Unsere Idee: Wir sammeln Geschichten, Gedanken, … · hat sie mir ein guter Bekannter, ... Leben...

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Zur Einleitung

Unsere Idee: Wir sammeln Geschichten, Gedanken, Gedichte, Schilderungen, Erfahrungsberichte zum Thema “Die Hoffnung nicht verlieren”.

Gerade im Alltag mit Erkrankungen ist es schwer, immer Hoffnung zu haben. Unsere Geschichten machen Mut. Kleine “Wunder”, große Lebenswenden, glückliche Zufälle, Licht im Dunkel: Bestimmt hat jede/r schon mal erlebt, dass sich (überraschend) etwas zum Guten gewendet hat. Sei es aus eigener Kraft und Kampfmut heraus oder durch helfende Hände anderer Menschen.Und genau solche Geschichten wollen wir hören, lesen, sammeln. Geschichten, die Hoffnung zeigen und Hoffnung stärken. Die den Glauben an das Gute im Leben wiederbeleben.

Seit Mai 2012 haben wir von der Online-Gemeinschaft "Saoghal - Eine verzauberte Welt" Bilder und Texte gesammelt und an vielen virtuellen Orten (Blogs, Foren, sozialen Netzwerken) Menschen um ihren ganz persönlichen Beitrag gebeten. Einige sind unserem Aufruf gefolgt, und ihre Einsendungen dürfen wir hiermit hoffnungsvoll präsentieren. Hoffnungsvoll nicht nur deswegen, weil ihre Texte Mut machen, sondern auch, da wir unsere Tore nicht als geschlossen betrachten. Wir werden auch in Zukunft weiter Hoffnungsgeschichten sammeln und für jeden einzelnen Menschen dankbar sein, der dieses Projekt unterstützt. Deshalb ist dieser Reader als der erste Teil einer Serie zu verstehen, die wir bald fortsetzen werden. Wir freuen uns über jede Zusendung.

www.saoghal.de

Brief eines Schutzengels

Du glaubst an Engel.Aber warum glaubst du nicht an mich?Du denkst ich bin nicht da.Du denkst ich tue nichts.Denn du suchst Blüten,wo sonst Steine wären.Hab ich sie doch für dich weggeräumt.Hab doch nur zwei Flügel.Kann doch nicht noch Blumen pflanzen.Du suchst Sonne,wo sonst Regen und Donner wär.Hab doch schon den Regen sanfterUnd den Donner leiser gemacht. Hab doch nur zwei Flügel.Kann doch nicht noch Sonne malen.Was glaubst du wie viel Unheil täglich nach dir trachtet?Pass doch auf, dass nicht alle kommen.Fange dich doch auf, wenn du kippst.Halte dich doch, wenn du fällst.Umarme dich doch, wenn du weinst.Doch bin zu schwach für alles.Hab doch nur zwei Flügel.Hab noch nie jemanden gekannt wie dich.Hab noch nie jemanden beschützt wie dich.Hab dich vom ersten Augenblick an geliebt.Warum glaubst du nicht endlich, dass es mich gibt?Glaub mir,Ich bin da.Und wenn du wieder einmal weinstUnd denkst, dass nichts mehr einen Sinn hatDann denk daran.

von Ika

Sie und Ich

Sie ist eigentlich lebensfrohSie lächelt oft einfach nur soSie lacht so herzlichUnd tief aus dem Bauch herausSie weint so schmerzlichTief aus dem Herz heraus.

Sie ist schon lange totDoch gestorben ist sie nicht

Denn Sie ist IchUnd ich bin Sie

von Uschi

99 Luftballons

Ich möchte euch eine Geschichte erzählen, die traurig und wunderbar berührend zugleich ist. Sie ist wahr, sie ist nicht spektakulär. Erzählt hat sie mir ein guter Bekannter, der Bestatter von Beruf ist. Nur er hat davon gewusst, sie wird ihn sein Leben lang begleiten und mich auch. Ich bin ihm dankbar, daß er sie mit mir geteilt hat.

Ein 13 jähriges Mädchen starb in Schleswig-Holstein an Krebs, an Leukämie. Vor ihrem Tod äußerte sie Wünsche, bzgl. ihrer Beerdigung. Sie wünschte sich, daß an ihrem Grab das Lied von Nena "99 Luftballons" gespielt werden sollte. In der Kirche sollten sich 99 gasgefüllte Luftballons befinden. Am Ende des Trauergottesdienstes durften sich die Trauergäste einen dieser Ballons nehmen und so, wie es der Wunsch des Mädchens war, an ihrem Grab zu dem Lied steigen lassen.

Mein Bekannter, der mit den Beerdigungsformalitäten beauftragt war, orderte 100 Ballons, einfach weil es eine runde Zahl ist. Diese deponierte er zu Beginn des Gottesdienstes in der Kirche. Als dann die Musik einsetzte löste sich einer der Ballons und stieg hinauf zur Kirchendecke.

von Manu

ICH WILL LEBEN.Ich halte fest an dieser ERDE.

Schlage Wurzeln auf felsigem Grund.Klammere mich an dürre HoffnungenWerde ich unbemerkt bleiben?Wird mich jemand finden?Wird ein Winstoß mich entwurzeln,die Sonne mich wärmen?Meint es dass LEBEN gut mit mir?Ich halte fest an dieser Erde,trotz aller Angst und Not.ICH WILL LEBENWo man nicht leben kann.ES GIBT KEINEN ANDEREN ORT.

von UB.

Am Abgrund

Am Abgrund des Lebens stand ich schon sehr oft,rief verzweifelt nach Hilfe,doch was ich sah war nur ein tiefes Loch.Familie und Freunde waren immer für mich da,doch keiner sah was wirklich mit mir geschah.Im laufe der Jahre vereinsamte ich,an der Migräne so langsam mein Leben zerbricht.Und wieder stand ich am Abgrundwie schon so oft in meinem Leben,schrie nach Hilfe,wer konnte sie mir geben.Das Internet? Google?Das Thema Migräne war dort schon ein Begriffaber richtig Hilfe fand ich auch nicht.In nächtelanger Arbeit er-schuf ich es dann,mein erstes Forum womit alles begann.Ich war nicht mehr alleine,das merkte ich baldwurde endlich verstanden,mehr als eine Freundschaft entstand.Fast jeden Tag kommen neue Geschichten,die uns vom jahrelangen Leiden berichten.Ich stand nun nicht mehr alleine dort,der Abgrund war jetzt ein gemeinsamer Ort.Es sind viele gegangen, doch einige bliebendas sind echte Freunde fürs ganze Leben.

von Vroni

Ein Blick, in weite FerneHat mich dort jemand gerne?War viel zu oft, zu lang alleinUnd verlor die Welt, die war mein HeimEinsam, ohne festen HaltWurde mein Herz kaltWenn alles zerbrichtJedes Licht erlischtBald bereitTodgeweiht?Im Tief gelandet, Schmerz erlebtDann ein Funken sich erhebtUnd scheint auch jede Flamme fortSo ist er doch, ganz sicher, dortBereit zu entzünden, Licht zu erstrebenFür ein neues, besseres Leben

von Mi.

Gruß des Engels

Sterne am HimmelszeltStrahlen so hellVerleihen der NachtEin festliches GewandFreudetrunkenLeben, andernfalls TraumFreier FlugMüheloses SchwebenAuf den Schwingen getragenDem Himmel so nahJubilierenVom sanften PurpurflügelUmschlungenDu bist daGanz nahKann deinen Flügelschlag spürenGruß des Engels

von Susanne Ulrike Maria Albrecht

Ich schaue zu den SternenSiehst Du Sie auch?Ein Regenbogen, zeigt er uns den Weg?Zu dir, zu mir, zu uns?Dort, wo wir uns wieder treffenUns halten, fühlen, liebenUnd bist Du auch fernDer Himmel schwarzDie Nächte kalt und leerSo ist gewiss!Wir sehen uns wiederOb früh, ob spät, wir finden den Weg

von Mi.

Erfreue dich des LebensSolange es geht, sonst ist’s zu spät!Bomben fallen, Leben stirbtNachbarn morden sichMenschen töten TiereJeder ist sich selbst am nächsten

Zerstört die WeltNichts, was sie hältSchlagt ein, macht mitTötet jedes andere GesichtDoch am Ende, beklagt euch nichtWenn alles auseinanderbrichtWollt ihr dies vermeiden?Dann solltet’s euch beeilenJeder trägt seinen Teil dazuOb laut oder in Ruh

Jedes Tier, dass nicht für euch sterben mussteJeder Mensch, dem ihr helft oder eine Freude machtJedes Lächeln, dass ihr schenktJedes Verzeihen, dass Streit besiegtMacht die Welt wieder besserHilft, sie zu erhalten

So warte nicht auf die Rettung der WeltAuch Du bist’s, der sie hältBeginne jetzt und mache mitVeränderung braucht dein GesichtAusreden zählen hier mal nichtWollen wir verhindern, dass das Leben brichtDu kannst helfen, zu vermeidenDas Ende, wenn wir uns beeilenUnd tragen Hoffnung wir dazuFindet unser Herz auch Ruh

von Mi.

Einzigartig

"Du bist auch noch hier?" Die Stimme war leise, aber ich wusste gleich, wem sie gehörte, noch bevor ich mich umdrehte. Sie war in meinem Alter, heute erst eingeliefert worden, und war durch die obligatorische Vorstellungsrunde auf unserem Flur geschickt worden. Flur 309, Abteilung für psychiatrische, psychologische und psychosomatische Medizin. Das "Diagnose-Raten" fiel bei ihr weg, denn es war offensichtlich. Dass sie es überhaupt geschafft hatte, die Treppen herunter zum Innenhof, auf dem ich gerade stand, zu laufen, kam mir schon vor wie ein Wunder. Ich riss mich zusammen, um nicht wie ein Spanner ihren abgemagerten Körper anzustarren, und versuchte, mich auf das Gespräch einzulassen, das sie offensichtlich suchte.

Ich sagte ihr, dass ich am Abend - und ich ertappte mich dabei, wie ich bewusst vermied, nachzufügen "nach dem Essen" - gern noch im Innenhof säße. Sie fragte nach einer Zigarette und ich reichte ihr meine Packung und mit knochigen Fingern griff sie danach.

Worüber wir an diesem Abend genau redeten, weiß ich heute nicht mehr. Aber wir trafen uns ab diesem Abend täglich. Immer im Innenhof. Nach dem Essen, das sie nicht herunterbekam. Genau so wenig wie die kleinen Fresubinpäckchen, die sie zitternd umklammerte vor der Medikamentenausgabe. Zwei Tage später kamen ihre Nährstoffe durch eine Kanüle. Einmal hörte ich zwei Patientinnen lästern, sie sei wohl nur zum Sterben hier hergekommen.

Ich hatte nicht den Eindruck, zu ihr vordringen zu können, auch wenn unsere Innenhof-Gespräche intensiver wurden. Wie intensiv konnten sie auch werden, dachte ich, denn an dem Tag, als sie ankam, war es meine letzte Klinikwoche. Am vorletzten Tag saß ich wieder in der Ergotherapie, die ich seit Beginn verabscheute. Vor mir lag ein Klumpen Keramik-Knetmasse. Diese Dinger, die an der Luft aushärten und mit denen ich im Kindergarten schon genau so ungeschickt hantiert hatte wie jetzt. Ich drückte lustlos auf dem Klumpen herum und dachte plötzlich, er sähe

wie eine kleine Schnecke aus. Und tatsächlich formte ich dann auch so etwas wie eine Schnecke und kratzte mit einem Spieß "Du bist einzigartig" hinein. Es war das erste, das mir einfiel. Als ich es sah, wollte ich es ihr zum Abschied schenken. Ich hatte den Gedanken, dass ihr jemand endlich mal sagen sollte, dass sie einzigartig ist. Jeder Mensch ist das, aber viele haben es vergessen.

"Hey, du hier?"Drei Jahre später. Sommer in Roskilde. Eine Woche "Orange Feeling".Ich hätte sie fast nicht erkannt. Sie hatte die Haare etwas kürzer als damals in der Klinik, und sie passte mit einem normalgewichtigen Körper in ein flatterndes Sommerkleid. Sie strahlte mich an. Meine Überraschung war komplett. Das war sie nun also, sie, von der jemand sagte, sie sei zum Sterben vor ihrem 20. Geburtstag verdammt. Sie war hier. Einige hundert Kilometer von unseren beiden Heimatstädten entfernt in einem anderen Land. Wir gingen vom See zu meinem Zeltplatz, währenddessen redete sie unaufhörlich. Von ihrem neu begonnenen Studium und ihrem Freund, den sie seit einem Jahr hatte und den sie mir gleich mal vorstellen wolle. Als wir uns hinsetzten, kramte sie in ihrer Tasche. "Weißt du, was ich noch von dir habe?" fragte sie. Sie wickelte es aus einem Taschentuch. Es war etwas angeschlagen, aber drei Worte darin waren noch gut lesbar: "Du bist einzigartig."

von Natalja

Danksagung

Unser herzlichster Dank gilt allen beteiligten Autoren.

Die Beiträge spiegeln ausschließlich die persönlichen Meinungen ihrer jeweiligen Verfasser wieder.

Alle Rechte der Veröffentlichung liegen bei den Autoren.Jegliche Reproduktion nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung.

Titelfoto: Daniel HerbergGrafiken: Isabelle und Daniel Herberg

Herausgeber:

Saoghal - Eine verzauberte Weltwww.saoghal.de

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Januar 2013