008 beträgt dieses 1.868,98 EUR. Bei einerUnterhaltspflicht für eine Person ergibt sich gemäß § 36Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 850c ZPO und derTabelle zu § 850c ZPO ein Pfändungsbetrag in Höhe von252,05 EUR. Damit ist ein Vermögen in Höhe von 252,05EUR zugrunde zu legen. Hiervon lassen sich nur die Kostendes Eröffnungsverfahrens, nicht aber die des Hauptverfah-rens bestreiten:

Für die Durchführung des Eröffnungsverfahrens fallen gemäßNr. 2310 KV GKG 0,5 Gebühren an. Gemäß § 58 Abs. 1 GKGrichtet sich der Streitwert nach dem Wert der Insolvenzmas-se zur Zeit der Beendigung des Verfahrens. Letzterer kannnaturgemäß zum jetzigen Zeitpunkt nur geschätzt werden.Die Kammer nimmt eine voraussichtliche Verfahrensdauervon 12 Monaten an. Bei einem Pfändungsbetrag in Höhe von252,05 EUR monatlich, ergibt sich eine voraussichtlicheInsolvenzmasse in Höhe von 3.024,60 EUR. Nach diesemStreitwert fallen 48,50 EUR Gebühren an. Hinzu kommennoch Auslagen gemäß Nr. 9000 ff. KV GKG für die Veröffent-lichung des Eröffnungsbeschlusses. Insoweit sind die Kostender Internetveröffentlichung zugrunde zu legen. GemäßNr. 9004 Ziffer 1 KV GKG entfällt auf eine Veröffentlichungim Internet eine pauschale Gebühr von 1 EUR, sodass mitKosten für das Eröffnungsverfahren von insgesamt 49,50 EURzu rechnen ist. Diese können durch das einmalige pfändbareEinkommen des Schuldners abgedeckt werden.

Für die Durchführung des vereinfachten Insolvenzverfahrensfallen gemäß Nr. 2320 KV GKG 2,5 Gebühren zum Streitwertvon 3.024,60 EUR, mithin 242,50 EUR an. Hinzu kommennoch Auslagen gemäß Nr. 9000 ff. KV GKG für die Veröffent-lichung des Beschlusses über die Aufhebung des Insolvenz-verfahrens nach § 200 Abs. 2 InsO in Höhe von 1 EUR, sodassdie Gerichtskosten auf 243,50 EUR zu schätzen sind. Des Wei-teren ist die Vergütung des Treuhänders in dem vereinfachtenInsolvenzverfahrens hinzuzuzählen. Gemäß § 13 Abs. 1, § 1Abs. 1 Nr. 1 InsVV erhält der Treuhänder zunächst 15 % derInsolvenzmasse. Eine Insolvenzmasse besteht – wie gezeigt –in Höhe von 3.024,60 EUR, sodass sich ein Vergütungsan-spruch von 453,69 EUR ergibt. Bei 24 Gläubigern ist die Ver-gütung sodann nach § 13 Abs. 1 InsVV um 500 EUR zu erhö-hen. Ferner ist von Auslagen gemäß § 8 Abs. 3 InsVV in Höhevon 15 % von 453,69 EUR, mithin von 68,05 EUR auszuge-hen. Daraus ergibt sich ein Nettobetrag in Höhe von1.021,74 EUR, zuzüglich Umsatzsteuer ergibt sich einegeschätzte Treuhändervergütung in Höhe von 1.215,87 EUR.Insgesamt sind somit die Kosten für das Hauptverfahren aufinsgesamt 243,50 EUR + 1.215,87 EUR = 1.459,37 EUR zuschätzen. Von dem zugrunde zulegenden Vermögen in Höhevon insgesamt 252,05 EUR verbleiben nach Abzug der vor-aussichtlichen Kosten für das Eröffnungsverfahren in Höhevon 49,50 EUR nur noch 202,55 EUR. Damit können die Kos-ten für das Hauptverfahren nicht bestritten werden, sodassdem Schuldner diese Kosten zu stunden sind.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt in demvorliegenden gegnerlosen Verfahren nicht in Betracht. Da dieBeschwerde im Wesentlichen Erfolg hat, bestimmt die Kam-mer gemäß Nr. 2121 KV GKG, dass die Gerichtsgebühr für dasBeschwerdeverfahren nicht zu erheben ist.

Praxistipp:

Der Beschluss des LG Bochum dokumentiert anschaulich,wie sich schrittweise die zutreffende Judikatur des BGH zu § 4a InsO durchsetzt. In Abkehr von den zeitweise vertretenenAnspar- und Rücklagemodellen (dazu auch BGH VuR 2007,34 m. Anm. Kohte) wird für die Verfahrenskostenstundungausschließlich verlangt, dass die erforderlichen Kosten fürden jeweiligen Verfahrensabschnitt aus dem aktuell vorhan-denen Vermögen aufgebracht werden können. Eine Verwei-sung auf künftiges Arbeitseinkommen findet nicht statt.Damit kann zügig und ohne aufwendige Ermittlungen überdie Verfahrenskostenstundung entschieden werden. Genaudieser schnelle Zugang zum Recht ist auch eine der zentralenFunktionen der Verfahrenskostenstundung (BGH VuR 2005,269, 270 m. Anm. Kohte).

Der Beschluss zeigt weiter, dass der allgemeine Grundsatz, dassdie Stundung gesondert für jeden Verfahrensabschnitt zubestimmen und zu beschließen ist (§ 4 a Abs. 3 S. 2 InsO), zudifferenzierten Ergebnissen führen kann. Das relativ kostenar-me Eröffnungsverfahren kann möglicherweise noch aus vor-handenem Vermögen bestritten werden, während eine Verfah-renskostenstundung für das deutlich kostenintensivere eröff-nete Verfahren seltener in Betracht kommt. Für die genaueBeratung ist es erforderlich, die jeweiligen Kosten differenziertzu prognostizieren (zu den Kostenregelungen ausführlich FK-InsO/Kohte § 310 Rz. 8 ff.). Der Beschluss des LG Bochum führtdie einzelnen Positionen schulmäßig auf, so dass er als eine ArtCheckliste für die praktische Beratung, aber auch für die Ent-scheidungspraxis der Insolvenzgerichte gut geeignet ist.

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VuR 10/2009 | 397

Restschuldbefreiung nach 6 Jahren, wenn dasInsolvenzverfahren noch nicht aufgehoben ist?

Die sechsjährige Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 In-sO ist als abschließende Laufzeit der Abtretungserklärungausgestaltet. Mit dem Ablauf dieser Frist soll der Insolvenzbe-schlag des Neuerwerbs auch dann beendet werden, wenn dasInsolvenzverfahren noch andauert. Der Insolvenzbeschlagdes Neuerwerbs endet allerdings nicht automatisch mit demAblauf der 6-Jahresfrist, sondern bedarf einer Entscheidungdes Insolvenzgerichts über die Erteilung der Restschuldbe-freiung, das vorher die Gläubiger nach § 290 InsO zu hörenhat. Mit der rechtskräftig erteilten Restschuldbefreiung wirddann auch der Insolvenzbeschlag des Neuerwerbs beendet.

LG Dresden, Urt. v. 11.06.2008, Az.: 5 T 507/08

Wenn die 6-Jahresfrist der Abtretungserklärung nach § 287Abs. 2 InsO verstrichen ist, ohne dass über den Antrag aufRestschuldbefreiung entschieden worden ist, hat das Insol-venzgericht unverzüglich gemäß § 300 InsO eine Entschei-dung über diesen Antrag zu treffen. Eine Ankündigung derRestschuldbefreiung ist in diesem Fall entbehrlich; ebenso istder Schlusstermin des Insolvenzverfahrens nicht abzuwarten.Die Beteiligten sind jedoch zum Antrag auf Erteilung der Rest-schuldbefreiung anzuhören; anstelle der §§ 296 – 298 InsOtritt allerdings die Versagungsmöglichkeit des § 290 InsO (FK-InsO/Ahrens § 300 Rz. 5 a). Auf die nach Rechtskraft des Be-schlusses gemäß § 300 InsO entstehenden pfändbaren Bezü-ge des Schuldners darf der Insolvenzverwalter nicht mehr zu-rückgreifen, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nichtbeendet ist.

LG Hannover, Urt. v. 12.12.2008, Az.: 20 T 153/08

Das Insolvenzverfahren ist strikt von dem Restschuldbefrei-ungsverfahren zu trennen. Daher ist eine Entscheidung überden Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung unverzüg-lich nach Ablauf der Laufzeit von 6 Jahren der Abtretungser-klärung zu treffen. Eine Vertagung der Entscheidung bis zurVerfahrensaufhebung ist nicht zulässig.

AG Hannover, Beschl. v. 18.03.2009, Az.: 907 IN 442/02

(ID 44201)

bearbeitet von Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

Tenor:

In dem Restschuldbefreiungsverfahren des … wird demSchuldner gemäß § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt. DieLaufzeit der Abtretungserklärung endete mit Ablauf derWohlverhaltensperiode am 01.07.2008. Die Beschränkungder Rechte der Gläubiger endet mit Rechtskraft dieser Ent-scheidung.

Gründe (zusammengefasst):

Die Laufzeit der Abtretungserklärung endete mit dem01.07.2008. Das Insolvenzverfahren konnte bisher nochnicht aufgehoben werden, da das Vermögen des Schuldnersnoch nicht vollständig verwertet werden konnte. Mit Schrei-ben vom 21.07.2008 beantragte der Schuldner die Erteilungder Restschuldbefreiung, da die vorgeschriebene Laufzeit derAbtretungserklärung von 6 Jahren ab Eröffnung des Verfah-rens abgelaufen ist.

Da das Insolvenzverfahren strikt von dem Restschuldbefrei-ungsverfahren zu trennen ist, ist eine Entscheidung über denAntrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf derLaufzeit der Abtretungserklärung zu treffen. Ein Hinauszö-gern der Entscheidung bis zur Verfahrensaufhebung ist nichtzulässig.

Zu der Erteilung der Restschuldbefreiung wurden die beteilig-ten Insolvenzgläubiger, der Insolvenzverwalter und derSchuldner gehört. Anträge auf Versagung der Restschuldbe-freiung wurden nicht gestellt. Dem Schuldner ist daher dieRestschuldbefreiung zu erteilen. Es wird klarstellend daraufhingewiesen, dass die erteilte Restschuldbefreiung nur dieje-nigen Insolvenzgläubiger betrifft, die im Zeitpunkt der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen desSchuldners am 01.07.2002 Insolvenzgläubiger im Sinne des§ 38 InsO waren, diese aber auch dann, wenn sie nicht amInsolvenzverfahren teilgenommen haben.

Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind die in § 302InsO aufgeführten Forderungen. Die Entscheidung ergehtunabhängig von dem noch laufenden Insolvenzverfahren.Mit Rechtskraft dieser Entscheidung entfällt der Insolvenzbe-schlag am neu erworbenen Vermögen des Schuldners.

Das Insolvenzverfahren kann derzeit nicht aufgehoben wer-den, da die Verwertung des Schuldnervermögens noch nichtabgeschlossen ist. Ursächlich für die Verzögerung der Verwer-tung ist nicht das Schuldnerverhalten, sondern die Verun-treuung durch den früheren Insolvenzverwalter. Deshalb isthier für den Einzelfall zu entscheiden, dass die rechtskräftigerteilte Restschuldbefreiung zum Entfall des Insolvenzbe-schlags des weiteren Neuerwerbs führt. Die Aufhebung desVerfahrens kann erst nach der vom Verwalter vorzunehmen-den Schlussverteilung erfolgen.

Praxistipp:

Seit Ende 2007 ist die Konstellation möglich, dass die Laufzeitder Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO abgelaufen,das Insolvenzverfahren jedoch noch nicht aufgehoben ist.Dies widerspricht der Konzeption des Gesetzgebers, der dieseSituation nicht einkalkuliert hat.

In der gerichtlichen Praxis setzt sich inzwischen, wie die vor-liegenden Entscheidungen zeigen, die Position durch, dassdie 6-Jahresfrist als Obergrenze ausgestaltet ist und dass demSchuldner nach dieser Zeit auf jeden Fall die Möglichkeit derErteilung der Restschuldbefreiung eröffnet werden muss,solange die Gläubiger keine Versagungsgründe darlegen undglaubhaft machen.

Das Gericht ist daher gehalten, unverzüglich nach Ablauf der6-Jahresfrist über den bereits am Anfang gestellten Antrag aufErteilung der Restschuldbefreiung zu entscheiden. Dazu sinddie Gläubiger anzuhören; dies kann im Verbraucherinsol-venzverfahren im schriftlichen Verfahren erfolgen (§ 312InsO). Eine automatische Beendigung des Insolvenzbeschlagswird überwiegend abgelehnt (dazu FK-InsO/Ahrens § 300Rz. 5 a), sodass Schuldnern und ihren Beraterinnen und Bera-tern zu raten ist, rechtzeitig das Gericht aufzufordern, direktnach Ablauf der 6-Jahresfrist nach Anhörung der Gläubiger,über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden. Nurmit einer solchen Entscheidung kann nach der überwiegen-den Ansicht der Insolvenzbeschlag am Neuerwerb beendetwerden. Ebenso ist es Sache der Insolvenzgerichte, auf einen

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398 | VuR 10/2009

R E C H T S P R E C H U N G | Mult imediarecht

rechtzeitigen Schlussbericht der Insolvenzverwalter hinzu-wirken, sodass die in den vorliegenden Verfahren eingetrete-ne Situation einer Überschreitung der 6-Jahresfrist vermiedenwerden sollte.

M U LT I M E D I A R E C H T

Einwand unzulässiger Rechtsausübung bei niedrigemHöchstgebot

Dem Schadensersatzanspruch eines Käufers, der bei einervom Verkäufer nach wenigen Minuten abgebrochenen Inter-netauktion einen hochwertigen Porsche für 5,50 Euro erstei-gert, das Fahrzeug dann jedoch nicht erhält, kann der Ein-wand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenstehen.Wesentlich ist jedoch, dass der Bieter nicht der Willkür desAnbieters ausgesetzt werden darf und dass bei Durchführungder Auktion – nicht nur hypothetisch – ein Erlös erzielt wor-den wäre, der das Höchstgebot im Beendigungszeitpunktund auch das Maximalgebot des Höchstbietenden bei Wei-tem überschritten hätte.(Leitsatz des Bearbeiters)

OLG Koblenz, Beschl. v. 03.06.2009, Az.: 5 U 429/09

(ID 44202)

bearbeitet von Dr. Stephan Ott, Bayreuth

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Beklagte bot auf der Handelsplattform eBay einen Porsche911/997 Carrera 2S Coupe mit Zubehör zum Verkauf an. Das Min-destgebot war auf einen Euro festgesetzt. Der Marktwert des Fahr-zeugs lag nach Aussage des Klägers bei über 75.000 Euro. Ca. 8 Mi-nuten nach dem Beginn der Auktion beendete der Beklagte diesewieder durch das Ausfüllen und Absenden des von EBay für dasvorzeitige Beenden von Angeboten zur Verfügung gestellte For-mular. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit seinem Gebot von5,50 Euro Höchstbietender. Sein Maximalgebot lag bei 1.100 Eu-ro.

§ 10 Nr. 1 der AGB von eBay lautet auszugsweise: „… Bei Ablaufder Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durchden Anbieter kommt zwischen dem Anbieter und Höchstbieten-dem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es seidenn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebotzurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. …“

Der Kläger forderte den Beklagten unter Angebot der Überwei-sung des Gebotsbetrages dazu auf, ihm mitzuteilen, wann und woer das Fahrzeug abholen könne. Der Kläger verwies darauf, dasskein Kaufvertrag zustande gekommen sei und erklärte vorsorglichdessen Anfechtung.

Die Vorinstanz, das LG Koblenz (siehe VuR 2009, 277), hat ange-nommen, dass der Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Einwandunzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegensteht.

Gründe (zusammengefasst):

Das OLG Koblenz hat in einem Hinweisbeschluss die Gründedargelegt, aus denen es beabsichtigt, die Berufung zurückzu-weisen.

In Übereinstimmung mit dem LG Koblenz geht es davon aus,dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Kaufvertragzustande gekommen ist und der Beklagte dem Kläger demGrunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist. Der Auffas-sung des Beklagten, ein Vertragsschluss erfolge nur, wenn

auch die ursprünglich vorgesehene Bietezeit, hier von 10Tagen, abgelaufen ist, erteilt es eine Absage: In diesem Fallwäre der Bieter gerade der Willkür des Anbieters, der die Auk-tion dann jederzeit vor Ablauf der Bietezeit ohne nachteiligeRechtsfolge abbrechen könnte, ausgeliefert.

Ein Anfechtungsgrund ist nicht substantiiert dargetan.

Das Bestehen auf der Durchführung des Vertrages und diedaraus folgende Geltendmachung eines Schadensersatzan-spruches ist jedoch im konkreten Einzelfall rechtsmiss-bräuchlich i.S.d. § 242 BGB. Grundsätzlich kommt dieAnnahme einer unangemessenen Benachteiligung des Anbie-ters und Verkäufers nur in krassen Ausnahmefällen inBetracht. Wurde die Auktion vorzeitig abgebrochen, ist vonbesonderem Gewicht, ob sich die wesentliche Begründung,um den Anbieter an seinem Angebot festzuhalten, den Bieternicht seiner Willkür auszusetzen, sich im konkreten Einzelfallrealisiert. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Unabhängigdavon nach wie vielen Minuten der Beklagte die Auktionabgebrochen hat, handelte es sich jedenfalls um einen kurzenZeitraum. Es liegt deshalb fern, dass der Beklagte sich geradedem Gebot des Klägers entziehen wollte. Eine willkürlicheVorgehensweise des Beklagten bei einem gleichzeitig beson-deren Schutzbedürfnis des Klägers ist deshalb nicht zu erken-nen. Dem Beklagten war ein Abbruch der Auktion auch nichtmöglich, noch bevor ein Angebot abgegeben wurde.

Ein Kaufpreis von 5,50 EUR bei einem vom Kläger selbstangegebenen Wert des Fahrzeuges von zumindest75.005,50 EUR bewegt sich nicht mehr im Bereich eines„Schnäppchens”, d. h. eines besonders günstigen, aber dochnoch im erwartbaren Rahmen liegenden Preises. Vielmehrliegt ein nur noch als extrem zu bezeichnendes Missverhält-nis zwischen dem gebotenen Preis und dem Wert der Sachevor. Bei der Durchführung der Auktion über die gesamte Bie-tezeit wäre ein Erlös erzielt worden, der das Höchstgebot desKlägers von 5,50 EUR und auch sein Maximalgebot von1.100,00 EUR bei weitem überschritten hätte. Hierbei handeltes auch nicht um eine hypothetische Annahme. Vielmehrhat der Beklagte das Fahrzeug sofort erneut eingestellt und 10Tage später einen Erlös von 73.450,00 EUR erzielt.

Zu dem gleichen Ergebnis führt auch eine andere Überle-gung: Hätte der Beklagte für den Kaufgegenstand im Wertvon rund 75.000 EUR einen Preis von 5,50 EUR in einemInternetportal angegeben, wäre nicht ernsthaft in Zweifel zuziehen, dass er diese Erklärung wegen eines Erklärungsirrtumshätte anfechten können, ein Erklärungsirrtum, der ohneZweifel auf der Hand gelegen hätte (vgl. zu einem ähnlichenFall OLG Stuttgart v. 10.08.2006, Az.: 12 U 91/06 = OLGR2007, 360).

Praxistipp:

Das OLG Koblenz „honorierte“ letztlich das Bemühen desBeklagten um eine umgehende Korrektur seines Fehlers imAngebot. Dass ein Zuwarten schädlich sein kann, zeigt eineähnliche Fallkonstellation, über die das OLG Köln bereits2006 entschieden hat (Urt. v. 08.12.2006, Az.: 19 U 109/06).Dort war der Anbieter auf seinen Fehler im Angebot auf-merksam gemacht worden, noch bevor ein Angebot abgege-ben wurde. Gleichwohl hat er nichts unternommen. DasOLG Köln hat dem dortigen Beklagten deshalb gerade vorge-worfen, dass er die Auktion nicht vorzeitig abgebrochen hat.

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VuR 10/2009 | 399

V E R S I C H E R U N G S R E C H T

Eintritt in die Gebäudeversicherung des Verkäufersnoch vor Eintragung im GrundbuchBGH, Urt. v. 17.06.2009, Az.: IV ZR 43/07

(ID 44203)

§ 69 VVG a. F. steht einer Vereinbarung nicht entgegen, nachder der Käufer eines Grundstücks bereits vor Eintragung imGrundbuch in den mit dem Verkäufer bestehenden Gebäu-deversicherungsvertrag – zunächst neben diesem – eintrittund dadurch einen vom Verhalten des Verkäufers unabhän-gigen eigenen Anspruch auf Versicherungsschutz erwirbt.

(Leitsatz des Gerichts)

Zu den Pflichten eines Versicherungsmaklers bei derSchadensabwicklungBGH, Urt. v. 16.06.2009, Az.: III ZR 21/09

(ID 44204)

Der in die Abwicklung eines Unfallschadens eingeschalteteVersicherungsmakler muss den Versicherungsnehmer regel-mäßig auf die Frist zur ärztlichen Feststellung einer Invali-dität und ihrer Geltendmachung gegenüber dem Versicherernach § 7 I (1) AUB (1994) hinweisen, wenn für ihn erkennbarist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen den Unfallversi-cherer ernsthaft in Betracht kommen.

(Leitsätze des Gerichts)

Kein Ausschluss der Leistungspflicht bei einemSturmschaden wegen Gefahrerhöhung durchunterlassene InstandhaltungsmaßnahmenOLG Koblenz, Urt. v. 15.05.2009, Az.: 10 U 1018/08

(ID 44205)

Unanhängig von der rechtlich zu beurteilenden Frage, ob dasUnterbleiben von Instandhaltungsmaßnahmen als Vornah-me einer Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VVG durchUnterlassen anzuerkennen ist (str. vgl MeinungsstandPrölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. § 23VVG Rdnr. 38) ist zumindest Kenntnis oder das sich arglisti-ge Entziehen von den die Gefahrerhöhung begründendenUmständen notwendig. Hierfür muss der Versicherungsneh-mer mindestens positiv mit der Möglichkeit eines gefahrer-höhenden Zustands rechnen (vgl Prölls/Martin, Versiche-rungsvertragsgesetz, 27. Aufl. § 23 VVG Rdnr. 35).

(Leitsätze der Redaktion)

Zur Verpflichtung einer Zahlung eines Gegenwerteseiner an der VBL beteiligten gesetzlichenKrankenkasse nach ihrem Ausscheiden LG Mannheim, Urt. v. 19.06.2009, Az.: 7 O 122/08

(ID 44206)

Die Regelung in § 23 Abs. 2 der Satzung der Versorgungsan-stalt des Bundes und der Länder in den Fassungen seit01.01.1995 über die Zahlungen eines Gegenwertes nach Aus-scheiden eines Beteiligten benachteiligt die Beteiligten entge-gen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen undist unwirksam nach § 307 I S. 1 BGB.

(Leitsatz des Gerichts)

R E C H T S P R E C H U N G S Ü B E R S I C H T *

* Alle Urteile sind im Volltext in der FIS-Datenbank mit der jeweiligen IDabrufbar unter: www.iff-hamburg.de

Münchener Kommentar zur Insolvenzord-nungHerausgegeben von Hans-Peter Kirchhof, Hans-Jürgen Lwowski u. Rolf Stürner.Beck Verlag München. 2. Aufl. Bd. 1 2007;Bd. 2 2008; Bd. 3 2008. Gesamtpreis 585 1.

Lange war der Markt für eine sehr ausführli-che Kommentierung der konkurs- bzw. insol-venzrechtlichen Vorschriften durch den „Jae-ger“ dominiert. Doch nachdem dessen Voll-ständigkeit nach über 10-jähriger Geltung derInsolvenzordnung immer noch nicht herge-stellt war, hatte die erste Auflage des neuen

Münchener Kommentars relativ leichtesSpiel, sich in dem wahrlich nicht kleinenMarkt der insolvenzrechtlichen Literatur zuetablieren. Nachdem die erste Auflage imJahre 2003 abgeschlossen wurde, legt der Ver-lag nur gut vier Jahre später dessen zweiteAuflage nach, wobei innerhalb von nur zweiJahren alle drei Bände erschienen sind, waseiner fortwährenden Rechtsentwicklunggerade in diesem Bereich geschuldet ist. Die Kommentierung umfasst insgesamt mehrals 6.000 Seiten und ist dabei durch Berück-sichtigung des Gesetzes zur Vereinfachung desInsolvenzverfahrens, dem Entwurf des Geset-

zes zur Modernisierung des GmbH-Rechts undzur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)sowie der geplanten Verbraucherinsolvenz-novelle sehr aktuell. Neben der Großkom-mentierung zur InsO sind die wichtigen Vor-schriften der InsolvenzrechtlichenVergütungsverordnung (InsVV) als Anhang zu§ 65 InsO, das Einführungsgesetz zur Insol-venzordnung (EGInsO) sowie die EuropäischeInsolvenzverordnung Nr. 1346/2000 des Ratesvom 29.05.2000 (vgl. NZI 2000, 407 ff.) mit-kommentiert. Einen besonderen Abschnittbildet zudem das Internationale Konzernin-solvenzrecht, und ein deutlich über 100 Seiten

B U C H B E S P R E C H U N G

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400 | VuR 10/2009

B U C H B E S P R E C H U N G

starker Abschnitt über das Insolvenzsteuer-recht. Insbesondere letztgenannter Abschnittbringt die zum Teil schwierigen steuerlichenZusammenhänge auch für diejenigen Nutzerverständlich zusammen, die mit derartigenFragen ansonsten nur am Rande befasst sind.Zudem folgt das Werk dem in großen Hand-büchern und teilweise auch anderen Publika-tionen zu beobachtenden Trend zur Anfügungvon Länderberichten, die dem Leser einen gu-ten Überblick über das Konkurs- und Ver-gleichsverfahren in den wichtigsten Staatender Europäischen Union und anderen wichti-gen Volkswirtschaften wie der Russischen Fö-deration, der Volksrepublik China oder denVereinigten Staaten von Amerika gibt.

Auch wenn in vielen Einzelkommentierun-gen die Erfassung und Systematisierung derumfangreichen Rechtsprechung im Vorder-grund steht, hat sich insbesondere auch dieDreiteilung der Herausgeberschaft durcheinen Richter (Hans-Peter Kirchhof), einenRechtsanwalt (Hans-Jürgen Lwowski) undeinen Universitätsprofessor (Rolf Stürner)bewährt, wodurch gesichert wird, dass dieKommentierung nicht nur praktischen, son-dern auch wissenschaftlichen Ansprüchen inallen Teilen genügt. Der „Münchener” zurInsO reiht sich damit nahtlos in die gleich-namige Reihe hochklassiger Großkommen-tierungen ein, die insgesamt sicher zu einerder erfolgreichsten Verlagsreihen in Deutsch-land überhaupt avanciert sind und bei Prak-tikern wie in der Wissenschaft hohes Anse-hen genießen, was nicht zuletzt durch ihrehohe Zitierhäufigkeit belegt wird. DiesemStatus wird auch die Neuauflage in allen Tei-len gerecht, wenn eine sichere Einschätzungselbst zum Teil entlegener Fragen gefragt ist.Wenn ausnahmsweise eine Problematik indem Text nicht erläutert wird, findet derLeser meist im Fußnotenapparat weiterfüh-rende Hinweise, wobei man sich hier gele-gentlich auch mehr Hinweise auf Monogra-fien oder rechtsvergleichende Literaturwünscht. Vor allem bestechen die Kommen-tierungen der einzelnen Vorschriften durcheine klare Sprache und tiefe Durchdringungder Materie, die sinnvolle Auswahl der zitier-ten Rechtsprechung wie sich überhaupt dieAktualität der Ausführungen auch in demFußnotenapparat zeigt.

Doch gibt es bei so viel Licht auch Schatten.Obwohl die Insolvenzordnung in § 1 InsOklarstellt, dass der Erhalt des Unternehmensneben der Liquidation das zweite und gleich-rangige Regelungsziel ist, dominiert bei fastallen einschlägigen Kommentierungenumfangmäßig wie inhaltlich die Abwick-lung, Zerschlagung und Verwertung, obwohldie Sanierung zur Liquidation ebenso der

Befriedigung der Gläubiger dient. EinenGrundsatz „in dubio pro liquidatione“ (imZweifel für die Liquidation), wie ihn Stürnergleich im ersten Band in der Einleitung auf-stellt, kann es angesichts der klaren gesetzge-berischen Entscheidung nicht geben, bestä-tigt aber die These Bambergers (in:Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Recht derSanierungsfinanzierung, 2005, § 1 Rn. 17),dass der Sanierungsgedanke in anderen Staa-ten zum Teil deutlich stärker betont wird alsin Deutschland. Doch ist eine gegenläufigeEntwicklung spürbar, wenn etwa u. a. Uhlen-bruck den Ausbau von Sanierungsregeln for-dert (NZI 2008, 201 ff.) und die Anwaltschaftschon früher der Bedeutung der Sanierungdadurch Rechnung getragen hat, dass der inden 1970-er gegründete „Arbeitskreis fürInsolvenzrecht” im Deutschen Anwaltverein(vgl. AnwBl 1975, 192) seit November 1999zur „Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrechtund Sanierung“ wurde fest etabliert ist undzunehmend auch tagungsseits die unter-schiedlichen Erhaltungs- und Reorganisa-tionsmöglichkeiten in den Vordergrundrücken - anstatt die zum Teil automatischeZerschlagung und Abwicklung. Volkswirt-schaftlich ist dies auch notwendig, umArbeitsplätze zu erhalten und mittel- undlangfristige Chancen nicht über kurzfristigeVerwertungsinteressen von Singularinteres-senten zu stellen. Richtig bleibt daher, dasssich die soziale Marktwirtschaft auch undgerade bei Unternehmen in der Krise bewäh-ren muss, wobei Sanierung und zuvörderstfinanzielle Sanierung aber nicht Fehler Ein-zelner zu deren Vorteil und zulasten vonGläubigern kompensieren soll, sondern beiüberwiegenden Sanierungsaussichten übereinen sachgerechten Ausgleich zwischenallen beteiligten Interessen Arbeit für vielebewahren, Wettbewerb sichern und auchmittelbar abhängigen Unternehmen jederArt, vom Zulieferbetrieb bis zum Laden ander Ecke, ihre wirtschaftliche Grundlage zuerhalten suchen muss.

Manches Mal wünscht sich der interessierteLeser auch mehr Bezüge zur Bankpraxis, daes sich bei den wichtigsten Insolvenzgläubi-gern eben häufig um Geschäftsbanken undSparkassen handelt. Bei Kreditinstituten hatjedenfalls das Insolvenzrecht deutlich anBedeutung gewonnen, ebenso wie Insolvenz-verwaltern und Vertretern anderer Gläubigerdie bankrechtlichen Implikationen nichtimmer hinreichend bewusst sind. NeuereEntwicklungen bei Derivaten, dem Verkaufund der Verbriefung von Krediten, in Bezugauf das mittlerweile hochkomplexe Rechtder Kreditsicherheiten und nicht zuletztneue Fragen des Zahlungsverkehrs, auch beiden Kreditkarten machen einen immer grö-

ßeren Teil der Rechtspraxis aus. Die Schnitt-stellen zwischen Insolvenz- und Bankrechtzu erfassen, bleibt daher nicht nur Aufgabevon Spezialliteratur, sondern auch voneinem Kommentar, der den Anspruch aufErfassung und Lösung nahezu aller bedeutsa-mer Fragen in diesem Bereich erhebt. Ent-sprechend vertiefende Erläuterungen helfennicht zuletzt, Krisen überhaupt zu vermei-den, Sanierungsmöglichkeiten zu ergreifen,oder schlicht insolvenzfeste Vereinbarungenzu treffen, was sich nicht nur bei internenKrisen der Beteiligten sondern auch bei Ver-schlechterung externer Faktoren alsbesonders notwendig erweist.

Schließlich sei eine andere, eher technischeAnregung erlaubt. In einem dreibändigenWerk lediglich im letzten Band ein Gesamt-sachverzeichnis für alle Bände vorzusehen,ist für den Leser umständlich. Auch wenn inin der heutigen Zeit viele Nutzer Kommen-tarstellen zu interessierten Einzelfragen onli-ne mittels einer Suchmaschine abrufen,bleibt für eine Printausgabe das Stichwort-verzeichnis neben der Paragrafensuche oftder einzige Weg, um an die gewünschtenAusführungen zu gelangen. Teilweise ausge-glichen werden die in den ersten beiden Bän-den fehlenden Stichwortverzeichnisse durcheine gute Strukturierung der Einzelerläute-rungen und die optische Hervorhebung ein-zelner zielführender Wörter, wodurch insbe-sondere der Lesefluss nicht gestört wird - wieauch insgesamt zu konstatieren bleibt, dassder Kommentar durchweg sehr angenehm zulesen ist und dies sowohl vom Druckbild alsauch von der Haptik, was insgesamt sicherzum Erfolg der gesamten Münchener Kom-mentare beitragen hat. Zur Kompensationwünscht man sich insbesondere bei längerenAusführungen zu einer Norm zudem biswei-len zu der Gliederungsübersicht ein Ver-zeichnis der fett hervorgehoben Worte, umschneller zum Ziel zu gelangen.

Insgesamt bleibt aber, ohne einzelne Erläute-rungen herausgreifen zu wollen, festzuhal-ten: Der Kommentar ist ein unverzichtbarerBestandteil der täglichen Rechtsanwendung,der sowohl die Rechtsprechung als auch Lite-ratur nachhaltig beeinflusst. Für den Insol-venzrechtler gibt es daher nur eine Empfeh-lung: Kaufen!

Univ.-Prof. Dr. Kai-Oliver Knops, Hamburg

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VuR 10/2009 | V

I N F O R M AT I O N E N

■ In der Zeitschrift Informationen zum Ver-braucherrecht des österreichischen Vereinsfür Konsumenteninformation (VKI) geht es ineinem Artikel vom 5.08.2009 um ein Ge-richtsurteil zu unfairen Leasingklauseln.Der VKI hätte im Auftrag des BMASK mehre-re Verbandverfahren gegen Leasingunter-nehmen geführt und das erste letztinstanzli-che Urteil im Verfahren gegen die Hypo-SüdLeasing GmbH besage, dass der Oberste Ge-richtshof (OGH) insgesamt 21 der 30 Klau-seln als gesetzwidrig beurteilt hätte. Damitliege eine erfreuliche Klarstellung zum Lea-singvertrag vor, der im Gesetz kaum gere-gelt sei. Erfreulich für Verbraucher sei etwa,dass die „75 %-Klausel“ gefallen sei: Ein beider Verwertung des Leasingobjektes überdem Restwert erzielter Mehrerlös sollte demLeasingnehmer zu 75 % gutgeschriebenwerden. Ein unter dem Restwert liegender Er-lös (Mindererlös) sollte dem Leasinggeberaber zur Gänze vom Leasingnehmer zu er-setzen sein. Das benachteilige den Konsu-menten gröblich; er müsse nun nur noch75 % des Mindererlöses abdecken. EineErsparnis für Leasingnehmer liege zudemdarin, dass künftig nicht mehr – wie bei vor-zeitiger Vertragsauflösung üblich – angefan-gene Monate zur Gänze bezahlt werdenmüssten. Der in den AGB enthaltene Haf-tungsausschluss des Leasinggebers sei demOGH zu weit gefasst gewesen. Klauseln, dieden Leasinggeber von seiner Kardinalspflicht,der Verschaffung der ordnungsgemäßenNutzungsmöglichkeit befreiten, seien unzu-lässig. Der OGH hätte auch einige Rücktritts-rechte gekippt, die sich die Hypo-Süd Lea-sing GmbH vorbehalten hatte. Hätte einLeasingobjekt etwa einen wirtschaftlichenTotalschaden, könne es sein, dass sich der Le-asingnehmer für die Zahlung von Repara-turkosten, die den Wert des Fahrzeuges über-stiegen, entscheiden wolle. Wäre derLeasinggeber aber zur Vertragsauflösung be-

rechtigt, würde dem Leasingnehmer damitdie Nutzungsmöglichkeit entzogen werden.Der OGH bewerte das Interesse des Leasing-nehmers an der Aufrechterhaltung des Ver-trages höher als die des Leasinggebers an derAuflösung.

■ Die französische Verbraucherzeitschrift INCHebdo Nr. 1526 vom 13.07.2009 berichtetüber irreführende Werbung: 150 000 EuroStrafe für die Website Entreparticuliers.com.In ihrer Ausgabe Nr. 1498 hatte INC Hebdoan eine Untersuchung des französischen Da-tenschutzverbandes (CNIL) erinnert, die sichmit bei der Website Entreparticuliers.comaufgetretenen Verstößen befasste. Die Web-site annonciert Immobilien. Im März 2008hätte CNIL schwerwiegende Unregelmäßig-keiten festgestellt, darunter Sicherheitslü-cken, eine zu lange Dauer der Speicherungpersonenbezogener Daten, und außerdemMängel, die Informationen beträfen. Am 2.Juli seien die Betreiber der Website wegen ir-reführender Werbung vom Gericht Nanterrezu 150 000 Euro Strafe verurteilt worden.Das Gericht stütze sich auf von der DGCCRF,der Generaldirektion Wettbewerb, Verbrau-cherschutz und Betrugsbekämpfung, vorbe-reitete Akten. Mehr als hundert Nutzer hätteneinen Mangel an Transparenz beklagt; so er-fuhren sie z.B. erst, nachdem sie sich unterAngabe ihres Namens und ihrer Telefonnum-mer angemeldet und nachdem sie ihr Ob-jekt beschrieben hätten, dass der Service et-was kostete. Auf dem Telefon-Server seiendie Kosten der Dienstleistung nicht klar er-sichtlich gewesen: Einige hätten geglaubt,diese beliefen sich auf 95 Euro, andere wiede-rum kamen auf 145 Euro. Den Nutzern, dieals Nebenkläger auftraten, seien 6 865 EuroSchadenersatz zugesprochen worden. Außer-dem seien 30 000 Euro an die Verbraucher-schutzorganisation UFC-Que Choisir gegan-gen. Die Entscheidung sei rechtskräftig.

■ In einer im August 2009 ergangenen Presse-mitteilung begrüßt Choice, die Zeitschrift desaustralischen Verbraucherverbandes ACA, dievon Australian Securities and InvestmentsCommission (ASIC) vorgeschlagenen umfas-senden Reformen in der Finanzberatungs-branche zugunsten von Verbrauchern, ein-schließlich des Verbots der im Vorfeld und inder Folge zu leistenden Provisionen und deran den Finanzberater zu entrichtenden pro-zentualen Gebühren. Verbraucher müsstensicher gehen, dass die von ihnen in Anspruchgenommenen Finanzberater einzig und alleinzu ihrem Wohle agierten. Die diesbezüglichenEmpfehlungen seien die ersten Schritte zurVermeidung von gegenteiligen Anreizen, diedazu führten, dass Finanzberater ihren Kun-den gegenüber Produkte forcierten. ASIC ha-be dem Gemischten Parlamentarischen Aus-schuss zu Kapitalgesellschaften undFinanzdienstleistungen weitreichende Emp-fehlungen gegeben. Nachdem eine Reihevon Firmen, darunter Opes Prime und StormFinancial bankrott gemacht hätten, überprü-fe dieser derzeit Finanzprodukte und -dienst-leistungen. Ein neues behördlich angeordne-tes Regelwerk solle dafür sorgen, dass dieErfordernisse der Verbraucher an erster Stellestünden und Finanzberatung wirklich unpar-teiisch und unabhängig erfolge. Choicekämpft gegen Interessenskonflikte in der Fi-nanzberatungsindustrie und unterstützt die-se Kampagne.

Übersetzungen: Doris Luik, Hamburg

V E R B R A U C H E R Z E I T S C H R I F T E N I M A U S L A N D

Die entsprechenden Links auf dieaktuellen Zeitschriften finden Sie imInternet unter www.vur-online.deunter der Rubrik „Verbraucherzeitschrif-ten im Ausland“.

Ausnahmen von der AusschreibungspflichtVon RA Dr. Martin Schellenberg, RA Dr. Sönke Görgens und RA Dr. Jan-Oliver Schrotz, LL.M.2010, ca. 140 S., brosch., ca. 34,– €, ISBN 978-3-8329-4617-3Erscheint ca. Februar 2010

„Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht“ stellt systematisch dar, wo die Grenzen desVergaberechts verlaufen und welche Spielräume nach geltendem Recht und aktueller Recht-sprechung verbleiben. Anknüpfungspunkt sind dabei die in den einschlägigen Normtextenverstreuten Ausnahmekataloge, die erstmals praxisgerecht erfasst und bewertet werden. Die Vergaberechtsreform 2009 ist berücksichtigt.

Nomos

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VI | VuR 10/2009

Aktuelle Tendenzen im Bank- und Kapital-marktrecht unter dem Vorzeichen derFinanzkrise06.11.2009, Berlin, Novotel Berlin am Tier-garten

Die Finanzkrise wirft ihre Schatten nicht nurauf die Finanzmarktgesetzgebung, sondernzunehmend auch auf die Rechtsprechung.Der Rechtsprechungsbericht wird sich dem-gemäß, jeweils anhand von leading cases,auf das Kredit- und Kreditsicherungsrecht,die Anlageberatung und Vermögensverwal-tung, die Kollektivklagen nach KapMuG unddas bankspezifische Insolvenzrecht konzen-trieren. Aus der neueren Gesetzgebung wer-den das Risikobegrenzungsgesetz (Kredit-handel), das neue Schuldverschreibungsge-setz sowie das Gesetz zur verbessertenDurchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anle-gern aus Falschberatung kritisch beleuchtet.

Weitere Information:www.anwaltakademie.deMatthias Herrfurth Tel.: 030 726153-124Fax: 030 726153-111E-Mail: [email protected]

Praxisfragen des Wettbewerbsrechts –Neues UWG ab 1.1.200912.11.2009, Frankfurt, MesseTurm Frankfurt

Zum 01.01.2009 ist die neue Fassung desUWG in Kraft getreten. Damit hat derGesetzgeber die bereits seit Dezember 2007geltende Richtlinie gegen unlautereGeschäftspraktiken umgesetzt. Das Seminarbringt die Teilnehmer auf den neuestenStand der Gesetzgebung und wettbewerbs-rechtlichen Rechtsprechung.

Schwerpunkt des Seminars sind nicht nur dasmaterielle UWG und die aktuelle UWG-Rechtsprechung der Obergerichte und desBGH. Das Seminar gibt auch einen für Prakti-ker unverzichtbaren Überblick über aktuelleEntwicklungen im Verfahrensrecht undbezieht taktische Überlegung bei der Verfol-gung und Abwehr wettbewerbsrechtlicherAnsprüche mit ein.

Schließlich geht es auch um Trends in derdeutschen und europäischen Rechtsentwick-lung, die für Wettbewerbsrechtler bereitsheute wichtig sind.

Programm:● Das neue UWG 2009 im Überblick● Begriff der „geschäftlichen Handlung“● Neufassung der Generalklausel● Änderungen im materiellen Wettbewerbs-

recht● Die neuen Unlauterkeits-Tatbestände● Materielles Wettbewerbsrecht

● Bagatellklausel● Gefühlsbetonte Werbung● Beigaben und Kopplungsgeschäfte● Herabsetzung von Mitbewerbern● Rufausbeutung● Produktnachbildungen● Abwerbung von Kunden und Mitarbeitern● Grenzen zulässiger Preiswerbung● Vorsprung durch Rechtsbruch● Verhältnis von Wettbewerbs- und Marken-

recht● Irreführende Werbung● Vergleichende Werbung● Belästigungstatbestände● Gewinnabschöpfung● Geheimnisverrat● Verfahrensrecht● Verantwortung für Handlungen Dritter ● Der neue wettbewerbsrechtliche Störerbe-

griff des BGH● Rechtsmissbrauch● Formulierung des Unterlassungsantrags● Neues zur Abschlusserklärung● Kostenfragen● Taktik● Schubladenverfügung● Mehrfacheinreichung von Verfügungsan-

trägen – forum shopping● Gegenabmahnung● Nationale und internationale Trends

Weitere Information: www.beck-seminare.deTel.: 089 38189-503 Fax.: 089 38189-547 E-Mail: [email protected]

Restschuldbefreiung im Verbraucher- undRegelinsolvenzverfahren13.11.2009, München, Mercure Hotel OrbisMünchen Perlach

Aufgrund des umfassenden Überblicks überdas System des Restschuldbefreiungsrechtseignet sich das Seminar auch für alle diejeni-gen, die als Zivil- oder Familienrechtler mitFragen des Vollstreckungsrechts befasst sind.

Die Bedeutung des Restschuldbefreiungsver-fahrens für natürliche Personen nimmt seitJahren stetig zu. Die Zahl der Insolvenzver-fahren der Verbraucher und der ehemalsSelbstständigen, die sich nur mithilfe desinsolvenzrechtlichen Entschuldungsverfah-rens von ihren Verbindlichkeiten befreienkönnen, steigen. Aber auch die Gläubigererkennen immer mehr die Bedeutung einesgeordneten Insolvenz- und Entschuldungs-verfahrens für die Durchsetzung ihrerAnsprüche. Detaillierte Kenntnisse des Insol-venz- und Entschuldungsrechts gewinnendamit immer mehr an Bedeutung für dieanwaltliche Beratungspraxis.

Inhalt des Seminars ist die Darstellung desgesamten Restschuldbefreiungsverfahrensmit seinen Chancen, Risiken und Problemensowohl für die Schuldner als auch für dieGläubiger.

Es wendet sich zudem an diejenigen, die all-gemeine Beratungsfunktionen in wirtschaft-lichen Krisensituationen für natürliche Perso-nen übernehmen sowie an diejenigen, diegezielt insolvenzrechtliche Beratung imgesetzlich definierten Rahmen als Vorberei-tung eines Verbraucherinsolvenzverfahrensleisten.

Das Seminar stellt den Ablauf des Restschuld-befreiungsverfahrens nach geltendem Rechtunter Einbeziehung der Hinweise der aktuel-len Reformdiskussion dar. Es berücksichtigtdabei laufend die aktuelle obergerichtlicheund instanzliche Rechtsprechung und ver-mittelt praktische Hinweise für die Bera-tungspraxis. Themen sind auch Abgren-zungsfragen von Regel- und Verbraucherin-solvenzverfahren, Besonderheiten des verein-fachten Insolvenzverfahrens, Einzelheiten desRestschuldbefreiungsversagungsverfahrensund der Redlichkeitsprüfung, Inhalt derObliegenheiten während der Wohlverhal-tensperiode sowie Fragen des Umfangs undder Reichweite der Restschuldbefreiung undspezielle Probleme bei der EntschuldungSelbstständiger.

Weitere Information:www.anwaltakademie.deJana Hartwig Tel.: 030 726153-123Fax: 030 726153-111E-Mail: [email protected]

Aktuelles Versicherungsvertragsrecht14.11.2009, München, Mercure Hotel OrbisMünchen Perlach

Das Seminar richtet sich an Rechtsanwälte,die sich mit dem neuen Versicherungsver-tragsgesetz, das seit 01.01.2008 gilt, vertrautmachen wollen. Die Novellierung des VVGbetrifft das gesamte Versicherungsrecht.

Programm:● Beratungspflichten und Informations-

pflichten der Versicherer● Abschaffung des Policemodells● Neuregelung des Widerrufsrechts; gesetz-

liche Regelung der vorläufigen Deckung● Neuregelung der vorvertraglichen Anzei-

gepflicht● Wegfall des Befriedigungs- und Aner-

kenntnisverbotes in der Haftpflichtversi-cherung

● Neuregelung der Verjährung/Ausschluss-fristen

● Änderungen beim Forderungsübergang(§ 67 VVG a. F.)

V E R A N S TA LT U N G S H I N W E I S E

I N F O R M AT I O N E N

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● Geltungsbereich des alten und des neuenVVG

● Gesetzliche Neuregelung in der Lebens-versicherung und in der Krankenversiche-rung

● Wegfall des Alles-oder-Nichts-Prinzips:● bei Obliegenheitsverletzungen● bei Gefahrerhöhung● bei grober Fahrlässigkeit

Weitere Information:www.anwaltakademie.deJenny Steger Tel.: 030 726153-126Fax: 030 726153-111E-Mail: [email protected]

Kausalität und Unfallfolgen in Haftpflicht-,gesetzlicher und privater Unfallversiche-rung21.11.2009, Stuttgart, Holiday Inn

In allen drei Bereichen entscheiden medizini-sche Gutachten häufig Rechtsstreite im

Bereich der (Kfz-)Haftpflicht, in der gesetz-lichen und in der privaten Unfallversiche-rung. Dabei sind die rechtlichen Anforderun-gen an die Kausalität und das jeweils erfor-derliche Beweismaß in diesen drei Spartenunterschiedlich. Diese Differenzierungen sindden Medizinern oft unbekannt. In dem Semi-nar werden die unterschiedlichen Grundsät-ze von Anforderungen herausgearbeitet undanhand von praktischen Beispielen werdenGutachten nach diesen Anforderungengemeinsam analysiert.

Das Seminar befasst sich weiterhin mit typi-schen Verletzungen und deren Spätschädensowie mit prozessualen Problemen, insbe-sondere rechtliche Möglichkeiten, gerichtli-che Gutachten anzugreifen.

Programm: ● Unfallschäden und Begutachtung aus

Sicht des Mediziners● Kausalität in drei Sparten, Haftpflicht-, So-

zial- und Versicherungsrecht

● Typische Unfallfolgen und Zukunftsschä-den (Schulter, Knie, Becken, Knochen,Sehnen, Gelenke)

● Prozessuale Besonderheiten und Haf-tungsfragen bei Personenschäden

● Medizinische und juristische Beurteilungkonkreter Fälle

● Schädel-Hirntrauma, HWS, Wirbelsäuleund Querschnittverletzung

● Aktuelle Rechtsprechung zur Kausalität,insbesondere HWS Verletzung

Weitere Information:www.anwaltakademie.deJenny Steger Tel.: 030 726153-126Fax: 030 726153-111E-Mail: [email protected]

Der Kapitalanlagebetrug – insbesondere bei ethischen und nachhaltigen Investments

Die erheblichen Umstände der KapitalanlageentscheidungEine Maßstabssuche im Kapitalanlagebetrug unter besonderer Berücksichtigungvon ethischen und nachhaltigen InvestmentsVon Dr. Kathrin Mehler2009, 257 S., brosch., 62,– €, ISBN 978-3-8329-4872-6(Schriftenreihe zum deutschen, europäischen und internationalen Wirtschafts-strafrecht, Bd. 11)

Unter welchen Umständen machen sich Anbieter und Vertreiber von Kapitalanlagenstrafbar,wenn diese Erwerbsentscheidungen von Anlegern beeinflussen? Bei der Un-tersuchung werden nicht nur vermögensrelevante,sondern auch ethische und nach-haltige Ziele unter Einbeziehung der europaweiten kapitalmarktrechtlichen Gesetzes-änderungen der letzten Jahre betrachtet.

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I N F O R M AT I O N E N

VuR 10/2009 | VII