Untersuchung der Einflüsse von Mehrschichttechniken und ...Stefanie... · Polymerisation stress...
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Untersuchung der Einflüsse von
Mehrschichttechniken und Lichthärtungsmethoden
auf die Polymerisationsspannung in
Kompositrestaurationen
Der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr. med.dent.
vorgelegt von
Stefanie Hagspiel
aus Nürnberg
1
Als Dissertation genehmigt
von der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung: 28.04.2014
Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Schüttler
Gutachter:
Prof. Dr. Axel Voß
Prof. Dr. Anselm Petschelt
1
INHALTSVERZEICHNIS
1. ZUSAMMENFASSUNG 4
1.1. Einleitung 4
1.2. Material und Methode 4
1.3. Ergebnisse 4
1.4. Klinische Schlussfolgerungen 5
2. ABSTRACT 6
2.1. Introduction 6
2.2. Material and Methods 6
2.3. Results 6
2.4. Clinical considerations 7
3. EINLEITUNG 8
4. STAND DER TECHNIK 9
4.1. Historie der Komposite 9
4.2. Materialkunde 10
4.3. Entwicklung von Dentinbondingsystemen 12
4.4. Ansätze zur Reduzierung der Polymerisationsspannungen 14
4.4.1. Inkrementtechnik 15
4.4.2. Modifikationen des Kompositmaterials 16
4.4.3. Lichtpolymerisationstechniken und Gerätetypen 18
5. ZIELSETZUNG 20
6. MATERIAL UND METHODE 21
6.1. Versuchsaufbau 21
2
6.2. Versuchsprotokoll 23
6.3. Aushärtungstechniken 24
6.3.1. Hardstart 24
6.3.2. Softstarttechniken 24
6.4. Füllungstechniken 26
6.5. Statistische Auswertung der Ergebnisse 27
7. ERGEBNISSE 28
7.1. Eichung 28
7.1.1. Eichung der Spannungsmesswerte 28
7.1.2. Eichung der Polymerisationslampe 29
7.1.3. Eichung der Reaktionstemperatur 30
7.2. Temperaturentwicklung 30
7.3. Beeinflussung der Polymerisationsspannung durch Bonden des Kavitätenbodens 31
7.4. Vergleich der Belichtungsarten 38
7.4.1. Softstart1-Versuche 39
7.4.2. Softstart2-Versuche 39
7.4.3. Gegenüberstellung zwischen Softstart1- und Softstart2-Versuchen 40
7.5. Inkrementtechniken 40
7.6. Gegenüberstellung aller Versuchsreihen 43
7.7. Charisma und Tetric ceram 45
8. DISKUSSION 48
9. AUSBLICK 53
10. LITERATURVERZEICHNIS 54
11. ANHANG 58
11.1. Kennlinie Silizium-PIN Fotodiode SFH 202 58
11.2. Nomenklatur der Versuchsreihen 58
4
1. Zusammenfassung
1.1. Einleitung
Die während der Lichthärtung auftretenden Polymerisationsspannungen in
Kompositrestaurationen haben einen negativen Einfluss auf ihre Randqualität und
Langlebigkeit. Die Reduktion dieser Spannungen durch Lösungsansätze wie
Softstartbelichtung, Pulsbelichtung und verschiedenen Inkrementschichtverfahren werden in
einer experimentellen Kavität analysiert. Erstmals wurde nicht nur die reine „wall-to-wall“-
Kontraktion, sondern auch der Einfluss einer zusätzlichen Bodenhaftung bestimmt.
1.2. Material und Methode
Die Polymerisationsspannungen zweier Komposite (Tetric Ceram, Vivadent, Ellwangen und
Charisma, Heraeus Kulzer, Wehrheim/Ts.) wurden in einer experimentellen metallischen
Kavität (5x5x10mm) nach verschiedenen Belichtungsmustern (Hardstart, Softstart langsam
und schnell) und Schichttechniken (horizontal, oblique) bestimmt. Neben reiner Haftung an
den Kavitätenwänden wurden die Versuche (n=3) auch mit zusätzlicher Bodenhaftung
durchgeführt. Die über einen Dehnungsmessstreifen aufgenommenen Daten wurden jeweils
über einen Zeitraum von 30 min aufgezeichnet.
1.3. Ergebnisse
Die Polymersationsspannungen ohne bzw. mit Bodenhaftung betrugen bei Hardstart
1,52±0,05 MPa bzw. 1,82±0,10 MPa (p<0,05) und schnellem Softstart 1,15±0,25 MPa bzw.
1,73±0,13 MPa (p<0,05), bei langsamem Softstart 1,31±0,13 MPa bzw. 1,36± 0,05 MPa
(p>0,05). Durch die Bodenhaftung erhöhte sich die Spannung um 20-50%. Die
Softstarttechnik (Softstart langsam) konnte die Spannung um bis zu 25% reduzieren, der
Einfluss der zusätzlichen Bodenhaftung war dann kaum nachweisbar. Wie erwartet
reduzierten die Inkrementtechniken die Polymersationsspannung ohne Bodenhaftung auf
1,09±0,04 MPa bei horizontaler Schichtung und 0,71±0,13 MPa bei obliquer Schichtung
(p<0,05). Mit Bodenhaftung war die Spannung bei Softstart und Inkrementtechnik ähnlich.
Der Vergleich der beiden Komposite ergab keine signifikanten Unterschiede. Bei Tetric
Ceram zeigte sich lediglich eine höhere Reaktionswärmeentwicklung.
5
1.4. Klinische Schlussfolgerungen
Bis dato wurde die Polymerisationsspannung als reine „wall-to-wall“-Kontraktion gemessen.
Tatsächlich ist aber der Einfluss der in der klinischen Kavität vorhandenen Bodenhaftung - sie
trägt ja auch zur Stabilität der Restauration bei - nicht unwesentlich. Nicht nur die
Softstarttechniken mit zeitlich verzögerter Belichtungsintensität, auch die Schichttechniken
werden beeinflusst. Trotzdem bleiben diese Schichttechniken der einfachen Bulktechnik mit
konventioneller Belichtung überlegen.
6
2. Abstract
2.1. Introduction
Polymerisation stress during light curing of composite resin restorations influences their
marginal properties as well as their longevity. Reduction of this stress via softstart light
curing, pulsing light and various incremental techniques are analysed in an experimental
cavity. In a new design not only the so called wall-to-wall contraction is estimated, but in
addition the influence of the adhesion to the floor of the cavity.
2.2. Material and Methods
Polymerisation stress of two composite resins (Tetric Ceram, Vivadent, Ellwangen und
Charisma,Heraeus Kulzer, Wehrheim/Ts.) are measured in an experimental metallic cavity
(5x5x10mm) using curing techniques as hardstart and softstart (slow and fast) and
incremental techniques (horizontal and oblique). Parallel to pure adhesion to the cavity walls,
experiments were done with adhesion to the cavity floor. Data were recorded for 30 minutes.
2.3. Results
Polymerisation stress without and with adhesion to the floor were 1,52±0,05 MPa and
1,82±0,10 MPa respectively using hardstart (p<0,05), 1,15±0,25 MPa and 1,73±0,13 MPa
respectively using fast softstart (p<0,05), and 1,31±0,13 MPa and 1,36± 0,05 MPa )
respectively using slow softstart (p>0,05). Adhesion to the cavity floor may increase stress up
to 20-50%. Softstart (slow softstart) is able to reduce stress up to 25%, the influence of the
additional adhesion to the floor is hard to be proved.
As suspected, the incremental techniques reduce the polymerization stress without adhesion to
the floor to 1,09 ±0,04 MPa with horizontal layers and 0,71 ±0,13 MPa with oblique layers
(p<0,05). With adhesion to the floor there are similar stress results for softstart and
incremental techniques. The comparison of the two composite materials showed no
significant differences, only Tetric Ceram results in a higher development of the reaction
temperature.
7
2.4. Clinical considerations
Until now polymerisation stress was read purely as „wall-to-wall“-contraction. It could be
shown that adhesion to the floor of the cavity has a distinct influence – beside it is important
for the stiffness of the tooth and the restoration. Softstart techniques with a reduced light
intensity as well as incremental techniques are affected. Anyhow these incremental techniques
are superior the bulk fillings with conventional light curing.
8
3. Einleitung
Die moderne Zahnheilkunde wird zunehmend von dem Gedanken der Ästhetik geprägt. Das
hängt mit dem Schönheitsideal unserer Gesellschaft zusammen, das uns Modewelt und
Medien täglich vorhalten, einem makellosen schlanken jugendlichen Körper in Verbindung
mit einem strahlend weißen Lächeln. Scheinbar kann nur der erfolgreich sein, der diesem
Ideal nahe kommt. So ist es leicht zu erklären, dass die Nachfrage nach zahnfarbenen
Füllungsmaterialien auch im Seitenzahnbereich in den letzten Jahren immer mehr ansteigt.
Nicht zuletzt hat auch der seit Jahren ausgetragene Streit um die Nebenwirkungen des
quecksilberhaltigen Amalgams dazu geführt, dass verstärkt nach alternativen Materialien
gesucht wurde, die auch im Seitenzahnbereich langlebige und ästhetische Versorgungen
ermöglichen. Dies ist durch die Weiterentwicklung zahnfarbener Komposit-Materialien
gelungen. Allerdings sind diese Materialien ebenfalls nicht frei von Nebenwirkungen. So
konnten In-vitro-Versuche die Mutagenität verschiedener Methacrylate nachweisen. Ähnlich
wie bei Amalgam ist aber auch hier die Gefahr für den Patienten aufgrund der geringen
Mengen, die der Körper aufnimmt, wohl vernachlässigbar [14],[16],[30],[36],[39].
Ein weiteres Problem der Kompositrestaurationen stellt die in der Aushärtungsphase
auftretende Polymerisationsspannung dar. Dadurch können Randspalten sowie postoperative
Schmerzempfindlichkeiten entstehen. In der vorliegenden Studie wurden Lösungsansätze zur
Reduzierung der Polymerisationsspannung untersucht und miteinander verglichen.
9
4. Stand der Technik
4.1. Historie der Komposite
Zu Beginn der Entwicklung der Kompositmaterialien wurden die bereits in der Prothetik als
Prothesenkunststoffe verwendeten Acrylate als Füllungswerkstoffe eingesetzt. Diese konnten
allerdings aufgrund ihrer extrem hohen Polymerisationsschrumpfung von 6 bis 8 Vol% und
der damit verbundenen frühzeitigen Spaltbildung an den Kavitätenwänden, des
pulpaschädigenden Restmonomergehalts, der hohen Abrasionsneigung sowie der raschen
Verfärbungen in der Praxis nicht bestehen. Die nächste Stufe bildeten Kunststoffe, denen zur
Reduzierung der Polymerisationsspannung Füllstoffe zugegeben wurden. Da aber der
Verbund zwischen Kunststoffmatrix und Füllkörper noch zu schwach war, wiesen diese
Materialien schlechte physikalische Eigenschaften auf. Neben einem geringen
Elastizitätsmodul, geringen Druck-, Zug- und Biegefestigkeiten war auch eine niedrige
Abrasionsfestigkeit zu beobachten. Erst 1962 gelang es BOWEN mit der Entwicklung eines
aromatischen Dimethacrylates1 und silanisierten Füllstoffpartikeln eine chemische Bindung
zwischen organischer Matrix und anorganischen Füllern herzustellen. Damit wurden die
physikalischen Eigenschaften deutlich verbessert [14],[16]. Diese so genannten
konventionellen Komposite2 haben den Nachteil, dass ihre großen Füllkörper (Makrofüller
0,1-100 µm) zu einem relativ hohen Verschleiß und damit einer rauen Oberfläche führen. Aus
diesem Grund entwickelte man mikrogefüllte Kompositmaterialien mit einer Füllkörpergröße
unter 1µm, die hochglanzpolierbar sind, jedoch geringe Festigkeiten sowie eine hohe
Polymerisationsspannung aufweisen.
Darauf folgende Entwicklungsstufen stellen heute die Hybrid-Komposite dar. Sie
kombinieren die guten Eigenschaften der konventionellen Komposite mit denen der
mikrogefüllten durch Einbettung feinkörniger Makrofüller in eine mikrogefüllte Matrix. Bei
den so genannten Feinpartikel-Hybriden beträgt die Korngröße der Makrofüller weniger als
2µm, wodurch sie eine nahezu gleich gute Ästhetik im Vergleich zu den mikrogefüllten
Kompositmaterialien aufweisen. Die Polymerisationsschrumpfung beträgt bei diesen
Materialien 1,7-5,7 Vol% [6],[16],[18],[31],[47].
1 Bisphenol A-Glycidylmethacrylat = Bis-GMA, siehe Abb. 1, Seite 10 2 composite material, engl. für Verbundwerkstoff (lat. componere = zusammenfügen)
10
4.2. Materialkunde
Der Grundaufbau moderner Kompositmaterialien besteht aus einer organischen
Kunststoffmatrix mit darin eingebetteten anorganischen Füllkörpern, die über eine
Silanschicht gebunden werden. Weitere Bestandteile sind Photoinitiatoren, die zum Starten
der Polymerisationsreaktion notwendig sind, Stabilisatoren zur Vermeidung einer vorzeitigen
Polymerisation, Pigmente zur Farbgebung, ergänzt um sonstige Zusätze wie Weichmacher,
Lichtschutzmittel sowie optische Aufheller. Hauptbestandteil der organischen Matrix stellen
Dimethacrylate dar, z.B. Bisphenol-A-Glyzidyl-Methacrylat (Bis-GMA). Durch den Zusatz
kurzkettiger Komonomere wie Triethylenglycoldimethacrylat (TEGDMA, Abb. 2) wird die
hohe Viskosität von Bis-GMA reduziert und somit eine bessere Verarbeitbarkeit erzielt.
Dadurch wird jedoch die Polymerisationsspannung verstärkt und die Toxizität des Materials
erhöht, da sie in hohem Maße aus dem Komposit eluiert werden [32],[36].
Abb. 1: Chemische Formel Bisphenol-A-Glyzidyl-Methacrylat (Bis-GMA)
Abb. 2: Chemische Formel Triethylenglycol-dimethacrylat
(TEGDMA)
Die anorganischen Füllkörper, im wesentlichen Quarze und Silikate, dienen der Verbesserung
der physikalischen und mechanischen Eigenschaften hinsichtlich Druck- und Zugfestigkeit,
Elastizitätsmodul, Abrasionsfestigkeit, Polymerisationsspannung, thermischer
Expansionskoeffizient und Wasseraufnahme.
Zur Einbindung der Füllpartikel in die Matrix werden Silanisierungsmittel wie 3-
Methacryloxypropyl-trimethoxysilan verwendet. Dabei reagiert die Methoxygruppe des
Silans mit dem Silizium der Partikeloberfläche zu Si-O-Si-Verbindungen, und der
Methacrylsäurerest polymerisiert mit der organischen Kunststoffmatrix [16],[27].
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Kunststoffmatrix Chemische Bezeichnung
Monomer
Komonomer
Initiator (Autopolymerisat)
Initiator (Photopolymerisat)
Akzelerator (Autopolymerisat)
Inhibitor
BisGMA (Bowen-Monomer), UDMA
TEDMA, EDMA
Benzoylperoxid
Kampferchinon
Dihydroxyethyl-p-Toluidin
Eugenol
Haftvermittler Methacryloxypropyl-trimethoxysilan
Füllkörper
Makrofüller
Mikrofüller
Quarz, Gläser, Lithium-Aluminium-Silikat
Feinstteiliges SiO2
Tab. 1: Zusammensetzung von Kompositen nach GEURTSEN [16]
Über eine sogenannte lichtaktivierte radikalische Polymerisation erfolgt die Verknüpfung der
Monomere zu dem polymeren Komposit. Dazu wird mittels Lichtenergie, dessen
Wellenlängenbereich sich mit dem Absorptionsspektrum des Initiators decken muss (in der
Regel 360 - 520nm), unter Zuhilfenahme eines chemischen Aktivators der Photoinitiator (z.B.
Kampferchinon) in ein freies Startradikal (R•) umgewandelt. Dieses löst durch Entkopplung
der Doppelbindungen im Monomer eine Kettenreaktion aus, die eine Verkettung der
Monomermoleküle miteinander zur Folge hat (Abb. 3) [26],[27],[14].
Abb. 3: Polymerisationsreaktion
Die Kettenbildung führt zu einer Volumenreduktion um ca. 2-3 Vol%. Nach ca. 10 Minuten
sind etwa 75% der Polymerisation abgeschlossen, nach der Belichtungszeit geht die
Aushärtung noch mindestens 24 Stunden weiter [46].
Bis zu einem bestimmten Grad der Polymerisationsreaktion, dem Gelpunkt, können
nachfliessende Einzelketten aus nicht quervernetzten Arealen die durch die Schrumpfung
entstehende Spannung im Komposit noch ausgleichen. Man nennt diese Phase der
Polymerisationsreaktion, in der das Material noch fließfähig bzw. plastisch ist, auch Prä-Gel-
Phase. Chemisch gesehen erhöht sich durch zunehmende Vernetzung die Viskosität, so dass
in der Post-Gel-Phase der Kunststoff vollständig erstarrt ist. Ein Spannungsabbau tritt in der
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Post-Gel-Phase nur in geringem Masse durch Wasseraufnahme auf [6],[10],[18],[22],[27],
[41],[43],[45].
4.3. Entwicklung von Dentinbondingsystemen
Da, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, die Kompositmaterialien immer eine gewisse
Schrumpfung bzw. Polymerisationsspannung aufweisen, ist es notwendig eine ausreichende
Haftung zwischen der Füllung und den Kavitätenwänden zu gewährleisten, um Spaltbildung
und damit undichte Füllungen zu vermeiden. Zu diesem Zweck wurde die Adhäsivtechnik
entwickelt, bei der die Haftung durch ein zusätzlich aufgebrachtes Adhäsiv verbessert wird.
Dadurch wird einerseits die Stabilität der Füllung sowie der Restzahnsubstanz erhöht und
andererseits die Pulpa wirksam geschützt. Zusätzlich kann die elastische Adhäsivschicht
zwischen Komposit und Zahnhartsubstanz Spannungen abpuffern.
Bei der Durchführung des Verfahrens wird im Schmelz zunächst ein retentives Ätzmuster mit
37% Phosphorsäure erzeugt (Abb. 4), in dem sich der niedrigviskose Sealer verankern kann.
Dies ist an der Schmelzfläche aufgrund der unterschiedlichen Löslichkeit der
Hydroxylapatitkristalle der Schmelzprismen einfach durchzuführen.
Abb. 4: Rasterelektronenmikroskopi-sche
Aufnahme eines typischen Ätzmusters im
Schmelz nach Ätzung mit 37%
Phosphorsäure für 30s [17].
13
Im Dentin ist die Retention schwieriger herbeizuführen, weil die Dentintubuli mit dem
sogenannten Dentinliquor gefüllt sind, der im Gegensatz zum hydrophoben Kompositmaterial
hydrophil ist und sich deshalb nicht mit dem Kunststoff verbindet. Außerdem bildet sich beim
Beschleifen der Dentinoberfläche eine Schmierschicht3, die zum einen die Tubuli verschließt
und zum anderen einen direkten Kontakt zum Dentin verhindert (Abb. 5).
Abb. 5: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme
und Schemazeichnung einer Schmierschicht auf dem
Dentin [17].
Aus diesem Grund wurden Dentinbondingsysteme entwickelt, die diese Schmierschicht
auflösen und durch den Einsatz eines hydrophilen Primers in Kombination mit einem
hydrophoben Adhäsiv die Verbindung zwischen Kunststoffmatrix und Dentinoberfläche
schaffen. Zunächst wurden nur schwache Säuren zur Auflösung der Schmierschicht
verwendet, weil man fürchtete, es könne sonst zu Pulpairritationen kommen.
1978 hat FUSAYAMA als Erster die Totalätztechnik empfohlen, das heißt eine komplette
Ätzung der Schmelz- und Dentinoberfläche mit 37% Phosphorsäure, wobei das Dentin dabei
nur 15s lang angeätzt werden darf. Diese Ätz-Technik gewährleistet einen optimalen
Randschluss [7]. Durch die Säureapplikation wird im Dentin ein sehr instabiles
Kollagennetzwerk freigelegt, in das der hydrophile Primer eindringt. Er bildet dort die so
genannte Hybridschicht, die die mikromechanische Verankerung mit dem Adhäsiv
ermöglicht. Falls es jedoch nach dem Ätzen zur Austrocknung des Kollagennetzwerks
kommt, kann eine ausreichende Retention nicht gewährleistet werden. Damit ist eine
3 engl: smear layer
14
randdichte Füllung nicht möglich und es kommt in der Folge zu einer Pulpaschädigung, weil
über die durch die Säure freigelegten Dentintubuli Mikroorganismen zur Pulpa gelangen
können (Abb. 6).
Abb. 6: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen einer mit Phosphorsäure
konditionierten Dentinoberfläche. Im feuchten Dentin (links) ist deutlich die
aufgelockerte Struktur des Kollagennetzwerkes zu erkennen, während beim
getrockneten Dentin das Kollagennetzwerk kollabiert ist (rechts) [17].
Um dem Problem des schnellen Austrocknens der Kollagenfaserschicht bei der
Totalätztechnik zu begegnen wurden in den letzten Jahren selbstkonditionierende
Bondingsysteme entwickelt, die säurehaltige Primer verwenden, wodurch auf die
Phosphorsäureätzung verzichtet werden kann.
Auf die Polymerisationsspannungen innerhalb der Füllung hat das Dentinbonding einen eher
negativen Einfluss, da es durch die Haftung an allen Kavitätenwänden kaum noch zum
Ausgleich von Spannungen durch Nachfließen freier Polymerketten kommt. Aus diesem
Grund wurden gefüllte Adhäsive (z.B. „Optibond Fl“ von Kerr, „Solid bond“ von Kulzer)
entwickelt, die durch ihren Füllstoffgehalt eine dickere elastische Schicht zwischen Komposit
und Zahnhartsubstanz bilden und dadurch als „Stresspuffer“ bei Belastung dienen
[4],[17],[10].
4.4. Ansätze zur Reduzierung der Polymerisationsspannungen
Die aufgrund der oben beschriebenen Effekte auftretenden Spannungen in
Kompositrestaurationen können Frakturen an der Adhäsionsfläche bewirken, die wiederum zu
15
Randspalten und im weiteren Verlauf zu Sekundärkaries führen. Es kann darüber hinaus zu
Mikrorissen im Restaurationsmaterial sowie zu Deformationen der Zahnkrone kommen.
Dadurch werden bereits bestehende Schmelzrisse geöffnet und postoperative
Schmerzempfindlichkeit ausgelöst [45],[31].
Es war also im Laufe der Entwicklung der Kompositrestaurationen von besonderer Bedeutung
Lösungswege zur Reduzierung der Polymerisationsspannung zu finden. Im Folgenden werden
verschiedene Lösungswege dargestellt.
4.4.1. Inkrementtechnik
Eine Möglichkeit besteht in der Anwendung einer geeigneten Restaurationstechnik, das heißt
durch Einbringen des Füllungsmaterials in mehreren Schichten mit spezieller Anordnung.
Dabei soll ein Spannungsausgleich zwischen den aufeinander folgenden Inkrementen
stattfinden. Bei der Anwendung einer Mehrschichttechnik mit horizontalen Inkrementen
kommt es allerdings in jeder Schicht bereits zu einer Deformation der Kavitätenwände,
während die so genannte oblique Inkrementtechnik nur mit der letzten Schicht die
gegenüberliegenden Kavitätenbereiche miteinander verbindet (Abb. 7) [40],[42],[43].
Abb. 7: Schemazeichnung der Inkrementtechnik. Nach VERSLUIS ET AL. [43] gibt es vier
verschiedene Möglichkeiten für eine schichtweise Füllungsmethode: (A) facio-lingual, (B)
gingivo-occlusal, (C) diagonal und (D) U-diagonal.
Wichtig für eine erfolgreiche Schichttechnik ist ein möglichst kleiner „Configuration-factor“
(C-Faktor). Je größer der Anteil der ungebundenen Kompositoberfläche im Vergleich zur
Gebundenen ist, umso kleiner ist der Wert des C-Faktors und damit die Spannungen in der
Füllung. Der C-Faktor sollte immer kleiner als 1 sein, damit ein Ausgleich von Spannungen
möglich ist [5],[31].
16
Oberflächeeungebunden
gebundeneFaktorC =− (1)
In jedem Fall gewährleistet die Inkrementtechnik die Durchhärtung des Komposits durch die
mehrfache Härtung kleinerer Teilvolumina. Die Schichtdicke darf 4mm nicht überschreiten,
ideal sind Schichtstärken von 1mm [31],[42],[47].
4.4.2. Modifikationen des Kompositmaterials
Für die Größe der Polymerisationsspannung im Material sind der Füllstoffgehalt und der E-
Modul der Matrix ausschlaggebend. So wurde die Weiterentwicklung der Komposite im
Wesentlichen von der Erhöhung des Füllstoffanteils bestimmt [47].
Ein Ausgleich der Spannungen über die Elastizität des Werkstoffs soll mit den so genannten
Flowkompositen erfolgen, die durch ihre starke Fliessfähigkeit als Stresspuffer am
Kavitätenboden wirken können. Auch die gefüllten Adhäsivsysteme funktionieren nach dem
Prinzip der Bildung einer elastischen Zwischenschicht [3],[14].
Da die Erhöhung des Füllstoffgehalts gleichzeitig auch zu einer verminderten Elastizität führt,
hat man mit der Entwicklung von Solitaire2 (Fa. Heraeus-Kulzer) versucht, die Stopfbarkeit
nicht nur durch den Füllstoffgehalt zu erreichen. Durch Beigabe multifunktioneller
Monomere, die mehr Bindungsstellen als Bis-GMA besitzen in Kombination mit SiO2-
Füllkörpern, wurde eine höhere Quervernetzung erreicht. Dadurch soll bei diesem Material
die Prä-Gel-Phase verlängert sein, also noch ausreichend Zeit für ein Nachfließen von der
freien Oberfläche bestehen [12].
Auch bei den sogenannten Ormoceren, die zur Materialgruppe der matrixmodifizierten
Komposite gehören, wird eine höhere Vernetzbarkeit durch zusätzliche Verwendung
anorganischer Si-O-Ketten erreicht, die zu langen Polysiloxanketten mit Methacrylatgruppen
zusammengesetzt sind. Durch diese langkettigen Strukturen ist eine höhere Konversionsrate
der Monomere gegeben und damit die Polymerisationsspannung geringer als bei
konventionellen Kompositen (Abb. 8) [12],[14].
17
Abb. 8: Schema des Grundgerüstes von Ormocer [5].
Die neueste Weiterentwicklung auf dem Gebiet der adhäsiven Füllungsmaterialien stellen die
schrumpfreduzierten Komposite dar. Bei einer Untergruppe wird eine Spannungsreduktion
durch Verzicht auf kurzkettige Monomere erreicht. Monomere mit hohem Molekulargewicht
(z.B. UDMA, Bis-EMA) führen zu geringeren Polymerisationsspannungen aber auch größerer
Viskosität als solche mit niedrigem Molekulargewicht (z.B. TEGDMA). Die zweite
Untergruppe erreicht durch die Erhöhung des Füllkörpervolumens, zumeist durch so genannte
Nanofüllkörper, Schrumpfungswerte von maximal 1,7 Vol% [12],[31].
Eine Kombination aus beiden Gruppen findet man bei In-Ten-S (Fa. Ivoclar/Vivadent), das
im Vergleich zu Tetric ceram (Fa. Vivadent) eine um 25% geringere
Polymerisationsspannung aufweist [38]. Mit einem Füllkörpergehalt von 87 Gew. % wird bei
Grandio (Fa. Voco) eine deutliche Verminderung der schrumpffähigen Matrixkomponente
erzielt. Ergänzend verwendet Voco freie Nanofüllkörper zur optimalen Raumausfüllung [25].
Filtek Supreme (Fa. 3M Espe) besteht aus Nanomeren (5-75nm) und Nanoclustern (vernetzte
Agglomerate aus Nanomeren), wodurch ein hoher Füllergehalt und damit eine hohe Festigkeit
des Komposits erzielt werden [1].
Der erfolgversprechendste Ansatz zur Reduzierung der Schrumpfungsspannungen ist die
Verwendung von Siloranen. Diese werden nicht mit Hilfe radikalischer Polymerisation
hergestellt, sondern durch eine kationische Ringöffnungspolymerisation. Der Name leitet sich
von den beiden chemischen Bausteinen der Silorane ab, den Siloxanen und Oxiranen. Die
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Siloxane sind stark hydrophob, wodurch die Haltbarkeit der Kompositfüllungen unter den
feuchten intraoralen Bedingungen sehr gut ist. Außerdem neigen sie weniger zu Verfärbungen
als hydrophile Materialien.
Bei der Polymerisationsreaktion wird der cycloaliphatische Oxiranring durch ein Säurekation
geöffnet (Abb. 9 und Abb. 10) und die Vernetzung erfolgt mit deutlich reduzierten
Spannungs- und Schrumpfungswerten. Dies hängt damit zusammen, dass nach der
Photoinitiation noch für lange Zeit (mind. 20 min.) die Siloranringsysteme geöffnet sind und
deshalb die Spannungen, die durch die Bildung eines dreidimensionalen Netzwerks entstehen,
ausgeglichen werden können [31],[4],[12],[19],[44] .
Abb. 9: Siloran Monomer [44].
Abb. 10: Polymerisationsreaktion von Siloranen durch kationische Ringöffnung [44].
4.4.3. Lichtpolymerisationstechniken und Gerätetypen
Der Polymerisationsverlauf folgt keinen linearen Gesetzen. Zu Beginn des Vorgangs kommt
es zu einer Überschussreaktion mit einem Spannungsmaximum (vgl. Kapitel 4.2). Diese
extremen Spannungen führen gleich zu Beginn zur Ablösung des Komposits von den
Kavitätenwänden [45],[8]. Um diese Reaktionspeaks abzuschwächen wurden neue
Polymerisationslampen entwickelt, die eine so genannte Softstartfunktion besitzen. Sie
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entfalten in den ersten 10s der Belichtung nur 50-60% ihrer Leistung und führen erst danach
die volle Energie zu (z.B. Elipar Highlight, Fa. Espe, Seefeld).
Einen ähnlichen Effekt kann man erzielen, indem man mit einem konventionellen
Polymerisationsgerät zu Beginn der Belichtung für 10s einen Abstand von 2-3cm zur
Oberfläche der Füllung hält und die Lampe erst danach auf der Kavitätenoberfläche aufsetzt.
Diese Technik basiert auf dem für die Lichtintensität geltenden Abstandsquadratgesetzes
[21],[47]:
[ ]²]²[
1~²/
cmscmmWI (2)
I = Lichtintensität; s = Abstand
Die initial niedrigere Energiezufuhr bei der Softstarttechnik führt dazu, dass in der Tiefe der
Kavität die Polymerisationsrate zunächst geringer und dadurch ein Nachfließen von nicht
vernetzten Monomeren zum Spannungsausgleich möglich ist. Die nachfolgende Belichtung
mit voller Intensität ist erforderlich um die gewünschte Endfestigkeit zu erhalten. In der
Literatur wird für diese zweite Belichtungsphase mit 100% der Intensität eine Zeitdauer von
mind. 20s, besser 40s, empfohlen [34],[11],[28].
Um den Polymerisationsprozess nochmals zu verkürzen und damit Arbeitszeit einzusparen,
aber auch um die hohen Betriebskosten der konventionellen Halogenlampen zu reduzieren
wurden die auf Halbleiterdiodentechnik basierenden LED-Lampen entwickelt. Sie zeichnen
sich durch eine deutlich höhere Lebenserwartung, geringeren Stromverbrauch und geringe
Wärmeabstrahlung aus. Sie verfügen allerdings über ein enges Emissionsspektrum zwischen
440-480 nm, welches nur von Materialien mit Campherchinon als Initiator umgesetzt wird
[47]. Eine andere Entwicklung, die der Plasmalampen, sollte zu einer weiteren Verkürzung
der Polymerisationszeit auf 3s führen. Mit diesen Lampen war jedoch keine vollständige
Aushärtung möglich. Weiterhin führten hohe Kosten und nicht zuletzt die Gefahr einer
irreversiblen Pulpaschädigung durch die starke Wärmeentwicklung im Komposit häufig zur
Ablehnung dieses Systems [23].
Ähnliches gilt auch für die mögliche Verwendung eines Argon-Lasers, der kein
kontinuierliches Emissionsspektrum, sondern Emissionslinien aufweist. Initiatoren mit einem
Absorptionsbereich unterhalb von ca. 457 nm können bereits nicht mehr aktiviert werden
[21],[26].
20
Was der Behandler bei allen Lampensystemen beachten muss ist die Tatsache, dass ein Abfall
der Lichtintensität unter 400 mW/cm² zwar geringere Spannungen zur Folge hat, aber auch zu
schlechteren Materialeigenschaften führt wegen unzureichender Aushärtung des Kunststoffs
[35],[33]. Die Lichtleistung sollte jedoch auch nicht zu hoch sein, um zu große
Polymerisationsspannungen zu vermeiden. So empfahlen ILIE ET AL. [19] in ihrer Studie
Lichtleistungen von nicht mehr als 1200 mW/cm². Beim Vergleich von Mini-LED (Fa.
Satelec) mit einer Leistung von 1141 mW/cm² und Bluephase (Fa. Ivoclar/Vivadent) mit 1435
mW/cm² zeigten sich bei Anwendung der Bluephase-Lampe signifikant höhere
Polymerisationsspannungen.
Darüber hinaus kann auch die Richtung der eintreffenden Strahlen einen Einfluss auf die
Schrumpfung des Komposits haben. GENTE & SOMMER [15] konnten nachweisen, dass die
Bestrahlung der freien Oberfläche ungünstig ist. Erfolgt die Lichtleitung über die
Kavitätenwände würde man geringere Spannungswerte erzielen, wenn nicht in vivo der
Großteil des Lichts über die Dentinkanälchen an die Pulpa und nicht an das Kompositmaterial
geleitet würde. Die Autoren schlugen daher die Verwendung von „Licht-Inserts“ vor, bei
denen es insertnah zu einer schnelleren Polymerisation und Schrumpfung kam während aus
der Peripherie der Kunststoff nachfließen konnte. Allerdings konnte dies in der Studie von
CENCI ET AL. [9] nicht verifiziert werden. Bei ihnen ergab sich kein Unterschied zwischen
einer okklusalen Belichtung (Verwendung einer Stahlmatrize) und einer Belichtung mit
Lichtführung über lichtleitende Keile in Kombination mit transparenten Matrizen von
vestibulär und oral.
5. Zielsetzung
Ziel der vorliegenden Untersuchung war herauszufinden, ob einige der oben beschriebenen
Vorgehensweisen signifikant zur Stressreduzierung in Kompositrestaurationen beitragen
können. Zum einen wurden Softstarttechniken und gepulste Belichtungen mit der
konventionellen Lichthärtung verglichen. Zum anderen sollte untersucht werden, in welcher
Form Schichttechniken die Polymerisationsspannung beeinflussen. Es erfolgten dabei nicht
nur Messungen der reinen „wall-to-wall-contraction“. In einem erweiterten Versuchsaufbau
konnte auch die Haftung am Boden der Kavität simuliert werden.
21
6. Material und Methode
6.1. Versuchsaufbau
Die Versuche wurden in einer experimentellen Klasse II-Kavität der Größe 5 x 6 x 10 mm
(Abb. 11) durchgeführt.
Abb. 11: Modell der Versuchsanordnung.
1
5 3
4 8
6
7
6
2
6
9
22
Polymerisationslampe Aluminiumplättchen
Lichtleiter Silikonpuffer
Temperaturfühler Stahlkugeln als Druckpunkte
Dehnungsmessstreifen (DMS) Messingplatte 5mm
Hebelarm
Tab. 2: Legende zu Abb. 11 – Aufbau des Modells der Versuchsanordnung
Eine 5mm starke Messingplatte ( ) mit einer 10 mm langen Ausfräsung sollte die distale
und mesiale Begrenzung verkörpern. In zwei Führungsrinnen rechts und links dieser Platte
konnten Aluminiumplättchen ( ) eingespannt werden, die die bukkale bzw. linguale
Kavitätenwand simulierten. Als Boden der Kavität diente ebenfalls ein kleines
Aluminiumplättchen ( ), das in vertikaler Richtung formschlüssig eingespannt werden
konnte. Die beiden seitlichen Plättchen näherten sich bei Auftreten der
Polymerisationsschrumpfung einander an. Dadurch wurde der Hebelarm ( ) ausgelenkt.
Diese Auslenkung konnte mit Hilfe des Dehnungsmessstreifens ( ) quantitativ erfasst
werden. Auf der Oberseite der Messingplatte war ein Temperaturfühler ( ) zur Messung der
Reaktionswärme angebracht, die im Verlauf der Polymerisation entsteht. Auf der
gegenüberliegenden Seite befand sich ein Lichtleiter ( ), mit dem die Bestrahlungsintensität
der Polymerisationslampe (Fa. Espe, ) geregelt und registriert wurde. Die
Polymerisationslampe konnte mit Hilfe einer Schwenkvorrichtung reproduzierbar positioniert
werden. Der Abstand zur Kavitätenoberfläche betrug 4 mm, wodurch eine optimale
Bestrahlung gewährleistet werden konnte.
Um eine vergleichbare Haftung des Komposits an den Aluminiumplättchen wie durch die
Säureätztechnik in vivo an der Zahnhartsubstanz zu erhalten, wurden die Plättchen mit einem
Rokatektor und Monobond S (Fa. Vivadent Dental GmbH, Ellwangen) silikatisiert und
silanisiert und vor jeder Anwendung mit einem Universalbonding (Heliobond, Fa. Vivadent)
vorbereitet.
9
8
7
6
5
4
3
2
1
23
Über eine speziell entwickelte Software („stress project“) wurden die Signale des
Dehnungsmessstreifens, des Temperaturfühlers und des Lichtleiters über der Zeit
aufgezeichnet.
6.2. Versuchsprotokoll
Die Messungen der Polymerisationsspannungen wurden jeweils mit zwei verschiedenen
Feinpartikelhybriden, Tetric ceram (Fa. Vivadent, Ellwangen) und Charisma (Fa. Heraeus
Kulzer, Wehrheim/Ts.), durchgeführt. Somit konnten neben dem Einfluss der
Prozessparameter wie Beleuchtungsprofil oder Ätztechnik auch Unterschiede im Verhalten
verschiedener Kompositmaterialien untersucht werden. Dabei wurden hier ein sehr weit
verbreitetes und bewährtes (Tetric ceram), sowie ein neueres, weniger erprobtes Präparat
(Charisma) gegenübergestellt. Eine Versuchsreihe umfasste jeweils vier Messungen. Der
Versuchsablauf gestaltete sich wie folgt:
Nach der Silanisierung der Aluminiumplättchen und dem Auftragen des Bondings wurden
diese in die Messvorrichtung wie in Kapitel 6.1 beschrieben eingespannt. Vor jedem Versuch
wurde der Dehnungsmessstreifen auf einen Wert von 1000 Einheiten vorgedehnt, um zum
einen den in der Messelektronik befindlichen Off-Set auszugleichen und zum anderen die
Messungen in einem Messbereich durchführen zu können, in dem ein lineares Verhalten des
DMS sichergestellt ist. Dann wurde das zu untersuchende Kompositmaterial in die Kavität
eingebracht, der Messfühler für die Lichtintensität in der Mitte platziert und der
Temperaturfühler in Kontakt zur Kompositoberfläche gebracht. Die Messwerte des
Temperaturfühlers ermöglichen nur qualitative Aussagen über den Verlauf der
Polymerisation, da der Kontakt des Messfühlers zur Kunststoffoberfläche per Hand nur
schwer reproduzierbar war. Mit Hilfe der Schwenkvorrichtung wurde die
Polymerisationslampe positioniert und das Programm gestartet, das in Abhängigkeit von der
Zeit die Signale des Dehnungsmessstreifen, des Lichtleiters und des Temperaturfühlers
aufzeichnete sowie die Intensität der Lampe steuerte. Die Messdauer betrug für jeden Versuch
30min (1800s = Zeitpunkt T3). Die Ergebnisse wurden je nach Belichtungs- und Fülltechnik
immer nach dem gleichen Zeitintervall (∆T = T3 - T2) nach Ausschalten der
Polymerisationslampe (Zeitpunkt T2) miteinander verglichen. Um Unregelmäßigkeiten der
Messsignale ausschließen zu können, wurden diese in der ersten Minute beobachtet bevor mit
der Aktivierung der Polymerisationslampe die eigentliche Messung begann.
Für jeden Belichtungsmodus, jeden Kunststofftyp und jede Füllungstechnik wurde je eine
Versuchsreihe mit silanisiertem und gebondetem Alubodenplättchen und eine ohne
24
vorbehandelten Kavitätenboden durchgeführt. Dies wurde in der Nomenklatur der
Versuchsreihen wie folgt gekennzeichnet:
O = nicht konditionierter Kavitätenboden
M = konditionierter Kavitätenboden
6.3. Aushärtungstechniken
6.3.1. Hardstart
Unter dem so genannten Hardstart ist eine konstante Belichtung der Kavität mit voller
Energieleistung der Polymerisationslampe (400 mW/cm²) für 300s zu verstehen (Abb. 12).
Diese Methode entspricht (in Relation zur wesentlich kleineren in vivo Kavität) der bisher in
der Praxis üblichen Technik, die Kompositschichten 40s lang mit voller Intensität zu härten.
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Zeit [s]
Inte
nsi
tät
[mW
/cm
²]
Intensität
Abb. 12: Verlauf der Lichtintensität bei Hardstart-Belichtung
6.3.2. Softstarttechniken
Softstart bezeichnet die allmähliche Intensivierung der Polymerisationsreaktion durch die
Belichtung in Intervallen. In dieser Studie wurden drei verschiedene Softstartmodi verglichen.
Dabei war es notwendig, dass bei allen - auch im Vergleich zu den Hardstartversuchen - die
gleiche Gesamtenergiezufuhr erfolgt, um die Messwerte einander gegenüberstellen zu
können.
25
• Softstart 1
In diesem Modus wurde die Probe 9-mal mit 50% Lichtintensität für je 10s mit 20s
Pause zwischen jedem Intervall belichtet. Nach 330s erfolgte die Endhärtung mit
voller Intensität für 255s (Abb. 13).
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Zeit [s ]
Inte
nsi
tät
[mW
/cm
²]
Intensität
Abb. 13: Verlauf der Lichtintensität bei Softstart 1
• Softstart 2
Bei den Softstart 2-Messungen wurde der Kunststoff in Intervallen von 5s Dauer mit
jeweils 10s Pause bestrahlt. Dabei stieg die Lichtintensität um je 10% beginnend bei
20%. Am Ende wurde 278s lang noch mit 100% Leistung die Kompositprobe
durchgehärtet (Abb. 14).
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Zeit [s]
Inte
nsi
tät
[mW
/cm
²]
Intensität
Abb. 14: Verlauf der Lichtintensität bei Softstart 2
26
• Inkrementsoftstart
Dieses Programm wurde bei schichtweiser Einbringung des Komposits gewählt. Die
Polymerisation der ersten beiden Schichten erfolgte dabei mit voller Lichtintensität für
je 20s. Die letzte Schicht wurde zunächst mit 10 Intervallen à 5s und mit 50%
Intensität und zum Schluss für 235s noch einmal mit voller Leistung ausgehärtet (Abb.
15).
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Zeit [s]
Inte
nsi
tät
[mW
/cm
²]
Intensität
Abb. 15: Verlauf der Lichtintensität bei Inkrementsoftstart
Die Bezeichnung der Versuche mit unterschiedlichen Belichtungsprofilen folgt der in der
folgenden Tabelle angegebenen Nomenklatur:
Kennzeichnung Belichtungsprofil
H Hardstart
S1 Softstart1
S2 Softstart2
IS Inkrementsoftstart
Tab. 3: Nomenklatur zur Kennzeichnung der Belichtungsprofile
6.4. Füllungstechniken
Die Mehrschichtrekonstruktion wurde mit beiden Füllungsmaterialien durchgeführt. Dabei
wurden zweierlei Schichttechniken angewendet, einmal die Füllung der Kavität in drei
27
horizontalen Schichten und zum anderen die so genannte oblique Inkrementtechnik mit
diagonalem Aufbau (Abb. 16, S. 27).
3
21 1 2
3
h d
3
21 1 2
33
21 1 2
3
h d
Abb. 16: Schematische Darstellung der angewendeten
Schichttechniken: (h) horizontal, (d) diagonal.
Nomenklatur der Schichttechniken:
h = horizontale Dreischichttechnik
i = oblique Inkrementtechnik
Nomenklaturbeispiel für eine Hardstart-Versuchsreihe mit Bodenhaftung und
Einschichtechnik unter Verwendung des Kompositmaterials Charisma:
Charisma_M_H_x
M: konditionierter Kavitätenboden
H: Hardstart
x : Laufende Nummer des Versuchs
6.5. Statistische Auswertung der Ergebnisse
Um die aus dem graphisch dargestellten Vergleich der Messungen abgeleiteten Aussagen
statistisch zu belegen, wurde der t-Test verwendet. Dieser Test gibt an, ob ein signifikanter
Unterschied zwischen den Mittelwerten zweier Versuchsreihen besteht. Dies ist dann der Fall,
wenn der Wert p ≤ 0,05 ist. Voraussetzung für die Durchführbarkeit des t-Tests ist die
Normalverteilung der Messwerte innerhalb einer Versuchsreihe, sowie die Übereinstimmung
der Standardabweichungen bzw. Varianzen der beiden zu vergleichenden Messreihen.
Deshalb mussten zunächst die Standardabweichungen der einzelnen Versuchsreihen
berechnet werden, um diese mittels des Tests von David, Pearson und Stephens auf
Normalverteilung zu untersuchen. Danach wurde mit Hilfe des F-Tests festgestellt, ob die
Standardabweichungen zweier Versuchsreihen übereinstimmen [31].
28
7. Ergebnisse
7.1. Eichung
Die aus den durchgeführten Versuchen gewonnenen Werte wurden durch geeignete
Eichverfahren in die entsprechenden SI-Einheiten umgesetzt.
7.1.1. Eichung der Spannungsmesswerte
Die Messingplatte wurde mit einem Aluminiumplättchen so in eine
Universalhärteprüfmaschine eingelegt, dass der Hebelarm die mittig auf das Plättchen
aufgebrachte Last registrierte. Der Härteprüfer ermöglichte die Belastung der
Versuchsanordnung mit definierten Kräften von 20 kp, 30 kp und 50 kp. Die registrierten
Messwerte sind in Tab. 4 gegenübergestellt, wobei die DMS-Werte Mittelwerte aus mehreren
Messungen darstellen.
DMS-Wert Prüfkraft in kp (N)
206 20 (196 )
1189 30 (294)
3350 50 (491)
Tab. 4: Zuordnung der Prüfkräfte zu den DMS-Werten
Aus der grafischen Darstellung der gewonnenen Daten ergibt sich ein linearer
Zusammenhang zwischen Belastung und DMS-Wert, die aufgrund eines Offsets in der
Messelektronik einen positiven Achsenabschnitt von 18,316 kp (179,67 N) aufweist bei einer
gedachten Verlängerung des Graphen bis zur y-Achse (Abb. 17, S. 29). Die Elektronik der
Versuchsanordnung zeichnete also erst ab einer entsprechenden Vordehnung die Messung
auf.
29
y = 0,0095x + 18,316
0
10
20
30
40
50
60
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000
DMS-Werte
Prü
fkra
ft [
kp]
Abb. 17: Lineares Verhalten des DMS-Streifens
Die Spannungsverhältnisse in der Kavität werden in erster Näherung durch die
Normalspannung in der Kontaktfläche zwischen dem Kunststoff in der Kavität und dem
Aluminiumplättchen beschrieben. Diese Spannung kann wiederum vereinfacht durch den
Quotienten aus der mit dem DMS gemessenen Kraft und dieser Kontaktfläche (5mm x
10mm) berechnet werden. Unter Einbeziehung der Eichgerade, sowie der Umrechnung von
[kp] in [N] mit dem Faktor 9,81 ergibt sich somit für die Berechnung der Spannung folgende
Gleichung:
Gleichung 3:
[ ]( )
²50
81,93,18009,0
mm
NxMPa
×+=σ
WertDMSxnungNormalspan −== ;σ
Um reproduzierbare Messergebnisse zu erhalten wurde jeweils mit einer Vordehnung des
DMS-Streifens in Höhe von 1000 Einheiten gearbeitet. Diese Vordehnung wurde bei der
Normierung der Messwerte für die graphische Darstellung berücksichtigt, damit nur die reine
Polymerisationsspannung im Komposit aufgezeigt wird.
7.1.2. Eichung der Polymerisationslampe
Die am Lichtleiter der Polymerisationslampe austretende Lichtenergie in [mW/cm²] erhielt
man durch Messung dieses Fotostroms mittels einer geeichten Silizium-PIN Fotodiode. Mit
Hilfe der vom Hersteller angegebenen Kennlinie für diesen Opto-Halbleiter (Silizium-PIN
Startpunkt der Messung
30
Fotodiode SFH 202, siehe Anhang) und der gemessenen Fotoströme ergab sich folgende
Funktion für die Lichtintensität.
Gleichung 4:
1015log
44,3
88,144log
²]/[
−+
+
=x
cmmWI
I: Lichtintensitä, x: Intensitätsmeßwerte
7.1.3. Eichung der Reaktionstemperatur
Um die im Versuchsaufbau gemessenen Temperaturen in °C umzurechnen, wurden der in der
Studie verwendete und ein geeichter Temperaturmessfühler in ein erwärmtes Wasserbad
gehalten. Die Messung mehrerer Temperaturdaten erfolgte dann beim Abkühlen des
Wasserbades. Unter der Annahme, dass in diesem Messbereich ein annähernd lineares
Verhalten für den Temperaturverlauf gegeben ist, ergibt sich eine Formel, mit der die in den
Versuchen aufgezeichneten Meßwerte in Temperaturen umgerechnet werden können
(Gleichung 5).
Gleichung 5:
[ ] 16,241063,2 3+×=°
− xCT
meßwerteTemperaturxTemperaturT == ;
7.2. Temperaturentwicklung
Die Temperaturentwicklung spiegelte den Verlauf der Polymerisationsreaktion wieder. Bei
Einschalten der Lampe (Polymerisationsbeginn) kam es zunächst zu einem raschen Anstieg
der Polymerisationsspannung, die sich im weiteren Verlauf asymptotisch dem Endwert
annäherte. Korrespondierend zu dem raschen Spannungsanstieg zu Beginn der
Polymerisationsreaktion zeigte auch der Temperaturverlauf am Anfang einen Peak und fiel
dann asymptotisch gegen den Endwert ab, um nach Ausschalten der Polymerisationslampe
gegen Null zu gehen (Abb. 18, S. 31). Der Großteil der Polymerisation lief also zu Beginn der
Reaktion ab, so dass hier die höchste Wärmeentwicklung zu verzeichnen war. Im Verlauf war
die Polymerisation nahezu abgeschlossen, die Polymerisationswärme also nahezu null, und
daher wurde nur noch die Temperatur der Lampe gemessen.
31
Abb. 18: Beispiel eines Temperaturverlaufs anhand des Versuchs Charisma_M_H
(Nomenklatur siehe Anhang).
Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit werden im Folgenden die Lichtintensitäts- und
Temperaturverläufe in einem zusätzlichen Diagramm unterhalb der Spannungsdiagramme
abgebildet.
7.3. Beeinflussung der Polymerisationsspannung durch Bonden des Kavitätenbodens
Die Messungen ergaben einen signifikanten Einfluss der Haftung des Materials am
gebondeten Kavitätenboden bei einer Hardstartbelichtung. Die Gegenüberstellung der
Graphen aus den Versuchen ohne Bodenhaftung (Charisma_O_H) und mit Bodenhaftung
(Charisma_M_H) zeigt einen deutlich unterschiedlichen Verlauf (Abb. 19, S. 32). Bestätigt
wurde diese Annahme durch die statistisch ermittelte signifikante Abweichung p = 0,018 für
die Endwerte des Spannungsverlaufs (Abb. 20, Tab. 5, S. 33).
32
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750
Zeit [s]
Intensität
[mW/ cm²]
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
Spannung
[MPa]
Intensität
O_H
M_H
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
per
atu
r [°
C]
O_H
M_H
Abb. 19: Mittelwerte der Versuche Charisma_O_H und Charisma_M_H (Nomenklatur siehe Anhang).
33
1,82
1,52
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
O_H M_H
Spannung [MPa]
Abb. 20: Spannungswerte von Charisma_O_H und Charisma_M_H am Ende der Messung (Nomenklatur
siehe Anhang).
Tab. 5: Ergebnis des t-Tests.
Für die Softstart1-Versuche ergab sich allerdings keine signifikante Erhöhung der
Polymerisationsspannungen durch Bonden am Kavitätenboden. Die Mittelwerte der beiden
Versuchsreihen Charisma_O_S1 und Charisma_M_S1 wiesen am Ende der Messung (T3)
Zeit [s] Reihe Spannung [MPa]
1,47 1,54 1,55 1,74 1,78 1,93
1799
1,52
1,82
0,05
0,10
O_H
M_H
Charisma O_H/ M_H
Mittelwert [MPa]
Standardab- weichung
[MPa]
0,018
t-Test (p-Wert)
34
keinen signifikanten Unterschied auf p = 0,593 (Abb. 21, Abb. 22, S. 35). Lediglich am Ende
der Intervallbelichtung (T1) war ein tendenziell geringerer Spannungswert bei den Versuchen
mit Bodenhaftung (Charisma_M_S1) zu beobachten. Der Mittelwertgraph verlief dann aber
bei voller Belichtung steiler und erreichte beim Abschalten der Polymerisationslampe (T2)
vergleichbare Ergebnisse wie bei Charisma_O_S1.
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
peratu
r [
°C]
O_S1
M_S1
Abb. 21: Mittelwerte der Versuche Charisma_O_S1 und Charisma_M_S1 (Nomenklatur siehe Anhang).
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Intensität
[mW/ cm²]
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
Spannung
[MPa]
Intensität
O/ S1
M/ S1
T1 T2 T3
35
1,361,31
1,041,07
0,53
0,75
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
O_S1/T1 M_S1/T1 O_S1/T2 M_S1/T2 O_S1/T3 M_S1/T3
Spannung [MPa]
Abb. 22: Spannungswerte von Charisma_O_S1 und Charisma_M_S1 am Ende der Softstart1-Belichtung
(T1), am Ende der Gesamtbelichtung (T2) und am Ende der Messung (T3) (Nomenklatur siehe Anhang).
Tab. 6: Ergebnis des t-Tests.
Zeit [s] Reihe Spannung [MPa]
0,73 0,74 0,77 0,64 0,43 0,51 1,19 1,00 1,02 1,07 0,99 1,06 1,47 1,23 1,25 1,38 1,30 1,40
t-Test (p-Wert)
0,593 1799 (T3)
O_S1 1,31 0,13
M_S1 1,36 0,05
Charisma O_S1/ M_S1
Mittelwert [MPa]
Standardab- weichung
[MPa]
586 (T2)
O_S1 1,07 0,10
0,584
M_S1 1,04 0,05
331 (T1)
O_S1 0,75 0,02
0,088
M_S1 0,53 0,11
36
Bei der Softstart2-Technik erhielt man bei Haftung des Komposits am Kavitätenboden fast
die gleichen Spannungswerte wie mit der Hardstartbelichtung. Der Unterschied zu den
Ergebnissen bei nicht gebondetem Boden fiel allerdings deutlicher aus. Die Messwerte waren
am Ende der gepulsten Belichtung (T1) noch identisch (p = 0,46), am Ende der
Gesamtbelichtung (T2) tendenziell verschieden (p = 0,09), aber am Ende der Messungen (T3)
mit p = 0,044 signifikant verschieden (Abb. 23, Abb. 24, Tab. 7 S. 37).
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Intensität
[mW/ cm2]
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
Spannung
[MPa]
Intensität
O/ S2
M/ S2
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
per
atu
r [°
C]
O_S2
M_S2
Abb. 23: Mittelwerte der Versuche Charisma_O_S2 und Charisma_M_S2 (Nomenklatur siehe Anhang).
T1 T3 T2
37
0,32 0,35
0,89
1,38
1,15
1,73
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
O_S2/T1 M_S2/T1 O_S2/T2 M_S2/T2 O_S2/T3 M_S2/T3
Spannung [MPa]
Abb. 24: Spannungswerte von Charisma_O_S2 und Charisma_M_S2 am Ende der Softstart1-Belichtung
(T1), am Ende der Gesamtbelichtung (T2) und am Ende der Messung (T3) (Nomenklatur siehe Anhang).
Tab. 7: Ergebnis des t-Tests.
Zeit [s] Reihe Spannung [MPa] 0,46 0,23 0,26 0,42 0,31 0,33 1,19 0,77 0,70 1,43 1,23 1,49 1,43 1,05 0,97 1,82 1,59 1,79
M_S2 1,38
0,26
0,13
0,089
M_S2 0,35
0,12
0,06
0,457 181
O_S2 0,32
459
O_S2 0,89
t-Test (p-Wert)
0,044 M_S2 1,73 0,13
1799
O_S2 1,15 0,25
Charisma O_S2/ M_S2
Mittelwert [MPa]
Standardab- weichung
[MPa]
38
7.4. Vergleich der Belichtungsarten
Im Folgenden werden die Messungen der verschiedenen Belichtungsmethoden
gegenübergestellt und miteinander verglichen (Abb. 25, Abb. 26, Tab. 8 S. 39).
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750
Zeit [s]
Spannung [MPa]
Charisma M_S1
Charisma M_S2
Charisma M_H
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
peratu
r [°C
]
M_S1
M_S2
M_H
Abb. 25: Mittelwerte der Versuche Charisma_M_S1, Charisma_M_S2 und Charisma_M_H (Nomenklatur
siehe Anhang).
T3
39
1,36
1,821,73
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
M_S1/T3 M_H/T3 M_S2/T3
Spannung [MPa]
Abb. 26: Spannungswerte von Charisma_M_S1, Charisma_M_S2 und Charisma_M_H am Ende der Messung
(T3) (Nomenklatur siehe Anhang).
Mittelwert
[MPa]
Standard-
abweichung
[MPa]
t-Test (p-Wert)
Charisma_M_H 1,82 0,10
Charisma_M_S1 1,36 0,05 0,012
Charisma_M_S2 1,73 0,13 0,418 0,014
Tab. 8: Ergebnis des t-Tests.
7.4.1. Softstart1-Versuche
Es zeigte sich im Vergleich zwischen dem Softstart1-Programm und der Hardstarttechnik,
dass eine Belichtung mit halber Intensität zu Beginn der Polymerisation (Softstart1)
günstigere Spannungswerte ergibt als eine konstante Energiezufuhr mit voller Lampen-
Leistung (Hardstart) (Abb. 25, S. 38, Abb. 26). Die Unterschiede waren statistisch signifikant
mit p = 0,012 (Tab. 8).
7.4.2. Softstart2-Versuche
Der Vergleich der Daten der stufenweise oder gepulsten Erhöhung der Lampenleistung
(Softstart2) mit den Hardstartergebnissen (Abb. 25, S. 38 Abb. 26) zeigte dagegen, dass die
40
beiden Versuche nahezu identische Werte liefern. Statistisch lag keine Signifikanz vor, p =
0,418 (Tab. 8, S. 39).
7.4.3. Gegenüberstellung zwischen Softstart1- und Softstart2-Versuchen
Signifikante Differenzen der Messergebnisse waren auch zwischen den Softstart 1- und
Softstart 2-Messungen mit p = 0,014 (Tab. 8, S. 39) feststellbar.
7.5. Inkrementtechniken
Wird die Füllung nicht in einer Schicht in die Kavität eingebracht, sondern in drei gleich
großen horizontalen Segmenten besteht die Möglichkeit, die Schrumpfung jeder Schicht
durch die Nachfolgende auszugleichen (Abb. 16, S. 27). Es zeigte sich allerdings, dass im
Vergleich zum Einschichtversuch mit Softstart 1-Technik keine signifikante Verbesserung der
Spannungsergebnisse zu erreichen war, lediglich eine Tendenz zur Schrumpfungsreduktion
war zu erkennen (Abb. 27a/b, Abb. 28, Tab. 9, S. 41).
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750
Zeit [s]
Spannung [MPa]
Charisma M_S1
Charisma M_IS_h
Abb. 27a: Mittelwerte der Versuche Charisma_M_S1 und Charisma_M_IS_h (Nomenklatur siehe Anhang).
T3
41
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
peratu
r [°C
]
M_S1
M_IS_h
Abb. 27b: Mittelwerte der Versuche Charisma_M_S1 und Charisma_M_IS_h (Nomenklatur siehe Anhang).
1,20
1,33
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
M_S1/T3 M_IS_h/T3
Spannung [MPa]
Abb. 28: Spannungswerte von Charisma_M_S1 und Charisma_M_IS_h (Nomenklatur siehe Anhang).
Tab. 9: Ergebnis des t-Tests.
Zeit [s] Reihe Spannung [MPa] 1,38 1,29 1,39 1,18 1,11 1,31
0,052
M_IS_h 1,20 0,10
t-Test (p-Wert)
1799
M_S1 1,36 0,06
Charisma M_S1/ M_IS_h
Mittelwert [MPa]
Standardab- weichung
[MPa]
42
Die oblique Inkrementtechnik, wie in Kapitel 4.4.1 (S. 15) beschrieben, lieferte die geringsten
Spannungswerte. Insbesondere die Versuche ohne Bodenhaftung zeigten deutlich signifikante
Unterschiede zu den Versuchen mit horizontaler Schichttechnik. Aber auch im Vergleich zu
dem Softstart1-Versuch ergab sich eine signifikante Verringerung der Polymerisations-
spannungen (Abb. 29, Abb. 30, Tab. 10, S.43).
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Intensität
[mW/ cm2]
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
Spannung
[MPa]
Intensität bei Schichttechnik
Intensität S1
O/ IS_iO/ IS_h
O/ S1
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
peratu
r [°C
] ttt
ttt
O_IS_i
O_IS_h
O_S1
Abb. 29: Mittelwerte der Versuche Charisma_O_S1, Charisma_O_IS_h und Charisma_O_IS_i (Nomenklatur siehe
Anhang).
T3
43
1,09
0,71
1,30
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
O_IS_h/T3 O_IS_i/T3 O_S1/T3
Spannung [MPa]
Abb. 30: Spannungswerte von Charisma_O_S1, Charisma_O_IS_h und Charisma_O_IS_i (Nomenklatur siehe
Anhang).
Mittelwert
[MPa]
Standard-
abweichung
[MPa]
t-Test (p-Wert)
Charisma_O_IS_i 0,71 0,13
Charisma_O_IS_h 1,09 0,04 0,035
Charisma_O_S1 1,31 0,13 0,040 0,063
Tab. 10: Ergebnis des t-Tests.
7.6. Gegenüberstellung aller Versuchsreihen
Die Hardstartversuche lieferten die höchsten Polymerisationsspannungen mit einem Endwert
(T3) von 1,82 MPa. Eine tendenzielle Verbesserung erzielte man durch den Softstart 2 mit
ansteigenden Belichtungspulsen (Endwert T3 = 1,73 MPa). Zur signifikanten Senkung der
Spannungswerte führten lediglich der Softstart1 mit Belichtungsintervallen von halber
Intensität (T3 = 1,36 MPa) und die Inkrementtechniken, wobei insbesondere die oblique
Schichttechnik mit T3 = 0,71 MPa die besten Ergebnisse erreichen konnte (Abb. 31, Abb. 32,
S. 44, Tab. 11, S. 45).
44
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750
Zeit [s]
Spannung [MPa]
Charisma M_S1
Charisma M_S2
Charisma M_H
Charisma_M_IS_h
Charisma_O_IS_i
Abb. 31: Mittelwerte aller Charisma-Versuchsreihen (Nomenklatur siehe Anhang).
0,71
1,20
1,36
1,821,73
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
M_S2/T3 M_H/T3 M_S1/T3 M_IS_h/T3 O_IS_i/T3
Spannung [MPa]
Abb. 32: Spannungswerte aller Versuche zum Zeitpunkt T3 (Messende) (Nomenklatur siehe Anhang).
T3
45
Mittelwert
[MPa]
Standard-
abweichung
[MPa]
t-Test (p-Wert)
Charisma_M_H 1,82 0,10
Charisma_M_S1 1,36 0,05 0,012
Charisma_M_S2 1,73 0,13 0,418 0,014
Charisma_M_IS_h 1,20 0,10 0,002 0,047 0,010
Charisma_O_IS_i 0,71 0,13 0,001 0,008 0,005 0,002
Tab. 11: Ergebnis des t-Tests.
7.7. Charisma und Tetric ceram
Alle bisher erwähnten Versuchsreihen wurden auch mit dem bewährten Feinpartikelhybrid
Tetric ceram durchgeführt, um festzustellen, ob es Unterschiede zwischen den
Feinpartikelhybridkompositen hinsichtlich ihres Polymerisationsverhaltens gibt. In allen
durchgeführten Versuchen verhielten sich die Materialien nahezu identisch (p = 0,535).
Lediglich im Temperaturverhalten war eine deutlich größere Reaktionswärmeentwicklung bei
Tetric ceram zu erkennen. Bei Charisma lag der Höchstwert im Bereich von 28°C, bei Tetric
ceram bei ca. 31,9°C, also rund 4°C höher.
In den folgenden Abbildungen und Tabellen (Abb. 33, S. 46, Abb. 34, Tab. 12, S. 47) sind die
Versuchsergebnisse der Messungen Charisma_M_S1 und Tetric_M_S1 exemplarisch
dargestellt.
46
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750
Zeit [s]
Intensität
[mW/ cm2]
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
Spannung
[MPa]
Intensität
Tetric M_S1
Charisma M_S1
24
27
29
32
34
0 250 500 750 1000 1250 1500 1750Zeit [s]
Tem
per
atu
r [°
C]
T_M_S1
C_M_S1
Abb. 33: Mittelwerte der Versuchsreihen Charisma_M_S1 und Tetric_M_S1 (Nomenklatur siehe Anhang).
T3
47
1,361,30
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
1,50
1,75
2,00
T_M_S1/ T3 C_M_S1/ T3
Spannung [MPa]
Abb. 34: Spannungswerte von Charisma_M_S1 und Tetric_M_S1 (Nomenklatur siehe Anhang).
Tab. 12: Ergebnis des t-Tests.
Zeit [s] Reihe Spannung [MPa] 1,44 1,27 1,19 1,38 1,30 1,40
Tetric M_S1/ Charisma M_S1
Mittelwert [MPa]
Standardab- weichung
[MPa]
t-Test (p-Wert)
1799
T_M_S1 1,30 0,13
0,535
C_M_S1 1,36 0,05
48
8. Diskussion
Im folgenden Kapitel sollen alle Versuchsergebnisse nochmals zusammengefasst und
erläutert werden.
Zunächst konnte man einen negativen Einfluß der Bodenhaftung auf die
Polymerisationsspannungen beobachten. Durch die Haftung am Kavitätenboden verlor die
Kompositfüllung einen Freiheitsgrad, sodass nur mehr von okklusal, mesial und distal die
Möglichkeit der Entspannung des Polymerisats durch ein Nachfließen noch nicht vernetzter
Polymere bestand. Trotz dieses negativen Einflusses der Haftung am Kavitätenboden auf die
Höhe der Polymerisationsspannung in der gesamten Kavität hat sich diese Technik bewährt,
weil so alle Areale der Kavität zur Haftung der Füllung herangezogen werden, wodurch die
Randspaltbildung deutlich verringert wird. Es bilden sich keine Hohlräume am pulpanahen
Kavitätenboden und es kommt zu einer Versiegelung der Dentinkanäle, wodurch ein
effektiver Pulpaschutz erreicht wird [3], [7]. Es galt also Lösungen zu finden, womit sich trotz
Anwendung von Dentinhaftvermittlern die Spannung im Komposit reduzieren lässt. In den
weiteren Gegenüberstellungen der Versuchsergebnisse wurden daher nur noch die
Datenreihen ausgewertet, die unter dem Einfluss der Dentinhaftung am Boden der
Restauration gewonnen wurden.
Bei Softstart1-Pulsung der Polymerisationslampe, also mit Intervallen von halber Intensität,
bewirkte eine langsamere Polymerisation an der Okklusalfläche und damit eine längere Prä-
Gelphase einen besseren Ausgleich der Spannungen als bei den Hardstart-Versuchen (von
1,82 MPa beim Hardstart auf 1,36 MPa bei Softstart1 (Abb. 31, Abb. 32, S. 44, Tab. 11, S.
45). Bei gepulster Belichtung mit ansteigender Intensität (Softstart2) kam es aufgrund des
raschen Anstiegs der Energieimpulse zu einer schnellen Aushärtung des Komposits an der
Oberfläche der Kavität, die neben der Mesial- und Distalfläche die einzige Möglichkeit zum
Nachfließen freier Polymerketten darstellte. Somit waren die Werte (1,73 MPa) nahezu
identisch mit den Ergebnissen beim Hardstart und damit schlechter als beim Softstart1. Eine
Verlängerung der Pausen zwischen den Belichtungsintervallen der Softstart2-Versuche wirkte
diesem Effekt zwar entgegen, bedeutete aber eine massive Verlängerung der gesamten
Belichtungszeit. Damit ist diese Belichtungsart als Methode zur Spannungsreduzierung für
die praktische Anwendung nicht geeignet.
Die tendenziell (nicht signifikant) niedrigeren Spannungen bei der Inkrementtechnik mit
horizontaler Schichtung (1,20 MPa) im Vergleich zu den Softstart1-Ergebnissen ließen sich
ebenfalls erklären durch die verschiedenen Freiheitsgrade, die dem Kunststoff zur Verfügung
49
standen, um die Polymerisationsspannungen abbauen zu können. Als freie Oberflächen stehen
wie beim Softstart1 nur die Approximal- und Okklusalflächen zur Verfügung, denn die
Oberfläche der unteren Schicht entspricht dem konditionierten Kavitätenboden der
darauffolgenden. Bei der obliquen Inkrementtechnik war vor allem der in Kapitel 4.4.1 (S.
15) beschriebene C-Faktor verantwortlich für die geringeren Spannungswerte (0,71 MPa).
Das Problem dieser Technik liegt allerdings in der praktischen Umsetzung. Gerade in
minimalinvasiven Kavitäten sowie im mesialen und distalen Kasten der Füllung ist es
schwierig die diagonalen Schichten so zu platzieren, dass möglichst viele ungebundene
Oberflächen entstehen. Selbst in der in dieser Studie verwendeten relativ großen Kavität war
es oft unmöglich reproduzierbare Messungen durchzuführen, sodass viele Versuchsreihen
verworfen werden mussten.
Im Vergleich der beiden Kompositmaterialien Tetric ceram (Fa. Vivadent, Ellwangen) und
Charisma (Fa. Heraeus Kulzer, Wehrheim/Ts.) zeigten sich keinerlei Unterschiede
hinsichtlich der Polymerisationsspannungen. Tendenziell ergaben sich aber höhere
Reaktionstemperaturen für Tetric ceram, also eine stärkere exotherme Reaktion und deshalb
ein höherer Polymerisationsgrad. Mit zunehmendem Polymerisationsgrad nehmen die
Viskosität, Zugfestigkeit, Bruchdehnung und Härte zu, während die Fließfähigkeit,
Kristallisationsneigung, Quellung und Spannungsrissbildung abnehmen. Dies beeinflusst die
Pulpaverträglichkeit aber auch Verschleißfestigkeit und Farbstabilität [16]. Da in meinem
Versuchsaufbau die Temperaturmessung wegen der schwierigen Positionierung des Sensors
und der nicht konstanten Bedingungen der Umgebungstemperatur lediglich qualitative
Ergebnisse brachte wurden diese nicht statistisch bewertet.
Die wichtigste Erkenntnis aus den gewonnenen Ergebnissen bestand darin, dass bei den
Kompositfüllungen eine Reduktion der Polymerisationsspannungen über eine geeignete
Belichtungsführung sowie eine konsequente Anwendung der Mehrschichttechnik möglich ist.
Unter den Belichtungsprogrammen stellte sich die hier untersuchte Softstart1-Technik mit
einer anfänglichen Intervallbelichtung von halber Intensität als erfolgreichste Methode zur
Verringerung der Kompositspannungen heraus. Im Vergleich zu den Hardstartversuchen
lagen die Ergebnisse der Softstart1-Messungen um 25% niedriger. Noch bessere Resultate
erzielte man mit den Inkrementtechniken. Insbesondere durch die diagonale Schichtung des
Materials konnten die Spannungen um bis zu 60% gesenkt werden (Abb. 31, Abb. 32, S. 44,
Tab. 11, S. 45).
Allerdings stellte die Versuchsanordnung eine stark vereinfachte Form einer in der realen
Praxis gelegten Füllung dar. Am Patienten ist es beispielsweise wesentlich schwieriger die
50
Mehrschichtrekonstruktion so auszuführen, dass die diagonalen Inkremente die
gegenüberliegenden Füllungswände nicht berühren. Gerade bei kleinen Klasse I-Kavitäten ist
dies nahezu unmöglich. Darüberhinaus konnten in dieser Studie Umgebungseinflüsse der
natürlichen Mundhöhle mit ihren spezifischen Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen
nicht berücksichtigt werden. Mit geeigneten In-vivo-Untersuchungen könnten die
gewonnenen Ergebnisse noch verifiziert werden. Auch die volumetrische
Polymerisationsschrumpfung der Füllung wird in den Messungen nicht erfasst. Ebenso wurde
keine Aussage getroffen über die Konversionsrate des Komposits, d.h. wieviele
Doppelbindungen umgesetzt wurden. Um mit letzter Sicherheit über die Randdichtigkeit und
damit umfassend über die Qualität der Kompositrekonstruktionen urteilen zu können, müssten
auch diese beiden Punkte genauer untersucht werden.
In früheren Studien wurden ähnliche Zusammenhänge beobachet. Beispielsweise haben ILIE
ET AL. [19] gezeigt, dass im Hinblick auf niedrigere Spannungen in der Kavität die
Softstarttechnik mit Intervallen von geringerer Intensität dem Hardstart vorzuziehen ist. Sie
verglichen die Ergebnisse einer Bluephase-Lampe im Standardmodus mit der einer MiniLED-
Lampe im Standard-, Softstart- und Pulsbelichtungsverfahren. Dabei unterlag die Bluephase-
Lampe signifikant der MiniLED in allen drei Belichtungsmodi. Zusätzlich konnten sie auch
eine Tendenz zur Reduktion der Spannungen durch ansteigende Lichtintensität (vgl.
Softstart2) im Vergleich zur Pulsbelichtung feststellen.
LIM ET AL. [24] erzielten durch eine 5 s Belichtung mit 60mW/cm², 2 min Pause und 60 s
Aushärtung bei 330mW/cm² eine Reduzierung der Spannung um bis zu 30% (Abb. 35, S. 51).
Die in dieser Studie ebenfalls gemessenen Volumenkontraktionen und Konversionsraten
unterschieden sich dabei nicht von denen der Kontrollgruppe mit kontinuierlicher Belichtung.
Sie verwendeten Proben mit einer Schichtstärke von 0,85 mm, was in der Realität nur schwer
reproduzierbar ist. Um die Ergebnisse mit realen Bedingungen vergleichen zu können, stellten
die Autoren die Ergebnisse Messungen an 1,67 mm und 2,54 mm dicken Proben gegenüber.
Dabei ergaben sich für die dickeren Schichten nochmals geringere Spannungswerte, die sie
mit einem höheren C-Faktor begründeten.
51
Abb. 35: Polymerisationsspannungen von Herculite mit Hard- und Softstart-Belichtung [24].
In der Studie von ERNST ET AL. [12] wurden ebenfalls die Polymerisationsspannungen von
Softstart-Versuchen mit Hardstartversuchen an sieben verschiedenen Kompositen und
Kompomeren in künstlich erzeugten Klasse I-Kavitäten (Durchmesser 5 mm) verglichen. Fast
alle Materialien zeigten bei 10-sekündiger Lichthärtung mit 150 mW/cm² und anschließender
30 sekündiger Aushärtung bei 700 mW/cm² eine geringere Spannung im Komposit als bei
kontinuierlicher Belichtung für 40 s mit 700 mW/cm². Die Auswertung erfolgte anhand
fotoelastischer Untersuchungen und ergab deshalb keine Spannungswerte in MPa, sondern
lediglich Relativwerte. Im Gegensatz zu unserer Studie ergaben sich hierbei für den
Füllungswerkstoff Charisma keine signifikanten Unterschiede zwischen Hardstart- und
Softstart-Technik.
Zur Analyse der Effekte von Intervallbelichtungen wurden bei SAHAFI ET AL. [34] extrahierte
Zähne verwendet, um der Realität so nahe wie möglich zu kommen. In diese Dentinproben
wurden zylindrische Kavitäten präpariert und verschiedene Softstartprogramme angewendet.
Der Kunststoff wurde für 1, 2 oder 3 s bei 425 mW/cm² belichtet, danach mindestens eine
Minute lang in Wasser aufbewahrt, und abschließend 10 s mit 750 mW/cm² ausgehärtet. In
einer Kontrollgruppe wurde eine kontinuierliche Belichtung mit 750 mW/cm² für 10s
durchgeführt. Das unter dem Lichtmikroskop gemessene Verhältnis der Wand-zu-Wand-
Kontraktionen zum Kavitätendurchmesser gab die Dimension der Randspaltbildungen an.
Auch diese Studie stellte eine signifikante Verminderung der Polymerisationsschrumpfung
durch eine geeignete Softstarttechnik fest.
KANG ET AL. [20] verglichen ebenfalls die Spannungen, die in drei Kompositmaterialien
(Charisma, TPH Spectrum, Esthet-X) bei konventioneller Belichtung und Softstarttechnik
52
nach 24 h messbar sind. Es zeigte sich wie in der vorliegenden Untersuchung eine
signifikante Verringerung der Spannungen durch die Softstartbelichtung.
Andere Studien bestätigten, daß Inkrementtechniken weniger Spannungen in der Kavität
erzeugen als die Einschichttechnik. So erzielten PARK ET AL. [29] in ihrer Untersuchung
geringere Annäherungen der Höckerspitzen bei mod-Kavitäten durch Einbringen des
Kunststoffs in obliquen Inkrementen als durch vollständiges Füllen in einer Schicht. Anders
als in unseren Untersuchungen konnten sie jedoch keine signifikante Änderung der Werte bei
Füllung in horizontalen Schichten gegenüber der Füllung in einer Schicht erreichen. SEGURA
UND DONLY [37] konnten ebenso nachweisen dass die Inkrementtechnik, insbesondere die
Schichtung in bukkolingualer Ausrichtung, eine geringere Anziehung der Höcker bewirkt und
über die Zeit mehr Spannungen abgebaut werden können.
Im Unterschied zur vorliegenden Untersuchung stellten VERSLUIS ET AL. [43] bei ihrer
Messung der Polymerisationsschrumpfung keine signifikanten Verbesserungen durch
Inkrementtechniken fest. Anhand Finite-Element-Analysen von mod-Kavitäten in extrahierten
Prämolaren wurden vier verschiedene Schichttechniken analysiert (siehe Kapitel 4.4.1, S. 15).
Es zeigte sich, dass durch die nach jeder Schicht auftretende Kontraktion das
Kavitätenvolumen sinkt. Dadurch konnte im Vergleich zum „bulk filling“ mehr Komposit
eingebracht werden und die Polymerisationsspannungen stiegen. Andererseits betrachteten
die Autoren zunächst nur die Post-Gel-Spannungen und die Ergebnisse relativierten sich bei
der Untersuchung der Gesamtspannungen.
Bezüglich aller Untersuchungen zum Thema „Reduzierung der Polymerisationsspannung in
Kompositrekonstruktionen“, ist zu beachten, dass es nach wie vor schwierig ist die Ergebnisse
auf reale Bedingungen zu übertragen. Die natürliche Zahnmorphologie und die damit
verbundene Restaurationsstruktur sind wegen ihrer Komplexität nur schwer in
Versuchsmodellen nachzubilden.
53
9. Ausblick
Die in der Entwicklung stehenden neuen Silorankomposite (Kapitel 4.4.2, S. 17, 18)
versprechen im Gegensatz zu den hier vorgestellten Methoden zur
Polymerisationsspannungsreduktion deutliche Verbesserungen, wie Studien zeigen konnten.
WEINMANN ET AL. [44] untersuchten die volumetrische Schrumpfung eines Silorans und
verschiedener Feinpartikelhybride (z.B. Tetric ceram). Dabei ergaben sich signifikant
niedrigere Schrumpfungswerte für das Siloran (0,94 Vol%) als für Tetric ceram (2,27 Vol%)
bei vergleichbaren physikalischen und mechanischen Eigenschaften (Abb. 36). Auch ILIE ET
AL. [19] stellten eine Reduzierung der Spannungen bei dem Siloran Hermes um 27 % im
Vergleich zu Filtek supreme, einem herkömmlichen Methacrylat-Komposit, fest.
Abb. 366: Schrumpfungsverlauf von Tetric
ceram und Silorane [44].
Die Silorane haben sich allerdings bis jetzt in der Praxis nicht durchsetzen können, obwohl
sie sehr vielversprechend waren.
54
10. Literaturverzeichnis
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11. Anhang
11.1. Kennlinie Silizium-PIN Fotodiode SFH 202
11.2. Nomenklatur der Versuchsreihen
Charisma_M_H Charismaversuch mit Bodenhaftung (Bonding) bei Hardstartbelichtung
Charisma_O_H Charismaversuch ohne Bodenhaftung (Bonding) bei Hardstartbelichtung
Charisma_M_S1 Charismaversuch mit Bodenhaftung (Bonding) bei Softstart1-Belichtung (Pulsbelichtung)
Charisma_O_S1 Charismaversuch ohne Bodenhaftung (Bonding) bei Softstart1-Belichtung (Pulsbelichtung)
Charisma_M_S2 Charismaversuch mit Bodenhaftung (Bonding) bei Softstart2-Belichtung (ansteigende Intervalle)
Charisma_M_S2 Charismaversuch mit Bodenhaftung (Bonding) bei Softstart2-Belichtung (ansteigende Intervalle)
Charisma_M_IS_h
Charismaversuch mit Bodenhaftung (Bonding) bei Inkrementsoftstart (siehe Kap.5.3.2) und horizontaler Fülltechnik
Charisma_O_IS_h
Charismaversuch ohne Bodenhaftung (Bonding) bei Inkrementsoftstart (siehe Kap.5.3.2) und horizontaler Fülltechnik
Charisma_O_IS_i
Charismaversuch ohne Bodenhaftung (Bonding) bei Inkrementsoftstart (siehe Kap.5.3.2) und obliquer Fülltechnik
59
12. Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei der Anfertigung dieser
Arbeit unterstützt haben. Insbesondere bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Axel Voß für
die Möglichkeit über ein Thema im zahnmedizinischen Bereich promovieren zu können. Ich
konnte stets und zu jeder Zeit auf seine Unterstützung und Geduld vertrauen und durch seine
wertvolle Kritik diese Arbeit erfolgreich abschließen.
Besonderer Dank gilt meinem Mann Thomas Hagspiel, ohne den die technische Ausführung
sehr schwierig geworden wäre und der mir bei kleinen aber auch großen Computerproblemen
stets mit Rat und Tat zur Seite stand.
Schließlich gilt mein Dank auch meinen Töchtern Leonie und Nina, die oft Zeit mit ihrer
Mama opfern mussten, damit diese Arbeit fertig gestellt werden konnte.
13. Erklärung
„Hiermit erkläre ich, dass die vorliegende Dissertation von mir in allen Teilen selbstständig
angefertigt wurde und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt
wurden. Darüber hinaus erkläre ich, dass die Dissertationsschrift weder vollständig, noch
teilweise einer anderen Fakultät mit dem Ziel vorgelegt wurde, einen akademischen Grad zu
erwerben.“