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University of Zurich Zurich Open Repository and Archive Winterthurerstr. 190 CH-8057 Zurich http://www.zora.uzh.ch Year: 2008 Ecksteine in der modernen Versorgung von Unterschenkelulzera Hafner, J Hafner, J (2008). Ecksteine in der modernen Versorgung von Unterschenkelulzera. Medicos, (3):2-8. Postprint available at: http://www.zora.uzh.ch Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich. http://www.zora.uzh.ch Originally published at: Medicos 2008, (3):2-8.

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Winterthurerstr. 190

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Year: 2008

Ecksteine in der modernen Versorgung von Unterschenkelulzera

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Der folgende Artikel bezieht sich auf ausgewählte

Abschnitte/Aspekte in Vorträgen, die am 21. Welt-

kongress für Dermatologie und im Rahmen der Serie

«Dermatologie-Update» der Dermatologischen Kli-

nik USZ gehalten wurden. Er beleuchtet auch einige

der relevanten Publikationen aus der Phlebologie

und der Wundbehandlung der letzten zehn Jahre.

KompressionstherapieDie Kompressionstherapie ist sicher der bewährtesteGrundpfeiler in der konservativen Therapie phlebo-logischer Erkrankungen. Verschiedene wissenschaft-liche Beiträge haben in den vergangenen zehn Jahrendie Effektivität und Effizienz der Kompressionsthe-rapie auf hohem Evidenzniveau nachgewiesen. Die systematische und breite Anwendung von He -parinen in präventiver Indikation seit den Siebziger -jahren und von fraktioniertem Heparin seit der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre hat zu einer drastischen Reduktion von tiefen Beinvenenthrom-bosen und Lungenembolien in Hochrisikosituatio-nen geführt. Als solche gelten Eingriffe im Rahmender orthopädischen Chirurgie, Abdominalchirurgie,Neurochirurgie, Unfallchirurgie, aber auch Bettläge-rigkeit als Folge von internistischen Krankheiten(z.B. Schlaganfall). In den älteren Arbeiten konnte

gezeigt werden, dass die Kompressionsbehandlungin der primären Thromboseprophylaxe einen addi -tiven Effekt hat. Mit grossem Interesse aufgenom-men wurde die neuere Publikation von Scurr und seinen Mitarbeitern, in welcher erstmals die Vermu-tung bewiesen werden konnte, dass Kompressions-strümpfe tiefe Beinvenenthrombosen auf Lang -streckenflügen verhindern können. In einer rando-misierten kontrollierten Studie (n = 231) hatten10 Prozent der Reisenden gegenüber der Kontroll-gruppe eine asymptomatische tiefe Beinvenen-thrombose (Unterschenkel-Etage), in der Kontroll-gruppe jedoch keiner, hingegen trat bei 4 Prozenteine Variko phlebitis der Vena saphena magna unter-halb des Knies beim oberen Strumpfrand auf (1).Vier Jahre zuvor hatte Brandjes in einer randomisier-ten kontrollierten Studie mit 1994 Teilnehmern be-legt, dass eine Kompressionstherapie mit Unter-schenkelkompressionsstrümpfen der Klasse 2 beiPatienten mit einer durchgemachten proximalen tie-fen Beinvenenthrombose (proximal: Vena popliteaund weiter proximal) die Entstehung eines schwerenpostthrombotischen Syndroms um zirka die Hälftereduziert (p < 0,001). Nach sechs Jahren hatten in derGruppe ohne Kompressionsstrümpfe 23 Prozent einschweres postthrombotisches Syndrom oder ein ve-nöses Ulkus und 47 Prozent ein leichtes postthrom-botisches Syndrom. Im Vergleich dazu hatten in derGruppe mit Kompressionsstrümpfen 11 Prozent einschweres postthrombotisches Syndrom oder ein venöses Ulkus und 20 Prozent ein leichtes post-thrombotisches Syndrom (2).Die Effektivität der Kompressionsbehandlung inder Behandlung des venösen Ulkus ist durch gross

Ecksteine in der modernenVersorgung vonUnter schenkelulzeraVon Jürg Hafner

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angelegte Kohortenstudien belegt worden (3, 4, 5).Die Abheildauer von venösen Ulzera wird durch denAusgangsbefund massgeblich beeinflusst. Demnachheilt ein Erstulkus mit kleiner Fläche und kurzerDauer unter einer Kompressionsbehandlung in 70bis 80 Prozent der Fälle innerhalb von drei Monatenab, während für grössere venöse Ulzera ( > 10 cm2),chronische Ulzera ( > 6 Monate) und Rezidivulzeramit längeren Abheilzeiten zu rechnen ist (30 bis 40%in 3 Monaten). Die Einführung von mehrlagigen, unterpolsterten Kompressionsverbänden, die eineAussenschicht aus einer Kohäsivbinde aufweisen,hat bei chronisch venöser Insuffizienz zu einer Stan-dardisierung der Bandagetechnik mit besseren re-produzierbaren klinischen Resultaten geführt. Pro-totyp dieser Technik war die Four-Layer-Bandage (6).Randomisierte kontrollierte Studien zum Nachweisder Effektivität der Kompressionsbehandlung vonvenösen Ulzera sind leider selten. Die wahrschein-lich wichtigste Studie wurde 1988 von Kikta durch-geführt, in welcher dieser zeigte, dass venöse Ulzeraunter einem Zinkleimverband innerhalb von 24 Wo-chen zu 70 Prozent abheilen, während sie untereinem Hydrokolloidverband ohne Kompression innerhalb von 24 Wochen zu 38 Prozent abheilen(p = 0,01) (7). Ein systematischer Review zur Kom-pressionsbehandlung des venösen Ulkus wurdeerstmals 1997 in der Cochrane-Library publiziertund wird seither aktualisiert (8).Eine kürzlich erschienene Studie aus dem gleichenNetzwerk von Research-Nurses untersuchte vor zweiJahren erstmals den Unterschied zwischen Klasse-2-und -3-Kompressionsstrümpfen in der Präventionvon Ulkusrezidiven nach Abheilung. Dabei zeigtesich, dass mit einem Klasse-2-Strumpf innerhalb vonfünf Jahren bei 39 Prozent Rezidive auftraten, wobei28 Prozent der Patienten die Kompressionsbehand-lung nicht konsequent durchgeführt hatten. BeiKlasse-3-Strümpfen war das Resultat nicht signifi-kant besser: Nach fünf Jahren traten bei 32 Prozentwieder Ulkusrezidive auf, wobei 42 Prozent der Pa-tienten die Kompressionstherapie nicht konsequentdurchgeführt hatten. Daraus leiteten die Autoren zuRecht ab, dass dem Patienten diejenige Kompressi-onsbehandlung mit Strümpfen zugemutet werdensoll, die er problemlos durchführen kann (9). Leiderexistiert bis heute keine kontrollierte Studie, welcheden Effekt einer Kompressionsbehandlung gegen-über gar keiner Kompression zur Prävention von Ul-kusrezidiven untersucht. Empirisch wird angenom-men, dass die Kompressionsbehandlung Rezidivevon venösen Ulzera signifikant, wenn nicht sogarhochsignifikant, reduzieren kann. Möglicherweisereicht schon eine niedrigklassige Kompressionsbe-handlung (z.B. Klasse 1) für einen derartigen Effekt

aus. Ältere Patienten sind selbstverständlich viel bes-ser in der Lage, eine milde Kompressionsbehandlungadäquat selbstständig durchzuführen. Dies hätte einewesentlich bessere Kooperation in der verordnetenBehandlung zur Folge. Wenn es gelingen würde, denBeweis der Effektivität von Klasse-1-Strümpfen zurVerhinderung von venösen Rezidivulzera zu erbrin-gen, wäre wahrscheinlich auch eine Kassenzulassungdieser Kompressionsklasse in Aussicht.Ein weiterer Paradigmenwechsel in der Kompressi-onsbehandlung von venösen Ulzera stellt die Um-stellung von Kompressionsverbänden zu sogenann-ten «Ulkusstrümpfen» in der Behandlung kleiner undunkomplizierter venöser Ulzera dar. Bereits 1994 hatPartsch darauf hingewiesen, dass kleine venöse Ul-zera auch durch Kompressionsstrümpfe erfolgreichbehandelt werden können (10). Ende der Neunziger-jahre und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurdendrei Strumpfprodukte auf den Markt gebracht, wel-che trotz einer «kurzzugigen» Strickweise über dieFersen- und Knöchelregion gestreift und angezogenwerden können. Die drei unterschiedlichen Patenteheissen Tubulcus (11) UlcerTec (12) und UlcerCare(13). Tubulcus ist ein relativ eng gestricktes Produkt,das dank der Applikation eines Gleitstrumpfsaus Fallschirmstoff angezogen werden kann. DieStrümpfe der Marke Tubulcus werden in der Bein-und Wundsprechstunde der Dermatologischen Kli-nik USZ in der Regel dem Patienten eine Nummer zu

Abbildung: Mehrlagenverband: Tubegaze, Polsterwatte, Kurzzugbinden,Kohäsivbinde

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gross angemessen, weil nach unserer Erfahrung erstdadurch das An- und Ausziehen praktikabel wird. ImProdukt UlcerTec ist im normal gestrickten (langzu-gigen) Kompressionstrumpf der Klasse 3 ein Rauten-muster von kurzzugig gestrickten Fäden eingestrickt.Im «gestauchten» Zustand lässt sich damit derStrumpf problemlos über die Fersen- und Knöchel-region streifen, und ihm «ausgezogenen» Zustand,also wenn der Strumpf vollständig über die Wade angezogen ist, entfalten die kurzzugigen Fäden imMuster ihre volle Wirkung auf die venöse Waden-muskelpumpe. Eine Erleichterung beim An- undAusziehen eines kurzzugigen Kompressionsstrumpfsbietet das Produkt UlcerCare mithilfe eines dorsaleingenähten Reissverschlusses.

Venenchirurgie bei venösem RefluxGemäss der älteren phlebologischen Literatur ausden Sechzigerjahren kamen die damaligen führen-den Kliniker zum Schluss, dass 90 Prozent der Unterschenkelulzera venösen Ulzera entsprachenund hiervon wiederum ein grosser Teil in Zusam-menhang mit dem postthrombotischen Syndromentstanden waren. Für diese Annahme gab es aller-dings keine systematischen Untersuchungen. DieLebenszeitinzidenz für ein Ulcus cruris hat sich inden letzten 50 Jahren von ungefähr 2 bis 3 Prozentauf 0,7 Prozent (14) zurückgebildet. Für diese güns-tige Entwicklung gibt es zwei plau sible Haupt-gründe: die systematische Thromboseprophylaxe inRisikosituationen und die Verbreitung einer mini-malinvasiven Venenchirurgie. In den Achtzigerjah-ren publizierten vorwiegend britische Chirurgenihre positiven Resultate der Venenchir urgie bei Pa-tienten mit venösen Ulzera (15, 16). Diese Beobach-tung stand in einem gewissen Gegensatz zur An-nahme, dass venöse Ulzera praktisch ausschliesslichdurch Kompression zu behandeln sind. Die breiteEinführung der Duplexsonografie in den Neunzi-gerjahren bestätigte die Vermutung mancher Chi-rurgen, dass ungefähr die Hälfte aller Patienten mitvenösen Ulzera kein postthrombotisches Syndromund keine relevante Pathologie am tiefen Leitvenen-system aufwiesen. Als Hauptursache für die venöseUlzeration lag vielmehr eine ausgeprägte epifaszialeVeneninsuffizienz vor. Das heisst im Wesentlichen,dass eine Crossen- und Stamminsuffizienz der Venasaphena magna oder parva, gelegentlich mit Seiten-ästen, als «Nährvene» vorhanden ist. Im Jahr 2004wurde die erste randomisierte kontrollierte Studiezum Effekt der Venenchirurgie auf die Abheil- undRezidivrate von venösen Ulzera publiziert (17). DieAutoren unterschieden bei den Patienten mit venö-sen Ulzera eine Gruppe mit ausschliesslich epifas-

zialem Reflux, eine zweite mit epifaszialem und um-schriebenem tiefem Reflux und eine dritte mit epi-faszialem und ausgedehntem tiefem Reflux. Für dieerste Gruppe (ausschliesslich epifaszialer Reflux)liess sich sehr klar nachweisen (p = 0,001), dass dieVenenchirurgie zwar die Abheilzeit gegenüber derreinen Kompressionstherapie nicht signifikant ver-kürzt, dass aber die Rezidivrate von 26 Prozent auf12 Prozent nach einem Jahr reduziert werdenkonnte. Bei einem epifaszialen und segmental tiefenReflux ist dieses Resultat gerade noch knapp signifi-kant (p = 0,04), wohingegen die epi fasziale Venen-chir urgie bei einem ausgedehnten tiefen Refluxkeine statistisch signifikante Verbesserung der Si-tuation hinsichtlich Abheil- oder Rezidivrate bringt(sogenannte ESCHAR-Studien: 17, 18).

Shave-Operation nach W. SchmellerIn Zusammenhang mit dem oben Dargelegten stelltsich nun die Frage, ob Patienten mit einem durchge-henden tiefen venösen Reflux (im Wesentlichen Patienten mit einem ausgedehnten postthromboti-schen Syndrom) einfach Pech haben und ihrer chro-nisch venösen Insuffizienz ausser der konsequentenKompressionstherapie nichts entgegensetzen kön-nen. Schmeller hat für Patienten mit einer ausge-dehnten Dermatolipofasziosklerose und grossflächi-gen venösen Ulzerationen mit der Shave-Operationeine erstaunlich effektive Behandlungsmethode ein-geführt (19). Im Rahmen seiner vorangehenden CT-und MRI-Untersuchungen der distalen Unterschen-kel- und Knöchelregion hat Schmeller festgestellt,dass die fibrotischen Umbauvorgänge im Bereichdes distalen Unterschenkels und der Knöchelregiondas Unterhautfettgewebe und die Unterschenkel -faszie erfassen und dass im Rahmen der abnehmen-den Sprunggelenkfunktion und des zunehmendenDrucks in den tiefen Muskelkompartimenten eineDegeneration des Fettgewebes in der Unterschen-kelmuskulatur stattfindet. Diesen Prozess nannteer «arthrogenes Stauungssyndrom». Seine logischeKonsequenz war die Shave-Operation, bei welcherder fibrotische Weichteilmantel des distalen Unter-schenkels weit über die venöse Ulzeration hinaus bisauf die Unterschenkelfaszie tangential abgetragenwird und der entstandene Shaving-Defekt mit einerdünnen Mesh-Graft-Spalthaut vom Oberschenkelgedeckt wird. Zwei Wochen nach der Operationwaren 79 Prozent der mit dieser Methode behandel-ten Patienten geheilt, und bei 21 Prozent stellte sicheine Besserung ein. 12 Prozent der geheilten Patientenerfuhren innerhalb der ersten zwei Jahre ein Rezidiv.Diese überaus günstigen Resultate stellen die bis an -hin publizierten Resultate der konser vativen Therapie

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bei Weitem in den Schatten. Selbst Patienten mit Re-zidivulzerationen haben im All gemeinen wesentlichgeringer ausgeprägte Rezidivbefunde als vor derShave-Operation.

Gemischte venös-arterielle Ulzera heilen schlechter als rein venöseObwohl die arteriellen Pathologien bei Ulkus- patienten eindeutig im Vormarsch und die venösenPathologien auf dem Rückzug sind, gibt es über diegemischten venös-arteriellen Ulzera kaum verläss -liche medizinische Literatur, obwohl immerhin20 Prozent der Patienten davon betroffen sind. Kürz-lich ist eine grössere Kohortenstudie publiziert worden, in welcher 193 Patienten mit gemischtenvenös-arteriellen Ulzera aus 1016 konsekutiven Ul -kuspatienten selektioniert und systematisch wei ter -verfolgt wurden. Die Empfehlungen aus dieser Stu-die lauten dahingehend, dass Patienten mit einemKnöchel-Arm-Druck-Index (ABPI) < 0,5 gleich zu Beginn arteriell revaskularisiert werden sollten, dabei ihnen sonst keine Aussicht auf eine erfolgreichekonser vative Therapie besteht. In der grossen Band-breite eines ABPI zwischen 0,5 und 0,9 soll die Therapie in Analogie zu einem rein venösen Ulkuskonservativ erfolgen. Nur bei refraktären Ulzera solleine Revaskularisation empfohlen werden. (Bei einemABPI > 0,9 liegt ohnehin keine relevante peripherearterielle Verschlusskrankheit vor.) Die Arbeit machtkeine Angaben darüber, ab welchem ABPI mitDruckschädigungen der Haut in Folge einer zu star-ken Kompressionsbehandlung zu rechnen ist (20).Gemäss unserer empirischen Erfahrung in der Bein-und Wundsprechstunde der Dermatologischen Kli-nik USZ haben die vergangenen zehn Jahre eher ge-zeigt, dass bei gemischten venös-arteriellen Ulzerabereits ab einem ABPI < 0,8 eine Revaskularisationsinnvoll sein kann und die weitere Abheilung desUnterschenkelulkus stark beschleunigt wird (21).Die Technik der Katheterinterventionen hat sich inden letzten 15 Jahren in Zusammenhang mit der ra-santen Entwicklung der PTCA und der Stenting-technik derart verfeinert, dass auch in der Indikationder peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ein-drückliche Verbesserungen möglich wurden. Heutesind auch langstreckige Verschlüsse und distale ar-terielle Läsionen einer kathetertechnischen Behand-lung zugänglich (22, 23).

Arterielle UlzeraUnterschenkelulzera mit einer ausschliesslich ar te -riellen Ursache sind in aller Regel lateral oder prä -tibial lokalisiert und treten im Gegensatz zu den

arteriellen Fussrücken- und Zehenulzera meistensausserhalb der Lokalisationen der chronischen kriti-schen Extremitätenischämie auf. Sie erfüllen des-halb nicht die klassischen angiologischen Kriterienzur Indikationsstellung für eine Revaskularisationund werden immer wieder untertherapiert. Grös-sere arterielle Ulzera sind in aller Regel einer kon-servativen Wundbehandlung gegenüber refraktär.Die Situation erfordert im Allgemeinen ein Débride-ment und eine Spalthauttransplantation. Wahr-scheinlich würde diese Massnahme bei den meistenPatienten an sich schon für eine Abheilung desUlkus genügen. In der Bein- und Wundsprech-stunde der Dermatologischen Klinik USZ veranlas-sen wir bei diesen Patienten standardmässig undkonsequent eine Revaskularisation, selbst wenn derKnöchel-Arm-Druck-Index (ABPI) bei 0,8 liegt. DerABPI erweist sich im klinischen Alltag als ein zu unscharfes Kriterium, um allein über die Indikationeiner Revaskularisation im Zusammenhang miteinem teilweise oder ausschliesslich arteriell verur-sachten Unterschenkelulkus zu entscheiden. DerABPI kann bei rein arteriell verursachten Unter-schenkel-Ulzera verhältnismässig hoch sein. UnsererErfahrung nach wäre es in diesen Fällen falsch, denPatienten die Revaskularisation allein aufgrund dieses über raschend hohen Knöcheldruckwerts vor-zuenthalten. Inkompressible Knöchelarterien kön-nen falschhohe Knöchelarteriendruckwerte vortäu-schen. Bei Patienten mit einer kombinierten, klassi-schen, peripheren, arteriellen Verschlusskrankheitplus Arteriosklerose der Haut im Bereich des latera-len Unterschenkels (Martorell-Pathologie) kann dieVerbesserung der Makroangiopathie ebenfalls eineVerbesserung der Heilungschancen des arteriellenUlkus bewirken. Das Ziel einer Revaskularisationder Martorell- Ulzera besteht in einer Optimierungder Spalthauttransplantation und in der Reduktionder Rezidivrate. Bei 69 Prozent unserer Patienten mitarteriellen Ulzera lassen wir eine Revaskularisationdurchführen, welche wiederum in 90 Prozent der re-vaskularisierten Patienten kathetertechnisch und in10 Prozent mit tels Bypasschirurgie erfolgt. Praktischbei allen Patienten reduziert sich der anfangs inten-sive Wundschmerz nach der Revaskularisation aufein erträg liches Mass. Praktisch sämtliche so behan-delten Ulzera werden im Anschluss mit einer Spalt-hauttransplantation ganz zur Abheilung gebracht.Die Rate der kompletten Abheilungen beträgt 90Prozent, mit keiner einzigen Rezidivsituation beieiner Nachbeobachtungszeit von zwei Jahren (24).Solange noch kontrollierte Studien zur optimalen Behandlung arterieller Ulzera fehlen, dürfte das vorgeschlagene Vorgehen der Revaskularisation undanschliessenden Spalthauttransplantation für die

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Behandlung von ausschliesslich arteriell verursach-ten Unterschenkelulzera plausibel sein. Die dar ge -legten Behandlungsresultate bestätigen in der täg -lichen Praxis der Wundbehandlung zumindest dieMachbarkeit dieses Verfahrens.

Ulcus hypertonicum MartorellDas Ulcus hypertonicum Martorell nimmt bei unserenPatienten eine immer wichtigere Stellung ein undmacht in unserer Bein- und Wundsprechstunde un-gefähr 10 bis 15 Prozent aller Unterschenkelulzeraaus. Klinisch findet sich eine maximale, schmerz-hafte Hautnekrose in latero-dorsaler Lokalisation,gelegentlich auch direkt über der Achillessehne liegend, mit einem zentrifugal progredienten, livid-entzündlichen Randsaum. Ungefähr die Hälfte die-ser Patienten hat initial fälschlicherweise die Dia -gnose Pyoderma gangraenosum erhalten. Ursachefür die Hautnekrose ist eine okklusive Arteriolo -sklerose der Subkutis, für welche eine langjährige arterielle Hypertonie und in 60 Prozent der Fälleauch ein Diabetes mellitus die wichtigsten kardio-vaskulären Risikofaktoren darstellen. Diese Patien-ten benötigen gleichzeitig eine makroangiologischeDiagnostik und Therapie, analog zu den Patientenmit arteriellen Unterschenkelgeschwüren. Zusätz-lich ist eine grosszügig durchgeführte Hautbiopsievon Ulkusrand und Ulkusgrund zum histologischenNachweis der pathologischen Arteriolen in der Subkutis erforderlich. Die Therapie ist essenziell chir urgisch und umfasst ein bis mehrere Débride-ments, vorzugsweise eine Wundkonditionierungmit einer Unterdrucktherapie (VAC) und zuletzteine Spalthauttransplantation. Der vorübergehendeEinsatz systemischer Antibiotika ist sehr oft nötig.Eine Immunsuppression wie beim Pyoderma gan-graenosum ist hingegen nicht erforderlich, und dieHebestelle für das Spalthauttransplantat heilt stetsproblemlos ab (kein Pathergieeffekt zu befürchten).

Lokaltherapie mit negativem Druck (VAC)Die lokale Unterdrucktherapie ist in den letzten20 Jahren sicherlich eine der grossen Neuerungen inder Wundbehandlung. Eine kürzlich publizierte,randomisierte, kontrollierte Studie verglich zweiGruppen von je 30 Patienten mit venösen Ulzera. Beider ersten Gruppe wurde eine feuchte Wund -behandlung durchgeführt, danach eine Reverdin-Plastik aufgebracht und anschliessend eine standar-disierte Lokaltherapie mit nicht klebenden Verbän-den durchgeführt. Bei der zweiten Gruppe erfolgtedie Wundkonditionierung mittels Unterdruckthera-pie, und die Reverdin-Plastik wurde mit dem VAC-

System stabilisiert. Sowohl die Zeit bis zum Errei-chen einer tadellosen Granulation als auch die Zeitbis zum Erreichen einer kompletten Abheilung warbei den Patienten mit Unterdrucktherapie signifi-kant viel kürzer (25).

MadentherapieDie Lokaltherapie mit Maden der Fliege Lucilia seri-cata aus medizinischen Kulturen ist eine alte Wund-therapie, die in den letzten Jahren wieder vermehrtins Gespräch gekommen ist. Randomisierte kontrol-lierte Studien sind bis heute nicht publiziert. Hinge-gen wurde letztes Jahr eine interessante Studie überein kleines Kollektiv von Patienten mit MRSA-positi-ven diabetischen Fussulzera publiziert. Bei 12 von13 Patienten ist es gelungen, die MRSA-Kolonisationmit drei Madenapplikationen über einen Zeitraumvon 19 Tagen total zu eliminieren (26).

Hautersatz aus der ZellkulturMit Apligraf® und EpiDex® stehen in der Schweiz zurBehandlung von refraktären Wunden zwei Hauter-satzprodukte aus Zellkulturen zur Verfügung, wel-che den Test einer randomisierten kontrolliertenStudie bestanden haben. Apligraf® wurde gegenübereiner konventionellen Lokaltherapie getestet und er-wies sich als statistisch signifikant überlegen, wasdie komplette Abheildauer von bisher refraktärenvenösen Ulzera angeht (27). EpiDex® wurde in einerrandomisierten kontrollierten Studie mit dem Ver-fahren der konventionellen Spalthauttransplanta-tion verglichen und erwies sich als mindestens eben-bürtig (28). Beide Behandlungsmethoden könnenproblemlos ambulant durchgeführt werden. Zudemwird keine Entnahmestelle für das Hauttransplantatbenötigt. Sollte es in den nächsten Jahren gelingen,durch eine breitere Anwendung dieser biotechnolo-gischen Produkte deren Herstellungskosten nochetwas zu senken, dann liegt es in Reichweite, dasssolche Verfahren in der Behandlung von refraktärenWunden mit der Zeit zur Routine werden könnten.

Buruli-Ulkus Schliesslich darf nicht vergessen werden, dass in an-deren Erdteilen ganz andere Formen von chroni-schen Wunden vorherrschen. In Westafrika stelltbeispielsweise das Buruli-Ulkus, das durch ein to-xinbildendes Mykobakterium verursacht wird, fürdie betroffenen Kinder und jungen Erwachsenen ofteine eigentliche medizinische Katastrophe dar. Bis-her bestand weitverbreitet die Ansicht, dass – wennüberhaupt – die Ulkusexzision als einzige effektive

Therapiemassnahme zur Abheilung führen kann,mit den vorstellbaren Schwierigkeiten durch die teilweise schlecht ausgerüsteten Ambulatorien undSpitäler in den betroffenen Ländern. Eine kürzlichdurch die WHO in Benin durchgeführte und voreinem Jahr publizierte klinische Studie mit 224 Bu-ruli-Ulkus-Patienten konnte nachweisen, dass diekleinen Ulzerationen mit einem Durchmesser < 5 cmin aller Regel unter einer reinen Antibiotikatherapiemit Streptomycin und Rifampicin während acht Wochen komplett abheilen. Grosse Ulzerationen miteinem Durchmesser > 15 cm profitieren von einervorangehenden Antibiotikatherapie im Hinblick aufdie Ulkusexzision. Die Rezidivrate nach diesem Be-handlungsregime beträgt nur noch 1,4 Prozent (29).

SchlussfolgerungInsgesamt lassen sich in der klinischen Praxis derletzten 10 bis 20 Jahre und anhand der wichtigen me-dizinischen Publikationen überzeugende Erfolge er-kennen, welche es heute erlauben, Patienten mitchronischen Unterschenkelulzera einer pathophy-siologisch kohärenten Diagnostik und Therapie zu-zuführen. Damit schliessen sich auch automatischdie bis anhin grossen Lücken auf der klinisch- wissenschaftlichen Landkarte der evidenzbasiertenTherapie chronischer Wunden im Unterkapitel desUlcus cruris. In der täglichen Arbeit können wir beobachten, dass heute bei Ulkuspatienten im All -gemeinen eher weniger Zeit verstreicht, bis sie einezielorientierte Abklärung erhalten. Zudem ist die Bereitschaft zu einer proaktiven und nötigenfalls interventionellen Therapie von chronischen Wun-den gestiegen, und auch die Rezidivraten gehen ver-mutlich eher zurück. Betroffene, meist ältere Patien-ten, deren Lebensqualität entgegen früherer Auffas-sung durch das Ulkus oft erheblich eingeschränktist, wissen dies zu schätzen. ●

KorrespondenzadresseProf. Dr. J. Hafner, LAUniversitätsSpital Zürich, Dermatologische KlinikGloriastrasse 31, 8091 ZürichE-Mail: [email protected], Internet: www.dermatologie.usz

Interessenkonflikte: keine

Literatur:

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